Hohenklingen ob Stein am Rhein, Band 1. Schaffhauser Archäologie 8

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Kurt Bänteli Erwin Eugster Andreas Heege

Hohenklingen ob Stein am Rhein

Hohenklingen ob Stein am Rhein

Schaffhauser Archäologie 8

Band 1 Archäologie und Geschichte


Die Burg Hohenklingen ob Stein am Rhein Band 1


Hohenklingen umrahmt von Hexenturm und Häusern an der Schifflände.


Kurt Bänteli, Erwin Eugster

Band 1: Archäologie und Geschichte der Burg und Anfänge der Kleinstadt


Schaffhauser Archäologie 8 Monographien der Kantonsarchäologie Schaffhausen Schaffhausen 2010

Die Publikation haben durch Beiträge ermöglicht: Jakob und Emma Windler Stiftung, Stein am Rhein Stadt Stein am Rhein Kanton Schaffhausen Konzept: Kurt Bänteli und Markus Höneisen Redaktion und Lektorat: Markus Höneisen und Kurt Bänteli Gestaltung: Katharina Bürgin Abbildungsnachweis S. 179 Druck: Unionsdruckerei AG, Schaffhausen Einband: Schumacher AG, Schmitten

© 2010 Baudepartement des Kantons Schaffhausen, Kantonsarchäologie ISBN 978-3-9523689-0-9 (Gesamtwerk) ISBN 978-3-9523689-1-6 (Band 1) ISBN 978-3-9523689-2-3 (Band 2)


Inhaltsverzeichnis Geleitworte Vorwort und Dank Überblick (Band 1 und 2)

I. Baugeschichte der Burg Hohenklingen 1191 bis 1423 und die Entstehung der Stadt Stein am Rhein zur Zeit der Freiherren von Hohenklingen 1. Spuren einer Vorgängeranlage auf Hohenklingen (Bauphase 1): Ab 1191–1213 2. Neubau unter den Herren von Hohenklingen (Bauphase 2): 1219–1232 3. Neuer Wohnturm von 1250/54, Ausbau Palas-Ost und Mittelbau (Bauphase 3): 1250–1283 4. Exkurs I: Stadtbefestigung, Stadthöfe und frühe Stadtentwicklung in Stein am Rhein und Hohenklingische Bauten in der Umgebung 5. Ausbau und Modernisierung der Burg Hohenklingen (Bauphase 4): 1393–1406 6. Ersatz des Palasobergadens (Bauphase 5): 1423 7. Exkurs II: Die Burg Hohenklingen im Vergleich mit den stadtarchäologischen Befunden von Stein am Rhein, Schaffhausen und Neunkirch

II. Baugeschichte der Burg Hohenklingen 1457 bis 1712 unter dem Einfluss von Stein am Rhein und Zürich

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III. Die Herrschaft der Freiherren von Hohenklingen 14 21 25 36 46 71 78 79

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1. Umbau der nordöstlichen Schildmauer mit neuer Wachtstube in der Osthofüberdachung, Bau eines überdeckten Wehrgangs mit Gefängnis und Umbau der Kapelle, Zwinger mit neuem Zugang von der Stadt (Bauphase 6, 1. Etappe): Um 1460 92 2. Exkurs III: Umbau des Hexenturmes durch die Stadt Stein am Rhein 96 3. Ersatz der westlichen Ringmauer und weitere Umbauten (Bauphase 6, 2. Etappe): Nach 1508 97 4. Einbau einer Geschützstellung auf dem neuen Turm (Bauphase 6, 3. Etappe): 1526 98 5. Einbau von Geschützstellungen im Obergaden des Palas (Bauphase 6, 4. Etappe): 1551 100 6. Erneuerung Palas-Ost und weitere Umbauten (Bauphase 6, 5. Etappe): 1572 102 7. Wehrgang-Südost (Bauphase 6, 6. Etappe): 1635 103 8. Erneuerung Mittelbau-Ost mit Rotem Laden (Bauphase 6, 7. Etappe): 1644 104 9. Laube südlich des neuen Turms (Bauphase 6, 8. Etappe): 1712 107 10. Renovationen zur touristischen Nutzung (Bauphase 7): Ab 1863 108

1. Einleitung 2. Das hochmittelalterliche Vermächtnis: Freie Reichsvögte der Staufer 3. Politische Grundlagen der Macht nach 1245: Der Seiltanz zwischen Reich, Landesherr und Autonomie 4. Sozioökonomischer Hintergrund 1: intensivierte Herrschaft 5. Sozioökonomischer Hintergrund 2: Familien und Verwandtschaftspolitik 6. Sozioökonomischer Hintergrund 3: Persönliche Gewaltfähigkeit – das Beispiel Walters VII. 7. Adlige Memoria und Herrschaftsrepräsentation 8. Funktionen der Burg Hohenklingen 1218 bis 1433 9. Zusammenfassung

IV. Vom adligen Anlageobjekt zur städtischen Kuranstalt – Burg Hohenklingen 1433 bis 1927 1. Anlageobjekt der Herren von Klingenberg 1419/33 bis 1457 2. Repräsentant autonomer Friedenssicherung 1457 bis 1499 3. Exponierte zürcherische Hochwacht 1500 bis 1803 4. Politische Hintergründe der Umbauten 1525 bis 1712 5. Vom bäuerlichen Pachtgut zur städtischen Kuranstalt und zum Symbol historischer Identität: 1804-1927

Anhang

Anmerkungen Abkürzungen Abbildungsnachweis Literatur

Planbeilagen

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Band 2: Adelsburg, Hochwacht, Kuranstalt – Forschungen zur materiellen Kultur 5


Geleitworte

Die Restaurierung der Burg Hohenklingen war für das Baudepartement nicht eine alltägliche, sondern eine Jahrhundertaufgabe, und ich bin stolz darauf, dass der Kanton dazu verschiedene Beiträge personeller und materieller Art leisten konnte. Natürlich hat sich keine Abteilung so eingehend mit diesem Projekt befasst wie die Archäologie, die das Bauwerk insbesondere während der zweijährigen Bauzeit 2005-2007 auf Herz und Nieren untersucht, über mehr als 800 Jahre rekonstruiert und mit ihren Ergebnissen massgeblich auch zum heute sichtbaren Endergebnis der Restaurierung beigetragen hat. Dass nun auch die umfangreichen Materialien und Funde bereits drei Jahre nach der Einweihung der restaurierten Burg der Öffentlichkeit vorgelegt werden können, ist keine Selbstverständlichkeit und wäre ohne das besondere Engagement der drei Autoren Kurt Bänteli, Erwin Eugster und Andreas Heege nicht möglich gewesen. Ihnen gilt mein Dank genauso wie der Jakob und Emma Windler Stiftung, welche die Finanzierung - unterstützt durch den Kanton - überhaupt erst ermöglichte, und schliesslich der Stadt Stein am Rhein für die ausgezeichnete Zusammenarbeit. Ich wünsche der spannenden und weit über die Region ausstrahlenden neuen Publikation der Burg Hohenklingen und ihrer Freiherren, ergänzt durch die Anfänge der Stadt Stein am Rhein, eine wohlwollende Aufnahme und viele begeisterte Leserinnen und Leser. Sie können sich auf eine Zeitreise durch die wechselvolle Geschichte Hohenklingens von der Adelsburg über die Hochwacht bis hin zum Ausflugsrestaurant freuen.

Dr. Reto Dubach Regierungsrat Schaffhausen

Nach der gelungenen Restaurierung des Bürgerasyls ist die Wiederbelebung der in die Jahre gekommenen Burg Hohenklingen das zweite, der Stadt Stein am Rhein gehörende Objekt, welches Dank den Mitteln der Jakob und Emma Windler Stiftung in einem solch grossartigen Umfang erneuert werden konnte. An beiden Objekten hat die Kantonsarchäologie umfangreiche Untersuchungen im Boden und an den Gebäuden durchgeführt. Ihre Erkenntnisse, die sie mit einer raschen Auswertung und Publikation der Öffentlichkeit vermittelt, und auch vor Ort in Ausstellungen darstellt, zeigen den Wert dieser für Stein am Rhein überaus wichtigen Kulturdenkmäler auf und unterstützen die Bemühungen der Stadt, diese attraktiv für den Tourismus zu nutzen. In einem ganz neuen Licht erscheinen nicht nur die Entstehung und wechselvolle Geschichte der Burg und ihrer Bauherren, des Freiherrengeschlechts der Hohenklingen. Durch die logische Ausdehnung der Untersuchungen auch auf die Stadt Stein am Rhein wird nun erstmals augenfällig, welchen gross­ artigen und tief ins Mittelalter zurückreichenden Baubestand - neben dem Kloster St. Georgen - auch unser Städtchen besitzt. Dieses bauliche Erbe der Hohenklingener für die Nachwelt zu erhalten, das unsere weitsichtigen Vorfahren, die Stadtbürger 1457 gekauft haben, erfordert unsere ganze Aufmerksamkeit. Ich bin dankbar, dass uns dank der Jakob und Emma Windler Stiftung dafür zweckgebunden auch die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen. Spannend ist für mich auch der Aspekt, dass sich die Archäologie nicht nur mit dem Mittelalter und der Neuzeit befasst, sondern in einem zweiten Band auch der Fundmaterialien der letzten hundertfünfzig Jahre annimmt. Diese vor allem im Burggraben gemachten, reichhaltigen Funde begeistern nicht nur die Besucher der kleinen Ausstellung auf der Burg. Sie führen zurück in die eigene Geschichte und noch weiter in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, als Hohenklingen Landgasthof und Kurbetrieb war und damit den Steiner Tourismus begründete. Ich danke den Autoren und allen weiteren Beteiligten für ihre innovative Arbeit, die eine unverzichtbare Bereicherung und Ergänzung der neuen Geschichte von Stein am Rhein darstellt, die bereits 2007 erschienen ist. Franz Hostettmann Stadtpräsident Stein am Rhein

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Vorwort und Dank

Mit der Publikation «Frühgeschichte der Region Stein am Rhein. Archäologische Forschungen am Ausfluss des Untersees» (Schaffhauser Archäologie 1, 1993) konnte die Kantonsarchäologie vor allem die spätrömische und frühmittelalterliche Geschichte von Stein am Rhein in einem Überblick vorlegen. Im Zentrum der Darstellung standen das spätrömische Kastell samt rechtsrheinischem Brückenkopf, das spätrömische Gräberfeld Hofwiesen sowie die Kirche auf Burg, mit interessanter Baugeschichte und herausragenden frühmittelalterlichen Adelsgräbern. Hinzu kamen archäologische Untersuchungen in der Stadtkirche von Stein am Rhein. Die Sanierung und Renovation des ehemaligen Bürgerasyls von Stein am Rhein gab 1999-2001 die willkommene Gelegenheit erstmals in der Altstadt von Stein am Rhein eine zusammenhängende grössere Parzelle zu untersuchen. Die Resultate der archäologischen Grabungen, der Bauuntersuchun-­ gen und der historischen Quellenforschung konnten mit der Monographie «Das Bürgerasyl in Stein am Rhein. Geschichte eines mittelalterlichen Spitals» bereits vorgelegt werden (Schaffhauser Archäologie 7, 2006). Den Durchbruch zu einem neuen Verständnis der mittelalterlichen Stadtgeschichte von Stein am Rhein ermöglichten aber die archäologische Forschungen und Bauuntersuchungen in den Jahren 2003-2007 in der Burg Hohenklingen, im Rahmen der umfassenden Sanierung und Restaurierung der ganzen Anlage, zusammen mit einer Aufarbeitung der historischen Quellen. In der Zwischenzeit gaben zahlreiche Umbauprojekte in der Steiner Altstadt Gelegenheit, weitere Häuser baugeschichtlich zu untersuchen und mittels Dendrochronologie ihr Alter zu bestimmen. Die Überraschung war gross, als sich zeigte, dass in zahlreichen heutigen Bauten noch vieles an mittelalterlicher Bausubstanz erhalten geblieben ist. Man hatte keine Vorstellung davon, dass auch die Burg Hohenklingen, abgesehen von Turm und Ringmauer, noch einen hervorragend erhaltenen hoch- und spätmittelalterlichen Baubestand besitzt. Bei den Untersuchungen erwies sich dann selbst das gut erhaltene Holzwerk noch mehrheitlich als mittelalterlich! Die dendrochronologischen Datierungen trugen daher wiederum viel zur Klärung der Baugeschichte bei. Bei der anschliessenden Auswertung, zu der auch eine umfassende Sichtung der schriftlichen Überlieferung gehörte, wurde mehr und mehr der Zusammenhang zwischen Bautätigkeiten auf der Burg und solchen in der Stadt Stein am Rhein fassbar. Letztlich standen die Freiherren von Hohenklingen dahinter. Seit den Anfängen diente Hohenklingen ihrer weithin sichtbaren Repräsentation. Adlige Lebensführung und Herrschaft zelebrierten sie aber mehr und mehr in der Stadt - mit einem eigenen Stadtquartier, einem Spital, in Klosterkirche und Friedhof. Spannend ist auch die weitere Geschichte der Burg: Vom adligen Anlageobjekt zur städtischen Kuranstalt. Verlorene und

entsorgte Alltagsgegenstände veranschaulichen das unterschiedliche Leben auf der Burg und vermitteln so eine lokale Kulturgeschichte vor dem Hintergrund des grossen Weltgeschehens. Die vorliegende Publikation bietet also in Vielem völlig Neues und Überraschendes, als Resultat intensiver Auseinandersetzung und Zusammenarbeit von Archäologie, Bauforschung, historischer und naturwissenschaftlicher Forschungen. Das Zustandekommen verdanken wir zahlreichen engagierten Personen. Grosser Dank gebührt Projektleiter Kurt Bänteli. Er hat mit langem Atem die Arbeiten geplant, selber durchgeführt, überwacht und vielfach für die Auswertung wieder zusammengeführt. Stellvertretend für die MitarbeiterInnen im Feld sei Andreas Vogelsanger gedankt, dem die örtliche Grabungsleitung oblag. Für die abschliessende Auswertung konnten drei erfahrene Wissenschaftler und Autoren gewonnen werden: Andreas Heege für die Auswertung der riesigen Masse von sehr heterogenem Fundmaterial, Erwin Eugster für die Sichtung und Interpretation der über 1000 Dokumente zur Geschichte der Freiherren von Hohenklingen, Kurt Bänteli für die abschliessende Auswertung der archäologischen und baugeschichtlichen Untersuchungen, unter Einbezug weiterer stadtarchäologischer Quellen. Felix Walder besorgte die dendrochronologische Auswertung, André Rehazek die Au­­swer-­ tung der Tierknochen und Rahel Ackermann bestimmte die leider nicht besonders zahlreichen Münzfunde. Die umfassenden Feldarbeiten und Auswertungen wurden nur möglich, dank finanzieller Mittel seitens der Jakob und Emma Windler Stiftung, des Kantons Schaffhausen und des Bundes. Dank gebührt an dieser Stelle stellvertretend Stadtpräsident Franz Hostettmann und Baudirektor Dr. Reto Dubach. Für die Fertigstellung der Publikation bin ich auch allen weiteren beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu grossem Dank verpflichtet: Katharina Bürgin für die Gestaltung der umfangreichen Publikation und die Bildbearbeitung, Silvia Pfister und Jeannette Rüegg für die Fundzeichnungen, Monika Krucker für die sorgfältige Gestaltung der Fundtafeln, Ruth Baur für das Zeichnen der vier Stadtbilder, Badri Rehda für vielfältige fotographische Arbeiten und Daniel Gerbothé für Katalog- und EDV-Arbeiten. Bedanken möchte ich mich auch bei Architekt Georg Wagner und Bauleiter Andreas Frei für die gute Zusammenarbeit. Verbirgt die Stadt Stein am Rhein noch mehr in ihren Mauern und unter dem Boden? Das wird sich bei zukünftigen archäologischen Untersuchungen und Forschungen zeigen. Markus Höneisen Kantonsarchäologe 7


Überblick (Band 1 und 2) Kurt Bänteli, Erwin Eugster, Andreas Heege Hohenklingen hat die in unserer Gegend typische Entwicklung von der hochmittelalterlichen Herrschaftsanlage zur Ruine oder zum frühneuzeitlichen Schloss respektive zur Festung nicht mitgemacht und ist von kriegerischen Zerstörungen verschont geblieben. Hohenklingen ist deshalb ein Juwel für die baugeschichtliche Forschung, das weitgehend in seiner Bausubstanz von 1219-1283 und in seinem Erscheinungsbild von etwa 1423 erhalten geblieben ist, wie die Datierung von 108 Holzbalken zeigt. Zudem wurde die Anlage von 1191 bis 1433 vom gleichen Freiherren-Geschlecht bewohnt. Von ihm sind über tausend schriftliche Zeugnisse und zahlreiche bauliche Spuren im nahen Stein am Rhein erhalten. Hohenklingen ist also nicht allein ein Glücksfall für die Erforschung von mittelalterlichen Adelsburgen sondern auch für die Verbesserung der Kenntnisse über die Herrschaftsstrukturen, die Ökonomie und das Selbstverständnis des ostschweizerischen Adels. Baugeschichte vor 1219 Die Baugeschichte ist ab 1219 sicher fassbar. Für die Zeit davor lassen sich zwar baugeschichtliche Zeugen einer (Herrschafts-)Anlage finden. Es ist aber nicht möglich, sich ein sicheres Bild von ihr zu machen. Entweder stand auf dem östlichen Sporn der Anlage eine Holzburg, welche aufgrund von Keramikscherben in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts datiert werden könnte. Sie wurde kurz vor 1200 sowie 1212/13 erweitert und ab 1219 völlig überbaut. Oder es entstand um 1191 eine Turmburg, deren umgebende Holzbauten ab 1219 dem steinernen Ausbau der Burg Platz machten und deren Turm 1250/51-54 durch den heute sichtbaren Bergfried ersetzt wurde. Die archäologischen Funde ergeben kein eindeutiges Bild. Aus bauarchäologischer Sicht scheint die erste Variante plausibler, während der historische Befund eher auf eine Mischform dieser beiden Varianten hinweist. Auf jeden Fall belegen die Tierknochen bereits in dieser frühen Zeit eine privilegierte Bewohnerschaft. Denn die Funde auf Hohenklingen unterscheiden sich deutlich von zeitgleichen Latrinen aus handwerklich geprägten Parzellen in Stein am Rhein. Die «Burgstelle» Hohenklingen gehörte im Mittelalter zum Kehlhof Öhningen. Die Staufer schenkten diesen 1191 an den Bischof von Konstanz, welcher ihn an die Freiherren von Klingen verlieh. Im Rahmen einer koordinierten politischen Aktion erhielten Letztere vom Kaiser auch die Reichsvogtei über Stein am Rhein. Die Übertragung Öhningens und der Reichsvogtei waren bis 1218 nicht unbestritten. Ein durch die Herren von Klingen ab 1191 veranlasster Auf- oder Ausbau der Herrschaftsanlage auf Hohenklingen macht vor diesem Hintergrund doppelt Sinn. Die Burg wurde zum Symbol der Vogteirechte über Öhningen. Insbesondere aber manifestierte sie von nun an Reichsvogtei über das Kloster St. Georgen und das Städtchen, welches sich aus dem ehemals herzöglichen, ab 1007 klösterlichen Fronhof Stein entwickelte. 8

Bau der heutigen Burg 1219 bis 1232/83 Als die konstanzisch-klingische Position 1218 nach dem Tod der letzten regionalen Konkurrenten der Staufer für ein Jahrzehnt unbestritten war, wurde die heutige Burg in drei Bauetappen von 1219 bis 1232 gebaut. Von ihr sind Palas, Ringmauer und Teile eines Wehrerkers erhalten, wobei die Dächer hauptsächlich mit Ziegeln, selten mit Schindeln bedeckt waren. Nur noch in Ansätzen vermag der Palas, abgesehen vom Stall im Palas-West und dem Treppenhaus-Küchenbereich im Zentrum, das Bild einer herrschaftlichen Wohnnutzung zu vermitteln. Der darüberliegende originale Obergaden mit seinen ausgedehnten Wohnräumen ist ersetzt worden, genauso wie der ebenfalls neu entdeckte, in Folge eines Baupfusches rasch ruinös gewordene alte Turm im Osten. Nur noch in Form einer Hangkante ist im Gelände der nordseitige Burggraben ablesbar. Der ursprüngliche Zugang zur Burg erfolgte von Osten über die Klingenwiese, über einen nordwestlich davon noch in weiten Teilen erhaltenen Hohlweg durch die sogenannte Schlucht. Bauherr war zur Hauptsache Ulrich (III.) von Klingen, der Vater von Ulrich I. von (Hohen-)Klingen, der sich als erster als Vogt «ob Stein» bezeichnete. Hohenklingen war von nun an bis weit in die Neuzeit hinein Symbol dafür, dass westlich von Öhningen und von Eschenz ein Schutz- und Schirmbereich begann, der bis nach Hemishofen und Rheinklingen reichte. Er war zwar klein. Aber er war zentral für Menschen, welche von Öhningen oder Ramsen kommend den Rhein überqueren wollten oder für Schiffer auf dem Untersee und Rhein, welche die Passage und/oder den Umlad in Stein suchten. 1250/51 bis 1254 wurde der erste Bergfried abgerissen und unter Verwendung des alten Steinmaterials durch den noch heute Hohenklingen dominierenden Turm ersetzt: Aussen ein abweisender, megalithischer Bergfried aus mächtigen Findlingen, innen mit einer bis in Details noch bemerkenswert gut ablesbaren Wohnnutzung in den drei Obergeschossen. Durch die aus statischen Gründen notwendige Verschiebung des Turms ins Burginnere verringerte sich die Fläche der Burg von 1120 m2 auf 980 m2 und machte Hohenklingen erst zur heute noch bestehenden rechteckigen Kompaktburg. 1253 kam ein 1258 erweiterter Mittelbau für Dienstleute dazu, der auch als Speicher diente. 1268 erhielt der Palas eine Bohlenstube, eine der ältesten erhaltenen Stuben überhaupt. Kleinere Bauarbeiten folgten bis 1283. Danach ist ein Bauunterbruch von nicht weniger als 110 Jahren festzustellen.


Ausbau der hohenklingischen Herrschaft über Stein am Rhein um 1250 bis 1393 Hintergrund dieser Unterbrechung ist indes nicht eine irgendwie geartete Krise. Im Gegenteil: Die Herren von Klingen hatten im Rahmen des bis 1245 erfolgten vollständigen staufischen Rückzuges ihre regionale Bedeutung keineswegs eingebüsst. Vielmehr hatte der Zugewinn der Öhninger und Steiner Rechte und des Tegerfelder Erbes sogar die Linienbildung auf Hohen- und Altenklingen erlaubt. Die Freiherren von Hohenklingen meisterten in der Folge die beiden grossen Herausforderungen des hiesigen spätmittelalterlichen Adels: Landesherrschaft und Kommunalisierung. Sie emanzipierten sich bereits in den 50er-Jahren von der bischöflich-konstanzischen Oberherrschaft. In der Folge widerstanden sie auch dem landesherrlich-habsburgischen Integrations- und Unterordnungsdruck. In Stein am Rhein bauten sie im Zusammengehen mit dem Abt von St. Georgen und der städtischen Bürgerschaft ihre Herrschaftsrechte gezielt aus. Die Steiner Brücke entstand um die Mitte des 13. Jahrhunderts. Danach erbaute man die städtische Ringmauer, der etwas später Türme angefügt wurden, so etwa der Hexenturm 1319 als südwestliche Ecke der Stadt. In den ummauerten Freiflächen entstanden mit dem Unter- und dem Ober-/Aarburghof zwei oder drei adlige Stadthöfe, denen im frühen 14. Jahrhundert mit dem «gross hus» (Kanzley) ein weiterer folgte. Allein die Wohnfläche des mit seinen Treppengiebeln noch markant in Erscheinung tretenden «gross hus» entspricht mit 400 Quadratmetern auf vier Geschossen fast jener der gesamten Burg Hohenklingen! In der gleichen Zeit errichteten die Stadtbürger steinerne Wohnhäuser, halb unterkellerte quadratische Bauten mit zwei bis drei durch Lauben erschlossenen Geschossen über dem Keller für Kaufleute, Händler, Wirte oder Handwerker oder nicht unterkellerte, ebenfalls zwei- bis dreigeschossige städtische Bauernhäuser mit ebenerdigem Stall und Wohnung im Obergeschoss. Alle diese frühen Steinbauten waren ursprünglich weitgehend freistehend, wie dies am Hinterhaus zur oberen Sonne an der Brodlaubengasse noch eindrücklich abzulesen ist. Sie sind erst bis im späteren 14. und 15. Jahrhundert zu den das Stadtbild prägenden, geschlossenen Gassenfronten zusammengewachsen. Der baulichen Intensivierung entsprach die wirtschaftlichrechtliche: Die Herren von Hohenklingen ergänzten die traditionellen Vogtabgaben durch Zölle, Warenumsatzsteuern und Markt- und Bankzinsabgaben sowie durch die einträgliche Vermögenssteuer. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts war der Abt von St. Georgen zwar weiterhin der Besitzer des Grundes in Stein am Rhein, der auch den Vorsteher des Schultheissengerichts bestimmen durfte. Die eigentlichen Stadtherren aber waren mittlerweile die Herren von Hohenklingen. Sie inszenierten ihre Herrenkompetenzen regelmässig in der Stadt. Zwischen dem Ober- und dem Unterhof entwickelten sie ein eigentliches Adelsquartier. Die hohenklingischen Gerichtstage, Abgaben- und Verleihungsrituale in den Stadthöfen waren ebenso «offiziell» wie die Beurkundungsrituale auf dem Kirchhof, Seelenmessen und Jahrzeitstiftungen in der noch heute beeindruckenden Marienkapelle der Klosterkirche und im nahen, von den Freiherren gestifteten Klingenzell oder hu-

manitäre Aktionen im Spital (Bürgerasyl), das die Herren von Hohenklingen um 1302 als Sühneleistung einrichteten. Obwohl die Herren von Hohenklingen in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ihre herrschaftliche Repräsentation und wohl auch ihre Wohnsitze mehrheitlich in die Stadt verlegten, blieb die Burg Hohenklingen für sie von ungeminderter Bedeutung. Auch nach dem Bau des ersten Stadthofes hielten sich ständig eine Burgbesatzung und regelmässig einzelne Freiherren auf Hohenklingen auf. Infolge der genealogischen Blüte um 1300 war die Burganlage von 1300 bis in die 60er-Jahre des 14. Jahrhunderts hinein wohl sogar längerfristig der Wohnsitz ganzer Familienzweige. Der Fundniederschlag zwischen 1250 und 1350 spricht eine deutliche Sprache: Die Kachelöfen auf Hohenklingen wurden nach 1250 regelmässig gewartet und bei Baufälligkeit durch neue und modernere Öfen mit Becher- und Pilzkacheln oder frühen glasierten Blatt-, Pilzund Tellerkacheln ersetzt. Das der Bodenseeregion entstammende Fundspektrum an Kochgeschirr, Aquamanilien und Glasfragmenten belegt, dass die Herren von Hohenklingen auch auf der Burg jene Tischsitten beachteten, welche sie zusammen mit den entsprechenden Ritualen von den Untergebenen und den übrigen sozial niedrigeren Schichten unterschieden. Auch das Jagdprivileg, überliefert durch zahlreiche Knochenfunde von Wildtieren, ist Ausdruck dieser herrschaftlichen Lebensweise. Wie die Stadthöfe diente Hohenklingen auch der Repräsentation im «Mikrobereich», also gegenüber den Vogtleuten und den grund- und leibherrlich Abhängigen. Denkbar ist, dass Teile der Abgaben, Vogthühner, Ferkel usf., deren Reste sich besonders häufig im Turmsockel fanden, nach Hohenklingen geliefert werden mussten. Vielleicht hatte sich bei besonderer Gelegenheit auch die gesamte Familie des Abhängigen zur Huldigung zur Burg hinauf begeben. Allerdings finden sich für diese Zeit nur Fragmente eines Kettenhemdes und eines Dolches, kaum Pferdegeschirrteile und nur zwei Hufnägel. Diese spärlichen Hinweise auf eine «ritterliche Nutzung» weisen darauf hin, dass Hohenklingen in erster Linie das wichtigste Mittel der «Makrorepräsentation» darstellte. Stärker noch als die bis 1359 vielleicht durch die Freiherren selbst bewohnte Burg Freudenfels und jene Herrensitze auf Oberstad, Kattenhorn und Schrotzburg, welche die Herren von Hohenklingen längerfristig an ritterliche Adlige verliehen hatten, manifestierte Hohenklingen die nun noch gesteigerte Friedenswahrungskompetenz seiner Herren am Ende des Bodensees. Modernisierung von Hohenklingen 1393-1406/23 Unter Walter VII. (belegt 1362-1422), verheiratet mit Gräfin Kunigunde von Fürstenberg, erlebte das Geschlecht der Herren von Hohenklingen seinen Höhepunkt. Walter VII., der sich selbst gerne als kämpfenden Ritter sah, war verwandtschaftlich mit den wichtigsten nichtfürstlichen Hochadelsgeschlechtern der Region vernetzt. Es gelang ihm, ohne die Autonomie zu verlieren, der Zugang zu Österreich und zur höchsten Reichs­ebene. Von Letzterer erhielt er 1395 nicht nur die Rechtsnachfolge der ausgestorbenen Linie der Herren von Altenklingen sondern auch den äusserst lukrativen grossen Zoll in Stein. Dies verdoppelte die Rentabilität der Reichsvogtei Stein! 9


1393-1406 veranlasste Walter VII. die Modernisierung der mittlerweile offenbar «veralteten» Burganlage. Er liess 1393 den Graben im Osten verbreitern und die neue, nordöstliche Schildmauer mit Schiesskammern, Wehrgang und dem einzigartigen, hofüberdeckenden Dachstuhl errichten. Dieser Osthof ist noch heute der kraftvollste Raum der Burg, begrenzt im Wes­ten vom Turmsockel mit seinen mächtigen Findlingen und bossierten Eckquadern, im Süden von der originalen Ringmauer. Das hofüberdeckende Dachwerk ist heute ein bedeutender Befund für die Burgenforschung. Wäre die Burg eine Ruine und würde ausgegraben, wer käme auf die Idee, dass solche hochgelegenen Nutzflächen konstruiert worden sind, die auch ebenerdig trockenen Raum schafften! Mit diversen Baumassnahmen wurde die Burg feuerwaffentauglich gemacht und erhielt 1401 mit dem hölzernen Mittelbau-West, der heutigen Wirtsstube, zeitgemässen städtischen Wohnkomfort. Die neu erbaute Kapelle mit ihrer herrschaftlichen Empore ist ein weiteres Zeichen dafür, dass die Burg nun nach einer dreissig- bis vierzigjährigen Phase geringerer Herrenpräsenz wieder dauerhaft standesgemäss bewohnt wurde. Der Turm hingegen wurde nicht mehr für adlige Wohnzwecke verwendet. Er erhielt 1406 ein repräsentatives Dach an Stelle der offenen Wehrplattform. 1423 fanden die Modernisierungsarbeiten mit dem Ersatz und dem Neubau des Obergadens auf dem Palas ihren Abschluss. Vermutlich war der sehr exponierte Baukörper beschädigt, sei es durch Wettereinflüsse oder Feuer, und musste deshalb ersetzt werden. Ob der Obergaden in der Folge überhaupt noch genutzt wurde, ist fraglich, weil nicht die geringsten Anhaltspunkte für eine Aufteilung des Innenraums vorliegen. Unter Walter VII. wurde auf der Burg zumindest ein neuer, sehr repräsentativer Kachelofen gesetzt. Die Kleidung der auf den grün glasierten Nischenkacheln dargestellten Adligen entspricht der exklusiven, in Europa tonangebenden Mode des burgundischen Hofes im späten 14. bis frühen 15. Jahrhundert. Ab dem 15. Jahrhundert wurden Dächer der Burg erstmals mit «topmodernen» Flachziegeln eingedeckt. Gleichzeitig nimmt der Anteil an leichter zu reinigendem, glasiertem Küchengeschirr zu. Insgesamt allerdings fällt aus fundarchäologischer Sicht auf, dass die Abfallmenge auf Hohenklingen zwischen 1350 und 1450 insgesamt zurückging. Ob dies die tatsächlichen Verhältnisse widerspiegelt oder ob sich das Entsorgungsverhalten geändert hat und der Abfall eine Zeitlang an einer anderen, nicht ausgegrabenen Stelle deponiert wurde, ist nicht klar. Jedenfalls machten die Um- und Neubauten Walters VII. die Burg zugleich wohnlicher und privater, aber auch repräsentativer. Der Rückgang der Fundmenge weist darauf hin, dass die Burg nun nur noch von der Kernfamilie Walters VII. und den dafür nötigen Bediensteten bewohnt wurde. Walter VII. könnte seine letzten zwei Lebensjahrzehnte durchaus vorwiegend auf Hohenklingen verbracht haben, während die Stadthöfe nach wie vor das wirtschaftliche Zentrum der Herrschaft bildeten. Hintergrund dieses gewandelten Wohnverhaltens war einerseits ein Wechsel in der Familienstrategie, andererseits ein etwas anderes Selbstverständnis Walters. 10

Walter VII. verfügte über rund 1300 Gulden jährlicher Einnahmen. Er hätte damit zwar zu den reichsten Zürchern gehört, lag aber doch deutlich unter dem Durchschnitt der Freiherren und Grafen. 1417 machte er den entscheidenden Fehler, als er seinen Neffen Ulrich IX. vollumfänglich an der hohenklingischen Herrschaft beteiligte. Als bei gesteigertem Repräsentationsaufwand die Verdienstmöglichkeiten bei Österreich und beim Reich sanken, wirkte sich die insgesamt doch ungenügende Verdichtung der kleinen hohenklingischen Herrschaft dramatisch aus. Walters Neffe und danach Walters Sohn Ulrich X. gerieten schnell in die Schuldenfalle. Biologisches Pech kam dazu. 1419 und 1433 wurde die Herrschaft Hohenklingen in zwei Etappen an die Herren von Klingenberg verkauft. Klingenberger Intermezzo 1419/33 bis 1457 Für die Klingenberger war die Herrschaft Hohenklingen anfangs in erster Linie ein Renditeobjekt. Ab 1437 diente es immer mehr als kreditwirtschaftliches Finanzierungsinstrument. Die Klingenberger setzten darum auf Hohenklingen und in Stein überwiegend Untervögte und weitere Beamte wie den für Einzug des grossen Zolls zuständigen Zoller ein, welche teils auf Hohenklingen, teils in privaten Häusern in Stein wohnten. Die Schriftlichkeit der Steiner Verwaltung wurde entscheidend gefördert. Herrschaftspräsenz zeigten die Klingenberger indes nur selten, in erster Linie dann, wenn ihre wirtschaftlichen Interessen bedroht waren. Nur Johannes von Klingenberg scheint nach 1444 häufiger auf Hohenklingen gewohnt zu haben. Investitionen in die Bausubstanz sind weder bauarchäologisch (abgesehen vom wohl schadensbedingten Neubau des Obergadens) noch über irgendwelche gesicherten Fundmaterialien – beispielsweise Hinweise auf den Einbau neuer Kachelöfen – bezeugt. Versorgungsprobleme innerhalb der Familie, Kriege, der österreichische Rückzug aus der Ostschweiz und weitere Gründe führten dazu, dass die Klingenberger 1457 die mit Schuldpfändern belastete Herrschaft Hohenklingen an die Stadt Stein verkauften. 1457 bestand wie erwähnt bereits eine Steiner Tradition lokaler Selbstverwaltung. Die Erwerbung der Herrschaft Hohenklingen für 24500 Gulden war darum für Stein am Rhein ein weiterer Schritt in die Autonomie. Daneben spielten Repräsentationsbedürfnisse der Steiner Oberschicht eine nicht zu unterschätzende Rolle. Symbol der Steiner Reichsunmittelbarkeit 1457 bis 1484 Die Jahrzehnte von 1457 bis 1484 waren in repräsentativer Hinsicht wohl die wichtigsten in der Geschichte Hohenklingens. Die Burg repräsentierte – viel mehr als die Stadt, welche ja auf Grundbesitz des Klosters St. Georgen stand – die Reichsunmittelbarkeit und die damit verbundene Kompetenz der souveränen Friedenswahrung für Bewohner und Durchreisende. Sie war DAS Symbol schlechthin dafür, dass die Bewohner Steins reichsrechtlich nun auf gleicher Stufe standen wie beispielsweise Schaffhausen, Konstanz oder Zürich. Der Einbau eines neuen Kachelofens mit der selbstbewussten Darstellung


des Stadtheiligen und der St. Georgslegende sowie von Szenen aus dem Leben Mariens nebst Themen aus dem Kontext der ritterlichen Welt belegt deutlich dieses neue Steiner Selbstverständnis. Wie die Klingenberger setzte die Stadt vorerst Untervögte auf Hohenklingen ein. Diese rekrutierte sie aus dem Ritteradel der Umgebung. Die adligen Burgvögte unterstützten den Stadtrat bei der Friedenswahrung. Vielleicht ist auch in diesem Zusammenhang die Steiner Tradition entstanden, besonders renitente oder politische Gefangene im finsteren Erdgeschoss des Bergfrieds auf Hohenklingen in Beugehaft zu nehmen. Zudem waren die adligen Burgvögte bis in das frühe 16. Jahrhundert die Steiner Militärexperten schlechthin. Denn die 1457 erfolgte nochmalige Aufwertung der Burg Hohenklingen als politisches Symbol war mit einer gesteigerten militärischen Bedeutung verbunden: 1459 schloss Stein mit Schaffhausen und Zürich ein auf 25 Jahre befristetes Bündnis. Stein wurde zum nördlichen Vorposten der Eidgenossenschaft. Die Umbauten um 1460 und nach 1508 dokumentieren den Wandel in Richtung einer Anlage, die in Krisenzeiten auch als temporäre Garnison zu dienen hatte. Um 1460 wurde die Burg den neuen Bedürfnissen der Stadt angepasst. Eine Wachtstube, ein überdeckter Wehrgang mit Schiessscharten für Hakenbüchsen und Abort sowie eine Gefängniszelle wurden eingebaut. Mit dem Umbau der Kapelle und dem neuen stadtseitigen Zugang des Zwingers reagierte man auf die neue Burgbesatzung und die verstärkte Orientierung hin zur Stadt. Nach 1508 wurden die westlichen Teile der Ringmauer und ein Mauerabschnitt südlich vor dem Turm vollständig neu gebaut. Das Amt des Burgvogtes erlaubte es einem Ritteradligen standesgemäss auf Hohenklingen zu wohnen. Vor diesem Hintergrund sind der Einbau eines neuen, spätgotischen Kachel­ ofens mit Georgslegende und mariologischen Motiven zu sehen, der kurz nach 1500 durch modernere Öfen mit Renaissancemotiven (antike Helden etc.) ersetzt wurde. Das auf Hohenklingen erhaltene Glas stammt überwiegend aus dem 15. und frühen 16. Jahrhundert (Krautstrünke, nuppenbesetzte Stangengläser und Kuttrolfe). Es weist auf eine für Ritteradlige standesgemässe Trinkkultur hin. Ebenso erstaunlich ist das Auftreten von Fragmenten von Fayencegeschirr unbekannter Herkunft. Da eine so frühe schweizerische Produktion nicht belegt werden kann, muss wohl an einen Import aus Italien bzw. Frankreich oder den Niederlanden gedacht werden. Oder hat einer der adligen Burgvögte des Hohenklingen die Stücke im späten 15. Jahrhundert selbst aus Italien mitgebracht? Ein ganz besonderes und seltenes Fundstück dieses Zeithorizontes ist eine keramische Handgranate, zu der sich Zeichnungen in frühen Feuerwerkerbüchern finden. Zahlreiche Fragmente von Heiligenfiguren und einem grossen Jesusknaben belegen die Existenz der Kapellenausstattung oder eines privaten Herrgottwinkels. Sie gelangten nach dem frühen 16. Jahrhundert in den Abfall.

Wandel zur zürcherischen Hochwacht 1484 bis um 1620 1484 löste ein für Stein deutlich weniger vorteilhafter Vertrag zwischen Zürich den Bund von 1459 ab. Nun hatte Stein Zürich generell mit Stadt und Burg zu dienen und an den Zürcher Feldzügen teilzunehmen. Zudem hatte es Gebot und Verbot Zürichs anzunehmen. Ab 1522/1531 war Stein aus Zürcher Sicht in dreifacher Hinsicht militärischer «Vorposten»: Es grenzte nicht nur die Eidgenossenschaft gegen das Reich, sondern seit 1522 auch den reformierten zürcherischen Einflussbereich gegen die katholischen Herrschaften Süddeutschlands ab. Und drittens war Stein seit 1531 Vorposten gegen den Thurgau, in welchem seit dem Zweiten Kappeler Landfrieden grundsätzlich wieder die vorreformatorischen Zustände galten und die katholischen Landvögte die Politik bestimmten. Das Spannungsverhältnis zwischen Steiner Autonomiebestrebungen, dringend benötigtem Zürcher Rückhalt, strategischer Bedeutung Steins und gegenseitigem Misstrauen definierte die Geschichte Hohenklingens von 1500 bis 1803. Das Amt des Burgvogtes wurde ab 1512 deutlich heruntergestuft. Die Burgvögte stammten künftig aus der unteren Steiner Mittelschicht. Im Normalfall lebten nur sie samt ihrer Familie, einem Knecht und einigem Vieh auf Hohenklingen. Der Burgvogt hatte in ers­ter Linie dafür zu sorgen, dass die bauliche Substanz der Burg erhalten und das Burginventar, insbesondere die Geschütze, die Munition und die Feuermeldeanlagen funktionstüchtig blieben. Er hatte zu verhindern, dass sich unerwünschte Gäste in der Anlage selbst und in den umliegenden Wäldern einnisteten. Tag und Nacht ergänzten er und sein Knecht die Brandwache auf dem Turm der Steiner Stadtkirche. In Zeiten erhöhter politischer Spannungen im süddeutschen Raum, im Thurgau oder in der Eidgenossenschaft wurde Hohenklingen zur Hochwacht. Die Burgbesatzung wurde mit acht bis zehn Mann verstärkt, blieb aber unter der Aufsicht des Burgvogtes. Mit Fahnen, Büchsen- oder Geschützschüssen hatte er militärische Gruppierungen oder verdächtige Ansammlungen von Menschen zu melden. Gegen 1620 wurde Hohenklingen so zum Teil des zürcherischen und bernischen Hochwachtsys­ tems. Im Krisenfall wurde Hohenklingen auf Zürcher Befehl hin zur Garnison. Unter dem Befehl eines in Stein stationierten Zürcher Hauptmanns wurden nun etwa dreissig Mann auf der Burg stationiert, Steiner Soldaten, die bisweilen durch zürcherische Truppen verstärkt wurden. Die Soldaten hatten in erster Linie nach fremden Truppen Ausschau zu halten und Patrouillen zu absolvieren. In der Zeit der Reformation und der beginnenden Gegenreformation reagierten Zürich und Stein jeweils mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung auf die Zuspitzung der Verhältnisse im süddeutschen Raum: 1526 wurden angesichts der zunehmenden Spannungen in der Eidgenossenschaft – aber nach dem Bauernkrieg – einfache Geschützstellungen auf der Wehrplattform des Turmes eingebaut. Sie sind – eine Rarität – noch weitgehend erhalten. Die Zinnen wurden mit mächtigen, stehenden Eichenbalken verstärkt. Dazwischen baute man in die Zinnenöffnungen schwenkbare, hölzerne Geschützblenden ein. Die zugehörige Kanone, ein Falkonett aus der Zürcher Giesserei Füssli, ist in der Rathaussammlung noch erhalten. 11


1551 wurde wohl als Reaktion auf die kaiserlich-katholische Belagerung von Konstanz von 1548 auf dem Palasobergaden eine zweite hoch gelegene Geschützstellung eingebaut. Sie ermöglichte den Beschuss der Spitzebni, eines flachen Plateaus im Norden, das 250 Meter entfernt wenig höher liegt als die Burg und sich als ideale Stellung für einen Angreifer anbietet. Eine mächtige, von der Stadt her gut einsehbare Wappenpyramide zierte nun die Südfassade. Mit der Reichskrone und den darunter gegenständig angebrachten Wappen Zürichs und des Stadtpatrons St. Georg markierte sie das nicht immer problemlos kompatible Selbstverständnis Steins und Zürichs. Weitere Erneuerungsarbeiten betrafen 1572 den Palas-Ost. Sie sind als Teil der reformierten eidgenössischen Reaktion auf die wieder zunehmenden konfessionellen Spannungen zu werten. Letzte Umbauten des Ancien Régime zwischen 1635 und 1712 Die Zeit des Dreissigjährigen Krieges hinterliess ihre Spuren vor allem in dem 1643 bis 1646 erbauten sternförmigen Befes­ tigungsring um Stein am Rhein. Auf Hohenklingen errichtete man 1635 den Wehrgang entlang der südlichen Ringmauer, der noch heute vom Mittelbau zum Turm führt. 1644 wurde als letzter Baukörper der Burg auch der Mittelbau-Ost vom Erdgeschoss bis zum Dach erneuert. Dazu gehörte der über dem Burgtor vorkragende Rote Laden, dessen Holzwerk ochsenblutrot bemalt war. Er steht in der Tradition der mittelalterlichen Wehrerker und ermöglicht noch heute einen direkten Blick aus dem Restaurant auf das Haupttor des Zwingers. 1712 schliesslich kam es im Rahmen des letzten eidgenössischen Bürgerkrieges des Ancien Regimes zu den einzigen baulichen Massnahmen des 18. Jahrhunderts: Bis 1712 liessen sich vom Wehrgang aus weder der Zwinger noch dessen neues, inneres Zwingertor richtig kontrollieren, trotz verschiedener Umbauarbeiten an den Scharten. Erst der partielle Abbruch der Ringmauer südlich des Turms und deren Ersatz durch eine Fachwerkwand änderten dies. Vier quadratische Fensteröffnungen verschafften einen perfekten Überblick auf den ganzen Zwinger. Neu geschaffen wurde auch eine über den Osthof führende südseitige Verbindung zur Wachtstube. Materielle Kultur vom 16. bis 18. Jahrhundert Die Grabenfüllungen zeigen einen deutlichen Rückgang der Deponierung zeitgenössischer Geschirrkeramik und sonstiger Funde zwischen etwa 1500/1520 und ca. 1650. Befand sich der Ort der Mülldeponierung an einer anderen, heute noch nicht erschlossenen Stelle? Im Gegensatz dazu ist aufgrund von einzelnen Kachelbruchstücken jedoch klar, dass auf Hohenklingen in dieser Zeit regelmässig Kachelöfen gesetzt und wieder abgebrochen wurden. Hierzu gehört auch ein grosser Ofen mit Darstellungen der Tugenden. Erstaunlicherweise fehlen auf der Burg die Krautstrünke, die typischen Gläser des fortgeschritteneren 16. Jahrhunderts, was möglicherweise auf einen Nutzungsrückgang oder auf den sozial-finanziellen Abstieg der Burgvögte im Verlauf des 16. Jahrhunderts hinweist. 12

Ab ca. 1650 scheint die Abfallentsorgung im untersuchten Grabenabschnitt wieder einzusetzen. Besonders hervorzuheben ist der Abbruchschutt des möglicherweise 1644 gesetzten Kachelofens mit den Darstellungen der Tugenden. Den Ersatz für diesen im späten 17. Jahrhundert abgebrochenen Ofen bilden Öfen mit Kacheln mit einem vertieften «Zweipass-Spiegel» bzw. glatten, grün glasierten Kacheln. Das Haushaltsgeschirr dieses Zeithorizontes, jetzt bunt bemalt oder meist beidseitig grün glasiert, besteht überwiegend aus Schüsseln, die zumindest teilweise aus Winterthurer oder Konstanzer Produktion stammen. Glaubt man den vorliegenden Bodenfunden, so wurde auf der Burg Hohenklingen – trotz eines 1668 in Stein am Rhein erlassenen Rauchverbotes – erst seit dem späten 17. Jahrhundert geraucht, obwohl der Genuss des Tabaks – die Sitte des Rauchens und vermutlich auch das Kauen bzw. Schnupfen von Tabak – in der Schweiz schon seit dem frühen 17. Jahrhundert bekannt waren. Die ältesten Pfeifen wurden vermutlich im süddeutschen Raum produziert, später folgten Importe aus den Niederlanden und dem deutschen Westerwald, die im fortgeschritteneren 19. Jahrhundert von Gesteckpfeifen aus Porzellan abgelöst wurden. Ein Charakteristikum der Keramikentwicklung des späten 17. bis 19. Jahrhunderts ist die Zunahme der Variabilität der Dekore und Glasuren. Das Schüssel- und Henkeltopfspektrum des 16./17. Jahrhunderts aus Irdenware wird erst ab dem späten 18. Jahrhundert unter dem Einfluss von Porzellan, Fayence und Steingut um den Bereich des Kaffee- und Teegeschirrs und einzelner Elemente des Tafelgeschirrs (Suppenterrinen, kalottenförmige Teller) erweitert. Ein Blumenübertopf mit fixem Ringgriff ist ein Beleg, dass auch Blumenschmuck vorhanden war. Krise und Umbau zur Tourismusattraktion 1803 bis 2007 Mit Steins Angliederung an den Kanton Schaffhausen 1803 und der Aufhebung des grossen Zolls in Stein am Rhein fiel die Legitimation Hohenklingens als Wahrzeichen für Reichsunmittelbarkeit und Geleitrecht dahin. Die Burg war zum (kostspieligen) Ort einer Brandwache degradiert. Der letzte Burgvogt durfte bis 1837 auf der Burg bleiben. Danach wurde diese samt Stallungen und landwirtschaftlichen Nutzflächen pachtversteigert. Doch das System bewährte sich nicht. Die Bausubstanz litt stark. Erst der Beschluss Steins 1863, Hohenklingen als Gastwirtschaft und Kuranstalt touristisch zu nutzen, bewahrte die Burg vor dem völligen Zerfall. Zwar liess sich der Kurbetrieb trotz Einbau von sechs bescheidenen Fremdenzimmern im dritten Obergeschoss des Palas und eines Speisesaals im Mittelbau-Ost nicht nachhaltig realisieren. Als aber ab 1895 nationale und lokale Kreise die Burg auch aus historisierenden und denkmalpflegerischen Motiven vor dem Zerfall bewahren wollten, wurde die Burg innerhalb weniger Jahre mit einer modernen Zufahrtsstrasse erschlossen und umfassend renoviert: Die beiden Wehrgänge wurden völlig erneuert und im Südosten zur Aussichtslaube umgestaltet, die Ringmauer saniert, der Zwinger renoviert und im Bereich des inzwischen eingefallenen Turms auf den heutigen Zustand er-


gänzt. Die mittlerweile mit Schindeln und Blech gedeckten Dächer der ganzen Anlage erhielten eine Ziegelbedachung, so weit verfügbar mit alten Ziegeln. Am markantesten waren die Veränderungen am Mittelbau, wo das Burgrestaurant sein heutiges Aussehen erhielt. 1924 bis 1926 wurde der «Rittersaal» restauriert, wo im Gefolge der ersten, mittlerweile legendären «No e Wili Aufführung» eine historisierende Bemalung die gleichzeitig zerstörten mittelalterlichen Quadermalereien ersetzte. Nach periodisch vorgenommenen kleineren baulichen Renovationen und Verbesserungen wurde schliesslich die gesamte Burg 2005 bis 2007 umfassend renoviert und dem Publikum mit neuen Nutzungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt. Materielle Kultur vom 18. bis 20. Jahrhundert Die Masse der vorliegenden Mineralwasserflaschen gelangte im späten 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf die Burg, mithin zu einem Zeitpunkt als sich hier noch keine Kurgäste zu eventuellen Trinkkuren aufhielten. Die Flaschen auf dem Hohenklingen sind also mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Spiegel der medizinischen Konsumgewohnheiten der Stadt Stein am Rhein, und erst die leeren Flaschen gelangten in sekundärer Verwendung als Bier-, Schnaps-, Öl- oder Feldflaschen der Hochwächter bzw. Burgpächter und ihrer Knechte auf die Burg. Die Schichten enthielten auch noch wenige dickwandige Vorratsflaschen aus grünem Waldglas, wie sie z.B. in den Glashütten im Entlebuch gefertigt wurden. Sie dienten der Lagerung von Flüssigkeiten (Essig, Öl, Wein). Im Gegensatz zur vorhergehenden und zur nachfolgenden Burgphase ist das nahezu vollständige Fehlen von Trinkgläsern für den gedeckten Tisch auffällig und mit grosser Wahrscheinlichkeit sozial zu werten. Fayence hat im städtischen Milieu der Schweiz im 18. und 19. Jahrhundert grosse Marktanteile und konkurriert erfolgreich mit dem wesentlich teureren Porzellan. Fayence ist aber etwa dreimal so teuer wie normale Irdenware. Es kann von daher kaum zufällig sein, dass auf der Burg Hohenklingen nur wenige, überwiegend unverziert weisse und seltener bemalte Koppchen und Untertassen des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts vorkommen. Sie belegen wie das Kaffeegeschirr aus Irdenware für das späte 18. oder frühe 19. Jahrhundert trotz der ärmlichen Verhältnisse der Burgvögte den Genuss von Bohnenkaffee (gestreckt mit Kaffee-Surrogaten?) auf dem Hohenklingen.

den sich in ihrer Menge und ihrer Zusammensetzung deutlich vom vorhergehenden ausgesprochen ärmlich und karg wirkenden Fundniederschlag der letzten Burgpächter. Die Zusammensetzung der Funde kann als exemplarisch für einen schweizerischen Landgasthof und Kurbetrieb der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelten: Flaschen für Mineralwasser (Eglisau, Elmer, Eptinger, Passugger und Henniez), Bier (Schaffhausen), Wein (Wallis), Champagner (Elsass), Trinkgläser und geeichte Massflaschen, gläsernes, gepresstes Tischgeschirr, Apotheken- bzw. Medizinfläschchen und Flaschen diverser «Patent-Medizinen» sowie Glasbehälter für Schminke, Pomade, Brillantine oder Creme bzw. Parfüm (4711, Lavendel-Wasser) und Maggi-Flaschen. Die hohe Anzahl und Variabilität der Glasflaschen ist ein typisches Phänomen des 19. und 20. Jahrhunderts auch im übrigen Europa und im angloamerikanischen Raum. Der Grund dafür ist vor allem in einer zunehmenden industriellen Fertigung und Standardisierung der Glasprodukte und fallenden Preisen für diese Art der Verpackung zu suchen. Das zunächst noch von Irdenwaren und Steinzeug (Mostkrüge und Sauerkraut-Töpfe) dominierte Geschirr wird sukzessive durch Steingut (Kaffee-, Tee- und Tafelgeschirr aus Schramberg, Hornberg, Zell am Harmersbach, Creil, Saargemünd, Schaffhausen und Carouge) und Hotelporzellan ersetzt. Erst nach dem Ersten Weltkrieg beginnt Langenthaler Hotelporzellan eine dominierende Rolle zu spielen, während vorher deutsche Porzellane vorherrschen. Emailbeschichtetes Gebrauchsgeschirr hält Einzug im Haushalt und der Burgküche. Insgesamt fällt die Heterogenität des Fundensembles auf, d.h. es sind zumindest für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts kaum grössere Geschirrsets eines bestimmten Herstellers erkennbar, wie man es eigentlich für einen Gasthof erwarten würde. Da es bislang kaum bearbeitete und veröffentlichte Fundkomplexe dieser Zeitstellung in der Schweiz gibt, sind die Funde vom Hohenklingen nicht nur für die Ortsgeschichte sondern auch darüber hinaus von erheblichem Wert.

Im 19. Jahrhundert finden sich häufiger unglasierte, konische Pflanzentöpfe und Untersetzer. Erstmals kommt als völlig neue Materialgruppe das grob gemagerte, feuerfeste Kochgeschirr hinzu, das möglicherweise im Jura hergestellt wurde. Es handelt sich um ein typisches Geschirrspektrum aus Töpfen mit Horizontalhenkeln, konischen Schüsseln, grossen Steckdeckeln, Tellern und Caquelons mit Rohrgriff. Das Besondere am Fundgut der zweiten Hälfte des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts auf dem Hohenklingen ist der durch die Burggaststätte und Sommerfrische bedingte Fundniederschlag an Glas, Steingut und Porzellan. Die Funde unterschei13


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I. Baugeschichte der Burg Hohenklingen 1191 bis 1423 und die Entstehung der Stadt Stein am Rhein zur Zeit der Freiherren von Hohenklingen Kurt Bänteli

«Die Burg Hohenklingen bei Stein am Rhein im Kanton Schaffhausen ist eines der wenigen Bauwerke dieser Art welche unversehrt die verheerenden Kriege der früheren Jahrhunderte überdauert haben. Sie eignet sich daher vorzugsweise dazu, in ihrer Einrichtung, namentlich aber in derjenigen ihres Bergfriedes etwas genauer vorgeführt zu werden». (Julius Naeher 1885, Die deutsche Burg, ihre Entstehung und ihr Wesen insbesondere in Süddeutschland. Berlin, 24). «...auf Instandhaltung der in jeder Hinsicht so unberührt in mittelalterlichen Gestalt dastehenden Burg Hohenklingen bedacht zu sein...». (Heinrich Zeller-Werdmüller 1893, Mittelalterliche Burganlagen der Ostschweiz. Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich 23. Leipzig, 292). «Hohenklingen ist ein wohlerhaltenes Beispiel einer ansehnlichen mittelalterlichen Höhenburg». (Otto Stiefel 1921, Geschichte der Burg Hohenklingen und ihrer Besitzer. München, 96).

Abb. 1 (gegenüberliegende Seite): Die Burg Hohenklingen von Westen, von der Hemishofer Brücke aus. Abb. 2 (unten): Geräte und Keramikscherben sind 6300 Jahre alt und die ersten Nachweise für menschliche Aktivitäten auf diesem Hügelsporn.

«Im übrigen tritt uns hier eine Anlage entgegen, die abgesehen von den Neubauten des 16. Jahrhunderts den Charakter einer mittelalterlichen Burg vollständig bewahrt hat». (Heinrich Boxler 1982, Hohenklingen, in: Die Burgen der Schweiz 5, Kantone Zürich und Schaffhausen. Zürich, 92). «Hohenklingen ist durch seinen Erhaltungszustand als mittelalterliche Burg von besonderer Bedeutung. Wie keine andere Burg am Bodensee hat sie ihr Erscheinungsbild bewahrt. Hohenklingen hat die typische Entwicklung von der Burg zum Schloss, zur Festung oder zur Ruine nicht mitgemacht. Auch ist sie von Zerstörungen verschont geblieben». (Günter Schmitt 1998, Schlösser und Burgen am Bodensee I, Westteil: von Maurach bis Arenenberg, 346). Einleitung

Ergebnisse

Die Planungs- und Restaurierungsarbeiten ermöglichten in den Jahren 2003 bis 2007 Unter­ suchungen im Boden und am aufgehenden Mauerwerk der Burg. Dank der grosszügigen Unterstützung durch die Jakob und Emma Windler Stiftung und Beiträgen von Bund und Kanton Schaffhausen konnten sie umfassend dokumentiert werden. Dabei wurden die bisherigen Vermutungen bestätigt, dass Hohenklingen einen hervorragend erhaltenen, hoch- und spätmittelalterlichen Baubestand besitzt. Ganz neu ist aber die Erkenntnis, dass das ausserordentlich gut erhaltene Holzwerk ebenfalls noch weitgehend aus dem Mittelalter stammt. Es ermöglichte die umfassende dendrochronologische Untersuchung einer Auswahl von 142 Bauhölzern der Burg, von denen 108 sicher datiert werden konnten. Dies führte zur weitgehenden Klärung der Baugeschichte (Abb. 22 und 137).

Fundmaterial einer viel älteren, einstigen neolithischen Besiedlung fand sich im Innern der Kapelle und unmittelbar ausserhalb davon an der Ringmauer (Abb. 2).1 Ab 1191 entstand auf Hohenklingen und/oder in der Nähe eine Vorgängeranlage unbekannten Grundrisses, von der allerdings nichts mehr erhalten ist. Mögliche Varianten reichen von beheizbaren, ziegelbedeckten Holzbauten, vielleicht einem Turm, bis zu einer Burganlage an einem anderen Standort in der Nähe von Hohenklingen. Sie diente der Sicherung und Kontrolle des Übergangs vom Bodensee in den Rhein. Die jetzige Burg ist 1219–1232 durch die Freiherren von Klingen in drei Bauetappen erbaut worden. Bauherr des Neubaus war Ulrich (III.) von Klingen, der damit ein machtvolles Zeichen setzte, wer Herr über Stein war. Während Palas, Ringmauer und Teile eines Wehrerkers erhalten 15


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1232 (Wehrerker Nordost) 1283 1253 (Haus Nordost) und 1258 (Südost) Ausnahme ist die Kaminrenovation im Palas-Ost um 1340

Abgerissen 1423 Ersatz des alten und neu erbaut Obergadens 1572 Umgebaut Nach 1508 5. Etappe 2. Etappe Palas-Ost Westliche Ringmauer 1551 4. Etappe Geschütz Stellung

Ab 1219

1401? 1401 Ständerbohlenbau

Renovationen Ab 1863 zur touristischen Nutzung der Burg

1644 7. Etappe Roter Laden

Ab 1219 Verkleinert

ca.12301232 1250/ 51–1254

1393, neu 1393 Schildmauer Nordost

1406 Turm dach

Um 1460 Um 1460 1. Etappe 1. Etappe Wachtstube, überdeckter Wehrgang mit Abort, Gefängnis; 1635 7. Etappe Wehrgang Süd; 1712 8. Etappe Laube

1526 3. Etappe Geschützstellung

Zwinger

Alter Turm

Neuer Turm

Osthof

Kapelle

MittelbauWest

Westhof

Palas-Ost

Ab 1191 Spuren einer Vorgängeranlage mit unbekanntem Grundriss

1219-ca.1221 1222Abgerissen ca.1226 bzw. verlegt und neu erbaut Alter Obergaden Erweitert bzw. 1255 und verkleinert 1268

Keine Bautätigkeit von 1284–1392 4 Erbaut, bzw. umgebaut

MittelbauOst mit Rotem Laden

Erbaut

Palas- West

Bauvorgang

Bauphase 1

ca.12301232

Abgebrochen

Um 1460 1. Etappe mit neuem Zugang von der Stadt

Abb. 3: Benennung und Datierung der einzelnen Bauteile.

Abb. 4: 1 Ab 1191 2 1219-1232 3 1250-1283 4 1393-1406 5 1423 6 1457 7 1508-1572 8 1638-1712

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blieben, wurde der Obergaden über dem Palas mit seinen ausgedehnten Wohnräumen später ersetzt, genauso wie der neu entdeckte, in Folge eines «Baupfusches» rasch ruinös gewordene alte Turm im Osten. Er wurde abgebrochen und 1250/51– 54 durch den neuen, den heutigen Turm ersetzt. Bauherr war Ulrich I., der erste Freiherr der Linie von Hohenklingen. Der Palas wurde 1268 mit einer Bohlenstube erweitert und 1253 kam der Mittelbau als Wohnhaus für die Dienstleute und als Speicher wohl für die Abgaben der Herrschaftsangehörigen neu hinzu. Dann gab es auf Hohenklingen einen Bauunterbruch von 110 Jahren (Abb. 22 und 137). In dieser Zeit wurden ab 1250 die erste nachrömische Brücke errichtet und die Stadtmauern von Stein am Rhein auf- und ausgebaut. In den neu ummauerten Freiflächen der Stadt errichteten die Stadtbürger steinerne Wohnhäuser, wie sie gleichförmig auch in den Städten Schaffhausen und Neunkirch gebaut wurden. Die Vögte hingegen bauten vier an die Ringmauern anschliessende, grosszügige Stadthöfe mit Ställen, Scheunen, Werkhäusern, Trotten und weiteren Ökonomiegebäuden. Dies macht deutlich, dass der Lebensmittelpunkt der Hohenklingener nicht allein auf der hochgelegenen, windigen Burg lag. Sie errichteten oder übernahmen auch vier weitere Herrschaftssitze in der Umgebung und stifteten das Spital in Stein und drei Kapellen, ganz im Zeichen der Sorge um das Seelenheil. Erst 1393–1406 erfolgte die Modernisierung der mittlerweile veralteten Burg. Bauherr war Walter VII. von Hohenklingen, der zum einflussreichsten Bewohner in der Geschichte der Burg Hohenklingen wurde. Er war mit Gräfin Kunigunde von Fürstenberg verheiratet. Die neue, nordöstliche Schildmauer mit massiver Verbreiterung des Grabens im Osten ist eine Reaktion auf das Aufkommen der Feuerwaffen. Eine Familienkapelle mit herrschaftlicher Empore und die Überdachung des östlichen Hofes kamen neu hinzu, und die Burg erhielt 1401 mit dem komfortablen, hölzernen Mittelbau-West zeitgemässen, quasi «städtischen» Wohnkomfort. Dies sind Hinweise, dass die Burg wieder intensiver bewohnt wurde. Der neue Turm hingegen wurde nun nicht mehr als Wohnbereich genutzt und erhielt 1406 ein repräsentatives Dach an Stelle der offenen Wehrplattform. Mit dem Ersatz des offenbar schadhaften Obergadens auf dem Palas fanden 1423 die Modernisierungsarbeiten ihren Abschluss. 1419 und 1433 verkauften die letzten Hohenklingener ihre Burg und die Rechte an der Stadt Stein am Rhein in zwei Schritten an die Ritter von Klingenberg. Die Herren von Hohenklingen waren wirtschaftlich am Ende. Mit Ulrich X. starb das Stein am Rhein durch seine bauliche Hinterlassenschaft bis heute prägende Adelsgeschlecht um 1445 aus.

Bemerkenswerterweise ist die mittelalterliche Burganlage bis heute weitgehend erhalten geblieben, weil 1457 die Übernahme der Burg mit all ihren Rechten durch die Bürger der Stadt Stein am Rhein erfolgte, die sie als Hochwacht nutzen. Sie setzten einen Vogt ein, der je nach Bedrohungslage durch eine Burgbesatzung verstärkt wurde, und unterstellten sich 1484 Zürich. Bereits um 1460 wurde die Burg den neuen Bedürfnis-­ sen der Stadt angepasst, mit Wachtstube, über­ decktem Wehrgang mit Schiessscharten für Hakenbüchsen und Abort, Gefängnis, Umbau der Kapelle und Zwinger mit neuem Zugang von der Stadt her. Hinterliess der in der nächsten Umgebung tobende Schwaben-/Schweizerkrieg keine baulichen Spuren, so wurden in den reformatorischen Wirren des 16. Jahrhunderts einfache Geschützstellungen eingebaut. Sie ermöglichten nicht nur den Beschuss der Klingenwiese, den Zugang im Osten, sondern vor allem auch der Spitz­ebni, einem nordseitigen, flachen Plateau, das 250 m entfernt ist. Es liegt wenig höher als die Burg und bietet eine ideale Stellung für einen Angreifer. Die ers­te entstand 1526 im neuen Turm, auf der Wehrplattform. Dafür wurden die Zinnen mit mächtigen, stehenden Eichenbalken verstärkt und schwenkbare, hölzerne Geschützblenden in den Zinnenöffnungen eingebaut. Die zugehörige Kanone, ein Falkonett aus der Zürcher Giesserei Füssli, ebenfalls von 1526, ist in der Rathaussammlung noch erhalten. Eine zweite hochgelegene Geschützstellung wurde 1551 im Palasobergaden angelegt, der neben Bodenverstärkungen an Stelle der alten Flechtwerkwände eine pseudosteinerne, verputzte Backsteinfassade erhielt. Die Zeit des Dreissigjährigen Krieges (1618–1648) ist in Stein am Rhein vor allem durch die Anlage eines sternförmigen Schanzenrings um die Stadt geprägt. Die 1643–1646 entstandene Befestigung lebt heute nur noch in den Namen «gross bzw. chli Schanz» weiter. Auf Hohenklingen hatte man schon 1635 den Wehrgang entlang der südlichen Ringmauer errichtet, der noch heute vom Mittelbau zum neuen Turm führt. Im Angesicht der städtischen Grossbau­ stelle wird 1644 als letzter Baukörper der Burg auch der Mittelbau-Ost vom Erdgeschoss bis zum Dach erneuert. Dazu gehört der über dem Burgtor vorkragende Rote Laden, der in der Tradition der mittelalterlichen Wehrerker steht und noch heute einen direkten Blick aus dem Restaurant aufs Haupttor des Zwingers ermöglicht. Jüngste, militärische Erneuerungen stammen von 1712, aus der Zeit des letzten Bürgerkrieges der Eidgenossenschaft. Mit der Einrichtung einer Kur­anstalt begann 1863 die touristische Nutzung des Hohenklingen, die bis heute andauert.

17


Abb. 5: Hohenklingen ob Stein am Rhein von Süden.

18

Würdigung

Die Burg Hohenklingen hat die typische Entwicklung von der Wehrburg zum Schloss, zur Festung oder zur Ruine kaum erlebt. Sie ist von kriegerischen Zerstörungen verschont geblieben und wurde schliesslich durch die touristische Nutzung im 19. und 20. Jahrhundert nur wenig beeinträchtigt. Ein Glücksfall, der das Bauwerk für die Forschung ausserordentlich bedeutend macht und dem heutigen Besucher ein grossartiges Bild einer mittelalterlichen Ritterburg vermittelt, im Gegensatz zu den Hunderten von Ruinen, die sich übers Land verteilen und ihre einstige Geschichte oft kaum mehr erahnen lassen. Exemplarisch und einzigartig lassen sich am erhaltenen Objekt der Auf- und Ausbau einer Herrschaftsstruktur einer lokalen Adelsfamilie nachvollziehen. Und dies nicht nur an ihrer hoch liegenden Burg, sondern auch auf Grund von ebenfalls einzigartigen Erhaltungsbedingungen an der am Rheinufer errichteten Stadtanlage mit den zugehörigen Stadthöfen. Als Landschaft prägendes Erbe der Freiherren von Hohenklingen sind sie zu Juwelen der nordschweizerisch-süddeutschen Burgen- und Städtelandschaft geworden. Vergleichbare Erhaltungsbedingungen zeigt im weiten Umfeld einzig der Unterhof im nahen Diessenhofen, nicht in seiner stark überprägten äusseren Gestalt, als viel mehr in der Ausstattung seiner Innenräume, von der erstaunlich viel den Lauf der Zeit überdauert hat. Die Silhouette der wehrhaft wirkenden Burg Hohenklingen wird vom neuen Turm von 1250/51– 1254 dominiert (Abb. 5). Es ist ein aussen abweisender, megalithischer Bergfried. Dieser besitzt

innen eine noch bemerkenswert gut ablesbare Wohnnutzung in den drei Obergeschossen, die auch für den Laien sehr gut nachvollziehbar ist. «Kraftvollster» Raum der Burg ist sicher der Osthof. Er wird im Westen vom Turmsockel mit seinen mächtigen Findlingen und bossierten Eckquadern begrenzt, im Süden von der originalen Ringmauer von 1219–ca.1226 und im Nordosten durch die mächtige Schildmauer von 1393 mit ihren Schiesskammern und den Wehrgängen. Einzigartig ist der hofüberdeckende Dachstuhl, ein weiterer, bedeutender Befund für die Burgenforschung. Wäre die Burg eine Ruine und würde ausgegraben, wer käme auf die Idee, dass solche hochgelegenen Nutzflächen existierten, die auch ebenerdig trockenen Raum schufen? Herausragend sind auch die übrigen Holzwerke, die Dachstühle von 1406 über dem neuen Turm und von 1423 über dem Palas. Bedeutsam ist der vom Erdgeschoss bis zum Dach erhaltene Mittelbau-West von 1401, ein Bohlenständerbau mit seiner gross­ artigen Stube, der heutigen Wirtsstube. Von einem weiteren Wohnraum im Palas-Ost ist die Boh­ lenwand von 1268 erhalten, eine der ältesten mittelalterlichen Stuben des süddeutschen und nordschweizerischen Raumes überhaupt. Sonst vermag der Palas nur noch in Ansätzen das Bild einer herrschaftlichen Wohnnutzung zu vermitteln, mit Stall im Erdgeschoss und Küchenbereich im Zentrum. Eine Rarität sind auch die erhaltenen, frühneuzeitlichen Geschützstellungen von 1526 auf der Wehrplattform im neuen Turm, bzw. von 1551 im Palasobergaden. Zur Ersten gehört eine noch funktionstüchtige Kanone im Rathaus.


Schliesslich sind in der Stadt Stein am Rhein auf Grund ihrer bemerkenswerten Erhaltung die in den Hausfassaden grossflächig erhaltenen Stadtmauern mit dem ebenfalls in megalithischer Bauweise errichteten Chretzenturm und Hexenturm zu nennen. Von den vier Stadthöfen der Freiherren von Hohenklingen blieben der Ökonomieteil des Niederhofs der Zeit um 1290 und vor allem das markante, «Grosse Haus» von 1311 noch bis zum Dachfirst weitgehend erhalten. Mit seinen Treppengiebeln überragt das Grosse Haus noch heute deutlich Häuserzeile und Stadtmauern, dies im Gegensatz zu verschiedenen Wohnhäusern, die ebenfalls aus dem 13. und 14. Jahrhundert wohlerhalten sind und sich meistens in den heutigen Häusern verstecken. Als kleines stadtgeschichtliches Juwel verbirgt sich schliesslich im Hexenturm eine originale Folterwinde mit Gefängniszelle aus der Zeit nach 1463, aus dem Ende der Ritterzeit. Damals nahmen die Steiner Bürger ihre Geschicke selbst in die Hand und setzten auf diese Weise die neu erlassenen Gesetze des Rates durch.

Abb. 6: Hohenklingen, Südansicht vor Beginn der Restaurierungen 2003. Abb. 7: Der örtliche Grabungsleiter Andreas Vogelsanger erklärt den Burggraben an den Besuchstagen vom 13./14. Juli 2005.

Ablauf und Umfang der Untersuchungen Im Hinblick auf die anstehenden Restaurierungsarbeiten erstellte die IBID Altbau AG Winterthur als Planungsgrundlage zuerst ein Raumbuch, eine beschreibende Bestandsaufnahme mit baugeschichtlichen Hinweisen (Abb. 6).2 Von Seiten der Kantonsarchäologie fanden im Herbst 2003 erste Begehungen, eine Sondage im Burggraben und dendrochronologische Datierungen von frei zugänglichen Bauteilen statt. Ein Jahr später kamen Sondagen im Osthof hinzu. Eine weitere Sondage im östlichen Burggraben wurde im Frühjahr 2005 ausgeführt. Anschliessend folgte vom 12. April bis 18. Juli die archäologische Untersuchung des Burggrabens im Bereich der Kaverne für Versorgung und Liftzugang sowie im Bereich des Liftschachtes an der nördlichen Ringmauer (Abb. 7 und 8).3 Schliesslich wurde baubegleitend vom 21. Oktober 2005 bis 15. März 2007 das gesamte Bauwerk untersucht, soweit es die Umstände zuliessen. Die Verputze sind nur an schadhaften Stellen zum Teil flächig entfernt worden. Flächengrabungen fanden im Palas-West, Mittelbau und in der Kapelle statt (Abb. 9). Im Osthof wurden die alten Kanalisationsgräben ausgenommen und die Profile untersucht; auf weitere Grabungen wurde hier aus denkmalpflegerischen Gründen verzichtet (Erhaltung archäologischer Substanz für die Zukunft). Die Annahme eines älteren Turmes auf der Ostseite der Burg, die sich im Verlauf der Untersuchungen herauskristallisiert hatte, konnte in einer letzten Sondage im Frühjahr 2007 bestätigt werden.

Abb. 8: Situation und Profil des Burggrabens. Umfassungsmauer Weg 592.00 591.65

591.00 590.00 589.00 588.00 587.00

Nagelfluh

586.00 585.00 584.52

584.00 583.00

heutige Oberfläche

582.00

581.45

581.00

Garten 16. bis 19. Jh. 8

580.00

Graben; Füllung 13. / 15. Jh. Weg

Aufschüttung Grabenaushub

9

578.00

7

Kantonsarchäologie Schaffhausen 20. Nov. 2003

Burg Hohenklingen Profil 1, Blick West

Nagelfluh

6

579.00

5

3 2

4 576.82

577.00 576.00

Anstehendes

575.00 574.00

19


s+p Schmid Partner AG Villenstrasse 23 8200 Schaffhausen Tel.: 052 625 60 80 Fax 052 625 00 78 für Architektur und Bauberatung Rietstrasse 10 8260 Stein am Rhein E-mail: SchmidPartner@Schaffhausen.ch

C

B

3062 Restaurierung Burg Hohenklingen Mst. 1 / 200 0.E.02 Grobaufnahmen Grundriss Erdgeschoss Ausdruck 19.01.07

19.05.03 gü

Rev. 19.01.07 ts

Palas

westlicher Burghof

A

Turm E

5m

10m

E

Eingang

N 1m

östlicher Burghof

C

A

0m

D

Kapelle

Mittelbau

B

15m

äusseres Tor

D

Graben Nord P1, P10, P14, P15, P23

Bezeichnung:

Aussen an Ringmauer Nord P19

P13.1 P12 P13

Sondagen

Profil Nr.

TB5

Tagebuchblatt

Palas Ost

Palas West

Profile P16

Mittelbau Ost P42-P43, P48-P59

P35

E

D

P29-P31, Kapelle P36-P41, P2 P44-P47 Tb98

A

Flächengrabung

Tb103

C

P11

B

P4

Tb100 Tb99 P8

Westhof

C

Tb97

P25-P28, P32-P34

Osthof

Neuer Turm Tb68, 71

P3

P21 Alter Turm

Osthof P16

A

E

P7

P5

Aussen an Ringmauer Ost

P6 Zwinger B

P22 Aussen an Zwingermauer Tor

P18

Graben Ost P9

P20 P24 P17 P23.1

Abb. 9: Hohenklingen, Situation der Grabungs­ flächen.

20

Die Gesamtleitung von Archäologie und Bau­ geschichte lag in den Händen des Schreibenden, die örtliche Leitung der Ausgrabungen hatte Andreas Vogelsanger. Grabungsmitarbeiter waren Ruedi Bühler, Lisa Erne, Manuel Iglesias, Hans-Ulrich Rentsch und Bruno Tanner. Dank gebührt Felix Walder vom Dendrolabor des Büros für Archäologie der Stadt Zürich, der die Bauholzdatierungen durchführte sowie den Mitarbeitern der IBID Altbau AG, insbesondere Kurt Diggelmann, Christina Mecci, Marco Tiziani und Elsbeth Wullschleger für die Erstellung des Raumbuchs, digitalen Plänen und Aufnahmen für den Kulturgüterschutz im Masstab 1:20. Eine ganze Reihe von Fachleuten hat während der Untersuchungen die Burg besucht und mit ihren Diskussionen vor Ort zum vorliegenden Resultat beigetragen, wofür allen ebenfalls Dank gebührt: Peter Albertin, Peter Frey, Burghard Lohrum, Michael Losse, Rudolf Martin, Werner Meyer, Jakob Obrecht, Christoph Reding, Iwan Stössel und Stefan Uhl. Weitere Ergebnisse wurden im Rahmen zweier Bauforscherkurse erarbeitet, die als Aus- und Weiterbildung für den Verein des archäologisch-technischen Grabungspersonals der Schweiz (VATG) organisiert wurden. Für die ausgezeichnete Zusammenarbeit bedanken wir uns bei der Stadt Stein am Rhein, insbesondere dem Stadtpräsidenten Franz Hostettmann, der Jakob und Emma Windler Stiftung, der Schmid Partner AG mit dem Architekten Georg Wagner, dem Bauleiter Andreas Frei sowie allen beteiligten Handwerkern die uns jederzeit bereitwillig unterstützten. Und schliesslich danke ich für die kritische Durchsicht des Manuskriptes Jakob Obrecht, Christoph Reding und Pius Räber. Und zu guter Letzt natürlich den beiden Mitautoren, Andreas Heege und Erwin Eugster, für die sehr fruchtbare Zusammenarbeit.

D

Aussen an Ringmauer Süd

Forschungsgeschichte Mit den Freiherren von Klingen befasste sich 1869 erstmals ausführlich Johann Adam Pupikofer. Julius Naeher legte 1885 eine Beschreibung des Bergfrieds mit detaillierter Planbeilage vor. Johann Rudolf Rahn würdigte 1889 die Gesamtanlage, in seiner Statistik der Schweizerischen Kunstdenkmäler.4 Eine Dissertation des Steiner Bürgers Otto Stiefel befasste sich 1921 mit der Geschichte der Burg und ihrer Besitzer. Er ging davon aus, dass der bewohnbare Bergfried ältes­ ter, zuerst allein stehender Teil der Feste war, der durch die bambergischen Vögte ab der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts errichtet worden sei. In einer zweiten Bauphase wären der Palas (das Ritterhaus) mit der Ringmauer, die Kapelle und der Mittelbau hinzugekommen und so, in dieser Gestalt, in den Besitz der Stadt Stein am Rhein übergegangen. Diese hätte dann im Zusammenhang mit der Einrichtung einer Hochwacht Ende des 15. und im 16. Jahrhundert den Mittelbau mit Speicher- und Wohnräumen sowie einen Erker für den Burgvogt errichtet, den östlichen Hof überdacht und den Ostteil des Palas hinzugefügt.5 Seine Überlegungen sind von den späteren Autoren weitgehend übernommen worden, so 1958 durch Reinhard Frauenfelder im Kunstdenkmälerband über Stein am Rhein oder von Heinrich Boxler 1982 in den Burgen der Schweiz. Zum Teil neue Ansätze vertrat dann Günter Schmitt 1998. Er datierte die Umfassungsmauer in die Zeit um 1100 und stellte sich daran angelehnte hölzerne Innenbauten vor. Er ging davon aus, dass Palas, Kapelle und die steinernen Teile des Mittelbaus bis 1250 durch die Freiherren von Klingen hinzugekommen seien. Wie die früheren Autoren datierte auch er die übrigen Holzbauteile in die Zeit der städtischen Hochwacht. Den Turm allerdings datierte er um 1200, obwohl es Daniel Reicke in seiner Dissertation bereits 1995 gelungen war, seine Erbauungszeit durch dendrochronologische Untersuchungen auf um 1255 festzulegen.


1. Spuren einer Vorgängeranlage auf Hohenklingen (Bauphase 1): Ab 1191–1243 Die Burg Hohenklingen liegt rund 200 m über der Stadt Stein am Rhein auf einem nach Süden, Westen und Norden ziemlich steil abfallenden Sporn. Im Osten, künstlich durch einen Halsgraben abgetrennt, hängt er mit dem Bergrücken des Hohenklingen zusammen, einem Ausläufer des Schiener Bergs (Abb. 11). Der ursprüngliche Zugang zur Burg führt über einen noch in weiten Teilen erhaltenen Hohlweg von Westen, vom Punkt 444 aus in einem Dreiviertelkreis durch die sogenannte Schlucht auf die Klingenwiese hin zum Burgtor.

bis 1419/33: Hohenklingen bis 1457: Klingenberger Stadt Stein am Rhein/Zürich

0m

1m

5m

0

10m

10

Bauphase I Bauphase II Bauphase III Bauphase IV Bauphase V Bauphase VI Weiss

Ohne Zweifel bestand vor der heutigen Burg eine vielleicht bereits schon mehrphasige Vorgängeranlage. Dafür sprechen vor allem wieder verwendete Hölzer von Bauwerken die älter sind, als die ab 1219 errichtete und noch weitgehend erhaltene Burg der zweiten Bauphase. Hinzu kommen Schichten mit wenigen Keramikscherben und zahlreichen Tierknochen sowie Reste von Holz- und Erdstrukturen auf dem Burgplateau, die zur Bauphase 1, oder in Einzelfällen vielleicht auch in die Anfänge der Bauphase 2, gehören könnten. Eine Rekonstruktion aus all diesen isolierten Einzelelementen ist allerdings unmöglich. Klar scheint einzig, dass es entweder auf diesem Sporn oder in der Nähe eine ab 1191 gegründete Vorgängeranlage gab, hoch über der Siedlung Stein am Rhein, mit seinem Kloster St. Georgen

Abb. 10: Ab 1191 entstand auf Hohenklingen und/oder in der Nähe eine Vorgängeranlage unbekannten Grundrisses, von der, abgesehen von wieder verwendeten Holzbalken und einigen Kleinfunden, nichts mehr erhalten ist. Sie diente der Sicherung und Kontrolle des Übergangs vom Bodensee in den Rhein.

Abb. 11: Hohenklingen. Topographische Situation des Burghügels mit den Bauphasen.

ab 1191 1219 - 1232 1250 - 1283 1393 - 1406 1423 1457 - 1712 19. /20. Jahrhundert

15m

20 m

age 1

Sond

N

Weg

Gart en n

aben Burggr

ach

J. Sc

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Vett e

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173

0

Weg

Klingenwiese

Kantonsarchäologie Schaffhausen Burg Hohenklingen Bauphasenplan Stand April 2007 mit Dendrodaten BfAZH Plangrundlagen: s+p Schmid Partner AG

21


und dem benachbarten Kehlhof Öhningen. Letzterer war mit den Herren von Klingen verbunden.6 Die Burg diente der Sicherung und Kontrolle des Übergangs vom Bodensee in den Rhein. Möglich sind verschiedene Entstehungs- bzw. Gründungsszenarien: Variante 1: Holzburg auf Hohenklingen In den Sondagen und Flächengrabungen liessen sich keine Mauern- oder Fundamentgruben finden. Einige der unten aufgelisteten, ältesten Befunde und Baumaterialien deuten aber auf bauliche Strukturen hin. Sie lassen an eine Holzburg als erste Bauphase im östlichen Teil des Sporns denken, die im Westen vielleicht durch hochaufragende Nagelfluhfelsen geschützt war.7 Einige Keramikscherben deuten auf eine Gründung in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts hin.8 Später im Palas-Ost wieder verwendete Holzbalken könnten Hinweise auf Neubauten oder auf Erweiterungen in den Jahren kurz vor 1200 und 1212/13 sein. Wenige Ofenkachelfunde deuten auf beheizbare Bauten hin. Möglicherweise erklären sich auf diesem Wege die in den Schichten der Bauphase 1 bereits vorkommenden Fragmente von Hohlziegeln und von dazu passendem Dachmörtel.9 Diese Anlage wäre ab 1219–1232 durch Bauphase 2 schrittweise ersetzt worden. Variante 2: Stein-Holzburg auf Hohenklingen Stratigraphisch nicht restlos auszuschliessen sind Überlegungen, die den alten Turm als steinernen Gründungsbau der Bauphase 1 und nicht als Bestandteil des Konzeptes der Bauphase 2 sehen. Die Gründe für die von dieser Hypothese abweichende Zuordnung des alten Turmes zur dritten Etappe der Bauphase 2 sind unten genannt.10 Der alte Turm wäre ab 1191 entstanden und gleichzeitig oder später mit beheizbaren Holzbauten umgeben worden, von denen u.a. die oben erwähnten, wieder verwendeten Holzbalken und die Ziegel stammen könnten. Mögliche weiterführende Befunde sind durch die spätmittelalterliche VerbreiDendrodatierung Hohenklingen-Bauphase 1: Wiederverwendete Hölzer in Bauphase 2. Befunde der Vorgängeranlage. Ort

Datierung (WK= Waldkante)

Anzahl Splintjahre (Eiche)

Palas-West, Erdgeschoss, Tonnengewölbe, Deckenbalken wiederverwendet14

1192

13

Palas-Ost, 2. Obergeschoss, Deckenbalken wiederverwendet15

1204 1211 WK (?) 1211/12 WK 1212/13 WK

9 14 16 16

22

terung des östlichen Halsgrabens der Burg zerstört (Abb. 11). Dieses Modell würde sich am Gründungsvorgang im nahen Diessenhofen anlehnen, wo ein kyburgischer Ministeriale 1186 einen Turm errichtete, diesen mit Stein- und Holzbauten und einer Umfassungsmauer erweiterte, bis auch die Stadt, wohl spätestens um 1215, von einem Bering umschlossen war. Solche aufeinander folgenden Gründungen von Burg und Stadt sind auch an anderen Orten nachgewiesen und spiegeln grundsätzlich auch den Ablauf in Stein am Rhein wider.11 Variante 3: Eine Burg östlich von Hohenklingen Eine weitere Möglichkeit wäre, dass eine Vorgängeranlage weiter östlich, näher bei Öhningen gestanden hätte, die möglicherweise in den Jahren nach 1219 an die heutige Stelle verlegt worden ist. Diese Hypothese beruht ausschliesslich auf den Schriftquellen, in denen immer wieder die Rede ist von einer vorderen Burg, die zu Öhningen gehört und mit Hohenklingen gleichzusetzen ist und einer hinteren Burg mit unbekanntem Standort.12 Variante 4: Steinburg Wolkenstein Im Verlauf des 12. Jahrhunderts entstand 2 km westlich von Hohenklingen die Burg Wolkenstein. Sie liegt oberhalb von Hemishofen und ist damit ebenfalls im Einflussbereich der Klingen gelegen. Schriftquellen fehlen vollständig, aber die durch Keramikscherben ins 12. Jahrhundert datierte Anlage ist möglicherweise ebenfalls im Zusammenhang mit der Frühzeit der Burg Hohenklingen zu betrachten. Ausgegraben sind die nördliche Ringmauer mit einem grossen Wohngebäude.13 War es von Anfang an eine Steinburg oder hatte sie ebenfalls einen hölzernen Vorgänger? Wurde Wolkenstein nach der Erbauung von Hohenklingen 2 ab 1219 aufgegeben oder bestand sie als Doppelburg zu Hohenklingen im 13. Jahrhundert weiter? Aufzählung der Befunde von Westen nach Osten: - Im Erdgeschoss-Ostfenster des Palas-West von 1219: Eine Spolie aus Randengrobkalk, die verputzt und weiss gekalkt ist. - Über dem Tonnengewölbe zum Palas-West von 1222–ca.1226: Ein wieder verwendeter Wandbalken mit Staketenlöchern. Er datiert mit seinen 13 Splintjahren ohne Waldkante wohl aus der Zeit kurz vor 1200 und ist damit das älteste Bauholz auf Hohenklingen.


- Im 2. Obergeschoss des Palas-Ost von 1222– ca.1226: Sechs für den alten Obergaden der Bauphase 2 wieder verwendete Balken von 7,8 –8,5 m Länge (Abb. 12-14). Ein Balken diente ursprünglich als Schwelle eines über 9 m langen Satteldaches, wie sieben Blattsasse der mit Holznägeln befestigten Rafen zeigen. Zwei weitere Blattsassen stammen von horizontalen Zugbalken im Abstand von 3,6 m (Abb. 14-16). Ein zweiter Balken besitzt kurz vor dem erhaltenen Ende einen Stoss, eine Balkenverlängerung mit Holznägeln, die darauf hindeutet, dass der Balken ursprünglich zu einer deutlich über 10 m, vielleicht 14–16 m langen Struktur gehörte (Abb. 17). - Unter dem Mittelbau-West: Eine in den Nagelfluhfels geschrotete Grube (G55). Sie besitzt mind. 2,5 m Seitenlänge und etwa 1,7 m Tiefe. Wenige, hart gebrannte Grauwarescherben aus der Verfüllung sprechen für eine Auffüllung im Zusammenhang mit Bauphase 2.16 Ob sie als älterer Keller, Zisterne, oder zur provisorischen Behausung der Bauequipe von Bauphase 2 gehörte, ist unklar. Sie ist älter als der Wehrerker von 1232. In die Auffüllung wurde später ein Entwässerungs-/Überlaufkanal eingebaut (Abb. 18 und 19).

2

2

2

1

1 Blattsasse Zugbalken

2 1

3 1

2 2 1

1

2

2

2 Blattsasse Rafen

2

2

2

2 1

Abb. 12 und 13: PalasObergaden von 1423 (2), Südfassade. (1) Balkenköpfe der Balken von 1212/13, die im Palas-Ost von 1222-ca.1226 wieder verwendet wurden und zum Alten Obergaden gehörten. (3) Ersatz der Südwand. Abb. 14 (links): PalasOst, 2. Obergeschoss. Die dunklen, hinteren Balken sind wieder verwendet und stammen aus den Jahren 1212/13.

Abb. 15 und 16: PalasOst, 2. Obergeschoss. Wiederverwendeter Eichenbalken von 1212/13 (ausgebaut). Blattsasse von Rafen und horizontalen Zugbalken erzählen von seiner ursprünglichen Funktion als Schwelle eines Daches. Detail oben und Zeichnung M. 1:50.

23


- Entlang der nordseitigen Ringmauer: Eine Schicht mit zahlreichen Tierknochen17 und etwas Keramik aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts.18 Die einzigen Reste von älteren Bauten sind Dachmörtelbruchstücke und Hohlziegelfragmente sowie Fragmente von 4 cm dicken Rorschachersandsteinplatten. - Im Mittelbau-West (G58), in der Kapelle (G12 und G47) und aussen, in ihrer Chorschulter (G73): Mehrere mächtige Pfostengruben im Abstand von 4 m, die eine mögliche Linie bilden. Ihre Durchmesser betragen ca. 70 cm, bei Tiefen von 50–100 cm. Darin befinden sich zum Teil rechteckige Pfos­tennegative von 20–25 cm Seitenlänge. Einzig G58 und G73 sind stratigraphisch eindeutig zu Bauphase (BP) BP1 oder BP2 einzuordnen. - Im Osthof, westseitig des neuen Turmes: Ein ziegelschrotgeröteter Mörtelboden mit mindes­ tens 2 m Ausdehnung, der vom neuen Turm von 1250/51–1254 gestört wird. Zugehörigkeit zu BP1 oder BP2 möglich. Ein 20 cm starker Mörtelmischplatz südlich davon mit (gleichartigem?) Ziegelschrotmörtel gehört sicher zur zweiten Etappe von BP2 und wird ebenfalls vom neuen Turm durchschlagen. - Unter der Ringmauer südlich des neuen Turmes: Eine mit Flechtwerk ausgesteifte Mörtelmischgrube (Abb. 20). Sie wird durch die Ringmauer von 1219–ca.1226 gestört. Sie gehört entweder zu BP1 oder spätestens in die Anfänge der Bauarbeiten der Steinburg BP2. - Bei der Nordostecke des neuen Turmes: Staketenlöcher, die von einem Zaun oder einer Einfassung stammen und spätestens zu BP3 gehören.

Abb. 17: Palas-Ost, 2. Obergeschoss. Wiederverwendeter Eichenbalken von 1212/13 mit Stoss, einer Balkenverlängerung mit Holznägeln. Abb. 18 und 19: Mittelbau-West von 1401, Erdgeschoss. Profil durch die Grube G55 unter der Schwelle von 1401, mit jüngerem, in die Auffüllung eingebautem Entwässerungs-/überlaufkanal. Detailaufnahme und Zeichnung M. 1:50.

Abb. 20: Osthof. Mit Flechtwerk ausgesteifte Mörtelmischgrube (1) ­unter der Ringmauer von 1219 (2). Neuer Turm 1250/51 (3).

Boden 2005 Schwelle 1401

Boden 16. Jh.

133 132

Keller Mittelbau 1253

135.2 Kanal

Nagelfluh

135.4

135.4

135.5 135.6 135.5

G57

G55 135.6 135.7

24

127.2

132 134.2

132 G68 127.2 Balkengräbchen

3

1

2


Abb. 21: 1219–1232 wurde die jetzige Burganlage in drei Bauetappen gebaut. Bau-

2. Neubau unter den Herren von Hohenklingen (Bauphase 2): 1219–1232 (Beil. 1–3 und 7–14) Die Burg Hohenklingen ist eine Höhenburg, eine Spornburg, die in ihrer jetzigen Form als Neubau mit langschmalem Grundriss in drei Bauetappen 1219–1232 realisiert wurde: Zuerst baute man entlang dem unregelmässigen Verlauf der Hangkante den unteren Teil der Ringmauer mit dem dreigeschossigen Palas-West, dann erhöhte man die Ringmauer, erweiterte den Palas und fügte schliesslich den alten Turm, den Zwinger und einen Wehrerker hinzu.19 Die anfänglich so überbaute Fläche von 1120 m2 reduziert sich kaum zwanzig Jahre später durch den Wegfall des alten Turmes auf noch 980 m2 und machte Hohenklingen erst zur heute noch bestehenden, rechteckigen «Kompaktburg».

herr des Neubaus war Ulrich (III.) von Klingen. Während Palas, Ringmauer und Teile eines Wehrerkers erhalten blieben, wurde der Obergaden über dem Palas mit seinen ausgedehnten Wohnräumen später ersetzt, genauso wie der neu entdeckte, in Folge eines «Baupfusches» rasch ruinös gewordene alte Turm im Osten. Dendrodatierung Hohenklingen-Bauphase 2: Palas, Ringmauer, Burgtor, Mittelbau-Nordost. Datierung Anzahl Splint­ Bauetappe Ort (WK= Waldkante) jahre (Eiche) Palas-West, Erdgeschoss, 1218/19 WK (3x) 12 (2x),16 Deckenbalken Palas-West, Erdgeschoss, 1218/19 WK 13 Türsturz 1. 20 Etappe Palas-West, 1. Obergeschoss, 1218 WK (?) 9 Fenstersturz Palas-Ost, Ringmauer 1205 – Erdgeschoss, Kranarm(?) Ringmauer Süd, 1. Obergeschoss, 1221/22 WK 13 2. Mauerlatte 21 Etappe Ringmauer Süd, 1226 WK (?) 15 Sturz Burgtor 3. Etappe22

Mittelbau-Nordost, Erdgeschoss/1. Obergeschoss, 1231/32 WK (2x) 12, 18 Ständer Wehrerker Alter Turm

Keine Hölzer

Zwinger

Keine Hölzer

25


3

Neuer

(1250/51)

Neuer

Neuer

Neuer

5

(um 1460)

Abb. 22: Übersicht dendrochronologische Datierungen Mittelalter, kurz vor 1200-1423.

26

Die dendrochronologischen Untersuchungen ermöglichen eine weitgehende Datierung der einzelnen Bauetappen (Abb. 22). Im Frühjahr 1219 begannen die Freiherren von Klingen mit dem vollständigen Neubau der Burg.23 Nachdem 1218 König Otto IV. und der letzte Zähringer Bertold V. gestorben waren, wurden die Zeiten unter Stauferkönig Friedrich II. ruhiger und die konstanzisch-klingische Position am Ausfluss des Bodensees für ein Jahrzehnt unbestritten. Bauherr des Neubaus war Ulrich (III.) von Klingen. Zur ersten von 1219–ca.1221 realisierten Bauetappe, gehört der Palas-West mit dem unteren Teil der Ringmauer. In der zweiten Bauetappe, die von 1222– ca.1226 dauerte, kam der PalasOst hinzu; die Ringmauer erreichte nun ihre definitive Höhe, und schliesslich wurde das Burgtor in die vorbereitete Bauöffnung eingesetzt. Dies ist nach acht Jahren Bauzeit wohl als Teilbezug der Burg zu werten. Allerdings starb der Bauherr Ulrich (III.). Sein Neffe Ulrich I., Be-

gründer der Altenklingen-Linie, war der einzige volljährige Angehörige der Familie und begleitete 1227–1229 Kaiser Friedrich II. auf dessen Kreuzzug ins Heilige Land. Es ist deshalb anzunehmen, dass die Bauarbeiten unterbrochen und erst nach seiner Rückkehr mit der dritten Bauetappe fortgesetzt wurden. Dazu gehören vermutlich der nicht dendrochronologisch datierte alte Turm sowie der Zwinger und Wehrerker im späteren Mittelbau-Nordost, so dass die Burg wohl 1232 fertig gestellt wurde. Genau in diesem Jahr nahm der Kaiser das Kloster St. Georgen auch explizit unter kaiserlichen Schutz. Die gesamte Bauzeit hat auf Grund der dendrochronologisch datierten Bauphasen und unter Berücksichtigung eines über die Schriftquellen anzunehmenden Bauunterbruchs von drei Jahren etwa 11 Jahre betragen. Ein einzigartiger Nachweis für die Bauzeit einer Burg, die sonst höchstens theoretisch ermittelt werden kann.24 Ringmauer

Geschützstellung

Geschützstellung


0

1

2m

1. Bauetappe 1219 – ca.1221 Burggraben In rund 20 m Abstand zur Ringmauer und 15 m unterhalb des Mauerfusses, verläuft nordseitig der neu entdeckte, 4,5­–5 m breite und etwa 2 m tiefe Burggraben (Abb. 8 und 11). Er zeigte zumindest im untersuchten 11 m langen Abschnitt, im Bereich der 2007 neu erstellten Kaverne für die Infrastrukturräume, keine Anzeichen einer vorgelagerten Palisade oder anderen Befestigung (Abb. 23 und 24). War ich anfänglich geneigt, den Graben mit der Vorgängeranlage in Verbindung zu bringen, zeigten sich während der Fundbearbeitung nicht die geringsten Anzeichen für seine Datierung vor das 13. Jahrhundert.25 Gegen Wes­ ten markiert ein Fussweg in der Hangkante den Grabenverlauf im Gelände (Abb. 11 und 25), bis er nach etwa 50 m durch künstliche Einschnitte in dem aus dem Hang hervortretenden Nagelfluhfelsen oberflächlich sichtbar wird. Hier war der Ausbruch für den Graben gleichzeitig Steinbruch und lieferte einen Teil des Materials für die Anlage der Burg. Dann biegt er gegen Süden ab und verliert sich dort im Steilhang. Gegen Osten scheint der Graben durch den nach der Mitte des 20. Jahrhunderts angelegten Parkplatz weitgehend zerstört zu sein. Seine Fortsetzung findet er im östlichen Halsgraben, der aber durch die Erneuerungsarbeiten von 1393 stark verbreitert und mit einer flachen Sohle versehen wurde.26 Bei der Anlage des Grabens sind auch die Deckschichten der Bergflanken bis auf das anstehende Material abgetragen und direkt unterhalb auf einer Länge von mehr als 12 m und in einer Stärke von 1,3–1,5 m wieder angeschüttet worden. Der Graben wurde dadurch nochmals etwas tiefer, die Hangflanke darunter steiler. Mit diesem Vorgehen verhinderte man auch Pflanzenwachstum und betonte die repräsentative Anlage. Hohenklingen war von weitem sichtbar, ein Zustand, der bis ins frühe 20. Jahrhundert beibehalten wurde, wie die Bildquellen zeigen (Abb. 26 und 181). Der untersuchte Grabenabschnitt liegt unter dem spätestens

Abb. 23 und 24: Burggraben. Der neuentdeckte, 4,5 - 5 m breite und etwa 2 m tiefe Graben auf der Nordseite. Detailaufnahme und Grabungsprofil.

Abb. 25: Burggraben. Gegen Westen markiert der Fussweg in einer Hangkante den ehemaligen Grabenverlauf.

Abb. 26: Burggraben. Um die Burg von weither sichtbar zu machen und Pflanzenwachstum zu verhindern, sind oberhalb des Grabens die humösen Deckschichten entfernt worden.

27


um 1460 angelegten Abort des Mittelbaus, der wichtigsten Entsorgungsstelle der Burg. Dies erklärt wohl auch die immensen Fundmengen der Grabung (Abb. 27).27 Abb. 27: Burggraben. Die riesigen Mengen an Fundmaterial wurden auf der Grabung durch Lisa Erne verarbeitet.

Lagen am Hang,29 aus der Moräne hochgeschleppt wurden. Weiter finden sich Brocken aus dem anstehenden Nagelfluhfels, der im Westen aufsteigt. Gegen Osten hingegen fällt diese Felsoberfläche ab und wird von siltig-sandigen Schichten überlagert. Die Steine der Ringmauer sind in Lagen geschichtet, vereinzelt fischgratartig oder im Ährenverband schräggestellt (opus spicatum), das Mauerwerk steinsichtig ohne Fugenstrich ausgefugt (pietra rasa). Vereinzelt sind Gerüstlöcher sichtbar, nur selten stecken auch noch Gerüsthölzer im Mauerwerk.30 Zum Abführen innenseitiger Staunässe sind in der Osthälfte, die nicht auf dem Nagelfluhfels steht, am Mauerfuss Entwässerungskanäle eingebaut worden (Kapelle, Zwinger-Ost, Ringmauer-Süd im Osthof). Palas-West Als erstes Wohngebäude wird im Westen zusammen mit der Ringmauer der dreigeschossige Palas errichtet.

Ringmauer

Abb. 28: Palas-West mit Balkendecke und Türe von 1219. Der Halbkeller im Vordergrund, mit einer in die Nagelfluh gehauenen Treppe wurde nachträglich eingebaut.

28

Für die Anlage der Burg wurden die Vorgängerbauten abgebrochen und das Plateau eingeebnet.28 Die Bauarbeiten begannen mit der Ringmauer, die aussen anfänglich 5 m Höhe und innen die Bodenhöhe des ersten Obergeschosses im Palas erreichte. Nordseitig und in der Südwesthälfte ist sie ca. 1,1 m stark. In der Südosthälfte, gegen die später vom Zwinger bewehrte Seite, beträgt die Stärke 0,90 m. Hauptsächlich sind Bollensteine vermauert worden, die aus tieferen

Erdgeschoss, Stall/Keller: Den Boden bildet gröss­tenteils der anstehende Nagelfluhfels auf einer Kote um 594.30 müM. An den 3 m hohen Wänden ist grossflächig originaler Wandverputz vorhanden, der die Steinköpfe partiell hervorschauen lässt (pietra rasa). Dazu gehören die drei südlichen und eine östliche Lichtscharte. Sie sind im Mauerwerk ausgebildet, öffnen sich trichterförmig gegen innen und weisen innenseitig Sturzbretter auf, aussen jeweils einen grösseren Stein. In der Nordostecke liegt das rundbogige Eingangsportal mit einem Mass von 1,7 x 2,1 m. Das unprofilierte Gewände ist mit 12 cm auffallend schmal. Die grünen Sandsteine stammen aus den Steinbrüchen um Rorschach am Bodensee. Zwei Drehzapfenlöcher im Sturzbalken sind die letzten Reste des ehemals zweiflügligen Tores. Etwas später wurden die beiden Lichtscharten auf der Nordseite eingebaut (Abb. 28). Ein meter­ tiefer Halbkeller nimmt die westlichen 4,5 m des Raumes ein und ist über eine in den Nagelfluhfels geschlagene, ein Viertel gewendelte Treppe mit fünf Stufen zugänglich. Weil der Keller erst nach den ursprünglich in die Grube gemauerten Fundamenten der Ringmauer entstanden ist, könnte er auch jüngeren Datums sein. Die spätere Benennung des Erdgeschossraumes als Marstall, Pferde- oder Reuterstall deutet auf die ursprüngliche Raumfunktion hin.31 Unmittelbar aussen an die Ostwand anschliessend, liegt in der südlichen Ringmauer wohl eine ehemalige Bauöffnung. Während die Palas-Ostwand im unteren Bereich an die Ringmauer anschliesst, läuft sie ab 1,6 m über Innenbodenniveau in diese hinein.32 Zudem ist hier ein


Balkenstück mit Resten eines eingezapften Fussholzes gegen aussen/oben in die Ringmauer eingelassen. Mit der Erstellung der Palas-Ostwand ist der vorkragende Balken abgesägt worden. Er diente folglich als temporäres, wohl mit dem Baubetrieb zusammenhängendes Teil. Vielleicht ist es der Rest eines Lastkrans, wie wir ihn aus vielen Bildquellen kennen.33 Das zugehörige Aussenniveau liegt hier 2 m unter dem Innenniveau. 1. Obergeschoss, Wohnraum («Rittersaal»): Direkt über dem Kellerportal liegt der Eingang zum «Rittersaal», mit einem Gewände aus Randengrobkalk, einflügligem Türblatt und 1,45 m tie­ fem Schliessbalkenkanal (Abb. 29). Nordseitig belichten zwei rundbogige Zweierfenster (Biforen)34 den Raum. Ihre unprofilierten Gewände bestehen, wie die Türe im Erdgeschoss, aus Rorschacher Sandstein und sind mit 14 cm ebenfalls auffallend schmal (Abb. 30 und 31). Löcher belegen je einen vertikalen Eisenstab, seitliche Drehzapfenlöcher in Bohlensturz und Sandsteingesims innere Schlagläden35 und das Loch in der Mittelsäule den Schliesskloben. Südseitig ist neben einer kleinen Lichtscharte nur eine spitzgiebelige, aussen breit gefaste Bifore mit einer grosszügigen, inneren Sitznische aus Randengrobkalk vorhanden, die heute hälftig vermauert ist (Abb. 32).36 Auch hier belegen Löcher einen vertikalen Eisenstab in der Mitte. Hinweise zu einer Unterteilung des Saales oder einem sicherlich vorhandenen Kamin könnten unter dem Verputz von 1924 liegen, vielleicht aber auch beim Neubau der westlichen Ringmauer nach 1508 zerstört worden sein. Einige Sondagen im modernen Verputz zeigten auf dem originalen Mauermörtel Reste eines hellen Mörtels mit Ziegelschrot, welcher der zweiten Bauetappe zugewiesen werden kann.37 Dies ist ein deutlicher Hinweis, dass der Innenausbau dieses Geschosses erst mit diesem zweiten Ausbauschritt an die Hand genommen wurde. Dazu gehörte eine marmorierte Quadermalerei, die 1924 bei der letzten Restaurierung, die dem Saal das heutige Aussehen gab, mitsamt dem Putz abgeschlagen wurde.38 Diese im Mittelalter weit verbreitete Wanddekoration gilt als Inbegriff für die repräsentative Steinarchitektur39 und ist leider nur noch in Form von sechs Aquarellen überliefert. Sie sind 1903 durch den Zürcher Maler Christian Schmidt 1:1 angefertigt worden (Abb. 33).40 Zusammen mit Massangaben auf den Zeichnungen lässt sich ihre Lage im ehemals 3 m hohen Raum zweifelsfrei situieren. Die Grösse der Quader beträgt etwa 45 x 80 cm, die rekonstruierbare Oberkante der sechs Quaderlagen korrespondiert in etwa mit einem Streifbalkenabdruck auf 600.12 müM. Er liess sich in den Verputzsondagen auf der Südseite feststellen und

Abb. 29: Palas-West von 1219, «Rittersaal». 1,45 m tiefer Schliessbalkenkanal im Türgewände aus Randengrobkalk.

Abb. 30 und 31: PalasWest von 1219, Nordfassade «Rittersaal». Rundbogige Zweierfenster (Bi­­foren) mit glatten, schmalen Sandsteingewänden mit Resten von inneren Schlagläden. Steinbildhauer Jürg Stäheli an der Arbeit.

Abb. 32: Palas-West von 1219, Südfassade «Rittersaal». Spitzgiebelige Bifore aus Randengrobkalk, nach 1508 teilweise vermauert und durch das Staffelfenster ersetzt.

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macht deutlich, dass der sogenannte «Rittersaal» zweigeschossig war, unten mit einer Geschosshöhe von 3,1 m, oben noch 2 m. 2. Obergeschoss, Zwischengeschoss: Abgesehen von der geringen Geschosshöhe fehlen weitere Informationen, weil die Verputze nicht entfernt wurden und die Decke im Bereich des «Rittersaals» 1551 komplett erneuert wurde.41 Es scheint eher unwahrscheinlich, dass dieses Geschoss der Wohnnutzung diente, vielmehr ist hier an eine Speichernutzung zu denken.

Abb. 33: Palas-West 1219-ca.1226. Kopie der marmorierten Quadermalerei von 1903 des Zürcher Malers Christian Schmidt, Aquarell.

Abb. 34: Osthof. Südliche Ringmauer von 1219ca.1226 mit Baufuge der 1./2. Bauetappe.

Abb. 35: Palas-Ost von 1222-ca.1226. Das Tonnengewölbe vor dem Kellerportal diente als Auflager der Treppe zum «Rittersaal».

3. Obergeschoss, alter Obergaden: Durch die Zerstörungen von 1551, die zur Auswechslung der Bodenbalken und dem Entfernen der nordseitigen Mauerkrone führten, fehlen zum Originalbestand weiterführende Befunde. Für die Rekonstruktion dieses Geschosses hilft aber der Boden im PalasOst mit den 1222–ca.1226 eingebauten, wieder verwendeten Balken von 1212/13, die auf gleicher Höhe mit den 1551 ausgewechselten Balken liegen. Der Umstand, dass diese Hölzer im PalasOst bis an die Aussenseite der Ringmauern laufen und dort vermutlich abgesägt sind, deutet darauf hin, dass sie naheliegenderweise Teil eines alten, allseitig auskragenden Obergadens über dem ganzen Palas waren, wie unten dargelegt wird. 2. Bauetappe 1222–ca.1226 In der zweiten Bauetappe, die von 1222– ca.1226 dauerte, kam der Palas-Ost hinzu. Die Ringmauer erreichte nun ihre definitive Höhe und schliesslich wurde das Burgtor in die vorbereitete Bauöffnung eingesetzt. Dies ist nach acht Jahren Bauzeit wohl als Teilbezug der Burg zu werten. Palas-Ost In der zweiten Etappe wird der Palas-Ost bis auf die Höhe seines westlichen Pendants aufgeführt. Während der Mauercharakter jenem der ersten Etappe entspricht, ist der Mörtel der zweiten Etappe nicht mehr dunkelgrau sondern ganz hell, weiss und mit ganz unterschiedlichen Mengen von Ziegelschrot durchsetzt (Abb. 34). Erdgeschoss, offener Wirtschaftsraum: Das Tonnengewölbe vor dem Kellerportal (Abb. 35), mit seinen beiden Nischen für Licht oder Gerätschaften, schliesst mit einer Baufuge an den Palas an. Es verdeckt zudem über dem Kellerportal ein älteres Balkennegativ. Wie schon Rahn feststellte, lässt sich das Gewölbe als Teil der ursprünglichen Treppenanlage zum «Rittersaal» im ersten Ober-

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geschoss identifizieren.42 Rekonstruieren lässt sich eine hölzerne, abgewinkelte, grosszügige Treppe von 1,8 m Breite, mit zwei Läufen von je sieben Stufen43 und einem Zwischenpodest, welches die östliche Lichtscharte im Erdgeschoss des Palas-West nicht verstellt. Im ersten Obergeschoss ergibt sich über der Tonne ein Vorplatz von etwa 3 x 2 m. In der südlichen Ringmauer liegen zwei sich trichterförmig nach aussen öffnende Fenster, die das Treppenhaus belichtet haben und heute als Nischen ausgebildet sind.44 Bei einem der Fenster ist der originale Fensterrahmen erhalten geblieben (Abb. 36 und 37)! 1. Obergeschoss, Küche/Wohnraum: Zwei weitere Lichtscharten liegen in der nördlichen Ringmauer, im Bereich der Decke über dem ersten Obergeschoss und damit 90–110 cm höher als die Lichtschlitze in der südlichen Ringmauer. Die westliche Scharte ist neben dem Rauchfang in der Küche noch heute offen, während die östliche Scharte bereits nach kurzer Zeit mit dem Einbau der Bohlenstube 1268 vermauert wurde, welche dann erst die ganze Breite zwischen den Ringmauern einnahm.45 Dies bedeutet, dass sich die offenbar ursprüngliche und zweigeschossige Küche gangartig längs der nördlichen Ringmauer erstreckte und vielleicht auch eine Treppe zu den Obergeschossen aufwies. In der südlichen Ringmauer belegt ein feiner Mauerrücksprung mit Streifbalkenabdruck auf 599.64 müM. eine Stockwerkshöhe von noch 2,30 m. Hier gehören die äusseren zwei der heute im Raum vorhandenen drei Lichtschlitze dazu. Ihre Sandsteingewände sind 1895/97 erneuert worden, die Leibungen öffnen sich trichterförmig nach innen und rechnen mit einem flächendeckenden Wandverputz. Daraus ist zu schliessen, dass die Stube von 1268 einen kleineren Vorgänger besessen hat, der nur südseitig an die Ringmauer anschloss.

Abb. 36 und 37: PalasOst, Südfassade 1222ca.1226. Zwei vermauerte, ehemals sich gegen aussen öffnende Trichterfenster des Treppenhauses, links mit originalem Fensterrahmen. Das mittlere Fenster ist jünger.

2

Abb. 38: Palas-Obergaden von 1423 (2), Nordost­ ecke. (1) Balkenkopf des östlichsten der sechs Balken von 1212/13, die im Palas-Ost von 1222ca.1226 wieder verwendet wurden und zum alten Obergaden gehörten. (3) Ersatz des Flechtwerkes durch Mauerwerk mit dem Einbau der Geschützstellung 1551.

2 1

2. Obergeschoss: Weil bei der jüngsten Restaurierung hier kein Verputz entfernt wurde, fehlen sichere Hinweise zur Einrichtung und Funktion des Raumes mit einer Stockwerkhöhe von 2,70 m. 3. Obergeschoss, alter Obergaden: Die Decke des zweiten Obergeschosses, die in mehr als 5 m Höhe Treppenhaus, Küche und Teile der Stube im ersten Obergeschoss überspannt und an den Palas-West anschliesst, bilden die oben erwähnten, wieder verwendeten sechs Balken von 1212/13. Unüblicherweise reichen sie jeweils bis an die Aussenkanten der Ringmauern und sind dort abgearbeitet, was sich trotz starker Verwitterung erkennen lässt (Abb. 38 und 39). Sie dürften folglich ausgekragt haben, wohl weniger im

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2 2 1

1

Abb. 39: Palas-Obergaden von 1423 (2), Südfassade. (1) Balkenköpfe der Balken von 1212/13, die im Palas-Ost von 1222ca.1226 wieder verwendet wurden und zum alten Obergaden gehörten.

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Abb. 40 und 41: Mittelbau-Ost. Das Gewände des Burgtores ist rundbogig, aus bossierten Randengrobkalkquadern mit einem umlaufenden Dreiviertelstab und wurde 1226 in die vorbereitete Bauöffnung der Ringmauer von 1219 eingesetzt. Zeichnung M. 1:50.

Zusammenhang mit der Konstruktion des Palasdaches sondern viel mehr als Unterlage für einen älteren, über den ganzen Palas reichenden und wenig auskragenden Obergaden. In diesem alten Obergaden muss ein bedeutender Teil der repräsentativen Wohnflächen gelegen haben, die sonst auf der Burg fehlen würden und ohne die ja der Palas als klassisches Wohngebäude einer Adelsburg nicht auskommt.46 An die Stelle des alten Obergadens ist 1423 als Ersatzbau der neue Obergaden, das heute noch bestehende dritte Obergeschoss des Palas getreten. Die ganze Situation erinnert an den Obergaden von 1318 im Unterhof in Diessenhofen, von dem 1990 bedeutende Teile der Unterkonstruktion freigelegt und danach vor Ort sinngemäss rekonstruiert worden sind. Es gibt aber auch andere Beispiele im süddeutschen Raum.47 Diese Überlegungen stehen im Gegensatz zu meinen ersten Rekonstruktionsvorschlägen, die davon ausgegangen sind, dass sich das zweite Obergeschoss des Palas-West als vielleicht repräsentativer Saal bis in das Dach hinein erstreckt hätte.48

Bedachung: Die Ausgrabungen im Burggraben und im Sockel des neuen Turmes haben viele Ziegelfunde aus der Zeit ab ca. 1250 zu Tage gefördert. Sie machen deutlich, dass Hohlziegeldächer auf dem Hohenklingen auch im 13. und 14. Jahrhundert weiterhin Standard waren, nachdem die ältesten Dachziegelfunde ja bereits aus Bauphase 1 vorliegen. Flachziegel (Rundschnitte) treten dagegen erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt (15. Jh.) in Erscheinung.49 Bei der letzten Restaurierung von 1895/97 war man fälschlicherweise zur Ansicht gelangt, dass ursprünglich sämtliche Dächer mit Schindeln gedeckt waren, die im späteren 19. Jahrhundert durch Eisenbleche ersetzt worden seien. Aus Brandschutzgründen hat man damals, vermeintlich neu, die Dächer mit Ziegeln gedeckt.50 Das Vorkommen von Schindelnägeln frühestens in Schicht S67 der Grabenfüllung, spricht dafür, dass auf der Burg Schindeldächer möglicherweise etwas jünger sind als die Hohlziegeldächer der Bauphase 2, aber dann offenbar zeitgleich mit ihnen vorkamen bzw. abgebrochen und entsorgt wurden. In diese Richtung deutet auch die Verteilung in der Stratigraphie des Osthofes. Schindelnägel setzen mit S17 bzw. S32/ S33 (Bauphase 3) ein und wenige kommen in der ältesten Turmschicht S138 vor, die nach 1250– 1254, vermutlich bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts entstand. Das Fehlen von Schindelnägeln im Bereich des Westhofes, des Mittelbaus-West und des Palas-West ist auffällig und könnte ein Hinweis sein, dass vor allem Gebäude oder Dächer im Ostteil der Burg geschindelt waren.51

Beginn 2. Etappe 1222 Stichbogen

1. Etappe 1219 – ca. 1221

1. OG

Abschluss 2. Etappe ca. 1226 Mittelbau Südost 1258 16. / 17. Jh.

Schliessbalkenkanal

Burgtor

EG

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Burgtor Es lag ursprünglich ziemlich genau mittig in der Südfassade der Burg, bevor der alte Turm 1250 abgebrochen und die Südfront verkürzt wurde. Das Burgtor wurde als Bauöffnung bereits in der ersten Bauetappe mit einem inneren Stichbogen und einem 2,28 m tiefen Schliessbalkenkanal im Westen ausgespart. Bossierte Randengrobkalkquader52 mit einem umlaufenden Dreivier­ telstab bilden das rundbogige Torgewände. Sein Mass von 1,65 x 2,2 m entspricht weitgehend jenem beim Keller des Palas (Abb. 40 und 41). Der Versetzmörtel ist bräunlich und unterscheidet sich damit deutlich vom Mörtel der ersten beiden Etappen. Mit diesem jüngeren Mörtel hat man auch den eichenen Sturzbalken versetzt, der mit einer nicht ganz sicheren Waldkante ins Jahr 1226 datiert und den Abschluss der zweiten Bauetappe markiert. Ob der aussen mit Eisenblechplatten beschlagene Torflügel noch originale Bestandteile besitzt, ist unklar; bislang ist er undatiert.53 Ringmauer mit Wehrerker über dem Burgtor und Zinnen Östlich vom Palas wird die Ringmauer auf die definitive Höhe von etwa 7 m aufgeführt und endet etwa 2,5–3 m unter der Traufe des Palas. Genau über dem Burgtor liegt auf der Mauerkrone eine noch mehr als 6 m lange Mauerlatte, die 1222 datiert und zu den Bauarbeiten der zweiten Bauetappe gehört. Heute bildet sie die Unterlage der Bodenbalken des zweiten Obergeschosses des Mittelbaus-Ost von 1644.54 Wie sah hier der ursprüngliche Abschluss aus? Gab es einen Wehrerker, eine Hurde oder einen vorkragenden Wehrgang an dieser Stelle?55 Die Lage über dem Burgtor deutet meines Erachtens am ehesten auf einen Wehrerker hin, der ja traditionell in Form des Roten Ladens von 1644 bis heute weiter besteht. Unmittelbar westlich davon, aussen in der Brüs­ tung der Bohlenstube des Mittelbaus-West von 1401, verbirgt sich noch ein letzter Rest einer etwa 35 cm starken und 90 cm hohen Zinne mit glatt abgestrichener Oberfläche (Abb. 42). Die Zinnenbreite liess sich nicht feststellen, weil nach Westen die Putze nicht weiter entfernt worden sind. Der Vergleich mit Zinnen des 13./14. Jahrhunderts zeigt, dass sie eine gewisse Variabilität besitzen, aber grundsätzlich rechteckig und immer breiter sind als die Zinnenöffnung.56 Als Abdeckung der Zinnen sind in dieser Zeit Sandsteinplatten, später dann auch Hohlziegel denkbar. Im Bereich der späteren Kapelle reduziert sich die Mauerstärke der Ringmauer auf 90 cm, eine nachträglich eingesetzte Mauerscheibe schliesst hier

eine Lücke, die unten 6 und oben 7 m breit ist und den Mörtel der zweiten Bauetappe aufweist. Weil dieser Flick mindestens in seinem Ostabschnitt noch auf dem Fundament der ersten Etappe aufliegt, gibt es verschiedene Interpretationsmöglichkeiten mit ähnlicher Plausibilität: - Man hat in der zweiten Etappe eine Bauöffnung geschlossen. - Die Mauer ist eingestürzt, worauf zwei Entwässerungskanäle zum Abführen von innenseitiger Staunässe hindeuten könnten. Einer ist Teil des Flicks, der andere Kanal (G 38) scheint nachträglich ins östliche Ende der ersten Etappe eingebaut. - Die noch unfertige Burg war bereits Ziel eines Angriffs, bei dem eine Bresche in die Mauer geschlagen wurde, die man umgehend schliessen musste. 3. Bauetappe ca. 1230–1232 Alter Turm Oberflächlich sichtbare Mauerreste führten zur Entdeckung des alten Turmes im Jahr 2005. Wir haben ihn 2007 weiter untersucht und die Überreste seiner Nordmauer teilweise ergänzt und aufgemauert. Zwar fehlen für den alten Turm dendrochronologische Anhaltspunkte und der Anschluss an die Ringmauer, der unter der jüngeren Schildmauer von 1393 liegt, konnte nicht untersucht werden. Trotzdem erscheint mir seine Zugehörigkeit zu dieser Bauphase, zu diesem Gesamtkonzept, am wahrscheinlichsten. Vermutlich wurde der Turm am Schluss errichtet, weil er den einfachsten Zugang zur Baustelle versperrte. Der deutlich feinkörnigere Mauermörtel, als jener der ersten beiden Etappen der Bauphase 2, passt recht gut zu jenem des Zwingers – ein weiterer, bescheidener Hinweis, dass beide wohl zur dritten Bau-

Abb. 42: Mittelbau-Ost. Der Zinnenansatz in der südlichen Ringmauer mit der Mauerlatte von 1222 markiert einen abgegangenen Wehrerker über dem Burgtor, der 1401 erneuert wird. Zeichnung M. 1:50.

1567

1896

2. Obergeschoss Eh. Wehrerker 1401 Mittelbau-West

1. Obergeschoss

Mauerlatten 1401

Mauerlatte 1222

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Abb. 43: Alter Turm. Die 2005 entdeckten und 2,2 m starken Fundamente der Nordmauer liegen unter und vor der östlichen Schildmauer von 1393.

Abb. 44: Nur wenige Jahre, bis ca. 1250, präsentierte sich Hohenklingen dem Ankömmling von Osten zuerst mit dem alten Turm.

etappe gehören, der auch der 1232 datierte Wehr­ erker angehört. Die noch 1,5 m hoch erhaltenen Mauerreste messen 2,2 m im Fundament, bzw. 1,9 m im Aufgehenden und reichen ausserhalb der Schildmauer noch 4 m weiter nach Osten (Abb. 43). Diese Masse ergeben bei einer angenommenen, quadratischen Bauform ein Aussenmass von 11,3 m und ein Innenmass von 7,5 m mit einer grosszügigen Wohnfläche von 56 m2 pro Geschoss. Dass dieser alte Turm nach kurzer Zeit bereits sehr schadhaft geworden ist, wird aufgrund des instabilen Terrains an der Kante des Halsgrabens verständlich. Der Nagelfluhfels liegt mehrere Meter tiefer als im westlichen Burgbereich, und das Fundament des Turmes gründete nicht darauf, sondern auf dem darüber liegenden lehmig-siltigen Deckmaterial. Auf der Südseite gibt es zudem eine 80 cm breite Unterfangung, die 60 cm tief unter

die Fundamentreste greift und als jüngere ganz offensichtlich ungeeignete Stabilisierungsmassnahme interpretiert werden kann.57 Einen Eindruck davon, wie dieser alte Turm ausgesehen hat, gibt das Spolienmaterial aus gelben Sandsteinen, das in Zweitverwendung im neuen Turm verbaut ist. Den Innenraum prägten demnach die auffallend glatten Sandsteinquader, die 1250/51 innenseitig im Sockel des neuen Turmes Verwendung fanden, zusammen mit der spitzgiebeligen Scharte auf der Südseite.58 Das Äussere prägten hingegen Quader mit prallen Buckeln, die wir nicht nur hauptsächlich in den Ecken der unteren Hälfte des neuen Turmes antreffen, sondern flächig oder auch als Streifen verlegt in seiner Ost- und Nordseite.59 Es ist deshalb denkbar, dass Teile der Fassade des alten Turmes flächiges Buckelquadermauerwerk aufgewiesen haben. Wahrscheinlich stammen auch die mächtigen Megalithen aus alpinem Gestein vom alten Turm, welche heute insbesondere die Ostseite des neuen Turmes im Osthof prägen. Sie geben einen ausgezeichneten Eindruck davon, wie sich die Burg bis ca. 1250 dem Ankömmling von Osten präsentierte: Mit einem mächtigen Megalithturm, hinter dem sich die Burg quasi versteckte (Abb. 44). Dass sich der Turm nicht flächig, sondern mit der Ecke dem Angreifer zuwendete war eine einfache und oft anzutreffende Massnahme gegen Blidenbeschuss. Geschosse wären nicht rechtwinklig, sondern in einem Aufprallwinkel von 45º auf die Fläche aufgeschlagen und hätten so einen wesentlichen Teil ihrer Aufprallenergie eingebüsst. Die schildmauerartige Funktion eines Burgturmes treffen wir z.B. auch bei den Bergfrieden der nahen Neuburg, beim zürcherischen Schloss Grüningen oder bei der Randenburg in Schleitheim an.60 Zwinger Entlang der Südseite der Ringmauer erstreckte sich der ursprünglich schlauchförmige Zwinger. Dendrochronologische Anhaltspunkte zu seiner Datierung fehlen. Der im Vergleich mit den ers­ ten beiden Etappen der Bauphase 2 deutlich feinkörnigere Mauermörtel passt aber recht gut zu jenem des alten Turmes. Auch die im Bereich des Zwingers geringer ausgeführte Stärke der Ringmauer scheint auf eine Zugehörigkeit zum ursprünglichen Konzept hinzudeuten, wäre da nicht eine weitere, auffallend dünner ausgeführte Stelle an der Nordostseite bei der Kapelle.61 Den Schlüssel für die Zuordnung liefert aber die im Fundament noch original erhaltene Ostmauer des Zwingers, mit der Öffnung eines weiteren Entwässerungskanals. Das Fundament steht im Verband mit der bereits erwähnten, nachträglichen,

34


südseitigen Unterfangung des alten Turmes. Dies bedeutet, dass der Zwinger zusammen mit dem letztendlich gescheiterten Sanierungsversuch des alten Turmes entstanden sein muss und letzter, steinerner Bauteil der Bauetappe 3 ist. Ob diese Sanierung nur wenige Jahre oder erst Jahrzehnte nach der Erbauung des alten Turmes erfolgte, können wir nicht mehr feststellen. Das Zwingertor muss an der Ostseite gelegen haben. Von dort führte der Weg über den Graben auf die Klingenwiese und zum Zugangsweg hin. Durch diese Anordnung war das Tor sowohl vom alten Turm, von der Wehrmauer, aber auch vom neuen Turm aus gut zu kontrollieren. Burgentypologisch wird allgemein davon ausgegangen, dass Zwinger im 13. Jahrhundert noch eher seltene Erscheinungen sind.62 Die Mauerstärke des Zwingers beträgt im Fundament bis zu 1,3 m, im Aufgehenden ca. 90 cm. Seine noch 2–2,5 m hoch erhaltene Westmauer schliesst mit einer Baufuge an die Ringmauer an, während von der Südmauer noch die Westhälfte 2,5–3 m hoch erhalten ist. Der obere Abschluss fehlt; erhalten blieb der Rest einer ältesten Scharte vis à vis des Burgtores, die wie das Tor aus Randengrobkalk besteht.63 Die Osthälfte der Südmauer wurde um 1460 abgebrochen, blieb als Fundament unter der aktuellen Zugangstreppe noch einige Meter weit erhalten (Abb. 45) und geht dann, vor dem Strebepfeiler von 1895/97, in eine mit Mörtelschutt gefüllte Mauergrube über.

Abb. 45 (oben): Zwinger ca.1230-1232. Er war ursprünglich schlauchförmig, wie die Mauerreste unter der aktuellen Treppe zeigten.

Abb. 46 und 47 (unten): Mittelbau-Ost. Eichenständer mit Einhalsung des Wehrerkers von 1232, auf dessen Unterzug ursprünglich die darüberliegenden, abgesägten Weisstannebalken lagen. Das Rundbogenportal gehört zur Aufstockung von 1393.

Wehrerker im Mittelbau-Nordost Gegenüber dem Burgtor entsteht schliesslich ein Anbau an die nördliche Ringmauer mit ca. 5 x 6 m Aussenmass. Diese merkwürdige Holzkonstruktion auf 5 m hohen Ständern ist 1232 datiert. Es handelt sich um die Unterlage einer ehemals auskragenden, wohl geschlossenen Wehrplattform zur Sicherung des Mauerfusses, der von oben unübersichtlichen, gekrümmten, nördlichen Ringmauer. Wehrerker gehören ab dem 13. Jahrhundert zum üblichen Repertoire einer Burg. Solche Kampfhäuschen zeigen auch die Burgendarstellungen im ca. 1405 entstandenen «Bellifortis» von Konrad Keyser.64 Unsere Plattform hätte nicht nur zur Beherbergung einer kleinen Besatzung ausgereicht, sondern auch zum Einlagern von Wurfmaterial wie Steinen etc. Von dieser Wehrplattform stehen heute noch, als weitgehend funktionsloses Fragment, zwei der ursprünglich wohl drei, 5 m hohen Eichenständer unmittelbar vor dem Mittelbau-Nordost. Sie enden oben in Einhalsungen, die einen Unterzug tragen (Abb. 46 und 47). Weiter gehört dazu die Balkenlage, deren Balkenköpfe unmittelbar über dem Unterzug im Verputz des jüngeren Mittel35


baus-Nordost hervorschauen. Die sechs Deckenbalken liegen nordseitig auf der Ringmauer und reichen südseitig bis an die Maueraussenkante, wo sie abgesägt sind und deshalb nicht mehr auf dem erwähnten Unterzug aufliegen (Abb. 48). Nur der östlichste Balken liegt mit seinen fünf Grad Neigung gegen das Burginnere noch in originaler Lage. Er wurde aber 1644 auf die Ostflucht des Mittelbaus verschoben. Diese Weisstannenbalken weisen eine zwar unsichere, wohl aber nicht zufällige Datierung von ebenfalls 1231/32 auf.65 Liegt ihre Breite von 24 cm im üblichen Rahmen, fällt die Höhe von 35 cm auf. Reste von Holznägeln in der Balkenoberfläche mit 1,5 cm Durchmesser stammen von der Befestigung von Bodenbrettern. Abb. 48: Mittelbau-Ost. Auf der Ringmauer von 1219-ca.1226 liegen die aussen abgesägten Balken des nördlichen Wehrerkers von 1232 (1). Auch das darüberliegende, dünne Fachwerk von 1644 ermöglichte die Sicherung des unübersichtlichen Mauerfusses (2).

2 1

2 1

Dendrodatierung Hohenklingen-Bauphase 3: Neuer Turm. Bauetappe Ort

1. Etappe

1236, 1237 1. Obergeschoss, Deckenbalken (Boden Eingangsgeschoss)70 1241

2. Obergeschoss (Eingangsgeschoss), Bodenbohle71

2. Etappe72

2. Obergeschoss (Eingangsgeschoss), Deckenbalken

3. Etappe73

3. Obergeschoss, Deckenbalken

4. Etappe74

4. Obergeschoss, Deckenbalken

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Datierung Anzahl Splintjahre (WK= Waldkante) (Eiche) –, – 2

1238

10

1219, 1246, 1249 1251 WK (?)

–, 9, 8 11

1240, 1243

8, 7

1251/52 WK (3x) 1252/53 WK 1235, 1238, 1245, 1250 (2x) 1253/54 WK (?)

12,14,16

15

–, –, 9, 12, 19 19

3. Neuer Wohnturm von 1250/54, Ausbau Palas-Ost und Mittelbau (Bauphase 3): 1250–1283 (Beil. 1–9 und 13–14) Neuer Turm: 1250/51 bis 1254 Wie erwähnt war der alte Turm nach kurzer Zeit baufällig geworden und musste ersetzt und aus statischen Gründen verschoben werden, was zur Schrumpfung der Gesamtfläche der Burg von 1120 m2 auf 980 m2 führte. Wahrscheinlich liess sich seine Westmauer noch als Schildmauer übernehmen. Der neue Turm kam ins Zentrum des Osthofes zu stehen. Er schützt wiederum die Angriffsseite im Osten, ist also gegen den Zugangsweg hin gebaut und erscheint von aussen als Bergfried.66 Innen ist er als klassischer Wohnturm ausgebaut und blieb bis heute weitgehend unverändert erhalten. Sein Grundriss ist fast quadratisch mit Seitenlängen von 9,5–10 m. Die Mauern sind angriffseitig, d.h. im Norden und Osten von 1,9 auf 2,7 m verstärkt. Sie verjüngen sich auf der ganzen Turmhöhe von 19 m (mit Zinnenkranz ca. 20 m) nicht.67 Durch die notwendig gewordene Verkleinerung des neuen Turmes, durch seine Einpassung zwischen die bestehenden Ringmauern von 1219 bis ca.1226 beträgt die Wohnfläche pro Geschoss aber nur noch die Hälfte seines Vorgängers, bescheidene je 26 m2. Der damit verbundene Wohnflächenverlust in der Burg wird möglicherweise mit den Erneuerungen im PalasOst kompensiert (Tabelle S. 52). Früher waren sich die verschiedenen Autoren der Baugeschichte des Hohenklingen meistens einig, dass der Bergfried, der neue Turm also, ältester Teil der Burg sei. Ihre Datierungen schwankten aber zwischen dem 9. und dem 13. Jahrhundert.68 1995 hat Daniel Reicke erstmals Eichenhölzer des Turmes dendrochronologisch datieren lassen. Damals sind zehn Proben der Deckenbalken aus dem zweiten und vierten Obergeschoss entnommen und in die Jahre nach 1250 datiert worden.69 Erst unsere neuen Bohrungen weisen auch Waldkante auf; neu sind zudem die Decken über dem ersten und dritten Obergeschoss untersucht worden. Sie machen deutlich, dass der ganze Turm aus einem Guss ist, aber in vier Bauetappen zwischen 1250/51 und 1254 entstanden ist. Die Dendrodatierungen vermitteln also den Eindruck, dass der Turm im oberen Abschnitt, vom zweiten bis vierten Geschoss, jährlich um ein Stockwerk gewachsen ist. Damit wurde die zu Beginn unserer Untersuchungen, auf Grund zweier unterschiedlicher Sandsteinarten entstandene Vermutung eines zweiphasigen Turmes mit Bau-


fuge auf halber Höhe, obsolet.75 Auf Bodenhöhe des Eingangsgeschosses endet die erste Bauetappe, bei deren zugehörigen Hölzern zwar die Waldkante fehlt, die aber auf Grund der Splintjahre und der nachfolgenden, datierten Decke auf 1250 oder 1251 eingegrenzt werden kann. Bauherr des neuen Turmes war aufgrund der Jahrringdatierungen Ulrich I., der erste Freiherr der Linie von Hohenklingen. Das Äussere des Turmes Der neue Turm gehört zur Gruppe der Megalithoder Findlingstürme.76 Die Findlinge stammen aus der lokal anstehenden Moräne und zeigen gemäss dem Geologen einen sehr schönen Querschnitt durch den Aufbau der Alpen.77 Weiter fanden aber auch gelbe Sandsteine aus einem lokalen Vorkommen Verwendung.78 Sie finden sich hauptsächlich an den Ecken in der unteren Turmhälfte, aber auch in der Fläche, vor allem in der Ostfas-

sade.79 Meistens sind es Buckelquader mit prallen Buckeln oder Bossen und Rand- oder Kantenschlag. Es handelt sich durchweg um Spolien, die vom alten Turm stammen. In der oberen Turmhälfte sind an den Ecken nur noch wenige gelbe Sandsteine verbaut, häufig sind es nun Buckelquader aus grünem Rorschachersandstein sowie selten Findlinge (Abb. 50). Die grünen Eckquader besitzen kissenförmige Buckel mit Randschlag und sind damit deutlich flacher als jene der wieder verwendeten, gelben Sandsteine. Der grüne Sandstein findet sich in der oberen Turmhälfte, aber auch an allen Tür- und Fensteröffnungen, an den Nischengewölben und als Abdeckung der Wehrplattform. Die stark verwitterten Fenstereinfassungen zeigen abwechslungsweise Rundbögen und leichte Spitzbögen und weisen eine zeittypische, breite Schrägfase auf (Abb. 51).80 Vereinzelt finden sich Steinmetzzeichen, ebenfalls ausschliesslich auf dem grünen Sandstein. Typologisch gleiche Zeichen finden sich auch an Burgen auf der schwäbischen Alb.81

Abb. 49: 1250/51–54 wurde der alte Turm abgebrochen und durch den neuen, den heutigen Turm ersetzt. Bauherr war Ulrich I., der erste Freiherr der Linie von Hohenklingen. Der Palas wurde 1268 mit einer Bohlenstube erweitert und 1253 kam der Mittelbau neu hinzu, als Wohnhaus für die Dienstleute und als Speicher wohl für die Abgaben der Herrschaftsangehörigen. Dann gab es auf der Burg einen Bauunterbruch von nicht weniger als 110 Jahren. In dieser Zeit wurden zu ihren Füssen ab 1250 die Stadtmauern von Stein am Rhein auf- und ausgebaut und die Hohenklingischen Vögte bauten in der Stadt vier an die Ringmauern anschliessende, grosszügige Stadthöfe.

37


In der Laube, beim Hocheingang lässt sich zudem an der Südwestecke des Turmes beobachten, dass die Steinmetzzeichen durch etwa 6–12 cm breite Kerben beschädigt sind, die vom Hochhieven der Steine mit der Steinzange stammen (Abb. 52 und 53).82 Weil diese Beschädigung auf der Baustelle durch die Maurer entstanden sein muss, gehe ich davon aus, dass die Buckelquader im Stein­bruch, also am Rorschacherberg, von den spezialisierten Steinmetzen in Serieproduktion vorgefertigt worden sind. Die Nachfrage nach solchen Produkten muss im Burgen- und Städtebauboom des 13. Jahrhunderts sehr gross gewesen sein.

Abb. 50: Neuer Turm von 1250/51-1254, Nordost­ ecke. Buckelquaderverband mit Kantenschlag und später verputzter Ostseite.

Turminneres Hier ist das Mauerwerk inhomogen. Zwar weist der 2,5 m in den Untergrund eingetiefte und nicht zusätzlich fundamentierte Turmschaft in der Sockelzone Bollensteinmauerwerk auf. Die innere Schale ist hingegen dort, wo sie auf den beiden Angriffseiten stärker ausgebildet ist, ab 1,3 m über dem Kellerboden bis zur Decke über dem ersten Obergeschoss mit sehr sorgfältigem Handquadermauerwerk aus gelben Sandsteinen ausgeführt. Einzig im Bereich des Streifbalkens der ehemaligen Erdgeschossdecke wird diese Sandsteinschale durch eine Lage schräg gestellter Bollensteine (opus spicatum) unterbrochen. Auf den anderen beiden dünneren Innenwänden hat man ab 2,8 m nur noch grob zugehauene Sandsteine verwendet, entsprechend jenem Mauerwerk, das innen ab dem zweiten Obergeschoss allseitig Ver-

Abb. 51: Neuer Turm. Die stark verwitterten Fenster von 1250/51-1254 zeigen abwechslungsweise Rundbögen und leichte Spitzbögen und weisen eine zeittypische, breite Schrägfase auf.

Abb. 52 und 53: Neuer Turm von 1250/51-1254, Wehrgangebene. An der Südostecke finden sich originale Steinmetzzeichen gestört von Steinzangenlöchern und auch neuzeitliche Inschriften. Zeichnung M. 1:5.

Neuer Turm Südostecke Laube

Neuer Turm 3. OG

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wendung gefunden hat (Abb. 54). Die Gründe für das unterschiedliche Mauerwerk auf Hohenklingen blieben lange rätselhaft, werden aber verständlich, wenn man die Handquader als wieder verwendetes Material des alten Turmes betrachtet. Gleiche Handquader finden sich im Innenschaft des 15 Jahre älteren Megalithturmes vom Schloss Frauenfeld.83 Eine Zweiphasigkeit des Burgturmes wie z.B. die Ummantelung eines älteren Schaftes durch einen jüngeren Megalithmantel, wie dies am Beispiel der Mörsburg nachgewiesen ist, scheidet aus.84 Die Ausrichtung der Deckenbalken wechselt meistens von Stockwerk zu Stockwerk, wie etwa auch in den Wohntürmen des Unterhofes in Diessenhofen oder der Neuburg bei Mammern.85 Untergeschoss/Erdgeschoss: Der Turmkeller ist 6,3 m hoch. Er ist auf 4,3 m Höhe ab Boden durch eng beieinander liegende Negative zweier ehemals Nord-Süd verlaufender Balken unterteilt, die der Aufnahme von Treppen/Leitern dienten. Grafitti, die mit Rötel und Kohle 1,5–2 m über dem Boden auf dem Mauerwerk angebracht sind, belegen die periodische Verwendung des Turmschaftes als Gefängnis (Abb. 233). Rat und Bürgermeister der Stadt Stein liessen 1465 z.B. Gredmaister Conrad Spideli und Clewi Lecker von Blumenegg im Turm schmachten.86 Im anstehenden Boden zeigt sich in der Raummitte der Abdruck eines Ost-West verlaufenden Balkenlagers (Abb. 55). Randlich, entlang der Mauern liegt auf diesem Boden Mörtel als Rest des Bauniveaus, während die ganze Raumfläche von einem 5–10 cm starken humös-torfigen Benutzungshorizont bedeckt ist. Dieser enthält Fundmaterial aus der Zeit zwischen ca. 1250 und 1450. An der Westwand mit Konzentration gegen Nordwesten, also direkt unter dem Kamin der oberen Geschosse, fanden sich neben vielen Hohlziegeln vor allem Hafnerlehm und gegen 20 Becherkacheln. Offenbar handelt es sich um einen Teil eines abgebrochenen Kachelofens des frühen 13. Jahrhunderts, der an dieser Stelle entsorgt wurde. Handelt es sich um die Reste eines Kachelofens aus dem ersten Turm, dessen noch verwendbare Kacheln beim Neubau von 1250/51– 1254 zusammen mit einer jüngeren, entwickelteren Kachelvariante verbaut wurden?87

Abb. 54: Neuer Turm 1250/51-54, Schaft. Originale Balkendecke von 1250/51, nur angriffsseitig ausgeführtem Handquadermauerwerk (wieder verwendete Steine des alten Turmes) und Mauerwerk im Ährenverband (opus spicatum) im ehemaligen Deckenbereich. Abb. 55: Neuer Turm 1250/51-54, Untergeschoss. Erdboden mit zentralem Eindruck eines Ost-West verlaufenden Balkenlagers.

1. Obergeschoss: Unbeheizter, aber belüfteter Raum mit einer Stockwerkshöhe von 3,2 m, dessen Funktion vielleicht als Tresor, als Getreidespeicher oder Waffenkammer vermutet werden kann. Vom ehemaligen Boden zeugen nur noch die Löcher der ehemals sechs Balken, während die Decke original ist und den Boden des Eingangsgeschosses trägt. Ihre mächtigen, nur grob zugerichteten und West-Ost ausgerichteten De39


Abb. 56: Neuer Turm von 1250/51-1254, 1. Obergeschoss. Die südseitige, spitzgiebelige Scharte aus gelbem Sandstein stammt aus dem alten Turm.

Abb. 57: Neuer Turm von 1250/51-1254, 2. Obergeschoss (Eingangsgeschoss). Sowohl die Deckenbalken als auch der Boden aus Eichenbohlen stammen aus der Bauzeit.

Abb. 58: Neuer Turm von 1250/51-1254, 2. Obergeschoss (Eingangsgeschoss) mit originaler Türe.

Abb. 59: Neuer Turm von 1250/51-1254, 2. Obergeschoss (Eingangsgeschoss). Rauchfang mit Kaminanschluss aus der Bauzeit.

40

ckenbalken besitzen Seitenlängen um 40 cm, darüber liegen ebenso breite und 8 cm dicke Eichenbohlen (Abb. 57). In der Nordostecke führt eine neu wieder in Betrieb genommene, alte Luke im Boden in den Turmschaft, durch das sogenannte Angstloch.88 Zusammen mit der spitzgiebeligen Scharte in der Südseite ermöglichte sie die Durchlüftung und Trockenhaltung des Raumes (Abb. 56). Die Scharte öffnet sich trichterförmig nach innen und ist das einzige Gewände am Turm, das aus dem lokalen, gelben Sandstein gefertigt ist und damit offenbar ebenfalls vom alten Turm stammt. 2. Obergeschoss (Eingangsgeschoss): Seine Stockwerkshöhe beträgt 3,35 m und die Herdstelle identifiziert den Raum als Küche. Auf der Aussenseite lässt sich wegen vieler Flicke und Balkenlöcher im Mauerwerk, die aus verschiedenen Epochen stammen, die ursprüngliche, äussere Zugangssituation nicht mehr rekonstruieren. Ihre Höhenlage entspricht in etwa dem heutigen Laubenboden. Das unprofilierte Rundbogenportal der Eingangstüre liegt 7,5 m über dem Innenhof, besitzt innenseitig einen Schliessbalkenkanal und eine wohl originale Bohlentüre mit Drehzapfen (Abb. 58).89 In der Nordwestecke des Eingangsgeschosses lag die Herdstelle, von der noch der Rauchfang mit einem Kaminanschluss erhalten ist: in die Wand eingelassene Eichenbalken90 sind an der Ecke aufgehängt mit einer Schürze aus lehmverstrichenem Rutengeflecht und Mörtelputz darüber (Abb. 59).91 Daneben in der Westmauer befindet sich eine trichterförmige Sitznische mit einer Spitzgiebelscharte. Drei ein­läufige Blockstufentreppen führten von hier bis zur Wehrplattform. Naeher zeichnete sie 1885 (Abb. 60), Rahn bezeichnete sie als «primitive Holztreppen».92 Erst Ende des 20. Jahrhunderts hat man sie durch eine Kopie ersetzt, an deren Stelle im Jahre 2007 eine neue Stahl-GlasTreppe getreten ist. 3. Obergeschoss: Die Stockwerkshöhe des Wohngeschosses beträgt nur noch 2,55 m. Schmale, kantige Deckenbälkchen, die nur in den südlichen zwei Dritteln eine breite Fase und Nuten des ehemaligen Zwischenbodens aufweisen, markieren hier eine ehemalige Bohlenstube. Sie bilden eine tragend ausgeführte Bretterbalkendecke, im Gegensatz zu den spätmittelalterlichen Bohlenstuben, die jeweils unter eine tragende Balkenlage eingeschoben sind.93 Später wurde die Stube auf die Hälfte verkleinert und füllte nur noch die Südwestecke aus.94 Von den Wänden zeugen einzig noch die Ständer an der Südwand zusammen mit einem Rähmbalken, einem Unterzug. An der Decke, gegen Norden fällt die sekundäre Erweiterung einzelner Zwischenbodennuten auf. Hier im


Gang findet sich die Rauchschwärzung der Balken aber auch im östlichen Abschnitt der Balkendecke mit Fasen und Nuten. Dies bedeutet, dass sich Gang und Treppenhaus neu L-förmig um diese Kammer erstreckten. Naeher zeichnete 1885 in etwa noch diesen Zustand, es scheint aber eher eine Rekonstruktion zu sein, da Rahn seiner Einteilung widersprach. Interessant ist Naehers Feststellung, dass der Fussboden hier, wie noch erhalten im vierten Obergeschoss, aus zwei Lagen Ziegeln, also Backsteinen über den Bohlen besteht.95 Diese gehören demnach, wie jene auf der Wehrplattform, ebenfalls zu den jüngeren Umbauten des 16. Jahrhunderts (Abb. 60). Drei stichbogig gewölbte Nischen sind in den Mauern ausgespart, nur die beiden südseitigen sind mit Steinbänken ausgestattet. Sie werden von rundbogigen Schlitzfenstern belichtet, das südöstliche Fenster war ursprünglich schmaler. Form und Fase der Stichbögen könnten durchaus auf ein spätgotisches Alter hindeuten, sie stehen aber im Verband mit dem originalen Turmmauerwerk. Zudem weisen die grünen Sandsteinquader gleichartige romanische Steinmetzzeichen auf, wie sie auch aussen an den Eckquadern vorkommen (Abb. 52). Eine kleine Wandnische in der Südwestecke kann als Tresor gedient haben. Sie besitzt zehn umlaufende Rosetten als einzige Ornamentik, welche die Steinmetzen auf Hohenklingen hinterlassen haben. Eine weitere, unverzierte Nische, ein Wandkasten, liegt in der Südostecke. Weiter gibt es in der grossen, südwestlichen Nische Reste einer roten Quadrierung auf dem glatten, ungekalkten Putz, der vor allem auch auf der Ostwand noch grossflächig erhalten blieb. Im ehemaligen Gang gibt es wieder einen Anschluss an den durchlaufenden Kaminzug, die Rauchschürze fehlt, ist aber durch ein Balkenloch belegt. Von hier liess sich ein Hinterladerofen in der rauchfreien Stube beheizen, analog der Situation der Stube von 1268 im Palas. 4. Obergeschoss: Hier beträgt die Geschosshöhe wieder 3,35 m, eine Raumheizung bezeugt ein weiteres Wohngeschoss, vielleicht eine Schlafkammer. Eine stichbogige Wandnische mit Sitzbänken ist nur in der Südwand vorhanden, belichtet durch eine Bifore, ein Zwillingsfenster mit spitzbogigen Öffnungen. Zum Kaminanschluss gehören die Fasen eines kleinen Rauchhutes in den Deckenbalken der Nordwestecke. Die Rauchschwärzung der gesamten Decke deutet auf eine offene Feuerstelle, ein Cheminee hin. Von den acht eng verlegten mächtigen und kantig bearbeiteten Deckenbalken sind sechs mit je drei runden, aus dem Holz gearbeiteten Schilden verziert. Ihre unsymmetrische Anordnung deutet auf die Verwendung von vorgefertigten Teilen hin.96

Abb. 60: Neuer Turm. Julius Naeher 1885.

4 1

2

5. Obergeschoss: Die Wehrplattform war ursprünglich offen und besass wohl einen umlaufenden Zinnenkranz mit mauerdurchstossenden Löchern zur Entwässerung der Plattform, wie dies am Hexenturm noch erhalten ist.97 Die Bodenkonstruktion besteht aus massiven 35–45 cm breiten Bohlenbrettern mit 10–12 cm Dicke, einem Lehmüberzug als Dichtung und Unterlage für die Deckplatten aus Sandstein (Abb. 61). Die­ se wasserdichte Konstruktion spricht gegen ein Dach und gewährleistete mit der Sandsteinplattenabdeckung einen guten Brandschutz gegen Beschuss mit Feuerpfeilen o.ä.98

3

Abb. 61: Neuer Turm, Wehrplattform von 1254. Im Treppenschacht ist die Deckenkonstruktion sehr schön ablesbar: Bohlenbretter (1), bedeckt mit Lehm als Dichtung (2) und darin verlegt Deckplatten aus grünem Rorschachersandstein (3). Der darüberliegende Backsteinboden stammt von 1526, vom Einbau der Geschützstellung (4).

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Abb. 62: Die 1862 durch Johann Rudolf Rahn angefertigte Bleistiftzeichnung der Kapelle zeigt, wie das Dachwasser über Holzkännel in die Zisterne eingeleitet wurde. Abb. 63: Osthof. Lehmabdichtung (1) mit Bollensteinfüllung (2) der Filterzisterne aus dem späteren 13. Jh., im 2006 wieder geöffneten, neuzeitlichen Kanalisationsgraben. Abb. 64: Osthof. Schöpfschacht der Filterzisterne aus dem späteren 13. Jh.

Erhöhung Ringmauer

Filterzisterne

Die südliche Ringmauer baucht im Bereich des Wehrganges aus, verjüngt sich auf 60 cm bzw. gegen den Mittelbau auf 45 cm und ist mit einzelnen Lagen von schräg gestellten Steinen noch in Art des opus spicatum gemauert. Der Mauermörtel entspricht nicht jenem der Bauphase 2, viel eher jenem der oberen Turmgeschosse, er ist aber grauer. Eine detailliertere Untersuchung war jedoch wegen der Erhaltung der originalen Putze nicht möglich. Offenbar ist hier die Ringmauer nach dem Bau des neuen Turmes mindestens um 1,5 m auf das Niveau der Türschwelle des Turmes erhöht worden, so, dass die vermutlich noch höher aufragenden Zinnen den Turmeingang schützten.99 Die erwähnte Verjüngung der Mauerstärke beim heutigen, westlichen Wehrgangansatz zeigt, dass die Mauer hier an einen Holzbau anschloss bzw., dass der unten vorgestellte Mittelbau-Südost seit 1258 bis ins zweite Obergeschoss aufragte und die Erhöhung der Ringmauer frühestens zu diesem Zeitpunkt erfolgt sein kann! Auch nordseitig wird dieser Holzbau indirekt bezeugt durch das Füllmaterial im nördlichen Burggraben. Dort reichen die Funde bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts zurück und setzen deshalb an der Nord­ seite der Ringmauer eine hoch liegende Ent­sor­ gungsstelle, einen älteren Latrinenerker voraus, als Vorgänger des Abortes der Zeit um 1460.100

Im Zentrum des Osthofes liegt eine ovale Filterzisterne mit einem Schöpfschacht, der noch heute als Wassersammler in Betrieb ist.101 Bis zum Anschluss an die Wasserversorgung 1909102 wurde hier über Holzkännel das Wasser der umliegenden Dächer eingeleitet, filtriert und als Trinkund Gebrauchswasser verwendet. Dies ver­deut­licht die von Rahn angefertigte Zeichnung der Kapelle von 1862 (Abb. 62). In den Vorschriften von 1661 für den Burgvogt wird die Zisterne als «Halgbronnen» bezeichnet, gemeint ist ein Galgenbrunnen, der zusammen mit den «Standen» (Fässer), in denen ebenfalls Wasser gesammelt wurde, in «gute Acht genommen und in Ehren gehalten werden soll».103 Für die Anlage der Zisterne hat man eine Grube von 4,6–5,1 m Durchmesser, bei einer Tiefe von ca. 4,2 m ausgehoben und diese allseitig mit einer 50 cm dicken Lehmschicht abgedichtet (Abb. 63). Dann wurde leicht exzentrisch, auf einer Sandsteinplatte, der Schöpfschacht mit Trockenmauerwerk aufgemauert und der Raum zwischen Lehmabdichtung und Schacht mit Bollensteinen als Grobfilter gefüllt (Abb. 64). Vielleicht war hier zudem Kiessand als feiner Filtrierkörper vorhanden, der im Laufe der Zeit in den Schöpfschacht eingeschwemmt und bei Reinigungsarbeiten nach und nach ausgeschöpft wurde. Die Schachttiefe beträgt 3,7 m bei einem Durchmesser von 1,1 m. Das Volumen der gesamten Zisternenanlage hat etwa 45 m3 betragen, was abzüglich der Steine ein Speichervolumen von etwa 10–15 m3 ergeben dürfte. Der ursprüngliche, obere Aufbau ist unbekannt. Ein bodenebener Sandsteinring liegt in einem jüngeren, mit Ziegeln durchsetzten Mörtel und gehört zu einer neuzeitlichen Reparatur. Die Zisterne durchschlägt eine Planie aus sterilem Material, die vom Aushub des neuen Turmes stammt und dem darüber liegenden ersten Benutzungshorizont zum Turm, weshalb sie nach dem Bau des Turmes, wohl noch im späteren 13. Jahrhundert entstand.104 Auf der Sohle des Schöpfschachtes fanden sich nur wenige Gegenstände des 20. Jahrhunderts.

2

42

1


Ausbau Palas-Ost: 1255 und 1268 Es macht den Anschein, dass der folgende Ausbau des Palas nicht nur zur Vergrösserung der Wohnfläche auf der Burg beigetragen hat, sondern, auf Grund des geräumigeren alten Turmes, auch dessen Verlust kompensierte.105 Von der Balkenlage, die heute im Palas-Ost zwischen die Ringmauern über den Hof gespannt ist, sind nur noch zwei Hölzer alt, die übrigen sind modern. Sie liegen ganz im Osten, ein Balken ist 1255 datiert und belegt hier erste Umbauten oder Erweiterungen nach der Fertigstellung des neuen Turmes. Ein gutes Jahrzehnt später, 1268, kommt dann im ersten Obergeschoss eine grössere, heizbare Bohlenstube hinzu, von der drei Proben datiert sind. Damit ist sie im süddeutschen und nordschweizerischen Raum eine der ältesten, nachgewiesenen Stuben überhaupt. Ihre Eichenschwelle ist mit einem schmutzigbraunen Flickmörtel in die Ringmauer eingelassen (Abb. 65). Der nördliche Eichenständer besitzt mit seinen 3,5 m vermutlich noch die originale Höhe, der süd-­ liche scheint bei den lokalen Umbauten der Zeit um 1340 im zweiten Obergeschoss auf 2,4 m Höhe abgesägt worden zu sein. Die zwischen die Ringmauern gespannte Wand selbst besteht aus fünf liegenden Weisstannenbohlen,108 aus denen ein rundbogiges Türloch ausgeschnitten wurde. Auch eine Bohlentüre mit Drehzapfen ist erhalten. Sie stammt jedoch wahrscheinlich aus jüngerer Zeit, weil sie einen geraden Abschluss besitzt (Abb. 66).109 Die Raumhöhe der Stube hat 2,2 m betragen und die tragende Bretterbalkendecke war flach. Dies

Dendrodatierung Hohenklingen-Bauphase 3: Palas-Ost. Ort

Datierung (WK= Waldkante)

Anzahl Splintjahre (Eiche)

Erdgeschoss, Deckenbalken106

1254/55 WK

12

1. Obergeschoss Westwand, Schwelle, Türpfosten, Ständer Süd107

1264 WK (?)

14

1267/68 WK 1252

zeigen eine Kerbe in der obersten Wandbohle und die Zapflöcher der Rähmbalken in beiden Wandständern, die innenseitig im anschliessenden Raum mit horizontalen Putzkanten auf den Ringmauern korrespondieren. Zusammen mit der Anpassung der Verputze der 1220er Jahre kam wohl jetzt erst auch das mittlere Fenster der Südseite hinzu.110 Die Putze sind stark verschmutzt, wie man dies von Hohlräumen hinter Täfer kennt. Eine Holzverkleidung kann deshalb rekonstruiert werden. Ein gutes Vergleichsbeispiel findet sich im Unterhof in Diessenhofen, mit der Stube im Ostflügel von 1278, die im allerdings allseitig gemauerten Erdgeschoss liegt. Ihre Ausstattung bestand aus einem Bretterboden auf Mörtelestrich, vertäferten 2 m hohen Wänden, horizontalen tragenden Sichtbalkendecken mit kreisrunden Verdickungen in der Mitte und an den Enden sowie quer eingenuteten Brettchen.111 Im Treppenhaus zwischen Palas-Ost und PalasWest lag weiterhin die Küche, jedoch wurde sie jetzt auf die heutige Breite des Treppenhauses verkleinert. Dies wurde durch die Vergrösserung der Stube notwendig. Nördlich der rundbogigen Türe ist in der Bohlenwand eine neuzeitlich vermauerte Feueröffnung (1 x 1,3 m) ausgespart. Die einfassenden Balken und Bohlen sind stark ver-

16 2

Abb. 65: Palas-Ost. Die Schwelle der Bohlenstube von 1268 ist mit einem schmutzigbraunen Flickmörtel in die Ringmauer von 1219-ca.1226 eingelassen (1). Abb. 66: Palas-Ost. Bohlenstube von 1268 mit jüngerem (?) Türblatt und vermauertem Ofenloch.

1

43


kohlt, die Befeuerung des Ofens in der dahinter liegenden Stube erfolgte von der vor dieser Öffnung liegenden Herdstelle aus. Daneben unterstreicht der ebenfalls sekundär in die nördliche Ringmauer eingebaute Ausguss die Funktion dieses Raumes als Küche.112 Vielleicht lag dieser Trog aus Rorschachersandstein ursprünglich weiter östlich und wurde mit der Verkleinerung der Küche an seine jetzige Stelle versetzt. Dendrodatierung Hohenklingen-Bauphase 3: Mittelbau-Nordost.

Datierung Anzahl Splint(WK= Waldkante) jahre (Eiche)

Ort Deckenbalken wieder verwendet

1240

Mittelbau -Nordost Deckenbalken Erdgeschossdecke114 original Mittelbau-Südost, Erdgeschossdecke115 Mittelbau-West, Erdgeschossdecke116 Östliche Schildmauer117

8

1248 1252/53 WK Deckenbalken Umbau 1259/60 WK Streifbalken 1243 Deckenbalken 1253/54 WK Deckenbalken 1257/58 WK Deckenbalken 1268 Deckenbalken 1282/83 WK Sturzbalken Schiesskammer, 1279 WK (?) wieder verwendet

Abb. 67 und 68: Mittelbau-Ost, Erdgeschoss. Die Deckenbalken des unterkellerten Wohnbaus für die Dienstleute stammen aus den 1250er Jahren und sind zum Teil wiederverwendet. Übersicht und Detailzeichnung des Balkens eines Walmdaches (1). Zeichnung M. 1:50.

1 Blattsassen Rafen

44

13

Unter dem Wehrerker von 1232 wird zuerst ein steinernes Gebäude eingefügt. Es ist unterkellert, mit leicht rechteckigem Grundriss und entspricht mit einer Innenfläche um 29 m2 ausgezeichnet den etwa gleichzeitigen Kernbauten von Häusern in den Städten Stein am Rhein und Schaffhausen. Deshalb ist es ebenfalls als Wohnbau, hier für die Dienstleute zu interpretieren.113 Erweiterungen nach Süden und Westen bis an die Ringmauern folgten 1258 und 1283 als einfache Holzkonstruktionen. Sie dienten offensichtlich der Schaffung von Lagerflächen. Hier lag also der Gaden, der Vorratsbau oder Speicher, so, wie er sich oft in Wehrkirchen, aber meist nicht mehr in Burgen erhalten hat.118 Wahrscheinlich wurden hier die Abgaben der von Hohenklingen abhängigen Bauern eingebracht. Die vermutlich mit dem Ausbau der Herrschaft steigenden Einnahmen der Freiherren von Hohenklingen führten folglich zur sukzessiven Erweiterung dieses Gebäudes. Das dendrochronologisch jüngste Baujahr der dritten Bauphase (1283) markiert bemerkenswerterweise für 110 Jahre das Ende der Bautätigkeit auf dem Hohenklingen. Mittelbau-Nordost: 1253 Unter die alte Ständerkonstruktion des Wehrerkers von 1232 wird gegen die nördliche Ringmauer hin neu ein steinernes und vollständig unterkellertes, leicht rechteckiges Haus eingebaut. Von den sieben Deckenbalken im Erdgeschoss sind nur noch zwei in die Reste des originalen, südseitigen Mauerwerks eingebunden. Sie datieren das Gebäude ins Jahr 1253. Hinzu kommen östlich davon zwei Balken, die bereits einem Umbau von 1260 entstammen. Der östlichste Streifbalken ist hingegen wieder verwendet, besitzt Rafennegative eines Walmdaches und scheint wenig älter zu sein (Abb. 67 und 68).

1

1

6 13 16 3 25 25 – 12

Mittelbau mit Ausbauten: 1253–1283

1

1

1

Untergeschoss: Der 2,1 m ins Terrain eingetiefte und etwa 2,5 m hohe Keller ist weitgehend erhalten. Er bildet heute das Ende des Nottreppenhauses, das sich um den neuen Lift windet. Nach Osten, unmittelbar über dem Terrain, waren vermutlich zwei dreieckige Belüftungsöffnungen eingebaut.119 Zwei Steine sind dazu schräg gegeneinander gestellt, darüber liegt ein 4 cm aus der Mauerflucht vorspringender Bollenstein als Tropfnase. 1

Erdgeschoss: Vorhanden sind nur noch Reste der West- sowie grössere Teile der Süd- und Ostwand. In Richtung auf die 1393 angebaute Kapelle öffnen sich zwei Rechteckfenster aus Sandstein


(31 x 113 cm). Ihre Sturzsteine besitzen eine Fase, im Gegensatz zu den Seitengewänden, die zudem gut 20 cm unter den Stürzen enden. Die Zwischenräume sind mit Randengrobkalksteinen geschlossen worden, die den Eindruck machen, als hätte man die Fenster im Steinbruch zu niedrig bestellt und die Seiten deshalb beim Versetzen erhöht. An den Innenwänden ist grossflächig der originale, glatte Putz vorhanden, wie wir ihn teilweise auch noch im neuen Turm finden.

den kann. Mit ihrer fäkalen Füllung und einer kleineren, unregelmässigen Vertiefung im Zentrum unterscheidet sie sich in keiner Weise von den Latrinengruben, die wir in städtischem Zusammenhang bereits häufig gefunden haben.122 Abb. 69 und 70: Osthof. Faschinengrube G39 unter der Kapellensüdwand von 1393, die wohl als Latrine diente.

1. Obergeschoss: Es ist zu vermuten, dass dieses bis unter den Wehrerker in Holz ausgeführt war und 1393 dann vollständig durch den bestehenden steinernen Raum ersetzt worden ist. Mittelbau-Südost: 1258 Nun wird auch die Lücke zwischen MittelbauNordost und dem Burgtor überbaut. Überbleibsel davon sind drei Balken über dem Erdgeschoss, die auf Unterzügen und Ständern ruhen, zwei davon sind datiert, spätestens ins Jahr 1258. Aussehen und Nutzung der Obergeschosse sind unbekannt. Wie aber bereits festgestellt, reichte der ganze Mittelbau-Ost bei der Erhöhung der Ringmauer, nach dem Bau des neuen Turmes, bereits bis ins zweite Obergeschoss.120 Mittelbau-West: 1283

Reparatur im Palas-Ost um 1340

An den Mittelbau-Ost wird schliesslich der Mittelbau-West angefügt. Davon sind nur noch drei Balken über dem Erdgeschoss auf der Südwestseite vorhanden, zwei davon sind datiert, spätestens ins Jahr 1283. Südseitig sind sie in die Ringmauer eingelassen, nordseitig liegen sie auf der Konstruktion des Mittelbaus von 1401 auf. Überspannten sie ursprünglich den ganzen Burghof? Ebenfalls zu dieser Bauphase gehören wieder verwendete Balken in den Schiesskammern der östlichen Schildmauer, von denen einer in das Jahr 1279 datiert, und die mit den Umbauten der 1460er Jahre dorthin gelangt sind.

Wohl an Stelle eines Vorgängers befindet sich der imposante, 4 m hohe Mantelkamin in der Küche, der nicht nur als Rauchabzug für den Herd, sondern auch für den Ofen der Stube von 1268 diente. Der halbrunde Auflagebalken des Mantels datiert in das Jahr 1326 (mit zwei Splintjahren),123 er stammt folglich aus den Jahren um 1340 (Abb. 71). Der aufsitzende Mantel besteht aus Flecht-

Abb. 71: Palas-Ost, Küche. Der mächtige Mantelkamin aus der Zeit um 1340 ist die einzige Bauaktivität auf der Burg Hohenklingen während 110 Jahren.

Hoflatrine Die mit Faschinen ausgesteifte Grube G39, die später durch die Kapelle überbaut wurde, diente wohl als Latrine im Hof, nicht nur für die Dienstleute (Abb. 69 und 70). Sie ist annähernd qua­ dratisch mit Seitenlängen um 1,3 m bei einer ursprünglichen Tiefe um 1 m und gehört nach dem Fundmaterial ins 13. Jahrhundert, in die Bauphasen 2–3.121 Es spricht nichts dagegen, dass diese Grube als Latrinengrube interpretiert wer45


werk mit einem beidseitigen Mörtelüberzug und ist innen stark verrusst. Trotzdem der Kaminmantel nur 1,1 m über dem Bodenniveau ansetzt, konnte die ebenerdige Herdstelle durchaus von einem Hocker aus bedient werden, hingegen erforderte die Befeuerung des Stubenofens einen Schritt unter den mächtigen Kamin. Auch die östliche Rückwand des Kamins im zweiten Obergeschoss scheint den gleichen Umbauarbeiten zu entstammen. Sie liegt über der Bohlenwand von 1268, die sich bis dahin vielleicht über zwei Geschosse erstreckt hat. Diese erneuerte Wand besteht aus wieder verwendeten, kümmerlichen Nadelholzbalken mit Flechtwerk und ist vom Bauablauf her vor dem Kaminmantel der Jahre um 1340 entstanden. Aus weiteren solchen kümmerlichen und wieder verwendeten Balken bestand das nun entfernte Treppenpodest über dem ersten Obergeschoss, von dem eine weitere, spätestens 1551 entstandene Treppe in den Obergaden führte.124 Wahrscheinlich lässt sich dieses ganze Flickwerk über der Küche zusammen mit dem Kamin als lokale Reparatur interpretieren, vielleicht nach einem Brand (Abb. 72). Abb. 72: Palas-Ost, Küche von 1222-ca.1226. Umbau um 1340 mit Wandflick im 2. Obergeschoss und Anschluss Mantelkamin.

46

4. Exkurs I: Stadtbefestigung, Stadthöfe und frühe Stadtentwicklung in Stein am Rhein und hohenklingische Bauten in der Umgebung Stadtbefestigung und Stadtanlage von Stein am Rhein Bemerkenswerterweise ist der erwähnte kleine Umbau des Mantelkamins um 1340 die einzige Bauaktivität auf der Burg Hohenklingen, in der sonst völlig ereignislosen Zeitspanne zwischen 1284 und 1392. Diese markante, 110 Jahre umfassende Lücke geht aus der Zusammenstellung der dendrochronologischen Datierungen hervor (Abb. 22 und 137). Bereits während der Untersuchung der Burg stellte sich die Frage nach den Gründen für diese bauliche Inaktivität: spiegelt sich hier eine finanzielle Krise der Besitzer wieder, wurde die Burg eine Zeit lang gar nicht mehr bewohnt oder gibt es weitere Gründe? Antworten dazu sind selbstverständlich zuerst in der Stadt Stein am Rhein zu suchen, die wie der Hohenklingen im 13. und 14. Jahrhundert untrennbar mit den Herren von Hohenklingen verbunden ist. Die Überprüfung von älteren archäologischen Untersuchungen, drei neue Bauuntersuchungen von Privathäusern und weitere, durch diese Fragestellung ausgelöste Begehungen und gezielte Datierungen zugänglicher Bauhölzer, brachten die Lösung. Sie vermittelt nun nicht das Bild einer Krise, sondern einen äusserst dynamischen Prozess einer Stadtentwicklung mit Herrschaftsausbau, der auf Grund der Erhaltungsqualität der Bauten als einzigartig bezeichnet werden kann. Weitgehend abgesichert ist dadurch die Datierung von Stadtmauer und Stadthöfen (Abb. 73 und 74), während für die Brücke historische Quellen vorliegen. Sie machen deutlich, dass die hohenklingischen Vögte Investitionen, Wirkungskreis und Lebensmittelpunkt ab dem späteren 13. Jahrhundert von ihrer Burg hin weitgehend in die vorstädtische Siedlung Stein verlagerten (Abb. 110–113). Diese aus dem Baubestand gewonnenen Erkenntnisse spiegeln sich nur bedingt im mittelalterlichen Fundmaterial der Burg. Die Masse der Funde fällt in den Zeithorizont von 1250–1350, während zwischen ca. 1350 und 1450 in der absoluten Menge eine abnehmende Tendenz feststellbar ist. Ob sich hier die tatsächlichen Wohnverhältnisse auf der Burg widerspiegeln, oder ob dies mit unterschiedlichen Entsorgungsplätzen zusammenhängt, wir also nur einen Teil des Fundmaterials geborgen haben, ist unklar. Jedenfalls waren die Freiherren von Hohenklingen zusammen mit dem Abt und den Bürgern ent-


scheidend mitverantwortlich für die Entwicklung dieser Siedlung zur Stadt. Ihr Einfluss nahm, auf Kosten des Grundherren, des Klosters St. Georgen, zu.125 Steins Aufstieg zur Stadt gehört in die Zeit der Stadtgründungswelle im 13. Jahrhundert, in der sich die Zahl der Städte im Gebiet der heutigen Schweiz von 35 auf 175 verfünffachte.126 Ganz anders ist die Situation in Schaffhausen, das durch seine hochadelige Gründerfamilie, die Nellenburger, bereits im 11. Jahrhundert befestigt wurde und neben einer Stadtburg und dem von ihnen gegründeten Doppelkloster Allerheiligen und St. Agnes schon damals viele Steinbauten aufwies.127 Kloster St. Georgen und vorstädtische Siedlung Aus politischen Gründen verlegte König Heinrich II. 1007 das Benediktinerkloster St. Georgen vom nahen Hohentwiel in den Fronhof Stein. Teile der Klosteranlage des 11./12. Jahrhunderts sind ausgegraben oder noch erhalten.128 Aus Schriftquellen ist die wohl ältere Leutkirche St. Nikolaus bekannt. Sie wurde durch Grabungen des Jahres 1990 unter der Stadtkirche indirekt lokalisiert. Damals fanden sich zusammenhangsloses Mau-

erwerk und Teile des zugehörigen Friedhofs.129 Von der zweifellos viel kleineren, wohl weitestgehend in Holz gebauten, vorstädtischen Siedlung ist noch wenig bekannt. 1999 haben die Grabungen im Bürgerasyl gezeigt, dass dort erste Scherbenfunde aus dem 12. Jahrhundert stammen und einzelne, sekundär verwendete Bauhölzer aus den Jahren 1200, 1245 und 1274 vorhanden sind, die von Holzgebäuden stammen können.130 Im Jahre 2000 zeigte sich bei den Werkleitungssanierungen am Rathausplatz ein älteres Besiedlungsniveau des 12. Jahrhunderts. Es liegt 50– 100 cm tiefer als heute, umfasst den östlichen Platzbereich und läuft dann nur noch an seinem Nordrand nach Westen weiter und endet bei Haus Nr.14. Südlich und westlich steigt das natürliche Terrain deutlich an.131 Ins frühere 12. Jahrhundert gehört auch das Haus zum steinernen Trauben am Rathausplatz 11 mit romanischen Blendbögen, wie sie sich auch an der Südfassade der Klosterkirche, der heutigen Stadtkirche, am Obergaden finden.132 Bislang ist es das einzige Steinhaus aus dieser frühen Zeit ausserhalb des Klosters St. Georgen, es sei denn, dieser Bereich gehörte ursprünglich zum Klosterbaumgarten. Diente es als Vogteisitz, war es Sitz des Abtes oder hatte es eine andere Funktion?

Abb. 73: Übersicht dendrochronologische Datierungen von Gebäuden des 13./14. Jhs. in der Stadt Stein am Rhein. Grün: Bauten der Freiherren von Hohenklingen.

47


Stein am Rhein im 13. und 14. Jahrhundert

11. / 12. Jh. Stadtmauer um 1250 Steinbauten 2. Hälfte 13. Jh.

Herren von Hohenklingen Archäologisch untersucht

Bürger / Stadt Archäologisch untersucht

Ar ni

1

Hexenturm 1319

4

Steinfels vor 1279

2

3a

Niederhof Ökonomie um 1290

4a

Steinfels 1381

3

3c

Wasserleitung (Deuchel) Stadthöfe 2. H. 13. / 1. H. 14. Jh.

5

Lindwurm 1279

3b

5b

Lindwurm um 1440

5a

7

Oberhof 5c

Lindwurm 1712

6

10

Augustiner 1265

8

10a

Augustiner 1404

16

11

Spittel 1477

20

Steinbauten 1. Hälfte 14 Jh. 6

Erweiterungen Steinbauten 2. Hälfte 14 Jh.

9

Fachwerkbauten 15. / 16. Jh. Rekonstruierte Mauern 2

Chretzeturm

14 Bürgerasyl (Spital) 1302 18 Grosses Haus 1311

Spätrömischer Brückenkopf

Stein am Rhein im 13. und 14. Jahrhundert

19 Winde 1373 8 5c

11. / 12. Jh.

Fronhof

4

Un

de

rs

dt

4a 5b

Hexenturm 1319

4

Steinfels vor 1279

3a

Niederhof Ökonomie um 1290

4a

Steinfels 1381

3c Wasserleitung (Deuchel) Stein am Rhein im 13. und 14. Jahrhundert5

Steinbauten 2. Hälfte 13. Jh.

5a

Erweiterungen Steinbauten 2. Hälfte 14 Jh.

26

ss

Fachwerkbauten 15. / 16. Jh.

7

Oberhof

9

Chretzeturm

14 Bürgerasyl (Spital) 1302 Herren von Hohenklingen 18 Grosses Haus 1311 Archäologisch untersucht

Rekonstruierte Mauern

Spätrömischer Brückenkopf

F 1

E

lau be g

as s

Steinbauten 2. Hälfte 13. Jh.

Herren von Hohenklingen Archäologisch untersucht

Br od

s

as

zg

Steinbauten 1. Hälfte 14 Jh.

ga er Ob

ss

3a Niederhof Ökonomie um 1290 Rekonstruierte Mauern

Un

10a 3c Wasserleitung (Deuchel) Spätrömischer Brückenkopf 1113. / 1. H. 14. Jh. Stadthöfe 2. H.

as

rG de

Steinbauten 2. Hälfte 13. Jh.

s

Steinbauten 1. Hälfte 14 Jh.

Rhein

9

Rathausplatz

Stein am Rhein im 13. und 14. Jahrhundert

Oberhof

10

Archäologisch untersucht

Chretzeturm 4 Steinfels vor 1279

14 Bürgerasyl (Spital) 1381 1302 4a Steinfels 18 Grosses 1311 1279 5 Haus Lindwurm 27

24 Kirche um 1330 1265 10 Burg Augustiner

Fachwerkbauten 15. / 16. Jh. Rekonstruierte Mauern Spätrömischer Brückenkopf

17 26

J Baumgarten Obere um 1320 23Sonne Äusseres Rheintor

27

Maierisli 25 1267 Welschentor

15

Rehbock 1305

15a

Rehbock 1372

17

Fels 1417

26

Obere Sonne um 1320

27

Maierisli 1267

Steinfels 1381

3

Niederhof

5

Lindwurm 1279

3b

Niederhof Trotte

5b

Lindwurm um 1440 J

5a

Lindwurm 14. Jh.

5c

Lindwurm 1712

6

Bubenturm

10

Augustiner 1265

8

Obertor

10a

Augustiner 1404

16

Mohr / Kornhaus

11

Spittel 1477

20

Öhningertor

Rhig

ass

4a

48

Chirchhofplatz

2 21

22

Inneres Rheintor

23

Äusseres Rheintor Welschentor

B

Klausur

C

Tor, Gäste, Ökonomie

D

Friedhof

E

Badstube

Rehbock 1305

F

Badstube

15a

Rehbock 1372

G

Metzgerei

17

H

26

Fels 23 1417 24 Obere Sonne um 1320

Steinerner Trauben um 1100 (Klostervogtei?)

27

Maierisli 1267

J

Baumgarten

Kirche Klausur

C

Tor, Gäste, Ökonomie

D

Friedhof

E

Badstube

F

Badstube

G

Metzgerei

H

Steinerner Trauben um 1100 (Klostervogtei?)

J

Baumgarten

Klausur Tor, Gäste, Ökonomie Friedhof

E

Badstube

F

Badstube

G

Metzgerei

H

Steinerner Trauben um 1100 (Klostervogtei?)

J

Baumgarten

Kirche

15

B

Kirche

B

Kloster St. Georgen Teilweise archäologisch untersucht D D A

B

A

C

A

18 Grosses Haus 1311

Rhein

Kloster St. Georgen Teilweise archäologisch untersucht

D

22

A

Baumgarten

Ausgrabung Bürgerasyl 2. H. 13. bis201. H. 14. Jh.

21 Marienkapelle 1372

Abb. 75: Stein am Rhein und Burg Hohenklingen um 1890.

5c Lindwurm 1712 Kloster St. Georgen Teilweise archäologisch untersucht 2 Undertor A Kirche 10 Augustiner 1265 A Kirche Niederhof B3 Klausur B Klausur 10a Augustiner 1404 C Tor, Gäste, Ökonomie 3b Tor, Niederhof Trotte C Gäste, Ökonomie D Friedhof 11 Spittel 1477 E Badstube 5a Lindwurm 14. Jh. D Friedhof 12 Mittelbau 1515 F Badstube 6 Bubenturm G Metzgerei E Badstube 13 Ausgrabung Bürgerasyl H Steinerner Trauben um 1100 (Klostervogtei?) 2. H. 13. 1.Obertor H. 14. Jh. F8 bis Badstube

Mittelbau 1515

Wasserleitung (Deuchel) Stadthöfe 2. H. 13. / 1. H. 14. Jh.

Kloster St. Georgen Teilweise archäologisch untersucht

Lindw

Archäologisch Kloster St. Georgen

Maierisli 1267

13

Niederhof Ökonomie um 1290

25

Niede

Lindwurm um 1440 nicht untersucht Teilweise archäologisch untersucht 5a

Lindwurm 1279

Obere Sonne um 1320

12

3c

Ausgrabung Bürgerasyl 2. H. 13. bis 1. H. 14. Jh.

Niede

3b

Fels 1417

15a 24 Kirche Burg um 1330

3a

13

Unde

3

15 21 Marienkapelle 1372

Undertor

24 Kirche Burg um 1330

Archäologi nicht unter 2

Rehbock 20 1372 Öhningertor H Steinerner Trauben um 1100 (Klostervogtei?) Fels 22 1417 Inneres Rheintor

2

Mittelbau 1515

Welschentor

Rehbock 16 1305 Mohr / Kornhaus G Metzgerei

Steinfels vor 1279

12

Äusseres Rheintor

25

Steinfels 1381

15a

19 Winde 1373

Abb. 74: Übersichtsplan der Stadt Stein am Rhein mit der Bauentwicklung im 13. und 14. Jahrhundert, Stand 2010.

27

5b

23

Steinfels 1279 1267 27 vor Maierisli

15

4

14 Bürgerasyl (Spital) 1302

Öhningertor

Spittel 1477

Hexenturm 1319

C

Mohr / Kornhaus

Augustiner 1404

1

Chretzeturm

17

J

Oberstadt

Oberhof

Obertor

11

Archäologisch nicht untersucht

9

Bubenturm

10a

Bürger / Stadt Archäologisch untersucht

7

25

Obere Sonne 22umInneres 1320 Rheintor

Rehbock 1372

7

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Erweiterungen Steinbauten 2. Hälfte 14 Jh.

8

Rehbock 1305

526

Chretzeturm

Herren von Hohenklingen 25 Archäologisch untersucht

Steinbauten 1. Hälfte 14 Jh.

Lindwurm 14. Jh.

Ausgrabung Bürgerasyl 2. H. 13. bis 1. H. 14. Jh.

19 Winde 1373

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5a 6 Rehbock 1372

23

Niederhof Niederhof Trotte

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18 Grosses Haus 1311

Spätrömischer Brückenkopf

3 3b Rehbock 1305

13

Wasserleitung (Deuchel) Bürger2. /H.Stadt Stadthöfe 13. / 1. H. 14. Jh.

Oberhof

13 14 Bürgerasyl (Spital) 1302

Rekonstruierte Mauern

15a

Ausgrabung Bürgerasyl Undertor 2 2. H. 13. bis 1. H. 14. Jh.

4a 15a

3c

24 Kirche Burg um 1330

21 Marienkapelle 1372 1712 5c Lindwurm

17 Fachwerkbauten 15. / 16. Jh.

Steinbauten 2. Hälfte 13. Jh.

12

26 Mittelbau 1515

Niederhof Ökonomie um 1290

19 Winde 5b 1373 Lindwurm um 1440 7

Erweiterungen Steinbauten 2. Hälfte 14 Jh.

Stadtmauer um 1250

Augustiner 1265

Hexenturm 1319

9

1 Hexenturm 1319 Fachwerkbauten 15. / 16. Jh.

Stadtmauer um 1250

11. / 12. Jh.

Lindwurm 1712

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Erweiterungen Steinbauten 2. Hälfte 14 Jh. 11. / 12. Jh.

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nicht untersucht

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1

Stein am Rhein im 13. und 14. Jahrhundert

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Steinbauten 1. Hälfte 14 Jh.

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24 Kirche Burg um 1330

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Mittelbau Bürger / Stadt 12 Archäologisch untersucht

Herren von Hohenklingen

Archäologisch untersucht 21 Marienkapelle 1372

6

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16

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Welsc


Stadtmauern Am Ausfluss des Bodensees schmiegen sich die Stadtmauern in einem Halbkreis ans Rheinufer, so wie bei anderen am Wasser gelegenen Städten auch, aber selten sind sie noch so anmutig erhalten (Abb. 76). Im Osten beziehen sie die vorstädtische Siedlung mit dem Kloster St. Georgen und der Leutkirche St. Nikolaus mit ein, nach Westen werden aber auch grosse, weitgehend freie Flächen ummauert. Damit beträgt die Gesamtfläche der Altstadt 5,7 ha, was knapp 1/4 der Fläche der damaligen Stadt Schaffhausen entspricht. Das wenig später errichtete Städtchen Neunkirch umfasste 3,6 ha. Stadtmauer und Brücke spie-­​ geln einen einzigen, zusammenhängenden stadtplanerischen Wurf. Die Realisierung war ein Gemeinschaftswerk vom Abt als Grundbesitzer, vom Vogt von Hohenklingen und den Stadtbürgern. Auf Grund der Schriftquellen datiert die Brücke, eine Neuauflage der ehemaligen römischen Rheinbrücke, in die Zeit nach 1250. Nach den Dendrodatierungen waren bereits um 1265 (weite?) Teile der Ringmauer fertig. Ältes­ te, an die Stadtmauer anschliessende Steinhäuser sind der Augustiner und das Maierisli an der Obergass 18/16 aus den Jahren 1265/1267 und die beiden Stadthöfe der Hohenklingen, der Ökonomieteil des Niederhofes um 1290 und das Grosse Haus 1311. Nach den Schriftquellen waren 1270 die definitiven Grenzen des oppidums, des befes­ tigten Ortes, offenbar noch unklar, wie Streitereien um zu entrichtende Grundzinsen zeigen.133

Erst im Zuge des Ausbaus der Befestigung kam 1319 der Hexenturm hinzu (Abb. 73 und 74). Wie lange dauerten die Arbeiten? Für die Burg, mit ihrer 170 m langen Ringmauer, Palas und vermutlich einem etwa 15 m hohen Turm, sind es, wie erwähnt, etwa elf Jahre. Zwar ist die vorerst turmlose Stadtmauer mit 940 m Länge fünfeinhalb mal so lang wie die Ringmauer; unter Berücksichtigung von deren Turm und Palas war der Aufwand aber nur etwa drei- bis dreieinhalbmal höher. Ihre Errichtung erfolgte zudem in deutlich einfacherem Gelände, und es kommt hinzu, dass sich durch die Beteiligung der Stadtbürger ganz andere personelle Ressourcen einsetzen liessen. Folglich dürfte die Stadtmauer wohl in einem bis höchstens zwei Jahrzehnten entstanden sein. Verschiedene Einzeluntersuchungen zeigen, dass die Wehrmauer, wie etwa in Neunkirch, grundsätzlich in einem Zug gebaut wird. Natürlich sind, wie auch auf der Burg, einzelne Bauetappen möglich. Wohnhäuser, aber auch Befestigungstürme, kommen nachträglich hinzu, wie dies auch in Schaffhausen oder an anderen Orten nachgewiesen ist.134 Das Bollensteinmauerwerk weist immer auch Lagen in opus spicatum auf, wie es in Schaffhausen und Stein am Rhein im 12. und bis deutlich über die Mitte des 13. Jahrhunderts üblich war. Die Mauerstärke beträgt meistens bescheidene 0,9–1 m, im Gegensatz zur meistens 1,1 m dicken Ringmauer auf Hohenklingen oder den 1,2 m starken Mauern der späteren Stadthöfe.135 Im Kloster St. Georgen sind die früher weiter landeinwärts gelegene Südmauer sowie

Abb. 76: Stein am Rhein mit seinen anmutig erhaltenen Stadtmauern. Sie schmiegen sich am Ausfluss des Untersees in einem Halbkreis ans Rheinufer.

49


Abb. 77: Hexenturm von 1319 mit Ansatz der Stadtmauer und Hohlziegeldach von 1471.

Abb. 78: Chretzenturm. Westanschluss des Turmes (2) an die ältere Stadtmauer (1), deren Aussenschale zum besseren Mauerverband entfernt wurde. Später ist die innere Mauerschale der Stadtmauer erneuert worden (3). Abb. 79: Hexenturm, Grundriss und Schnitt mit dem originalen Baubestand von 1319 (grün) und den Umbauten wahrscheinlich der Zeit um 1470 (rot). M. 1:200.

die Südwestecke, das Haus Rosenegg an der Rhigass 7, untersucht worden. Dort liess sich feststellen, dass die Stadt- bzw. Klostermauer gegen den Rhein hin 0,9 m, gegen die Westseite zur Stadt hin aber 1,2 m breit ist.136 Wie sich beim Chretzenturm beobachten liess, ist die Stadtmauer in einer ersten Etappe auf 5 m hochgezogen worden und später, entsprechend auch den Befunden in Schaffhausen, auf etwa 8–13 m erhöht worden. Vorgelagert war ein 12– 14 m breiter Graben, der heute durch die Gartenparzellen optisch noch weitgehend nachvollzogen werden kann. Davon bilden, wie in Neunkirch, die inneren 5 m eine Berme, die später zu einem Zwinger umgebaut wurde! Zu den Stadttoren liegt noch wenig Verwertbares vor. Es scheint, dass drei hölzerne Brücken die Gräben überquerten, die jeweils innen und aussen mit einem Turm gesichert wurden. Einzig vom Turm des äusseren Öhningertores ist 1,3 m starkes Mauerwerk belegt.137

3

2

Zelle Balkennegativ Wehrgang

1

Negativ Zelle ursprünglicher Balken N-S

Balkennegativ Wehrgang

Negativ ursprünglicher Balken N-S

Abb. 80: Hexenturm, Wehrplattform. Im späten 15. oder 16. Jh. treten Maulscharten an die Stelle der Zinnenöffnungen.

Einstieg Zelle

Einstieg Folterwinde 1463 Zelle

0

1

5

Folterwinde 1463

0

50

1

5


Hexenturm von 1319 Türme werden im Hochmittelalter oft nachträglich an die gleichzeitig erhöhten Stadtmauern angefügt. Nachgewiesen ist dies z.B. in Stein am Rhein beim Chretzenturm, einem halbrunden Schalenturm (Abb. 78 und 97).138 Ein weiterer Halbschalenturm, der abgegangene Bubenturm, und drei Tortürme verstärken die Landseite in regelmässigen Abständen von 75–90 m. Hinzu kommt der quadratische Hexenturm, der südwestliche Eckturm der Stadtbefestigung. Ob er ein Pendant im Bereich des Klosters St. Georgen besass, wissen wir nicht. Er weist Mauerstärken von 1,1 m bzw. stadtaussenseitig 1,3 m auf, zeigt bossierte Eckquader mit flachen Buckeln, Randschlag und Megalithmauerwerk, wie es sich auch am Chretzenturm wieder findet (Abb. 77). Über dem fensterlosen Turmschaft liegt auf halber Turmhöhe der nordseitige Eingang (Abb. 79). Er korrespondiert mit der Lage des Wehrganges entlang der zinnenbekrönten, innenseitig etwa 8 m hohen Wehrmauer. Das Türgewände aus Sandstein ist unprofiliert, mit flachem Sturz (82 x 190 cm). Auf den übrigen drei Seiten sind Schiessnischen eingelassen, die eine je 95 cm hohe bzw. südseitig nur halb so hohe Scharte aufweisen. Die Wehrplattform schliessen meterbreite und doppelt so hohe Zinnen ab, die durch mauerdurchstossende Löcher die Plattform entwässern. Dies ist ein Hinweis, dass auch hier, wie am neuen Turm auf Hohenklingen, ursprünglich kein Dach vorhanden war. Starke Brandrötungen im zweiten Obergeschoss und an den Zinnen der Wehrplattform stammen von einem Feuer, welches die Bauhölzer weitgehend zerstörte. Nur im Eingangsgeschoss, in der südseitigen Schartennische, blieben zwei eichene Sturzbalken in originalem Mauerverband erhalten. Sie sind im Sommer 1319 geschlagen worden und datieren die Erbauung des Turmes.140 Zwei weitere Hölzer, von denen eines 1367 datiert, wurden als Ersatz von verbrannten Holzstürzen eingebaut. Entweder datieren sie den Brand oder sie sind älter und wieder verwendet. Die Stadthöfe der Herren von Hohenklingen Neben ihrer Burg besassen die Herren von Hohenklingen vier Stadthöfe. In den verschiedenen Schriftquellen zu diesem Thema, die 1338 einsetzen und bis ins frühe 16. Jahrhundert reichen, werden neben den Höfen und dem Mor, dem am Kirchhof gelegenen Kornhaus der Hohenklingen, genannt: (Ross-)Ställe, (Heu-)Scheunen, Werkhäuser, Trotte und Taubenhaus sowie ausserhalb der Stadtmauer eine weitere Trotte, Hirschgehege im Stadtgraben, Kraut-, Wein- und Baumgär-

Dendrodatierung Hexenturm.139 Ort

Datierung (WK= Waldkante)

Anzahl Splintjahre (Eiche)

1. Obergeschoss (Eingangsgeschoss), 1319 WK (2x) 14, 20 Scharte Süd, Sturz 1. Obergeschoss (Eingangsgeschoss), Scharten West und Ost, 1323, 1367 WK (?) –, 21 Sturzbalken, Ersatz, wiederverwendet?

ten, Wiesen und (Fisch-)Weiher.141 Begehungen und Datierungen (Abb. 73 und 74) machten deutlich, dass von diesen Stadthöfen noch bedeutende Teile existieren und bereits kurz nach dem Bau der Stadtmauer entstanden sind. Erhalten blieben der um 1290 entstandene Ökonomieteil des Niederhofes und vor allem das Grosse Haus von 1311, mit einer Wohnfläche, die zwei Dritteln der ganzen Burg Hohenklingen entspricht (Tabelle, S. 52). Diese Höfe muss man zweifellos als Teil eines städtischen Gesamtkonzeptes sehen. Sie liegen jeweils prominent in der Nähe der Stadttore, dehnten sich mit ihren Ökonomiegebäuden grossflächig entlang der Stadtmauern aus. Die in den Quellen erscheinende Bezeichnung «Schloss Stein» bezeichnet Aarburg-/ Oberhof, Niederhof mit der gesamten, dazwischen liegenden Fläche, die wohl gegen das Stadtinnere durch eine Hofmauer abgetrennt war und einen eigenen Rechtsbezirk bildete.142 Einzig der jüngste Hof, das Grosse Haus von 1311, scheint gegen das Öhningertor «hineingedrückt» in die alte vorstädtische Siedlung. Hinzu kommt hier 1373 als Anbau oder Erweiterung das komplett erhaltene Haus zur Winde (Abb. 74). Aarburg-/Oberhof, Fronhof 4, zweite Hälfte 13. Jahrhundert Er besteht nach den Schriftquellen aus zwei Gebäuden und wird 1419 erstmals im Besitz von Walter VII. von Hohenklingen erwähnt.143 Zum erst 1887 abgebrochenen, mindestens viergeschossigen Wohnturm kommt offenbar später ein weiteres Gebäude hinzu, das leider nicht mehr lokalisiert werden kann. Vielleicht stehen damit sandsteinerne Schiessscharten, sogenannte Schlitzscharten, im Zusammenhang, die sich westlich des ehemaligen Bubenturms in der Stadtmauer am Fronhof 18–24 zeigen. Sie entsprechen den Scharten von 1393 in der östlichen Schildmauer von Hohenklingen. Der ehemalige Wohnturm, mit Seitenlängen von 9–10 m, dürfte nach der Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden sein. Seine Dimensionen entsprechen sowohl dem ehemaligen Niederhof als auch dem alten Turm auf Hohenklingen. Während die Nord- (Stadtmauer) und Westseite (Brandmauer) erhalten sind, hat man die Süd- und Ost51


Abb. 81: Obertor mit Aarburg-/Oberhof (Pulverturm) vor 1887.

Grundflächen von Burg und Stadthöfen der Herren von Hohenklingen im 13./14. Jahrhundert. Aarburg-/Oberhof Burg Hohenklingen Niederhof (GB=Grundbuchnummer) Palas

203 m2

W-Hof, Mittelbau, Osthof ohne neuer Turm

546 m2

Neuer Turm

94 m2

GB 102 W Wohnhaus

75 m2

GB102 M+O Ökonomie

135 m2

Neubau Ost Ökonomie

56

m2

GB 92 Turm ursprünglich nur dieses Grundstück?

GB 91 östl. Grundstück Ökonomie?

Grosses Haus/Winde GB 72 127 m2 Grosses Haus

153 m2

124 m2 GB 71 Winde

76 m2

Zwinger

133 m2

Alter Turm

140 m2 (ohne Westmauer inkl. Zwingerabschnitt)

Total Stadthöfe

Total Hohenklingen

1120 m2

GB 71/72 GB 102 266 m2 GB 91/92 251 m2 ohne Ökonomit Ökonomie mit oder ohne Ökonomie? mie

229 m2

Grundfläche Burg Hohenklingen Grundfläche aller drei Stadthöfe mit unvollständigen Ökonomieteilen (Wohnen, Ökonomie, Höfe, Zwinger) total 1120 m2 zusammen total 746 m2 bis 1250; nach 1250 noch 980 m2 Wohn-/Nutzflächenentwicklung der Herren von Hohenklingen im 13./14. Jahrhundert. Vollgeschosse ohne Keller. Ökonomiebauten sind nicht berücksichtigt. Ort

Burg Hohenklingen

Dendrodatierung Geschossfläche (*= Archäologische Geschosse (innen) in m2 Datierung) Um 1230* 2–3? 56 1219 3 64

Zwischentotal (inkl. Erdgeschoss, ohne Keller) in m2 112–168 192

1219– ca.1226

1

127

127

1254

4

26

Palas-Ost

1255/68

3

62 (–18 Luftraum Küche 2. Obergeschoss)

104

Neuer Mittelbau

1401

1

Nach Mitte 13. Jh.* 1286 1311 1373

4 3–4 4 4

130 2. Obergeschoss 159 (–104, nicht mehr 646 (+29 Küche 1. Obergeschoss) bewohnter neuer Turm)

Gebäude Alter Turm Palas-West Palas-Alter Obergaden Neuer Turm

Aarburg-/Oberhof Stadthöfe der Niederhof Hohenklingener in Stein am Rhein Grosses Haus Winde

52

54 52 100 51

168

216 156–208 400 204

Total m2 431–487

591

216 156–208 400 604


mauer bis auf das Strassenniveau abgebrochen, so dass nur noch der 2,1m hohe Halbkeller erhalten blieb.144 Wie beim Grossen Haus und der Winde lässt sich beobachten, dass die Gebäudemauern etwa 1,2 m stark sind, die Stadtmauerseite aber nur rund 1 m. Zur Speisung eines eigenen Brunnens besass der Hof eine Brunnenstube beim oberen Tor.145 Johann Rudolf Rahn konnte 1889 den Turm noch als Zeitzeuge beschreiben (Abb. 81): «Ein vier­ eckiger Bau von schweren Verhältnissen, mit Zeltdach bedeckt. Der ca. mannshohe Sockel ist aus grossen Kieseln, erbaut. Die Ecken sind mit Quadern geblendet, die Kanten sorgfältig bearbeitet, die Spiegel flach gebuckelt (wie beim neuen Turm auf Hohenklingen von 1250/51–54). An der Ostseite findet sich eine ziemlich hoch gelegene (jetzt vermauerte Rundbogentüre) unter welcher– a niveau mit der Gasse – ein moderner Eingang angebracht worden ist. Die Mauerstärke zu ebener Erde beträgt S. m. 1,15, O. 1,07. Der erste Stock war ein grosser Saal von m. 7,28 N-S Br.; 7,45 Tiefe. In der Mitte der N.-Wand befand sich ein Kamin, daneben ein Flachbogenfenster. Die O.-Seite ist mit einer Gruppe von viereckigen Fenstern geöffnet, der goth. profilierte Flachbogen, der sie bekrönt, ist mit einem viereckigen, einfach formatierten Mittelpfeiler abgestützt. An der O.- und W.-Wand befinden sich mehrere, kleine spitzgiebelige Nischen».146 Nach 1457 tagte eine Zeit lang der Kleinrat von Stein am Rhein, das Machtzentrum der Stadt, im grossen Saal, ganz in hohenklingischer Tradition. Im 17. Jahrhundert führte die Umnutzung als Lager zum neuen Namen Pulverturm, während im 18. und 19. Jahrhundert hier das Gefängnis untergebracht war.147

desmuseum aufbewahrt wird. Rahn beschreibt 1889 diesen Raum wie folgt: «Der Saal nimmt die ganze Tiefe des 3. Stockes ein; er ist N-S 7, 60 m tief: 6,70 m breit, O mit einer dreiteiligen, in der Mitte überhöhten Fenstergruppe, W mit 2 Doppelfenstern geöffnet». Die Decke entstammt einer grossen Umbauphase von 1519 und zeigt die Wappen der damaligen Besitzer Junker Wilhelm Peyer von Freudenfels und seiner Gattin Elisbeth Blarer von Wartensee, Eigentümer der Herrschaft Freudenfels-Eschenz.149 Ökonomieteil: Überraschenderweise blieb das östlich angebaute, langschmale Gebäude erhalten. Es ist 6 bis 7,5 m breit und 19 m lang (Abb. 83).150 Im westlichen Teil des Erdgeschosses liegt die originale Balkendecke frei. Fünf auffallend

Abb. 82: Niederhof um 1290. Der Wohnteil des Hohenklingischen Hofes wurde bei der Bombardierung von 1945 zusammen mit dem rechts anschliessenden Untertor zerstört und danach neu aufgebaut.

Abb. 83: Niederhof um 1290, Ökonomieteil. Ansicht von der Fronhofgasse.

Niederhof, Fronhofgass 1/3, um 1290 Der auch Unterhof oder heute Mittlerer Hof genannte Gebäudekomplex wird ebenfalls erstmals in der Urkunde von 1419 im Besitz von Ulrich IX. von Hohenklingen erwähnt. Dazu gehörte auch eine eigene Trotte vis à vis, an deren Stelle wohl nach dem Stadtbrand von 1471 die Stadtfärbi, auch Chupferberg genannt, entstand.148 Wohnteil: Er schliesst nordseitig direkt an das 1367 erstmals genannte Untertor an und besitzt die gleiche Wohnfläche wie der Wohnturm des Aarburg-/Oberhofes (Tabelle S. 52). Bei der Bombardierung von 1945 wurde er zusammen mit dem Untertor zerstört und danach neu aufgebaut (Abb. 82). Erhalten blieb von seiner repräsentativen Ausstattung einzig eine jüngere Kassettendecke, die im Schweizerischen Lan­

Dendrodatierung Niederhof, Fronhofgass 1/3.151 Ort Erdgeschoss, Deckenbalken Erdgeschoss, Tor

Datierung (WK= Waldkante)

Anzahl Holzart Splintjahre

1270 – 1285 WK (?), 1286 WK (?) –

Weisstanne Fichte Eiche

53


Abb. 84: Niederhof um 1290, Ökonomieteil. Die auffallend starken Deckenbalken aus Nadelholz liegen auf den für Stein am Rhein typischen, fassadenparallelen Streifbalken mit Bollensteinkonsolen auf.

Abb. 85: Grosses Haus von 1311. Mit gut 21 m Giebelhöhe und einer damals aussergewöhnlichen Viergeschossigkeit über­ ragt es noch heute alle Häuser entlang der Stadtmauern.

54

starke, um 35 cm breite und mit nur etwa 60 cm Abstand verlegte Deckenbalken liegen auf den für Stein am Rhein typischen, fassadenparallelen Streifbalken mit Bollensteinkonsolen auf, die später zum Teil durch Kalksteinkonsolen erneuert worden sind (Abb. 84). Vier dieser Nadelholzbalken sind dendrochronologisch untersucht worden, drei davon wurden datiert, zwei davon besitzen unsichere Waldkanten in den Jahren 1285 bzw. 1286. Das Baujahr dürfte also um 1290 liegen. Die grossen Balkenquerschnitte und die kleinen Balkenabstände deuten auf die Nutzung für schwere Lasten hin. Das heute 0,6 m, ursprünglich aber kaum eingetiefte152 Erdgeschoss besitzt eine Stockwerkshöhe von 3 m, die beiden Obergeschosse noch je 2,8 m. Wie die Stadtmauer ist hier auch das übrige Mauerwerk 90 cm stark. Je zwei original erhaltene Schartenfenster gegen die heutige Fronhofgass im Erdgeschoss und zweiten Obergeschoss entsprechen mit ihren feinen Fasen genau den Giebelfenstern im Dach des Grossen Hauses von 1311 und unterstreichen die Nutzung als Ökonomiegebäude. Das markante, mittige und zweiflüglige Tor mit dem eichenen Flachbogensturz153 nimmt wohl die Stelle eines originalen Vorgängers ein, während das dritte, in Fachwerk gebaute Obergeschoss zusammen mit dem liegenden Dachstuhl aus der Neuzeit stammt.


Das Gebäude wird erstmals 1338 im Besitz von Walter III. von Hohenklingen erwähnt. Sein ursprünglicher Name leitet sich von seinen ungewöhnlichen Dimensionen ab. Mit gut 21 m Giebelhöhe, mit damals aussergewöhnlichen drei Obergeschossen, überragt es noch heute alle Häuser entlang der Stadtmauern. Von Osten, vom Öhningertor her, ist es mit seinen zwei Treppengiebeln und der Nordostecke, die mit Buckelquaderverband aus der Stadtmauer hervortritt, ein markanter Blickfang (Abb. 85 und 87). Sicher gehören zu diesem Stadthof weitere Ökonomiegebäude, die aber in den Schriftquellen nicht fassbar sind, sieht man vom «Mor», dem hohenklingischen Kornhaus und Keller am Kirchhof, an der Stelle des späteren Rathauses von 1542, ab.154 Von den zugänglichen Hölzern sind neun Proben entnommen worden. Datieren liessen sich nur zwei Weisstannenbalken. Sie stammen immerhin von zwei Orten, vom ersten Obergeschoss und vom Dach und besitzen eine sichere Waldkante Herbst/Winter 1310/11 und eine unsichere Waldkante 1311. Die Erbauung des Grossen Hauses kann damit ins Jahr 1311, vielleicht 1312 oder 1313 datiert werden. 1443–1458 wurde das Grosse Haus durch Junker Otto von Hochmessinger, bischöflich konstanzischer Vogt, bewohnt. Ab 1648 gelangte es in Stadtbesitz und blieb bis 1873 Wohnhaus des jeweiligen Stadtschreibers, weshalb es zum jüngeren Namen «Kanzlei» kam.

Dendrodatierung Grosses Haus, Obergass 8.155 Datierung Ort (WK= Waldkante) 1. Obergeschoss, Deckenbalken 1310/11 WK, Dachgeschoss, Ständer 1311 WK (?)

Anzahl Holzart Splintjahre – Weisstanne – Weisstanne Abb. 86: Grosses Haus von 1311, Dachstuhl. Westgiebel mit originalem Dachständer und Negativen von Fuss- und Kopfbändern.

Abb. 87: Grosses Haus von 1311. Um es markant aus der Stadtmauer hervortreten zu lassen, ist die Stadtmauer im Bereich des späteren Nachbarhauses zur Winde auf Bodenhöhe abgebrochen und darüber zurückversetzt worden. Abb. 88: Grosses Haus. Querschnitt mit dem erhaltenen Baubestand von 1311 (grün). M. 1:200.

Sparen alle neu

Dachstuhl stark verrust

60

Grosses Haus, Obergass 8, 1311

Dachstock

DG

3.OG 3.OG

2.OG 2.OG ?

Stadt aussen

?

Stadt innen

1.OG Ehemalige Bohlenstube

(Bohlenstube)

1.OG

EG EG

UG

Bollen

Keller

55


ten und dritten Obergeschoss sind die Balkenlagen nicht sichtbar und teilweise durch neuzeitliche Kassettendecken verdeckt. Hingegen ist der mächtige, stehende und rauchgeschwärzte Dachstuhl weitgehend original. Er ist das bislang ältes­ te Dach im Kanton Schaffhausen. Er weist fünf Querbinder auf und ist geschossweise abgezimmert. Fuss- und Kopfbänder sind später entfernt worden und bis auf eine Ausnahme sind die Rafen neu (Abb. 86).

Abb. 89: Grosses Haus von 1311, 1. Obergeschoss. Originale Decke aus Nadelholzbalken und eichenem Unterzug auf der Ostseite, mit Nuten von Wandtäfer und Bretterdecke.

Äusseres: Trotz der verschiedenen Umbauten, die vor allem die stadtinnenseitige Fassade stark entstellten (letzte Renovation 1981–84), besitzt das Gebäude sehr viel Originalsubstanz.156 Dazu gehören die 1,2 m aus der Stadtmauer hervortretende Nordostecke mit einem Buckelquader­ verband, deren Anlage offensichtlich zum Teil-­ abbruch der Stadtmauer führte (Abb. 87).157 Über dem viergeschossigen Baukörper mit Stock­ werkshöhen von 3–3,3 m, erheben sich gestelzte Treppengiebel, welche den 50˚ steilen Dachstuhl überragen und je ein Giebelfenster zeigen (Abb. 86 und 88). Es sind identische Sandsteinscharten mit feiner Schrägfase wie jene beim Niederhof. Wie beim Aarburg-/Oberhof und bei der Winde ist das Bollensteinmauerwerk auf drei Seiten mit 1,2 m leicht stärker ausgeführt als die Stadtmauer. Diese Mauerverstärkung ist kennzeichnend für Bauten des Adels in unseren Städten.158 Mit 13 m ist das Gebäude zwar genau so breit wie der Palas-Ost auf Hohenklingen, aber mit 11,7 m deutlich tiefer als dessen 7,9 m. Damit besitzt alleine das Grosse Haus zwei Drittel der Wohnfläche der gesamten Burg Hohenklingen. Inneres: Auch innen ist alte Substanz sichtbar, so der nur in der Nordhälfte vorhandene, gedrungene Halbkeller mit einer Höhe von 1,9 m.159 Im ersten Obergeschoss, in der Osthälfte, ist eine West-Ost gespannte Balkenlage mit zehn mächtigen Rundhölzern vorhanden, die verschiedene Flössermarken aufweisen, Eigentümermarken der Lieferanten.160 Zugehörig ist sicher das ostseitige Auflager, ein eichener Unterzug mit zwei Nuten des Wandtäfers und der Bretterdecke (Abb. 89). Die Balkenlage ruht im Nordabschnitt der Westseite auf einem nutenlosen Eichenunterzug, auf dem zusätzlich zwei teilweise verkohlte, nach Westen laufende Balken aufliegen. Seine Zeitstellung ist unklar, genauso wie eine Raumteilung im südlichen Drittel, markiert durch Staketenlöcher in zwei aufeinander folgenden Balken. Im zwei-

56

Rekonstruktion: Einen guten Eindruck der mittelalterlichen Raumnutzung und Ausstattung können wir anhand des recht gut erhaltenen Ost­ flügels des Unterhofs im nahen Diessenhofen gewinnen. Er entstand 1278 und besteht aus zwei zusammengebauten, aber jeweils nur zweigeschossigen Baukörpern, die mit ca. 450 m2 Wohnfläche eine ähnliche Nutzfläche aufweisen wie das viergeschossige Grosse Haus (Tabelle S. 52). Folglich lassen sich die hälftig hintereinander angelegten Raumfunktionen von Diessenhofen für Stein am Rhein übereinander gestapelt rekonstruieren. Demnach können wir uns das Erdgeschoss als offene, zweischiffige Eingangshalle vorstellen, von schmalen Scharten belichtet, mit einer offenen Feuerstelle und zusätzlich als Stall oder Lager genutzt, mit einem Zugang zum Keller. Die Grundrissdisposition für die drei Obergeschosse kann jeweils ähnlich sein: Eine Binnenmauer trennt über die ganze Haustiefe Treppenhaus und Flur mit Herdstelle und Küche von der geheizten, rauchfreien Stube mit Ofen ab. Sehr modern wirkt die Erschliessung mit Binnentreppen. Dies ist ein deutlicher Gegensatz zum städtischen Hausbau im süddeutschen und nordschweizerischen Raum, der bis ins Spätmittelalter Lauben und Aussentreppen aufweist. Repräsentative Räume, zu denen ein Serviceraum gehören kann, werden von Spitzbogenscharten in Dreiergruppen belichtet, die grau gefasst sind.161 Die Ausstattung der Stube besteht im Unterhof aus einem Bretterboden auf Mörtelestrich, vertäferten Wänden und horizontalen, tragenden Sichtbalkendecken mit kreisrunden Verdickungen in der Mitte und an den Enden und mit quer eingenuteten Brettchen. Eine weitere Möglichkeit zur Gestaltung repräsentativer Räume sind Bretterdecken und Architektur-Wandmalereien, wie wir sie vom danebenliegenden Haus zur Winde und aus dem Palas vom Hohenklingen kennen. Das zweigeschossige Dach schliesslich dient als Speicher.162


Ittinger Haus (Haus zur Winde), Obergass 6, 1373 Der Anbau oder die Erweiterung des Grossen Hauses von 1373 nach Osten, und ebenfalls an die Stadtmauer angebaut, scheint ebenfalls hohenklingischen Ursprungs zu sein. Er entspricht den übrigen Stadthöfen durch die gleiche, überbreite Mauerstärke und die Viergeschossigkeit. Die Wohnfläche beträgt genau die Hälfte jener des Grossen Hauses (Tabelle S. 52). Verbindungstüren sind keine vorhanden, könnten aber allenfalls unter den Verputzen noch verborgen sein. 1448 wird das Gebäude erstmals im Besitz des prominenten Steiners Bettenhofer erwähnt. Der Name «Ittinger Hus» erscheint 1463.163 Das Gebäude wurde 2008 unter weitgehender Belassung des Verputzes sanft saniert.164 Umbau der Stadtmauer: Wie bereits erwähnt führte der Neubau des Grossen Hauses offensichtlich zum Teilabbruch der Stadtmauer, mindestens im Bereich seiner aus der Stadtmauer hervortretenden Nordostecke. Diese wichtige Beobachtung liess sich beim Auswechseln der nordseitigen Bodenbretter im Erdgeschoss des Hauses zur Winde machen. Die Stadtmauer verläuft innenseitig im Keller und Erdgeschoss nicht para­ llel: In der Nordostecke beträgt die Differenz 45 cm, 2 m westlich davon noch 25 cm und erst im letzten Drittel scheint die allerdings ausgebauchte Mauer parallel zu verlaufen. Dort darüber im ers­ten Obergeschoss zeigt sich zudem auf einem kleinen Stück, dass die Winde, bzw. die Stadtmauer sekundär an den Aussen(?)putz des Grossen Hauses anschliesst. Dies kann nur so interpretiert werden, dass die Stadtmauer bereits 1311 beim Bau des Grossen Hauses, zum Teil ganz, zum Teil bodeneben abgebrochen wurde. Man hat offenbar zuerst die Nordostecke des Grossen Hauses vom Kellerboden neu aufgemauert und dann auch die Stadtmauer im Bereich des späteren Hauses zur Winde ab Erdgeschossniveau neu hochgezogen. Die Mauerstärke beträgt unten 1,10 m, verjüngt sich bis OK Erdgeschoss auf 0,9 m, bzw. auf nur noch 0,75 m ab dem zweiten Obergeschoss. Die neu zurückversetzte Mauer lässt das Grosse Haus markant aus der Stadtmauer hervortreten (Abb. 87 und 91). Ein bedeutender Eingriff der auch zeigt, dass die Hohenklingener keine Kompromisse in der architektonischen Ausstrahlung ihrer Bauten eingegangen sind. Äusseres: Das Haus zur Winde ist eine klassische, spätgotische Konstruktion aus einem Guss, die vom Keller bis zum Dachfirst erhalten ist. Das Bollensteinmauerwerk ist südseitig mit 1,2 m Dicke am stärksten ausgeführt und verjüngt sich bis

Abb. 90: Haus zur Winde von 1373 im Vordergrund. Dahinter anschliessend das Grosse Haus, dem man sein hohes Alter von der Stadtinnenseite nicht mehr ansieht.

Dendrodatierung Haus zur Winde, Obergass 6.165

Keller, Stud und Deckenbalken

Datierung (WK= Waldkante)

1357 (2x)

Anzahl Holzart Splintjahre –

Eiche

Erdgeschoss, Deckenbalken

1370/71 WK

Weisstanne

1. Obergeschoss, Deckenbalken 1371/72 WK

Weisstanne

2. Obergeschoss, Streifbalken

1371/72 WK

Weisstanne

Dachgeschoss, Dachstuhl

1367, 1371/72 WK, 1372/73 WK (2x)

Weisstanne

Ort

57


2

ins dritte Obergeschoss auf 0,9 m. Die originale Fenstereinteilung zeigt sich, klassisch abgestuft vom ersten bis dritten Obergeschoss, in der Südfassade: zwei Dreierfenster im ersten Obergeschoss mit verschalter (entfernter?) Innensäule und einem Fenster in der Ostfassade mit Blick hin zum Obertor, zwei Zweierfenster im zweiten Obergeschoss und drei Pfostenfenster im dritten Obergeschoss, wobei hier unklar ist, ob das mittlere original ist. Die Sandsteingewände zeigen eine tiefe Hohlkehle.166

1

Abb. 91: Haus zur Winde von 1373. Die Stadtmauer (1) weist auf Höhe Erdgeschossboden einen Absatz auf (2), der von ihrem teilweisen Abbruch und der Korrektur von 1311 stammt, im Zusammenhang mit dem Bau des Grossen Hauses. Abb. 92: Haus zur Winde von 1373. Geduckter Halbkeller gegen die Stadtmauer.

DG

3. OG Bretterdecke Ehemalige Bohlenwand

2. OG

Jüngere Stadtmauer

1. OG

Abb. 93: Haus zur Winde. Obergass 6, Querschnitt mit dem erhaltenen Baubestand von 1373 (braun), M. 1:200.

58

EG

Ältere Stadtmauer UG

Inneres: Die Stockwerkhöhe beträgt 2,7 m, abgesehen vom Halbkeller mit 1,9 m, wo ein acht­ eckiger Stud mit Einhalsung und Zimmermannszeichen vorhanden ist (Abb. 92). Acht bzw. neun Nord-Süd gespannte Balken bilden die Decken (Abb. 93). Sie liegen auf Streifbalken, die von vier bis fünf aus der Wand kragenden, grossen Bollensteinen getragen werden. West-Ost gespannte Mittelunterzüge waren ursprünglich wohl in allen Geschossen raumtrennend. Sie bestehen wie die Kellerdecke aus Eichenholz, die übrigen Balken aus Weisstanne. Den Boden bilden Bohlenbretter von 3,5–4 cm Dicke und 45– 50 cm Breite, die rechtwinklig zu den Balken mit Holznägeln befestigt sind. Auch der 42˚ geneigte, stehende und rauchgeschwärzte Pfettendachstuhl ist original und verdeckt teilweise die erwähnte Scharte im Ostgiebel des Grossen Hauses. Er weist drei Querbinder mit durchgehenden Firstsäulen auf. Nur die rafenparallelen Steigbänder und einzelne Fuss- und Kopfbänder wurden im Laufe der Zeit zur besseren Nutzung des Dachraumes entfernt (Abb. 94). Dreizehn Hölzer vom Keller bis zum Dachfirst wurden dendrochronologisch gemessen und neun davon sind datiert. Vom Innenausbau ist wenig vorhanden. Allfällige Malereien wären unter den bestehenden Verputzen verborgen. Es spricht nichts dagegen, dass die ursprüngliche Erschliessung wie heute in der Nordostecke lag. Denkbar ist dort ursprünglich auch eine äussere Laube. Zu den Raumfunktionen ist zu bemerken, dass strassenseitig sicher beheizte Wohnräume lagen, je eine Nische in der Nordwestecke der Stube im ersten und zweiten Obergeschoss, in der Ostmauer des Grossen Hauses stammt von einem Ofen, der von dahinter liegenden Küchen befeuert wurde. Als Prunkstück blieb in der 6,1 m x 3,95 m grossen Stube im zweiten Obergeschoss eine herrschaftliche Bretterdecke komplett erhalten (Abb. 95). Die Fugen der schmalen Bretter weisen einfache Deckleisten auf, die angenagelt sind. Die Nagelköpfe sind umgeschlagen und überdeckt durch grosse Ziernägel.167 Eine entsprechende Decke ist mir bislang nur aus dem Unterhof in Diessenhofen bekannt. Sie ist dort in das Jahr 1318 datiert und ziert das Erdgeschoss des Palas!168 West- und ost-


seitig sind kleine Streifbalken vorhanden, deren Nuten auf ein ehemaliges Täfer hindeuten. Nordseitig sind unter dem Mittelunterzug kleinere Reste von 8 cm dicken Wandbohlen vorhanden, zusammen mit dem westlichen Türpfosten der ehemaligen Stubentüre, der innenseitig eine Hohlkehle aufweist. Stadthäuser und Infrastruktur Auch im Stadtinnern kann erstmals die Entwicklung zur Zeit der Freiherren von Hohenklingen skizziert werden. Der Bau von Steinhäusern beginnt in den Jahren um 1250. Es sind vorerst freistehende Einzelbauten, die sich nicht vom Mittelbau auf Hohenklingen unterscheiden. Bis im späteren 14. und 15. Jahrhundert wachsen diese Kernbauten zu den heutigen, geschlossenen Gassenfronten zusammen. Das in den Quellen ersterwähnte Stadthaus eines Bürgers ist der Neubau Martin Ebinröts an der Rhygass von 1255, für den er vom Kloster einen Bauplatz am Rhein erhielt und Land im Baumgarten kaufen konnte, damit die Strasse nicht enger werde als oben beim Hospiz des Schultheissen.169 Die Hauptstrasse besteht aus periodisch erneuerten, qualitätvollen Kies­ koffern (Abb. 96). Baugeschichtlich untersucht sind bislang in der nordöstlichen Stadthälfte die Häuser zum Augustiner und zum Maierisli an der Obergass 18/16 aus den Jahren 1265/1267 sowie das Haus zum Rehbock um1305 an der Oberstadt. In der nordwestlichen Stadthälfte ist es das Haus zur oberen Sonne an der Brodlaubengass 15, ein auf zwei Seiten noch freistehender Kernbau aus dem Jahre 1320, während der 1279 erbaute Lindwurm-West bislang ältestes dendrodatiertes Haus an der Hauptstrasse ist (Abb. 73 und 74). Schliesslich gibt es Hinweise zur Wasserversorgung mit Deuchelleitungen und Brunnen.

1 Abb. 94: Haus zur Winde von 1373. Originaler, rauchgeschwärzter und stehender Dachstuhl aus Eichenholz. Abb. 96: Rathausplatz, Höhe Brodlaubegasse. Mittelalterliche Strassenkoffer aus periodisch erneuerten Kieslagen (1).

Abb. 95: Haus zur Winde von 1373, 2. Obergeschoss. Stube mit herrschaftlicher Bretterdecke aus der Bauzeit.

59


Dendrodatierung Haus Augustiner, Obergass 18.172 Ort Erdgeschoss, Deckenbalken

Datierung (WK= Waldkante)

1263, 1264 WK (?), 1264/65 WK (5x)

Anzahl Splintjahre

Holzart

Fichte

Dendrodatierung Haus Maierisli, Obergass 16.173 Ort Keller, Deckenbalken

Datierung Anzahl Holzart (WK= Waldkante) Splintjahre 1265/66 WK, 1266, 15, 9, 12, 13 Eiche 1266 WK (?), 1267 WK

1

2

EG Garten

Berme vor Stadtgraben UG

brauner steriler Humus ockergelb lehmiger Kies hellgelber Kies

Abb. 97: Abschnitt der nördlichen Stadtmauer mit dem noch nicht restaurierten Haus zum Maierisli von 1267 am linken Bildrand, gefolgt vom Haus Augustiner (mit Laube) von 1265, zwei jüngeren Häusern und dem Chretzeturm, einem halbrunden Schalenturm. Abb. 98: Haus zum Maierisli von 1267. Untergeschoss mit originalen Eichenbalken, Stadtmauer (1) und Ostmauer Haus Augustiner im Hintergrund (2). Abb. 99: Haus zum Maierisli von 1267. Stadtmauer im Bereich Untergeschoss, innen nur ein­ häuptig bis auf den Kellerboden reichend und aussen mit der wenig tief liegenden Berme gegen den Stadtgraben. M. 1:100.

60

Augustiner und Maierisli, Obergass 18/16, 1265/1267 Bereits 1991 wurde das Haus Augustiner untersucht, ein ebenfalls an die Stadtmauer angelehnter Steinbau aus dem Jahr 1265 mit einem ein­ gewölbten Halbkeller und mindestens einem Obergeschoss. Das Haus zum Augustiner ist nachträglich an die Westwand des Hauses zum Maierisli angebaut und beide gehören zum unten definierten Haustyp B (Abb. 97).170 Während das Maierisli bereits 1283 an der Frongass, der heutigen Obergass, als Standort der Sammlung lokalisiert ist, einem Wohnhaus von Schwestern, sogenannten Beginen, die ein religiöses Leben führten, lebte im Augustinerhaus um 1500 der Kaplan des Spitals, dem die Beginen ebenfalls zur Seite standen.171 Das Haus zum Maierisli wurde 2009/2010 um­gebaut, was auch hier weiterführende Untersuchungen ermöglichte.174 Von der im Keller rechtwinklig zur Stadtmauer verlaufenden Deckenbalkenlage sind vier Eichenbalken datiert (Abb. 98). Die Analyse des Kellermauerwerks zeigte, dass die Westwand in die Stadtmauer eingreift, die Ostwand hingegen mit einer Baufuge an die Stadtmauer anschliesst, während die südseitigen Kellerecken miteinander im Verband stehen. Daraus lässt sich folgender Bauvorgang rekonstruieren: Zuerst wurde, zusammen mit der

Stadtmauer im Bereich Augustiner, ein Teil der Wand zwischen den beiden Gebäuden errichtet, dann kam der östlich anschliessende Stadtmauerabschnitt im Maierisli hinzu und zum Schluss dann dessen übrige Kellerwände. Dieser wichtige Befund macht deutlich, dass hier Stadtmauer und Hausbau zu einem gleichzeitigen Baukonzept gehören. Sie datieren den Bau der Stadtbefestigung in diesem Abschnitt in die frühen 1260er Jahre. Im Mauerwerk finden sich vereinzelt Spolien aus dem spätrömischen Brückenkopf, der sich nach jüngsten Untersuchungen noch weiter über die Stadtkirche hinaus erstreckte.175 Und beim äusseren Freilegen der im Fundament stellenweise baufälligen Stadtmauer zeigte es sich, dass die untersten 1,1 m innen nur einhäuptig gegen das anstehende Terrain gemauert sind. Aussen schliesst - später wird sie zum Zwinger umgebaut - eine Berme an, deren Oberkante 1,3 m über dem Kellerboden bzw. nur 0,7 m unter der Garten­ oberfläche liegt (Abb. 99). Weiter lässt sich zum Untergeschoss der ehemalige Zugang mit einem äusseren Kellerhals rekonstruieren, der im Osten der Südwand liegt. In ihrer Mitte und in der Ostwand finden sich weitere, originale Nischen, die später vermauert wurden, mit unbekannter Funktion. Interessant ist, dass dieses Gebäude neben dem Erdgeschoss zwei ursprüngliche Obergeschosse besitzt und sich damit, abgesehen von der jüngeren Erweiterung des Gebäudes bis auf die Strassenflucht, bis heute nicht verändert hat.


Rehbock, Oberstadt 5, um 1305 Der bereits bei den Untersuchungen des angrenzenden Bürgerasyls entdeckte Kernbau im hinteren Teil der Liegenschaft liess sich 2007 im Rahmen der Gesamtsanierung untersuchen.176 Das weitgehend erhaltene Haus mit einem Keller, Küche mit Rauchfang im Erd- und einem Schlafraum im Obergeschoss, passt gut in eine Gruppe ähnlicher Gebäude in Stein am Rhein, Schaffhausen und Neunkirch (Typ A) (Abb. 100).177 Datierung: Original ist nur die Erdgeschossdecke, die interessanterweise aus gemischten Holzarten besteht. Mittig ist ein Eichenbalken vorhanden, randlich Balken aus Fichten bzw. Weisstannenholz. Der Eichenbalken ist sicher in die Zeit nach 1293 datiert, drei Nadelholzbalken sind zwar unsicher datiert, passen aber mit Endjahren 1300 bis 1303 dazu. Weil die Waldkante fehlt, ist mit einem Baujahr um 1305, nur kurz nach der um 1302 erfolgten Spitalgründung zu rechnen. Vielleicht weisen die auffallenderweise gemischten Holzarten auf gespendetes Holz und damit auf einen Zusammenhang mit dem Spital hin.179 Äusseres: Der trapezförmige Grundriss besitzt Seitenlängen von 5,9–8 m. Südseitig sind geschossweise Türen angeordnet, die im Obergeschoss über eine Laube zugänglich sind. Nur die inneren teils aus Randengrobkalk gemauerten Nischen sind erhalten. Das gleiche gilt für die nordseitigen Fenster, deren Sandsteingewände als Spolien in jüngeren Flicken in der Nordfassade verbaut sind. Sie stammen von Zweierfenstern mit Flachsturz, sind schräg gefast und grau gefasst (Abb. 101). Original ist an der Ostseite im Obergeschoss einzig eine gut 2 m hoch liegende Querscharte, die der Lüftung diente.180 Ein stumpfes nordseitiges Ende der Westwand im Obergeschoss könnte einen Latrinenerker oder einen Hinterausgang anzeigen. Inneres: Der Keller ist hälftig eingetieft, die Stockwerkhöhen betragen 2,7 bzw. 3 m im Obergeschoss. Verputze in Pietra Rasa Technik sind grossflächig erhalten.

Abb. 100: Haus zum Rehbock, Oberstadt 5, Grundriss mit Kernbau des Typs A der Zeit um 1305 und Erweiterung von 1373 bis an die Strasse. M. 1:200.

Fenster

Kernbau um 1305

Rauchfang Türe

Abb. 101: Haus zum Rehbock, Kernbau um 1305, Nordfassade. Deutlich sichtbar sind der Kernbau (1) und die Erweiterung (2) von 1373 gegen Südosten, beide zeigen Brandspuren. Sekundär vermauerte Teile der originalen Fenstergewände (3) finden sich in der Aufstockung von 1534.

Erweiterung 1373

Oberstadt

3 2

3

1

Jüngere Erweiterung: Nach einer Brandbeschädigung wird der Kernbau 1373 nach Süden und Osten auf den heutigen Gebäudegrundriss erweitert. Die Nutzfläche pro Geschoss steigt von 27 m2 auf 95 m2. Der Neubau wird flächig mit einem Gewölbekeller unterkellert (Abb. 102); im Obergeschoss liegt südseitig ein nur indirekt durch den Zwischenboden in der Decke nachweisbarer Saal mit einer bemerkenswerten Fläche von 35 m2. Auch dieser Bau ist nordseitig stark von einem zweiten Brand gerötet, der älter ist als die Aufstockung von 1534 durch Crispin Köchli. Dieser war in den 1540er-Jahren Spitalpfleger und Ratsherr, 1556 dann Schultheiss. Bis dahin war das 1448 erstmals erwähnte Haus primär von Schuhmachern bewohnt.181 Dendrodatierung Haus zum Rehbock, Oberstadt 5.178 Datierung Ort (WK= Waldkante) Kernbau Erdgeschoss, 1293 Deckenbalken Erweiterung Erdgeschoss, 1372/73 WK Deckenbalken

Abb. 102: Haus zum Rehbock. Gewölbekeller der Erweiterung von 1373.

Anzahl Splintjahre

Holzart

1

Eiche

Fichte

61


Abb. 103: Haus Obere Sonne von 1320. Die von einem Brand gerötete Westfassade präsentiert sich noch unverfälscht aus der Bauzeit, mit einer vermauerten Lichtscharte im Obergeschoss (modern sind die Fenster, der Windfang und das Dach). Abb. 104 (rechts oben): Haus Obere Sonne von 1320. Die beiden Rundbogenportale in der ehemals freistehenden Ostfassade führen noch heute in den Keller und ins Erdgeschoss. Abb. 105 (rechts unten): Haus Obere Sonne von 1320. Untergeschoss mit originalem Stud, Deckenbalken und Bodenbrettern aus Eichenholz.

Dendrodatierung Haus zur oberen Sonne, Brodlaubengass 15.184 Ort

Datierung (WK= Waldkante)

Anzahl Splintjahre

Holzart

Keller, Deckenbalken

1318, 1319/20 WK(2x)

11, 17 (2x)

Eiche

Erdgeschoss, Türsturz

1360

2

Eiche

Obere Sonne, Brodlaubengass 15, 1320 Das heutige Hinterhaus der oberen Sonne ist schon früheren Forschern aufgefallen, weil es nicht wie die übrigen Kernbauten meist vollständig in einer Häuserzeile verbaut, sondern unüblicherweise auf zwei Seiten frei zugänglich geblieben ist.182 Es wurde als mittelalterlicher Wohn-­ turm interpretiert, zeigt aber keine Merkmale adeliger Bauweise, sondern ist ein klassischer städtischer, zweigeschossiger, hochmittelalterlicher Kernbau, der hervorragend zu unserem Haustyp B passt.183 Er besitzt den gleichen Charakter wie der Mittelbau auf Hohenklingen und ist damit ein weiteres, ausgezeichnetes Vergleichsobjekt, obwohl es 60 Jahre jünger ist, wie die Datierung ins Jahr 1320 zeigt (Abb. 73 und 74). Äusseres: Das von einem Brand gerötete und steinsichtige Aussenmauerwerk ist aus Bollensteinen gemauert; grössere Steine bilden die Ecken (Abb. 103). Auf der Südseite ist im Obergeschoss noch eine originale, vermauerte, wohl gefaste Lichtscharte vorhanden, während die übrigen Tür- und Fenstereinbauten jünger sind. Im Innern sind in der ehemaligen Ostfassade noch zwei rundbogige Sandsteinportale in Gebrauch (Abb. 104). Das Türgewände zum halb eingetief62

ten Keller ist gefast und später zum Einbringen neuer Fassgrössen geweitet worden. Es scheint etwas jüngeren Datums zu sein.185 Das Türgewände zum Erdgeschoss besitzt eine zeittypische schräge Fase, misst 1,15 x 1,80 m und scheint original zu sein.186 Weil aber der innenseitige Eichensturz um 1370 datiert, der das Auflager für einen Deckenbalken bildet, stellt sich die Frage, ob hier eine Renovation nach dem Brand fassbar wird, bei der im Erdgeschoss vielleicht eine neue Balkenlage eingezogen werden musste. Inneres: Die Kellerdecke aus mächtigen Eichenbalken von 28–40 cm Breite liegt auf einem Längsunterzug mit zentralem Stud mit Einhalsung. Mächtige Bohlenbretter von 48–60 cm Breite aus der Erbauungszeit bilden die Deckenkonstruktion (Abb. 105).


Lindwurm-West und Steinfels, Unterstadt 18/20, 1279/vor 1279 Die westliche Hälfte des heutigen Doppelhauses Lindwurm wurde 1279 nach einem Brand an den noch älteren, zweigeschossigen Kernbau Steinfels angebaut; keine originalen Balken sind erhalten.187 Die Südfassaden hat man später abgebrochen, originale Türen und Fenster fehlen. Diese beiden nicht unterkellerten Steinhäuser mit je 6 m Breite und 9,5 m Länge orientieren sich an ähnlichen Gebäuden aus dem 13. Jahrhundert in Schaffhausen (Typ C) (Abb. 73, 74 und 106).188 Der Lindwurm-West seinerseits wurde im Verlauf des 14. Jahrhunderts mit dem gleichen Rechteckgrundriss wie seine älteren Nachbarn nach Osten erweitert. 1381 erhielt der Steinfels, nach einem weiteren Brand(?), neue Balkenlagen und wurde nach Süden bis an die Strassenflucht erweitert. Um 1440 wurde auch der Lindwurm in der gleichen Art erweitert, wodurch ein weiterer Bereich in dieser Häuserzeile geschlossen wurde.

Dendrodatierung Haus zum Lindwurm, Unterstadt 18.189 Datierung Anzahl Splintjahre Ort (WK= Waldkante) (Eiche) Kernbau Erdgeschoss, 1267, 1273, 7, 8, 16 Deckenbalken 1278/79 WK Erweiterung Erdgeschoss, 1418, 1420 1, 1 Deckenbalken Dendrodatierung Haus zum Steinfels, Unterstadt 20.190 Datierung (WK= Waldkante)

Ort

Erweiterung Erdgeschoss, 1380 WK? – Deckenbalken 1370, 1380 WK?, – 1380/81 WK Renovation Obergeschoss, Deckenbalken 1377/78 WK, 1378/ 79 WK, 1379/80 WK

1712

vor 1279

1381

Holzart Weisstanne Weisstanne Fichte

Abb. 106: Häuser Lindwurm-West und Steinfels, Unterstadt 18/20, Grundriss der Kernbauten des Typs C der Zeit um 1279 und ihrer Erweiterung von 1381/1440 bis an die Strasse.

Wasserversorgung Im Fronhof liessen sich beim Bau der Trafosta­ tion 2004 einige hölzerne Deuchel der mittelalterlichen Wasserleitung (WL) untersuchen (Abb. 107).191 Leitung WL1 verlief in West-Ost Richtung und liess sich auf eine Länge von 17 m verfolgen. Quer dazu, Nord-Süd, verliefen die nur auf einer kurzen Strecke zu beobachtenden Leitungen WL2 und WL 3. Aussen messen die Deuchel 25–35 cm, der ausgebohrte Kern, also der Wasserdurchlass, beträgt 8–9 cm, und nur bei einem Stück war noch eine eiserne Verbindungsmuffe vorhanden. Alle Leitungen liegen in etwa 90 cm Tiefe in 60–80 cm breiten Leitungsgräben, in denen sich Keramik aus der Mitte des 13. bis zur ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts zusammen mit viel Hohlziegelbruch findet.192 Auch die Datierung193 der Wasserleitung, der ältesten Infrastruktureinrichtung, passt damit hervorragend in die Zeit des Aufbaus der Stadt und gehört ihrer Lage wegen offensichtlich zu einem Brunnen der hohenklingischen Stadthöfe. Keramikscherben gleichen Alters fanden sich schliesslich auch in unförmigen, teilweise von den Leitungen überlagerten Gruben, bei denen es sich vielleicht um Lehmentnahmegruben handelt. Interessanterweise trifft die Verlängerung von WL1 nach Osten genau auf den Stadtbrunnen oder Metzgibrunnen im Fronhof, der offenbar noch an traditioneller Stelle steht, heute aber in einer Form von 1841. Er ist einer der fünf Stadtbrunnen, die bereits auf dem Mentzingerplan von 1662 dargestellt sind.194 Untersuchungen zur überlieferten Brunnenstube des Aarburg-/Oberhofes fehlen.195

Anzahl Splintjahre (Eiche)

1279

14. Jh.

um 1440

Unterstadt 0

1

5m

Abb. 107: Fronhof. Aus dem späten 13. oder frühen 14. Jh. stammen die hölzernen Deuchel, von denen sich hier die Wasserleitungen WL1 und WL2 kreuzen.

WL2 WL2 63


Burgen und Stiftungen der Freiherren von Hohenklingen um Stein am Rhein

Abb. 108 (rechts): Keramik des 12. Jh. der Burg Wolkenstein. M. 1:3. Abb. 109: Blick vom Hohenklingen auf den nordwestlichen Abschluss des Wolkensteinerberges, dem Standort der Ruine Wolkenstein, oberhalb von Hemishofen (Pfeil).

Nicht nur in der Stadt sondern auch in der näheren Umgebung von Stein am Rhein traten die Freiherren von Hohenklingen als Bauherren in Erscheinung. Oft sind die überlieferten Verhältnisse aber unklar und die Bauwerke noch wenig erforscht. Neben ihrer namengebenden Burg besassen sie zeitweise vier weitere Herrschaftssitze. Die Schrotzburg bei Schienen, das noch am bes­ ten erhaltene Oberstaad mit seinem Wohnturm und wie Kattenhorn am Untersee gelegen (alle Deutschland) sowie Freudenfels (TG).196 Hinzu kommt von den Herren von Altenklingen die Neuburg bei Mammern (TG).197 Ein Blick auf die Burgenkarte zeigt so östlich von Hohenklingen im Abstand von 3–6 km einen halbkreisförmigen Burgenring.198 Mit Ausnahme der Neuburg, die Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden ist, liegen keine archäologischen Untersuchungen vor. Auch verschiedene Stiftungen stehen in Verbindung mit den Herren von Hohenklingen. Am Anfang steht das Spital, das heutige Bürgerasyl, das sie um 1302 als Sühneleistung für einen Mord errichteten. Dann kamen auf der gegenüberliegenden Rheinseite um 1330 die Stiftung des heutigen Altarhauses zur Kirche Burg und die Klingenzeller Kapelle hinzu. Letztere übergaben sie St. Georgen zur Gründung einer Propstei. Archäologische Befunde liegen keine vor, die heutige Wallfahrtskirche ist ein 250 m nach Westen verlegter Neubau von 1705.199 Schliesslich erbauten sie spätestens 1372 als Familiengruft die Marienkapelle in der Chorschulter der Klosterkirche von St. Georgen, der heutigen Stadtkirche.

Wolkenstein Unklar ist auch die Entstehungsgeschichte der Burg Wolkenstein, die als einzige Anlage im Wes­ ten liegt, 2 km von der Burg Hohenklingen entfernt. Die Ruine liegt auf dem nordwestlichen Abschluss des Wolkensteinerberges oberhalb von Hemishofen, das ebenfalls hohenklingischer Besitz war (Abb. 109). Schriftquellen fehlen, Keramikscherben datieren die Anlage ins 12. Jahrhundert (Abb. 108). Das nach Osten mit Wall und Halsgraben abgetrennte Nagelfluhplateau lässt in etwa eine trapezförmige Burganlage von etwa 8 – 16 x 38 m zu, was einer Fläche von etwa 450 m2 entspricht, knapp der Hälfte der Burg Hohenklingen. 1952 fanden durch Reinhard Frauenfelder und Karl Sulzberger Sondagen statt, die eine mehr als 17 m lange, nördliche Umfassungsmauer zu Tage förderten. Sie unterscheidet sich weder in Mauerstärke (um 1,1 m) noch im Mauercharakter (Bollensteinmauerwerk, teilweise Ährenverband) von der 1219–ca.1226 datierten Ringmauer auf Hohenklingen. Daran angelehnt ist ein annähernd quadratisches Gebäude mit 9,5 m Seitenlänge und 0,8 m starken Mauern.200

Spital (Bürgerasyl), Oberstadt 3, um 1302 Die Spitalstiftung der Herren von Hohenklingen als Sühneleistung für einen Mord fällt in die Frühzeit der Stadt, was die 2006 publizierten Ergebnisse der Ausgrabungen im Bürgerasyl in einem neuen Licht erscheinen lässt. Damals war der Zu64


sammenhang mit den Hohenklingen noch unbekannt und das benachbarte Haus zum Rehbock noch nicht untersucht. Deshalb liessen die Bauuntersuchungen und die Schriftquellen das Spital im Bürgerasyl erst ab den Jahren um 1470 fassbar werden. Die Besiedlung im Bereich des Bürgerasyls beginnt in der Zeit des Aufbaus der Stadt, in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Fassbar sind verschiedene Steinbauten, archäologisch relevante Schichten mit Latrinen, Entwässerungskanälen und Sickergruben in den Hinterhöfen. Diese Bebauung wurde durch Brand I im späten 13. und frühen 14. Jahrhundert zum Teil zerstört. Nach dem Brand wurden die Steinbauten renoviert. Im Hinterhof, der auch die Parzelle des Rehbocks umfasste, entstand ein Holzgebäude mit einem kleinen Steinkeller, das später aufgegeben und durch drei weitere Gebäude ersetzt wurde. Ein zweiter Brand, archäologisch in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts datiert, zerstört diese Befunde. Dieser zweite Brand ist möglicherweise mit dem Stadtbrand von 1347 gleichzusetzen.201 Weil eine Spitaltradition am gleichen Ort wahrscheinlich ist, käme nach den neuen Erkenntnissen als Gründungsbau der rudimentär erhaltene Kernbau 2 des Bürgerasyls in Frage, der sich nicht von den gleichartigen und in die gleiche Zeit dendrodatierten Kernbauten Rehbock, Augustiner, Maierisli u. a. unterscheidet. Möglicherweise gehörte auch der Rehbock zum Spital. Die zeitliche Übereinstimmung der Spitalgründung um 1302, mit dem Haus zum Rehbock um 1305 und dem Grossen Haus 1311 scheint die Vermutung zu untermauern, dass hier, zusammen mit dem Mor, dem Kornhaus und Keller am Kirchhof beim heutigen Rathaus, ein zweites hohenklingisches Stadtquartier entstand, neben dem ersten zwischen Aarburg-/Oberhof und Niederhof. Kirche Burg, um 1330 Auf der gegenüberliegenden Rheinseite von Stein am Rhein erfolgte um 1330 der Bau des heutigen Altarhauses zur Kirche Burg. Hier hatten die Hohenklingen als Lehen vom Kloster Reichenau bis 1359 Rechte inne. Weil die Grablege der Hohenklingen spätestens ab 1372 nachweisbar ist, stellt sich die Frage ihres älteren Bestattungsplatzes, ja überhaupt ihres seelsorgerischen Zentrums. Eine Zeitlang diente sicher das nahe Kloster Wagenhausen diesem Zweck, weitere Grablegen wären grundsätzlich in Öhningen oder in der Stadtkirche St. Niklaus möglich.202 Diente später die Kirche Burg diesem Zweck als Vorläuferin der Marienkapelle im Kloster St. Georgen? Wurde der auffallend grosse Chor zum Zwecke einer Memo-

ria angelegt? Sein halbrunder Chorschluss steht noch in romanischer Tradition, während der direkte Übergang zum Chorjoch bereits auf die spätgotischen Polygonalchöre hinweist. Älter als die bemerkenswerten Malereien aus der Zeit um 1420 im Chor ist eine Wandnische, die auf eine adlige Memorialstiftung der Zeit um 1360 hindeutet. Am Saum einer betenden, fragmentarisch erhaltenen Figur findet sich mit zwei gegenständigen Fischen an der Angel das Wappen der Herren von Pfirt (Ferrette im Elsass). Auf der zerstörten rechten Seite hat man sich das Wappen der Grafen von Hohenberg (bei Spaichingen, Landkreis Tuttlingen) vorzustellen, die in mannigfacher Weise mit den Herren von Klingen und Hohenklingen, dem Kloster St. Georgen und der Kirche Burg verbunden waren.203 Westseitig ist jedenfalls auf Burg eine Vorhalle als Bestattungsraum angefügt, dessen Mauerwerk mit teils schräg gestellten Steinen in der Art des opus spicatum gut zu dem bisher besprochenen Mauerwerk des frühen und mittleren 13. Jahrhunderts passt. 14 Bestattungen sind hier in Leichengewändern in Holzsärgen niedergelegt worden. Abgesehen von einem Kind und einem Jugendlichen sind es überwiegend ältere Personen beiderlei Geschlechts. Das Fundmaterial wie Rosenkranzperlen, Scheren, Messer und eine Münze sowie Keramik datiert die Grablegen in die Zeit vom 13.–15. Jahrhundert.204 Zweifellos waren es Angehörige einer lokalen, aber nicht weiter identifizierbaren Oberschicht. Marienkapelle als Grablege der Freiherren von Hohenklingen im Kloster St. Georgen, spätestens 1372 Schliesslich erbauten Ulrich VII. und sein Sohn Walter VII. von Hohenklingen spätestens 1372 als Familiengruft die Marienkapelle, eingefügt als Neubau in die Chorschulter der alten Klosterkirche von St. Georgen, der heutigen Stadtkirche.205 Sehr gut in die Stiftungszeit passt das mit Masswerken ausgestattete Dreierfenster in der Ostseite. Wohl später, im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts, entstand zusammen mit dem chorseitigen Sakramentshäuschen und einem Memorialbild die Grabnische an der Südwand. Das Bild zeigt die beiden Stifter, ihre Nachfahren Ulrich IX. und Ulrich X., den letzten der Familie, alle mit ihren Gattinnen (Abb. 213). Leider sind ihre Gräber zerstört worden, weil der Raum nachreformatorisch als Keller genutzt und dabei das Bodenniveau um 1,8 m abgesenkt wurde.206 Weitere Bezüge zu den Herren von Hohenklingen sind an der Klosterkirche von St. Georgen nicht auszumachen, weil der Baubestand deutlich älter ist.207 65


Stadtwerdung und Stadtausbau von Stein am Rhein, zur Zeit der Freiherren von Hohenklingen, in vier Bildern 1240–1420 Stein am Rhein um 1240 (Abb. 110)

Abb. 110 –113: Rekonstruktion der Bauentwicklung von Stein am Rhein, Hohenklingen und Umgebung in den Jahren um 1240, um 1290, um 1340 und um 1420.

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Inmitten der bald tausendjährigen Ruine des römischen Kastells liegt auf Burg die alte Johanneskirche, die unter dem Patronat des Inselklosters Reichenau steht. Hoch über dem Kloster St. Georgen, auf dem Ausläufer des Schiener Bergs thront erhaben die Burg Hohenklingen. Vor wenigen Jahren erst sind die Arbeiten am Neubau der Feste durch Ulrich (III.) von Klingen abgeschlossen worden, doch bereits zeigen sich erste Risse im Bergfried (Bauphase 2). Unten am Rheinufer nimmt das Leben der Benediktinermönche seinen geordneten Lauf. Ihre letztmals vor 100 Jahren grosszügig erneuerte Klosteranlage von St. Georgen - die markante Kirche mit der Doppelturmfassade, Klausurbauten um den Kreuzgang und Ökonomiebauten im Westen - ist gut unterhalten, genauso wie die Leutkirche St. Niklaus, die umgeben ist vom Friedhof der Ortsbevölkerung. Das zweigeschossige Steinhaus mit Satteldach im

Westen des Klosterbaumgartens (steinerner Trauben), an der Landstrasse gelegen und wohl mit einem ummauerten Hof ausgestattet, war vermutlich Sitz des alten Vogtes, des Vorgängers der Herren von Klingen. Dieser Schirmvogt schützt den Abt von St. Georgen als Grundbesitzer und nimmt die Gerichtshoheit für schwere Verbrechen war. Der grossräumige Bauboom in den letzten Jahrzehnten, einhergehend mit der Zunahme der regionalen Handelsströme, bewirkte, dass die Bewohner neben der Landwirtschaft mehr und mehr handwerkliche Funktionen oder Dienstleistungen für das Kloster und den Vogt übernommen haben. Diese Oberschicht manifestiert sich durch einige weitere, zweigeschossige Neubauten, wohl aus Holz und Stein, die dem Ort bereits ein vorstädtisches Gepräge geben. Auf der andern Seite der Landstrasse hingegen erstreckt sich die ehemals bäuerliche Siedlung Stein. Es sind wohl ländliche Holzhäuser (Bürgerasyl, SH-Berslingen), eingeschossige Ständerbauten mit Schwellen mit oder ohne Steinsockel, Flechtwerkwänden und Lehmböden. Die gleiche Bauweise ist auch für die Häuser im Steiner Oberdorf und in Vorderbrugg anzunehmen.


Stein am Rhein um 1290 (Abb. 111) Energisch treiben die Freiherren von Hohenklingen, zusammen mit dem Abt und den selbstbewusster werdenden Bürgern die Entwicklung zur befestigten Kleinstadt voran. Der schnelle Ersatz und Neubau des auf Sand statt auf Fels gebau-­ ten alten Turmes in den Jahren 1250-54 durch Ulrich I., dem ersten Freiherrn der Linie von Hohenklingen, zusammen mit einem weiteren Ausbau der Burg, festigte das Vertrauen in die Vögte. Ihr Einfluss nahm zu auf Kosten des Grundherren, des Klosters St. Georgen. Neben dem Neubau der Brücke, einer Neuauflage der ehemaligen römischen Rheinbrücke, wurde auch der Verlauf der Ringmauer mit dem Graben abgesteckt und bereits um 1265 sind weite Teile der mit einem Zinnenkranz versehenen Stadtmauer vollendet. Drei wohl mit Fallbrücken ausgestattete Tore bilden nebst dem Rheintor die Zugänge zur Stadt. Im Osten bezieht die Ringmauer die vorstädtische Siedlung mit dem Kloster St. Georgen und der Leutkirche St. Nikolaus mit ein, nach Westen werden aber auch grosse, freie Flächen ummauert. Im Nordosten legen die Herren von Klingen an den Stadttoren und entlang der Ringmauer zwei Stadthöfe an, den Aarburghof, einen mächtigen, viergeschossigen Wohnturm und den Niederhof beim Untertor. Eine Hofmauer begrenzt vermut-

lich diesen eigenen Rechtsbezirk gegen die Stadtinnenseite, dazwischen liegen Ökonomiegebäude wie Rossställe, Heuscheunen, Werkhäuser, Trotte und Taubenhaus. Ein Teil der noch unbebauten Flächen wird parzelliert, einige neue Gassen angelegt und entsprechend der alten Landstrasse und der Rheingasse, die durch das Klostergelände führt, mit Strassenkoffern aus Kies ausgestattet. Im Zentrum dieser Grundstücke, von den Gassen zurückversetzt, teilweise auch angelehnt an die Ringmauer wachsen in rascher Folge freistehende Steinhäuser empor. Es sind meist dreigeschossige, annähernd quadratische bis leicht rechteckige Gebäude, meist mit charakteristischem Pultdach (Augustiner und Maierisli) wie sie aus Schaffhausen bereits bekannt sind und zur gleichen Zeit auch in Neunkirch gebaut werden. In den halb eingetieften Kellern lagern Vorräte oder Waren, im Erdgeschoss liegt üblicherweise die Wohnküche mit der offenen Feuerstelle und in den Obergeschossen die Kammern. Einen weiteren Bautyp bilden rechteckige Steingebäude (Lindwurm-West und Steinfels), welche die Bauform der hölzernen Bauernhäuser übernehmen, aber verkürzt, nicht unterkellert und üblicherweise zweigeschossig sind. Für eine Holzbebauung der vorderen Grundstückabschnitte gibt es nirgends Hinweise. Dies im Gegensatz zu Zäunen entlang der Grenzen

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(Lindwurm/Bürgerasyl) und den stillen Örtchen (Bürgerasyl) am rückseitigen Parzellenrand, die periodisch geleert werden. Am Bach finden sich vier Mühlen die 1296 erwähnt sind und vom Klos­ ter als Lehen vergeben sind. Und schliesslich drängen in der Umgebung die Kabis- und Krautgärten, Baum- und Rebgärten der Stadtbürger die Ackerflächen mehr und mehr zurück. Stein am Rhein um 1340 (Abb. 112) Auf Hohenklingen ruhen die Ausbauarbeiten seit 1283, die Burg wird bewohnt und ist gut unterhalten. Der Schwerpunkt der baulichen Aktivitäten liegt aber deutlich in der Stadt. Hier haben die Herren von Klingen mit dem Oberhof beim Obertor einen dritten und an der alten Fronhofgasse gar einen vierten Hof errichtet, eine Folge der genealogischen Blüte ihrer Familie. Das mit markanten Treppengiebeln ausgestattete grosse Haus macht seinem Namen alle Ehre, mit einer Wohn- und Nutzfläche von 400 m2, welche zwei Dritteln jener der ganzen Burg Hohenklingen entspricht. Auch dieser Hof ist vermutlich mit einer Mauer umfriedet, an die sich Ökonomiegebäude anlehnen. Er wird Teil eines zweiten Adelsquartiers, zu dem auch das nahe, vor wenigen Jahrzehnten neu errichtete Spital (Bürgerasyl) gehört, das sich um die Armen, Kranken, Alten und durchreisenden

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Pilger kümmert. Es ist eine Stiftung der Hohenklingener, genauso wie das neue Altarhaus an der Kirche Burg und die Kapelle auf Klingenzell. Die drei landseitigen Stadttore und deren Zwischenräume werden mit einfachen, gegen die Stadtinnenseite offenen Schalentürmen bewehrt und die Tore mit einfachen Vorwerken verstärkt. Zwei weitere, neue Türme sind geschlossen, der mit einer offenen Wehrplattform versehene Hexenturm an der Südwestecke der Stadtmauer und das Öhningertor. Letzteres ist wohl mit einem hölzernen Obergaden für den Turmwächter versehen und dient auch dem Schutz des Klosters, dessen Abt seinen Teil der Stadtmauer offenbar nicht weiter ausbaut. Genauso prosperiert auch das Städtchen. Sein Wochenmarkt vor dem Mor, dem neuen Kornhaus der Hohenklingener, lockt immer mehr Händler und Käufer an. Die Verstädterung schreitet voran, mittlerweile sind mehr als 100 Hofstätten überbaut, die Vogtssteuer entrichten. Mehr und mehr schliessen sich die Häuserzeilen, die aber noch immer meist zurückversetzt von den Strassenfluchten liegen (Bürgerasyl, Rehbock und obere Sonne). Unter den Aussentreppen, welche die Obergeschosse der Häuser erschliessen, liegen Ställe für Schweine oder Geflügel, in den Gärten manchmal kleine, hölzerne Nebengebäude (Bürgerasyl).


Stein am Rhein um 1420 (Abb. 113) Spätestens 1372 stiften die Hohenklingener als standesgemässe Familiengruft die Marienkapelle in der Chorschulter der Klosterkirche von St. Georgen (Stadtkirche). Erst 1393–1406, nach einem langen Unterbruch von 110 Jahren, erfolgt die Modernisierung ihrer mittlerweile veralteten Burganlage auf Hohenklingen (Bauphase 4). Bauherr ist der umtriebige Walter VII., der mit seiner Gattin Gräfin Kunigunde von Fürstenberg zum einflussreichsten Bewohnerpaar in der Geschichte der Burg wird. Die nordöstliche Schildmauer mit massiver Verbreiterung des Grabens im Osten ist eine Reaktion auf das Aufkommen der Feuerwaffen, die im nahen Schaffhausen seit 1400 zum Standardarsenal gehören. Eine Familienkapelle und der komfortable hölzerne Mittelbau-West ermöglichen den Freiherren zeitgemässen, quasi städtischen Wohnkomfort. Doch schon 1419 zollt Walter VII. dem wirtschaftlichen Niedergang seiner Familie Tribut durch den Verkauf der Hälfte von Burg und Stadt an die Ritter von Klingenberg. In Stein am Rhein hat sich mittlerweile ein differenziertes Gewerbe mit einem blühenden Handel ausgebildet. Auch Mägde und Knechte sind in vielen Häusern anzutreffen. Für all diese gestiegenen Bedürfnisse kann nur eine anhaltende Bau-

tätigkeit Raum schaffen. Die Häuser werden nun grosszügig erweitert, der Baubestand wird verdichtet und bildet nach und nach, wie auch in Schaffhausen und Neunkirch, geschlossene Häuserzeilen entlang der Gassen (Rehbock, Steinfels). Diese Neubauten sind oft unterkellert und besitzen drei Geschosse. Neu hinzu kommen zweigeschossige Fachwerkbauten auf einem steinernen Erdgeschosssockel (Augustiner, FelsWest). Während die Gefache mit Flechtwerk gefüllt sind, schaffen vollständig aus Holz errichtete Bohlenstuben im Obergeschoss einen grosszügigen, beheizten Raum und geben eine hervorragende Übersicht auf das Leben in den Gassen. Sandsteinerne Schlitzscharten in der Stadtmauer, zwischen Oberhof und Niederhof, die jenen der Ausbauarbeiten auf Hohenklingen von 1393 entsprechen, zeigen, dass auch der Bereich der Stadthöfe stärker befestigt und vielleicht auch mit einem Wehrgang versehen worden ist. Wann der unbefestigte Graben mit Mauern versehen und die Berme in einen Zwinger umgebaut wurde ist noch unklar. Kaum betroffen von diesem anhaltenden, dynamischen Wachstum in der Stadt bleibt das Kloster St. Georgen, wo das Leben der Mönche weiterhin seinen geordneten Lauf nimmt. Erst um die Jahrhundertwende, am Vorabend der Reformation, wird es in baulicher Hinsicht seine zweite Blütezeit erleben.

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Dendrodatierung Hohenklingen-Bauphase 4: Osthof, Mittelbau-West, neuer Turm. Bauetappe

Ort

1. Etappe, Osthof209

Dachkonstruktion

2. Etappe, Mittelbau-West210

3. Etappe, Turmdach211

70

Datierung (WK= Waldkante) 1389,1390 (2x) 1391/92 WK (3x) 1392/93 WK (3x) 1388

Erdgeschoss, Brustriegel Erdgeschoss/ 1400/01 WK 1. Obergeschoss, Ständer 1390 1. Obergeschoss, Deckenbalken 1400/01 WK (2x) 1399/1400 WK Dachkonstruktion 1400 WK 1403 (2x) Dachkonstruktion 1404/05 WK 1405/06 WK (4x)

Anzahl Splintjahre (Eiche) 17,10,14 13,14,17 18,19,20 8 20

11 14 (2x) 11 18 15 (2x) 13 15,16,18, 24

Abb. 114: Erst 1393–1406 erfolgte die Modernisierung der veralteten Burganlage durch Walter VII. von Hohenklingen. Er war mit Gräfin Kunigunde von Fürstenberg verheiratet und wurde zum einflussreichsten Bewohner in der Geschichte der Burg. Die neue, nordöstliche Schildmauer mit massiver Verbreiterung des Grabens im Osten ist eine Reaktion auf das Aufkommen der Feuerwaffen. Die Familienkapelle mit herrschaftlicher Empore und die Überdachung des östlichen Hofes kamen neu hinzu und die Burg erhielt 1401 mit dem komfortablen, hölzernen Mittelbau-West zeitgemässen, quasi «städtischen» Wohnkomfort. Der neue Turm hingegen wurde nun nicht mehr als Wohnbereich genutzt und erhielt 1406 ein repräsentatives Dach an Stelle der offenen Wehrplattform.


5. Ausbau und Moderni­sierung der Burg Hohenklingen (Bauphase 4): 1393–1406

Neue nordöstliche Schildmauer mit Wehrgang, überdachtem Osthof und erweitertem Halsgraben sowie Kapelle mit Aufstockung Mittelbau-Nordost. 1. Etappe: 1393

(Beil. 1–4, 6–9, 11–14)

Die Westmauer des alten Turmes, die man nach dem Bau des neuen Turmes wahrscheinlich als Schildmauer übernommen hatte, war wohl mittlerweile so schadhaft geworden, dass man sie ersetzen musste. Wie eine Sondage zeigte, hat man auch den östlichen Halsgraben auf die heutige Breite von etwas mehr als 10 m erweitert, mit einer flachen, etwa 1,8 m unter der heutigen Oberfläche liegenden Sohle. Damit entspricht der Halsgraben den damals gebräuchlichen Stadtgräben des 14. Jahrhunderts in Stein am Rhein und Schaffhausen.215

Nachdem die Freiherren von Hohenklingen sich mehr als hundert Jahre dem Auf- und Ausbau ihrer Stadt gewidmet haben und offenbar mehr in ihren Stadthöfen als auf der exponierten Burg residierten, brach auch für den Hohenklingen Ende des 14. Jahrhunderts nochmals eine neue Blütezeit an. Sie führte ab 1393 in drei Bauetappen zur vollständigen Modernisierung der Burg unter Walter VII. von Hohenklingen. Dieser war mit Gräfin Kunigunde von Fürstenberg verheiratet und wurde zum einflussreichsten Bewohner in der Geschichte der Burg. Er erhielt 1379 vom König einen eigenen Gerichtsstand und 1395 das Recht, in Stein den finanziell einträglichen grossen Zoll zu Wasser und zu Land zu erheben.208 Die Bauarbeiten begannen 1393 mit dem Bau der neuen, nordöstlichen Schildmauer und der massiven Verbreiterung des Burggrabens im Osten (Abb. 132). Diese Baumassnahmen sind eine Reaktion auf das Aufkommen der Feuerwaffen und stehen im Einklang mit gleichen Ausbauarbeiten an der Schaffhauser Stadtbefestigung.212 Neu entstanden die Überdachung des östlichen Hofes zwischen dem neuen Turm und der neuen Schildmauer, die Familienkapelle mit ihrer herrschaftlichen Empore sowie 1401 der komfortable, hölzerne Mittelbau-West. Diese Zeichen quasi städtischen Wohnkomforts deuten darauf hin, dass die Burg nun wieder intensiver bewohnt wurde oder werden sollte. Allerdings spiegelt sich dies im archäologisch überlieferten Fundgut nicht, das zwischen ca. 1350 und 1450 in der absoluten Menge eine abnehmende Tendenz zu zeigen scheint. Der neue Turm hingegen wurde nicht mehr bewohnt, seine bislang ungedeckte Wehrplattform wurde 1406 mit einem Dach versehen, ohne dass der Kamin hochgezogen worden ist. Das Turmdach ist einziger und früher Beleg der Schlossarchitektur auf Hohenklingen, die bedingt durch das Schicksaal der Besitzerfamilie nicht mehr weitergeführt wurde.213 Wie fortschrittlich aber die Architektur der Hohenklingener damals war, zeigt der Umstand, dass noch wenige Jahre später der neue Turm der Schaffhauser Stadtkirche St. Johann, der auch als Hochwacht diente, nur mit einer ungedeckten Wehrplattform ausgestattet wurde.214

Neue Schildmauer und Osthofüberdachung Die neue Schildmauer im Osten übernimmt die Höhe der anschliessenden Ringmauer der Bauphase 2. Sie ist am südöstlichen Ansatz 2,7 m dick und verjüngt sich dann nach Nordwesten kontinuierlich auf 1,9 m.216 Damit entspricht ihre Mauerstärke genau derjenigen des neuen Turmes. Bei der Kapelle integriert die neue Mauer auf gut 3 m Länge die Ringmauer von 1219 bis ca.1226. Unklar bleibt dort einzig die nur in der Kapelle ausgegrabene Mauer M12, die älter ist als diese und von ihrer Lage her vermutlich nachträglich an die Nordwestecke des neuen Turmes anschliesst. Sie ist 90 cm breit, aber kaum fundamentiert und kann am ehesten als provisorische Schutzmauer während des Baus der neuen nordöstlichen Schildmauer verstanden werden. Drei grosse, gewölbte Schiesskammern sind in der Schildmauer gegen die Angriffseiten ausge­ spart, wie sie seit dem späteren 13. Jahrhundert bereits zum festen Bestandteil der Wehrbauten in Frankreich, England und Süditalien gehörten.217 Die Nischenbreite von 1,6 m ermöglichte einen bequemen, gut schwenkbaren Einsatz der Armbrust mit ihrem halb so breiten Querbogen. Zweifellos war sie genauso auch für den Pfeilbogen geeignet, und auch der mögliche Einsatz von Feuerwaffen ist nicht auszuschliessen.218 Die sandsteinernen Schiessscharten, sogenannte Schlitzscharten, besitzen ein Mass von 10 x 86 cm. Das Nischengewölbe endet jeweils 70 cm vor dieser Scharte bzw. 18 cm vor der Brüstung, weshalb dort ein merkwürdiger Zwischenraum entstanden ist. Er ist unzugänglich, weil um 1460 die Scharten für den Einsatz von Hakenbüchsen umgebaut und mit einem Sturz aus Altholz versehen worden sind (Abb. 115 u. Beil. 14). Gab es hier Mauerschlitze für einen Schiebeladen oder zum temporären Einschieben von Bohlen?219 71


Abb. 115: Osthof. Schiesskammer in der östlichen Schildmauer von 1393. Das 70 cm vor der Scharte endende Gewölbe ist wohl Hinweis für einen Mauerschlitz mit einem Schiebeladen. Er ist nicht zugänglich, weil um 1460 die Scharten für Hakenbüchsen umgebaut und mit einem Sturz aus Altholz versehen worden sind.

Abb. 116: Osthof. Wehrgang auf der östlichen Schildmauer von 1393 mit Schartenschlitzen (1) und Maulscharte der Zeit um 1460 (2), eingebaut an Stelle der ausgemauerten Zinnen. Abb. 117: Osthof. Auf gegen 7 m Höhe überdeckt ein Walmdach von 1393, eine wunderschöne Konstruktion aus Eichenholz, den Hof zwischen neuem Turm und Schildmauer.

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Gut 5 m über dem Boden verjüngt sich die neue Schildmauer auf knapp 90 cm, und bildet einen 1,65 m hohen Zinnenkranz mit meterbreiten Öffnungen. Die breite Maueroberfläche diente als Wehrgang. Kleine Schlitzscharten (15 x 40 cm) sind auf Höhe des Wehrgangbodens mittig in die Zinnen eingebaut (Abb. 116). Darüber, im zweiten Obergeschoss des Hofes, hat man den gesamten Osthof zwischen neuem Turm und Schildmauer mit einem Walmdach über­ deckt. Abgesehen von der 1895/97 ersetzten Dachhaut blieb die originale Dachkonstruktion erhalten. Sie besteht aus einem stehenden Stuhl mit durchlaufenden, angeblatteten Steigbändern und vier Querbindern auf längs und quer den Hof überspannenden Balken (Abb. 117).220 Neun eichene Konstruktionshölzer sind in die gleiche Zeitphase datiert und belegen das Baujahr 1393. Unter diesem neuen Dach blieb nicht nur der Wehrgang trocken, es ermöglichte vor allem auch die ganzjährige Nutzung der Hoffläche, sei es als Lager für Materialien, Ställe für Vieh oder Pferde etc. Tatsächlich ist in einem Plan von 1730 hier ein grosser, als Eselstall bezeichneter Raum eingezeichnet, von dessen Decke noch Abdrücke an der Schildmauer zeugen (Abb. 122).221 Zudem liess sich über solche Dächer das Regenwasser sammeln und über Kännel der Filterzisterne zuleiten.222 Wäre Hohenklingen eine Ruine, die man ausgraben würde, käme kaum ein Archäologe auf die Idee, dass dieser Hof in 7 m Höhe von einem Dach überdeckt war! Deshalb ist dieser Befund von grossem Interesse für die Burgenforschung.


Burgkapelle Das geostete Gotteshaus mit dem kleinen Rechteckchor duckt sich noch hinter die Ringmauer der Bauphase 2. Zusammen mit dem ebenfalls neu versteinerten ersten Obergeschoss des Mittelbaus-Nordost ist die Kapelle vom Bauablauf her vor der neuen Schildmauer entstanden (Abb. 118). Die Einrichtung einer Familienkapelle ist als ein weiteres Zeichen zu werten, dass die Burg nach dem erwähnten Bau der verschiedenen Stadthöfe nun wieder vermehrt bewohnt werden sollte bzw. wurde. Zum Originalbestand gehören der Kapelleneingang mit einem rundbogigen, gefasten Türgewände aus Rorschachersandstein, die zweigeschossige Befensterung der Südseite sowie Reste des ostseitigen Fensters. Die Südostecke und das zweiten Obergeschoss sind 1972/74 neu aufgemauert worden (Abb. 119 und 120). Trotz der Flächengrabung im Innern der Kapelle waren unter dem modernen Fussboden, bedingt durch einen neuzeitlichen Materialaustausch, keine bauzeitlichen Reste erhalten. Einzige Ausnahme sind die Reste des gemauerten Altarfundamentes mit je zwei seitlichen Stufen. Trotz den grossflächig erhaltenen, originalen Wandputzen sind die Reste spätgotischer Malereien verschwunden, welche Rahn 1889 an der Nordseite des Chors noch sah.223 Es handelte sich um Rankengewinde, die eine Heiligenfigur umgaben.

Abb. 118: Osthof. Ringmauer von 1219-ca.1226 (1) mit Anschluss der Kapellenostwand (2) als erste Etappe und Verstärkung der Ringmauer von 1393 (3) als zweite Etappe.

1

2

3 Abb. 119: Kapelle von Süden, um 1940 mit noch ruinösem Chor. Abb. 120: Kapelle von 1393 mit originaler Befensterung in den unteren zwei Geschossen. Das oberste Geschoss ist erst 1972-74 für den Restaurantbetrieb hinzugefügt worden.

Empore: Wichtig ist die Beobachtung von Spuren einer Empore über der westlichen Kapellenhälfte, mit einer direkten Verbindung zum Mittelbau-Ost. Die in Burgkapellen verbreitete und wie üblich von aussen zugängliche Empore zeichnet die Kapelle als herrschaftlichen Repräsentationsbau aus. Hier nahmen die Hohenklingener und ihr Umfeld am Gottesdienst teil, während unten die Dienstleute der Burg Platz genommen haben.224 Interessant ist, dass die beiden älteren Fens­ter in der Ostwand des Mittelbaus zwar durch den Emporenboden mittig verdeckt, nicht aber ausgemauert und überputzt worden sind.225 Dienten sie, beziehungsweise der Erdgeschossraum im Mittelbau-Nordost im Sinne der sogenannten Oratorienfenster nach dem Bau der Kapelle auch dazu, von hier aus Messen zu verfolgen?226 Von der Empore stammen Balkenlöcher in den Seitenwänden, 2,3 m über dem ursprünglichen Kapellenboden. Im Putz fanden sich beidseits Negative der Bodenbretter und nur an der Südwand, im Bereich der Emporenbrüstung, der Abdruck eines 14 cm breiten Holzständers, der über die Brüstungshöhe hinausreicht. Er muss als Rest eines Einbaus interpretiert werden, vielleicht Teil eines Gitters, das den Sichtkontakt von den Dienstleuten zur Herrschaft verhinderte. 73


Abb. 121: Kapelle. Rekonstruktion mit Empore und Zugang vom Mittelbau-Nordost.

An die später vermauerte Türöffnung über dem Kapelleneingang muss eine kleine Laube hin zum Mittelbau angeschlossen haben. Leider ist dort in der Südostecke die Mauerpartie über zwei Geschosse geflickt und der Originalbestand zerstört, so dass die Zugangstüre zur Laube aus dem Mittelbau-Nordost heute fehlt.227 Weil der Boden im ersten Obergeschoss des Mittelbaus 1,2 m über dem einstigen Emporenboden liegt, muss eine teilweise in die Mauerstärke der Ostmauer des Mittelbaus integrierte Treppe rekonstruiert werden, mit einer innen liegenden Abschlusstüre. Erhalten blieb einzig der nördliche Leibungsrest als Bestandteil einer neuzeitlichen Fensterleibung (Abb. 121). Umbau Mittelbau-Nordost Das erste Obergeschoss wurde nun zur Küche umgebaut, die zu heute vollständig fehlenden Wohnräumen im zweiten Obergeschoss gehörte, für die es, wie erwähnt, schon Spuren in der Bauphase 3 gibt. Im erst 1401 erstellten Mittelbau-West führten zwei Türen nach Osten in dieses Wohngeschoss; die eine Türe ist jene, die in die Bohlenstube des heutigen Restaurants führt. Vielleicht entstammen deshalb die beiden Ausbauten des Mittelbaus von 1393 und 1401 einem gleichen Konzept, einem schrittweise realisierten Bauplan. Der bislang wohl hölzerne Aufbau auf dem Wohnbau von 1253 im Mittelbau-Nordost wurde gleichzeitig mit dem Neubau der Kapelle im ersten Obergeschoss durch einen gemauerten Raum ersetzt. Von der Südwand mit ihrer glatt abgestrichenen Mauerkrone führt ein gefastes, rundbogiges Türgewände aus Sandstein mittig in den Raum. Das Gewände ist ein Pendant des Kapelleneingangs (Abb. 47). Ein Fenster in der Ostmauer belichtete den Raum. Es ist auffallend hoch gelegen, bedingt durch die Möglichkeiten, die das aussen anschliessende Kapellendach zuliess. Neben dem Fenster findet sich innen eine feine, senkrechte Putzkante, die von einem 1,0 m hohen und 1,15 m breiten Einbau in der Nordostecke des Mit-

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telbaus zeugt. Offensichtlich handelt es sich um eine Feuerstelle, zu der 90 cm darüber ein zweiter, etwa 80 cm weiter ausladender, schräger Wandabdruck gehört, der vom Rauchfang stammt (Beil. 11). Darüber, in der Ringmauer, liegt das ehemalige Kaminloch, welches wie das hoch liegende Ostfenster mit dem Mörtel des Umbaus von 1460 vermauert ist, als man den Wehrgang über die Kapelle führte.228 Spuren eines Balkenwechsels aus unbekannter Zeit in der Südostecke, im Gebälk von 1232, markieren die Lage einer Treppe ins zweite Obergeschoss. Auch im Erdgeschoss gab es kleinere Anpassungen: Der Stichbogen der Türe des Mittelbaus, der mit hochkant gestellten Steinen gemauert ist, gehört vom Mörtel her ebenfalls zu dieser Bauetappe von 1393. Neubau Mittelbau-West als Ersatz der aufgegebenen Wohnnutzung im neuen Turm. 2. Etappe: 1401 Mit einem neuen Bohlenständerbau über dem Mittelbau-West erhält der Hohenklingen 1401 einen zeitgemässen Wohnbau und städtischen Wohnkomfort.229 Er besitzt im zweiten Obergeschoss eine noch etwas grössere Wohnfläche als der alte Palasobergaden und löst die Wohnnutzung im neuen Turm ab. Im Gegensatz zu den Stadthöfen der Hohenklingener, wo Nadelhölzer verwendet wurden, wurde hier auf der Burg wieder ausschliesslich Eichenholz verbaut, von dem vom Erdgeschoss bis ins Dach sieben Konstruktionshölzer datiert worden sind. Erdgeschoss und 1. Obergeschoss: Drei zweigeschossige, 5 m hohe Ständer stehen in der Verlängerung der Südflucht des Mittelbaus nach Westen und tragen den Wohntrakt im zweiten Obergeschoss. Sie standen nur zum Teil frei. Im Erdgeschoss gehören einzelne Brustriegel dazu und einfache, zum Teil über beide Geschosse laufende Nuten deuten auf ehemals geschlossene Gefache hin. Weil der westlichste Ständer auch zum Hof hin original(?) genutet ist, muss mit einem Anbau gerechnet werden, der im Boden230 keine Spuren hinterlassen hat. Er ist aber im Plan von 1730 eingetragen und als Pfisterei, Back- oder Waschhaus bezeichnet (Abb. 122).231 Im Erdgeschoss ist zudem die nördliche Ringmauer stark verrusst, und im ersten Obergeschoss sind darüber die Deckenbalken stark rauchgeschwärzt, was hier eine weitere Feuerstelle belegt. 2. Obergeschoss: Die nord- und südseitige Ringmauer wurde bis zum Palas hin auf 10 m Höhe aufgemauert. Im östlich anschliessenden Mittelbau liegt nordseitig die Küche, südseitig die qua-


litätvolle und ursprünglich bis zur Fassade laufende Bohlenstube. Hier sind die Bodenbalken eng verlegt, nur jeder zweite dieser Balken wurde vom Stubenende nach Norden in die Küche, bis an die Ringmauer verlängert. Abgebrochene Holznägel zeugen in den Balkenoberflächen von der Befestigung der längst ausgewechselten Bodenriemen, während die Balkenzwischenräume im Stubenbereich, die Hohlräume zwischen Boden und Zwischenboden ursprünglich mit einem 15 cm starken, noch in kleinen Resten erhaltenen Lehmestrich isoliert waren. Vier Eck- und zwei Mittelständer bilden das Gerüst der Bohlenstube, in das die Wandbohlen in Doppelnuten eingelassen sind. Dazu gehören das originale(?) Fenster in der westlichen Wand und die beiden Türen in der Mitte von Nord- und Ostwand. Erstere führte in die Küche, Letztere hatte eine Verbindung zum älteren, abgegangenen Mittelbau-Südost. Anstelle der heutigen, südseitigen Fenstersituation, die auf Grund der datierten Sandsteinsäule in einem Umbau von 1567 entstand232 (Abb. 166), ist ursprünglich ein gotischer

Fensterwagen zu vermuten. In der Südostecke lag ein Wehrerker, weil hier drei der Deckenbalken ganz durch die Ringmauer bis an die Aussenfassade durchlaufen und später abgesägt worden sind (Abb. 42).233 Einen solchen, über dem Burgtor liegenden breiten Erker, der sich auch entlang

Abb. 122: Hohenklingen, Grundriss von Isaak Vetter um 1730. A Kapelle, B Turm, C Sodbrunnen, D Güterkammer worunter der Keller, E Backhaus, F Pferdestall, G Eselstall, H Gefängnis, J Garten, K Wiese. Abb. 123: MittelbauWest. Querschnitt Dachkonstruktionen von 1401. M. 1:100. Abb. 124: Mittelbau. Längsschnitt Dachkonstruktionen von 1401 und 1644. M. 1:100. Abb. 125: Mittelbau-West von 1401, Dachgeschoss. Detail des SW-Eckpfosten der Bohlenstube mit Nut der ehemaligen, äusseren Bohlenwand über der gewölbten Bohlen-Bälkchen Decke, die mit Lehm als Isolation und Feuerschutz abgedeckt ist.

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Abb. 126: MittelbauWest, 2. Obergeschoss. Deckenbalken auf Mittelunterzug von 1401 über der Küche, mit Rauchfangwechsel (1) über den Resten der Herdstelle.

Abb. 127: Mittelbau-West 1401, Westwand im 2. Obergeschoss. Die Stabwand in der Küche ist einzigartig im Kanton Schaffhausen.

Abb. 128: Mittelbau-West von 1401. Stark rauchgeschwärztes Satteldach mit Krüppelwalm und Rauchloch gegen Westen auf einem stehenden Stuhl ebenfalls aus Eichenholz.

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dem Mittelbau-Ost hinzieht, zeigt tatsächlich auch der 1642 entstandene Kupferstich von Matthäus Merian (Abb. 227).234 Die gewölbte Bohlen-Bälkchendecke liegt auf einem west-östlich gebogenen Mittelunterzug. Sie steigt zur Südfassade hin an, um so mehr Licht in den Raum zu bringen. Diese Besonderheit ist beispielsweise auch in Häusern in Schaffhausen zu beobachten. An den Enden tragen die Bälkchen Lilien als plastischen Schmuck, wie er in dieser Zeit verbreitet war.235 Im Dachraum ist zwischen den Bälkchen 10 cm Lehm als Isolation und Feuerschutz aufgetragen worden (Abb. 123–125). Beheizt wurde die Stube vermutlich mit einem prunkvollen, gotischen Turmofen aus reliefierten olivgrün glasierten Blatt- und Nischenkacheln.236 Seine Stelle nimmt heute ein grüner, unverzierter Kachelofen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts ein, der bis zur jüngsten Restaurierung von der Küche her eingefeuert wurde. Dort, über dem ehemaligen Herd, ist in den Deckenbalken mit einer quadratischen Öffnung von 1,4 m Seitenlänge noch der Wechsel für den ursprünglichen Rauchfang vorhanden (Abb. 126). Eine Stabwand bildet die Küchenwestwand. Sie ist, zusammen mit der Wand der grossen Ratsstube von 1412 im Schaffhauser Rathaus, einzigartig im mittelalterlichen Baubestand des Kantons Schaffhausen und musste innen bei der aktuellen Restaurierung leider wieder verschalt werden. Aussen ist sie verdeckt durch die neue Fachwerkkonstruktion von 1969 (Abb. 127). Auch die Ostwand der Küche war eine Stabwand, die allerdings nur noch auf Grund der umlaufenden Nuten im Fachwerk rekonstruierbar ist. Beim Herd führte schliesslich eine weitere Türe in den Mittelbau-Ost, der wohl die Schlafkammern beherbergte. Dachgeschoss: Über der Küche war ein Bretterboden vorhanden, wie Holznägel in der Balkenlage belegen. Das stark rauchgeschwärzte Satteldach ist komplett erhalten, westseitig mit Krüppelwalm und Rauchloch. Der stehende Stuhl besitzt drei Querbinder, durchlaufende angeblattete Steigbänder sowie Fuss- und Kopfbänder (Abb. 123, 124, 128).237 Die beiden West-Ost gerichteten Rähmbalken kragen nach Osten noch 30 cm aus und zeigen dort je einen Holznagel. Offenbar sind es die Reste der Anschlüsse an das Dach des erwähnten, bis 1258 zurückreichenden Mittelbaus-Ost. Über der Bohlenstube wurde später eine zentrale Kammer in den Dachraum eingebaut, von der nur Reste der nordseitigen Zugangstüre erhalten sind.


Neuer Zinnenkranz und Turmdach. 3. Etappe: 1406 Der neue Turm diente mittlerweile nur noch als Wehrturm und Statussymbol. Die Errichtung des Turmdaches ermöglicht ab 1406 die Nutzung der Wehrplattform als trockenen, vor der Witterung weitgehend geschützten Beobachtungsstandort, der auch feuerwaffentauglich war. Für die Weiterbenutzung des Kaminzuges der Nordwestecke gibt es keine Anhaltspunkte; sein Ende liegt unter dem Backsteinbodenbelag von 1526, und am Dach ist keine Rauchschwärzung abzulesen.238 Auch das Fundmaterial des Benutzungshorizontes auf der Sohle des Turmschaftes endet um 1450.239 An die Stelle der wohl niedrigeren Zinnen der 1250er Jahre trat mit dem neuen Dach ein neuer Zinnenkranz mit allseitig je drei Öffnungen von 90 cm Breite und 2,1 m Höhe. Die Eckquader des Turmes sind im Bereich der Wehrplattform nicht mehr bossiert, sondern glatt und bestehen aus Travertin oder Quelltuff, einer neuen Steinart im Mauermaterial des Hohenklingen.240 Vom stehenden, eichenen Dachstuhl sind sieben Konstruktionshölzer datiert, das Turmdach ist folglich 1406 aufgerichtet worden. Auf einem unteren, in die Zinnenkronen eingebetteten Schwellenkranz liegt eine Balkenlage mit einem Mittelunterzug auf zwei Ständern mit Einhalsung. Auf dem oberen Schwellenkranz erhebt sich der zweigeschossige, pyramidenförmige Dachstuhl mit Kehlbalkenlage, durchlaufenden, angeblatteten Steigbändern, Fussbändern sowie Ankerbalken mit Zapfenschlössern (Abb. 129–131).241 Sons­ tige nennenswerte Veränderungen liessen sich am Turm für diese Zeit nicht feststellen.

Abb. 130: Neuer Turm, Wehrplattform. Blick in den pyramidenförmigen zweigeschossigen, eichenen Dachstuhl von 1406.

Abb. 129 (links unten): Neuer Turm, Dachstuhl von 1406. Eckdetail der beiden Schwellenkränze mit Ansatz der Rafen.

Abb. 131: Neuer Turm. Querschnitt Dachkonstruktionen von 1406. M. 1:100.

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Dendrodatierung Hohenklingen-Bauphase 5: neuer Palas-Obergaden.243 Ort Schwelle Ständer Rähm Dachstuhl

Datierung (WK= Waldkante) 1421 WK (?) 1421/22 WK 1422/23 WK 1415 1406, 1419 1422/23 WK (5x)

Abb. 132: 1423 fanden durch den Ersatz des offenbar schadhaften Obergadens auf dem Palas die Modernisierungsarbeiten ihren Abschluss. 1419 und 1433 verkauften die letzten Hohenklingener ihre Burg und die Rechte an der Stadt Stein am Rhein in zwei Schritten an die Ritter von Klingenberg. Die Herren von Hohenklingen waren wirtschaftlich am Ende. Mit Ulrich X. starb das Stein am Rhein durch seine bauliche Hinterlassenschaft bis heute prägende Adelsgeschlecht um 1445 aus.

Abb. 133: Palas-Obergaden. Sechs Querbinder mit angeblatteten Steigbändern oder Sperrrafen prägen den vollständigen, stehenden Eichendachstuhl von 1423.

78

Anzahl Splintjahre (Eiche) 18 14 15 5 2, 13 12, 14, 17, 19, 22

6. Ersatz des Palasobergadens (Bauphase 5): 1423 (Beil. 4, 7, 8, 10 und 14) Mit dem Ersatz des Palasobergadens finden 1423 die Modernisierungsarbeiten auf Hohenklingen ihren Abschluss. Der neue Obergaden ist fassadenbündig ausgeführt und kragt nicht mehr vor, wie das für seinen Vorgänger angenommen werden kann. Auch die im Westen schildmauerartig über die Holzkonstruktion hochgezogene Ringmauer war wohl neu. Vermutlich war der sehr exponierte Baukörper beschädigt, sei es durch Witterungseinflüsse oder Feuer und musste deshalb ersetzt werden. Unklar ist, ob der neue Obergaden überhaupt noch genutzt wurde, da nicht die geringsten Anhaltspunkte für eine Aufteilung des Innenraums vorliegen. Zum andern ist auch die Bauherrschaft unsicher, weil die Bauarbeiten in jene Zeit fallen, in der die Herren von Hohenklingen wirtschaftlich am Ende waren und deshalb 1419 und 1433 in zwei Schritten Burg und Stadt Stein am Rhein an die Ritter von Klingenberg verkauften.242 Mit Ulrich XI. starb um 1445 das hohenklingische Adelsgeschlecht aus, das Stein am Rhein durch seine bauliche Hinterlassenschaft bis heute prägt. Zusammen mit dem vollständigen, stehenden Dachstuhl sind die nördliche und Teile der südlichen Aussenwand aus Fachwerk erhalten. Die Raumhöhe beträgt bis zum Deckengebälk nur 2,4 m. Sechs Querbinder mit angeblatteten Steigbändern oder Sperrrafen prägen die grossartige, heute bis zum First vollständig freiliegende Dachkonstruktion (Abb. 133–135).244 Von der eichen­ en Konstruktion sind elf Proben datiert. Staketen-


löcher in den Wandbalken belegen überall die ehemalige Flechtwerkausfachung. Aussen angeblattete Kopf- und Fussbänder waren während den Restaurierungsarbeiten kurzzeitig sichtbar und sind jetzt wieder unter Schindelschirm und Putz verschwunden (Abb. 136). Nach Osten lag die Giebelwand ursprünglich frei, nach Westen schliesst das Dach innenseitig an die neu als Schild hochgezogene Ringmauer an. Ob die spätestens um 1500 im Abfall der Burg überlieferten Flachziegel zu dieser Baumassnahme oder erst zur nächsten Bauphase 6 gehören, lässt sich nicht sicher entscheiden.245 Zur Inneneinrichtung lassen sich keine Aussagen machen, an den Ständern fehlen Hinweise zu Zwischenwänden. Eine Nut im südöstlichen, 1421/22 datierten Eckständer ist singulär und scheint deshalb fehlerhaft ausgeführt. Eine mögliche Befensterung ist dem Umbau von 1551 zum Opfer gefallen. Einzig die Rauchschwärzung des zweiten Binders auf der Nordseite macht deutlich, dass der darunter liegende Mantelkamin aus der Zeit um 1340 weiterbenutzt und durch den Obergaden bis übers Dach verlängert wurde.

7. Exkurs II: Die Burg Hohenklingen im Vergleich mit den stadtarchäologischen Befunden von Stein am Rhein, Schaffhausen und Neunkirch Die Burg mit Ringmauer, Wehrturm, Wohn- und Wirtschaftsbauten sowie Kapelle ist genauso zu verstehen, wie eine Stadt im Kleinformat. Es liegt deshalb nahe, sich bei diesen ausgezeichneten Erhaltungsbedingungen auf Hohenklingen die Frage zu stellen, ob es in unserem Raum in bauhandwerklicher und funktionaler Hinsicht Unterschiede zwischen Stadt und Burg gibt und wo diese liegen.246 Neben der Burg Hohenklingen liegen auch für Stein am Rhein, Schaffhausen und in geringerem Masse auch für Neunkirch ausgezeichnet erhaltene und dendrochronologisch datierte Befunde der Bauforschung vom 13. bis zum frühen 15. Jahrhundert vor. Sie sind weitgehend unpubliziert und werden deshalb im Sinne einer aktuellen Übersicht hier miteinbezogen.247 Folgende Elemente lassen sich vergleichen: Burg- und Stadtmauern, Zinnen, Wehrgänge, Befestigungstürme und Wohntürme oder deren Kombination. Hinzu kommen Wohn- und Wirtschaftsbauten aus Stein und Fachwerk sowie Teile der Infrastruktur. Mein Fazit: Im untersuchten Bereich gibt es zwischen den Städten im Kanton Schaffhausen und der Burg Hohenklingen vom 13. bis zum frühen 15. Jahrhundert in bauhandwerklicher und funk-

Abb. 134: Palas-Obergaden. Blick auf den offenen Dachfirst von 1423 während der Restaurierungsarbeiten 2005. Abb. 135: Palas-Obergaden. Querschnitt Dachkonstruktion von 1423. M. 1:100.

Abb. 136: Palas-Obergaden, Nordfassade. Originaler Ständer von 1423 mit Kopfbändern. Mit dem Einbau der Geschützstellung wurde 1551 die Flechtwerkfüllung des Fachwerkes durch Backsteine ersetzt.

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tionaler Hinsicht keine Unterschiede, die nennenswert wären. Auch die verschiedenen Herrschaftsträger spiegeln sich überhaupt nicht im Befund. Dies wurde andernorts schon bei den Megalithtürmen aus alpinen Gesteinen festgestellt, die man früher als kyburgisch ansah, bis klar wurde, dass sie alle in Moränengebieten liegen und deshalb aus diesem lokal geprägten Steinmaterial errichtet sind.248 Selbstverständlich folgen aber die Bauwerke den allgemeinen, zeittypischen Modetrends genauso, wie auch die Fundmaterialien. Letztere sind nicht Gegenstand dieser Ausführungen, aber auch hier scheinen nach einer ers­ ten Übersicht keine nennenswerten Unterschiede zu bestehen. Die vermeintlichen Unterschiede zwischen Stadt und Burg sind vielmehr ein Ergebnis der Forschungsgeschichte, die schon im 19. Jahrhundert spezialisierte Burgenforscher und Kirchenarchäologen hervorbrachte und erst im späteren 20. Jahrhundert als dritte Gattung auch noch die Stadtarchäologen. Die scheinbaren Differenzen haben sich in den Köpfen der Forschenden und des interessierten Publikums durch die entsprechende Literatur, die das Thema oft unter den Begriffen Stadt, Burg oder Kirche und Kloster abhandelt, eingeprägt. Befestigungsanlagen Beachtliche Abschnitte der mittelalterlichen Befestigungsmauern haben sich in den drei Städten bis heute gut erhalten. Nicht immer sind sie freistehend und als solche für jedermann erkennbar. Oft verstecken sie sich hinter den verputzten Fassaden der Häuserzeilen am Rande der Altstadt. Wie die nachfolgenden Zusammenstellungen zeigen, ist der Forschungsstand unterschiedlich. Sind in Schaffhausen mittlerweile die meisten Teile der Stadtbefestigung mehr oder weniger detailliert untersucht, bestehen in Stein am Rhein und Neunkirch noch Dokumentationslücken. Burg- und Stadtmauern (Tabelle S. 81) Die Grundrisse der Burg Hohenklingen und der befestigten Städte Stein am Rhein und Neunkirch sind in ihrer Ausdehnung jeweils einphasig, und die Mauern erscheinen deshalb recht homo,gen. Baufugen und Mörtelwechsel belegen einzelne Bauetappen an den sich über Jahrzehnte hinziehenden Grossprojekten. Mehrphasig und erst durch verschiedene Stadterweiterungen entstanden ist der Grundriss der Schaffhauser Altstadt. Diese ist gut 200 Jahre älter als Stein am Rhein und Neunkirch und war um die Mitte des 11. Jahrhunderts bereits befestigt.249 Hier zeigen die Mauern verschiedene Charaktere, und nur die jüngsten 80

Stadterweiterungen wie äussere Vorstadt, äussere Unterstadt, Neustadt und die Flankenmauern des Munot gehören als Vergleichsobjekte in den hier interessierenden Zeitraum. Die Mauerstärken betragen nur in Schaffhausen, und hier nur um 1200, bzw. in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts 1,3–1,8 m. Sonst betragen sie im späteren 13. und 14. Jahrhundert überall 0,8–1,1 m und verjüngen sich teilweise durch inneren Anzug nach oben. Gleich wie bei den Wohnund Wirtschaftsbauten stammt das Mauermaterial in Stein am Rhein ausschliesslich aus der Moräne; hauptsächlich sind es Bollensteine, vereinzelt auch Nagelfluh. In Schaffhausen kommen Bollensteine vereinzelt an Profanbauten, an öffentlichen Bauten hingegen kaum vor. Hier finden sich grösstenteils Kalksteine aus den Brüchen des Allerheiligenklosters am Südhang des Herrenackers; spätestens um 1300 kommen Steinbrüche im Mühlental hinzu. In Neunkirch schliesslich wird anfänglich Nagelfluh und Sandstein mit etwas Bollen- und Kalksteinen verwendet, später dann nur noch Sandstein. Nur in Schaffhausen reicht die Stadtmauer bis auf die Grabensohle, in Stein am Rhein und in Neunkirch ist ihr eine etwa 5 m breite Berme vorgelagert, die später mit der Ausmauerung der Grabenwände in einen Zwinger umgebaut wird. Etappenweise erreichen die Mauern ihre definitiven Höhen, von anfänglich 3–6 m, schliesslich 7 m auf Hohenklingen, sonst 9 bzw. 10,5 m und werden mit einem Zinnenkranz versehen. Im späteren 14. Jahrhundert wird in einer zweiten, bislang nur in Schaffhausen eindeutig nachgewiesenen Bauphase die Stadtmauer im Nordwesten auf 11,5 bzw. 14 m erhöht. Dieses Höhenwachstum ist eine direkte Folge der baulichen Ver­ dichtung innerhalb des Mauerrings und der Erhöhung der Gebäude. Eine Folge der Be­völ­kerungszunahme in der Stadt durch die Landflucht im 13. Jahrhundert. Wehrerker, Wehrgänge und Zinnen (Tabelle S. 82) Neben dem Befund vom Hohenklingen gibt es für Wehrerker bislang auch in Schaffhausen Hinweise. Ein frühes Beispiel stammt aus der Zeit um 1100 an der Stadtburg im Oberhaus. Über einem repräsentativen Saal finden sich auf 12 m Höhe in der Fassadenmitte drei Balkenlöcher eines stadtseitig vorkragenden und gegen 3 m breiten Erkers, zu dem ein 50 cm breiter und 1,6 m hoher Türschlitz gehört. Das zweite Beispiel stammt aus der Zeit nach 1283 und liegt in der Stadtmauer der äusseren Vorstadt. Mittig zwischen Schwabentor und Finsterwaldturm findet sich ein 4,1 m breites Negativ eines ehemals auskragenden Holzeinbaus.250 An gleicher Stelle ist auch ein


Stadtmauern im 13./14. Jahrhundert. Ort

Fundstelle KASH

Burg Hohenklingen

39

Stein am Rhein

Diverse Diverse 174

Schaffhausen

111 105 +147 112

Neunkirch

124 Diverse

Dendrodatierung (*= Archäologische Datierung)

Mauerstärke in m

1219–ca.1226

0,90–1,10

Mauerhöhen ab Grabensohle in m I/II (Z=Zinnenkranz) 7,0 Z–9,0 (Palas)

1393

1,90–2,70

7,0 Z

Stadtmauer

um 1260

0,90–1,10

STM, Neustadt 1/3 STM, Bahnhofstr. 50, Engelbrechtstor STM, AdlerWest+Nord STM, Bachstrasse STM, Munot Flankenmauern STM, Schwarztor Stadtmauer

1296/1381

1,60/1,30

um 10,5 (Z nur Bildquellen) ?/14,0 Z

vor 1268/14. Jh.*

1,30/1,10

9,0 Z/14,0 Z

Objekt R=Ringmauer STM=Stadtmauer Ringmauer R, Schildmauer Nordost

Stück des freitragenden, hölzernen Wehrgangs aus der Zeit um 1380 erhalten, der zeitlich mit jenem von 1393 auf der Nordostmauer von Hohenklingen korrespondiert. Der südliche, hölzerne Wehrgang auf der Burg Hohenklingen ist hingegen in der Zeit des 30-jährigen Krieges entstanden, als in Schaffhausen an der ostseitigen Flankenmauer des Munots eine markante, steinerne Courtine als Wehrgang erbaut wurde.251 Grundsätzlich beträgt die Breite der Wehrgänge 1,3–1,7 m. Sie lagen aber nur teilweise frei, wie in den eben erwähnten Beispielen. Oft führten sie, nachgewiesen in der Stadt Schaffhausen, durch die Dachräume der vielfach an die Stadtmauer angebauten Häuser. Sie waren von diesen mit einer Fachwerkwand abgetrennt, so dass ein durchgehender, geschlossener Gang bestand. Einzig in Stein am Rhein gab es bislang noch keine Gelegenheit, den in Bildquellen dargestellten Zinnenkranz der Stadtmauern zu untersuchen. Grundsätzlich zeigen die Zinnen eine gewisse Variabilität. Sie sind im 13./14. Jahrhundert liegend rechteckig und immer breiter als die Zinnenöffnung. An den Türmen hingegen sind die Zinnen stehend rechteckig. Später tendieren sie zur quadratischen Form, erstmals 1393 an der östlichen Schildmauer auf Hohenklingen nachgewiesen. Hier findet sich auch das jüngste Beispiel: als Nachzügler aus der Renaissance lässt der Burgzwinger die Zinnen wieder aufleben und Breite und Abstand von Zinnen und Öffnungen gleichen sich an. Noch um 1420 wurde in Schaffhausen der ins städtische Hochwachtsystem eingebundene neue Turm der Stadtkirche St. Johann mit einer eigentlichen Wehrplattform mit Zinnenkranz ausgestattet, die wie der neue Turm auf Hohenklingen mit Sandsteinplatten abgedeckt ist und Entwässerungsrinnen entlang der Zinnenmauern mit Wasserspeiern in den Ecken aufweist. Auf eine Wehrplattform mit Zinnenkranz verzich-

um 1200

1,70/1,30 (W) 0,90/0,80 (N) 1,40–1,80

?

um 1360

um 0,80

10,5 Z

13. Jh.* um 1260

1,20­–1,70 0,80–1,20

? um 10,5 Z

1283/um1380

8,5 Z/11,5 Z

tete man erstmals 1491 am neu aufgestockten, nur noch zu Befestigungszwecken dienenden Schaffhauser Obertorturm, wo von Anfang an Scharten eingebaut und ein Dach aufgesetzt wurden. An den Stadtmauern ist die Zinnenbekrönung vermauert und durch Schiessscharten mit Prellhölzern für Hand- oder Hakenbüchsen ersetzt worden, die in den Schaffhauser Stadtrechnungen bereits ab 1413 auftauchen.252 Wo es sinnvoll war, hat man diese Scharten direkt in die ausgemauerten Zinnenöffnungen eingefügt. Hohenklingen um 1460 ist das älteste, bislang eindeutig datierte Beispiel für diesen Vorgang. An allen Vergleichsobjekten gibt es Schlitzscharten als einfache Mauerscharten oder solche mit Kalk- oder Sandsteingewänden, wie sie auch die Maulscharten aufweisen. Schlüsselscharten, die üblicherweise aus Sandstein gefertigt wurden, kommen nur in Schaffhausen nicht vor. Wohn- und Wirtschaftsbauten Wie die nachfolgenden Zusammenstellungen zeigen, wissen wir mittlerweile im 13. und früheren 14. Jahrhundert auch über die steinernen und weitgehend ziegelbedeckten Wohn- und Wirtschaftsbauten innerhalb der mittelalterlichen Ringmauern gut Bescheid. Die nur in Schaffhausen und Stein am Rhein vorkommenden Adelshöfe liegen an prominenter Lage. Ihr Hauptgebäude schliesst jeweils an ein Stadttor und/oder an die Stadtmauer sowie direkt an eine Strasse an. Die Häuser der Bürger finden sich verteilt über das ganze Stadtgebiet. Am Stadtrand sind sie ebenfalls direkt an die Stadtmauern angebaut, im Stadtinnern liegen sie heute jeweils im hinteren Teil der Vorderhäuser, an beiden Orten jeweils mit einem deutlichen Abstand zur Strasse hin. Weil die Parzellen im Stadtinnern ursprünglich grös81


Zinnen 13.–17. Jahrhundert. Ort

Fund­ stelle KASH

Objekt

Dendrodatierung Zinne BxH (*= Archäologische Datierung) in m

Schildmauer Ost

1393

Neuer Turm

1407

Schildmauer Ost Schildmauer Nord Zwinger

Um 1460 Um 1460 2.H. 16./1. H.17. Jh.*

Zinnen Abstand in m 1,05

Scharten SS=Schlitz-/ MS= Maulsek. MS +SS

0,90

sek. MS

2,30 Keine! 0,75

sek. Fenster orig. SS

0,90

sek. MS

1,20 1,53

keine sek. SS

Burg Hohenklingen

39

Stein am Rhein

52

Hexenturm

1319

111 138

Adler Nord Neustadt 1/3 Munot-Ost unterhalb Römerturm Diebsturm Neustadt 51 Haberhaus Bahnhofstr. 50, Engelbrechtstor Adler-West Adler-Nord

1283 um 1300*

1,65x1,65 1,70x2,20 (ohne Brüstung) 0,70x0,70 Keine! 0,75x0,75 1,20x2,20 (ohne Brüstung) 1,55x1,00 1,90x1,55

um 1360

2,20x1,45

1,38

sek. SS

1381

?x2,30

1,05

sek. SS

um 1380* wie Diebsturm

1,64x1,10

1,25

sek. SS

um 1380* wie oben

ca.2,00x1,20

ca.1,50

sek. Fenster

um 1380* wie oben um 1380* wie oben

1,40 1,15

sek. SS sek. SS

0,90–1,00

sek. MS

0,93 Keine!

sek. SS orig. SS

112 136 208 Schaffhausen

174

92

St. Johann, Turm

um 1420

138 108

Neustadt 1/3 Obertorturm Munot-Ost oberhalb Römerturm Hintergasse 33

15./16 Jh.* 1491

1,64x1,18 2,00x1,40 1,40–2,20x1,70 (mit Brüstung) 2,50x1,10 Keine!

um 1630

Keine!

Keine!

orig. SS

?

1,29x1,25

1,29

sek. Fenster

111

112 Neunkirch

43

ser waren, ist teilweise eine ursprünglich zentrale Lage der Häuser im Grundstück möglich. Hinweise auf hölzerne Stadthäuser im vorderen, an die Strasse anschliessenden Parzellenbereich, wie sie regelhaft aus mittel- und norddeutschen Städten, uneinheitlicher aus dem Süden und Westen des deutschen Reiches, bekannt sind, fehlen in unserer an Bausteinen reich gesegneten Region.253 Den gleichen Befund liefert die Steinburg Hohenklingen, und auch die Schriftquellen, die mindestens für Schaffhausen aus dieser Zeit vorhanden sind, nennen als Rarität ein einziges Holzhaus.254 Für die rückwärtige oder zentrale Lage der Bürgerhäuser im Grundstück waren zweifellos entsprechende Bauvorschriften und Baulinien massgebend. Der Begriff Kernbau ist deshalb grundsätzlich angebracht für die Steinbauten der Städte Stein am Rhein und Neunkirch, während in der viel älteren Stadt Schaffhausen einem Kernbau aus dem 13. Jahrhundert selbstverständlich ältere, ebenfalls steinerne und allenfalls in Einzelfällen auch hölzerne Vorgänger aus dem 11./12. Jahrhundert vorangehen können. Diese treten aber meist nur fragmentarisch als Ausgrabungsbefunde zu Tage und liegen im rückwärtigen Parzellenbereich, oder sind weitgehend zerstört durch spätere Unterkellerungen.255 Grundsätzlich gibt es drei Bautypen, die sich so82

wohl in den Bauten des Adels (AD), als auch im städtischen Hausbau (ST) finden: Typ A bezeichnet Bauten mit einem zum Quadrat hin tendierenden Grundriss, die fast immer unterkellert sind, Typ B und C Bauten mit rechteckigem Grundriss. Typ B ist ebenfalls unterkellert und mit der Längsseite zur Strasse hin ausgerichtet. Typ C ist hingegen nicht unterkellert und bei den Adelsbauten mit der Längsseite, bei den städtischen Bauten mit der Schmalseite zur Strasse hin orientiert. Sonst machen alle Bautypen einen recht einheitlichen Eindruck. Detaillierte Funktionen scheinen sich über die Bauformen nur in Einzelfällen zu erschliessen, meist scheint eine kombinierte Nutzung vorzuliegen. Die Bauten des Adels, Typen A–C/AD (Tabellen S. 83) Die Wohntürme oder herausragenden Steinbauten der Adelshöfe in Schaffhausen und Stein am Rhein datieren von etwa 1100 bis 1373. Häufig besitzen sie einen Grundriss, der zum Quadrat hin tendiert (8 x Typ A/AD), seltener ist der Grundriss rechteckig (6 x Typ C/AD); der Typ B/AD ist bislang nicht nachgewiesen. Sie liegen, wie erwähnt, an den Strassenfluchten, und ihre Mauerstärken betragen 0,85–1,25 m beim Typ C/AD,


2. H.13. Jh.*

R und STR

7.28x7.45 54

R und STR

9,5x10,6

100

R und STR

6,3x8,1

51

R und STR

5,2?x6,6

35?

5/ca.3,2 (ohne Keller)

90

Obergass 8, 1311 Grosses Haus Obergass 6, 1373 55 Winde Oberstadt 23, 196 Oberhaus (Stadt- um 1100* burg) 57

Oberstadt 28, 108 Obertorturm

104

4,5/ca.3,5–4,0 216 BK 4,5/3,0–3,3 BK 4,5/2,7 BK

400 204 175?

R und STR

6,4x7,0

45

2,5/4,5 BK

13. Jh.*, AufsR und STR tockung 2. OG

6,8x7,4

50

1/4,2

140

5,2x5,2

27

ca. 5 /ca.3,5 (ohne Keller)

135

um 1150*

108

Oberstadt 28, Obertorturm

189

Fronwagplatz 14, um 1340* Turm am Ort

STR

1,90 ? 1,90–2,70 E von BQ 1406 1,20 BQ 1,20 BQ 1,20 BQ

E von 1311 E von 1373

1,00–1,20 BQ

Fenster, Türen

Fronhof 4, Aarburg-/Oberhof

26

112–168

Dach Stuhl: E= Erhalten, N= Negativabdruck

Im Burginnern 4,9x5,4

2,5–3,5/? BK? 4,5/2,6–3,4 BK

Mauer Stärke in m, BQ=Buckelquaderverband

1250/51–54

56

Wohn-/Nutzfläche (ohne Keller) m2

Neuer Turm

7,5x7,5?

Geschosse in m (0,5=Halb-keller) und StwH, BK=Balkendeckenkeller, GK=Gewölbekeller

An R Ost

m2 (innen)

Um 1230*

B x L in m (innen)

Dendrochronologische Datierung (*= Archäologische Datierung)

Alter Turm

Lage, anschliessend an: R=Ringmauer, STM=Stadtmauer, STR=Strasse

Objekt

Fundstelle KASH

Burg Hohen klingen

59

Schaffhausen

39

Stein am Rhein

Ort

Wohn- und Wirtschaftsbauten des Adels 12.–14. Jahrhundert: Typ A/AD, halbunterkellerte, quadratische bis leicht rechteckige Bauten.

X

X X X

1,80, bzw. 2,60 (West) BQ 1,60 bzw. 2,40 BQ 1,40–1,50 E von BQ 1370

X

Schaffhausen

58

Dendrochronologische Datierung (*= Archäologische Datierung)

4/2–3,1

256

0,90–1,10

Palas O

1255/68

R Nord und Süd

6,5x9,5

62

2–4/2,3–3,0

230

0,90–1,10

STR

6,1x 8,7

53

2/?

106

0,90

BlendArkaden

R und STR

5,0x17,2

86

3/2,8–3,0

258

0,90

X

Rathausplatz 11, Steinerner Um 1100* Trauben Fronhofgass1/3, Niederhof um 1290 (Ökonomieteil)

m2 (innen)

124

Freier Platz 8, Schwarztor

Um 1200*

6,0x7,8

47

3?/3,0

141?

0,85–1,15

73

Neustadt 81, Alter Turm

Sonderfall: ausserhalb Stadtmauer, hinten

2. H. 13. Jh.*

STR

5,95x7,5

45

4?/?

180?

1,25 BQ

E von 1423 E von 1423

Fenster, Türen

64

DachStuhl: E= Erhalten, N= Negativabdruck

6,0x10,7

Geschosse und StwH in m

R West

B x L in m (innen)

1219

Lage, anschliessend an: R=Ringmauer, STM=Stadtmauer, STR=Strasse

Mauer Stärke in m, BQ= Buckelquaderverband

-

Palas W

Objekt

Fundstelle KASH 39

Wohn-/Nutzfläche m2 (ohne Keller)

Stein am Rhein

Burg Hohenklingen

Ort

Wohn- und Wirtschaftsbauten des Adels 12.–13. Jahrhundert: Typ C/AD, ebenerdige, nicht unterkellerte Rechteckbauten.

X X

83


1,0–1,9 m beim Typ A/AD, teilweise mit angriffseitiger Verstärkung bis 2,7 m. Meist kommt Buckelquaderverband in den Ecken, typisches Kennzeichen von Adelsbauten, hinzu. Der häufigere Typ A/AD besitzt fast immer einen halb eingetieften Keller mit Balkendecke, mit Ausnahme des ältesten und des jüngsten Gebäudes in Schaffhausen, der Stadtburg und dem Turm am Ort. Darüber liegen drei bis fünf, üblicherweise aber vier Geschosse mit Stockwerkhöhen von 2,6–4,5 m. Die Wohnflächen pro Geschoss liegen im Bereich von 26–56 m2, die gesamte Wohn- und Nutzfläche beträgt damit 90–216 m2. Singulär ist das bis zum Dachfirst erhaltene Grosse Haus von 1311 in Stein am Rhein mit 100 m2 Grund- bzw. 400 m2 Wohn- und Nutzfläche. Der etwas seltenere Typ C/AD ist nicht unterkellert, mit der Längsseite zur Strasse hin orientiert und besitzt zwei bis vier Geschosse mit niedrigeren Stockwerkhöhen von 2–3,1 m. Die Wohnflächen pro Geschoss liegen im Bereich von 45–64 m2, die gesamte Wohn- und Nutzfläche beträgt damit 106–256 m2 und ist somit etwas grösser als beim Typ A/AD. Ein Sonderfall ist der Nordostflügel des hohenklingischen Niederhofs, der sicher als Ökonomiegebäude zu interpretieren ist und Dimensionen von 5 x 17 m aufweist, bei einer gesamten Nutzfläche von 258 m2. Stadthöfe und ältere Türme erreichen bis zum Dachansatz eine Höhe zwischen 11 und 13 m, jüngere Türme bis zu 18 m. Zum Teil noch höher sind die hier nicht berücksichtigten reinen Befestigungstürme, die zum Teil auch rund sein können. Damit überragen die Adelsbauten die Stadtmauern um mindestens ein Geschoss. Teilweise wurden sie später aufgestockt, wie der Stadtbering auch. Nur die Türme sind durch Hocheingänge erschlossen, deren Schwelle jeweils etwa 6–7 m über dem Boden liegt, also bereits auf Wehrgangniveau. Die Turmschäfte waren also nur vom Turminnern aus zugänglich. Einzige Ausnahme ist der Obertorturm in Schaffhausen, ein Wohnturm, der zwar an der Stadtmauer liegt, aber stadtinnenseitig Aussentüren zum halb eingetieften Kellergeschoss und zum hochliegenden Erdgeschoss aufweist und zudem durch seine singulären, repräsentativen Stockwerkhöhen von je 4,5 m hervorsticht. Nicht unterkellert und wie der Palas von Hohenklingen rechteckig, sind die Reste eines (adeligen?) Kernbaus beim Schwarztor, der vorerst ausserhalb der Stadtmauer lag und der alte Turm in Schaffhausen. Letzerer, 1299 erwähnt, ist bislang noch nicht untersucht. Er war Stadthof der Roten von Randenburg, die hier das Schultheissenamt innehatten und deren namengebende Burg auf dem Schleitheimer Randen lag.

84

Die Bauten der Stadtbürger Sie datieren von 1208 bis 1333 und unterscheiden sich von den Adelsbauten durch ihre Lage, nicht anschliessend an die Strasse, sondern zentral in der Parzelle gelegen und durch geringere Mauerstärken von 0,6–0,9 m. Leicht reduziert sind auch die Geschosshöhen von 2,3–3,5 m und die Wohnflächen. Sie liegen pro Geschoss im Bereich von 15–30 m2 (Typ A/ST), bzw. 29–47 m2 (Typ B/ST und C/ST). Die gesamte Wohn- und Nutzfläche beträgt mit 36–94 m2 einen Bruchteil der Adelsbauten. Spannend ist die Feststellung, dass sich auch der Mittelbau-Nordost von Hohenklingen nahtlos in diese Steinbauten der Stadtbürger einfügt. 1258– 1283 ist er als vom Boden abgehobener Holzbau nach Süden bis zur Umfassungsmauer und nach Westen erweitert worden. Genauso wurde 1393 auch der Osthof auf Hohenklingen zwischen Schildmauer und neuem Turm überdeckt mit hoch liegenden Nutzflächen, die auch ebenerdig einen trockenen Raum schafften! Dies kann als wichtiger Hinweis für die Rekonstruktion mittelalterlicher Städte dienen, wo freistehende Kernbauten in ähnlicher Art durch solche, vom Boden abgehobenen Leichtbauten verbunden gewesen sein könnten. Städtische Bauten Typ A/ST (Tabelle S. 85) Typ A/ST der städtischen Kernbauten ist bislang zehnmal nachgewiesen. Dazu gehört der Mittelbau-Nordost von 1253 auf dem Hohenklingen, der wie das Haus im Winkel im Neunkircher Altersheim erlebbar geblieben ist. Es sind kleinere quadratische bis leicht rechteckige Bauten, die mit einer Ausnahme (Neunkirch-Winkel) halbunterkellert sind. Der Keller weist üblicherweise eine Holzbalkendecke auf, teilweise aufliegend einem Unterzug mit Stud; seltener ist ein gemauertes Gewölbe. Darüber liegen zwei, seltener drei Geschosse, die gleich wie der Keller einzeln durch Aussentüren und Lauben erschlossen sind. Das Pultdach – noch erhalten von 1345 beim Haus zum Bären in Feuerthalen ZH – ruht üblicherweise auf massiv gemauerten Aussenwänden. Ziegelbedeckte Dächer sind in unserer Region die Regel und nicht die Ausnahme, in Schaffhausen sind sie flächendeckend ab 1100 nachgewiesen.256 Bereits in eine Spätphase gehört das zweigeschossige Haus zum Straussen in Schaffhausen, dessen rückseitige, nochmals zwei Stockwerke hohe Stirnwand des Pultdaches aus Fachwerk mit Lehmflechtwerk besteht. Sie datiert, wie die Deckenbalken seines steinernen Unterbaus, ins Jahr 1354. Dies könnte als Hinweis gedeutet werden, dass unsere steinernen Bauten in Einzelfällen auch kleinere, völlig abgegangene, hölzerne


54

Schaffhausen

133

Oberstadt 3 Bürgerasyl Oberstadt 5, Rehbock Tunellgässchen 2, Tunell

116

Pfarrhofgasse 1, Gerbe

116

Pfarrhofgasse 1, Gerbe

116

Pfarrhofgasse 1, Gerbe

116

Pfarrhofgasse 1, Gerbe

129

Unterstadt 26, Lindenbaum

Dpfl. ZH Dpfl. ZH Neunkirch

MittelbauNordost

Untere Rheingasse 5, Bären (heute Feuerthalen) Untere Rheingasse 5 Bären (heute Feuerthalen)

HV

5x6

30

um 1305

HV

4,3x6,3

1. H. 13. Jh.*

HV

4,4x6,8

HV

4,0x4,6

0,5 ? 18 BK?

HV

3,5x4,4

15

HV

4,1x4,7

HV

13./14 Jh.*,

HV

1262

Sonderfall: 4,8x6,3 an Brücke/Rheinufer

um 1302*

Erw. Kernbau I vor 1299 (wiederv. 1220) Kernbau II 1299 14 Jh.*, 1. Aufstockung 2. OG Kernbau II 14 Jh.*, 2. Aufstockung 3. OG Kernbau II

2,5/ 2,6 BK

58

2,5? 60? BK 2,5/2,7–3,0 54 27 BK 3,5/3,1–3,5 90 30 GK

0,60

0,75

X

0,75

X

0,55

45

0,90

19 1/2,6

64

0,70

4,1x4,7

19 1/2,8–4,3

83

0,70

4,6x5,6

3,5/um 2,7 26 BK?

78

0,60

60

0,85– 0,95

30

2,5/2,9 GK

1345 Aufstockung 2. OG Sonderfall: 5,0x6,5 Kernbau von an Brücke/Rheinufer 1262

33 1/2,8–3,2

93

0,75

56

Oberhofgasse 2

1263

STM

3,2x6

19 2,5/2,5, BK 38

0,60

31

Hintergasse 1 Winkel

1277

STM

6,5x6,8

44

2 (ohne Keller)/2,8

0,70

Aufbauten besessen haben können. Beim Winkel in Neunkirch verjüngt sich das Mauerwerk auf der Nordseite, auf Höhe der Erdgeschossdecke, nicht wie üblich innen, sondern aussen. Ein sehr seltener aber deutlicher Hinweis auf ein Balkenauflager im Zusammenhang mit zwei vorgesetz-

88

X

0,75

2,5/2,8 BK

Fenster, Türen

29

Dachstuhl: E= Erhalten, N= Negativabdruck

5,1x5,6

Mauerstärke in m

R

1253

Wohn-/Nutzfläche (ohne Keller) m2

Geschosse (0,5=Halbkeller) und StwH in m, BK=Balkendeckenkeller, GK=Gewölbekeller

Lage, anschliessend an: R=Ringmauer, STM=Stadtmauer, HV=Hinten im Vorderhaus, bzw. Parzellenzentrum

Dendrochronologische Datierung (*= Archäologische Datierung)

m2 (innen)

35

Objekt

Fundstelle KASH 39

B x L in m (innen)

Stein am Rhein

Burg Hohenklingen

Ort

Städtische Wohn- und Wirtschaftsbauten 2. Hälfte 13. – 1. Hälfte 14. Jahrhundert: Typ A/ST, halbunterkellerte, quadratische bis leicht recht­ eckige Bauten.

X

N

E von 1345

X

ten, überwölbten Erdgeschossräumen, vergleichbar mit der Situation vor dem Palas auf Hohenklingen. Zum einen als Teil der Treppenanlage, zum andern war das zweite Gewölbe neben dem Eingangsportal ein feuersicheres Archiv/ Tresorraum. Die Fenster sind gegen die Strasse 85


Neunkirch

Stein am Rhein

Obergass 16 Maierisli Obergass 18, Augustiner

61 56

1267

STM

4,4x6,5

29

1265

STM

4,6x6,7

31

3,5/ 2,4–3,0 87 BK 2,5/ 2,3 62 GK

0,60–0,80

Brodlaubengass 15, Obere Sonne

1320

HV

5,3x7,3

39

2,5/ BK

57

Herrengasse 22

um 1305

STM

4,8x8,1

39

2,5/2,5–3,2, 78 BK

0,80

45

Herrengasse 20

1333

STM

5,3x8,1

43

2,5/2,3–3,1 BK

0,90

86

Fenster, Türen

0,80

60

78

Dachstuhl: E= Erhalten, N= Negativabdruck

Mauerstärke in m

Wohn-/Nutzfläche (ohne Keller) m2

Geschosse (0,5=Halbkeller) und StwH in m, BK=Balkendeckenkeller, GK=Gewölbekeller

m2 (innen)

B x L in m (innen)

Lage, anschliessend an: R=Ringmauer, STM=Stadtmauer, HV=Hinten im Vorderhaus, bzw. Parzellenzentrum

Dendrochronologische Datierung (*= Archäologische Datierung)

Objekt

Ort

Fundstelle KASH

Städtische Wohn- und Wirtschaftsbauten 2. Hälfte 13. – 1. Hälfte 14. Jahrhundert: Typ B/ST, halbunterkellerte Rechteckbauten.

0,80–0,90

X

X

Stein am Rhein

50

Unterstadt 20, Steinfels

30

Unterstadt 18, Lindwurm-West

153

Schaffhausen

174 189 186 218

86

Älter als LindwurmWest, vor 1279 1279 nach Brand

Unterstadt 27, 1208 Pelikan Löwengässchen 12, 1268 Engelbrechtstor 12./1. Fronwagplatz 14, H.13. Jh*, Hinterhaus umgebaut Turm am Ort 1273 Herrenacker 15, Um Kornhaus 1300* Vorstadt 58, Um kl. Traubenlust 1300*

HV

4,5x8,0

36

2/2,7

72

0,80

HV

4,9x8,0

39

2?/3,2

78

0,75

HV

4,7x7,0

33

2/2.55

66

0,85

STM und HV

4,3x11,0 47

2/2,3–3,2

94

0,60–0,70

HV

4,5x8,0

36

1,5?/3,3 Gewölbe­ keller Umbau 1273 ?

36?

0,70

HV

5,5x8,2

45

3/2,75–3,3

135

0,90

HV

4,0x8,5

34

2/2,75

68

0,50

N

Fenster, Türen

Dachstuhl: E= Erhalten, N= Negativabdruck

Mauerstärke in m

Wohn-/Nutzfläche (ohne Keller) m2

Geschosse und StwH in m

m2 (innen)

B x L in m (innen)

Lage, anschliessend an: R=Ringmauer, STM=Stadtmauer, HV=Hinten im Vorderhaus, bzw. Parzellenzentrum

Dendrochronologische Datierung (*= Archäologische Datierung)

Objekt

Ort

Fundstelle KASH

Städtische Wohn- und Wirtschaftsbauten 13. Jahrhundert: Typ C/ST, ebenerdige, nicht unterkellerte Rechteckbauten.


hin und/oder auch zum Hinterhof orientiert. Sie kommen als Einer- oder Zweierfenster (Bifore) vor, mit Rund- oder Spitzbogen, ab der Zeit nach 1300 werden sie rechteckig. Die oft von Anfang an eingeplanten Brandmauern sind selbstredend fensterlos. In den Stadtmauern können trichterförmige Lichtscharten dahinter angebaute Gebäude belichten, so im Winkel in Neunkirch im ersten Obergeschoss. Dem entsprechen gleichförmige Scharten in der Ringmauer des Hohenklingen, die zum Erdgeschoss des Palas gehören. Zudem sind im Obergeschoss manchmal knapp unter der Decke liegende Belüftungsöffnungen zu beobachten. Von der Inneneinrichtung sind immer wieder Herd- bzw. Ofenstellungen nachzuweisen: Der Wechselbalken des Rauchfangs in der Deckenkonstruktion ist jeweils der letzte Rest von offenen Feuerstellen. Kamine fehlen bislang, abgesehen vom neuen Turm auf Hohenklingen. Einzelne Wandnischen dienten zur Aufbewahrung von Licht, Wasserkrügen, Geräten u.a. Fast alle diese Merkmale zeigt der Kernbau von 1299 im Haus zur Gerbe in Schaffhausen, der später in zwei Schritten um je ein Geschoss zum Wohnturm aufgestockt worden ist. Mit 15 m2 besitzt er die kleinste Grundfläche des Typs A/ST und legt die Vermutung nahe, dass hier ein Handwerker die Türme des Adels nachahmte.257 Durch seine prominente Lage und die herausragende Grundfläche von 44 m2 dürfte auch beim Winkel in Neunkirch eine Sonderfunktion vorliegen; es dürfte der bischöfliche Meierhof gewesen sein. Städtische Bauten Typ B/ST (Tabelle S. 86 oben) Typ B/ST der städtischen Kernbauten ist fünfmal nachgewiesen und unterscheidet sich im Wesentlichen nur durch seinen rechteckigen Grundriss von Typ A/ST. Er ist ebenfalls unterkellert und vor allem wie die Bauten des Adels (Typ C/ST) mit der Längsseite zur Strasse hin ausgerichtet. Bemerkenswertestes Beispiel ist das Hinterhaus der oberen Sonne in Stein am Rhein, das in dieser Form weitgehend ursprünglich erhalten blieb. Es steht als einziges Gebäude noch heute zweiseitig frei und ist so von aussen erlebbar geblieben. Städtische Bauten Typ C/ST (Tabelle S. 86 unten) Rechteckig, aber im Gegensatz zu Typ B/ST nicht unterkellert, ist der bislang siebenmal festgestellte Typ C/ST der städtischen Kernbauten, der sich mit der Schmalseite zur Strasse hin orientiert. Sonst unterscheidet er sich kaum von den bisher genannten Bauten. Auch hier sind auf Steinbauten

hölzerne Aufbauten nicht ausgeschlossen, wie die Nachbarhäuser des Hauses Unterstadt 27 aus dem Jahr 1208 zeigen. Die südseitige Hälfte des älteren Hauses 25 bestand im ersten Obergeschoss aus Holz; ein Holznegativ liess sich auch für das nachträglich aufgesetzte zweite Obergeschoss von Haus 29 beobachten, offenbar lag hier jeweils eine geheizte, hölzerne Stube und nordseitig die gemauerte Küche. Vereinzelt sind Pfostenfenster nachzuweisen, seitlich auch kleine Scharten zur Belüftung der Räume. Später wurden diese manchmal durch anschliessende Gebäude verbaut.258 Einen bemerkenswerten Befund zur Inneneinrichtung zeigt das Haus zum Pelikan von 1208. Im Erdgeschoss trennte ein meterbreiter Längsgang den als Lager und Werkraum genutzten Ökonomieteil ab; süd- oder rheinseitig sind sowohl der Gang als auch der Ökonomieteil mit nebeneinander liegenden Türen von aussen her erschlossen. Ein Sonderfall ist das Haus am Herrenacker 15 mit seiner aussen liegenden Glocken- und Hafengiesserwerkstatt. Die Wohn- und Wirtschaftsbauten in den Schriftquellen Als Vergleich zu den archäologisch untersuchten adeligen und städtischen Wohn- und Wirtschaftsbauten sind die schriftlichen Quellen aus dieser Zeit sehr spannend. Nur in Schaffhausen gibt es aus dieser Zeit zwei Grundzinsrödel von 1253 und 1299.259 Der Boden gehörte weitgehend dem Klos­ter Allerheiligen, sein Kämmerer machte jährlich einen Rundgang durch die Stadt, auf dem die Grundzinsen eingefordert und in diesen Rödeln notiert wurden: 1253 sind zehn Häuser als aus Stein gebaut (lapidea) aufgeführt. Sie sind wohl weitgehend identisch mit fünf steinernen Häusern lapidea und sechs Türmen (turri), welche im Rodel von 1299 genannt werden. In Letzterem erscheint in Übereinstimmung mit den archäologischen Befunden nur ein einziges Holzhaus (lignea), während die übrigen 355 Häuser als domus bezeichnet werden. Domus meint also ganz offensichtlich die üblichen, zwei bis dreigeschossigen Steinhäuser der Typen A, B und C, die teilweise mit kleineren, hölzernen Aufbauten oder eingebauten, von aussen sichtbaren Bohlenstuben versehen waren. Es sind also nicht schindelgedeckte Holzhäuser, wie dies die Historiker jeweils für die Stadtanlage vor dem Stadtbrand von 1372 angenommen haben.260 Im Weiteren sind in beiden Rödeln jeweils 18 Hofstätten (area) erwähnt, also wohl unbebautes Land. 1299 werden jeweils zugehörend zu einem Haus eine Werkstatt (fabrica), ein Stall (stabulum), eine Scheune (horreo) sowie einzeln eine Trotte (torcular) genannt. Nur 1253 sind drei Keller (cellarium) und vier Höfe (curtis) aufgeführt, drei da87


Osterfingen

Schaffhausen Merishausen

Oberdorf 1948 Haus VI

8./9. Jh.*

Oberdorf 1986

14. Jh.*

2

Berslingen Typ I

70 19

4

5,8x7,35

1?

43

77

1

77

7.–12. Jh*

57–96

1

57–96

Mogern

14.-15. Jh.*

3,6x5,6 (Keller)

20

1–2

?

Beim Schulhaus, Struktur 3

10. Jh.*

?x 9,0

mind. 50

1

mind. 50

Zur Funktion der Wohn- und Wirtschaftsbauten Zur Frage der Hausfunktionen müssen wir auch die Grabungsbefunde im Kanton mit einbeziehen, weil erhaltene Häuser auf der Schaffhauser Landschaft nicht vor die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts zurückreichen (Tabelle oben).261 Mit den Fundamenten des Fron- oder Meierhofes Osterfingen-Oberdorf findet sich ein einziges, mittelalterliches Steinhaus auf der Landschaft, das bereits aus dem 8./9. Jahrhundert stammt. Abgesehen von seinen Massen liefert es aber keine weiteren Informationen. In einer späteren Grabung fanden sich 30 m unterhalb davon, direkt an der Hauptstrasse, Spuren eines Ständerbaus mit Schwelle auf einer Steinrollierung mit einem kleinen, einhäuptig gemauerten Keller aus dem 14. Jahrhundert. Das Gebäude war mit Hohlziegeln bedeckt, besass eine Feuerstelle in der Nordwest­ ecke und einen Ofen, der nach einem Brand in den ostseitigen Keller stürzte, wie eine grössere Menge Ofenkacheln belegt. Ein ähnliches Gebäude mit Feuerstelle aber ohne Ofen kennen wir von Merishausen. Schliesslich ist der Meierhof Mogern nördlich von Schaffhausen zu erwähnen, von dessen mehrhäusigem Gehöft leider nur ein

Mauerstärke in m

Wohn-/Nutzfläche (ohne Keller) m2

Geschosse und StwH in m

43

ca.5,5x14,0/ 3x3,6(Keller) 5,2–6,4x11,0–15,0

von im Besitz der Schultheissen und am Obertor gelegen. Zudem finden sich infra civitatem, also im Bereich der Unterstadt am Rhein, zehn Grundstücke, die als fülli, als aufgefülltes Land bezeichnet sind. Ebenfalls in der fülli, an der Rhein­brücke liegt der vierte Hof (curtis) von Hermann Brümsi, genannt am Stad. Erwähnt sind zudem in beiden Rödeln jeweils wenige Baumgärten (pomerium), Weingärten (vinea), Wiesen (pratum) und Äcker (agrorum). Gärten (orto, hortus) werden 1253 etwa 60 aufgeführt, die meistens aber ausserhalb der Stadtbefestigung an den umliegenden Hängen lagen.

88

m2 (innen)

B x L in m (innen)

(*= Archäologische Datierung)

Objekt

Fundstelle KASH

Ort

Ausgegrabene, ländliche Vergleichsbauten.

0,60 Ständer auf Schwellbalken Pfostenbauten Ständer auf Schwellbalken Ständer auf Schwellbalken

Keller mit Kellerhals ausgegraben ist. Das einhäuptige Mauerwerk weist hier auf einen ehemals darüberliegenden, ein- oder zweigeschossigen Ständerbau auf einer Schwelle hin.262 Ganz auffällig orientieren sich die rechteckigen Grundrisse der städtischen Steinhäuser des Typs B/ST und C/ST an den zweischiffigen Holzhäusern des Typs I, die in der Wüstung Berslingen bei Schaffhausen vom 7.–12. Jahrhundert gebaut wurden und auch andernorts oft nachgewiesen sind. Deren Achsmasse betragen 5,2–6,4 m bei Längen von 11–15 m mit etwas kürzeren oder längeren Varianten, und sie sind mit ihren Schmalseiten gegen die Landstrasse ausgerichtet.263 Unser Haustyp B/ST und C/ST besitzt deckungsgleiche Achsmasse von 5,0–6,4 m Breite bei 7,3– 11,7 m Länge, die gesamten Wohn-/Nutzflächen entsprechen mit 62–94 m2, abgesehen von zwei Ausreissern, sehr schön den Berslinger Bauten des Typs I mit 57–96 m2. Weil wir davon ausgehen können, dass die ländlichen Pfostenhäuser eingeschossig waren und als Wohnstallhäuser anzusprechen sind, können wir uns die gleichen Flächen im Stadthaus aufeinander gestapelt vorstellen, entsprechend den gestelzten Klein­­ bauernhäusern, wie sie sich aus späterer Zeit auf der Schaffhauser Landschaft erhalten haben.264 Der nicht unterkellerte Typ C/ST steht somit in der Tradition dieser Bauernhäuser. Er kann als städtisches Bauernhaus aber auch durch verschiedenste Handwerker genutzt worden sein, während man die unterkellerten Häuser des Typs A/ ST und B/ST wohl mehr Kaufleuten, Händlern, Wirten oder bestimmten Handwerkern zuschreiben darf.265 Auf Hohenklingen diente ein Haus des Typs A/ST den Dienstleuten. Viele Stadtbewohner beschäftigten Knechte und Mägde, die ebenfalls untergebracht werden mussten, Händler brauchten Lagerflächen und je nachdem auch einen Keller für die Vorräte, genauso wie die Wirte für den Wein oder die Weber als erdfeuchten


Arbeitsraum, etc. Vorräte wurden immer auch im Dach gelagert. Je nach Bewohner und Tätigkeit ist im Einzelfall selbstverständlich mit fliessenden Übergängen zu rechnen, und zweifellos ist die Grösse der Nutzfläche ein weiteres, wichtiges Indiz. Klarere Antworten wird aber erst die Auswertung der jeweiligen Besitzergeschichte geben können.266 Von Einzelbauten zu geschlossenen Häuserzeilen (Tabelle S. 90) Wie aus den Kernbauten schliesslich Zeilenbauten entstanden, zeigt unsere folgende Tabelle mit bisher 20 untersuchten Beispielen im Zeitraum von 1317–1423. Die Erweiterungen der Kernbauten erreichen nun die Strassenflucht, können in Einzelfällen aber vorerst noch 5–7 m dahinter liegen, bis sie später ebenfalls geschlossene Gassenfronten bilden. Damit enden weitgehend auch die Aufschüttungen des Strassenraums durch Kies, die in Schaffhausen das Gehniveau in 300 – 400 Jahren um einen bis zweieinhalb Meter angehoben haben. Hier werden die Gassen nach 1400 gepflastert.267 Das Schliessen der Gassenfronten beginnt auf einzelnen Parzellen in allen drei Städten des Kantons um die Mitte des 14. Jahrhunderts, setzt sich sicher bis ins 15. und 16. Jahrhundert fort und kann in Einzelfällen noch später enden.268 Die baulichen Lösungen sind nun sehr individuell, und dementsprechend ist der Flächenzuwachs recht variabel: Neubauten liegen im Bereich von 42–99 m2 Grundfläche. Sie sind damit nirgends kleiner als die grössten Kernbauten, oft aber doppelt so gross. Erweiterungen können bis zu sechsfache Flächen des Ursprungsbaus erreichen, wobei durch unsere Untersuchungen sicher nicht immer alle Vorgänger- und Nebenbauten mit erfasst werden konnten. Sie schaffen Raum für das mittlerweile sehr differenzierte städtische Gewerbe und den oft um Mägde und Knechte erweiterten Familienverband. Die erweiterten oder neu erstellten Gebäude sind üblicherweise dreigeschossig. Durch die grössere Haustiefe wird das Satteldach mit Traufe zur Strasse hin, an Stelle des Pultdaches, prägend. Zu den ältesten, erhaltenen Dächern gehören die Dachwerke auf dem Weissen Schlüssel in der Schaffhauser Unterstadt von 1364 und jenes von 1395 auf dem Schaffhauser Kauf- und Rathaus. Aus zwei Einzelbauten mit Pultdach kann ebenfalls ein Satteldach entstehen, wie in Schaffhausen die Häuser Vorstadt 67 und Vordergasse 16 deutlich machen. Vereinzelt kommen weitere Gewölbekeller hinzu, die von aussen, oft vom Hinterhof her, über einen Kellerhals erschlossen werden. Die Fenster sind rechteckig und besitzen nun einen flachen Sturz,

kommen als Einer-, aber auch in Gruppen als Zweier-, Dreier- (manchmal gestaffelt) oder als Viererfenster vor. Letztere belichten die strassenseitig gelegene, heizbare Bohlenstube, die standardmässig zu jedem Haus gehört oder manchmal auch einen Saal. Das Gesamtvolumen erreicht oder übertrifft nun oft jenes der Adelsbauten, so dass diese im Stadtbild immer weniger als solche wahrgenommen werden, sieht man vielleicht von ihrer Viergeschossigkeit, dem Buckelquaderverband und der Höhe ab, die gerade bei den Wohntürmen durch jüngere Aufstockungen vergrössert wurde. Mit Abstand das grösste Bauvolumen erreichte nun das Schaffhauser Kaufhaus, das ab 1411 zum Rathaus ausgebaut und erweitert wurde, als Ausdruck der schon früher entstandenen Handwerksinnungen und Zünfte, nun aber unter Beteiligung der Handwerker an der politischen Macht. Im gleichen Zeitabschnitt setzte auf Hohenklingen Walter VII, zum letzten «Höhenflug» des Adels an. Im Vergleich mit dem Hohenklingen interessiert auch das Aufkommen von Fachwerkbauten in unseren vom Steinbau geprägten Städten.269 Im 13. Jahrhundert gab es, wie erwähnt, höchstens hölzerne Einbauten in Form von geheizten Bohlenstuben, wie sie etwa auf dem Hohenklingen aus den Jahren 1253 im neuen Turm und 1268 im Palas-Ost vorliegen. Bohlenständerbauten, wie der 1401 auf einem Steinsockel errichtete Mittelbau-West der Bauphase 4 auf Hohenklingen, sind in den Städten bislang nicht nachgewiesen. In Schaffhausen kommen Fachwerkbauten ab der Mitte des 14. Jahrhunderts vor. Sie setzen jeweils nur auf einem steinernen Sockel auf und bleiben nach wie vor recht selten. Dies im Gegensatz zu Stein am Rhein und Neunkirch, wo der Fachwerkbau um 1400 einsetzt und nun oft vorkommt. Hier ist er üblicherweise zweigeschossig und ruht auf einem steinernen Erdgeschoss, wiederum mit Bohlenausfachung nur im Stubenbereich.270 Fachwerk ist, neben dem weiterlaufenden Steinbau, noch heute vor allem für das Stadtbild von Stein am Rhein, auch mit Beispielen aus jüngeren Epochen, prägend. Und noch eine Besonderheit ist erwähnenswert: In Stein am Rhein finden wir Balkendecken auf Streifbalken, die wiederum auf Bollensteinkonsolen liegen, standardmässig ab dem späten 13. Jahrhundert, nicht aber bei den leicht älteren Steinbauten auf dem Hohenklingen. In Schaffhausen hingegen tritt dieses Detail sehr selten auf. Erst um 1500 öfter, dann liegen die Streifbalken auf Sand- und Kalksteinkonsolen auf, Materialien die zu dieser Zeit auch in Stein am Rhein an die Stelle der Bollensteinkonsolen treten.

89


Burg Hohenklingen

39

Stein am Rhein

54 50

11,3x11,5

Erw. 1373

STR

6,7x14,3

Erw. 1381

STR

4,5x13,1

130 3 (29) 95 2?GK (27) 59 3 (36)

FW auf E von Steinsockel / 1401 Ringmauer

190

ST

177

ST

95 3/ 2,3 (31)

44

Rathausplatz 10, Fels-West

Neubau 1417

STR

4,7x15,1

71

Erw. 1317

Sonderfall: nach hinten

4,7x10,1

47 3/2,6 (33)

141

Neubau 1343

STR

7,2x18,0

130 2–3

260–390 ST

Neubau 1354

STR

6,6x7,0

46

Erw. um 1355

STR

4,5x 15,5

70 3/2,7 (31)

Erw. 1364

STR

10,4x15,2

Neubau um 1380

121 129 218 137 199 111 125 116 116

285 213

X

N

FW auf Stein-Erdgeschoss FW auf Stein-Erdgeschoss

7,0x13,5

Unterstadt 27, Pelikan Vordergasse 51, Schneiderstube 1. Rathaus Vordergasse 16, Straussen Unterstadt 31 Hoffnung Unterstadt 26/28 Weisser Schlüssel/ Lindenbaum Vorstadt 60/62, Traubenlust/ Jakobsleiter Stadthausg. 21, gelbes Haus Vordergasse 73, Kaufhaus/ 2. Rathaus Vorstadt 69 Adler Vorstadt 67 Farb Pfarrhofgasse 1, Haus zur Gerbe Pfarrhofgasse 1, Haus zur Gerbe

Fenster, Türen

390

STR

3/2,6–3,2 GK

Dachstuhl: E= Erhalten, N= Negativabdruck

ST=Steinbauten FW=Fachwerkbauten

Wohn-/Nutzfläche (ohne Keller) m2

Geschosse und StwH in m BK=Balkendeckenkeller GK=Gewölbekeller

m2 innen, (inkl. Vorgänger)

B x L in m (innen)

Lage, anschliessend an: R=Ringmauer, STM=Stadtmauer, STR=Strasse

Dendrochronologische Datierung

R Nord und Süd

Erw. 1404

194

Schaffhausen

Oberstadt 5, Rehbock Unterstadt 20, Steinfels

Erw. 1401

Obergass 18, Augustiner

217

Neunkirch

Neuer Mittelbau

56

153

90

Objekt

Fundstelle KASH

Ort

Erweiterung von Kernbauten zu Zeilenbauten bis an die Strasse vom 14. bis frühen 15. Jahrhundert.

N

X

ST

N

X

210

FW auf Steinsockel

N

158 3/3,0 (26)

474

ST

E von 1364

Noch 5 m Rückversetzt 7,9x12,1 von STR

96

3/2,8

288

ST

STR

9,7x10,25

99

3/3,3–3,5 GK

297

ST

N

X

Neubau 1395, STR erw. 1411-1413

13,0x28,0

364 2/6,0

650

ST

E von 1395

X

3,9x11,6

45

2/3,0

90

6,4x6,6

42

2/2,6

84

Neubau um 1385

Neubau 1407 Neubau 1417 1. erw. 14. Jh., vor 1423

STM Hinterhof Hinten im Vorderhaus STR

7,4x12,8

2. erw. 1423

nach hinten an den Bach

6,0x10,1 7,3x18.4

45

Herrengasse 20

Erw. 1340

STR

56

Oberhofgasse 2

Erw. 1400

Noch 6,5 m Rückversetzt 6,0x13,4 von STR

56

Vordergasse 2

Neu 1400

noch 6,5 m Rückversetzt 6,0x13,4 von STR

2–3/um 2,8 92–138 BK

ST

FW auf Steinsockel FW auf Steinsockel

X

N N

95 3–4 (15) 155 2/2,7–3,3 (95) 134 2/2,8–3,4 (43)

443–523 ST 402

ST

80 3 (19)

240

FW auf Stein-Erdge- N schoss

80

240

3

323–403 ST

FW auf Stein-Erdge- N schoss

X


II. Baugeschichte der Burg Hohenklingen 1457 bis 1712 unter dem Einfluss von Stein am Rhein und Zürich (Beil. 1–14) Mit dem Verkauf der klingenbergischen Rechte an Stadt und Burg an die Steiner Bürgerschaft endete 1457 die Zeit der adligen Burgbesitzer. Die Burg wurde nun im Auftrag der Stadt durch einen Burgvogt verwaltet. Zuerst waren es Ritteradlige, ab dem 16. Jahrhundert dann einfache Stadtbürger, die auf dem Hohenklingen ein bescheidenes Leben führten. Ihre Aufgaben änderten sich je nach politischer Situation, von der Brandwache über Hochwachtfunktionen bis zur Beherbergung einer Besatzung in Krisenzeiten. Schritt für Schritt (Bauphase 6) wird gemäss den Dendrodatierungen das Bauwerk im Gegenuhrzeigersinn rundum geflickt und den neuen Bedürfnissen angepasst (Abb. 137). Das mittelalterliche Volumen der Burg ist aber durch diese Baumassnahmen kaum mehr verändert worden. 1. Etappe um 1460: Umbau der nordöstlichen Schildmauer mit neuer Wachtstube, überdecktem Wehrgang mit Schiessscharten für Hakenbüchsen und Abort, Gefängnis, Umbau Kapelle, Umbau des Zwingers mit neuem Zugang von der Stadt. 2. Etappe nach 1508: Ersatz der westlichen Ringmauer mit weiteren Umbauten. 3. Etappe 1526: Geschützstellung auf dem neuen Turm. Neuer

(1250/51)

Neuer

Neuer

Neuer

5

4. Etappe 1551: Geschützstellungen im Obergaden des Palas mit weiteren Umbauten. 5. Etappe 1572: Erneuerung Palas-Ost mit weiteren Umbauten. 6. Etappe 1635: Wehrgang-Südost mit weiteren Umbauten. 7. Etappe 1644: Erneuerung Mittelbau-Ost mit Rotem Laden und Zwingerumbau. 8. Etappe 1712: Laube vor dem neuen Turm. Bemerkenswerterweise sind die meisten dieser Arbeiten in Zeiten kriegerischer Bedrohungen ausgeführt worden, dann also, wenn sich Anpassungen an neue Wehrtechniken nicht mehr aufschieben liessen. Nur in diesen Zeiten war neben dem Burgvogt zusätzlich auch eine Besatzung auf der Burg stationiert, die beschäftigt werden musste. Ist der erste Umbau noch auf die Initiative der Stadt Stein am Rhein zurückzuführen, geht der Schwaben-/Schweizerkrieg 1499 noch ohne bauliche Erneuerung vorbei. Für die Bauarbeiten während der Religions- und Bauernkriege im 16. Jahrhundert und im Dreissigjährigen Krieg (1618–1648) wurde vor allem der Einfluss von Zürich massgebend. Dort hatte man den Wert des Hohenklingen als vorgeschobenen Wachtposten erkannt.271

Abb. 137: Übersicht dendrochronologische Datierungen Neuzeit um 1460 bis 1644.

(um 1460)

Ringmauer Geschützstellung

Geschützstellung

Neuer

(1250/51)

Neuer

Neuer

Neuer

5

91


1. Umbau der nordöstlichen Schildmauer mit neuer Wachtstube in der Osthofüberdachung, Bau eines über­ deckten Wehrgangs mit Gefängnis und Umbau der Kapelle, Zwinger mit neuem Zugang von der Stadt (Bauphase 6, 1. Etappe): um 1460

Abb. 138: Weil 1457 die Übernahme der Burg mit all ihren Rechten durch die Bürger der Stadt Stein am Rhein erfolgte, ist die mittelalterliche Burganlage bis heute weitgehend erhalten geblieben. Sie diente als Hochwacht, wurde von einem von der Stadt eingesetzten Vogt bewohnt, der je nach Bedrohungslage durch eine Burgbesatzung verstärkt wurde. Bereits um 1460 wurde die Burg den neuen Bedürfnissen der Stadt angepasst, mit Wachtstube, überdecktem Wehrgang mit Schiessscharten für Hakenbüchsen und Abort, Gefängnis, Umbau der Kapelle und Zwinger mit neuem Zugang von der Stadt her. Nach kurzem Alleingang unterstellte sich die Stadt 1484 Zürich.

1459 schloss Stein ein Schutzbündnis mit Zürich und Schaffhausen ab. Die bessere Anpassung der Burg an die Feuerwaffentechnik (Hand- oder Hakenbüchsen)272 fällt in diese Zeit, wie die Datierung verschiedener eichener Einzelhölzer in die Jahre um 1460 nahelegt. Sie macht den Umbau der nordöstlichen Schildmauer für Hakenbüchsen als eine einzige, zusammenhängende Bauphase verständlich (Abb. 139). Erneuert wird der gesamte Abschnitt von der Südostecke der Burg bis hin zum Mittelbau, mit überdecktem Wehrgang, Wachtstube und Arrestzelle unter der neuen Zugangstreppe. Charakteristisch ist der zugehörige helle, weisse Flickmörtel, der mit Hohlziegeln durchsetzt ist (Abb. 146).

Abb. 139: Die Burg Hohenklingen von Osten, wie sie sich seit etwa 1460 fast unverändert präsentiert.

Dendrodatierung Hohenklingen-Bauphase 6. 1. Etappe: Umbauten um 1460 im Osthof.273 Datierung Ort (WK = Waldkante) Wachtstube, Türpfosten 1448 1456 Bohlentreppe vom Wehrgang zur Wachtstube, Holme 1458 Wehrgangscharte östlich Kapelle, Sturz 1442 Kapelle, Türsturz 1450 Zwinger Keine Hölzer

92

Östliche Schildmauer und Wachtstube in der Osthofüberdachung Anzahl Splintjahre (Eiche) 2 8 Splintanfang 8 1

Die Zinnenöffnungen der Schildmauer wurden zugemauert (Abb. 140 und 141), ihre Ostmauer um die Höhe des zweiten Obergeschosses in die Osthofüberdachung erhöht, das Walmdach darüber verkürzt und zum heutigen Krüppelwalm umgebaut. Damit entstand gegen die Hauptangriffsseite im Osten eine zweite, erhöhteWehrgangebene mit zwei kleinen Öffnungen (Abb. 142). Zusammen mit der Blockstufentreppe (Abb. 143) in der


Nordostecke der Schildmauer und dem dort übers Eck ausgeweiteten Wehrgang, diente sie vor allem der Erschliessung der neuen Wachtstube. Diese kam in die südliche Hälfte des hofüberdeckenden Daches zu liegen. Kurze, nachträglich ausgenommene Nuten in der Konstruktion von 1393 verraten, dass die Stube sekundär eingebaut wurde. Erhalten sind nur noch die Riegel des Fachwerks, Staketenlöcher belegen die ehemaligen Flechtwerkausfachungen. Auf der Ostseite, neben der Türe, ist die Nut eines fast quadratischen Schiebefensters vorhanden (80 x 90 cm), mit der sich die Kammer belüften und spärlich belichten liess. Ob sie sich auch beheizen liess, wissen wir nicht, es ist aber anzunehmen.

Abb. 140 und 141: Osthof. Um 1460 werden die Zinnen in der östlichen Schildmauer von 1393 (1) zugemauert und Maulscharten eingebaut (2). Zeichnung M. 1:50.

Abb. 142 (unten links): Osthof. Um 1460 eingebaute, zweite, erhöhte Wehrgangebene mit zwei kleinen Zinnenöffnungen, in die 1712 Fensterrahmen aus eichenen Kanthölzern eingesetzt wurden.

1

2

Abb. 143 (unten rechts): Osthof. Um 1460 ist die zweite, erhöhte Wehrgangebene mit der Blockstufentreppe entstanden und diente zur Erschliessung der neuen Wachtstube.

Gefängnis Vermutlich gehört auch die Arrestzelle, in der Literatur auch «Frauenthal» genannt,274 unter der Wehrgangtreppe in der Südostecke der Ringmauer/Schildmauer zum Umbau von 1460. Sie ist aus viel Altholz zusammengezimmert. Teilweise sind es mächtige Balkenstümpfe, die aus dem Schaft des neuen Turmes stammen können. Die Stufen des unteren Treppenlaufes, der auf dieser Zelle aufliegt und zum Wehrgang führt, besitzt Blockstufen mit den gleichen Nasen wie die oben erwähnte Treppe von ca. 1460 in der Nordostecke der Schildmauer.275 Die Stufen des oberen Treppenlaufs zum Wehrgang haben keine Nasen. Sie gleichen sehr den fotografisch überlieferten, ehemaligen Treppen im neuen Turm und könnten von dort stammen.276

Dachstuhl Osthof

Prellholz

Maulscharte

um 1460

1393

Nördliche Schildmauer mit Wehrgang Der Wehrgang wird neu vom westlichen Ende der Schildmauer über die Kapelle bis zum Mittelbau verlängert und schafft eine Verbindung zwischen Wächterwohnung und Wachtstube. Sein Pultdach überdeckt nicht nur die Kapelle, sondern auch den gesamten Nordhof bis an den neuen Turm,277 was ermöglichte, Pulver und Schusswaffen trocken zu halten! Ältere Pläne zeigen, dass der Wehrgang vom Kapellendachstuhl auf einer Breite von 1,8 m abgetrennt war, damit der Durchgang für die Besatzung jederzeit frei blieb. Genau die gleiche Situation treffen wir immer wieder in den Estrichen der Häuser längs der Schaffhauser Stadtmauern an.278 Ein weiteres Ergebnis dieses Umbaus ist ein merkwürdig anmutender, meterhoher und offener Hohlraum mit Kniestock über der Kapellendecke, welcher nur fotographisch und in Plänen überliefert ist und der Kapellenaufstockung von 1972–1974 zum Opfer fiel (Abb. 119 und 120).279

Im nördlichen Abschnitt der Schildmauer wurden die Zinnenöffnungen zugemauert, danach Richtung Westen abgebrochen und durch eine Mauer­ erhöhung ersetzt, die über die Kapelle bis zum Mittelbau zieht. Dort wurde im ersten Obergeschoss die Feuerstelle entfernt und das hoch liegende Fenster in der Ostwand vermauert. Vermut93


3 1

2

Abb. 144: Mittelbau Ost. Um 1460, horizontierte Balkendecke von 1232. Ursprüngliche Lage (1), abgesenkt (2), Fachwerkwand von 1644 (3). Abb. 145: Osthof. Um 1460 werden die Zinnen in der östlichen Schildmauer von 1393 zugemauert und Maulscharten eingebaut. Abb. 146: Osthof. Der das ältere Mauerwerk überziehende, weisse Verputz besitzt Hohlziegeldurchschuss und stammt aus den Jahren um 1460.

94

1

1 2

lich hat man jetzt auch die geneigte Balkendecke von 1232 horizontiert. Dazu sind die für den Wehrerker auskragenden Balken auf der Ringmauer im innersten Viertel der Mauerstärke durchgesägt, 25 cm abgesenkt und auf der südseitigen Wand von 1393 auf Backsteine aufgelegt worden (Abb. 144). Vielleicht bestand der Wehrerker in unbekannter Form weiter, obwohl der nordseitig durchlaufende Wehrgang diese Funktion mindes­ tens teilweise übernahm. Neu finden sich in den Schiessscharten quer liegende Auflagehölzer, Prellhölzer genannt.280 Sie dienten der Dämpfung des Rückstosses der Hakenbüchsen, die ihren Namen von einem im vorderen Drittel des Büchsenrohres angebrachten Haken ableiten, mit dem die Waffe in der Schiessnische verankert werden konnte.281 Neben einfachen Schlitzscharten treten nun erstmals auch Maulscharten auf. Zwei befinden sich in der östlichen Schildmauer (Abb. 141, 145) und eine über der Kapelle. Wie üblich sind sie nach aussen stark geschrägt und innen als flach gewölbte Schiessnischen ausgebildet.282 Ihre Sandsteingewände sind zusammen mit einzelnen Backsteinen versetzt worden. Dies ist der bislang älteste Hinweis für die Verwendung von Backsteinen in Stein am Rhein.283 Erstmals ist auch Mauerwerk mit Hohlziegeldurchschuss zu beobachten. Solche Ziegelfragmente finden sich auch im flächendeckenden, älteres Mauerwerk überziehenden, weissen Verputz (Abb. 146), beispielsweise am neuen Turm, auf der Innenseite der südlichen Ringmauer und auf der nordöstlichen Schildmauer, deren Schiesskammern ebenfalls umgebaut und mit Prellhölzern versehen wurden.284 Aborterker Kurz vor dem Mittelbau-Nordost lag ursprünglich eine kleine, fünfstufige Treppe, die den Niveauunterschied zwischen Wehrgang und Wohnbau im zweiten Obergeschoss ausgeglichen hat.285 An dieser Stelle findet sich in der neu erhöhten Ringmauer eine vermauerte 1,8 m breite und wandhohe Nische, der ehemalige Zugang zu einem auskragenden Aborterker (Abb. 147).286 Er war so angeordnet, dass das stille Örtchen sowohl vom Mittelbau als auch über den nördlichen Wehrgang von der neuen Wachtstube in der Osthofüberdachung her benutzt werden konnte. Direkt unter dem Latrinenerker, am Fuss der Ringmauer, fand sich eine ungestörte, natürliche Schichtabfolge. Daran anschliessend, auf der ganzen Breite des Mittelbaus-Ost, waren die Schichten hingegen bis auf den anstehenden Nagelfluhfels gestört bzw. mit Fundmaterial des 19./20. Jahrhunderts durchsetzt. Offenbar waren es die modernen Latrinenreste.


Weiter westlich, unmittelbar beim Übergang zum Mittelbau-West, zeigte sich hingegen aussen an der Ringmauer Nord eine aus Bollensteinmauerwerk gemauerte Latrine G2 mit einem Innenmass von 1,1 x 2,25 m, die noch 70 cm hoch erhalten war. 8 m darüber liegt im zweiten Obergeschoss ein grösseres Fenster mit Kanthölzern aus dem 18./19. Jahrhundert. Dahinter liegt die Küche von 1401 mit einer in der Nordostecke abgetrennten, zu diesem Fenster gehörenden Kammer von ca. 2 x 2,5 m. Dies belegten jüngere Zapflöcher in den originalen Deckenbalken von 1401. Diese Kammer war direkt vom Mittelbau-Ost zugänglich, mit einer ebenfalls nachträglich in die Riegelwand von 1401 eingebauten Türe. An Stelle des Fensters kann so ein zweiter Latrinenerker rekonstruiert werden, der erst zu Zeiten des Burgvogtes eingebaut wurde. Weil die Grube mit einem zementhaltigen Verputz abgedichtet war, ist sie offenbar erst mit der Neuerstellung eines Abortes unter der neuen Treppe des Mittelbaus-Ost 1895/97 ausser Betrieb genommen worden.287 Die enormen Mengen an Fundmaterial, welches wir im Jahr 2005, 20 m hangabwärts aus der Auffüllung des Burggrabens und der überlagernden Abfallhalde geborgen haben, müssen, sieht man vielleicht von Bauschutt und Dachziegelbruch ab, überwiegend von diesen Aborten aus entsorgt worden sein (Abb. 27). Wie das in die Zeit um 1250 zurückreichende Fundmaterial zeigt, lagen die stillen Örtchen traditionell an dieser Stelle und gehen auf die Herren von Hohenklingen zurück.288 Kapelle Städtische Kaplane besorgten neben den drei wöchentlichen Pflichtmessen im Spital noch 1509 zwei «Klingenmessen», zu Beginn des Monats Mai und Ende September.289 Deshalb baute man die Kapelle um. Die nicht mehr benötigte, herrschaftliche Empore wurde entfernt, der Zugang im Obergeschoss vermauert und im Erdgeschoss der Sturz der Eingangstüre umgebaut, der noch das Loch für den Drehzapfen der Türe zeigt.

Abb. 147: Mittelbau-Ost, 2. Obergeschoss. Nische (1) des ehemaligen Abort­ erkers um 1460.

1

Erster Zwingerumbau Wie bereits frühere Forscher bemerkten, entstand auch ein neu angelegter, direkt von Stein am Rhein zur Burg führender Zickzackweg unter dem neuen Regime der Stadt. Er trat an die Stelle des alten Zugangs von der Klingenwiese her.291 Dies führte zum ersten Zwingerumbau, zum Abbruch des südöstlichen Zwingerabschnittes und dem Bau einer hofartigen Ausweitung mit neuem, äusserem Zwingertor im Westen und rundem, flankierendem Schalenturm in der Südostecke. Die neue Zwingermauer ist nur noch 60 cm stark, besteht aus Bollensteinen, Nagelfluhbrocken sowie weissem, hartem Mörtel mit Ziegeldurchschuss, wie er auch für andere Umbauten in der Burg um 1460 verwendet wurde. Reste von Schlitzscharten gibt es am Flankierungsturm292 und an der südöstlichen Zwingermauer. Auf den Schmalseiten des alten Zwingers kommt je eine ovale Maulscharte hinzu, die sich nach aussen weitet und trichterförmig abgetreppt ist. Die Westmauer des alten Zwingers wurde erhöht und ihre 25O geneigte Oberfläche deckte man mit Hohlziegeln ab. Hier, an der Südwestecke des Zwingers, findet sich auch der letzte Rest des sich ursprünglich nach Osten hinziehenden Zinnenkranzes von 90 cm Höhe mit Ecken aus Quelltuff (Abb. 148).

Abb. 148: Zwinger Südwestecke. Letzter Rest des um 1460 entstandenen Zinnenkranzes (1), überbaut von der Zinnenbekrönung 2. Hälfte 16./1. Hälfte 17. Jh. aus Abbruchmaterial und Backsteinen (2).

2

Umbau der Innenausstattung Betrachtet man das abgelagerte Ofenkachelmaterial und seine Datierung, so wird klar, dass zumindest ein beheizbarer Raum der Burg zu diesem Zeitpunkt einen neuen, repräsentativen Kachelofen erhielt. Dieser verbindet Szenen aus der Georgslegende, dem Verhältnis von Stadt, Eidgenossenschaft und Reich mit mariologischen Motiven und Bildern von Ritterromantik und Minne.290

1

2

95


2. Exkurs III: Umbau des Hexenturms durch die Stadt Stein am Rhein

Abb. 149 (rechts): Hexenturm, Eingangsgeschoss. Nach dem Brand von 1471 wird er renoviert und eine Arrestzelle mit Folterwinde eingebaut. Abb.150: Hexenturm, Wehrplattform. Im späten 15. oder 16. Jh. treten Maulscharten an die Stelle der Zinnenöffnungen.

Mit dem Aufbau der städtischen Selbstverwaltung nach 1457, vermutlich nach einem Brand, erfolgt der Umbau des Hexenturms, des südwestlichen Eckturms der Stadtbefestigung. Bemerkenswertester Bestandteil ist die Folterwinde, die zur Durchsetzung der neu erlassenen Gesetze des Rates eingebaut worden ist. Sie stammt aus den Jahren nach 1463 und ist unversehrt erhalten geblieben. Sie diente zum Foltern mit trockenem Zug, wie dies eine Miniatur von Diepold Schillig von 1513 sehr schön veranschaulicht.293 Zusammen mit der nebenan liegenden Gefängniszelle ist auch hier das Mittelalter authentisch erhalten geblieben. Zu diesem Umbau gehören neue Balkenlagen, eine Drehzapfentüre am Eingang, die Arrestzelle und die Folterwinde (Abb. 149) sowie die Bohlentreppe und das Pyramidendach auf stehendem Stuhl mit angeblatteten Kopfbändern.295 Das Turmdach ist mit Hohlziegeln gedeckt worden

und ist das einzige, noch erhaltene Beispiel in Stein am Rhein. Weil 1471 in diesem Stadtteil ein Brand überliefert ist und der Stadtrat Vorschriften zur Ziegelbedeckung für Neubauten und geänderte Dächer erliess, scheint der Zusammenhang mit den Brandrötungen am Mauerwerk und verkohlten älteren Hölzern gegeben.296 Leider liessen sich aber die Nadelhölzer dieses Umbaus dendrochronologisch bislang noch nicht datieren. Die Folterwinde ist 1463 datiert und erscheint damit etwas zu alt. Entweder ist für dieses Gerät einige Jahre gelagertes Holz verwendet worden, oder es ist vorher wenige Jahre schon an einem anderen Ort in Betrieb gewesen. Wohl ebenfalls in dieser Bauphase, vielleicht aber auch etwas später, werden auch hier, wie auf dem Hohenklingen, die langschmalen Scharten des Turmes umgebaut, verkleinert und zur Verwendung von Hakenbüchsen mit Prellhölzern versehen. Auf der Wehrplattform vermauerte man die Zinnenöffnungen mit Backsteinen und setzte doppelte Maulscharten ein, wie sie sich auch auf der Burg Hohenklingen finden (Abb. 79, 80 und 150).

1 Dendrodatierung Hexenturm Folterwinde.294 Ort

Datierung Anzahl Splintjahre (WK= Waldkante) (Eiche)

1. Obergeschoss (Eingangsgeschoss)

1462/63 WK (2x)

96

8, 15

2


3. Ersatz der westlichen Ringmauer und weitere Umbauten (Bauphase 6, 2. Etappe): nach 1508 Die offenbar schadhafte, westliche Ringmauer wurde abgebrochen und mit dem Fundament komplett neu aufgeführt (Abb. 152). Sie besteht neu aus Bollensteinen mit kleineren Quelltuffquadern an den Ecken. Im «Rittersaal» wurde die südseitige Bifore von 1219 teilweise vermauert und durch ein spätgotisches Staffelfenster mit einem seitlich eingemauerten Tresor ersetzt. Von einem zweiten, später zugemauerten Fenster in der Westwand stammt die Wandnische, wie schon Rahn feststellte. Er sah zudem hier anschliessend noch einen schrägen Wandstreifen, den er mit einem Kamin in Verbindung brachte.298 Vielleicht war es aber auch der Abdruck einer Treppe, die ehemals ins Obergeschoss führte. Dort, im Obergaden, lag in der Westmauer, als Vorgänger der Maulscharte von 1551, wohl eine ältere, tief gelegene Scharte. Nördlich davon liegt eine wandbündig vermauerte Innennische, vielleicht von einem Fenster oder einem Aborterker stammend.299 Drei Zinnen bilden schliesslich einen schildmauerartigen Abschluss der westlichen Ringmauer, die als Wetterschutz leicht den First des Obergadens von 1423 überragt. Das einzige Holz, das in diese erneuerte Westmauer einbindet, ist der westlichste Deckenbalken im Erdgeschoss Palas-West. Er datiert mit 18 Splintjahren in das Jahr 1508, was sehr nahe beim effektiven Baujahr liegen dürfte. Einen weiteren Hinweis liefern die Funde aus der Einfüllung des mittelalterlichen Halbkellers, der bereits vor dem Neubau der westlichen Ringmauer u.a. mit Frag-

Abb. 151: 1526 und 1551 kamen in den reformatorischen Wirren einfache Geschützstellungen hinzu. Sie ermöglichten sowohl den Beschuss der Klingenwiese, den Zugang im Osten, als auch der Spitz­ebni, einem nordseitigen, flachen Plateau, das 250 m entfernt ist und eine ideale Stellung für einen Angreifer bietet. Im neuen Turm, auf der Wehrplattform, wurden die Zinnen mit mächtigen, stehenden Eichenbalken verstärkt und schwenkbare, hölzerne Geschützblenden in den Zinnenöffnungen eingebaut. Die zugehörige Kanone, ein Falkonett aus der Zürcher Giesserei Füssli, ebenfalls von 1526, ist in der Rathaussammlung noch erhalten. Eine zweite Geschützstellung wurde 1551 im Palasobergaden angelegt, der neben Bodenverstärkungen, an Stelle der alten Flechtwerkwände eine pseudo-­­ steinerne, verputzte Backsteinfassade erhielt. Abb. 152: Palas-West von 1219. Neue Schildmauer nach 1508.

Dendrodatierung Hohenklingen-Bauphase 6. 2. Etappe: Ersatz der westlichen Ringmauer.297 Ort Palas-West, Erdgeschoss, westlichster Deckenbalken

Datierung Anzahl Splintjahre (WK = Waldkante) (Eiche) 1508

18 97


4. Einbau einer Geschützstellung auf dem neuen Turm (Bauphase 6, 3. Etappe): 1526

Abb. 153: Osthof. Nach 1508 erneuerte Ringmauer (links) vor dem neuen Turm (rechts), unter dem Wehrgang von 1635.

Abb. 154: Osthof. Südliche Ringmauer von 1219 – ca. 1226 (1), Erneuerung nach 1508 (2), Wehrgang von 1635 (3).

1 3

2

menten des um 1460 neu gesetzten Kachelofens der ersten Bauetappe und älteren Ofenkacheln der Bauphase 4 aufgefüllt wurde. Ebenfalls vom Fundament auf wurde die südliche Ringmauer auf der ganzen Breite des neuen Turmes erneuert (Abb. 153 und 154). Diese Reparatur ist sicher älter als der Wehrgang von 1635, dessen Flickmauerwerk oben darüber läuft. Unten durchschlägt das in die Grube gemauerte Fundament der Ringmauer die Schichten der Bauphasen 3 und 4. Die Reparatur kann zu dieser Erneuerung nach 1508 gehören, weil der Mauercharakter ähnlich ist und Ziegeldurchschuss ebenfalls fehlt. Damit waren aber die statischen Probleme an dieser Stelle noch nicht gelöst, wie der 1895/97 im Übergang zur Ring­mauer von 1219 – ca.1226 hinzugefügte Strebepfeiler zeigt. Dendrodatierung Hohenklingen-Bauphase 6. 3. Etappe: Geschützstellung auf dem neuen Turm.301 Ort

Datierung (WK = Waldkante)

4. Obergeschoss, jüngerer Unterzug 1523 WK (?) 5. Obergeschoss, Wehrplattform, vertikale Balken

98

Anzahl Splintjahre (Eiche) 16

1515

7

1525/26 WK

20

1526 wurde, gemäss der Datierung der Eichenhölzer auf der Wehrplattform des Turmes von Hohenklingen, eine einfache, kostengünstige Geschützstellung eingebaut. Solche hochgelegenen und nachträglich eingebauten, frühneuzeitlichen Geschützstellungen finden sich verschiedentlich auf Burgen sowie Türmen von Stadtbefestigungen, ja sogar auf dem als Hochwacht genutzten imposanten, 48 m hohen Turm der Stadtkirche St. Johann in Schaffhausen.300 Der Ausbau passt ausgezeichnet in die Zeit der nachreformatorischen Bedrohungslage: Stein am Rhein wurde 1523 als erster Ort in der Schweiz zusammen mit Zürich reformiert, der Ittinger Sturm fällt ins folgende Jahr, im Winter 1525 tobten im Hegau die Bauernkriege, und im Sommer wurde auch das Kloster St. Georgen aufgehoben. Zuerst mit dem Einverständnis des letzten Abtes David Winkelsheim, das er allerdings nicht lange aufrecht hielt. Er floh in der Folge nach Radolfszell und verhinderte von dort aus Zins- und Zehntenzahlungen an den zürcherischen Amtmann.302 Betritt man die Wehrplattform, fallen einem sofort mächtige Eichenbalken mit Breiten von 35– 60 cm bei einer Dicke von 30 cm auf. Sie stehen vertikal als Verstärkung hinter den Zinnen der östlichen und nördlichen Angriffseiten. Oben wurden sie zwischen zwei horizontale Balken eingespannt, die auf der Deckenbalkenlage aufliegen und von hölzernen Klammern zusammengehalten werden (Abb. 155). Unten wurden sie mit einem Schwellbalken fixiert, an den der zugehörige Backsteinboden anschliesst.303 Im darunter liegenden Geschoss wurden die Balkenauflager der Decke von 1254 durch zwei Unterzüge längs der Ost- und Westwand verstärkt. Im Bereich der Zinnenöffnungen befanden sich, einst um eine Mittelachse vertikal schwenkbare, hölzerne Geschützblenden, die nur noch als Zeichnungen überliefert sind (Abb. 156).304 Davon stammen die mittig in den vertikalen Hölzern angebrachten Löcher. Heute sind darin zum Teil Rundhölzer eingespannt. Eine Geschützblende wurde 2007 auf der Nordseite rekonstruiert. Gleichzeitig wurde die Kanone von 1864 neu platziert (Abb. 157). An die ehemalige originale Kanone erinnert auf der Wehrplattform noch ein Findling mit eingelassenem Eisenring zur Befes­ tigung des Geschützes. Zudem finden sich im Zentrum des neuen Turmes, im zweiten und vierten Obergeschoss, leicht ovale Löcher mit gut


50 cm Durchmesser in den Decken. Sie wurden nachträglich ausgesägt und dienten zum Hochhieven von Kanone und Munition auf die Wehrplattform. Bemerkenswerterweise ist die originale Kanone erhalten! Sowohl Rahn als auch Harder zeichneten sie 1862 noch auf der Wehrplattform stehend (Abb. 158).305 Sie befindet sich heute in der Waffensammlung des Steiner Rathauses. Dieses sogenannte Falkonett besteht aus einem schlanken, achteckigen «Bronzerohr mit Schildzapfen, Einpfünder, mit zwei stummen Wappenschilden, datiert 1526 und der Marke der Giesserei Füssli (Hans Füssli 1477–1538) in Zürich. Die Originalwandlafette stellt ein Unikum dar. Auf einem Nagelkopf des Lafettenbeschlages viermal das Wappen Winz (Bürgermeister Christian Winz). Dabei reich geschmiedeter Luntenstab».306

1 Abb. 155: Neuer Turm, Wehrplattform. Die Eichenbalken (1) verstärken die Zinnen der östlichen und nördlichen Angriff­ seiten und sind 1526 mit dem Einbau einer Geschützstellung auf der Turm­zinne entstanden. Abb. 156: Neuer Turm, Geschützblende, Zeichnung Johann Rudolf Rahn, 1862. Abb. 157: Neuer Turm, Wehrplattform. Geschützstellung von 1526 mit 2007 rekonstruiertem Geschützladen und der 1895/97 aufgestellten Kanone von 1864. Abb. 158: Turmzinne mit Kanone von 1526 am originalen Standort, Zeichnung Johann Rudolf Rahn, 1862.

99


5. Einbau von Geschützstellungen im Obergaden des Palas (Bauphase 6, 4. Etappe): 1551

Abb. 159: Palas-Obergaden von 1423, Nordfassade. Mit dem Einbau der Geschützstellung wurde 1551 die Flechtwerkfüllung des Fachwerkes durch Backsteine ersetzt und verputzt. So erweckte man gegen aussen den Anschein einer wehrhaften Steinbaute.

Die zweite, hochgelegene Geschützstellung legte man wiederum mit sehr bescheidenen Mitteln, gemäss den dendrochronologischen Datierungen 1551, im Obergaden an. Dabei wurde die Deckenbalkenlage über dem «Rittersaal» von 1219 ausgetauscht, andererseits in den Riegelgefachen des Obergadens das Lehmflechtwerk durch verputzte Backsteinfüllungen ersetzt (Abb. 159). Mit dieser «pseudosteinernen» Fassade, unterstützt durch eingebaute Schiessluken und eine Maulscharte, erweckte man nach aussen den Anschein eines wehrhaften Steinbaus. Diese zweite Geschützstellung ermöglichte den Beschuss der Spitzebni, einem nordseitigen, flachen Plateau, das 250 m entfernt ist, wenig höher liegt als die Burg und eine ideale Stellung für einen Angreifer bietet (Abb. 160). Ausserdem liess sich vom Obergaden aus nach Westen der maximal 400 m entfernte Hohlweg zur Burg überwachen.307 In dieser Geschützstellung stand offensichtlich die grosse Kanone, welche die Franzosen als Kriegsbeute 1800 vom Hohenklingen holten.308 Auch zum Zeitpunkt dieses Ausbaus war die Bedrohungslage akut, die nachreformatorischen Religionskriege waren immer noch im Gange, und das reformierte Konstanz musste, unter habsburgischem Druck, zum katholischen Glauben zurückkehren.309

Abb. 160: Die nordseitig, 250 m von der Burg entfernte Spitzebni, bildete als flaches Plateau eine ideale Stellung für einen Angreifer und führte zum Einbau von Geschützstellungen auf der Burg.

Dendrodatierung Hohenklingen-Bauphase 6. 4. Etappe: Geschützstellung im Obergaden des Palas.310 Ort 3. Obergeschoss, Obergaden, Pfosten nordöstliche Geschützluke «Rittersaal», Deckenbalken 3. Obergeschoss, Obergaden, Fensterpfosten

100

Datierung (WK = Waldkante)

Anzahl Splintjahre (Eiche)

1547/48 WK

13

1540 1550/51 WK (2x)

10 9, 19

1550/51 WK

15

1./2. Obergeschoss: Die Balkenlage über dem «Rittersaal», welche ursprünglich die Unterlage des Obergadens von 1423 bildete, wurde komplett erneuert. In der Nordmauer reichen die Balken nicht bis zur Wandaussenkante, wo die Schwelle des Obergadens von 1423 aufliegt, sondern sie liegen oft nur 20 cm, selten 30–40 cm auf der Nordmauer des Palas von 1219–ca.1226. Die Balkenzwischenräume und die Mauerkrone wurden mit Backsteinen und viel Ziegeldurchschuss gestopft (Abb. 161). Südseitig enden die Deckenbalken auf einem inneren Streifbalken, der von sechs Sandsteinkonsolen getragen wird. Nur die äusseren zwei Konsolen reichen durch die ganze Mauerbreite hindurch bis zur Fassade, die gleichzeitig flächendeckend verputzt wurde. Offensichtlich wollte man die Tragkraft der Decke für Geschütze und Munition erhöhen und ersetzte sie deshalb im Bereich der vier Kanonenstandorte. Diese sind durch eine Maulscharte und drei Schiessluken definiert und liegen nur über dem «Rittersaal». Man könnte sich sogar die Frage stellen, ob das drei Jahre früher datierte Holz der nordöstlichen Schiessluke ein Hinweis dafür ist, dass man die Geschützstellungen zuerst einrich-


tete und erst nach aufgetretenen Schäden die Decke verstärkte, die Fenster einbaute und den Obergaden mit Backsteinen ausfachte. Um das zu klären, wären aber weitere Holzdatierungen notwendig. 3. Obergeschoss: Das entfernte Flechtwerk ersetzte man durch Backsteine,311 die verputzt wurden und so dem Fachwerkbau von 1423 das Aussehen eines Steinbaus verliehen. In der Nordwand belichten nun vier rechteckige Fenster den Raum. Genau in der Raummitte, unter den westlichen Fenstern am Boden ansetzend, kamen zwei jetzt vermauerte, hochrechteckige Geschützluken von 47 x 65 cm hinzu (Abb. 162). Westlich davon wurde ein neuer Aborterker auf zwei auskragenden Sandsteinkonsolen eingebaut, die heute einen lauschigen Balkon tragen (Abb. 163).312 In der westlichen Schildmauer trat an die Stelle der erwähnten älteren Scharten(?)öffnung eine dritte, am Boden ansetzende Maulscharte. Ihr trapezförmiges Sandsteingewände (32 x 40 cm), ist nach aussen stark geschrägt und innen mit einem Backsteinsturz überwölbt (Abb. 164). In der Mitte der Südwand des Obergadens von 1423 lag, direkt über dem grossen Wappen, eine vierte Geschützluke, wie die um 1730 angefertigte Südansicht zeigt. Die Südwand wurde 1863 weitgehend abgebrochen. Nur die Schwelle und einzelne Ständer- und Rähmbalken blieben erhalten.313 Über dieser Geschützluke gab es, wie in der Nordwand, vier gleichartige Fenster, die ebenfalls diesem Umbau angehören (Abb. 179). Von der Ostseite wissen wir nichts. Als Zugangstreppe in den Obergaden wurde schliesslich eine neue, einläufige Treppe aussen an der Ostmauer des PalasWest angelegt, wie gleichartiger Mörtel und Backsteine bei ihrem Austritt nahelegen. Wappen Südfassade Die heute nur noch erahnbare Wappenpyramide wurde auf den neuen Aussenverputz aufgetragen. Sie markierte die politischen Verhältnisse, war von der Stadt her gut sichtbar, rot, ocker und schwarz eingefasst und bedeckte eine Fläche von etwa 4 x 6 m. Am besten ist der bekrönte Reichsadler mit Banderolen erhalten, darunter lassen sich auf Grund der blauen Farbe die beiden gegenständigen Zürcher Wappen erahnen, während darunter vom nach links reitenden Stadtpatron St. Georg nur noch Farbpartikel zeugen. Verputzarbeiten zerstörten im 20. Jahrhundert den untersten Teil.314 Auf einer vermutlich von Isaak Vetter um 1730 angefertigten Zeichnung ist die Wappenpyramide (ohne die Banderolen) gut erkennbar (Abb. 179).

Abb. 161: Palas-Obergaden von 1423. Auf der Nordseite reichen die 1551 erneuerten Balken nicht bis zur Aussenwand, sondern liegen nur wenig auf der Ringmauer von 1219-ca.1226 auf. Abb. 162: Palas-Obergaden, Nordfassade. Genau in der Raummitte, unter den westlichen Fenstern am Boden ansetzend, werden 1551 in die Konstruktion von 1423 zwei jetzt vermauerte, hochrecht­ eckige Geschützluken eingebaut.

Abb. 163: Palas-Ober­ gaden. Zur 1551 eingebauten Geschützstellung gehörte ein Aborterker auf Sandsteinkonsolen, die heute einen lauschigen Balkon tragen. Abb. 164: Palas-Obergaden, Westfassade. Am Boden ansetzende Maulscharte der neu eingebauten Geschützstellung von 1551.

101


6. Erneuerung Palas-Ost und weitere Umbauten (Bauphase 6, 5. Etappe): 1572 Auch die Erneuerungsarbeiten im Palas Ost stehen im Zusammenhang mit den konfessionellen Spannungen. 1572 schlossen sich die reformierten Städte unter Leitung Zürichs zu einem Schutzbündnis zusammen.315

Abb. 165: Palas-Ost, 1. Obergeschoss. Feine, rote Quadermalerei unter den Fichtenbalken von 1572.

1. Obergeschoss: Mit Ausnahme der Westwand wurde die Bohlenstube von 1268 entfernt und eine neue, 20–30 cm höher gelegte Balkenlage aus acht Fichtenbalken eingezogen. Der Raum wurde weiss gekalkt und mit einer feinen roten Quadermalerei geziert, deren Quadergrössen mit 22 x 40 cm deutlich kleiner sind als jene des 13. Jahrhunderts im «Rittersaal» (Abb. 165). Ein Pfostenabdruck in der Nordwand, 1,7 m von der Westwand entfernt und etwa auf der Raumflucht des ehemaligen Ofens liegend, stammt von einem Einbau oder einem jüngeren Täfer. In die Nordmauer baute man eine Geschützkammer mit einem eichenen Flachsturz ein. Sie ist wiederum gegen die Spitzebni gerichtet. Die zugehörige Schlüsselscharte entspricht in den Dimensionen den gleichen Scharten am oberen, westlichen Zwinger und weist eine Lochgrösse

Dendrodatierung Hohenklingen-Bauphase 6. 5. Etappe: Erneuerung Palas-Ost.316 Datierung Ort (WK = Waldkante) 1569 1. Obergeschoss, Deckenbalken 1571 WK (?) 1571/72 WK

Abb. 166: MittelbauWest. Die 1567 entstandene Fenstersituation in der Wirtsstube von 1401, in einer Aufnahme aus den 1930er Jahren.

102

Anzahl Splintjahre – – –

Holzart Fichte Fichte Fichte

von 20–22 cm auf, wie sie für leichtere Geschütze wie Feldschlangen oder Falkonette Verwendung fand.317 Später ist die ehemals gut 2 m breite Geschützkammer auf die normalen Dimensionen einer Schiessnische reduziert und mit einem Prellholz für Hakenbüchsen versehen worden. Aussen an der Oberfläche der Ringmauer ist dieses Flickmauerwerk aus Bollensteinen vom Feuerwaffengebrauch partiell brandgerötet. 2. Obergeschoss: Die nicht datierbare Decke, aus dem erstmals auf dem Hohenklingen verwendeten Föhrenholz, dürfte ebenfalls zu diesem Umbau gehören.318 Sie endet gut 60 cm vor der neuen Ostwand von 1956 und besitzt einen eingenuteten Zwischenboden. Dieser wurde als typischer, frühneuzeitlicher Feuerschutz für Dachböden sorgfältig mit in Mörtel verlegten Biberschwanzziegeln mit Fingerstrich über­deckt. Möglicherweise wurde hier im dritten Obergeschoss Pulver für die Geschützstellungen gelagert. Mit einem nach Osten abfallenden Pultdach, das in der Tradition älterer Vorgänger steht, schloss der Palas-Ost wenig über dem Rähmbalken des Obergadens von 1423 an. Im Verputz der südlichen Ringmauer hat sich das Dachnegativ mit einem vor die Wand gestellten Auflagepfosten mit Zapfen erhalten. Auf diesem lag ehemals die Mittelpfette auf. Mittelbau und Verbindungsgang: Die südseitige Fenstersituation in der Bohlenstube von 1401 ist auf Grund einer datierten Sandsteinsäule in einem Umbau von 1567 entstanden (Abb. 166). Wahrscheinlich wurde damals die Stube in zwei Hälften unterteilt. Die westliche Hälfte trennte man nochmals in Schlafkammer und Vorratsraum. Die östliche Hälfte diente als beheizte Stube. Dies illustriert die bescheidenen Wohnverhältnisse des Burgvogtes und seiner Familie.319 Ebenfalls im zweiten Obergeschoss wurde entlang der nördlichen Schildmauer eine Verbindung vom PalasOst zum Mittelbau-West angelegt. Belege für diesen Verbindungsgang sind neben Rahns Erwähnung von nord- und südseitigen Wehrgängen in diesem Hof nur ein kleiner Holzbalken und ein Balkenloch in der nördlichen Ringmauer. Sie korrespondieren mit der Unterkante der Balkenlage von 1572 über dem ersten Obergeschoss des Palas-Ost.320 Lag der Gang im Dach jenes Anbaus, den der Plan von 1730 und spätere Pläne an dieser Stelle zeigen oder war es tatsächlich ein separater Wehrgang? In seiner Tradition stehen die Lauben, wie sie heute nord- und südseitig in moderner Form Mittelbau und Palas verbinden (Abb. 122).


7. Wehrgang-Südost (Bauphase 6, 6. Etappe): 1635 Der Wehrgang entlang der südlichen Ringmauer, der vom Mittelbau zum neuen Turm führt, wurde gemäss der Datierung von Hölzern seiner Unterkonstruktion erst 1635 angelegt. Vermutlich war es die Erneuerung nach der Explosion eines Pulverfasses,321 denn es gab schon früher eine Verbindung an dieser Stelle, wie die gleichartigen

Darstellungen von Stumpf (1548) und Grob (vor 1620) zeigen (Abb. 168 und 223). Eine Verbindung zum östlichen Wehrgang, der 6 m vom neuen Turm entfernt ist und 1,3 m tiefer liegt, scheint allerdings nie bestanden zu haben. Während der Ostteil des Wehrgangs im Turmbereich 1895 nach einem Brandschaden ersetzt wurde, blieb der 8 m lange Westteil mit einer Breite von 1,2–1,4 m, acht Bindern und Satteldach erhalten (Abb. 169 und 170).323 Aus der Ringmauer wurden mehrere Schiessscharten ausgebro-

Abb. 167: 1618–1648, die Zeit des Dreissigjährigen Krieges, ist in Stein am Rhein vor allem durch die Anlage eines sternförmigen Schanzenrings um die Stadt geprägt. Auf Hohenklingen hatte man schon 1635 den Wehrgang entlang der südlichen Ringmauer errichtet, der noch heute vom Mittelbau zum neuen Turm führt. Im Angesicht der städtischen Grossbaustelle wird 1644 als letzter Baukörper der Burg auch der MittelbauOst vom Erdgeschoss bis zum Dach erneuert. Dazu gehört der über dem Burgtor vorkragende Rote Laden, der in der Tradition der mittelalterlichen Wehrerker steht und noch heute einen direkten Blick aus dem Restaurant aufs Haupttor des Zwingers ermöglicht. Jüngste, militärische Erneuerungen stammen von 1712, aus der Zeit des letzten Bürgerkrieges der Eidgenossenschaft. Mit der Einrichtung einer Kuranstalt begann 1863 die touristische Nutzung des Hohenklingen, die bis heute andauert.

Abb. 168: Die Burg Hohenklingen in der Zeichnung von Hans Ulrich Grob (vor 1620).

103


8. Erneuerung Mittelbau-Ost mit Rotem Laden (Bauphase 6, 7. Etappe): 1644

Abb. 169 und 170: Osthof. Wehrgang von 1635. Querschnitt M. 1:50 und Ansicht.

Wehrgang 1635

neu 1897

um 1260

Zwinger

Osthof 2. Etappe 1222 - ca. 1226

chen und mit Prellhölzern für Hakenbüchsen versehen. Weil von diesen Schiessscharten der Zwinger kaum bestrichen werden konnte, blieben sie an dieser Stelle weitgehend funktionslos, obwohl sie in mindestens zwei Umbauphasen verschoben oder verändert wurden. Sie dienten vor allem repräsentativen Zwecken, wie sich dies an anderen Orten auch beobachten liess.324 Der Putz des ersten Schartenumbaus wurde durch den späteren Einbau des Glockenreiters mit der 1676 datierten Glocke gestört.325 In Übereinstimmung damit, fehlt der kleine Dachreiter auf den Darstellungen der Burg von Merian 1642 und Mentzinger 1662 noch (Abb. 227). Erstmals wurde er zusammen mit der neuen Laube vor dem Turm um 1730 abgebildet, (Abb. 179). Ausserdem gab es noch eine zweite, von den Franzosen 1800 abtransportierte Glocke mit unbekanntem Standort auf der Burg.326 Dendrodatierung Hohenklingen-Bauphase 6. 6. Etappe: Wehrgang-Südost.322 Datierung Ort (WK = Waldkante) 1631 Unterkonstruktion 1634/35 (2x)

104

Anzahl Splintjahre (Eiche) 8 19 (2x)

Als letzter Baukörper wurde 1644 auch der Mittelbau-Ost zusammen mit dem Roten Laden vom Erdgeschoss bis zum Dach erneuert. Wie bereits beim Wehrgang-Südost fallen auch diese Bauarbeiten in die Zeit des Dreissigjährigen Krieges und erfolgten parallel zum Bau des grössten Befestigungswerkes, das die Stadt je erlebte. Nach dem Plan des Zürcher Festungsingenieurs Hans Georg Werdmüller, der zur selben Zeit auch entsprechende Pläne für den Schaffhauser Munot vorgelegt hatte, wurde unter Leitung von Hans Ulrich Bachofen bis 1646 der sternförmige Schanzenring um die Stadt Stein am Rhein angelegt. Entsprechende Befestigungsanlagen waren zu dieser Zeit auch in den Städten Konstanz, Basel und Genf geplant oder im Bau. Der Plan von J. J. Mentzinger von 1662 zeigt diese Anlage, die heute nur noch in den Namen «gross bzw. chli Schanz» weiterlebt, deutlich, (Abb. 242).32 Mittelbau-Nordost: Die steinerne Westwand von 1253/1393 wurde über zwei Geschosse weitgehend durch eine stockwerksweise abgezimmerte Fachwerkwand mit eingezapften Diagonalstreben ersetzt (Abb. 171). Nordseitig trat im zweiten Obergeschoss eine gleichartige Fachwerkwand an die Stelle der möglicherweise noch existierenden Reste des Wehrerkers von 1232, dessen Balkenstumpfreste zurückgearbeitet wurden (Abb. 48 und 144). Diese dünne Wand ermöglichte weiterhin die Überwachung des Mauerfusses der Ringmauer. Mittelbau-Südost: Eine gleichartige Fachwerkwand wurde vom Erdgeschoss bis ins zweite Obergeschoss aufgeführt. Im ersten Obergeschoss kam eine neue Decke hinzu, deren Balken an der südlichen Ringmauer auf der Mauerlatte von 1221/22 ruhen. Neu entstand auch die Balkendecke des zweiten Obergeschosses des ganzen Mittelbaus-Ost, zu der ein abgewalmtes, nach Osten abfallendes Pultdach gehört, das an den Mittelbau-West von 1401 anschliesst. Im Gegensatz zum eingezapften Fassadenfachwerk sind hier im Dach in traditioneller Manier angeblattete Streben vorhanden (Abb 172). Roter Laden: Der markante, polygonale Erker, dessen Holzwerk seinem Namen entsprechend ochsenblutrot bemalt ist, steht in der Tradition der mittelalterlichen Wehrerker über dem Burgtor. Er ruht auf den vorkragenden, neuen Deckenbalken des ersten Obergeschosses des Mittelbaus-Südost, deren Balkenköpfe gefast sind. Noch heute


ermöglicht der Erker einen direkten Blick aus dem Restaurant aufs Haupttor des Zwingers. Diesem freien Blick dient die hoch liegende Fensteröffnung direkt unter dem Zinnenkranz der Zwingermauer (Abb. 173).329 Eine Treppe führte vom ersten Obergeschoss des Mittelbaus-Südost direkt zum Roten Laden. Mit 1,4 m Breite330 entsprach sie jener der Wehrgänge und ermöglichte ein kreuzungsfreies Zirkulieren der Besatzung. In der Literatur ist von zwei Läden die Rede, wo der Wächter nach altem Brauch mit dem grossen Horn «bei beiden läden, vornen und hinden», anblasen musste, sobald in der Stadt die Wachtglocke geläutet wurde.331 2. Obergeschoss: Der hinter dem Roten Laden liegende, langschmale Raum von 4,5 x 15 m diente offensichtlich als neue Unterkunft für die Besatzung. Mit der Einrichtung der Kuranstalt im Jahre 1863332 entstand in der «alten Wachtstube samt den beiden Nebenräumen» der Speisesaal.333 Von der Küche im Mittelbau-Nordost aus wurde sicher ein Ofen beheizt. Der Schwellbalken der Trennwand von 1401 wurde an dieser Stelle auf eine Breite von 1,3 m durchgesägt, ausgebaut und später, nach dem Abbruch dieses bzw. eines Nachfolgeofens, zusammen mit der darüber liegenden Wandfüllung durch Backsteine ersetzt. Diesem Ofen des Umbaus von 1644 können möglicherweise die Ofenkacheln aus einer Serie mit allegorischen Darstellungen verschiedener Tugenden zugeordnet werden.334

Abb. 171: Mittelbau-Ost, Ostfassade, 2. Obergeschoss. Stockwerksweise abgezimmerte Fachwerkwand aus Föhrenholz von 1644 mit eingezapften Diagonalstreben.

Abb. 172: Mittelbau-Ost. Im Dachstuhl von 1644 finden sich in traditioneller Manier angeblattete Streben, im Gegensatz zum eingezapften Fassadenfachwerk der gleichen Zeit. Abb 173: Die hochliegende Fensteröffnung im Zwinger ermöglicht einen direkten Blick vom Roten Laden, dem Erker der in der Tradition der mittelalterlichen Wehrerker steht, aufs Haupttor.

Zweiter Zwingerumbau In einem zweiten Umbau wurde die gesamte Zwingermauer mit ihrem Zinnenkranz um etwa 1,4 m erhöht. Eine um 1730 angefertigte Zeichnung zeigt diesen Zustand sehr schön (Abb. 179 ). Heute ist die Zinnenbekrönung nur noch im Südwesten erhalten. Datieren lassen sich diese Bauarbeiten in die zweite Hälfte des 16. oder in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die Schlüsselscharten besitzen ein gleichartiges Pendant im Palas-Ost, das 1572 datiert ist.335 Ein in der Nähe des Burgtores ehemals auf die Zwingermauer gemalter Hirsch mit einem darüber angebrachten echten Geweih wies nach Rahn ein 1627 datiertes Gedicht auf,336 das heute auf der Tafel von 1893/1954 angebracht ist (Abb. 174). Südwestlicher Zwinger: Zinnen und Zinnenöffnungen dieser Umbauphase sind nun quadratisch mit Seitenlängen um 75 cm. Ihre Maueroberflächen sind nach innen geneigt und mit Hohlziegeln abgedeckt. Das Mauerwerk war flächig verputzt. Wenige Reste zweier Grisaillefassungen liessen sich vor allem an den Scharten der Süd105


Abb. 174: Zwinger. Die Tafel von 1893/1954 hat ihren Ursprung in einem bereits 1627 auf die Zwingermauern aufgetragenen Original.

Abb. 175: Zwinger. An die Stelle der Schlitzscharten von ca.1230-32 treten Schlüsselscharten aus Rorschachersandstein in der zweiten Hälfte des 16. oder in der ersten Hälfte des 17. Jhs.

Abb. 176 und 177: Zwinger. Mit dem in der zweiten Hälfte 16./ersten Hälfte 17. Jh. eingefügten, inneren Tor wird der Zwinger unterteilt. Sein Gewände lehnt sich stilis­ tisch an das alte Burgtor von 1226 an. Wie im Mittelalter entwässert der Zis­ ternenüberlauf bei Regenwetter noch heute oberflächlich (1).

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ostseite feststellen. Ein horizontal verlaufender Streifen mit massivem Ziegeldurchschuss markiert die Nahtstelle der Umbauarbeiten. Das neue Mauerwerk besteht vorwiegend aus Abbruchmaterial, nur bei den Zinnen sind die Aussenseiten schalungsartig mit neuen, hochkant gestellten Backsteinen aufgemauert worden. Der verwendete Mörtel ist grau und ganz fein (Abb. 148). Vier Schlüsselscharten aus Rorschachersandstein traten an die Stelle älterer Schlitzscharten der Bauphase 2 (Abb. 175). Sie dienten der Sicherung des äusseren Zugangsweges zum Zwinger und seinem Tor. Ihre Masse entsprechen der 1572 datierten Scharte im Palas-Ost. Im Flickmauerwerk sind Backsteine vorhanden. Der Sichtverbindung vom Roten Laden zum äusseren Zwingertor dient das erwähnte, neu entstandene, hoch liegende Fenster in der Zwingermauer vor dem inneren Tor. (Abb. 173). Das äussere Tor wurde zudem zur besseren Übersicht 1 m auf die heutige Flucht zurückgenommen.337 Südöstlicher Zwinger: Durch ein neu eingefügtes, inneres Tor wird der Zwinger unterteilt. Das rundbogige Torgewände wird, offenbar in Anlehnung an das alte Burgtor von 1226, von einem Dreiviertelstab begleitet (Abb. 176 und 177). Verwendet wurde ein feiner, gelber Sandstein, der sonst auf der Burg nirgends vorkommt und auch im Baubestand des Kantons Schaffhausen unüblich ist. Seitliche Löcher in der Innenleibung stammen von Sperrbalken. Fünf weitere Maul- und Schlüsselscharten338 wurden in die südöstliche Zwingermauer eingebaut, wobei die Schlüsselscharten wenig kleiner sind als die bisher beschriebenen. Innen waren die Scharten ursprünglich mit kleinen Schiesskammern versehen, die später zum Teil wieder vermauert und zu Schiessnischen verkleinert wurden. Der Flankierungsturm war immer noch intakt, er wurde erst 1812 zusammen mit Teilen der Zwingermauer abgetragen.339

1


Umbauten am neuen Turm Verschiedene kleinere und zeitlich nicht genauer einzuordnende Umbauten und Renovationen haben hier ihre Spuren hinterlassen. 2. Obergeschoss, Laube vor dem Hocheingang: An einem Quader der Südostecke des Turmes ist als Steinmetzarbeit das Bernerwappen angebracht. Seine Bedeutung erschliesst sich ebenso wenig, wie die am Sandsteingewände des Hocheingangs eingemeisselten Daten 1619, 1623 und 1661. Es fällt allerdings auf, dass auch Ofenkacheln der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts aus der Füllung des Burggrabens eine Kombination von Reichs- und Bernerwappen zeigen.340 Der nachträglich eingehauene Aussenfalz im Türgewände des Hocheingangs stammt von einem zweiten, sich einst nach aussen öffnenden Türblatt. Auf dem südlichen Wehrgang schliesslich wurde eine einfache quadratische Maulscharte aus Sandstein für Hakenbüchsen eingebaut. 5. Obergeschoss, Wehrplattform: Identische, quadratische Maulscharten wurden nachträglich auch in einzelne Zinnen auf der Süd- und Westseite eingebaut. Auch die Geschützstellung von 1526 wurde auf der Ostseite abgeändert, um einen besseren Schusswinkel nach Nordosten, in Richtung auf die Klingenwiese zu erhalten. Dazu wurden einzelne Hölzer verschoben und die äusseren, vertikalen Kanten der Zinnen partiell abgeschrägt. Die stehenden Balken versah man mit Nuten, um an Stelle der Geschützblenden, feste Bohlen einlassen zu können (Abb. 178).

Dendrodatierung Hohenklingen-Bauphase 6. 7. Etappe: Erneuerung Mittelbau-Ost mit Rotem Laden.328 Datierung Ort (WK = Waldkante) 1643/44 WK 1. Obergeschoss, Deckenbalken 1640 WK (?) 1637 2. Obergeschoss, Deckenbalken 1641/42 WK

Anzahl Splintjahre (Föhre) 54 55 53 42

9. Laube südlich des neuen Turms (Bauphase 6, 8. Etappe): 1712 Wie bereits dargelegt, liessen sich vom Wehrgang aus weder der Zwinger noch dessen neues, inneres Zwingertor richtig kontrollieren, trotzdem die Scharten verschiedentlich umgebaut wurden. Dies änderte sich grundlegend durch den partiellen Abbruch der Ringmauer südlich vor dem neuen Turm und deren Ersatz durch eine Fachwerkwand. Ihre vier quadratischen Fensteröffnungen verschafften einen perfekten Überblick auf den ganzen Zwinger. Neu wurde auch eine südseitige Verbindung zur Wachtstube über dem Osthof geschaffen. Den erreichten Zustand überliefern Aufnahmepläne des Kantonsbaumeisters J. C. Bahnmeier von 1895, kurz bevor der neue, offene Aussichtsgang gebaut wurde.341 Eine mögliche Datierung für den Bau dieser 1895/97 ersetzten Fachwerkwand liefert die Jahreszahl 1712, die mit Rötel auf den oben erwähnten Putz der ersten Umbauphase im westlich anschliessenden Wehrgang von 1635 geschrieben ist. Die gleiche Jahreszahl findet sich auch an der östlichen Schildmauer im zweiten Obergeschoss, an einem Fensterrahmen aus eichenen Kanthölzern, der in die Zinnenöffnung aus der Zeit um 1460 eingesetzt wurde (Abb. 142). Kurz danach, um 1730, erschien die Laube erstmals auch in den Bildquellen (Abb. 179). Auch diese Bauarbeiten standen möglicherweise mit einer Bedrohungslage im Zusammenhang: 1712 kam es zum letzten eidgenössischen Bürgerkrieg des Ancien Régime, der schliesslich den Religionsfrieden brachte.342

Abb. 178 (links): Neuer Turm, Wehrplattform. Im 17./18. Jh. partiell geschrägte Zinnen für einen besseren Schusswinkel nach Nordosten, gegen die Klingenwiese hin. Abb. 179: Die Burg Hohenklingen von Isaak Vetter um 1730 mit der neuen Laube vor dem Turm.

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Abb. 181: Hohenklingen vor der grossen Renovation von 1895/97. Die Dächer sind teilweise mit Eisenblechen bedeckt, der Zwinger mit seinem Ecktürmchen ist im Südosten teilweise eingestürzt. Abb. 182: Hohenklingen nach der grossen Renovation 1906.

Abb. 183: Hohenklingen in den 1930er Jahren bedrängt vom Wald und Efeu an den Mauern. Rechts die Klingenwiese mit dem Dach der später abgebrochenen Scheune.

10. Renovationen zur touristischen Nutzung (Bauphase 7): ab 1863

Abb. 184: In festlicher Tracht präsentiert sich der Pächter mit seiner Tochter (?) auf der Klingenwiese vor Hohenklingen. Anfang 20. Jahrhundert.

1863: Einrichtung einer Kuranstalt mit dem Einbau von Fremdenzimmern im dritten Obergeschoss des Palas und der Einrichtung eines Speisesaals im Mittelbau-Ost. Sichtbar geblieben ist die südliche Fachwerkwand im dritten Obergeschoss des Palas (Abb. 12 und 180).

Die jüngsten Renovationen sind durch die IBID Altbau AG nach den archivalischen Quellen bereits detailliert aufgezeichnet worden. Sie werden deshalb an dieser Stelle im Sinne einer Vervollständigung der Geschichte nur noch summarisch, mit den heute noch sichtbaren Elementen aufgeführt.343

1895–1897: Auf der Grundlage eines Zustandsberichts des Berner Architekten Hans Auer von 1893 wurde die gesamte Burg umfassend renoviert (Abb. 181 – 184). Dazu wurde zuerst die heute noch benutzte Zufahrtstrasse angelegt. Die Arbeiten wurden denkmalpflegerisch von der

Abb. 180: Palas-Obergaden. Blick in eines der bescheidenen Gästezimmer von 1863, Zustand 2003.

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Eidgenössischen Kommission für die Erhaltung historischer Kunstdenkmäler begleitet. Heute noch prägende Raumausstattungen dieser Sanierung finden sich im Mittelbau-Ost mit seinem Treppenhausanbau. Es sind historisierende Täfelungen, teilweise begleitet von einem neugotischen Rankenfries im ersten und zweiten Obergeschoss, im grossen Speisesaal der heute noch Teil des Burgrestaurants ist. Weitere Elemente aus dieser Zeit sind der teilweise Neubau des Wehrgangs-Südost als offener Aussichtsgang vor dem neuen Turm, dann Teile des nördlichen Wehrgangs von der östlichen Schildmauer bis zum Mittelbau mit den Dächern sowie der Strebepfeiler zur Stützung der alten Ringmauer im Zwinger. 1924–1926: Renovation des «Rittersaales» und Entfernung der mittelalterlichen Quadermalerei. An deren Stelle trat die historisierende Bemalung und Ausstattung im Gefolge der ersten Aufführung der «No e Wili» Sage des Steiner Bürgers Heinrich Waldvogel. 1932: Einbau einer Abortanlage. 1949: Renovierung der Wirtsstube (Abb. 185). 1956: Einbau einer Wirtewohnung im Palas-Ost. 1969: Renovation der WC-Anlagen. 1965–1988: Sanierungen von Küche, Restaurant mit Serviceräumen und Umbau der Kapelle zum Lagerraum mit Warenlift (Abb. 186). 2005–2007: Gesamtrestaurierung im Auftrag der Stadt Stein am Rhein durch den Architekten Georg Wagner vom Büro Schmid Partner AG Schaffhausen, unter Beratung durch die Eidgenössische Denkmalpflege und mit Mitteln der Jakob-und Emma-Windler Stiftung. Vollständige Öffnung der gesamten Burg für die Besucher mit Osthof, Kapelle, Wehrgängen, Turm und Palas im dritten Obergeschoss. Neuerstellung einer Kaverne mit Infrastrukturräumen für den Restaurantbetrieb und Lifterschliessung unterhalb der nördlichen Ringmauer, zugänglich vom dortigen Parkplatz (Abb. 187). Erweiterung der südseitigen Laube vor dem Turm, Erstellung von neuen Treppen in Turm, Palas und Hof. Gesamterneuerung von Installationen und Innenausbau etc.

Abb. 185: MittelbauWest. Die Wirtsstube von 1401 nach der Renovation von 1949.

Abb. 186: Mittelbau-West. Küche des Burgrestaurants, Zustand 2003 vor dem Umbau.

Abb. 187: Burggraben. Rohbau der Kaverne mit Infrastrukturräumen für den Restaurantbetrieb und Lifterschliessung 2006.

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III. Die Herrschaft der Freiherren von Hohenklingen

Erwin Eugster

1. Einleitung Lange Zeit hat die schweizergeschichtliche Forschung den mittelalterlichen «Adel» als etwas Statisches betrachtet. Der Adel erkannte die «Zeichen der Zeit» nicht. Er erstarrte in seinen Herrschafts- und Lebensformen. Statt zu modernisieren, brach er – oft «dekadent» über seine Verhältnisse lebend – unter Schuldenlast oder den Schlägen der Eidgenossenschaft zusammen. Seit bald drei Jahrzehnten hat die Mittelalterforschung dieses gerade für die Schweiz so typische Adelsbild gründlich revidiert.344 Der Adel war nie statisch sondern immer im Wandel. Erfolgreiche Adelsfamilien – das sind lapidar gesagt all jene, die längere Zeit überlebt haben – passten sich stets dynamisch an neue wirtschaftliche, soziale und politische Gegebenheiten an und grenzten sich immer wieder neu von «Nichtadligen» ab. Ist es vor diesem Hintergrund nicht Unsinn, ein Adelsgeschlecht als solches in das Zentrum einer historischen Untersuchung zu stellen? Ist die Zeit der «Adelsmonografien» nicht schon längst vorbei? Auf keinen Fall. Zum einen hat sich «Adel» massgeblich über Herkommen, «Haus» und Geschlechterbewusstsein definiert. Gerade für ein Freiherrengeschlecht hatte die geburtsständische Abgrenzung gegenüber Nieder- und Nichtadligen eine zentrale Bedeutung. Eine Adelsgeschichte, nicht verstanden als chronologische Aneinanderreihung von Wissen über genealogisch mehr oder weniger überzeugend verknüpfte Leute, macht zudem Sinn, weil gerade so langfristige Ent­ wicklungen, Formen und Mechanismen der Herrschaft, Repräsentations- und Legitimationsformen, sich ändernde wirtschaftliche Grund­ lagen, kurz: «Adel im Wandel» in überschauba­ rem Rahmen dargestellt werden können. Eine neue Untersuchung mit dem Fokus auf die ganze Zeitspanne des Auftretens der Freiherren von Hohenklingen ist achtzig und mehr Jahre nach den Arbeiten von Stiefel und Pupikofer schon lange ein wissenschaftliches Desiderat. Heute können Empfängerarchive auch ausserhalb

der Schweiz durchsucht werden. Die moderne Quellenkritik ringt den Quellen völlig neue Informationen ab. Diese lassen sich vor dem Hintergrund des heute bekannten landesgeschichtlichen Rahmens neu interpretieren und interdisziplinär auswerten.

Abb. 188: Geschlechterbewusstsein. Memorialbild der Herren von Hohenklingen aus dem frühen 15. Jahrhundert (Stadtkirche Stein am Rhein).

Die vorliegende Arbeit geht von sechs zentralen historischen Fragestellungen aus: 1. Auf welcher Tradition, auf welchem quasi «hochmittelalterlichen Vermächtnis» baute die Herrschaft der Freiherren von Hohenklingen auf? 2. Das Deutsche Reich war im Spätmittelalter politisch von schwindender Reichspräsenz und dem damit verknüpften Aufkommen von Landesherren geprägt. Wie vermochten die Freiherren von Hohenklingen auf diese Umstrukturierung zu reagieren? 3. Damit zusammenhängend: Wie passten sie ihre sozioökonomischen Grundlagen an diesen Wandel an? Wie reagierten sie auf die zweite einschneidende Veränderung des Spätmittelalters, auf die Kommunalisierung/Verdorfung? 4. Welche Familien- und Vererbungsstrategien lassen sich vor diesem materiellen Hintergrund erkennen? 5. Wie setzten die Freiherren von Hohenklingen ihre Herrschaftsrechte durch? 6. Welche Formen der Herrschaftsrepräsentation und -inszenierung sind erkennbar? Ein abschliessendes Kapitel geht der Frage nach, welche Funktionen der Burg Hohenklingen zwischen 1218 und 1433 zukamen.

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2. Das hochmittelalterliche Vermächtnis: Freie Reichsvögte der Staufer Freiherren (nobiles)

Abb. 189: Erstes Siegel der Herren von Hohenklingen. Seit 1247 sind die Herren von Hohenklingen historisch mit Sicherheit nachweisbar.

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Am 14. November 1433 verkaufte Ulrich X., der letzte Freiherr von Hohenklingen, fast alle seine Besitzungen und Rechte. Er behielt sich neben der Kirche Burg nur zwei Wohnsitze in Stein am Rhein (Niederhof und Aarburg-/Oberhof) vor samt Kornhaus, Fischweihern, Kuhweide, Krautgarten, Weinberg und Trotte, standesgemässes Zubehör, das selbstverständlich auch künftig von allen Steuern und Diensten befreit sein sollte. Insbesondere aber behielt Ulrich X. die Mannschaft, «so zue dem Stammen Schilt und Helm gehört», und ausdrücklich das Recht, in seinen Höfen weiterhin über Vogtleute richten zu dürfen. Sein Vetter Ulrich IX. hatte diese «Mannschaft» 14 Jahre früher noch als Summe jener Rechte der Herren von Hohen- und Altenklingen bezeichnet, welche «waeppens genoss» von ihm zu Lehen hätten.345 Für die letzten Freiherren von Hohenklingen waren Tradition und Herkommen von fundamentaler Bedeutung (Abb. 188). Unter Letzterem verstand der spätmittelalterliche Adel nicht die Rückführung des Geschlechts auf irgendeine «Stammburg», zumal die Vorstellung von solchen Anlagen mehr in die Welt der Genealogen des 19. und 20. Jahrhunderts als in jene des spätmittelalterlichen Adels gehört. Unter «Herkommen» wurde vielmehr die auf der Tradition beruhende Einordnung in das Adels- und Gesellschaftsgefüge verstanden. Ulrich X. manifestierte 1433 unmissverständlich, wo er sein Geschlecht platziert haben wollte: Er sah sich als Herrn, der auch kurz vor dem finanziellen Ruin noch standesgemäss wohnen und als gewaltfähiger Vogtherr anerkannt sein

wollte. Als freier Herr beanspruchte er zudem weiterhin Freiheit vor Abgaben und Diensten. Zum «Stammen Schilt und Helm» gehörten das Recht, direkt Reichslehen zu empfangen. Damit war sein Platz in der adligen Ständeordnung klar: Als Freiherr nahm er zusammen mit den Grafen die zweite Stufe der dreigegliederten «Adelspyramide» ein. Gemeinsam mit der ersten Stufe, den Fürsten (Königen und Herzogen), bildeten Freiherren und Grafen den Hochadel. Die herrschaftlich-adlige Autonomie und die damit verknüpfte Reichsgefolgschaft waren für Ulrichs X. Selbstverständnis zentral. Sie grenzten ihn nach unten gegenüber der dritten Adelsstufe ab. Diese bildete der Niederadel, Dienst-, Minis­ terial- und Ritteradlige mit ursprünglich unfreien Wurzeln. Diese Mittelstellung zwischen Fürstenund Niederadel erklärt auch, warum Ulrichs X. Vater, Walter VII. von Hohenklingen, sich nach dem Aussterben der Linie von Altenklingen explizit um die Verleihung von deren Mannschaft und Wappen bei König Ruprecht bemüht hatte, obwohl der materielle Wert dieser Rechte gering war.346 Wappen und Mannschaft erlaubten Walter VII. sich als Rechtsnachfolger der Herren von Altenklingen durchzusetzen und sich dank der altenklingischen Mannlehen als (Lehens)Herr über eine stattliche Anzahl von niederen Adligen zu profilieren. Die Bewahrung der Reichsunmittelbarkeit war ein zentrales Anliegen aller Freiherren auf Hohenklingen. Die Wurzeln dieser Tradition sind bis in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts zurück zu verfolgen. Geschichte der Herren von Klingen bis um 1191 Die Freiherren von Klingen sind urkundlich seit 1247 als Kastvögte Steins nachweisbar (Abb. 189). Ab diesem Jahr verwendete ein Angehöriger des Geschlechtes der Herren von Klingen ein eigenes Siegel, nannte sich «Vogt von Stein» und machte die Burg auf Hohenklingen wahrscheinlich zu seinem Lebensmittelpunkt. Ab 1293 bezeichneten sich seine Nachkommen als «von Klingen ob Stein», einige Jahrzehnte später als «von Hohenklingen», in Abgrenzung zur Linie auf Altenklingen, deren Herrschaftszentrum die Burg (Alten)Klingen war.347 Die bisherige Forschung ging sicher zu Recht davon aus, dass die Herren von Hohen- und Altenklingen gemeinsame Vorfahren hatten und sich diese vor 1247 «von Klingen» nannten. Über die Frühgeschichte der Herren von Klingen vor 1247 und insbesondere zur Frage, wann und wie die Herren von Klingen zu ihren Steiner Rechten gelangt sind, existieren bis jetzt mehr oder weniger wissenschaftliche Spekulationen. Am weitesten verbreitet ist die Auffassung, die


Herren von Klingen seien um die Mitte des 12. Jahrhunderts als Zähringer Untervögte auf Hohenklingen eingesetzt worden. Diese Auffassung, die auf ein gelehrtes Konstrukt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts zurückgeht, entbehrt nach heutigem Kenntnisstand zu Urkundenfälschungen und -terminologie (Abb. 191) und zu den (bisher überschätzten) Zähringer Vogteirechten jeglicher Grundlage.348 Zudem traten die Herren von Klingen nie in direktem oder indirektem Zusammenhang mit den Zähringern oder in Zusammenhang mit den Vorgängen um deren Erbe auf. Analysiert man die heute erhaltenen Urkunden und die im 13. und 14. Jahrhundert tatsächlich bezeugten Rechtsverhältnisse auf Hohenklingen, so ergibt sich ein völlig anderes Bild: Die Freiherren von Klingen stammten nach gängiger Auffassung aus dem nördlichen Thurgau.349 In den ersten sechs Jahrzehnten nach ihrer Ersterwähnung 1167350 traten sie vorwiegend im Umfeld der Konstanzer Bischöfe auf.351 Sie waren in dieser Zeit die wichtigste bischöfliche Stütze im nordwestlichen Thurgau. Am Ende des Untersees übten sie seit der Mitte des 12. Jahrhunderts die Vogtei über das konstanzische Stift Wagenhausen (Abb. 190) aus, welches als Gedächtnisort für die Familienmitglieder eine zentrale Rolle spielte.352 Es ist denkbar, dass sie zu dieser Vogtei gekommen waren, nachdem sie die Herren von Mammern und deren Rechte in Eschenz und Burg (samt Freudenfels?) beerbt hatten.

Abb. 190: Propstei Wa­ gen­hausen (1703). Die Vogtei über die Propstei eröffnete den Freiherren von Hohenklingen den Aufbau ihrer Herrschaft am Untersee. Abb. 191: Fälschungsnest. Vermeintliche «Schlüsselurkunden» zur Geschichte der Herren von Hohenklingen sind oft gefälscht. Hier ein Siegelvergleich der hohenklingischen Urkunden von 1328 (echt) und «1265» (unten, gefälscht).

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Abb. 192: Wurzeln der hohenklingischen Herrschaft ob Stein: Kaiser Friedrich Barbarossa und seine Söhne Heinrich (links; regiert 1191-97 als Kaiser Heinrich VI.) und Friedrich.

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Die Herren von Klingen kamen kurz nach 1191 im Rahmen einer für sie idealen politischen Kons­ tellation in den Besitz jener zwei Rechte, die für den späteren Zweig «von Hohenklingen» von entscheidender Bedeutung werden sollten: Der Konstanzer Bischof belehnte sie mit dem Öhninger Kehlhof,353 zu dessen Zubehör jene Herrschaftsanlage zählte, die man ab dem 14. Jahrhundert «Hohenklingen» nannte.354 Die Staufer verliehen ihnen die Reichsvogtei Stein, welche vielleicht schon seit Jahrzehnten Zubehör dieser Herrschaftsanlage war. Die Reichsvogtei Stein umfasste die Kastvogtei über das Kloster St. Georgen und sämtliche Vogteirechte über dessen Leute und Güter in Stein, Hemishofen und Arlen. Dieser Sachverhalt ist zwar nicht urkundlich belegt. Er ergibt sich aber zwingend aus folgenden Feststellungen: 1. Die Burg Hohenklingen war noch 1359 teilweise Zubehör des Kehlhofes Öhningen und Lehen des Konstanzer Bischofs. Die Waldungen nördlich Hohenklingens lagen ebenfalls im Twing- und Bannbereich des Öhninger Kehlhofes. Dieser war 1120 bis 1191 staufischer Besitz gewesen. 1191 hatte ihn Kaiser Heinrich VI.

an den Konstanzer Bischof geschenkt.355 Allfällige schon 1191 bestehende Herrschaftsanlagen auf dem späteren Hohenklingen müssen darum bis 1191 ebenfalls staufisch gewesen und danach an den Konstanzer Bischof gelangt sein. 2. Der Öhninger Kehlhof war in der Folge konstanzisches Lehen der Freiherren auf Hohenklingen. Der Kehlhof und die allfällig schon auf Hohenklingen bestehende Herrschaftsanlage müssen darum kurz nach 1191 an die Herren von Klingen verliehen worden sein. Angesichts der Tatsache, dass die Herren von Klingen schon vor 1191 die konstanzischen Interessen am Ausfluss des Untersees wahrnahmen, war dieser Schritt auch politisch nichts anderes als logisch, zumal die Herren von Klingen wohl in derselben Zeit die Herren «von Singen» (samt der Burg Twiel?) beerbten.356 3. Die Vogtei über Stein war wie erwähnt eine Reichsvogtei. Deren Verleihung stand letzt­ instanzlich ausschliesslich dem König zu. Die staufische Verleihung der Reichsvogtei an die Herren von Klingen machte um 1191 doppelt Sinn: Zum einen hatten die Herren von Klingen in den 90er-Jahren nachweisbar den Zugang in das staufische Gefolge gefunden. Der St. Galler Abt Heinrich von Klingen soll 1200 von König Philipp von Schwaben investiert worden sein, worauf er dem Staufer die Heerfolge gegen den Landgrafen von Thüringen gelobte. 1214 zeugten zwei Herren von Klingen für den späteren Kaiser Friedrich II.357 Zum andern waren die Herren von Klingen wie gerade erwähnt die wichtigsten Repräsentanten des Konstanzer Bischofs am Untersee. Der Bischof seinerseits bildete um 1200 die wichtigste Stütze staufischer Machtpolitik im Bodenseeraum. Bischof Diethelm von Krenkingen (1189-1206) gehörte um 1190 zu den wichtigsten Exponenten staufischer Macht schlechthin. Traditionell staufertreu, war er unter den Kaisern Barbarossa und Heinrich VI. (1191-1198) (Abb. 192) deren verlängerter Arm am Bodensee. Dieser Tatsache verdankte er die Schenkung Öhningens. Noch enger war sein Verhältnis zu Philipp von Schwaben: Als dieser 1197 nach Sizilien aufbrach, übertrug er dem Bischof seine Amtsgeschäfte für das ganze Herzogtum Schwaben. Nur schon aus diesem Grund lag es für die Staufer nahe, die Steiner Reichsvogtei an ein eng mit dem Konstanzer Bischof verbundenes Adelsgeschlecht zu übertragen.


Die politische Konstellation am Untersee um 1200 Die staufische Verleihung der Reichsvogtei Stein und die bischöfliche Übertragung des Kehlhofes Öhningens und «Hohenklingens» an die Herren von Klingen waren das Produkt einer zwischen Kaiser und Bischof koordinierten Aktion. Die Verleihung des Kehlhofes und der Reichsvogtei sind nur zu verstehen, wenn man diese Massnahmen als Teil der übergeordneten regional- und reichspolitischen Vorgänge begreift. Dazu ist die politische Konstellation am Untersee um 1200 eingehender zu betrachten: Reichslehen wie die Reichsvogtei Stein waren ein wichtiges Mittel zur königlichen Gefolgschaftsbildung. Aber sie stellten auch lohnenswerte Ziele für Konkurrenten um die Königsmacht dar. Entsprechend wechselten die Inhaber von Reichslehen um so rascher, je unklarer oder wechselhafter die Verhältnisse um die Reichsregentschaft waren.358 Auch die Reichsvogtei Stein und die bald nach 1191 mit ihr verbundene Herrschaftsanlage auf Hohenklingen waren darum Ziel von Konkurrenten und damit wiederum Objekt königlicher Sicherungsbemühungen. Nicht nur reichsweit, sondern gerade zwischen Untersee und Schaffhausen bestand am Ende des 12. Jahrhunderts eine dreifache Rivalität zwischen den Staufern und ihren Gegnern. Erstens: Angesichts der zähringischen Anwartschaft auf Schaffhausen und möglicherweise verstärktem Burgenbau in der Region herrschte bereits zur Zeit Kaiser Heinrichs VI. eine deutliche politische Rivalität zwischen Herzog Berthold V. von Zähringen und den Staufern, die 1196 zur stau­ fisch-zähringischen Fehde führte.359 Zweitens gibt es Hinweise darauf, dass der Staufer Besitz in Öhningen von den anderen «Öhninger Erben», unter ihnen die Zähringer und die Welfen, nach wie vor bestritten wurde. Die staufische Schenkung an den Konstanzer Bischof 1191 ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Und es ist davon auszugehen, dass danach der bischöfliche Besitz Öhningens noch lange umstritten war. Diese regionalpolitisch und verwandtschaftlich bedingten Gegensätze wurden drittens ab 1198 vom reichsweiten Konflikt überlagert und verstärkt: Nach der Doppelwahl von 1198 war umstritten, wem die Verleihung von Reichsrechten zustand, dem staufischen König Philipp oder dem Welfen-Gegenkönig Otto IV.360 (Abb. 193). Die Staufer waren also gerade am Untersee besonders auf loyale Vertreter ihrer Interessen angewiesen. Vor diesem politischen Hintergrund wurden Bischof Diethelm von Konstanz und die Freiherren von Klingen ab 1191 zu den Stützen staufischer Macht am Bodensee. Die Übertragung Öhningens und der Reichsvogtei Stein machte sie zu In-

strumenten eines umfassenden staufischen Zugriffs auf die untere Bodenseeregion. Darum waren sie von den ab 1198 einsetzenden Phasen wechselnder staufischer Präsenz nördlich der Alpen ganz besonders betroffen. Speziell heikel war die Situation im Jahr 1208 nach der Ermordung König Philipps: Die Ausübung der Reichsrechte in der Ostschweiz war vorübergehend völlig unklar. Herzog Berthold V. von Zähringen verlangte die Reichsvogtei über St. Gallen. Doch Kaiser Otto IV. behielt sie in seiner Hand. Er beanspruchte also explizit die Verfügungsgewalt über Reichsrechte in der heutigen Ostschweiz. Aus dem Jahr 1209 stammt denn auch der Beweis dafür, dass die Herren von Klingen dank den Staufern und der bischöflichen Politik in den Besitz der Reichsvogtei Stein gelangt sind: In einer Urkunde des Konstanzer Bischofs Konrad von Tegerfelden wird der Zeuge Walter (III.) von Klingen erstmals und auffällig als advocatus bezeichnet.361 Die Benennung als advocatus, als Reichsvogt, ist demonstrativ zu verstehen: Hier zeugte der von den Staufern eingesetzte Reichsvogt am Untersee.362 Der mit Reichsvogt Walter von Klingen verwandte Bischof manifestierte unmissverständlich, dass er nicht bereit war, die von den Staufern um 1191 geschaffene, für den Konstanzer Bischof sehr vorteilhafte Situation am Untersee zu verändern. Er wollte verhindern, dass Kaiser Otto IV. nach der St. Galler auch die Steiner Klostervogtei an sich zog. Rechtlich stützte sich Bischof Konrad dabei auf den Umstand, dass nun von Sizilien aus der Sohn Kaiser Heinrichs VI., der spätere Kaiser Friedrich II., Anspruch auf die Reichskrone erhob. Drei Jahre lang lavierte Bischof Konrad geschickt zwischen den Staufern und Otto IV. Noch 1209 begleitete er Letzteren zur Krönung nach Rom. Aber als der Papst im Jahr 1211 Friedrich zu unterstützen begann, war Bischof Konrads Parteinahme klar: Als Friedrich 1212 über die Alpen zog, huldigte er ihm sogleich. Otto IV. öffnete er hingegen im gleichen Jahr die Konstanzer Tore nicht mehr.363

Abb. 193: Kaiser Otto IV. (rechts, gest. 1218) in der Schlacht von Bouvines. Seine Konkurenz zu den Staufern verhinderte vermutlich den Ausbau Hohenklingens vor 1218.

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Die Herren von Klingen 1191 bis 1247 Es ist vor diesem Hintergrund davon auszugehen, dass auch die bald nach 1191 von den Staufern und vom Konstanzer Bischof erworbenen Herrschaftsrechte der Herren von Klingen zu Beginn mehrfach bestritten wurden. Die Zähringer und die Welfen könnten seit 1191 aus verwandtschaftlichen Gründen die Verleihung des Öhninger Kehlhofes und der allenfalls schon dazu gehörenden oder kurz nach 1191 erbauten Burgstelle Hohenklingen für sich reklamiert haben. Insbesondere aber wurde zwischen 1208 und 1212 im Rahmen des Thronstreites die Ausübung der Reichsvogtei Stein angefochten, was zur erwähnten demonstrativen Bezeichnung Walters (III.) von Klingen als Reichsvogt führte. Danach zeichnete sich zwar ab 1212 angesichts der erhöhten Präsenz Friedrichs II. eine Verbesserung ab. Doch unbestritten war die staufische Position erst, als 1218 Herzog Berthold VI. und König Otto VI. starben. Die erste von einem Angehörigen der Klingen selbst ausgestellte Urkunde ­– eine Art tes­tamentarische Verschreibung – belegt 1227 nochmals exemplarisch die Ausrichtung der Herren von Klingen auf die Staufer und Konstanz: Sie wurde nicht nur vom testamentarisch begüns­ tigten Schwager, sondern auch vom Bischof von Konstanz und vom kaiserlich-staufischen Protonotar (mit dem Siegel König Heinrichs (VII.)!) besiegelt.364 Das Jahr 1227 markierte aber auch die Wende in dieser Ausrichtung: Zwar begleitete in diesem Jahr der einzige volljährige Herr von Klingen Kaiser Friedrich II. auf dessen Kreuzzug.365 Aber der staufische Einfluss in Deutschland begann gerade mit und nach diesem Kreuzzug unwiderruflich zu sinken. Die 1232 von Bamberg für St. Georgen erbetenen staufischen Schutz- und Besitzbestätigungen sind ein erstes deutliches Zeichen dafür. Spätestens 1243 traten auch die Herren von Klingen zum antistaufischen Lager über. Die­se an sich riskante Wende lässt sich am besten mit der mittlerweile völlig fehlenden Reichspräsenz und – vielleicht damit zusammenhängend – mit dem sich abkühlenden Verhältnis der Herren von Klingen zu den beiden Nachfolgern des Konstanzer Bischofs Konrad II. erklären.366 Anfangs der 50er-Jahre kam es schliesslich zum offenen Bruch zwischen dem Konstanzer Bischof und den Herren von Klingen. Fazit Die bis dahin höchstens regional bedeutenden Freiherren von Klingen kamen um 1191 zu einer Reichsvogtei, welche ihr Ansehen und ihr Selbstverständnis stark beeinflussten. Dies provozierte 116

einerseits das Bemühen, diese neue Position auch baulich weithin sichtbar zu manifestieren. Andererseits war der neue Status stark von der Präsenz des Reiches und des Konstanzer Bischofs abhängig. Diese war aber zwischen 1191 und 1245 starken Schwankungen unterworfen, was immer auch die neu gewonnene Position der Herren von Klingen in Frage stellte. Betrachtet man die im archäologischen Teil dieses Buches beschriebenen Bauphasen auf Hohenklingen bis 1213 und 1219 bis 1232 vor diesem Hintergrund, so zeigt sich deutlich: Die Verleihung der Reichsvogtei und der Öhninger Rechte lösten bald das Bemühen der Herren von Klingen aus, ihre neue Position am Untersee auch durch den Bau einer dominierenden Herrschaftsanlage ob Stein zu dokumentieren. ­Auf Hohenklingen wurde indes nur gebaut, wenn politische Sicherheit herrschte. Dies widerlegt die Vorstellung, wonach Adlige auch steinerne Herrschaftsanlagen in Räumen mit ungesicherten herrschaftlichen Ansprüchen errichtet hätten, quasi um Präsenz zu markieren und faits accomplis zu schaffen. Bauherren auf Hohenklingen bis 1247 Wer waren vor 1247 die Bauherren? Angesichts der wenigen Zeugnisse zur Geschichte der Herren von Klingen vor 1227 und des gänzlichen Fehlens von Siegeln, welche die Identifizierung einzelner Personen dieses Zeitraumes ermöglichen würden, kann diese Frage nicht mit letzter Sicherheit beantwortet werden. Immerhin: Das Totenbuch Wagenhausens gibt Hinweise auf die Todesdaten von drei Vögten (in der Genealogie: «advocati») dieses Klosters aus dem Geschlecht derer von Klingen. Zudem wurden in den Zeugenlisten nur die Steiner Vögte als advocati (in der folgenden Genealogie als «Reichsvögte») bezeichnet.367 Dies erlaubt den Versuch, den Stammbaum der ersten Herren von Klingen bis 1227/1247 und damit auch die Bauherrschaft auf Hohenklingen plausibel zu rekonstruieren (Abb. 194):368 Aufgrund der politischen und der lehensrechtlichen Situation ist davon auszugehen, dass die Herren von Klingen schon bald nach 1191 auf Hohenklingen gebaut haben (Abb. 195). Der Initiant dieser allerdings nicht schriftlich belegbaren Bautätigkeit muss Ulrich (I.) gewesen sein. Der Bau einer ersten Anlage (des alten Turmes?) ist als Zeichen der Herrschaftsübernahme durch die Herren von Hohenklingen zu werten. Die 1212/1213 einsetzenden Bautätigkeiten auf Hohenklingen (oder auf einer benachbarten Herrschaftsanlage?) müssen durch Walter (III.) veranlasst worden sein. Dies passt bestens zum schriftlichen Befund, da sich Walter (III.) ja wie erwähnt


als Erster demonstrativ auch als Reichsvogt bezeichnen liess. Der politische Hintergrund für diese Bautätigkeit ist ebenfalls klar: Das Erscheinen Friedrichs II. nördlich der Alpen bot die nötige rechtliche und politische Sicherheit für diesen Schritt. Bald nach 1214 trat Walter (III.) aber in das Kloster Wagenhausen ein – ob aus Gründen der Nachfolgeregelung oder im Rahmen einer Konversion kurz vor dem Tod (conversio ad succurendum), ist nicht bekannt.369 Hauptbauherr auf Hohenklingen war danach Ulrich (III.), der schon 1214 im Gefolge Friedrichs II. weilte und 1220 explizit ebenfalls Reichsvogt genannt wurde. Wiederum war politisch-rechtliche Sicherheit die Basis für die Bautätigkeit: 1218 starben König Otto IV. und der letzte Zähringer. Nun wurde auf Hohenklingen ab 1218 mit voller Energie gebaut. Um 1226 war diese intensivste Bauphase aber bereits beendet. Hauptgrund war, dass Ulrich (III.) zwischen 1220 und 1227 starb, am ehesten im Jahr 1226. Er verschied vergleichsweise jung und hinterliess unmündige Kinder. Für den Baustopp auf Hohenklingen waren aber zwei weitere Gründen mit verantwortlich: 1227 war Ulrichs (III.) Neffe Ulrich I., Begründer der Altenklingen-Linie, der einzige volljährige männliche Angehörige des Geschlechtes von Klingen. Er hätte als Vormund für seine unmündigen Cousins die Bauarbeiten auf Hohenklingen weiter vorantreiben können. Aber er zog es vor, am Kreuzzug Kaiser Friedrichs II. 1227-1229 teilzunehmen. Als er spätestens 1229 unversehrt zurückkehrte, nahm er die baulichen Arbeiten auf Hohenklingen nur noch zögerlich auf. Sicher in die Jahre

Abb 194: Genealogie der Herren von Klingen bis 1247. Abb. 195: Spuren der Herrschaftsanlagen ob Hohenklingen aus der Zeit vor 1218. Wiederverwendete und weitere dendrochronologisch datierte Bauhölzer erlauben, zusammen mit moderner Quellenkritik, die Geschichte der Freiherren von Hohenklingen auch für die Zeit vor 1247 zu rekonstruieren.

Dendrodatierung Hohenklingen-Bauphase 1: Wiederverwendete Hölzer in Bauphase 2. Befunde der Vorgängeranlage. Ort

Datierung (WK= Waldkante)

Anzahl Splintjahre (Eiche)

Palas-West, Erdgeschoss, Tonnengewölbe, Deckenbalken wiederverwendet

1192

13

1204 1211 WK (?) 1211/12 WK 1212/13 WK

9 14 16 16

Palas-Ost, 2. Obergeschoss, Deckenbalken wiederverwendet

3

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um 1232 zu datieren ist nämlich nur ein Wehrerker.370 Denn es ist bauarchäologisch unsicher und auch aus historischer Sicht wenig plausibel, dass der alte Turm erst unter Ulrich I. von Altenklingen gebaut wurde. Angesichts der schnell sinkenden staufischen Präsenz nördlich der Alpen waren weitere Investitionen in den Bauplatz Hohenklingen vorerst politisch zu riskant. Klingnau und das Tegerfelder Erbe boten Erfolg versprechendere Alternativen. Der älteste Sohn Ulrichs (III.), Ulrich I. von Hohenklingen, wurde um 1240 volljährig. 1247 ist er erstmals als advocatus von Klingen belegt. Er baute ab 1250 den heute bestehenden Wohnturm371 und wohnte wohl anschliessend auf Hohenklingen. Man befand sich im Interregnum. Der Einfluss des Reiches und damit auch der Reichsrückhalt für die Herren auf Hohenklingen waren gegen Null gesunken. Falls der ältere auf Hohenklingen stehende Bergfried schon längere Zeit ruinös war, demonstrierte Ulrich I. mit dem Bau des neuen Bergfrieds in erster Linie Präsenz. Er tat unmissverständlich kund, dass er gewillt war, das hochmittelalterliche Vermächtnis zu akzeptieren: Hier übte ein Hochadelsgeschlecht königlich legitimierte Vogteirechte aus. Ulrich I. verstand sich weiterhin als Statthalter des Reiches. Aber er drückte diesen Willen nicht mehr mittels Zusammengehen mit dem Konstanzer Bischof, sondern im Widerstand gegen diesen aus. Aus den «Partnern» des 12. und des frühen 13. Jahrhunderts waren Konkurrenten geworden. Herrschaftsanlage «Hohenklingen» vor 1191? Für die Zeit nach 1191 ist die Besitzgeschichte Hohenklingens also weitgehend geklärt. Wo aber hielten sich die Reichsvögte des Klosters Stein vor diesem Zeitpunkt auf, wenn sie ihre Vogteiund Gerichtsrechte über das Kloster und den Fronhof in Stein wahrnahmen? Der spätmittelalterliche Befund weist die Anlage auf Hohenklingen eindeutig dem Herrschaftsbereich Öhningen zu. Falls auf Hohenklingen schon vor 1191 eine Herrschaftsanlage stand,372 so repräsentierte sie in erster Linie die staufischen Rechte über den aus Stift und Fronhof bestehenden Herrschaftsbereich Öhningen. Sie nahm also für Öhningen die gleiche Aufgabe wahr, wie jenseits des Bodensees die Herrschaftsanlage auf Freudenfels für den Einsiedler Hof Eschenz – sofern auf Freudenfels in dieser Zeit überhaupt schon eine Anlage gestanden hat. Die Zugehörigkeit zum Hofkomplex Öhningen schliesst natürlich nicht aus, dass die Staufer nach 1138, also nach dem Erwerb sowohl Öhningens als auch der Königskrone, die Vogtei über Öhningen und die Reichsvogtei über St. Georgen und Stein an ein einziges 118

Adelsgeschlecht verliehen haben. Dieses hätte in einem solchen Fall durchaus bereits auf Hohenklingen hausen können. Vielleicht war es mit den späteren Herren von Klingen sogar verwandt. Denkbar ist – hier müssen Ergebnisse der nächsten Kapitel vorweggenommen werden – aber auch eine ganz andere Variante: Erst im 13. und 14. Jahrhundert wurde die Reichsvogtei Stein verfestigt und entwickelte sich Stein zu einem einträglichen herrschaftlichen Mittelpunkt. Vorher waren die Reichsvogteirechte über St. Georgen und den Fronhof Stein von vergleichsweise geringer Bedeutung. Eine bereits im 12. Jahrhundert bestehende «Vogteiherrschaft» Stein ist deshalb sehr unwahrscheinlich. Waren die Kast- und Reichsvögte vor 1191 gar nicht «ob Stein» ansässig? Residierten sie nur dann in der Steiner Umgebung, wenn sie hier ihre reichsvogteilichen Rechte wahrnahmen? Besassen sie zu diesem Zweck eine herrschaftliche Behausung, ein Steinhaus im Steiner Fronhof, in unmittelbarer Nähe des Klosters?373


3. Politische Grundlagen der Macht nach 1245: Der Seiltanz zwischen Reich, Landesherr und Autonomie

Abb. 196: Landesherrschaften um 1378. Dominant ist Habsburg (gelb). Die 8 eidgenössischen Landesherrschaften werden in diesem deutschen Lehrbuch unrichtig bereits als einheitlicher Raum kartiert.

Sinkende Reichspräsenz – Landesherrschaften Man wird den mittelalterlichen Zuständen am ehesten gerecht, wenn man das mittelalterliche Lehenswesen als ritualisierte Form sozialer Beziehungen anschaut.374 Rituale hatten im Mittelalter zwar eine fundamentale Bedeutung. Ihre Aussagen und Wirkungen waren aber nur dann nachhaltig, wenn die Rituale in regelmässigen Abständen wiederholt wurden. Die Herren von Klingen waren als Lehensträger des Königs und des Konstanzer Bischofs zur Burgstelle Hohenklingen und zur Reichsvogtei Stein gelangt. Ein gräfliches oder bischöfliches Lehen war aber schon um 1200 nicht mehr der Ausdruck einer a priori längerfristigen «gemeinsamen politischen Gesinnung» oder gar eines Schutzverhältnisses. Bis gegen 1230 hielten sich die Herren von Klingen zwar wie erwähnt oft in der Umgebung des Konstanzer Bischofs auf. Dies lässt darauf schliessen, dass auch die Gefolgschaftsrituale periodisch aktiviert wurden und die Freiherren in die stau­ fisch-bischöfliche Politik integriert waren. Nach 1230 aber traten die Herren von Hohenklingen bis 1359 nie mehr in bischöflicher Umgebung auf. Die bischöflichen Lehen blieben zwar in ihrer Hand, sind aber nicht mehr als Zeichen politischer Zusammenarbeit zu werten. Die Herren von Hohenklingen hielten sich von den Konstanzer Bischöfen und generell von den «Grossen» der Region fern. Mit gutem Grund! Im frühen 13. Jahrhundert wurde auch die Nordschweiz von jenem Prozess erfasst, den man als «Ausbildung von Landesherrschaft» und für die Zeit ab dem 15. Jahrhundert als «Territorialisierung» umschreibt: Angehende Landesherren lös­ ten sich faktisch aus jeder herrschaftlichen Abhängigkeit. Das Reichsoberhaupt akzeptierten sie nur noch als legitimierende Instanz über sich. Landesherren bemühten sich, in immer genauer umrissenen Gebieten («Territorien») (Abb. 196) alle Herrschaftsrechte zumindest letztinstanzlich wahrzunehmen. Sie setzten die übrigen Herrschaftsträger in diesen Gebieten unter Druck. Letztere wurden entweder eliminiert oder als landesherrliche Amtsträger in die Landesherrschaft integriert. Darüber hinaus strebten Landesherren danach, neue Herrschaftsrechte zu erschliessen oder bestehende zu intensivieren. Eine Variante solcher Intensivierung war im 13. Jahrhundert die Betonung bestehender oder beanspruchter lehensherrlicher Kompetenz. Die entsprechenden Rituale symbolisierten aus Sicht des Landesherrn nun die Unterordnung unter den angehenden Lan-

desherrn und die Integration in dessen Herrschaftsbereich.375 Die Herren von Hohenklingen waren zwar als nobiles grundsätzlich in der Lage, selbst eine Landesherrschaft aufzubauen. Ihre entsprechenden Bemühungen sind überraschend weit gediehen und werden im nächsten Kapitel beschrieben. Entscheidend für das politische Überleben der Freiherren war jedoch, dass es insgesamt gelang, sich dem Integrations- oder Verdrängungsdruck der benachbarten Landesherren zu entziehen. Eine enge Anlehnung an einen angehenden Landesherrn in der Art, wie die Herren von Klingen in den Besitz von Hohenklingen gelangt waren, hätte nach 1230 unweigerlich zur raschen Integration der Herren von Hohenklingen in die bischöflich-konstanzische Landesherrschaft geführt. Denn unter Bischof Heinrich von Tanne erfolgte der zielstrebige Auf- und Ausbau der weltlichen Bischofsherrschaft, zuerst südlich des Bodensees, seit 1250 generell westlich von Schaffhausen und um 1259 auch im Raum Diessenhofens.376 Im Rahmen dieses Prozesses versuchten die Konstanzer Bischöfe nachweislich, oberlehensherrliche Rechte auch über beide KlingenZweige durchzusetzen.377 Doch insbesondere die Herren auf Hohenklingen entzogen sich erfolgreich diesem Druck. Die folgende Grafik zeigt die Abwendung vom bischöflichen Konstanz eindrücklich.378 Balance zwischen Autonomie, Landesherrschaften und Reich (Abb. 197) Die Konstanzer Bischöfe verloren als Stütze hohenklingischer Herrschaft entscheidend an Bedeutung. Spätestens um 1250 hatten sich die Herren von Hohenklingen – ganz im Gegensatz zum Zweig der Altenklingen – auch lehensrechtlich vom Bischof abgekoppelt. Nur um 1302, 119


Reich

12

Kyburg/Habsburg

10

Bischof von Konstanz

8 6 4

Abb. 197: Anlehnung der Herren von Hohenklingen an das Reich und ausgewählte Landesherrschaften. Nur um 1350 dominiert die Ausrichtung auf Habsburg. Ab 1370 überwiegt die Reichsgefolgschaft.

120

1440

1430

1420

1410

1400

1390

1380

1370

1360

1350

1340

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1320

1310

1300

1290

1280

1270

1260

1250

0

1240

2

1359 und 1411 wurden die Kontakte jeweils für wenige Jahre intensiviert: 1302 in Zusammenhang mit einer markanten Schwächephase der Freiherren, 1359 im Rahmen der umfangreichen hohenklingischen Besitzbereinigung. Beide Vorgänge werden im nächsten Kapitel eingehend beschrieben. 1411/1413 setzte sich Walter VII. von Hohenklingen ganz gegen die Familientradition als Financier und Bürge intensiv für Otto von Hachberg ein, als dieser in einem Handel mit dem bisherigen Konstanzer Bischof Albrecht Blarer diesen zum Rücktritt bewegt und selbst den Konstanzer Bischofsstuhl übernahm. Es ist anzunehmen, dass Walter VII. auch zwei Jahre später am Konstanzer Konzil prominent in Erscheinung getreten ist.379 Die Grafik zeigt zudem, dass sich die Herren von Hohenklingen zwischen 1228 und etwa 1330 generell kaum an einen mächtigeren Herrschaftsträger angelehnt haben: Für die Zeit zwischen 1227 und 1312 fehlt jeglicher Hinweis auf eine direkte Beziehung zum Reich. Dies ist bis 1250 mit dem rasch schwindenden staufischen Einfluss nördlich der Alpen und danach bis 1272 mit dem Inter­ regnum zu erklären. Die Herren von Klingen waren in dieser Zeit landesherrlichem Integrationsdruck der Konstanzer Bischöfe Heinrich I. und Eberhard II. und der Grafen von Kyburg ausgesetzt.380 Vor diesem Hintergrund ist die ab 1240 bis in die 50er-Jahre festzustellende, vorsichtige Annäherung der Herren von Klingen an die Grafen von Kyburg zu deuten. In den gleichen Zusammenhang gehört auch die beim erstmaligen Auftreten Ulrichs I. von Hohenklingen gewählte demonstrative Bezeichnung als «advocatus de Chlingen»: Zwei Jahre zuvor war Kaiser Friedrich II. abgesetzt worden, und im gleichen Jahr 1247 profilierten sich die Herren von (Hohen-) Klingen als Anhänger der antistaufischen Partei. Der Versuch, den Wegfall der staufischen Präsenz mit einer eigenständigen Politik und nur sehr zögerlicher Anlehnung an regionale Machtträger zu kompensieren, ist offensichtlich. In die Zeit des eigentlichen Interregnums (1250-1272) fällt dann bezeichnender Weise die offene Fehde eines Wal-

ter «von Klingen» mit Bischof Eberhard II. von Konstanz. Der Streit könnte sehr wohl die Steiner Reichsvogtei betroffen und von Walter I. von Hohenklingen, dem Bruder des Reichsvogtes Ulrich I., ausgetragen worden sein.381 Doch auch nach Ende des Interregnums kam es nicht zu einer erneuten Intensivierung der Beziehungen zum Reich. Denn mit dem Übergang der Kyburger Erbschaft an Rudolf von Habsburg hatte sich die Situation 1264 grundlegend geändert: Ulrich I. bekam den landesherrlichen Druck Rudolfs sehr schnell zu spüren.382 Und als Rudolf kurz darauf zum König gewählt wurde, war eine Anlehnung an ihn als Reichsoberhaupt erst recht gefährlich. Denn Rudolf und seine Söhne unterschieden bekanntlich kaum zwischen dem Einsatz von Reichs- und Hausmachtsmitteln.383 Darum fehlt jeglicher Hinweis auf eine Anlehnung an die habsburgischen Könige Rudolf, Albrecht oder Friedrich. Hingegen folgte Ulrich IV. 1312/13 dem Luxemburger König Heinrich VII. auf dessen Italienzug, und mit der Krönung des Luxemburgers Wenzel 1378 intensivierten sich die Beziehungen zum Reich schlagartig.384 Insgesamt bewerkstelligten die Herren von Hohenklingen nach 1228 für rund hundert Jahre einen Alleingang, der erstaunlicher Weise nicht zu ihrem Untergang geführt hat. Sicherlich profitierten sie von der für Habsburg vorerst peripheren Lage. Ebenso wichtig aber ist, dass die Herren von Hohenklingen mit geschickter Familien- und Verwaltungspolitik ihre vergleichsweise kleine Herrschaft in und um Stein am Rhein entscheidend gefestigt und gestrafft hatten – ein Aspekt, der im nächsten Kapitel eingehend zur Sprache kommt. Die Herrschaft Hohenklingen bot einem landesherrlichen Konkurrenten keinen leichten («beschützenden» oder finanziellen) Zugriff, weshalb die Konstanzer Bischöfe bis um 1300 im Raum Neunkirch/Klingnau über bessere Optionen zu verfügen glaubten. Die Wende in der politischen Ausrichtung der Herren von Hohenklingen folgte um 1330. Mit der Übernahme des thurgauischen Landrichteramtes (Abb. 198) durch Ulrich V. näherten sie sich vorsichtig der habsburgischen Landesherrschaft an. Zwischen 1359 und 1376 folgte die Phase der intensivsten Zusammenarbeit mit Habsburg überhaupt. Die Hintergründe für diesen markanten Wandel waren vielschichtig: Die aktive Territorialpolitik Herzog Rudolfs IV. von Habsburg spielte eine wichtige Rolle, zumal sie begleitet war vom Versuch, das Herzogtum Schwaben wieder herzustellen. Im Rahmen dieser habsburgischen «Offensive» ging eine ganze Reihe von Adligen des westlichen Bodenseeraumes Dienstverträge mit Österreich ein.385 Angesichts der vehementen Reaktion Kaiser Karls IV. waren die Herren von Hohenklingen als


Reichslehensträger gezwungen, sich neu zwischen Reich und Habsburg (Österreich) auszurichten. Auch das zunehmend gespannte Verhältnis zum Kloster St. Georgen, welches theoretisch über freie Vogtwahl verfügte, wird eine Rolle gespielt haben.386 Am Beginn dieser Phase intensiver habsburgisch-hohenklingischer Zusammenarbeit stand 1359 ein «Scheinverkauf», dessen Hintergründe im nächsten Kapitel eingehend zur Sprache kommen.387 Habsburg tilgte die Schulden der Linie Hohenklingen-Brandis. Es gewährte Ulrich VIII. und Walter V. von Hohenklingen-Brandis eine vorerst einträgliche Karriere in landesherrlichen Diensten und finanzierte ihm den verwandtschaftlichen Zugang zu gräflichen Kreisen. Allerdings fehlten dieser Linie in der Folge die materiellen Grundlagen für einen Statuserhalt. Er verschwand in den 60er-Jahren aus dem Raum Stein/Nordschweiz. Einige Jahrzehnte später verlieren sich seine Spuren im Raum von Innsbruck.388 Die auf Hohenklingen und in Stein verbleibende Linie von Hohenklingen-Bechburg verfolgte von nun an mit Ulrich VII. und insbesondere mit Walter VII. einen geschickten Balanceakt zwischen Österreich, dem Reich und eigener Autonomie. Sie musste zwar nach dem erwähnten Scheinverkauf von 1359 «die Hälfte» von Hohenklingen und Stein theoretisch den Österreichern als Pfandherren offen lassen.389 Die Ausgestaltung dieser «Hälfte» aber war jederzeit verhandelbar und hing im wesentlichen von der machtpolitischen Konstellation zwischen den Herren von Hohenklingen, dem Reich und Österreich ab. Ulrich VII. und Walter VII. pflegten deshalb künftig eine durch vorsichtige Distanz geprägte Beziehung zu Österreich, die bis gegen 1415 durchaus auch finanziell attraktiv war.390 Sie amteten als ehrenamtliche Hofrichter und als besoldete herzögliche Berater, vermieden aber weitere österreichische Lehen oder Pfänder. Gleichzeitig baute besonders Walter VII. die Beziehung zu den luxemburgischen Reichsregenten aus: Nach der Krönung König Wenzels reisst die Flut der Privilegienbestätigungen für die Herren von Hohenklingen nicht mehr ab, oft waren die königlichen Gunstbezeugungen das direkte Resultat hohenklingischer Hofdienste. Insgesamt überwog ab den 80er-Jahren die politische Ausrichtung auf das Reich jene nach Österreich deutlich.391 So wenig wie der Eintritt in österreichische Dienste ist diese Annährung an das Reich als Schwächezeichen der Herren auf Hohenklingen zu deuten. Sie brachte vielmehr materiellen Erfolg: 1395/98 erhielt Walter VII. von König Wenzel das Privileg, in Stein einen Durchreisezoll einzurichten.392 Dies steigerte den Wert der Herrschaft Hohenklingen um fast die Hälfte (Abb. 199)! Zudem hielt die erneute Hinwendung zum Reich

Abb. 198: Richter in einer 1467 zum Schachzabelbuch Konrads von Ammenhausen gezeichneten Illustration. Die hohenklingische Übernahme des thurgauischen Landrichteramts markiert den Beginn der um 1330 einsetzenden Annäherung an Habsburg.

Österreich auf Distanz. Und sie ermöglichte, sich die prestigeträchtigsten Anteile am Erbe der Herren von Altenklingen zu sichern, welche 1395 im Mannesstamm ausstarben. Bautätigkeit 1247-1393 Analysiert man die Bautätigkeit auf Hohenklingen vor diesem Hintergrund, so ergibt sich auf den ersten Blick ein erstaunlicher Befund: Der Neubau des Bergfriedes um 1250393 markierte zwar, sofern er wirklich einen seit längerer Zeit ruinösen älteren Turm ersetzte, deutlich die Abgrenzung vom bischöflich-konstanzischen Landesherrn. Er betonte den Willen, die Reichsvogtei Stein auch ohne Staufer Schutz autonom auszuüben. Und der Ausbau des Mittelbaus auf Hohenklingen 1253 bis 1283394 weist klar darauf hin: Wahrscheinlich hat kein Freiherr von Hohenklingen mehr Lebenszeit auf Hohenklingen verbracht als Ulrich I. Zwischen Ulrich I. und Walter VII. (belegt 1361 bis 1422) aber fehlen jegliche Hinweise auf grössere Bautätigkeiten auf Hohenklingen.395 Im Rahmen des eben geschilderten Alleingangs hatte ein Burgausbau offensichtlich keine Priorität. Die Herrschaftsintensivierung an der Basis, der Ausbau der wirtschaftlichen Grundlagen und der Bau entsprechender herrschaftlicher Anlagen «unten» in Stein bekamen den Vorzug, begleitet von einer entsprechenden Familienpolitik.

Abb. 199: König Wenzel. Ihm verdankten die Freiherren von Hohenklingen 1395 ihre einträglichste Einnahmequelle, den grossen Zoll in Stein.

121


4. Sozioökonomischer Hintergrund 1­ – intensivierte Herrschaft Mittelalterliche Adelsherrschaft fusste auf drei Pfeilern: standesgemässen Herrschaftsrechten, Verwandtschaftspolitik, persönlicher Gewaltfähigkeit. Der zweite und der dritte Pfeiler kommen in den Kapiteln 5 und 6 zur Sprache. Die Frage, was «standesgemässe Herrschaftsrechte» seien, musste von jeder Adelsgeneration neu beantwortet werden. Kommunalisierung und Verdorfung Die erwähnte heikle Gratwanderung zwischen Anpassung an und Widerstand gegen die sich ausbildenden Landesherrschaften war die eine der beiden grundlegenden Herausforderungen des hiesigen Adels. Der Territorialisierung auf Landesebene entsprach auf der untersten Herrschaftsebene der Übergang von den hochmittelalterlichen Hofgenossenschaften zu den flächigen Organisationsformen des Spätmittelalters. Der Umgang mit der «Verdorfung» wurde zur zweiten fundamentalen und existentiellen Aufgabe für eine spätmittelalterliche Adelsherrschaft: Die «Gemeinden» respektive «Dörfer» wurden zu den massgeblichen politisch-wirtschaftlichen Einheiten auf lokaler Ebene. Es galt erstens, die bestehenden, grundsätzlich vertikal orientierten Herrschaftsrechte mit diesen neuen, horizontalen Bezugssystemen zu kombinieren. Nur so konnte die wegen des besseren Organisationsgrades der Dörfer latent drohende Erosion der grund-, leibund kirchherrlichen Einkünfte gestoppt oder wenigstens gebremst werden. Zweitens verdinglichten sich die bestehenden herrschaftlichen Beziehungen. Geld ersetzte immer mehr die persönliche, beispielsweise über Frondienste geäusserte Abhängigkeit. Das Dorfgericht löste das alte Herrschaftsgericht ab. Es galt, bestehende Gerichtsrechte mit dem neuen Trend zu kombinieren, dass nicht die Herrschafts- sondern die Gemeindezugehörigkeit für die Rechtssprechung entscheidend wurde. Drittens war dieser Umstellungsprozess mit dem Einverständnis der Betroffenen und nicht gegen deren Willen mit (!) zu organisieren. Einseitig erzwungene Änderungen führten selten zum Erfolg. Nur teilweise erfolgreiche Reaktion der Herren von Hohenklingen ausserhalb Steins Überblickt man die Reaktion der Freiherren von Hohenklingen auf diese dreifache kommunale Herausforderung, so ergibt sich für die Zeit zwi122

schen 1250 und 1400 folgendes Bild (Abb. 200): Um 1400 verfügten Walter VII. und Ulrich X. über Besitz- und Herrschaftsrechte, die sich in vier Gruppen unterteilen lassen:396 Die erste Gruppe umfasst die Rechte am Zürichund Greifensee und bei Matzingen und Liebenfels, die weitgehend aus dem Erbe der Herren von Altenklingen stammten, sowie die Besitzungen bei Wiesendangen/Dinhard. Diese Rechte waren weitgehend als Mannlehen an Ritteradlige res­ pektive im Raum Zürich vornehmlich an reiche Stadtbürger verliehen. Nur 10% der Güter zinsten noch direkt an die Herren von Hohenklingen. Sie warfen gegen 30 Pfund jährlich ab, was einem Wert von deutlich weniger als 1000 Gulden entsprach. Die hohenklingische Verfügbarkeit über diese Rechte war stark eingeschränkt. Es ist zweifelhaft, ob die Herren von Hohenklingen hier noch Ehrschatzabgaben oder Heimfallrechte durchsetzen konnten. Zudem setzten die Stadtbürger anlässlich der Entgegennahme ihrer Lehen von Walter VII. häufig durch, dass ihnen Letzterer «für ihre guten Dienste» einen Pfandschilling auf das Lehensgut setzte. Die Herren von Hohenklingen hätten danach auch theoretisch keinen Zugriff mehr auf diese Lehen gehabt, wenn sie die Lehensträger nicht zuvor mit der Pfandsumme ausgekauft hätten. In einem Fall resultierte aus einer Handänderung des Lehensträgers wenigstens eine Jahrzeit für Walter VII.397 Der Wert dieser Streubesitzungen bestand somit in erster Linie darin, dass die Rituale bei Erbgängen der Herren von Hohenklingen oder beim Wechsel des Lehensträgers persönliche Beziehungen zur ritteradligen Umgebung und zur zürcherischen Elite eröffneten. Angesichts der seit 1384 aktiven Territorialpolitik Zürichs ist zumindest Letzteres in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen. Die grund- und kirchherrlichen Kompetenzen im Raum der ehemaligen Burgherrschaft Twiel bildeten die zweite Gütergruppe. Hier hatten die Herren von Hohenklingen die Erosion der wohl schon seit 1250 erstarrten Einkünfte aufhalten können. Um 1400 lassen die Abgaben ab diesen Gütern auf einen gesamten Wert dieser zweiten Gütergruppe von 3000 bis 4000 Gulden schliessen. Grundsätzlich ist eine Tendenz zu Geldabgaben bei Gütern festzustellen, die in grösserer Dis­ tanz zu Hohenklingen lagen. Dies war praktisch im 13. und 14. Jahrhundert, da sich kein Transport- und Vermarktungsproblem für diese Abgaben stellte. Langfristig war der Trend angesichts der fixierten Höhe dieser Abgaben und der Geldentwertung ungünstig. Die dritte Gruppe bildeten die drei Vogteiherrschaften nördlich Öhningen, bei Eschenz und Burg sowie bei Wagenhausen, die je einen Wert von rund 600 Gulden hatten. Hier gelang den Herren von Hohenklingen die Ausbildung be-


Abb. 200: Besitzungen Walters VII.

Singen Schienen Stein Wagenhausen Eschenz

Hohenklingische Herrsch (teilweise verliehen)

Singen

Bedeutende Vogteirechte

Schienen Stein Weiningen Wagenhausen

Hohenklingische Herrschaftssitze Übrige Vogteirechte (teilweise verliehen)

Eschenz

Matzingen

Wiesendangen

Bedeutende Vogteirechte

Oberwinterthur

Kernbereich der Herrscha

Weiningen

Übrige Vogteirechte

Wängi Matzingen

Wiesendangen

Streubesitzungen Kernbereich der Herrschaft

ohne E der grundherrlichen Eink

Oberwinterthur Wängi

Schlatt (Burg)

Streubesitzungen ohne Erosion der grundherrlichen Einkünfte

Schlatt (Burg)

Streubesitzungen, meist o ausgegeb

Streubesitzungen, meist ohne Zins alsausgegeben Mannlehen als Mannlehen

Twiel Burg

Vo

Rielasingen Güter

13 ve Worblingen Hof, Gut Arlen Vogtrecht Mühle

Ramsen Kirche

Bibermühle Hof

Vor 1400 veräusserte Besitzungen 1300 verkaufte (Ramsen) oder verliehene (Schienen) Vogteien

Hemishofen Hochgericht Hof, Besitzungen Äcker, Güter

Vo

G

Schienen Burg (Schrotzburg) Kehlhof, Güter

Stein Bühl Hochgericht Meieramt Steuer, Zölle 4 Stadthöfe Hohenklingen Kornspeicher Burg Ungelder Wagenhausen Weinberge Öhningen Kattenhorn 2 Höfe Burg, Burgsäss Güter Wiesen Zehnt Wiese, Mühle Chlingeriet Güter Haus, Fischenz Mühle Vor der Brugg Oberstaad Kaltenbach Burg Kirchensatz Eschenz Mühle Hof, Zehnt 5 Höfe, Güter Zehnte, Mühle Klingenzell Freudenfels Hofstätten Burg Wald

Vogtei Walters VII. Grundherrliche Einkünfte

123


Erfolgreiche Reaktion und Verdichtung in Stein am Rhein

Abb. 201: Burg Freudenfels. Sie war vielleicht jener Herrschaftssitz, welchen die Herren von Klingen zur Ausübung ihrer Herrschaftsrechte am Untersee nutzten, bevor sie in den Besitz Hohenklingens kamen.

124

scheidener Ortsvogteien, Konglomeraten aus gerichtlichen Rechten, Zinsen und Abgaben sowie einer Sammlung weiterer «Gerechtsamen» wie Mühlen usf.. Im Öhninger Raum war die Vogtei mit der Schrotzburg und in nicht mehr genauer definierbarer Weise mit den Burgen Oberstad und Kattenhorn verbunden. Die Burg Freudenfels (Abb. 201) war Zentrum der Vogtei über die Reichenauer Güter in Eschenz und Burg und über Klingenzell. Die Vogtei Wagenhausen war Zubehör der Burg Hohenklingen. Die Vogtei Wagenhausen ist seit dem 12. Jahrhundert als Besitz der Herren von (Hohen-)Klingen belegt. Man darf deshalb davon ausgehen, dass die Herren von Hohenklingen diese Vogteiherrschaft aufgebaut haben. Freudenfels hingegen ist erstmals 1359, die Schrotzburg 1393, Kattenhorn 1436 als hohenklingisches Lehen belegt. Der hohenklingische Besitz von Oberstad ist nur aus den fürstenbergischen Besitzverzeichnissen rückzuerschliessen. Angesichts der im Spätmittelalter festzustellenden hohen Verkaufskadenz von Burgen ist es darum keineswegs gesichert, dass die Herren von Hohenklingen schon vor 1350 im Besitz dieser Burgherrschaften gewesen sind. Zudem fehlen zuverlässige Datierungen zur Frühgeschichte dieser Burgen.398 Es ist darum nicht möglich zu sagen, in welchem Mass auch diese zwei Burgherrschaften durch die Herren von Hohenklingen selbst verdichtet worden waren. Ab 1359 waren beide nicht mehr direkt verfügbar: Freudenfels und die zugehörige Ortsvogtei waren zur Hälfte im Besitz der Habsburger. Sie stellten den eigentlichen «Verkaufspreis» des Handels von 1359 dar und wurden erst im 15. Jahrhundert nochmals kurz an die Herren von Hohenklingen rückverpfändet. Die übrigen drei Burgen waren im 15. Jahrhundert als Mannlehen an Ritteradlige verliehen. Um 1400 erbrachten die Rechte der zweiten und dritten Gruppe zusammen knapp 15% der hohenklingischen Einnahmen, wobei allein die Rechte in Singen einen Drittel dieser Einkünfte ausmachten.399

Die vierte Gruppe der Einnahmen war die weitaus wichtigste. Sie setzte sich aus den mannigfachen Einkünften aus der Reichsvogtei Stein zusammen. Hier war die Politik der Freiherren höchst erfolgreich: Es gelang nicht nur die Ausweitung der Schutz- und Schirmrechte auf alle Bewohner sondern auch die Schaffung verschiedenster neuer Einkünfte. Hier nutzten die Herren von Hohenklingen die Kommunalisierung resolut und doch im Konsens mit der Bevölkerung, ganz im Gegensatz zum Abt von St. Georgen, den man zwischen 1250 und 1385 faktisch als Stadtherrn ablöste. Die Reichsvogtei Stein am Rhein bildete 1400 den finanziellen Kern der Herrschaft Hohenklingen. Sie repräsentierte einen Wert von knapp 25000 Gulden und erbrachte gegen 85% der Einnahmen. In Stein hatten die Freiherren von Hohenklingen höchst erfolgreich auf die Erstarrung der traditionellen Einnahmequellen reagiert. Es gelang, bestehende Einkünfte zu intensivieren und den Stadtwerdungsprozess in Stein am Rhein und die sich damit anbietenden neuen Einkünftequellen für sich zu nutzen. Die Reichsvogtei war um 1400 zu einem Konglomerat verschiedenster Rechte und Einkünfte geworden. Sie umfasste namentlich - den grossen Zoll im Wert von 10000 bis 12000 Gulden - die Vermögenssteuer (7200) - Warenumsatzsteuern (Total 2860, davon Ungeld und Fronfastengeld (Plaphard) 2600, Viertelgeld (260) - Bankzinsen der Bäcker, Schuhmacher, Metzger (1100) - den kleinen Zoll/Marktabgaben (600) - die Vogtsteuer und Wachtabgaben (1400 + 400) - die Vogtei Wagenhausen/Etzwilen (640)400 - Bussengelder (10 bis 40 Gulden jährlich entsprechen einem Wert von 200 bis 800 Gulden). Die Zahlen belegen, dass die Herren von Hohenklingen ihre Einnahmen in Stein zwischen 1200 und 1400 nominal verzehnfacht haben. Denn zu Beginn des 13. Jahrhunderts hatten die Herren von Hohenklingen in Stein, Oberdorf, Fortenbach und Vor der Brugg zur Hauptsache nur die «Vogtsteuer» bezogen, eine Vogteipauschale ab den bevogteten Parzellen, zu welcher sich eine Abgabe des Klosters St. Georgen als Entgelt für die Kast­ vogtei gesellte.401 In Stein kamen ab dem 13. Jahrhundert die «Wachtdienste» dazu, die wohl aus der Frondienstpflicht gegenüber dem Vogt entstanden waren. Im Laufe des 13. Jahrhunderts war


Abb. 202 (links): Bankzinsen. Die entsprechenden Zinsen der Steiner Metzger, Schuster und Bäcker betrugen jährlich gut 50 Gulden. Abb. 203: Zollner. Die Freiherren von Hohenklingen erhoben seit 1395 einen Durchreisezoll, der im Gredhaus in Stein abzuliefern war. Der Zollner war neben den Untervögten der wichtigste der (wenig zahlreichen) hohenklingischen Beamten.

indes die gesamte Vogtsteuer auf einer Höhe von knapp 50 Pfund fixiert und nicht mehr zu erhöhen, auch wenn weitere Menschen nach Stein zogen. Die in Geld zu leistenden Wachtdienste stag­ nierten ebenfalls bei 20 Pfund. Zusammen machten sie darum im 15. Jahrhundert nur noch 5% der Einkünfte der Reichsvogtei Stein aus. Mit dem Bau der Steiner Rheinbrücke um 1250 verschafften sich die Herren von Hohenklingen aber neue Einkünftequellen. Von nun an profitierten sie entscheidend von der weiteren Entwicklung des Marktortes Stein.402 Im Rahmen ihres Rechtes auf Geleit und Friedenswahrung zwischen Hemishofen, Öhningen, Eschenz und Rheinklingen bezogen sie Zoll- und Markt-, Bankzins- und Tavernenabgaben (Abb. 202). Diese ergänzten die Vogtsteuern und Wachtabgaben. Sie machten im 15. Jahrhundert zusammen knapp 10% der Einkünfte aus. Weitere 40% der späteren Einnahmen resultierten aus der Intensivierung der alten Vogtabgaben und der um 1250 geschaffenen Zoll- und Markteinnahmen. Bis um 1350 gelang es einerseits, die Vogtsteuern und Wachtabgaben mit der «stúre», einer Vermögenssteuer, zu überlappen. Diese war im Gegensatz zur Vogtsteuer in ihrer Höhe flexibel und wurde auch von Neuzuzügern erhoben. Die Vögte profitierten also von nun an vom Bevölkerungswachstum in Stein. Um 1400 machte die «stúre» knapp 30% der Einnahmen aus, vor 1395 waren es sogar 60% gewesen. Die Markt­ einnahmen wurden durch Warenumsatzsteuern auf Wein (Tavernenrecht), Korn und Tuch und bis 1343 auch auf Fleisch- und Backwaren ergänzt. Damit wurde mehr als eine Verdoppelung der bestehenden Markt- und Gewerbeabgaben erreicht. 1395 schliesslich gelang es Walter VII., das königliche Privileg eines grossen (Durchfuhr-)Zolls in Stein zu erhalten (Abb. 203). Dieser wurde bald zum wichtigsten Einnahmeposten in Stein überhaupt. Er lieferte je nach Konjunkturlage 40 - 50% der Einkünfte aus der Reichsvogtei Stein.403

Brücke und Herrenhöfe in Stein am Rhein Die ab 1250 einsetzende Intensivierung der Vogteiherrschaft hinterliess in Stein am Rhein auch bauliche Spuren, die bis heute sichtbar sind. Von der mittelalterlichen Brücke zwischen Stein am Rhein und Vor der Brugg, deren Bau und Unterhalt kraft ihres Geleitsrechtes in den Verantwortungsbereich der Vögte fiel, war schon die Rede. Die Herrschaftsintensivierung war bald auch mit einer erhöhten physischen Präsenz der Vögte in Stein verbunden. Der Abt von St. Georgen scheint den Vögten den «oberen Fronhof» überlassen zu haben. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstand hier ein eigentliches Adelsquartier404 (Abb. 204): Wohl als erstes wurde jener Turm gebaut, welcher in der Neuzeit als Pulverturm bezeichnet wurde. Er war Zentrum eines Hofes, dessen Areal östlich des künftigen Obertores begann, dieses im Süden umfasste und weit Richtung spä-

Abb. 204: Adelsquartier zwischen Ober- und Niederhof. Ober-/Aarburg und Niederhof Ökonomiegebäude, zu den Adelshöfen gehörig Ställe, Tiergehege und weitere Ökonomie­ gebäude Herrenwiese (Wenmannpünt), hangaufwärts schliessen Weingärten an

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Abb. 205: Hohenklingische Besitzungen in der Osthälfte Steins. Dunkelgrau die Parzelle des Kornhauses «der Mor» und das «Gros Hus» (1662). Der Pfeil zeigt die mögliche Verschiebung der hohenklingischen Besitzungen (hellgrau) um 1300 aus dem Zentrum an den Nordostrand Steins.

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teres Niedertor reichte. Dieser Hof diente wohl Ulrich II. als Stadtwohnsitz. Spätestens im 15. Jahrhundert wurde er in zwei Hofeinheiten unterteilt: Zum «Aarburghof»405 gehörten zur Hauptsache der erwähnte Turm und das Zubehör westlich des Obertores. Der «Oberhof»406 setzte sich aus zahlreichen Gebäuden primär südlich und östlich des Obertores zusammen.407 Gegen 1290 wurde der Niederhof gebaut, dessen Hofgebiet die übrigen Gebäude am Stadtrand zwischen dem Oberhof und dem Niedertor umfasste,408 wenig später das «Gross Hus», ein Herrschaftshof, der mindestens die spätere «Kanzley» und die angrenzende «Winde» umfasste.409 An der Stelle des heutigen Rathauses entstand das Kornhaus «der Mor».410 Ein adliger Stadtsitz war im Mittelalter mehr als nur ein «Haus». Er war nicht nur Ort des Wohnens sondern Herrenraum schlechthin, Knotenpunkt komplexer Herrenrechte und nicht selten auch agrarischer und handwerklicher Betriebe. Auch in der Stadt demonstrierte die adlige «Burg» zuerst einmal, dass hier ein Zentrum von Herrenrechten stand, ein vertikal dominanter Herrenraum.411 Entsprechend bildeten der Doppelhof beim Obertor und der Niederhof zusammen ein eigentliches «Herrenquartier» zwischen Oberund Untertor, welches wohl stadtseitig durch herrschaftliche Mauern und eine Laube zusätzlich hervorgehoben wurde. Belegt sind neben den eigentlichen Höfen Ställe, Taubenhäuser, Hirschgehege, Brunnen, Fischweiher, Trotten und Heuspeicher. Die Ummauerung der Höfe samt zugehörigem Graben galt als Teil der «Ring­ mauer».412 Sie markierte nach aussen und nach innen die Präsenz der Stadtvögte. Nördlich dieses Hofbezirkes, der in den Quellen um 1433 als «Schloss Stein» bezeichnet wurde,413 folgten ausgedehntes Weideland, Weinberge und schliesslich herrschaftliche Hölzer, welche auch dem Un-

terhalt der Steiner Brücke zu dienen hatten.414 Zwischen dem «Gross Hus» und dem Kornhaus «der Mor» (heutiges Rathaus) hat bis in das frühe 14. Jahrhundert vielleicht ein weiterer herrschaftlicher Bereich unbekannter Grösse bestanden415 (Abb. 203). Die nach 1283 für gut 100 Jahre sehr geringe Bautätigkeit auf Hohenklingen ist damit verständlich geworden. Die Intensivierung der Herrschaftsrechte erforderte eine sichtbarere Vogtpräsenz in Stein. Dies löste die Bautätigkeit in der Stadt aus. Die um 1300 festzustellende, noch zu besprechende genealogische Blüte dürfte ein zusätzliches Argument für den Bau gleich mehrerer Stadthöfe geliefert haben. Bau der Stadtmauer Bauliche Befunde weisen darauf hin, dass in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts auch die Steiner Stadtmauer entstand.416 Direkte historische Quellen hierfür existieren allerdings nicht. Immerhin zeigen Dokumente des 15. Jahrhunderts, die von den «vier Ringmauern» Steins sprechen,417 dass die Stadtmauer aus vier selbständigen Bereichen bestand. Zwei davon lassen sich mit Sicherheit rekonstruieren: Zwischen dem Öhninger Tor und der Brücke war der Abt von St. Georgen für die Ausgestaltung der Mauer und deren Unterhalt zuständig. Er hatte auch die Kompetenz, über die Anbringung weiterer Tore in seinem Mauerstück zu befinden.418 Die Stadtmauer durchschnitt das Klosterareal, welches bis zum Klosterhof reichte. Eine analoge Situation lag zwischen dem Ober-/ Aarburghof und dem Untertor vor. Hier war die Stadtmauer Teil des «Schlosses Stein», eines Adelsquartiers, das zwischen dem Oberhof-/Aarburghof und dem Unterhof beim Untertor entstand.419 Unklar ist, in welcher baulichen Beziehung Quartier und Stadtmauer zueinander standen. Während erste bauarchäologische Untersuchungen eher darauf hinweisen, dass die Hofgebäude nachträglich an die Stadtmauer gebaut wurden, ergeben historische Quellen ein komplexeres Bild: 1521 beschloss der Steiner Rat, einen zum Oberhof gehörenden Stall an Junker Wilhelm von Payer zu verkaufen. Beim Stall muss es sich um ein grosses Gebäude gehandelt haben. Der Verkaufspreis betrug 90 Gulden, was knapp der Hälfte des Wertes des Aarburghofes entsprach. Der Rat entschied, er wolle den Brunnen und die Ringmauer beim Stall «wegtun und abschliessen». Man erlaubte Payer, einen neuen Stall zu bauen, verbot ihm aber, ausserhalb des Grabens ohne Einwilligung des Rates etwas zu bauen. Danach vermietete der Rat auch den Oberhof an Junker Moritz Hürüss. Man kann aus


diesen Ratsbucheinträgen zweierlei herauslesen: Erstens erstreckte sich das Areal des Stalles respektive des Oberhofes rechtlich eindeutig über die Stadtmauer und den Stadtgraben hinaus. Die Stadtmauer durchschnitt den Hof. Man kann dies so interpretieren, dass das hohenklingische Hofareal schon vor dem Bau der Stadtmauer bestand. Zweitens muss der Verkauf des Stalles irgendwie die Anlage der Stadtmauer tangiert haben. Man kann den Begriff «abschliessen» so verstehen, dass der gemauerte Stall niedergerissen und darauf die enstehende Lücke in der Stadtmauer geschlossen wurde. Kragte die Mauer des niedergerissenen Stalles aus der Flucht der Stadtmauer hervor?420 Betrachtete man die Situation der Ringmauer und des Adelsquartiers von der funktionalen Seite her, so bestätigt sich zumindest der erste Befund. Das Adelsquartier zwischen Unter- und Oberhof setzte sich nordwestlich der Mauer im Graben mit Weideplätzen und danach mit Weihern, Wiesen, Wildgehegen usw. fort. Die «Stadtmauer» war hier in gewissem Sinn «nur» die äussere Ummauerung der hohenklingischen Wohn- und Ökonomiegebäude. Es ist gut denkbar, dass sich die Wohngebäude des Niederhofes und des Aarburgresp. Oberhofes auch in der Flucht der Ringmauer abgehoben haben, wie dies ja für das zweite, wohl etwas kleinere Herrenquartier beim «Gross Hus» nun nachweisbar ist.421 Der Hof «Gross Hus»/Winde war ab dem 14. Jahrhundert das Zentrum des dritten Mauerabschnitts zwischen Ober- und Öhningertor. Die Entwicklung dieses ab dem Spätmittelalter als «Fronhof» bezeichneten Quartiers ist aber unklar. Das «Gross Hus» und die «Winde» bezahlten im 15. Jahrhundert im Gegensatz zu den beiden bereits erwähnten Herrenhöfen Vogtsteuer, anders auch als beispielsweise der «weisse Adler», «der Mor» oder ein Teil der Spitalparzelle. Dies kann so interpretiert werden, dass die Herren von Hohenklingen um 1250 über einen von Vogtsteuern befreiten Besitzkomplex beim «weissen Adler» verfügt hatten und sich kurz nach 1300 etwas nach Norden zurückzogen, indem sie an der Stadtmauer Liegenschaften erwarben.422 Um 1302 war das Spital-Areal als Folge der hohenklingischen Sühnestiftung von diesem Areal abgetrennt worden. Vielleicht war dies mit ein Grund für diesen Rückzug aus dem zunehmend lärmigen Gebiet beim Marktplatz.423 Es ist indes nicht anzunehmen, dass die Ummauerung Steins allein auf die Initiative der Freiherren von Hohenklingen zurückging. Vielmehr ist von einem Zusammengehen zwischen Vogt und Grundherr (St. Georgen) auszugehen, da die Ringmauer die Grundstücke beider tangierte und beide von einem gesicherten Brückenübergang und Marktort profitierten. Zudem muss die Um-

mauerung auch im Konsens mit der Stadtelite erfolgt sein. Schon zwischen 1260 und 1290 vermochten einige einzelne Bürger über Jahre die Bezahlung von Grundzinsen zu verweigern. Der Streit konnte erst mit Hilfe eines Gremiums der Stadtelite, des iudicium laicorum, beendet werden.424 Wie viel mehr hätte da die zum Bau der Ringmauer nötige Erhöhung der Frondienste offenen Widerstand provoziert, wenn sie nicht im Konsens zwischen Bürgerschaft und Herren geordert worden wären?! Bilanz: Materielle Herrschaftsgrundlagen der Freiherren von Hohenklingen Wie ist die ökonomische Herrschaftsgrundlage der Herren von Hohenklingen insgesamt einzuschätzen? Wenn man davon ausgeht, dass der Regent Walter VII. die Herrschaft Hohenklingen mit der Reichsvogtei Stein zu gesamter Hand verwaltete, die Eigengüter aber mit Ersatzregent Ulrich IX. teilte,425 dann standen Walter VII. um 1400 jährlich rund 1300 Pfund oder Gulden Einnahmen zu. Dies ist eine stolze Zahl. Sie entsprach den addierten Jahresverdiensten von 70 bis 80 Handwerksmeistern. Das Vermögen Walters VII. war doppelt so hoch wie jenes der Mayer/Schmid, der reichsten Steiner des Mittelalters.426 Auch in Zürich hätte Walter VII. zu den vier reichsten Männern gehört.427 Andererseits ergab eine Studie zum deutschen Adel, dass das Jahreseinkommen von Herren und Grafen in der Regel zwischen 2000 und 20000 Gulden schwankte.428 Die ökonomischen Grundlagen Walters VII. entsprachen also eher jenen eines Ritteradligen. Dies bestätigt die Mitgiftzahlung (Heimsteuer), die Walter VII. an seine mit Freiherr Konrad von Bussnang verheiratete Tochter Verena übergab: Mit einer Jahresrente von 50 Pfund, welche einem Zins von 6.25% auf ein Kapital von 800 Pfund entsprachen, zahlte Walter VII. zwar deutlich mehr als die Ritteradligen, welche im Durchschnitt eine Mitgift von 450 Gulden ausrichteten. Aber an den Durchschnitt aller Freiherren und Grafen von 4350 Gulden kam er bei weitem nicht heran.429 Die Höhe der Heimsteuer lässt nicht nur auf die Selbst-, sondern auch auf die Fremdeinschätzung schliessen. Es ist darum bemerkenswert, dass Walter VII. von Graf Heinrich II. von Fürstenberg, dem Vater von Walters VII. Gattin Kunigunde, nur eine Heimsteuer von 600 Gulden erhielt. Auch Walters Morgengabe an Kunigunde bewegte sich mit 300 Gulden deutlich unter dem Durchschnitt der Grafen und Herren von 1000 Gulden, aber leicht über dem Ritterdurchschnitt von 250 Gulden.430 Zudem ist zu berücksichtigen, dass Walter VII. zahlreiche Familienangehörige zu versorgen hatte. Zu 127


Abb. 206: Schlacht bei Vögelinsegg. Die Freiherren von Hohenklingen waren nicht direkt in die Appenzellerkriege involviert. Die Kriegswirren dürften aber auch ihre Einkünfte nachhaltig beeinträchtigt haben.

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den 50 Pfund Rente für seine Tochter Verena kamen Zahlungen in gleicher Höhe (oder Zinsen für entsprechend aufgenommenes Kapital) an die drei geistlichen Töchter. Ein ähnlich hoher Betrag ist für die Verzinsung der Morgengabe an Kunigunde einzusetzen. Der Cousin und Ersatzregent Ulrich IX. war spätestens seit 1385 volljährig. Er erhielt für seinen Verzicht auf die Nutzung der Herrschaft Hohenklingen wohl nicht erst 1417 eine Rente. Schliesslich war auch der Sohn Ulrich X., der um 1400 volljährig wurde, mit einer standesgemässen Rente auszustatten.431 Man geht sicher nicht fehl in der Annahme, dass knapp die Hälfte der Jahreseinnahmen Walters VII. für die Familienversorgung reserviert waren.432 Die grund- und vogteiherrlichen Einnahmen dürften seit der Erbteilung um 1300 insgesamt jeweils nur knapp gereicht haben. Verschiedene Familienmitglieder suchten darum vor allem in der Zeit der genealogischen Blüte um 1350 zusätzliche Einkünfte. Sie fanden diese in Dienstverträgen in Norditalien. Ulrich VII. ging 1357 einen Solddienstvertrag mit der Stadt Siena ein. 1368 und 1372 stand er in Solddiensten des Papstes. Walter VII. war österreichischer Rat und bezog 300 Gulden jährlich als österreichisches Dienstgeld.433

Gründe für den raschen Niedergang nach 1400 Die Herren von Hohenklingen wären nach Walters entscheidendem Fehler von 1417434 wohl auch ohne biologisches Pech435 bald von der herrschaftlichen Landkarte verschwunden. Denn nach 1400 fehlte die Substanz für einen weiteren Herrschaftserhalt. Die Gründe für die damit verbundene rasche Verschuldung der Freiherren von Hohenklingen waren vielfältig. Eine Rolle dürfte gespielt haben, dass es Walter VII. und seinem Sohn Ulrich X. nicht gelang, den Zugang zu Diens­ten bei Kaiser Sigismund zu finden. Entsprechende Dienstgelder als «Zusatzfinanzierung» entfielen ebenso wie die Möglichkeit, dem König Geld zu leihen und dafür lukrative, teils zu 10% verzinste Pfänder zu erhalten. Dies war umso einschneidender, als gleichzeitig österreichische Dienste nach 1415 markant weniger gut bezahlt wurden. Der Wertverlust der in Silbergeld definierten Einnahmen wird ebenso ins Gewicht gefallen sein wie möglicherweise ein vorübergehend markanter Rückgang der in Stein verzollten Waren. Letzteres ist im Rahmen der Wirren um die Appenzellerkriege (Abb. 206) und der weiteren Fehden im Bodenseeraum durchaus denkbar. Mit Sicherheit wirkte sich jetzt aber negativ aus, dass den Herren von Hohenklingen die Herrschaftsverdichtung nur im Kernbereich um Stein am Rhein gelungen war. Im Gebiet der übrigen Herrschaftsrechte hatten sich landesherrliche Konkurrenten durchgesetzt. Zudem ist eine ritteradlige Gefolgschaftsbildung in dem Sinne, dass den Herren von Hohenklingen beispielsweise als Militärunternehmer eine schlagkräftige Gefolgschaft zur Verfügung gestanden hätte, nicht einmal ansatzweise festzustellen – anders als etwa bei den Grafen von Werdenberg und von Toggenburg436. Walter VII. war vermutlich noch Analphabet. Eine Verschriftlichung der Herrschaftsführung setzte wohl erst unter Ulrich X. ein.437 Im Kern war die hohenklingische Herrschaft darum trotz Intensivierung zutiefst mittelalterlich geblieben. Herrschaftsrechte setzte man, wie das Beispiel Walters VII. zeigen wird,438 wenn immer möglich persönlich, an Ort und Stelle durch. Wie knapp die finanziellen Mittel nach 1400 waren, zeigt das Schicksal der letzten beiden Freiherren von Hohenklingen. Es ist bezeichnend, dass die Krise ganz offensichtlich bei der Linie des Ersatzregenten begann: Ulrich IX., der 1386 bis 1400 nie in Stein belegt ist,439 sah sich ab 1401 mit Bilanzdefiziten konfrontiert. Er war von Walter VII. nicht an der Herrschaftsausübung beteiligt. Dennoch beanspruchte er für sich eine nicht weniger aufwändige adlige Lebensführung als sein Cousin. Er verkaufte ab 1401 regelmässig Grundbesitz. Nach seiner Tätigkeit als


Hauptmann der schwäbischen Ritterschaft vom St. Georgenbund und nicht zuletzt infolge einer vergleichsweise grosszügigen Widerlegung für seine Gattin Agnes sah sich Ulrich IX. gezwungen, in Konstanz einen Kredit von 1000 Gulden und im Kloster Paradies einen solchen von 200 Pfund aufzunehmen.440 1419 verkaufte er seinen gesamten Anteil an der Herrschaft Hohenklingen an Kaspar von Klingenberg, vermutlich nach einer grösseren Auseinandersetzung mit seinem Cousin Walter VII.441 Doch auch als stellvertretender Hofrichter in Rottweil kam Ulrich IX. nicht mehr aus der Schuldenfalle heraus: 1427 war der aus dem Verkauf von 1419 resultierende Erlös offenbar aufgezehrt. Ulrich IX. musste 1427/28 mehrfach bei Konstanzer Juden Kleinkredite in der Höhe zwischen 8,5 und 100 Gulden aufnehmen, dies bei Zinssätzen von bis zu 40% pro Jahr. Als Faustpfand hinterlegte der Schuldner kiloweise Silbergeschirr.442 Ulrich IX. starb vor dem 6. August 1431443 vermutlich in Rottweil, als zwar angesehener, aber völlig verarmter Hofrichter. Ulrich X. ging nach dem Tod seines Vaters einen ganz ähnlichen Weg. Ab 1422 häuften sich Verkäufe und Kreditaufnahmen, während es keine Hinweise mehr gibt auf lukrative Reichsdienste oder Ratstätigkeiten bei den Österreichern. Ab 1426 veräusserte Ulrich X. herrschaftlich wertvolle Vogteirechte in Eschenz und Hemishofen.444 1430 übernahm er zwar das angesehene (ehrenamtliche!) Landrichteramt im Thurgau, musste aber im Gegenzug der Stadt Konstanz das Recht eingestehen, bei Bedarf Militär in Stein und auf Hohenklingen zu stationieren. Ulrich X. setzte also spätestens ab diesem Zeitpunkt nicht mehr auf Österreich oder das Reich, sondern auf Konstanz – aber nicht wie seine Vorfahren um 1200 auf den Bischof, sondern auf die aufstrebende Stadt. 1433 musste auch er seinen Anteil an der Herrschaft Hohenklingen an Kaspar von Klingenberg verkaufen. Es ist anzunehmen, dass die Herrschaft Hohenklingen 1433 nicht nur mit den urkundlich belegten mindestens 3500 Gulden Schulden, sondern beträchtlich höher belastet war.445 Noch 1433 versuchte Ulrich X. zwar, Reste seines Herrenstatus wenigstens in Stein zu wahren. Er bedingte sich bei der Liquidation aus, dass er «die armen Leute» aus der Vogtei Wagenhausen weiterhin in seinem Stadthof aburteilen durfte. Doch schon 1434 verkaufte er auch diese letzten Vogteirechte. 1439 nahm Ulrich X. bei Konstanzer Juden Geld auf.446 Bei seinem kinderlosen Tod zwischen 1443 und 1445 hinterliess er seinen Erben, Agnes von Rosenegg und insbesondere den Grafen von Fürstenberg, Güter, die kaum mehr als 1000 Gulden wert waren.447 Seine Stadthöfe in Stein hatte er offenbar bereits früher an die Klingenberger verpfändet.

5. Sozioökonomischer Hintergrund 2 – Familien und Verwandtschaftspolitik Linienbildung und Abschichtung «... ob es were, dass des egenanten Ulrichs von Klingen eliche gemal, so er ietzo het, von tods wegen abgienge und das er oder sin sun oder ir erben, so des namen von Clingen und mannes geschlecht weren, eliche wiber nehmen wurdent, die inen sovil guets zuo brechtent, das sy das vorgeschriben verkouft sloss mit siner zugehorde losen mochten und wollten, die sollten und mogent das ouch wol tun und sollent och denn die von Clingenberg der ietzgenanten von Clingen elichen frowen sollich losung gehorsam sin an alle widerrede».448 Mit diesen Worten behielt sich Ulrich X. 1433 im Falle eines plötzlichen Vermögenszuwachses das Rückkaufsrecht an der Herrschaft Hohenklingen vor. Die unverbesserlich optimistisch anmutende Hoffnung auf ein baldiges Ableben der Ehefrau und eine reiche Neuheirat erfüllte sich nicht. Dennoch zeigen Ulrichs Worte deutlich: Die finanzielle Potenz war neben politischen Überlegungen ein entscheidendes Kriterium für die Wahl des Ehepartners. Denn schon die Heirat von Ulrichs Eltern Walter VII. von Hohenklingen und Gräfin Kunigunde von Fürstenberg war im Rahmen des grossen politischen Handels zwischen Öster­reich, den Grafen von Fürstenberg und den beiden Linien auf Hohenklingen erfolgt. Der Sohn hoffte nun offenbar nochmals auf etwas Ähnliches. Hauptziel adliger Familienpolitik war im späteren Mittelalter die Erhaltung und wenn möglich die Erhöhung des Stammes und des Namens.449 Die Partnerwahl, aber auch die Erbregelung dienten letztlich diesem Ziel. Männer heirateten mit durchschnittlich 26 Jahren wesentlich jüngere Partnerinnen, sobald diese das erlaubte Heiratsalter von 14 Jahren erreicht hatten. Das vergleichsweise hohe Heiratsalter des Mannes verringerte auf dessen Seite den Generationendruck. Die Jugend der Frau erhöhte die Wahrscheinlichkeit langer Fruchtbarkeit und erlaubte der Familie der Gattin eine sichere Erbschaftsplanung. Grundsätzlich waren alle legitimen Kinder eines Adligen zu gleichem Erbteil berechtigt. Dieses Prinzip spielte für Frauen insbesondere dann eine Rolle, wenn sie zu Erbtöchtern ihrer Familie oder gar ihres Geschlechts wurden. In der Regel fand man aber die (reduzierten) Erbansprüche der Töchter bei der Heirat mit der «Heimsteuer» ab. Der grundsätzlich gleiche Erbanspruch der Söhne zwang die Adelsfamilien zu einem schwierigen Spagat zwischen Linienbildung und Abschichtung. Denn der Übergang der gesamten Erbmasse an alle Söhne gemeinsam zu sogenannter «ge129


Die Freiherren von Hohenklingen

Abb. 207: Genealogie der Freiherren von Hohenklingen ab 1247.

Abb. 208: Genealogische Blüte. Urkunde von 1328 mit den Siegeln der Regenten der vier hohenklingischen Linien. Die gleichen Siegel wurden auch für die Fälschung von «1265» verwendet.

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samter Hand» existierte in reiner Form nur selten. Diese Lösung war offenbar zu konfliktbeladen. Die Linienbildung, also die Vererbung an alle Söhne zu gleichen Teilen, bot zwar für die Erhaltung des Stammes und des Namens optimale Sicherheit. Denn beim Aussterben einer Linie waren noch die anderen Linien gleichen Namens da, deren Erbansprüche von Dritten schwer abzuwehren waren. Besitzmässig aber waren Linienbildungen aus nahe liegendem Grund gefährlich. Sie bedrohten grundsätzlich die materielle herrschaftliche Basis, auch wenn manchmal wenigs­ tens die Stammburgen zu gesamter Hand an alle Linien weitergegeben wurden. Das Gegenkonzept zur Linienbildung war deshalb die Abschichtung: Ein Sohn wurde zum künftigen Regenten bestimmt. Die übrigen Söhne verzichteten «freiwillig» auf ihr Erbe. Einer von ihnen erhielt als möglicher Ersatzregent einen Herrschaftssitz und eine Rente. Er war zur Kinderlosigkeit verpflichtet, falls dem Regenten legitime Kinder geboren wurden oder solange zumindest diese Möglichkeit bestand. Die übrigen

Söhne hatten ebenfalls kinderlos zu bleiben. Eine Erbabfindung oder eine Rente des Vaters res­ pektive des brüderlichen Ersatzregenten ermöglichte ihnen eine Karriere als Hofrichter, königlicher oder fürstlicher Rat, oder als Dom- und/oder Pfarrherr mit einträglicher Pfründe. Seltener wurden sie Ordensritter oder Mönche. In allen Fällen gilt: Auch abgeschichtete Söhne hatten den Einfluss der Familie regional, oder als Pfarrherr wenigstens lokal, zu stärken. Die Herren von Hohenklingen wechselten im Laufe ihrer Geschichte450 mehrmals ihre Familien- und Erbstrategien (Abb. 207). Bis um 1190 dominierte die Abschichtung: Walter (I.), Ulrich (I.) und Walter (III.) waren Regenten. Die Brüder Ulrichs (I.) wurden abgeschichtet als Ersatzregenten (Walter (II.) respektive als Kleriker (Abt Heinrich). Beide dienten weiterhin der Stärkung des Geschlechts in der Region. Walter (I.) und Walter (III.) könnten sich zugunsten ihrer Nachfolger vorzeitig aus der Herrschaft zurückgezogen haben.451 Unter Walter (III.) erlaubte die massive Erweiterung der Herrschaftsrechte im Raum des Untersees die Linienbildung auf Alten- und Hohenklingen. Die Linie auf Altenklingen profitierte in der Folge von der Erbmasse der Tegerfelder Erbtochter Ita und leistete sich eine Aufteilung in drei weitere Linien. Die Herren von Hohenklingen hingegen wechselten für rund achzig Jahre zur Abschichtung. Entsprechend ist in dieser Zeit jeweils nur ein Repräsentant der Familie namens Ulrich bekannt. Die ver­ meintlichen Ausnahmen Walter II. (1247) und Wal­ter I. (1252 und 1255) bestätigen diese Feststellung: Walters II. Position in der Zeugenliste und sein Verschwinden aus den Quellen weisen auf eine Klerikerkarriere hin. Walter I. dürfte


1252 noch Pfarrherr in Stein ohne Priesterweihe gewesen sein und als solcher für seinen Bruder Ulrich I. gegen den Konstanzer Bischof gekämpft haben. Danach gab er sein Dasein als Ersatzregent auf und wechselte unwiderruflich in den Johanniterorden.452 Um 1300 folgte die Rückbesinnung auf die Linienbildung. Die Gründe für diesen Wandel sind nicht bekannt. Vielleicht hatte er damit zu tun, dass Ulrich II. vorzeitig von der Regentschaft zurücktrat.453 Fünf Söhne wurden ausgestattet (Abb. 208). Die ältesten, Ulrich III. und Walter III. sowie Ulrich V., übten die Herrschaft Hohenklingen zu gesamter Hand aus. Sie besassen daneben auch frei verfügbare Eigengüter, beispielsweise Wohnsitze in Stein am Rhein. Der Bruder Ulrich IV. erhielt die Herrschaft Hohentwiel im Wert von 940 Mark Silber. Er verkaufte diese Rechte und betätigte sich in der Folge als Investor in die Zürcher Reichssteuer und als Militärunternehmer in königlichen Diensten. Walter IV., jünger als seine Brüder, wurde seit 1324 ebenfalls an der Herrschaft Hohenklingen beteiligt. Nur Walter Ulrich, vermutlich der sechste Bruder, schlug eine geistliche Karriere ein.454 Ulrich II. und seine Söhne wählten also insgesamt die Rechtsform der Lini-

enbildung, beliessen aber die Stammburg mit ihren Kernrechten zu gesamter Hand bei vier der fünf oder sechs Söhne. So blieb die Herrschaft Ulrichs II., deren Wert man aufgrund des Erbes von Ulrich IV. im Jahr 1300 auf etwa 5000-6000 Mark Silber, 12500 bis 15000 Pfund Silber oder 25000 bis 30000 Gulden schätzen kann,455 vorerst von der völligen Zersplitterung verschont. Ihr mit der Herrschaft Hohenklingen verbundener Kerngehalt im Wert von 4500 Mark Silber oder gut 22000 Gulden blieb einigermassen erhalten. Abschichtung und familieninterne Krise: Der Scheinverkauf Hohenklingens und Steins 1359 Unter den Söhnen und insbesondere unter den Enkeln Ulrichs II. setzte dann aber ein Umdenken ein. Die Tatsache, dass Walter IV. weder Gattin noch legitime Kinder hatte und von Walter III. nur Fides, Äbtissin im Fraumünster, als Nachkomme belegt ist, muss nicht (nur) auf biologisches «Pech» zurückzuführen sein. Walter IV., der jüngste der die Herrschaft Hohenklingen teilenden Brüder, war wohl aufgrund der zahl­rei­ chen Kinder seiner beträchtlich älteren Brüder Ul-

Abb. 209: Nachträglich zugefügt: Der abgeschichtete Ulrich IX. (ganz rechts) und seine Gattin Agnes waren ursprünglich nicht in das Konzept des Memorialbildes von Ulrich VII., Sohn Walter VII. und Enkel Ulrich X. (von links) und ihren Gattinnen eingeplant (Stadtkirche Stein am Rhein).

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rich III. und Ulrich V. zum Zwangszölibat gedrängt worden. Walter III. hat seine (einzige?) Tochter kaum aus freien Stücken abgeschichtet. Offensichtlich wird dann diese subtile Form der Abschichtung, genau genommen eine Abschichtung von Linien, unter den Enkeln Ulrichs II.: Ulrich VI. und Ulrich VII. von HohenklingenBechburg übten die Herrschaftsrechte auf Hohenklingen aus, wobei Ulrich VI. zumindest zeitweise auch als Militärunternehmer in Italien arbeitete. Ulrich VIII. und sein Bruder Walter V. von Hohenklingen-Brandis erhielten zwar Eigengüter zur freien Verfügung, wurden aber nicht an den Einnahmen aus der Herrschaft beteiligt. Entsprechend verschuldete sich diese Linie sehr schnell. Er scheint zur Begleichung seiner Schulden die Hälfte der Herrschaft Hohenklingen verlangt zu haben. Dies wiederum hätte die gesamte Existenz der Freiherren von Hohenklingen in Frage gestellt. Um 1359 tobte auf Hohenklingen ein familieninterner Streit (Abb. 209). Man suchte einen Weg, wie der Brandis-Zweig zugunsten seiner Cousins auf den grössten Teil seiner Herrschaftsrechte im Raum Steins verzichten, die Schulden begleichen und trotzdem – wie schon Onkel Ulrich IV. – standesgemäss Karriere machen konnte. Die Verwandten auf dem Konstanzer Bischofs- und dem Reichenauer Abtsstuhl scheinen vermittelt zu haben. Schliesslich boten die Herzöge von Öster­ reich die Hand zur Lösung des Problems: Sie übernahmen in einem «Scheinkauf» alle Rechte des Brandis-Zweiges an der Herrschaft Hohenklingen und übergaben diesem umgehend wieder einige Güter, darunter dessen beide Stadthöfe in Stein, als habsburgisches Lehen. Die Summe von 20000 Gulden, die Österreich dafür laut Urkunde bezahlt haben soll, sind als rein fiktive Grös­se zu verstehen. Denn der Brandis-Zweig erhielt als Entschädigung für seine Steiner Rechte das Pfand Rheinfelden, dessen Wert konsequenterweise ebenfalls fiktiv auf 20000 Gulden veranschlagt wurde – ein politischer Preis, da das Rheinfelder Pfand nachweislich nur rund 8000 Gulden wert war. Die fiktive Pfandsumme sollte verhindern, dass die Nachkommen Ulrichs VIII. und Walters V. je auf die Idee kamen, Rheinfelden oder gar den Anteil an der Herrschaft Hohenklingen von Österreich zurückzulösen. Effektiv war der Brandis-Teil der Herrschaft Hohenklingen 7600 Gulden wert: Einkünfte im Wert von 4000 Gulden waren verpfändet, der Rest warf 180 Pfund jährlich ab, was einem Wert von 3600 Gulden entsprach. Österreich übernahm die Schulden und versetzte dem Brandis-Zweig rund 4000 Gulden auf die Herrschaft Rheinfelden. Entscheidend für die Beurteilung des ganzen Handels ist: Nur die mit dem Eschenzer Meierhof verbundenen Vogteirechte und die Rechte auf die Hälfte von 132

Freudenfels und den Kirchensatz Burg gaben die Herzöge an andere Gefolgsleute weiter. Die übrigen mit der Burg Hohenklingen verbundenen Herrschaftsrechte, insbesondere die Hälfte der Reichsvogtei Stein, gingen an den BechburgZweig über, formell als österreichisches Pfand für Dienstleistungen in der Höhe von 5400 Gulden.456 Die Bilanz des Handels präsentierte sich 1361 wie folgt: Die Bechburg-Linie unter Leitung Ulrichs VII. verfügte nun wieder unbestritten allein über die Burgherrschaft Hohenklingen/Stein. Regent Ulrich VII. nannte sich 1362 demonstrativ «der ab der burg».457 Auf unbekanntem Weg erwarb der Bechburg-Zweig zudem die beiden Stadthöfe der Brandis-Linie; eine österreichische Lehensherrschaft wird in diesem Zusammenhang nie mehr erwähnt. Österreichs Vermittlung war es zudem offenbar zu verdanken, dass es Walter VII. als einzigem Freiherrn auf Hohenklingen gelang, mit Kunigunde von Fürstenberg eine Grafentochter zu ehelichen.458 Die Bechburg-Linie war also die eine grosse Gewinnerin des ganzen Handels. Allerdings verpflichtete sie sich auf befristete Zeit in Habsburger Dienste. Und sie musste Habsburg als Mitbesitzer der Rechte in Eschenz, Freudenfels und Burg akzeptieren. Die Brandis-Linie verlor zwar fast alle ihre Steiner Rechte und musste nun (noch standesgemässe?) Karriere in landesherrlichen Diensten machen. Aber sie sah ihre Schulden von 4000 Gulden beglichen. Zumindest Walter V. kam zu lukrativen habsburgischen Pfändern und Leibgedingen, zuerst in Rheinfelden, danach im Tirol. Vermutlich hat ihm Österreich auch eine Heiratsverbindung in gräfliche Kreise hinein ermöglicht.459 Und die Habsburger? Sie konnten die hohenklingischen Erbteilungsprobleme ausnützen und hatten dank (wenig) Geld und ihres Reichtums an Herrschaftsrechten von nun an eine Option, um am Untersee vermehrt politischen Einfluss zu nehmen. Der «Kauf» und die anschliessende Verpfändung der Herrschaft Hohenklingen war für sie Teil einer ganzen Serie von Dienstverträgen, welche sie zwischen 1353 und 1363 mit über zwanzig Hoch- und Niederadligen des Raumes westlich des Bodensees abschlossen. 1398 verfolgten sie im übrigen mit dem «Kauf» und der anschliessenden Verpfändung der Herrschaft Hewen nochmals das gleiche landesherrliche Mus­ ter, um politischen Einfluss in einer ehemals hochadligen Herrschaft zu gewinnen.460 Es bleibt die Frage zu klären, warum die Herren von Hohenklingen 1359 beim «Verkauf» erstmals betonten, die «vordere Burg» gehöre zum Öhninger Kehlhof und sei bischöflich-konstanzisches Eigen, die «hintere Burg» hingegen Eigengut. Das Konstanzer Burglehen wird nach dem Schein-


verkauf nie mehr erwähnt. Der Konstanzer Bischof Heinrich von Brandis verzichtete auf eine Verleihung an Österreich. Er verhielt sich also auffallend anders als der Reichenauer Abt Eberhard von Brandis, der den Österreichern die Rechte in Eschenz, Freudenfels und Burg auch formell wieder verlieh.461 Zudem betonten die Öhninger Bauern im 15. Jahrhundert, das «alte Haus» auf Hohenklingen respektive das Gebiet «hinter Klingen» – also nicht das «vordere Klingen» – sei Teil des Öhninger Twing und Bann und nach Öhningen kirchgenössig. Man löst all diese Widersprüche am besten folgendermassen auf: Für die Herren von Hohenklingen hat beim ganzen Handel mit Österreich offensichtlich auch ein Sicherheitsaspekt eine Rolle gespielt. Im Bereich der «vorderen Burg», der heute noch bestehenden Burg Hohenklingen, «erinnerte» man sich der bischöflich-konstanzischen Lehensherrlichkeit. Damit konnte man im Falle einer Auseinandersetzung mit Österreich einen externen Partner ins Spiel bringen, zumal dieser in den Jahren um 1359 mit Heinrich von Brandis ein Verwandter der Herren von Hohenklingen war. Die «hintere Burg» wurde hingegen ganz bewusst als «Eigentum» bezeichnet, wohl weil sie nicht schon um 1218 und auf Gebiet erbaut worden war, welches zwar im Öhninger Bann lag, in welchem die Herren von Hohenklingen aber über den Forstbann verfügten. Es handelte sich offenbar um eine Gruppe von Häusern (Abb. 210), die im nordöstlichen Bereich der im Mittelalter wesentlich grösseren Klingenwiese lagen. Sie hatten teilweise repräsentativen Charakter und taugten noch nach 1433 als Wohnsitz für die Witwe Johanns von Klingenberg. So konnten die Herren von Klingen im Falle von Auseinandersetzungen um Hohenklingen vier verschiedene Karten spielen: Jene des Reiches, da das wichtigste Zubehör der Burg ja die Reichsvogtei Stein war, jene des Pfandherrn Österreich, jene des bischöflichen Lehensherrn, aber auch jene der eigenen Verwandtschaft, welche Eigentum der Herren von Hohenklingen zu schützen half.462 Der fatale Fehler von 1417 In der Folge spaltete sich der Bechburg-Zweig zwar seinerseits in zwei Linien. Die Ausübung der Herrschaftsrechte auf Hohenklingen blieb aber von nun an bis 1417 in der Hand des je­weils ältesten männlichen Mitgliedes der beiden Linien. 1363 bis etwa 1372 war dies Ulrich VII., der die Regentschaft vorzeitig an Walter VII. weiter gab.463 Dieser repräsentierte die Herrschaft Hohenklingen ab 1384 alleine.464 Er war Adressat der entsprechenden königlichen Privilegien und Bestätigungen, und er empfing nach dem

Aussterben der Herren von Altenklingen deren Reichs(Mann-)lehen und Wappen.465 Der 1417 geschlossene Vertrag zwischen Walter VII. und Ulrich IX. dokumentierte diesen Sachverhalt nochmals in aller Deutlichkeit: Walter VII. akzeptierte zwar den Anspruch seines Cousins auf die Hälfte der Herrschaft Hohenklingen. Aber er schichtete ihn auch in aller Deutlichkeit zum «Ersatz-Regenten» ab, indem er ihn nicht an der praktischen Herrschaftsausübung beteiligte, sondern ihn in der Form einer Schuldenübernahme mit einer Jahresrente von rund 140 Gulden abfand – und dies bei Einnahmen von rund 1200 Gulden, welche die Herrschaft abwarf! Zudem betonten die Cousins nochmals: Walter habe als Ältester die Lehen von Hohen- und Altenklingen zu verleihen. Wenn er einst sterbe, so solle dies Ulrich IX. als der dannzumal Älteste tun, ohne dass die Erben Walters VII. (damit war in erster Linie Ulrich X. gemeint) dagegen etwas unternehmen sollten. 466 Trotz Abschichtung überwog also um 1417 nochmals das Hausdenken das Familienbewusstsein – zumindest bei Walter VII.. Doch als die Ehe gleich beider, Ulrichs IX. und des ultimus Ulrich X., kinderlos blieben, hatte die Fortpflanzungsstrategie auf Hohenklingen unwiderruflich versagt. Abschliessend sind drei Bemerkungen zum Verhältnis zwischen den ökonomischen Grundlagen und der Familienpolitik der Herren von Hohenklingen angebracht: Erstens lösten die Herren von Hohenklingen den Konflikt zwischen einer finanziell aufwändigen standesgemässen Ausstattung und einer die Ressourcen schonenden unstandesgemässen Versorgung eindeutig zugunsten ersterer. Es ist keine einzige ritteradlige Eheverbindung belegt. Zweitens stellt sich die Frage, ob Walter VII. mit der Versorgung von gleich drei Töchtern in vornehmen Damenstiften seine finanziellen Möglichkeiten nicht schlicht überfordert hat. Was hat es ihn zusätzlich gekostet, alle drei auch als Äbtissinnen dieser Stifte zu sehen? Drittens: 1417 machte Walter VII. rückblickend den

Abb. 210: Gebiet «hinter Klingen». Grün: der Raum, in welchem die «hintere Burg» respektive die Wohn- und Ökonomiegebäude «hinter Klingen» gestanden haben müssen.

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Abb. 211: Graduale von St. Katharinental (1312). Die Freiherren von Hohenklingen waren Teil des freiherrlichen Netzwerks, welches St. Katharinental gründete. Dieses blieb bis in das 15. Jahrhundert hinein Memorialort der Herren von Hohenklingen.

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entscheidenden Fehler, als er einwilligte, dass sein wohl schon seit Jahren verschuldeter467 Cousin Ulrich IX. zum Mitbesitzer der Herrschaft Hohenklingen wurde. Ulrich IX. hatte schon 1417 Schulden in der Höhe von rund 1400 Pfund. Zwei Jahre später verkaufte er seinen Anteil an der Herrschaft für 9300 Pfund an Caspar von Klingenberg. Rechnete Walter VII. schon 1417 damit, dass die Ehe seines Sohnes Ulrich X. kinderlos bleiben würde? Warum besiegelte der längst volljährige Ulrich X. die ihn arg limitierende Abmachung zwischen Walter VII. und Ulrich IX. nicht? Ging der Abmachung von 1417 und erst recht der Veräusserung von 1419 ein handfester Familienstreit voraus? Oder rächte es sich jetzt einfach, dass auch Ulrich IX. – gegen den Willen Walters VII.? – verheiratet war468 und entsprechende Rentenzahlungen zu leisten hatte? Fühlte sich Walter VII. auch für eine standesgemässe Lebenshaltung seines Cousins zuständig und sah er ein, dass dies ohne Verfügungsrechte über die Herrschaft Hohenklingen schlicht unmöglich war?

Verwandtschaftspolitik 1200-1350 Bei der Analyse mittelalterlicher Adelsherrschaften ist die Rolle von Kognaten nicht zu unterschätzen, also von Blutsverwandten, deren Verwandtschaft über Frauen vermittelt wurde. Kognaten agierten häufig als Ehe- oder Pfründenvermittler. So genannte «endogame Tauschringe» (verschiedene Geschlechter verheiraten gleichzeitig Töchter untereinander) bewahrten vor Güterverlust und ermöglichten gemeinsame Strategien der Pfründenjagd und der Machtpolitik. Eheverträge vermittelten generell «Freundschaft» im Sinne von politischer Annäherung und gemeinsamer Friedenswahrung.469 Die Herren von Hohenklingen verfügten bis um 1260 und danach wieder ab dem frühen 14. Jahrhundert über ein gut funktionierendes Kognatennetz. Bischof Konrad II. von Konstanz (12091233) war Kognate der Herren von Klingen.470 Er hatte nicht nur Einfluss auf den Bau der Burg Hohenklingen sondern könnte auch als Ehevermittler zwischen Ulrich II. von Altenklingen und der Tegerfelder Erbtochter Ita amtiert haben. Die Tegerfelder Verwandtschaft ermöglichte den Zugang zu einer weiter gefassten Heiratsverwandtschaft, zu welcher unter anderem die Freiherren von Teufen/Tiefenstein gehörten.471 Als diese in den 20er-Jahren des 13. Jahrhunderts unter starken landesherrlich-habsburgischen Druck gerieten, flüchtete ein Familienmitglied seine Rechte in die Hand des Klosters St. Georgen in Stein, in welches es selbst als Mönch eintrat. Die Vogteikompetenzen der Herren von Hohenklingen erfuhren damit im Schwarzwald eine markante Erweiterung. Diese war jedoch nur vorübergehender Natur, denn 1272 zwang Rudolf von Habsburg Kloster und Vogt zur Abtretung dieser Rechte an Habsburg.472 Zusammen mit den Herren von Teufen bildeten die Herren von Klingen/Hohenklingen zudem den Kern einer Freiherren-Gruppe, welche den Grafen von Kyburg zwischen 1230 und 1240 erfolgreich Widerstand leistete. Resultat dieses Widerstandes war unter anderem die Stiftung des Klosters St. Katharinental, in dessen ersten Jahren die Herren von Hohenklingen, namentlich die nobilis domina Adelheid von Hohenklingen, eine wichtige Rolle spielten (Abb. 211).473 Das Kognatennetz, das im 13. Jahrhundert leider nur in Ansätzen rekonstruierbar ist, dürfte zuerst eine Ergänzung zur Anlehnung an das Reich und den Konstanzer Bischof gewesen sein. Ab 1228 ersetzte es diese Bindungen zunehmend und war vorübergehend mitverantwortlich dafür, dass die Herren von Hohenklingen die Abwendung von den Staufern und vom Konstanzer Bischof nicht mit dem Verlust der herrschaftlichen Selbständigkeit büssten. Seit den 40er-Jahren sank indes


seine Bedeutung schnell. Um 1272 hatten die erwähnten freiherrlichen Gruppierungen ihre Bedeutung als regionalpolitische Gegengewichte zu den angehenden Landesherrschaften weitgehend eingebüsst. Nun bekamen die Herren von Hohenklingen auch die negative Seite des von Ulrich I. und davor schon von seinem Vater gewählten Erbprinzips zu spüren: Die Abschichtung reduzierte naturgemäss die Zahl der Kognaten. Im dritten Drittel des 13. Jahrhunderts sind nur kognatische Beziehungen zu den Herren von Regensberg erkennbar, die ihrerseits seit 1267 mit dem Niedergang zu kämpfen hatten.474 Zur Kompensation lehnten sich die Herren von Hohenklingen bis 1280 offensichtlich nochmals stärker an die Linie der Altenklingen an.475 Danach ist so etwas wie ein verwandtschaftlicher Alleingang der Herren von Hohenklingen festzustellen, der fast zu ihrem Untergang geführt hätte. Unmittelbar nach dem Tod Ulrichs II. vermochten dessen Söhne nämlich nicht zu verhindern, dass ein Konstanzer Bürger in Stein am Rhein ermordet wurde. Sie bekamen die Täter nicht zu fassen und hatten damit als Steiner Vögte und Friedenswahrer in doppelter Hinsicht versagt. Die Konstanzer Bürgerschaft klagte. Jetzt rächte sich das Fehlen eines intakten Kognatennetzes, welches die Herren von Hohenklingen für ein paritätisches Schiedsgericht hätten aufbieten können. Der Konstanzer Bischof als alleiniger Schiedsrichter verurteilte die Vögte nicht nur zu einer Sühnestiftung, aus welcher das spätere Steiner Spital hervorging ( Abb. 212). Er desavouierte die Vögte faktisch auch als oberste Friedenswahrer in Stein, indem er der Konstanzer Bürgerschaft und den Verwandten des Ermordeten die Befugnis gab zu entscheiden, ob und wann sich die Täter wieder in Stein aufhalten durften. Die Herren von Hohenklingen haben diese tiefste Krise ihrer Vogteiherrschaft sicherlich nur darum überstanden, weil ihre Herrschaft in und um Stein um 1300 schon wesentlich gestrafft war und die Steiner Bürgerschaft den Schaden am Ansehen der Herren nicht für eine Welle des Ungehorsams nutzte.476

Hervorragendes Kognatennetz 1350-1420 Die kurz nach 1300 einsetzende Linienbildung führte sehr bald zum Aufbau eines deutlich funktionsfähigeren Kognatennetzes. Bis zu ihrem Aussterben verschwägerten sich die Herren von Hohenklingen standesgemäss ausschliesslich mit hochadligen Geschlechtern. Ulrich IX. heiratete eine (freiherrliche) Grafenwitwe.477 Walter VII. gelang sogar die Ehelichung einer Grafentochter. Den Kern des Kognatennetzes bildeten die Herren von Brandis, zu welchen sogar zwei Ehebeziehungen belegt sind, und die Herren von Bechburg. Die Nachkommen Ulrichs III. und Ulrichs V. erwähnten diese kognatischen Verbindungen in vielen Urkunden, was wohl nicht in erster Linie ihrer eigenen Identifikation sondern der Betonung dieser Verwandtschaft diente. Ab 1362 ergänzten Beziehungen zu den Herren von Aarburg und den Grafen von Fürstenberg diesen Kern. Dem Kognatennetz kam eine in doppeltem Sinn vermittelnde Bedeutung zu. Zum einen erleichterte dieses Netz die bereits besprochene, grundlegende Rechtsbereinigung von 1359. Denn der Konstanzer Bischof und der Reichenauer Abt hätte sehr wohl die legitimatorische Kompetenz gehabt, den Handel von 1359 zu erschweren oder zu verhindern. Zum andern half das Verwandtschaftsnetz, die Personalpolitik im Damenstift Säckingen und in der Zürcher Fraumünsterabtei zeitweise geradezu zu monopolisieren: Als

Abb. 212: Das Steiner Spital, hohenklingische Sühnestiftung um 1302. Eingefärbt auf dem Stadtplan von 1662 ist die Parzelle, in deren hinterem Bereich vermutlich die ersten Spitalgebäude gestanden haben.

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Johanna von Hohenklingen ihrer Schwester Klaranna als Äbtissin von Säckingen nachfolgte, gehörten auch Margaretha von Hohenklingen, Anna von Klingen und Ursula von Aarburg zum fünfköpfigen Konvent. Kurz vor Johanna hatten Margaretha von Grünenberg und vor dieser Agnes von Brandis dieses Amt ausgeübt. Ähnlich im Fraumünster: 1399 bestand der Konvent unter Äbtissin Agnes von Bussnang aus zwei Nonnen von Bechburg, Anastasia von Hohenklingen und je einer Nonne von Rosenegg, Aarburg und Krenkingen. Auf Äbtissin Agnes von Bussnang (13981404) folgten Mechtild von Bechburg und Anas­ tasia von Hohenklingen. Zum Konvent unter Letzterer gehörten auch deren Schwester Verena und die Cousine Agnes von Fürstenberg. Die Verwandtschaftspolitik spielte also im Bereich der Töchterversorgung ausgezeichnet. Denn man darf die Bedeutung der beiden Damenkonvente quasi retrospektiv aus Sicht der Reformation nicht unterschätzen: Ihre Äbtissinnen hatten den Rang von Reichsfürstinnen. Und die geringe Grösse der Konvente ist kaum (nur) auf mangelnde Nachfrage zurückzuführen. Sie kann auch das Resultat einer bewusst durchgeführten Abschliessungspolitik gewesen sein.478 Das Kognatennetz half also entscheidend bei der standesgemässen Platzierung hohenklingischer Töchter. Der Wert des damit verbundenen Ausbaus des hohenklingischen Beziehungsnetzes ist nicht zu unterschätzen. Zu vermuten ist zudem, dass das Kognatennetz auch gemeinsamen Demonstrationen physischer Gewalt gedient hat, besonders in Zusammenhang mit Adelsfehden und im Rahmen der Wirren rund um die Appenzellerkriege oder der Auftritte der Reichsritterschaft vom St. Georgenschild. 479 Abb. 213 und 214: Vergleich: Memorialbild der Freiherren von Hohenklingen (vor 1417; links) und Eschenbacher Memorialtafel (1438; rechts).

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6. Sozioökonomischer Hintergrund 3: Persönliche Gewaltfähigkeit – das Beispiel Walters VII. Walter VII. der kämpfende Ritter Walter VII. von Hohenklingen war, aus heutiger Sicht beurteilt, eine höchst schillernde Figur. Wie er sich selbst sah, zeigt am besten das durch ihn vor 1417 in Auftrag gegebene Memorialbild in der Marienkapelle der Klosterkirche St. Georgen in Stein (Abb. 213 und 214): Ulrich VII., Walter VII., Ulrich X. und Ulrich IX. beten mit ihren Gattinnen hinter den Heiligen Drei Königen kniend Maria und Jesus an. Das Besondere dieser Darstellung wird klar, wenn man sie mit der etwa gleichzeitig entstandenen Memorialtafel der Freiherren von Eschenbach vergleicht. Auf beiden Bildern tragen die Männer eine Kampf- (keine Turnier-)Rüstung und ein Schwert. Während aber Letzteres auf dem Eschenbacher Bild stark durch die Gewänder verdeckt und die übrige Rüstung nur angedeutet wird, dominieren die Schwerter das Hohenklingen-Bild. Hier tragen die Ritter Helme und gefingerte Eisenhandschuhe, während die Eschenbacher barhäuptig und nicht behandschuht sind. Kettenhemd, bewegliche Armkacheln, Beinzeug, Beinröhren und Schnabelschuhe verstärken in Stein die militärisch-ritterliche Ausstrahlung der Betenden.480 Walter VII. sah sich in erster Linie als miles, als kämpfenden Ritter, und nicht als Adligen, der seine (Turnier-)Rüstung nur gelegentlich an Turnieren zur Schau stellte – obwohl Walter Letzterem durchaus nicht abgeneigt war. Für ihn war selbstverständlich, dass ein Adliger nötigenfalls persönlich Gewalt anwendete. Die Aufgabe des Adels war zu herrschen. Herr zu sein hiess, die Leute vor verschiedenen Bedrohungen wie äusseren Feinden, innerer Zwietracht, Hunger und nicht gottgewolltem Lebenswandel zu beschützen und dafür als Entgelt Dienstleistungen und Abgaben und die damit verbundenen Bekenntnisse und Rituale zu erhalten.


Der adlige Friedenswahrer Walter VII. musste und wollte seine Befähigung zu Schutz und Friedenswahrung und damit zur Führung eines Herrenlebens möglichst oft unter Beweis stellen. Er erreichte die im Mittelalter unabdingbare Akzeptanz als Herrscher wie die meis­ ten erfolgreichen Adligen seiner Zeit auf drei Wegen: Er bewies erstens immer wieder seine Befähigung, persönlich Gewalt anzuwenden, und demonstrierte seinen Zugang zu einflussreichen adligen Freunden oder zu Instanzen, die ihm zur Seite standen, falls seine Kräfte einmal überfordert sein sollten. Daraus konnten die Bauern und Bürger schliessen, dass er seine friedenswahrenden Massnahmen auch durchzusetzen wusste – und natürlich auch, dass man ihm die ihm dafür zustehenden Abgaben und Dienste besser nicht verweigerte. Auf dieser Grundlage übte er zweitens seine eigentliche Tätigkeit als Friedensstifter aus, sei es als Schutzherr in einer Lokalfehde, als Patron eines Dorfgerichtes, als Gerichtsherrn bei Straffällen, als Anwalt resp. Vogt seiner Leute bei auswärtigen Gerichtsfällen, als Kirchherr, der für einen anständigen Pfarrer sorgte, oder einfach als Grundherr, welcher Erbstreitigkeiten der auf seinen Gütern sitzenden Bauern regelte. Bei all diesen Tätigkeiten durfte der Herr keine Berührungsängste mit den Beherrschten kennen. In Ermangelung einer Polizei und angesichts des Fehlens von Amtsleuten musste sich Walter persönlich zeigen. Zudem war die Wechselbeziehung zwischen Herren und Beherrschten im Mittelalter nie definitiv festgelegt. Sie musste immer wieder direkt zwischen den Betroffenen ausgehandelt werden. Damit die Distanz zu Letzteren aber nicht allzu klein wurde, grenzte sich Walter VII. drittens immer wieder kulturell von seiner Umgebung ab, sei es über kirchliche Stiftungen, Baukunst, ritualisierten Umgang mit anderen Adligen – oder einfach via Inszenierung «adligen» Lebens.

Der vernetzte Inszenierer Walter VII. dürfte zwischen 1342 und 1346 geboren worden sein. Sein erster heute noch fassbarer offizieller Auftritt muss in Stein nachhaltigen Eindruck gemacht haben: Am 7. April 1362 stellte er Graf Heinrich von Fürstenberg eine Urkunde aus,481 in welcher er mit aufgehobener Hand «ze den hailigen» schwor, Heinrichs Tochter Kunigunde zu ehelichen, sobald sie zwölf Jahre alt sei. Der Graf seinerseits gab Walter das Versprechen, «das er mir si gebe und zuo lege», nebst Zusicherung einer Heimsteuer von 600 Gulden, zahlbar in Jahresraten zu 50 Gulden. Walter garantierte, dass er auf jeden Fall auf entsprechende Mahnung hin Kunigunde «neme und bi ir lig» und seiner Frau pro 50 Gulden Heimsteuer 75 Gulden «Widerlegung» gutschreibe. Als Bürgen stellte Walter zwölf Adlige aus dem süddeutschen Raum. Diese verpflichteten sich, auf fürstenbergische Mahnung hin innerhalb von acht Tagen zu Pferd nach Schaffhausen zu reisen und dort so lange «in offener wirt húsern ze vailem kouf nach des landes recht» zu logieren – natürlich auf Kosten Walters – , bis dieser seinen Verpflichtungen nachgekommen sei. Besiegelt ist das prächtige Dokument mit den Siegeln Walters VII. und seiner zwölf Bürgen (Abb. 215).

Abb. 215: Repräsentative Prachturkunde. Heirats­ urkunde Walters VII. mit Grafentochter Kunigunde von Fürstenberg mit den Siegeln Walters und der 12 adligen Bürgen.

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Abb. 216: Der Cousin des Ururgrossvaters als Vorbild Walters VII. von Hohenklingen: Der Minnesänger Walter von Altenklingen.

Diese Heiratsabsprache offenbart ein zutiefst adlig-traditionelles Verhaltensmuster Walters VII.: Er besiegelte sein Versprechen nicht vor irgendeinem Notar oder Beamten, sondern mit Handschlag vor einer ganzen Reihe illustrer Zeugen. Es ist anzunehmen, dass Graf Heinrich ebenfalls eine entsprechende Garantie-Urkunde für Walter von Hohenklingen abgefasst hat, ebenfalls nicht vor geschlossener Gesellschaft sondern in einem der Stadthöfe der Hohenklingen vor einer Menge direkter oder zumindest indirekter Zeugen. Die Bewohner Steins erhielten damit zwei wichtige Informationen: Walter VII. verfügte ers­ tens über ein intaktes adliges Beziehungsnetz. Dieses war bereit, auf Mahnung hin nach Schaffhausen zu reiten (oder zumindest einen berittenen Knecht zu schicken) und dort vorerst auf eigenes Risiko zu logieren. Denn Walter als Edelmann würde mit Sicherheit für solche Kosten aufkommen. Zweitens stand Walter mit einer der ersten Adelsadressen der Region in verwandtschaftlichem Kontakt. Walter VII. hat sich wie sein berühmter Verwandter, der Minnesänger Walter von Altenklingen (Abb. 216), sein ganzes Leben lang immer wieder mit anderen Adligen inszeniert: Im Februar 1376 war er mit einer ganzen Reihe Ostschweizer Adliger bei Herzog Leopold in Kleinbasel, wo man ausgiebig Fasnacht feierte.482 Eines Tages beschloss die Gesellschaft, auf dem Basler Müns­ terplatz ein Turnier abzuhalten. Was dann passiert ist, lässt sich nicht mehr genau rekonstruieren. Vielleicht war es so, wie die Klingenberger Chronik berichtet, und die Adligen «woltend da iren muotwilen mit ainandren haben, und lust und

fröude mit schönen frowen triben» oder der Adel hat gar «vil unzüchtigs geferts mit frowen und tochtern erzeigt». Vielleicht haben die Adligen auch nur, wie Basler Chronisten berichten, etwas gar lasziv Speere in die Zuschauermenge geworfen und demonstrativ Pferde tänzeln lassen. Jedenfalls artete der Besuch der adligen Gesellschaft in eine Reihe von Schlägereien und schliesslich in einen allgemeinen Tumult aus. Fazit: Drei Adlige wurden von der aufgebrachten Menge erschlagen. Walter landete im Gefängnis und kam erst frei, als er zusammen mit drei Bregenzer Grafen und zehn weiteren Adligen Urfehde schwor. In Basel, wo sein Onkel als Dekan amtete, hatte sich Walter als Teil der nach Österreich orientierten Adelsschicht inszeniert und seine Kampfkraft (wenig erfolgreich) zur Schau gestellt. Aber auch alleine schreckte Walter bisweilen nicht vor der Demonstration seiner persönlichen Gewaltfähigkeit zurück: Als er 1371 mit dem Konstanzer Domherrn Eberhard Irsigler im Streit um einen süddeutschen Hof lag, kidnappte er den geistlichen Herrn kurz entschlossen und liess ihn erst auf Intervention von Papst Gregor XI. wieder frei.483 In einem weiteren Fall ist zwar eine direkte Beteiligung Walters nicht urkundlich bezeugt. Angesichts der Tatsache, dass Walters Mutter eine von Brandis war, würde es aber erstaunen, wenn 1363 nicht auch der jugendliche Walter mit dabei gewesen wäre, als drei Freiherren von Brandis mit Walter von Altenklingen und weiteren Adligen in Zürich den Konstanzer Dompropst Felix Stucki erschlugen, weil er dem Altenklingen «gross unrecht und berlich laster» angetan hatte (tatsächlich hatte Stucki Bischof Heinrich III. von Brandis wegen dessen Regierung beim Papst angezeigt). Und zum jungen Walter würde auch passen, wenn er zwei Jahre später die Reichenauer Klosterherren Mangold von Brandis und Eberhard von Altenklingen in ihrem Streit gegen die Stadt Konstanz unterstützt hätte. Im Verlauf der Fehde, die sich ursprünglich um einen Fischer gedreht hatte, nahm der von Brandis den Konstanzer Stadtammann samt Vetter gefangen. Und als im Gegenzug die Höfe der beiden Herren verbrannt wurden, soll der Brandis fünf Fischern eigenhändig die Augen ausgedrückt haben.484 Der regionale Friedenswahrer Alle diese Beweise persönlicher Gewaltfähigkeit wären aber wenig konstruktiv gewesen, wenn Walter VII. nicht auch als Vogt und Grundherr persönlich an der Basis präsent gewesen wäre. Walter VII. war der regionale Friedenswahrer im Raume Steins. Er war Kastvogt über den Klosterbezirk St. Georgens, Vogt mit sämtlichen Ge-

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richtskompetenzen in Stein und Hemishofen, Vogt ohne militärisches Aufgebotsrecht und vielleicht ohne gesichertes Blutgericht von Ramsen bis Worblingen, bei Öhningen und Schienen und von Rheinklingen bis Eschenz. Südlich davon besass Walter Vogteirechte über Klingenzell und vermutlich über Ittinger Besitzungen. Walter VII. oder ein von ihm bestellter Untervogt wohnte dem Stadtgericht des Steiner Schultheissen bei. Bei schwereren Verbrechen wie Körperverletzungen, Diebstählen und Freveln sowie allen Verbrechen, die mit dem Tod bestraft werden konnten («die ainem an den libe gant» ), nahm er den Richterstab selbst in die Hand und ahndete die Tat.485 Walter VII. war aber nicht nur letztinstanzlicher Richter für diese Vergehen. Unter seiner Anwesenheit erledigte das Schultheissengericht auch kleinere Niedergerichtsfälle und zivilgerichtliche und notarielle Aufgaben, regelte Fischerei-, Gewerbe- und Kirchenfragen, Jagdangelegenheiten und vieles mehr und erliess generell Vorschriften zum ganzen Gerichtsbezirk. Denn obwohl dies nicht alles Kompetenzen des Vogtes waren: Die hohenklingische Präsenz erhöhte die Legitimität dieser Vorgänge. Er repräsentierte aus heutiger Sicht das «Staatswesen». Dies galt für die Gerichtstage am Schultheissengericht und in der Abtsstube in Stein, unter der Linde in Hemishofen und im Kehlhof in Arlen, aber auch jenseits des Rheines von Eschenz über Vorderbrugg bis nach Rheinklingen. Basispräsenz.... Zwei Eigenschaften scheinen Walter VII. als Vogt- und Grundherrn geprägt zu haben: Zum einen fühlte er sich auch für kleinste herrschaftliche Details zuständig (Abb. 217). So schrieb er 1402 dem Abt von St. Gallen, seinem Lehensherren, einen Brief, weil es in einer Bauernfamilie in Stammheim nach dem Tod des Vaters «etwas misshellung von der geschwügertig (!) und fründ» gegeben habe «wegen von des selben lehens, won es allain main lehen ist und die kind getailt hand».486 Laut Notiz auf der Rückseite des Dokuments brachte ein Konrad Bodmer den Brief zum Abt «und sait, daz min herr von Klingen entbet­ ten hab minem herren, daz er der tohter nüt lihi». Walter VII. war sich also nicht zu schade, eigenhändig zu verhindern, dass der Erbteil zweier Bauernknaben durch deren Schwester geschmälert wurde. 1384/85 mischte er sich auf Seiten der Bürger in die Auseinandersetzungen zwischen dem Abt und einigen Steiner Bürgern ein, obwohl sich der Streit ursprünglich nur um die Förmlichkeiten in Zusammenhang mit «Fall und Lass» gedreht hatte. Walter VII. und seine Cousins wollten den Fall unbedingt vor eigenem

Gericht behandeln und hielten auch an der Unterstützung der Bürger fest, nachdem diese das Klos­ ter gestürmt hatten und Leute zu Tode gekommen waren. Der Streit von 1384/85 zeigt auch, dass der Analphabet Walter VII. sich in erster Linie auf sein eigenes Urteilsvermögen (und nicht auf gelehrte Beamte) und sein eigenes Gedächtnis stützte. Als der Abt in der Auseinandersetzung eine auf das Jahr 1267 gefälschte Urkunde zeigte, resignierte Walter mit der Bemerkung, «er getrüweti daz er im (dem Abt) darumb nit ze antwurten hetti» und akzeptierte den auf der Grundlage der Fälschung erstellten «Anlassbrief».487 Mit fortschreitendem Alter scheint Walter tendenziell immer weniger auf solche direkte Aktionen und vermehrt auf ritualisierte oder indirekte Formen der adligen Inszenierung gesetzt zu haben. Seine Fehde gegen Johann Egen deponierte er 1396 bei dessen Verwandten und beim österreichischen Landvogt. Während der Appenzellerkriege gehörte Walter zwar zu den Hauptleuten der Ritterschaft von Schwaben.488 Es ist aber nicht überliefert, dass er sich als besonders gewalttätig hervorgetan hat. Walter, mittlerweile sicher über 60-jährig, zog nun endgültig geruhsamere Inszenierungen seiner Herrschaft vor. ...neben Abgrenzung: Ausbau der Burg Hohenklingen Vor diesem Hintergrund ist es doch bemerkenswert, dass Walter VII. zwischen 1393 und 1406 die Burg Hohenklingen erneuerte und renovierte.489 Er gab zwar die Stadthöfe nicht auf. Aber er markierte die Herrenpräsenz nun wieder vermehrt auf dem «fernen» Hohenklingen. Die Intensivierung der städtischen Herrschaftsrechte war abgeschlossen. Walters VII. Vorstellung von weiterem Herrschaftsausbau war eine andere. Er hatte Zugang zu höchsten Amtsträgern des Reiches und Österreichs. Sein Beitrag zur Erweiterung der Herrschaftsrechte bestand darin, dass er die königliche Gunst zur Einrichtung eines grossen Zolls in Stein benützte. Zwar war Walter VII. an der Basis seiner Herrschaft sehr präsent. Aber er – Vater zweier geistlicher Reichsfürstinnen, österreichischer Rat und königlicher Gefolgsmann – suchte doch vermehrt auch wieder die Dis­tanz zu den Herrschaftsleuten. Vielleicht spielten zudem die Wirren rund um die Appenzellerkriege, die in abgewandelter Form 1401 auch Stein erfassten, eine grössere Rolle, als dies die noch vorhandenen Dokumente heute erahnen lassen.490

Abb. 217: Gegenseitige Treue, ganz im Sinne Walters VII.: Der Bauer weigert sich im Schachzabelbuch Konrads von Ammenhausen auch unter Folter, gegen seinen Grundherrn auszusagen.

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7. Adlige Memoria und Herrschaftsrepräsentation Jahrzeitstiftungen

Abb. 218: Maria als Patronin der Freiherren von Hohenklingen. Bemerkenswert ist, dass sich Walter VII. von Hohenklingen (rechts) auf dem Memorialbild in gleicher Grösse abbilden lässt, in welcher der Maler auch Maria und die Heiligen Drei Königen darstellt.

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16. März 1372: Ulrich VII. von Hohenklingen und sein Sohn Walter VII. treffen sich mit Abt Friedrich von Stein. Sie schenken ihm ihren Eigenhof in Eschenz, der gut zehn Stuck Ertrag, also etwa 60 Schillinge jährlich abwirft. Der Abt verspricht im Gegenzug, für Ulrichs verstorbene Gattin Elisabeth von Brandis und nach Ulrichs Tod auch für ihn selbst Jahrzeiten abzuhalten. Die liturgischen Rituale werden festgelegt: Die Mönche zünden an den Tagen der Jahrzeiten je zwei Kerzen pro Grab an, die während des Totengedächtnisses in der Marienkapelle brennen. Am Abend singen die Mönche die Vigil für die Seelen erneut in der Marienkapelle und zünden wiederum zwei Kerzen an. Tagsüber werden rund hundert Kilogramm Brot gebacken und den Armen der Stadt Stein mit «erbs und smalz als gewonlich ist» dargereicht. Die Bestimmung, wonach an Lichtmesse sowie an Maria Verkündigung, Himmelfahrt und Geburt weitere Seelenmessen abzuhalten seien, ergänzen die Stiftung (Abb. 218).491 Da reiche Steiner Bürger nach dem Aussterben der Herren von Hohenklingen deren Jahrzeitrituale imitierten,492 lassen sich weitere Details zur Jahrzeit Ulrichs VII. rückerschliessen: Die Seelenmesse war wahrscheinlich mit einer Prozession der Mönche vom Kloster über den Kirchhof in die Marienkapelle verbunden. Die Hinterbliebenen der Toten wohnten der Prozession – vielleicht von einer Herrenloge über dem Eingang aus – bei und begaben sich zum Totengedächtnis ebenfalls in die Kapelle und zu den Gräbern der Verstorbenen. Hier nahmen Mönche und Familie

gemeinsam Brot und Wein zu sich, während drausssen die Armen spiesen, nachdem sie der Prozession auf dem Kirchhof und vielleicht auch im westlichen Teil der Klosterkirche – dem öffentlichen Teil der Klosterkirche493 – beigewohnt hatten. Die vergleichsweise kleine494 Stiftung Ulrichs VII. zeigt, wie eng und untrennbar adlige Memoria und Herrschaftsrepräsentation im Mittelalter verbunden waren. Sie dokumentiert zum einen das Bemühen Ulrichs VII., das Totengedächtnis für sich und seine Angehörigen wachzuhalten. Die Einrichtung der Anniversarien hatte wie der bereits früher gestiftete Marienaltar und die später mit den Bildnissen von Ulrich VII., Walter VII., Ulrich X. und Ulrich IX. übermalte Wand über der Grabnische495 im Sinne der Memoria für eine andauernde Gegenwart der Toten unter den Lebenden zu sorgen. Die Fürbitten der Mönche, der Hinterbliebenen und der Gespiesenen sollten das Seelenheil der Verstorbenen fördern.496 Ulrich VII. Stiftung ist indes nicht isoliert zu betrachten. Sie löste zum einen spätere Jahrzeiten für sämtliche in Stein lebenden männlichen Nachkommen und deren Ehegattinnen aus. Zum andern hatte bereits 1338 Walter III. von Hohenklingen für sich und seine verstorbene Gattin Margareta von Tengen zwei Jahrzeiten gestiftet, welche über einen Zins vom «Gross Hus» (Kanzley) finanziert wurden. 1355 erneuerten Ulrich IX. und Walter III. die Jahrzeitstiftung für ihre Mutter.497 Im 15. Jahrhundert lasteten zudem auf den übrigen drei Stadthöfen und mehreren weiteren Besitzungen der Herren von Hohenklingen weitere Jahrzeiten zugunsten St. Georgens. Man hat deshalb davon auszugehen, dass das Kloster Jahrzeiten für alle männlichen Nachkommen Ulrichs II. von Hohenklingen beging. Dies ergab allein in der Klosterkirche bald eine stattliche An-


zahl von Totengedächtnissen, die sicher auch in der Pfarrkirche St. Nikolaus verkündet wurden. Fast wöchentlich fielen die Namen der Herren im liturgischen Kontext. Die bedürftigeren Steiner­ innen und Steiner kannten die Daten der hohenklingischen Totenmessen ohnehin. Aber nicht nur in der Kloster- und in der Pfarrkirche gedachte man der verstorbenen Familienmitglieder der Herren von Hohenklingen. Wahrscheinlich verband man auch die Speisung der Armen im Spital und die Verleihung allfällig schon vorhandener Herrenpfründen mit den vier Spitalstiftern von Hohenklingen.498 Auch die Nonnen von St. Katharinental gedachten nach Jahrzeitstiftungen Annas von Hohenklingen mindestens fünf Familienmitglieder.499 Gleiches ist für das Stift Öhningen, das Kloster Wagenhausen und die Kirche Burg anzunehmen. In Letzterer, wo die Herren von Hohenklingen den Kirchensatz besassen, wurde um 1330 der Chor ausgebaut. Ob und wieweit die Herren von Hohenklingen für den Ausbau mitverantwortlich waren, lässt sich allerdings aufgrund der historischen Dokumente nicht beurteilen. Hingegen ist eine zwischen 1300 und 1350 errichtete Memorialstiftung der Grafen von Hohenberg wahrscheinlich auf deren Beziehung zu den Herren von Hohenklingen und St. Georgen zurück zu führen (Abb. 219).500 Wegen der neuzeitlichen Unterkellerung der heutigen Marienkapelle in der Stadtkirche Stein ist nicht klar, wo die ersten Reichsvögte von (Hohen-)Klingen begraben wurden. Bis gegen 1230 hat man vom Kloster Wagenhausen als Begräbnisort auszugehen. Als Begräbnisort Ulrichs I. und Ulrichs II. käme die Vorhalle der Kirche Burg in Frage. Angesichts der Nähe Ulrichs I. zu St. Georgen – sein Bruder war Leutpriester in St. Nikolaus – und des grösseren Potentials für eine angemessene Memoria ist aber eher von einem Begräbnisplatz in (der Vorhalle?) der Klosterkirche auszugehen.501 Die in Stein lebenden Kinder Ulrichs II. und ihre Nachkommen könnten ebenfalls hier oder bereits in der Marienkapelle bestattet worden sein. Denn der Wortlaut der erwähnten Jahrzeitstiftung von 1372 schliesst nicht aus, das in der Marienkapelle zu diesem Zeitpunkt bereits eine hohenklingische Begräbnistradition bestand.

Stellt man sich zudem vor, dass am Vorabend der Jahrzeit das jeweilige Grab mit einem kostbaren Bahrtuch bedeckt wurde, das mit dem Wappen der Herren von Hohenklingen geschmückt war, und dass nicht nur das mit Kerzen beleuchtete Grab (Abb. 220) sondern auch die Kapellenfens­ ter das Herrschaftswappen vor Augen geführt haben dürften,502 so wird aus den Jahrzeiten eine eigentliche Herrschaftsdemonstration. Die Herren von Hohenklingen inszenierten sich hier selbst. An geweihtem und privilegiertem Ort zeigten sie, dass sie in Stein etwas Besonderes, eben die reichsunmittelbaren Herren und Reichsvögte waren. Auffallend ist, wie restriktiv die drei im Wortlaut erhaltenen Jahrzeitstiftungen den Kreis der durch die Memorialgemeinde Begünstigten definierten: Die Stiftung von 1372 galt nur für Ulrich VII. und seinen Sohn Walter VII. und deren Gattinnen und später, wie das Wandgemälde zeigt, auch für dessen Sohn Ulrich X. Ulrich IX. war ursprünglich nicht ins Bildkonzept eingeplant. Nicht einmal in einer pauschalisierten Formulierung werden die übrigen Vorfahren oder andere Mitglieder des Geschlechtes von Hohenklingen erwähnt. Der gemeinsame Nenner der gerade erwähnten vier Freiherren ist schnell gefunden: Sie alle gehörten zur Bechburg-Linie und übten die Reichsvogtei in Stein aus. Ulrichs XI. Bildnis hat man deshalb erst in die Bildkomposition hineingezwängt, als er 1417 vorübergehend Teilhaber der Reichsvogtei wurde. Walters III. Jahrzeit von 1338 galt nur für ihn selbst und seine Gattin. Die 1355 zusammen mit seinem Bruder Ulrich IX. gestiftete Jahrzeit betraf ausschliesslich die Seele der Mutter. Anna von Hohenklingen gedachte der Eltern, zweier Geschwister und eines Cousins.

Abb. 219: Memorialstiftung der Kognaten von Hohenberg? Unter dem Saum einer betenden Figur ist in der Kirche Burg das Wappen der Herren von Pfirt (Ferrette) angebracht. Die Grafen von Pfirt und von Hohenberg waren mehrfach mit den Freiherren von Hohenund Altenklingen verschwägert. Abb. 220: Grabnische unterhalb des hohenklingischen Memorialbildes in der Steiner Stadtkirche. Der Verstorbene schaute im Sarg liegend gegen blaue Sterne auf weissem Gewölbe.

Liturgische Herrschaftspropaganda Die Memoria diente auch als Instrument einer eigentlichen Herrschaftspropaganda. In der Marienkapelle führte man die Wappen der vier Herren von Hohenklingen gleich doppelt, als Wappenschild und als Helmzier. Über Walter VII. thront obendrein demonstrativ auch noch die Helmzier der ausgestorbenen Herren von Altenklingen. 141


Die Stiftungen Walters III. und seines Neffen Ulrich VII. erhellen die Zusammenarbeit von Stiftern und Mönchen: 1338 war die Stiftung pauschal formuliert. Das Zusammengehen von Stifter und Kloster war von Vertrauen geprägt. Die «Spezialisten» in St. Georgen würden schon die richtigen Formen liturgischer und herrschaftlicher Repräsentation finden. 1372 wurden die Rituale bereits verbindlicher festgelegt, wenn auch mit dem Hinweis, die Mönche hätten zu tun, «als gewonlich ist». Nochmals hundert Jahre später reg­ lementierte die reiche Steiner Bürgerschaft die entsprechenden Vorgänge bis ins kleinste Detail – den einfachen Einträgen ins klösterliche Jahrzeitenbuch stand sie grundsätzlich skeptischer gegenüber als Ulrich VII.504 Rituelle Herrschaftsrepräsentation in den vier Stadthöfen

Abb. 221: Gnadenbild in Klingenzell aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Die Stiftung Klingenzells und dessen Unterstellung unter St. Georgen 1336 markiert einen der letzten Höhepunkte des insgesamt sehr erfolgreichen Zusammengehens zwischen dem Kloster und den Vögten.

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Memorialort und -gemeinde Klingenzell Man darf diese limitierten Jahrzeiten indes nicht als Beleg für ein letztlich wenig ausgebildetes Geschlechterbewusstsein der Herren von Hohenklingen werten. Denn seit 1336 existierte mit der Kapelle Klingenzell ein Gedächtnisort, welcher wahrscheinlich pauschal aller Familienangehörigen gedachte. Zwar hatte Walter III. die Kapelle auf einem persönlichen Erbgut gestiftet (Abb. 221). Er beteiligte danach aber auch seine Brüder und Neffen an der Vogtei. Diese liessen der Kapelle ihrerseits Stiftungen zukommen.503 Man hat deshalb davon auszugehen, dass die beiden nach Klingenzell beorderten Steiner Mönche fortan der Memoria aller Hohenklingen-Linien dienten. Da man Jahrzeiten im Mittelalter nicht nur einmal im Jahr beging und oft vier oder fünf Jahrzeiten für die gleiche Person gestiftet wurden, dürften die beiden Steiner Mönche mit Seelmessen für die Herren von Hohenklingen schon zu einem guten Teil beschäftigt gewesen sein. Trotz der vergleichsweise abgelegenen Lage waren auch die Rituale in Klingenzell nicht «privat». Die Bevölkerung von Stein, besonders aber von Burg und Eschenz dürfte die Tage gekannt haben, an welchen die hohenklingische Memorialgemeinde sich zu Pferd nach Klingenzell begab. Und sie dürfte auch gewusst haben, warum man dies tat. Darüber hinaus erfuhren auch alle Wallfahrenden, wer die Stifter und Beschützer der Kapelle waren.

Herrschaftsrepräsentation war die notwendige Ergänzung zur persönlichen Gewaltfähigkeit. Denn so zwingend Letztere Voraussetzung für eine Durchsetzung der adligen Friedenswahrung war, so wenig darf man sie in ihrem Gewicht überschätzen. Ein mittelalterlicher Gerichtsherr war allein kaum in der Lage, sich gegen renitente Vogtleute durchzusetzen. Mit ein oder zwei Knechten als Verstärkung stand er bald auf verlorenem Posten, wenn mehrere Leute oder gar eine ganze Gemeinde zum Widerstand entschlossen waren. Wenn er sich nicht auf den Rückhalt weiterer Adliger oder auf die Unterstützung der Gemeinde als Ganzes verlassen konnte, war er schnell machtlos. «Herrschaft» war im Mittelalter darum besonders auf unterster Stufe eher ein Mit- als ein Gegeneinander. Der (Gerichts-)Herr musste dauernd beweisen, dass er als Friedenswahrer kleinste Details ernst nahm und die Anliegend der Gemeinde auch nach aussen vertrat. Im Gegenzug akzeptierte ihn Letztere als Herrn und leistete die geschuldeten Anerkennungsrituale. Herrschaft war darum eng mit Symbolen verbunden. Diese sichtbaren Zeichen prägten sich bei den Untertanen ein, weil sie sowohl das Selbstverständnis wie den Gewaltanspruch des Herrn dokumentierten.505 Die Kirche samt Friedhof nahm bei der Veranschaulichung von Herrschaftsverhältnissen einen zentralen Platz ein. Als «magischer» Raum voller Symbole drängte sie sich als Ort der Herreninszenierung zum vornherein auf. Darauf ist im Folgenden nochmals zurückzukommen. Ebenso wichtig für die Herren von Hohenklingen waren indes die regelmässig stattfindenden rituellen Anlässe innerhalb und um die Stadthöfe. Zwischen 1433 und 1445 erstellte Ulrich X. ein Urbar. Dieses listete präzis alle von Ulrich X. ver-


gebenen Lehen zwischen Singen und Zürich auf. Insgesamt werden über 120 Besitzrechte verschiedenster Grösse aufgezählt, vom einfachen Acker bis zur Burgherrschaft. 22 dieser Herrschaftsrechte waren an knapp zwanzig ritterliche Lehensträger ausgegeben, der Rest als Mannlehen an rund 80 Leute, teils Ritter, teils Bürger, teils Lehensträger aus der oberbäuerlichen Schicht. Das offenbar genau recherchierte Urbar erwähnt nur in 13 Fällen die entsprechenden Abgaben, das sind gut 10% aller Besitzrechte. Die aus diesen 13 Rechten verzeichneten Einkünfte betrugen insgesamt rund 30 Pfund.506 Ihr Wert entsprach etwa jenem der Wachteinnahmen oder des kleinen Zolles samt Marktabgaben in Stein. Obwohl 90% der aufgeführten Rechte keinen regelmässigen Ertrag mehr abwarfen, und trotz der für sie doch sehr grossen geografischen Entfernung vieler Rechte liessen die Grafen von Fürs­ tenberg, welche die Lehen Ulrichs X. geerbt hatten, das Urbar schon drei Jahre nach dessen Tod abschreiben. In der Folge verlangten sie mehrmals, dass die Lehensträger in eine Herberge nach Stein am Rhein kämen und ihre Rechte in der geschuldeten Form von den Fürstenbergern zu Lehen nähmen.507 Ulrichs Urbar, das meist mit der Einleitung «hat ze lehen von mir» beginnt, und das Verhalten der Fürstenberger zeigen, dass standesgemässe Einkünfte allein noch keine Adelsherrschaft ausmachten. Ebenso wichtig war die formelle Bezeugung der Tatsache, dass man den adligen Herrn als solchen anerkannte. Im Falle Ulrichs X. hiess dies, dass auch nach 1433 noch rund 100 erwachsene Männer (und wenige Frauen) auf einen bestimmten Termin hin in einen seiner zwei Stadthöfe kamen, den Hul­ digungseid leisteten und Treue und Wahrheit versprachen. Damit anerkannten sie primär Ulrichs X. Herrenstatus, auch wenn er nicht mehr Reichsvogt war. Denn materiell war der Vorgang kaum relevant, da Ulrich X. höchstens noch im Falle von etwa 10% der Lehen über die Mittel verfügte, allenfalls beim Wechsel des Lehensträgers einen Ehrschatz zu verlangen. Im Falle der übrigen Lehen beschränkte sich der Wert des Huldigungseides vollständig auf die rituelle Ebene. Die vier Stadthöfe der Herren von Hohenklingen repräsentierten deren Herrschaft also nicht allein durch ihre sichtbare Architektur. Sie waren auch Ort individueller herrschaftlicher Anerkennung. Wahrscheinlich empfingen die Lehensträger im 14. Jahrhundert überwiegend hier ihre Lehen. Die Lehensübertragung hat man sich als rituellen Akt mit genau vorgeschriebenem Ablauf vorzustellen. Er war zumindest teilweise auch für die Bewohnerschaft Steins einsehbar. Vielleicht fand er auf einer Laube an der inneren Mauer des «Quartiers» zwischen Ober- und Niederhof statt.508 In ähnlich rituell gestalteten Formen dürften die

Herrschaftsangehörigen ihre Abgaben seit dem späten 13. Jahrhundert in einen der Stadthöfe gebracht haben. Unter Ulrich X. waren dies theoretisch noch rund 16 Kubikmeter Getreide. Um 1400 muss es ein Mehrfaches davon gewesen sein.509 Die Naturalabgaben wurden anschliessend wahrscheinlich im Kornhaus «der Mor» zwischengelagert, in dessen Erdgeschoss der Steiner Getreidehandel abgewickelt wurde – unter der Oberaufsicht des Reichsvogtes.510 Die Liquidationsurkunde Ulrichs X. lässt zudem darauf schliessen, dass in diesem Herrenquartier auch das Gericht der Vogteiherrschaft Wagenhausen ab­­ gehalten wurde511 (Abb. 222). Die Stadthöfe repräsentierten noch in einer weiteren Hinsicht den Herrenstatus ihrer Bewohner: In ihren Ställen lebten nicht nur Pferde, sondern wohl auch eine stattliche Anzahl von Kälbern, Rindern und Kühen. Sie weideten auf der Wiese Wenmannpünd nördlich des Aarburg-/Oberhofes, die so bedeutend war, dass sie in den Verkäufen von 1433 und 1457 speziell erwähnt und auch wie die Stadthöfe mit Jahrzeiten belegt wurde.512 Zwischen der Wiese und der äusseren Mauer der Stadthöfe lagen Wildgehege und Fischweiher, über der Wiese ausgedehnte Weinberge, deren Trauben in den Trotten der Stadthöfe verarbeitet wurden,513 dahinter mehrere Hölzer – alles Repräsentanten adligen Lebensstils. Die Stadthöfe der Herren von Hohenklingen, insbesondere zwischen Ober- und Niedertor, repräsentierten also nicht nur nach innen ein eigentliches «Adelsquartier». Die städtischen Herrschaftssitze fanden auch ausserhalb der äusseren Mauern bis weit nach Hohenklingen hinauf ihre Fortsetzung. Hier wurde ebenfalls herrenmässiges Leben demonstriert, ohne Rituale und vollständig in den Steiner Alltag integriert (Abb. 223).

Abb. 222: Räume herrschaftlicher Inszenierung der Herren von Hohenklingen in Stein am Rhein (gelb), eingezeichnet auf dem Stadtplan von 1662.

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Abb. 223 (oben): Älteste erhaltene Darstellung Hohenklingens 1548. Zwischen der Burg und der Stadt Stein am Rhein lagen die herrschaftlichen Wälder, Weinberge und Wiesen der Herren von Hohenklingen. Abb. 224 (rechts): Gerichtstag. Die Leute aus der Vogtei Wagenhausen wurden im Oberhof abgeurteilt. Fand auch das Stadtgericht «unter der Laube» im hohenklingischen Adelsquartier statt?

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Gerichtstage (Abb. 224) Gerichtsherrschaften, oft auch Vogteien genannt, bildeten im Spätmittelalter den Kern jeder Adelsherrschaft. Ihnen kam eine dreifache Bedeutung zu: Sie verschafften Einkünfte (Vogtabgaben, Bussen); sie boten die Chance, auf der Grundlage der Friedenswahrungskompetenz weitere, neue Einkünfte zu erschliessen; und sie legitimierten die Macht. Die Freiherren von Hohenklingen besassen um 1400 wie erwähnt mehrere Vogteien. Die Gerichtsherrschaften der Schrotzburg, bei Matzingen und Wiesendangen/Oberwinterthur waren als Mannlehen verliehen. Die Reichsvogtei über Stein, Vor der Brugg, Fortenbach und Oberdorf übten die Herren von Hohenklingen ebenso selbst aus wie die kleine Vogtei über Hemishofen und die Vogtei Wagenhausen/ Etzwilen/Klingenriet/Bleuelhausen. Die Bedeutung der Vogteiabgaben und Bussen und insbesondere die Erweiterung der Einnahmen aus der Reichsvogtei wurden bereits im vorangehenden Kapitel behandelt. Darüber hinaus kam insbesondere der Reichsvogtei Stein eine wichtige legitimatorisch-repräsentative Funktion zu. An den Gerichtstagen demonstrierte der Reichsvogt seine Macht. Mit einem Eid mussten ihm alle erwachsenen männlichen Bewohner von Stein, Vor der Brugg, Fortenbach und Oberdorf huldigen. Sie anerkannten damit ausdrücklich den Herrschaftsanspruch des Reichsvogtes. Im Gegenzug versprach dieser umfassenden Schutz in jenem Gebiet, in welchem er das Geleitsrecht besass. Wahrscheinlich setzten die Herren von Hohenklingen kraft ihrer Schutzfunktion über die Steinerinnen und Steiner auch durch, dass sie bei den Huldigungseiden der Stadtbevölkerung gegen­ über dem Abt von St. Georgen als Niedergerichtsund Grundherren anwesend sein durften.514 Dies führte bis gegen 1385 dazu, dass der Huldigungseid gegenüber dem Reichsvogt jenem gegenüber

dem Abt vorging und die Herren von Hohenklingen damit endgültig zu den Stadtherren in Stein wurden. An Gerichtstagen wurden häufig auch private Handänderungen vollzogen. Das damit verbundene Beurkundungsritual bot den Herren von Hohenklingen weitere Möglichkeiten herrschaftlicher Inszenierung – nicht nur in den Vogteien: Als thurgauische Landrichter repräsentierten die Herren von Hohenklingen die österreichische Landesherrschaft gegenüber dem freien Adel, ohne sich damit allzusehr der Landesherrschaft zu verpflichten. Nach 1415 vertraten sie im Landgericht und im Rottweiler Hofgericht das Reich. Wie das Beispiel der Verlobungsurkunde Walters VII. mit Kunigunde von Fürstenberg bereits gezeigt hat, suchten die Herren von Hohenklingen zudem auch in Stein bei Beurkundungen wenn immer möglich die Öffentlichkeit. Musterbeispiel dafür ist die Urkunde von 1342, in welcher die fünf Reichsvögte zusammen mit Abt Rudolf II. von St. Georgen den Witwen in Stein ein neues Erbrecht gewährten. Verkündet wurde das Privileg «in dem Bomgarten vor dem Münster» zu Stein, also auf dem Friedhof.515 Man nutzte den magischen Teil des öffentlichen Raumes auch für solche Herrschaftsinszenierungen – der Kreis zu den anfangs dieses Kapitels beschriebenen herrschaftlichen Repräsentationen schliesst sich.


8. Funktionen der Burg Hohenklingen 1218 bis 1433 Gerichts- und burgherrliches Lehen des Reiches und des Konstanzer Bischofs; Emanzipation vom Konstanzer Bischof und geschickter Mittelweg zwischen Autonomie, Reichsgefolgschaft und vorsichtiger Anlehnung an die Habsburger Landesherren; Verhinderung der völligen Erosion der Einkünfte aus Streubesitz und nachhaltige Intensivierung der Vogteirechte in und um Stein; bis 1417 geschickte Familienpolitik zwischen Linienbildung und Abschichtung; anerkannte und wirksame adlige Inszenierungs- und Repräsentationsformen. Vor diesem Hintergrund sind die Funktionen der Burg Hohenklingen zwischen 1218 und 1433 zu sehen. Während dieser ganzen Zeit war die Burg in erster Linie einmal eines: Symbol dafür, dass westlich von Öhningen und Eschenz ein Schutz- und Schirmbereich begann, der bis nach Hemishofen und Rheinklingen reichte. Dieser Friedensbereich wurde beschützt durch Adlige, Angehörige des «Kriegerstandes», die persönlich gewaltfähig waren. Er war zwar klein. Aber er war zentral für Menschen, welche von Öhningen oder Ramsen kommend den Rhein überqueren wollten, oder für Schiffer auf dem Untersee und Rhein, welche die Passage und/oder den Umlad in Stein suchten. Die Burg Hohenklingen war seit 1191 untrennbar mit der Reichsvogtei Stein und diesen Geleitsrechten verknüpft. Sie repräsentierte diese weithin sichtbar. Zumindest ab dem 14. Jahrhundert ist die Burg Hohenklingen gerade in Zusammenhang mit den Steiner Geleitsrechten nicht isoliert zu betrachten. Näherte man sich vom Untersee her, so passierte man rechts die Burgen Kattenhorn und Oberstad (Abb. 225), welche wohl schon vor dem 15. Jahrhundert nicht nur die hohenklingischen Vogteirechte im Gebiet von Öhningen und Schienen sondern in erster Linie auch den Eintritt in den Steiner Geleitsraum manifestierten. Gleiches gilt für die südliche Seeseite: Die Burg Freudenfels dokumentierte spätestens seit dem 14. Jahrhundert gleichermassen die hohenklingischen Vogteirechte über die Reichenauer Güter in Eschenz/Burg und den Beginn des von den Herren von Hohenklingen gewährleisteten Steiner Friedensraumes. Von Ramsen und von Schaffhausen her fuhr oder schritt man unter der Herrschaftsanlage auf Wolkenstein durch. Obwohl die hohenklingischen Besitzrechte an dieser Burg nicht belegt sind, ist anzunehmen, dass sie nicht nur mit der Geleitsgrenze bei Hemishofen sondern auch mit den bis 1300 umfangreichen hohenklingischen Rechten in Ramsen in Bezug gestanden hat.

Abb. 225: Oberstad. Der Wohnturm entstand nach heutigem Stand des Wissens im frühen 13. Jahrhundert.

Wie weit war die Repräsentationsfunktion Ho-­­ henklingens auch mit Wohn- und Verwaltungsfunktionen verknüpft? Es ergeben sich für verschiedene Zeitabschnitte unterschiedliche Ant-­ worten. Vielleicht schon seit 1191, sicher 1219 bis 1232 war Hohenklingen eine Baustelle. Die Bauherren werden diese häufig besucht, sonst aber anderswo gelebt haben, vielleicht auf Altenklingen, Wolkenstein oder dem Twiel. Zwischen 1232 und etwa 1245 wurde die Burg nur von einer Burgbesatzung dauernd bewohnt. Die minderjährigen Ulrich I. und Walter II. dürften sich in erster Linie im Umfeld ihres Verwandten Ulrich I. von Altenklingen bewegt haben. Dieser demonstrierte seine Präsenz auf Hohenklingen wohl vor allem anlässlich der Gerichtstage in Stein am Rhein. 1245 bis zum Bau der Stadthöfe in Stein am Rhein wird der volljährige Ulrich I. primär auf Hohenklingen gewohnt haben. Der jetzt anzusetzende Ersatz des älteren Turmes war ein dreifaches Symbol: Er repräsentierte die Intensivierung der Reichsvogtei mittels der um 1250 gebauten Brücke in Stein. Er zeigte allen Konkurrenten, besonders jenen auf dem Konstanzer Bischofsstuhl, dass die Herren von «Klingen ob Stein» die Reichsvogtei resolut ausübten, auch und gerade in der Zeit des Interregnums. Und er manifestierte die Linienbildung der Herren von Klingen in den Linien auf Altenklingen und «Klingen ob Stein». Der Fundniederschlag zwischen 1250 und 1350516 spricht deutlich dafür, dass sich auch nach dem Bau des ersten Stadthofes ständig eine Burgbesatzung und regelmässig einzelne Freiherren bei passender Gelegenheit auf Hohenklingen aufhielten. Die genealogische Blüte um 1300 lässt annehmen, dass die Burganlage von 1300 bis in die 60er-Jahre des 14. Jahrhunderts hinein längerfristig der Wohnsitz ganzer Familienzweige war.517 Die Freiherren markierten mit ihrer Präsenz den Besitz dieses wichtigsten Repräsentati145


Abb. 226: Burgausbau unter Walter VII. von Hohenklingen: Schildmauer mit Hofüberdachung und Kapelle, Mittelbau-West und Turmdach.

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onsobjektes. Denkbar ist, dass Teile der Abgaben, Vogthühner usf. nach Hohenklingen geliefert wurden. Vielleicht hatte sich bei besonderer Gelegenheit auch die gesamte Familie des Abhängigen zur Huldigung zur Burg hinauf begeben. Hohenklingen diente in dieser Zeit aber in erster Linie als Subjekt der «Makrorepräsentation». Die Repräsentation im «Mikrobereich», also gegenüber den Vogtleuten und den grund- und leibherrlich Abhängigen, erfolgte seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts hauptsächlich in den freiherrlichen Stadthöfen in Stein. Es ist kein Zufall, dass keine einzige heute erhaltene Urkunde auf Hohenklingen abgefasst wurde! Der Raum für die persönliche Inszenierung war Stein mit seinen standesgemäss-adligen und kirchlichen Räumlichkeiten. Erst gegen 1400 kam es unter Walter VII. zu einer teilweisen Abkehr von dieser Praxis. Denn die Um- und Neubauten machten die Burg zugleich wohnlicher und privater, aber auch repräsentativer (Abb. 226). Der Umbau des Mittelteiles machte die Burg wohnlicher, jener der Kapelle machte sie privater. Auch der Rückgang der Fundmenge518 weist darauf hin, dass die Burg nun nur noch von der Kernfamilie Walters VII. und den dafür nötigen Bediensteten bewohnt wurde. Auch wenn sich dies nicht durch handfeste Fundspuren

belegen lässt: Walter VII. könnte seine letzten zwei Lebensjahrzehnte durchaus vorwiegend auf Hohenklingen verbracht haben, während die Stadthöfe nach wie vor das wirtschaftliche Zentrum der Herrschaft bildeten. Über die Hintergründe dieses Wandels kann man nur spekulieren. Vermutlich spielte der Wechsel in der Familienstrategie eine Rolle. Das Geschlecht kannte jetzt einen Regenten. Dieser behielt zwar seinen Stadthof,519 musste sich aber gegenüber den abgeschichteten Familienmitgliedern und -linien abheben. Von Bedeutung war sicherlich auch ein etwas anderes Selbstverständnis Walters. Er hielt sich in königlichem Gefolge auf und war österreichischer Rat. Vielleicht gesellte sich zum daraus resultierenden Gefühl der Abhebung auch bereits eine gewisse «Ritterromantik». Walter gefiel sich auch als Turnierreiter. Er war in den Wirren rund um die Appenzellerkriege prominentes Mitglied der Ritterschaft vom St. Georgenschild. Hing der Ausbau der Burg auch mit dem königlichen Zollprivileg von 1395 zusammen, welches die Burg als sichtbares Zeichen des königlich legitimierten Geleitsrechtes quasi endgültig versilberte? Oder spielte Kunigunde eine heute nicht mehr erkennbare wichtige Rolle? Suchte sie einen standesgemäss platzierten Herrensitz mit privater Gebetsmöglichkeit, eine Rückzugsmöglichkeit aus dem bürgerlich-handwerklichen Stein?520 Unwahrscheinlich ist, dass defensive Hintergründe den Ausbau provoziert haben. 1385 verstand sich Walter VII. bestens mit der Steiner Bevölkerung. Diese fühlte sich vom Vogt beschützt. Er gewährte Sicherheit vor Gericht und vertrat die Bürgerschaft nach innen gegen den Abt von St. Georgen und nach aussen vor Land- und Hofgericht. Militärische Hintergründe können – wenn überhaupt – ebenfalls höchstens eine marginale Rolle gespielt haben. Die Stadthöfe waren bestens befestigt, und die Stadt selbst bot ein mehrfach grösseres Potential an Kriegsknechten als die enge Burg. Zudem waren um 1393 die kommenden Wirren rund um die Appenzellerkriege noch nicht abzusehen. Der unter Walter VII. nochmals erhöhte militärische Charakter der Burg war deshalb in erster Linie Selbstzweck: Um glaubwürdig die autonome Gewaltfähigkeit Walters VII. zu demonstrieren, musste die Burganlage selbst Wehrfähigkeit symbolisieren. Am ehesten hat darum ein erhöhtes Repräsentationsbedürfnis zum Ausbau der Burg und zu deren erhöhter Wohnlichkeit geführt. Walter VII. und seine Nachkommen betonten mehr noch als ihre Vorfahren ihr Rittertum. Dies zeigt das eingangs erwähnte Stifterbild in der Marienkapelle eindrücklich. Sie scheuten die Kosten nicht, um sich klar und sichtbar von den Nichtadligen abzugrenzen.521


9. Zusammenfassung

Die Geschichte der Freiherren von Hohenklingen ist für eine interdisziplinär ausgerichtete, an modernen Methoden der historischen Quellenkritik orientierte Geschichtsforschung in dreifacher Hinsicht ein Glücksfall: Sonderfall schriftliche Überlieferung: Es sind über 1000 Dokumente zur Geschichte der Freiherren auf Hohenklingen erhalten. Diese für ein ostschweizerisches Freiherrengeschlecht ausserordentlich grosse Zahl – sie entspricht jener der Grafen von Toggenburg und Werdenberg – erlaubt, viele für die Erforschung des nichtfürstlichen Hochadels relevante Fragen quellennah und exemplarisch zu beantworten. Sonderfall Burg Hohenklingen: Die Burg wurde in der Neuzeit weder zur Ruine noch zur Festung. Die spätmittelalterliche, mit Sicherheit den Freiherren von Hohenklingen zuzuschreibende Bausubstanz konnte deshalb baugeschichtlich und dendrochronologisch entschlüsselt werden. Dies eröffnet detaillierte Einblicke in die Bautätigkeit eines Freiherrengeschlechtes, zeigt aber auch die Grenzen der Bedeutung einer adligen Höhenburg. Sonderfall Stein am Rhein: Auch in Stein sind Teile der hohenklingischen Bautätigkeit noch bauarchäologisch untersuchbar. Insbesondere aber hat die Übernahme dieser Bauten durch die Stadt Stein am Rhein zur Abfassung zahlreicher Schriftdokumente geführt, über welche die Bautätigkeit und ganz speziell die Repräsentationsund Inszenierungsformen des freiherrlichen Geschlechts retrospektiv erschlossen werden können. An den Freiherren von Hohenklingen lassen sich darum zahlreiche in den letzten Jahrzehnten relevante historische Fragestellungen zum nichtfürstlichen Hochadel beantworten. Die Leitfragen der vorliegenden Untersuchung ergaben folgende Ergebnisse: 1. Der direkte Zugang zur Reichsregentschaft, die Reichsunmittelbarkeit, war im Spätmittelalter für die Existenz eines freiherrlichen Geschlechts dreifach entscheidend: Er legitimierte seine Herrschaftsausübung, er unterstützte den Schutz vor der Integration in die Landesherrschaft und – entscheidend – er war die Grundlage für die wirksame Inszenierung und Symbolisierung autonomer Gewaltfähigkeit.

2. Für die Beibehaltung dieser Autonomie trotz Druck der Landesherrschaften war die für Habsburg und vorübergehend auch für Konstanz periphere Lage der hohenklingischen Herrschaftsrechte von Vorteil. Entscheidend aber war der besonders im 14. Jahrhundert praktizierte geschickte Balanceakt zwischen Autonomie, Zusammenarbeit mit Habsburg und immer wieder erfolgreich gesuchtem direktem Zugang zum Reich. 3. Die hohe hohenklingische Herrschaftsautonomie bot nicht nur wenig Angriffsfläche für die Landesherrschaft, sie verhinderte auch die Unterhöhlung der hohenklingischen Herrschaft durch die Kommunalisierung. Im Kernbereich ihrer Herrschaft gelang es den Freiherren von Hohenklingen, die für das 13. Jahrhundert typische Erosion der Vogteieinkünfte zu stoppen und – entscheidend – mit der stúre, dem grossen Zoll und verschiedenen Warenumsatzsteuern wesentliche neue Einnahmequellen zu erschliessen. Die Erweiterung der hohenklingischen Einküfte erfolgte immer im Zusammenspiel mit der Steiner Bevölkerung und bis um die Mitte des 14. Jahrhunderts auch in Zusammenarbeit mit dem Abt von St. Georgen. 4. Der Balanceakt zwischen Autonomie, Reich und Landesherrschaft und die damit einher gehende Intensivierung der Herrschaft waren 1247 bis 1430 auch von biologischem Glück begleitet: Nur in den zwanzig Jahren zwischen 1272 und 1292 lebte ein einziges erwachsenes männliches Familienmitglied. In der übrigen Zeit sind immer mindestens zwei volljährige männliche Vertreter des Geschlechts belegt. Zwischen 1280 und 1380 erlebten die Herren von Hohenklingen sogar eine ausgesprochene genealogische Blüte. Das Geschlecht variierte geschickt zwischen Linienbildung und Abschichtung. Als gegen 1359 die Abschichtung ganzer Linien zu grossen familieninternen Spannungen und zu ersten Verschuldungserscheinungen führte, reagierte das Geschlecht als Ganzes hervorragend und mus­ter-­ gültig auf die Krise: Unter Ausnützung des Ko­gnatennetzes und geschickt kontrollierter Annäherung an Habsburg gelang es nicht nur, die familieninternen Probleme zu lösen, sondern auch machtpolitisch gestärkt aus der Schuldenfalle heraus zu kommen. Das Aussterben des Geschlechts um 1445 ist auf drei Faktoren zurückzuführen: Überbordende Repräsentationskosten führten die abgeschichtete Linie ab 1400 (erneut) in die Schuldenfalle. Die Regentenfamilie beteiligte den abgeschichteten Zweig fataler Weise an der Gesamtherrschaft, fand aber keine weiteren Erwerbsmöglichkeiten, welche zum damit verbundenen Schuldenabbau 147


nötig gewesen wären. Als biologisches Pech dazu kam und männliche Agnaten fehlten, waren die Hauptbestandteile der Herrschaft Hohenklingen bereits verkauft. Das an adlige Kognaten gelangende Erbe reichte deshalb nicht aus, um auf Hohenklingen nach dem Tod des letzten Freiherrn von Hohenklingen erneut eine hochadlige Herrschaft aufzubauen. 5. Eine irgendwie geartete Nichtakzeptanz der Freiherren von Hohenklingen bei ihren Vogtleuten war in keiner Weise Mitursache für den Abgang des Geschlechts. Vielmehr setzte noch Walter VII. (1362-1422) in einem hervorragenden Zusammenspiel von Basispräsenz, kultureller und ritueller Inszenierung und Demonstration persönlicher Gewaltfähigkeit seine Vogteirechte ganz im Sinne der Mehrheit seiner Vogtleute durch. 6. Die Burg Hohenklingen diente zwar seit 1218 der weithin sichtbaren Repräsentation der Herren von Hohenklingen als Reichsvögte. Bemerkenswert aber ist, dass die «Mikrorepräsentation», die herrschaftliche Inszenierung und Symbolisierung bei den direkt Betroffenen, seit dem späten 13. Jahrhundert zur Hauptsache in der Stadt Stein am Rhein stattfand. Das adlige Stadtquartier, das Spital und – im Zusammengehen mit St. Georgen

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– die Klosterkirche und der Friedhof boten den Raum und die Kulisse für die Demonstration adliger Lebensführung und Herrschaft. Hier fanden die Heiratsabsprachen, die Belehnungen der «Mannschaft», die Abgaben der Vogt- und Eigenleute, die Gerichtstage und die meisten der Jahrzeiten für die verstorbenen Mitglieder der Familie statt. Mit Ausnahme vielleicht der kurzen Zeit zwischen 1393 und 1419 war die Stadt und nicht die herrschaftliche Burg der Raum adliger Inszenierung – dies ist wohl das überraschendste und gewichtigste Resultat dieser Untersuchung! Angesichts der unerwarteten und faszinierenden Erkenntnisse zur Bedeutung der Stadt für die Adelsherrschaft besteht natürlich die Gefahr, dass die Bedeutung von Stein am Rhein überschätzt und, damit zusammenhängend, wichtige Funktionen der Höhenburg Hohenklingen zu marginal behandelt wurden. Hier wäre bei den dringend nötigen Vergleichsuntersuchungen zu anderen hochadligen, nichtfürstlichen Adelsherrschaften anzusetzen. Welche Rolle spielten Höhenburg und Landstadt beispielsweise bei den Grafen von Toggenburg und Werdenberg oder den Herren von Tengen? Was lief anders bei den um 1300 «aussterbenden» Herren von Regensberg und Rapperswil, welche ja ebenfalls die Herrschaft über Landstädte ausübten?


IV. Vom adligen Anlageobjekt zur städtischen Kuranstalt – Burg Hohenklingen 1433 bis 1927 Erwin Eugster

Die heute bestehende Burganlage auf Hohenklin­ gen war von Anfang an mit der Reichsvogtei Stein verbunden. Sie manifestierte, dass ihre Besitzer – Inhaber der Reichsvogtei und ab 1395 auch des Reichszolls in Stein – direkt unter dem deutschen Reichsoberhaupt standen. Sie dokumentierte die Befähigung der Besitzer, grundsätzlich eine au­ tonome, selbständige Politik als Landesherr zu führen, gleich wie die Mitglieder des Reichsfürs­ tenstandes. Dies änderte sich nicht unter den Herren von Klingenberg und auch nicht, als die Burg 1457 an die Stadt Stein überging. Denn die­ se träumte nicht nur im kurzen autonomen Inter­ mezzo zwischen 1457 und 1484, sondern noch lange – bis 1784 – davon, eine ebenso souveräne Reichsstadt zu sein wie das benachbarte Schaff­ hausen. «Wehrhafte Reichsunmittelbarkeit» war die Hauptaussage der Burganlage (Abb. 227). Die weiteren Funktionen, die ihr zu unterschiedlichen Zeiten zukamen, waren letztlich immer sekun­ där.

1. Anlageobjekt der Herren von Klin­ genberg 1419/33 bis 1457 Die Herren von Klingenberg gehörten ab dem späten 13. Jahrhundert zur Spitzengruppe des ost­ schweizerischen Niederadels. Die Grundlagen für diesen fulminanten Aufstieg sind nach wie vor nicht im Detail geklärt.522 Heinrich von Klingen­ berg, in Bologna an der Universität ausgebildet, war 1296 bis 1302 Konstanzer Bischof und als solcher eine wichtige Stütze der Österreicher im süddeutschen Raum. Sein Bruder war 1296 bis 1302 habsburgischer Vogt im Donaugebiet und 1303 Reichsvogt in Konstanz. Verschiedene Klin­ genberger vergaben in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts Kredite an Reichsfürsten, unter an­ derem an Habsburg und an die Konstanzer Bi­ schöfe. 1325 behaupteten die Klingenberger, der Konstanzer Bischof schulde ihnen mehr als 2200 Mark Silber, was gut 10000 Gulden, etwa der Hälfte des damaligen Wertes der Herrschaft Ho­ henklingen oder rund einem Viertel aller hohen­ klingischen Besitzungen entsprach.

Abb. 227: Wehrhafte, reichsunmittelbare Burg Hohenklingen. Stich von Matthias Merian 1642.

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Abb. 228: Anlageobjekt Stein am Rhein. Am einträglichsten war der grosse (Umlade-)Zoll. In der Bildmitte links und rechts der Brücke das Gred- und das Salzhaus, die entprechenden Umladestellen.

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Der Kauf des hohenklingischen Hohentwiels, ehemals herzöglicher Sitz, dokumentiert im Jahr 1300 den Abschluss dieser ersten Aufstiegspha­ se: Die Klingenberger waren nun nicht mehr nur landesherrliche Spitzenbeamte mit entspre­ chenden Karrieren in Kriegsdiensten, Hofämtern und Verwaltung, sondern Inhaber einer selbstän­ digen Adelsherrschaft. Damit verschob das Ge­ schlecht seinen Besitz- und Handlungsschwer­ punkt allmählich vom Thurgau in den Hegau. Im 14. Jahrhundert agierten die Klingenberger ge­ schickt zwischen dem Reich und Habsburg. Mit der österreichischen Offensive westlich des Bo­ densees stiegen die Verdienstmöglichkeiten der Klingenberger nochmals an. Albrecht und Hans von Klingenberg wiesen allein zwischen 1361 und 1363 ein österreichisches Jahresnettogehalt von 1400 Gulden aus. Zudem traten die Klingen­ berger immer wieder auch in die Dienste anderer Herren ein, 1383 beispielsweise in jene von Kö­ nig Wenzel.523 Ergänzt wurde diese geschickte Politik zwischen autonomer Herrschaftsaus­ übung, Reichsdiensten und Intergration in die ös­ terreichische Landesherrschaft durch eine erfolg­ reiche Familienpolitik. Ende des Jahrhunderts waren die Klingenberger mit fast allen wichtigen landsässigen Adelsgeschlechtern des Thurgaus und Hegaus verschwägert. Um 1400 besassen sie indes keine arrondierte Herrschaft sondern aus­ gedehnte Streubesitzungen zwischen Thurgau und Hegau, Baar und Zürich. Der Twiel war dem­ entsprechend nicht Herrschaftsmittelpunkt son­ dern «Aktionszentrum» zwischen verschiedenen Herrschaftsbereichen. 1405 vereinigte Kaspar von Klingenberg nach dem Tod seines Bruders Hans alle klingenber­ gischen Hoheitsrechte in seiner Hand. Die Auf­ wendungen für Repräsentation und für die Aus­

stattung von Familienmitgliedern waren für einige Zeit vergleichsweise gering. 1415 näherte sich Kaspar zudem an König Sigismund an, 1430 war er «des küngs kantzler», der sich Kredite an das Reichsoberhaupt mit lukrativen Reichspfän­ dern verzinsen liess.524 Der Ankauf je einer Hälf­ te der Herrschaft Hohenklingen 1419 und 1433 wird in der Literatur als «Krönung» des klingen­ bergischen Aufstiegs bewertet. Kaspar sah im Er­ werb aber nicht einen «Brückenkopf» zwischen seinen Herrschaftsrechten nördlich und südlich des Rheines. Er plante auch keine Verlegung sei­ nes «Aktionszentrums». Stein am Rhein mit sei­ nem Reichszoll und der Stadtsteuer war in erster Linie ein Anlageobjekt, das nach dem Kauf der zweiten Hälfte der Herrschaft 1433 auch ausbau­ bar schien (Abb. 228). Die Klingenberger setzten darum auf Hohenklingen und in Stein überwie­ gend Untervögte und weitere Beamte wie den für Einzug des grossen Zolls zuständigen Zoller ein, welche teils auf Hohenklingen, teils in privaten Häusern in Stein wohnten.525 Die Schriftlichkeit der Steiner Verwaltung wurde entscheidend ge­ fördert. Herrschaftspräsenz zeigte Kaspar von Klingen­ berg indes nur selten, in erster Linie dann, wenn seine wirtschaftlichen Interessen bedroht wa­ ren.526 Kaspar trat nach 1419/1433 nicht häufiger in Stein auf als vor dem Erwerb Hohenklingens. Bei seinen Aufenthalten in der neu erworbenen Herrschaft dürfte er auch nach der Erwerbung der zweiten Hälfte Hohenklingens vorwiegend im Niederhof abgesessen sein. Dazu passt, dass in Kaspars Zeit auffallend oft vom «Schloss Stein» die Rede ist, unter welchem wohl das Herrenquar­ tier zwischen Nieder- und Aarburg-/Oberhof verstanden wurde. Es ist darum sehr fraglich, ob Kaspar für die 1423 erfolgten (bescheidenen)


Palasumbauten auf Hohenklingen527 verantwort­ lich war. Erst sein Sohn Albrecht, der nach 1437 im Rahmen einer teilweisen Erbteilung die Herr­ schaft Hohenklingen erhielt, und insbesondere nach Albrechts Tod 1444 dessen Bruder Johannes scheinen häufiger auf Hohenklingen gewohnt zu haben.528 Aber auch sie haben die Burg kaum zum Lebensmittelpunkt gemacht. Die Herrschaft Ho­ henklingen war und blieb in erster Linie ein Ren­ diteobjekt. Investitionen in die Bausubstanz sind weder bauarchäologisch noch über irgendwelche gesicherten Fundmaterialien – beispielsweise den Hinweis auf den Einbau neuer Kachelöfen – be­ zeugt.529 Die geringe Klingenberger Präsenz auf Hohen­ klingen hing auch mit dem Wandel zusammen, den die Funktion der Herrschaft Hohenklingen bald nach Kaspars Tod erfuhr: Hatte die Herr­ schaft als Gesamtes noch 1433 als Anlageobjekt mit guten Renditeaussichten und Stein als billi­ ger Marktzugang mit standesgemässen Wohnsit­ zen gedient, so wurde die Herrschaft nach 1437 immer mehr zum kreditwirtschaftlichen Finan­ zierungsinstrument der Herren von Klingenberg. Kaspars Söhne Albrecht und Johannes sahen sich mit einer zunehmenden Verschuldung konfron­ tiert. Die Gründe dieser Verschuldung waren viel­ schichtig. Eine Rolle spielte sicher, dass die Söh­ ne Kaspars insgesamt sieben Söhne und mehr als fünf Töchter zu versorgen hatten. Die Kriegszü­ ge der schwäbischen Städte im Hegau 1441/42 dürften die Klingenberger Herrschaftsrechte aus­ serhalb Steins empfindlich getroffen haben. Die österreichischen Kriegszüge im Rahmen des Al­ ten Zürichkrieges gingen auch an Stein nicht spur­ los vorbei (Abb. 229). Und: Österreich zahlte ge­ liehene Summen immer häufiger nicht mehr zurück. Allein Hans von Klingenberg hatte der Landesherrschaft 4000 Gulden für Rüstungsaus­ gaben vorgestreckt. Er prozessierte jahrelang er­ folglos um die Begleichung dieser Schuld. Die Rendite der Reichspfänder sank.530 So wurde die Herrschaft Hohenklingen immer mehr zum Objekt adliger Kreditschöpfung. Die Herren von Klingenberg legten Hypotheken in der Höhe von 21568 Gulden auf die Herrschaft Hohenklingen, welche durchschnittlich zu gut 5 Prozent aus den Steiner Erträgen verzinst wurden. Die Steuern, Zölle und Abgaben Steins wurden 1457 wohl zu 100% als Renten an die Gläubiger weitergeleitet. Darüber hinaus hatten die Klin­ genberger 1457 noch weitere Schulden in der Hö­ he von gut 8000 Gulden. Deren Gläubiger ver­ langten eine Exekutionsanweisung auf die Herrschaft Hohenklingen.531 Als zudem die Ge­ fahr wuchs, dass die Region um Stein zum Brenn­ punkt der Gegensätze zwischen Österreich und der Eidgenossenschaft wurde (Abb. 230), suchten die Herren von Klingenberg nach Möglichkeiten,

die Herrschaft Hohenklingen mit einem kleinen Gewinn wieder zu verkaufen. Für adlige Inves­ toren war aber ein Kauf in den 50er-Jahren schlicht zu riskant. Zu unklar war die weitere politische Entwicklung zwischen Bodensee und Basel, zu explosiv die regionale Situation. Demgegenüber hatten sich die Exponenten der Stadt Stein wie der Zoller und die Untervögte seit 1433 daran ge­ wöhnt, den Geldfluss des Renditeobjektes Stein/ Hohenklingen sicherzustellen. Zu diesem Zweck verwalteten sie die klingenbergischen Rechte in Stein weitgehend autonom. Beispielsweise ent­ schieden die entsprechenden städtischen Aus­ schüsse selbst, wie die Stadtsteuer im Einzelnen zu verteilen war. 1457 erwarb die Stadt Stein am Rhein die Herr­ schaft Hohenklingen für 24500 Gulden. Neben dem Wunsch nach mehr städtischer Autonomie spielten Repräsentationsbedürfnisse der Steiner Oberschicht eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Abb. 229: «Zweig nüwe jagschiffe». Sie wurden im Rahmen des Alten Zü­ richkrieges von Bregenz nach Stein am Rhein ge­ fahren, dort aus dem See gezogen und von Steinern nach Zürich gebracht.

Abb. 230: Die Drohung 1457: Tengen geht im Rahmen der eidgenös­ sischen Kriege jenseits des Rheines in Flammen auf.

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Zudem hatten manche Leute aus der Steiner Ober­ schicht für die Klingenberger gebürgt. Als sich die klingenbergische Schuldenkrise abzeichnete, standen solche Einzelbürgen, aber auch die Stadt als Solidarschuldnerin, vor der Wahl: Entweder hatten sie materiell für die Klingenberger Schul­ den mitzuhaften, oder sie ergriffen die Flucht nach vorn und sorgten mit dem Kauf der Herr­ schaft Hohenklingen selbst für die Entschuldung der Klingenberger.532

2. Repräsentant autonomer Friedenssi­ cherung 1457 bis 1499

Abb. 231: Wappenpyra­ mide an der Südfassade Hohenklingens (um 1551). Sie dokumentiert das Steiner Selbstver­ ständnis auch in der Neu­ zeit: Zuoberst prangt nicht etwa ein Zürcher Wappen, sondern der Reichsadler.

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Die Jahrzehnte von 1457 bis 1484 waren in reprä­ sentativer Hinsicht wohl die wichtigsten in der Geschichte Hohenklingens. Die Burg repräsen­ tierte – viel mehr als die Stadt, welche ja auf Grundbesitz des Klosters St. Georgen stand – die Reichsunmittelbarkeit und die damit verbundene Kompetenz der souveränen Friedenswahrung für Bewohner und Durchreisende. Sie war das Sym­ bol schlechthin dafür, dass die Bewohner Steins reichsrechtlich nun auf gleicher Stufe standen wie beispielsweise Schaffhausen, Konstanz oder Zü­ rich. Eine Steiner Delegation scheute darum kei­ ne Kosten, um sich 1458 Burg und Herrschaft Ho­ henklingen in Wien persönlich vom Kaiser verleihen zu lassen.533 Man knüpfte damit ganz bewusst an der hohenklingischen Tradition der Reichsunmittelbarkeit an (Abb. 231). Wie die Klingenberger setzte die Stadt vorerst Untervögte auf Hohenklingen ein. Diese rekru­ tierte sie aus dem Ritteradel der Umgebung. Da der Steiner Stadtrat mit dem Reichsvogt das Hochgericht selbst wahrnahm, hatten die Burg­ vögte zwar – anders als die Freiherren von Ho­ henklingen und die klingenbergischen Unter­ vögte – keine hochgerichtlichen Rechte mehr. Ihnen kam aber gerade in den für Stein schwie­ rigen Jahrzehnten nach 1457 eine eminent wich­ tige Doppelfunktion zu. Erstens unterstützten die

adligen Burgvögte den Stadtrat bei der Friedens­ wahrung. Sie amtierten auffallend häufig als Stif­ ter und Garanten von Urfehden. Sie verhinderten damit, dass der noch junge Steiner Stadtrat Ob­ jekt der Rache von Personen wurde, welche vom Rat verurteilt worden waren. Den Burgvögten kam also in dieser Hinsicht eine wichtige stabili­ sierende Funktion zu. Vielleicht ist auch in die­ sem Zusammenhang die Steiner Tradition ent­ standen, besonders renitente oder politische Gefangene im finsteren Erdgeschoss des Berg­ frieds auf Hohenklingen in Beugehaft zu neh­ men. Zweitens wurden die adligen Burgvögte bis in das frühe 16. Jahrhundert zu den Steiner Militärex­ perten schlechthin. Denn die 1457 erfolgte noch­ malige Aufwertung der Burg Hohenklingen als politisches Symbol war mit einer gesteigerten mi­ litärischen Bedeutung verbunden: Bereits 1459 schloss Stein mit Schaffhausen und Zürich ein auf 25 Jahre befristetes Bündnis, in welchem die bei­ den Partner Stein «bei dem heiligen Reich», also anstelle des Kaisers, schützten.534 Stein wurde so zum nördlichen Vorposten der Eidgenossenschaft in einer Zeit, in welcher noch kaum jemand den Rhein als definitive Nordgrenze der Eidgenossen­ schaft in Betracht zog. Stein hatte im Kriegsfall Raum für die schaffhausisch-zürcherische Besat­ zung zu schaffen. Ab den 60er-Jahren des 15. Jahrhunderts wurde die Burg Hohenklingen da­ rum deutlich militarisiert. Die Umbauten um 1460 und nach 1508 dokumentieren den Wandel in Richtung einer Anlage, die in Krisenzeiten auch als temporäre Garnison zu dienen hatte. Hohen­ klingen wurde aus militärischer Sicht Ausgangs­ punkt für Erkundungen und Ausfälle, war aber auch geeignet, einem allfälligen Belagerer Steins unangenehm in den Rücken zu fallen.535 Die Steiner Experten des Krieges waren wie erwähnt dessen adlige Burgvögte auf Hohen­ klingen. 1499 im Schwabenkrieg wusste Burg­ vogt Junker Hans Konrad Egli von Herdern als einziger Steiner, wie eine halbe Schlange, ein schweres Geschütz, zu handhaben war (Abb. 232). Er befehligte darum die Garnison, welche auf Hohenklingen einquartiert war.536 Entspre­ chend war das Amt eines Burgvogtes bis zur Jahrhundertwende für Ritteradlige doppelt attrak­ tiv, obwohl der Dienstherr nur eine Kleinstadt war: Das Amt erlaubte, standesgemäss auf Ho­ henklingen (und in einem der Stadthöfe?) zu wohnen. Vor diesem Hintergrund ist der Einbau eines neuen, spätgotischen Kachelofens mit Georgslegende und mariologischen Motiven zu sehen, der kurz nach 1500 durch modernere Öfen mit Renaissancemotiven (antike Helden etc.) er­ setzt wurde. Darüber hinaus verwendeten die ad­ ligen Burgvögte auch gutes Glas, viel Geschirr und frühe Fayence.537


3. Exponierte zürcherische Hochwacht 1500 bis 1803

Das Amt des Burgvogtes gestattete darüber hi­ naus, die adligen Leitbilder des militärisch kämp­ fenden Mannes und des Friedenswahrers ausle­ ben zu dürfen. Auf Hohenklingen (aber wohl nicht ausschliesslich dort) zu wohnen, war nun ein rit­ teradliges Privileg. Entsprechend konnte der Stei­ ner Rat den erwähnten Burgvogt Egli von Her­ dern 1495 damit strafen, ihm wegen einer Straftat das Wohnen auf Hohenklingen zu verwehren. Vier Jahre später wohnte und amtierte Egli dann doch wieder als Burgvogt auf der Burg. Er war aus militärischen Gründen schlicht unverzicht­ bar. Hohenklingen diente nicht nur als repräsentativer Sitz adliger Friedenswahrer und als Kriegsgarni­ son, es wurde wie erwähnt auch zum Gefängnis. Der Bergfried war insbesondere in der Zeit der inneren Wirren 1465 bis 1484 ein berüchtigter Kerker. Das Stadtregime setzte den Turm als be­ sonders erniedrigendes und unehrenhaftes Ge­ fängnis für politisch missliebige Steiner ein. Bür­ germeister Laitzer liess den Gredmeister Conrad Spideli wegen ausstehender Steuern in den Turm legen. Trotz Bitten sogar aus Zürich und der Eid­ genossenschaft weigerte sich Laitzer, Spideli in das «humanere» Gefängnis im Salzhaus überfüh­ ren zu lassen. Und nur kurz wurde Spideli wenigs­ tens die etwas ehrenvollere Inhaftierung in den «vier Wänden» Hohenklingens, also wohl im Burgareal, gewährt.538 1465 liess Laitzer einen politischen Widersacher kidnappen und in das Turmgefängnis werfen (Abb. 233).539 In der spä­ teren Zeit wurde das Burgverlies in erster Linie für Beugehaft gebraucht. Einige Nächte im Turm ergänzten die üblichen Gefängnisaufenthalte und machte die Gefangenen reif für eine Entlassung auf Kaution. 1602 ist neben dem «loch im thurm» das Gefängnis «Frauenthal» auf Hohenklingen belegt, in welchem die Witwe Böschenstein bis zu ihrer Hinrichtung eingekerkert war. «Loch» ist hier mit dem Untergeschoss des Turmes gleich­ zusetzen. Wie lange dieses noch als Gefängnis diente, ist nicht bekannt. Offenbar war es aber noch in der Zeit des Chronisten Wintz um 1750 üblich, zwischen dem «loch» und dem «Frau­ enthal» zu unterscheiden.540

Wandel zur Zürcher Feste

Abb. 232: Experten des Krieges. Der Burgvogt auf Hohenklingen war 1499 als einziger in der Lage, eine solche Halbschlange (6 Zentner) zu bedienen.

Ab 1484 zeichnete sich der Wandel im Einsatz Hohenklingens und seiner Burgvögte ab. Schon 1459 war Stein letztlich nicht ganz gleichwertiger Partner Zürichs und Schaffhausens geworden, denn es hatte seine aussenpolitische Autonomie verloren. Immerhin hatte es seine militärische Selbständigkeit gewahrt: Die Truppen Zürichs und Schaffhausens durften sich nur auf Gesuch Steins hin im Städtchen und auf Hohenklingen einquartieren. 25 Jahre später musste Stein auf­ grund innenpolitischer Spannungen und finanzi­ eller Engpässe einen deutlich weniger vorteil­ haften Vertrag schliessen. Nun hatte es Zürich generell mit Stadt und Burg zu dienen und an den Zürcher Feldzügen teilzunehmen. Zudem hatte es Gebot und Verbot Zürichs anzunehmen «wie es sich ziemt». Zürich besass nicht nur definitiv das Militärmonopol über Stein. Es konnte auch Ein­ fluss auf dessen innere Verhältnisse nehmen.541 Stein betrachtete die Zürcher Oberherrschaft bis 1783/84 als notwendiges Übel: Man brauchte Zü­ rich zur Wahrung der Reichsprivilegien, insbe­ sondere des grossen Zolls. Manchmal kamen auch Zürcher Finanzspritzen sehr gelegen. Ande­ rerseits wurde die Territorialmacht immer auch als Bedrohung für die eigenen Privilegien emp­ funden. Die letzte Konfrontation nach diesem Muster erfolgte 1783/84 im Steiner Krieg: Stein stellte wieder einmal mit Hinweis auf seine Reichs­privilegien das Zürcher Mannschaftsmo­ nopol in Frage, worauf die Territorialmacht das Städtchen mit mehreren Hundert Mann militä­ risch besetzte. Zürich seinerseits mass Stein und Hohenklingen zwar hohes militärisches Gewicht zu, besonders nachdem der Rhein im Schwabenkrieg zur Nord­ grenze der Eidgenossenschaft geworden war (Abb. 234). Ab 1522/1531 war Stein aus Zürcher Sicht sogar in dreifacher Hinsicht militärischer «Vorposten»: Es grenzte nicht nur die Eidgenos­

Abb. 233: Hohenklingen als Gefängnis. Eine der zahlreichen nicht entzif­ ferten Inschriften im Turmverlies. Die Abgebil­ dete stammt vermutlich aus dem 15. Jahrhundert.

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Abb. 234: Der Zürcher Territorialstaat um 1490. Blau die zürcherischen Land- und Obervogteien, grün die mittels spezieller Verträge mit Zürich asso­ ziierten Gebiete.

senschaft gegen das Reich, sondern seit 1522 auch den reformierten zürcherischen Einflussbereich gegen die katholischen Herrschaften Süddeutsch­ lands ab. Und drittens war Stein seit 1531 Vorpo­ sten gegen den Thurgau, in welchem seit dem Zweiten Kappeler Landfrieden grundsätzlich wieder die vorreformatorischen Zustände galten und die katholischen Landvögte die Politik be­ stimmten. Angesichts der nicht aufgelösten evan­ gelischen Gemeinden und des damit verbundenen thurgauischen Konfliktpotentials blieb darum aus zürcherischer Sicht die zürcherische Grenze nach Süden zum «katholischen» Thurgau mindestens ebenso sensibel wie jene nach Norden. Andererseits misstraute Zürich den Steinern mehrfach: Es beargwöhnte deren Reichsprivile­ gien, zumal Stein diese auch nach 1648 hinter dem Rücken der Zürcher vom Kaiser bestätigen liess.542 Und es schätzte die Loyalität und die mi­ litärische Kraft der Steiner nicht gerade hoch ein. Im Schwabenkrieg 1499 sah Zürich vor, auf Ho­ henklingen unter dem Befehl eines Zürcher Hauptmanns nur «miner Herren Lüt» einzuset­ zen, während die Steiner in der Stadt selbst zu dienen hatten.543 Offenbar traute man einer Stei­ ner Besatzung unter dem Oberfehl eines adligen Militärunternehmers zu wenig. Schliesslich ver­

stärkte man die 180 wehrfähigen Steiner Männer mit ein paar Hundert Eidgenossen. Die Zürcher Hauptleute in Stein meldeten nach Zürich, die ehrbaren Leute in Stein am Rhein unternähmen zwar grosse Anstrengungen zum Ausbau ihrer Be­ festigungen, sie arbeiteten tags und wachten nachts. Aber die Wälle seien mindestens an zwei Stellen schadhaft. Der Stadt fehle es an Büchsen und Pulver, man brauche mindestens zwei Kar­ donen und Schlangen sowie etliche Hakenbüch­ sen. Auf Hohenklingen seien für 13 Bollwerke und Tore nur drei, für Mauern und Wehre nur neun Hakenbüchsen vorhanden. Und ganz dringend: Man benötige eine Person, welche die Waffen be­ reit zu stellen und daraus zu schiessen vermöge; in Stein könne dies niemand. Als man darauf ei­ ne «halbe Schlange» nach Stein brachte und die Steiner daran gingen, «die buchs zu versuchen», explodierte diese in tausend Stücke. Zürich kam in der Folge nicht darum herum, den erwähnten adligen Burgvogt Junker Egli von Herdern doch wieder als Kommandanten auf Hohenklingen zu akzeptieren. Nur er war ein Fachmann des Krieges. Nach 1499 hielt sich hartnäckig das Bild der mi­ litärisch sehr unzuverlässigen Steiner. Noch 1525 meldete der Zürcher Beauftragte, auf Hohenklin­ gen habe man nur noch fünf Hakenbüchsen ge­ funden. Zwei davon seien zerbrochen, in zweien oder dreien habe man weder Pulver noch Stein gefunden. Man könne mit den Steinern wenig anfangen.... Und im gleichen Jahr meldete der Zürcher Statthalter in St. Georgen, als er Zürich einen Mann melden sollte, welcher der Territori­ almacht «hold und günstig» sei: «Da müsste ich wohl zwei Mütt Nüsse verschiessen, bis ich einen treffe». Schliesslich fand er zwei, die sich als «gu­ te Zürcher» erwiesen. Aber auch hier relativierte er postwendend: «Ich sehe einem manchmal in die Augen, aber nichts ins Herz».544 Intermezzo um 1508: Steiner Militärunternehmer auf Hohenklingen Das Spannungsverhältnis zwischen Steiner Auto­ nomiebestrebungen, dringend benötigtem Zür­ cher Rückhalt, strategischer Bedeutung Steins und gegenseitigem Misstrauen definierte die Ge­ schichte Hohenklingens von 1500 bis 1803. Jun­ ker Egli hatte zwar im April 1499 noch der aus Zürchern und Steinern und entsprechenden Hauptleuten zusammengesetzten Burgbesatzung vorgestanden. Doch vermutlich hatte der Steiner Rat schon seit 1495 einen «Burgvogt» eingesetzt, der als besoldeter städtischer Beamter und nicht als militärischer Befehlshaber auf Hohenklingen wohnte. Nach 1499 sind keine adligen Burgvögte mehr belegt. Zürich misstraute solchen Experten

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des Krieges. Zudem war der Steiner Rat als Or­ gan der Friedensstiftung so weit gefestigt, dass er keine externen Garanten für Urfehde mehr brach­ te. Stein brachte nun selbst Experten des Kriegs­ handwerkes hervor. Vorerst wurden für einige Jahre Steiner Militärunternehmer zu Burgvögten ernannt. 1509 bis 1511/12 war Konrad Steffan, ein jähzorniger, gewaltbereiter Steiner Bürger, Burgvogt auf Hohenklingen. 1513 bis 1515 be­ fehligte er die Steiner Militärkontingente in Zür­ cher Diensten, wurde Hauptmann und anschlies­ send Steiner Bürgermeister und Reichsvogt.545 Vorübergehend war das Amt des Burgvogtes der Ausgangspunkt von (Militär-)Karrieren im Diens­ te der Stadt Stein – wohl eine Spätfolge der dra­ matischen Zeit im Jahr 1499. Die enormen Baumassnahmen mit dem Bau der neuen Ring­ mauer im Westen (nach 1508 dendrodatiert), der Zuschüttung des Kellers unter dem Palas und der Produktion von extrem viel umgelagertem Sedi­ ment mit altem und zeitgenössischem Fundmate­ rial im Graben546 sind in doppeltem Sinn als Re­ aktion auf den Schwabenkrieg zu sehen: Zum einen manifestieren sie das gesteigerte Sicher­ heitsbedürfnis der Stadt, was angesichts der 1499 nur wenige Kilometer vor der Stadt lagernden feindlichen Horden nur allzu gut verständlich ist. Zum andern sind sie als Zeichen dafür zu werten, dass sich die auch in den Schriftquellen festzu­ stellende Militarisierung der Steiner Gesell­ schaft547 auch auf Hohenklingen auswirkte. Der Militärunternehmer Steffan hat nicht nur in der Reformationsgeschichte der Stadt Stein sondern auch auf Hohenklingen nachhaltig Spuren hinter­ lassen. Burgvögte und Hochwacht 1520 bis 1803 Angesichts der Probleme um die zu Beginn des 16. Jahrhunderts eskalierenden eidgenössischen Sold- und Militärunternehmungen kippte die Steiner Stimmung gegen eigene Kriegsunterneh­ mer und – im Einklang mit Zürich – gegen Kriegs­ züge in die Ferne. Mit diesem Stimmungsum­ schwung in Stein und in Zürich ist es zu erklären, dass nun nicht mehr einheimische «Militärs», sondern ganz normale Steiner Bürger Burgvögte auf Hohenklingen wurden. Das Amt des Burg­ vogtes glich von nun an weit mehr jenem des städ­ tischen Turmwächters als jenem eines Kriegs­ herrn. Der Burgvogt wurde jährlich vom Steiner Stadtrat gewählt. Als städtischer Beamter erhielt er bis 1525 einen Jahreslohn von 30 Gulden und einige Naturaleinkünfte.548 Damit entsprach der Lohn dem Jahresverdienst eines Handwerker­ meisters. Entsprechend war das Amt insbesondere für An­ gehörige der unteren Mittelschicht attraktiv:

Burgvogt Hans Ruschli (1520/21) stammte aus Oberdorf. Er belegte mit einem Vermögen von gut 100 Gulden die Ränge 115 (1520) resp. 124 (1522) unter knapp 300 steuerpflichtigen Steiner Haushaltvorständen. Ab 1524 arbeitete er als Müller in Oberdorf (Häusergruppe nördlich von Stein). Burgvogt Adam Sulger (1522/23) belegte 1522 mit einem Vermögen von gut 30 Gulden so­ gar nur Rang 278. Er war vermutlich Untermie­ ter im Hinterhof der «Sonne». Ab 1524 versuchte er sich ebenfalls als Müller. Hans Vetter war 1524 bis 1529 und 1536 bis 1542 Burgvogt. Er belegte in der Steuerliste ähnliche Ränge wie Hans Ruschli. Hans Rüd schliesslich war noch 1525 Karrer im Dienst des Klosters St. Georgen. Er amtete 1530, 1546 bis 1550 und 1550 bis 1564 (oder in dieser Zeit sein gleichnamiger Sohn) als Burgvogt auf Hohenklingen. Dazwischen war er (wieder?) Bauer in Vor der Brugg. 549 Bis 1643 stieg der Lohn zwar sukzessive auf zwei Gulden pro Woche. Teuerungsbereinigt dürfte die Kauf­ kraft des Lohnes aber eher gesunken als gestie­ gen sein; das Burgvogtamt war nun auch für är­ mere Handwerker kaum mehr erstrebenswert. Entsprechend finden sich nach 1550 Hutmacher, Förster, Drechsler und Schneider als Burgvögte auf Hohenklingen. In der Regel blieben sie nicht lange auf der Burg: 1520 bis 1650 betrug die durchschnittliche Amtsdauer nur gut vier Jahre. Einzig Wolfgang Schmid hielt es 1580 bis 1609 mehr als 10 Jahre ununterbrochen auf Hohenklin­ gen aus. Auffallend und in seinen Ursachen bis­ her noch nicht geklärt ist die Verlängerung der Amtsdauer ab 1650. Bis 1837 verblieben die Burgvögte nun durchschnittlich 25 Jahre in ihrem Amt. 550 Im Normalfall war das Leben der Burgvogtfami­ lie unspektakulär und eher einsam. Entsprechend erscheinen die Burgvögte kaum in den Steiner Ak­ ten. Die wenigen erhaltenen Aktenstücke sagen kaum etwas über ihren Alltag aus, da sie höchs­ tens Gerichtsfragen, Rücktrittsgesuche oder Be­ schwerden des Steiner Rates über ihre Amtsfüh­ rung beinhalten. Eine gewisse Vorstellung über das Leben der Burgvogtsfamilie vermitteln die verschiedenen städtischen Bestallungsverträge. Der erste erhaltene Vertrag stammt aus dem Jahr 1543. Er legt fest, der Burgvogt müsse mit einem «treuen Knecht» auf Hohenklingen hausen. Eine dieser beiden Personen habe stets auf der Burg anwesend zu sein, nachts durfte der Burgvogt Ho­ henklingen nur mit Erlaubnis des Rates verlassen. Ebenfalls war ihm verboten, ohne Ratszustim­ mung weitere «Knechtaufgaben» (!) wahrzuneh­ men. Im Tagesverlauf hatten Burgvogt oder Knecht das Schloss zu öffnen, sobald unten in Stein das Türglöckchen läutete. Er durfte jedoch ohne Erlaubnis des Rates keinen fremden Men­ schen Einlass gewähren. Abends war die Burg auf 155


Abb. 235: Zürcherische Hochwachtkarte von 1620. Links oben befindet sich Hohenklingen, von welcher man laut Karte direkten Sichtkontakt zum Üetliberg hatte. Abb. 236: Einrichtung ei­ ner Norm-Hochwacht mit Feuerstoss, Galgen und Pechpfanne sowie Visier­ tisch. Auf Hohenklingen war die Hochwacht in die Burganlage integriert. Der Holzstoss ist nicht explizit belegt. Falls er existierte, wurde er wohl im Burg­ graben angezündet. Die Pechpfanne wurde später am Roten Laden befestigt. Hinweise auf Galgen und Visiertisch fehlen.

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das gleiche Signal hin wieder zu schliessen und auf entsprechendes Signal aus der Stadt hin die Wacht anzublasen. Einmal pro Nacht mussten sich Vogt oder Knecht auf einen Kontrollgang im Burginnern begeben und so verhindern, dass die Burganlage unerkannt beschädigt wurde.551 Der Burgvogt durfte fünf Häupter (Kühe, Kälber oder Esel) halten, hatte diese aber ausserhalb der Burg in einer Scheune unterzubringen. Den ent­ sprechend anfallenden Mist musste er auf den Schlossgütern ausbringen. Er hatte die Aufgaben eines Försters in den Wäldern rund um Hohen­ klingen wahrzunehmen und Frevler zu melden. Detailliert waren die Meldevorschriften: Zehn oder mehr feindliche, berittene Männer im Be­ reich der Burg waren ebenso mit einem Schuss zu melden wie Schiffe mit Kriegsleuten. Bei Feu­ er in oder vor der Stadt oder bei feindlichen An­ sammlungen von Menschen hatte er zwei bis drei Schüsse abzugeben und das grosse Horn zu bla­ sen. Sollte es in Stadtnähe brennen, so dass man zu Hilfe eilen konnte, so hatte er einen Schuss ab­ zugeben, das kleine Horn zu blasen und mit einem Fähnchen anzuzeigen, in welcher Richtung es brannte. Sollte die städtische grosse Glocke oder die Wachtglocke Sturm läuten, so hatte der Burg­ vogt zu schiessen und zu hornen, auch wenn er selbst nichts sah. Sobald die städtische Glocke läutete, hatten zehn552 namentlich genannte Stei­


ner sofort (und ohne aufeinander zu warten!) in das Schloss zu eilen. Im Kriegsfall durfte die Stadt zudem einen zweiten «Wächter» nach Hohen­ klingen schicken. In diesem Fall hatte der Burg­ vogt mit seinem Knecht aber dennoch einen Vier­ tel der Wacht zu halten. Bestimmungen zum Pflichtlager auf Hohenklin­ gen ergänzten die Bestallung: Der Burgvogt hat­ te zu garantieren, dass auf Hohenklingen jeder­ zeit 2 bis 3 Klafter Holz, ein halbes Fuder Wein (etwa 450 Liter!) und zwei Malter Mehl (ca. 300 Liter) eingelagert waren. Die für das Jahr 1661 erhaltene Vorschrift zur Ausübung des Burgvogtamts553 zeigt, dass sich die Aufgaben des Burgvogtes seit der ersten Hälf­ te des 16. Jahrhunderts nur noch wenig gewan­ delt haben. Die gegenüber der Bestallungsversi­ on von 1543 angebrachten Änderungen lassen Rückschlüsse auf die Praxis des Burgvogtes, 1661 «Klingenmann» genannt, zu: Die Wacht war nun explizit «bei beiden läden, vornen und hin­ den» anzublasen. Offenbar war das Anblasen der Wacht nicht in allen Stadt- und Gerichtsherr­ schaftsteilen gleich gut gehört worden. Der nicht lokalisierbare «hintere» Laden könnte für die Alarmierung der exponierten Bauern in Oberwald eingerichtet worden sein. Burgvogt resp. Knecht hatten ihre nächtliche Kontrollrunde nun zweimal, um Mitternacht und eine Stunde vor Tagesanbruch, zu absolvieren und dafür zu sorgen, dass der Burganlage «so viel im­ mer müglich kein schaden wiederfahre». Die Ver­ doppelung der Rondenpflicht weist darauf hin, dass Hohenklingen nicht nur in Kriegs- und Kri­ senzeiten ungebetene Besucher erlebt hat. Interessant ist, wie detailliert nun Feindmel­ dungen vorgeschrieben wurden: Der Klingen­ mann solle dafür sorgen, dass jegliche unnötige Aufregung vermieden werde. Bei der Sichtung von fünf oder mehr «Reisigen» auf Pferden, zuge­ deckten Schiffen oder «reisigen» Kutschen solle dreimal das Wachthorn geblasen und die Feuer­ pfanne angezündet werden. Sollte die Gefahr grösser werden, war dies mit einem zweiten und allenfalls einem dritten Schuss (aus Hakenbüch­ sen) zu signalisieren. Hier wird deutlich, dass Ho­ henklingen um 1620 Teil des Hochwachtsystems der Kantone Zürich und Bern geworden war (Abb. 235 und 236). Die Hochwacht auf Hohen­ klingen war nun dafür eingerichtet, eigene Alarme und Alarme anderer Hochwachten mittels eines wohl im östlichen Burggraben entzündeten Feu­ ers nach Zürich weiter zu leiten.554 Während die alte Ordnung noch die Meldung von zehn und mehr Reitern verlangt hatte, setzte Zürich 1661 die Meldepflicht schon bei halb so vielen Leuten an. Der Einsatz von «ausgeworfenem Feuer» wurde nun auch bei Brandmeldungen tags und nachts

verlangt. Offenbar hatte es sich – besonders nachts – nicht bewährt, dass man die Richtung des Feu­ ers nur mit Fähnchen anzeigte. Das Pflichtlager des Klingenmanns umfasste nur noch zwei bis drei Klafter Holz und das Wasser im «Halgbron­ nen» resp. in den Standen. Die Lagerung von Mehl und insbesondere von Wein wurde nicht mehr verlangt. Hatte der Weinkonsum auf Hohen­ klingen zu unerwünschten Nebeneffekten ge­ führt? Explizit neu war 1661 die Regelung, dass ein Burgvogt nach vier treuen Dienstjahren automa­ tisch weiter im Amt bleiben dürfe. Kündige er hingegen oder werde er wegen Ungenügens ent­ lassen, so habe er die bei Amtsbeginn gelieferten zwei Malter Vesen (ca. 600 Liter ungespelztes Ge­ treide) zurückzugeben. Offenbar war der schnel­ le Wechsel der Burgvögte für die Stadt nachteilig gewesen. Von nun an wurde das Amt des Burg­ vogtes quasi zur Lebensstelle. Nur Benedikt Stoll (Burgvogt 1650-1661) kündigte vorzeitig und machte in Stein noch Karriere bis zum Bürger­ meisteramt. Seine Nachfolger blieben ausnahms­ los bis zu ihrem Tod auf Hohenklingen, obwohl sie öfters wegen Pflichtverletzungen und Alko­ holsucht zitiert wurden und manchmal auch selbst um ihre Entlassung ersuchten.555 Abb. 237: Kometen und Feuer am Steiner Himmel 1562. Die frühe Meldung von Brandherden war in Friedenszeiten die Haupt­ aufgabe des Burgvogtes.

Bereitschaftsstufen Hohenklingens Obwohl die schriftlichen Quellen nie von «Be­ reitschaftsstufen» sprechen, versteht man die Ge­ schichte der Hochwacht Hohenklingen und sei­ ner Bewohner am besten, wenn man von drei Bereitschaftsgraden ausgeht: Im Normalfall galt Bereitschaftsgrad 1. Auf Ho­ henklingen lebten nur der Burgvogt, dessen Fa­ milie und ein Knecht. Der Burgvogt hatte wie er­ wähnt in erster Linie dafür zu sorgen, dass die bauliche Substanz der Burg erhalten und das Burginventar, insbesondere die Geschütze, die Munition und die Feuermeldeanlagen funktions­ tüchtig blieb. Er hatte zu verhindern, dass sich un­ erwünschte Gäste in der Anlage selbst und in den umliegenden Wäldern einnisteten. Tag und Nacht ergänzten er und sein Knecht die Brandwache auf 157


dem Steiner Münster (Abb. 237). Der Steiner Rat konnte zudem verlangen, dass man Reisegruppen oder Schiffe mit entsprechenden Signalen aus dem kleinen oder grossen Horn und der Haken­ büchse ankündigte.556 Abends hatten sie die Nacht anzublasen, sobald in Stein unten die Wachtglo­ cke geläutet worden war. Tagsüber hatten sie spä­ testens seit dem Ende des 16. Jahrhunderts zudem das «Elfeläuten» durchzuführen. Im übrigen führte die Familie des Burgvogtes das Leben von Bauern, hielt Vieh ausserhalb der Burganlage und bewirtschaftete den Krautgarten beim Viehstall557 und die Äcker auf der Klingenwiese. In Zeiten erhöhter politischer Spannungen im süddeutschen Raum, im Thurgau oder in der Eidgenossenschaft galt Bereitschaftsgrad 2. Nun wurde Hohenklingen zur Hochwacht. Die Burg­ besatzung wurde mit acht bis zehn Mann ver­stärkt, blieb aber unter der Aufsicht des Burgvogtes. Mit Fahnen, Büchsen- oder Ge-­ schützschüssen hatte er in der erwähnten Weise militärische Gruppierungen oder verdächtige An­ sammlungen von Menschen zu melden. Auf ent­ sprechende Warnsignale hin schickte die Stadt unverzüglich weitere Männer zur Abklärung der genauen Sachlage auf die Burg hinauf. Ein in sei­ ner Bedeutung für das Steiner Selbstverständnis nicht zu unterschätzender Spezialfall von Bereit­ schaftsgrad 2 ergab sich, wenn Zürcher Vertreter zur Entgegennahme des Steiner Bürgereides nach Stein kamen oder der zürcherische Amtmann sein Steiner Amt antrat. In diesem Fall wurden meh­ rere Mann mit einem Geschütz auf die Burg ab­ geordnet. Sie hatten eine genau definierte Anzahl Schüsse mit Geschützen und Hakenbüchsen ab­ zugeben.558 Das Ritual, dessen Einhaltung der Steiner Rat peinlich genau überwachte, zeigt nochmals mit aller Deutlichkeit die Bedeutung Hohenklingens für das Steiner Selbstverständnis: Man begrüsste die Herren nicht vor den Toren der Stadt sondern eben «wehrhaft» von jenem Gebäu­ de aus, welches den Steiner Anspruch auf Reichs­ unmittelbarkeit und Autonomie repräsentierte. Im Krisenfall schliesslich wurde Hohenklingen auf Zürcher Befehl hin zur Garnison. Es galt Be­ reitschaftsgrad 3. Unter dem Befehl eines in Stein stationierten Zürcher Hauptmanns wurden nun et­ wa dreissig Mann auf der Burg stationiert, Stei­ ner Soldaten, die bisweilen durch zürcherische Truppen verstärkt wurden. Sie hatten in erster Li­ nie nach fremden Truppen Ausschau zu halten und Patrouillen zu absolvieren. Mittels der Garnison auf Hohenklingen wollte Zürich verhindern, dass Stein, dessen Wachsamkeit in Zürich nicht über alle Zweifel erhaben war, «aller oren ganz bloss» wurde. Daneben übte man sicher auch die Selbst­ verteidigung der Burg mit Hakenbüchsen und ein bis zwei schweren Geschützen.559 Etwa monat­ lich wurden die Truppen ausgewechselt.560 158

4. Politische Hintergründe der Um­ bauten 1525 bis 1712 Allgemeine Überlegungen Im Bereitschaftsgrad 1 war Hohenklingen aus­ schliesslich von lokaler Bedeutung. Im Bereit­ schaftsgrad 2 diente es als Frühmeldesystem Steins und Zürichs zugleich. Im Bereitschafts­ grad 3 war Hohenklingen Teil der Grenzschutzund Militärpolitik der Territorialmacht Zürich. Diese dreifach abgestufte Bedeutung Hohenklin­ gens war zusammen mit der repräsentativen Be­ deutung für das Steiner Selbstverständnis rück­ blickend ein Glücksfall für die Erhaltung der mittelalterlichen Bausubstanz der Burg. Sie war nach 1499 lokal- und territorialpolitisch zu wich­ tig, als dass man sie hätte zerfallen lassen. Ihre Bedeutung war jedoch zu gering, als dass Zürich sie zu einer modernen Festung ausgebaut hätte (Abb. 238). Zusätzlich stand Zürich einem Aus­ bau der Burg skeptisch gegenüber, weil diese im­ mer auch Steiner Autonomiesymbol war. Entsprechend inspizierte Zürich zwar besonders in Krisenzeiten die Anlagen auf Hohenklingen und ermahnte Stein zur Verbesserung von Bau­ substanz und Bewaffnung. Die Durchführung der entsprechenden Arbeiten war aber Aufgabe der Steiner. An den Kosten beteiligte sich Zürich nie. Die Burganlage wurde in möglichst beschei­ denem Ausmass modernisiert, ohne – aus heutiger Sicht – nachhaltige Beeinträchtigung des spätmit­ telalterlichen Gesamtkonzepts. Die Steiner Baurechnungen basierten auf den Rechnungen des Baumeisters. Dessen objektori­ entierte «Zettel» wurden aber nach der Abrech­ nung vernichtet. Es ist darum nicht möglich, die Steiner Bauaufwendungen für die Burg Hohen­ klingen abzuschätzen (Abb. 239). Die politischen Hintergründe der jeweiligen Bau- und Renovati­ onstätigkeit auf Hohenklingen lassen sich aber problemlos aus dem Vergleich der dendroda­ tierten Bauphasen mit dem zugehörigen aussen-, innen- und militärpolitischen Rahmen erschlies­ sen. Umbauten 1525 bis 1572561 Der Einbau der Geschützstellung auf dem Turm 1525 erfolgte unter grösstem äusserem und inner­ eidgenössischem Druck: Der von Stein mitver­ antwortete Ittinger Sturm (Abb. 240) hatte die Po­ sition Zürichs innerhalb der Eidgenossenschaft geschwächt. Die Bemühungen, Vor der Burgg mi­ litärisch zu stärken, wurden von den katholischen Orten blockiert. Abt David von St. Georgen war zu den Österreichern geflohen und agitierte von


Abb. 238: Kein Festungs­ schicksal. Die Burg Ho­ henklingen wurde nie zur frühneuzeitlichen Festung ausgebaut. Ihr blieb nicht zuletzt deshalb die kriege­ rische Zerstörung erspart im Gegensatz zur nahen Festung Hohentwiel (Bild 1641).

Baurechnung fl 12000

10000

Abb. 239: Stein am Rhein, Baurechnungen. Die Pfei­ le markieren die Um­ bauten auf Hohenklingen 1635, 1644 und 1712. Diese Bauaufwendungen haben die Gesamtbaurech­ nung also nicht gravierend belastet. .

8000

6000

4000

2000

0 Jahr 1602 1605 1608 1611 1614 1617 1620 1623 1626 1629 1632 1635 1638 1641 1644 1647 1650 1653 1656 1659 1662 1665 1668 1671 1674 1677 1680 1683 1686 1689 1692 1695 1698 1701 1704 1707 1710 1713 1716 1719 1722 1725 1728 1731 1734 1737 1740 1743 1746 1749 1752 1755 1758 1761 1764 1767 1770 1773 1776 1779 1782 1785 1788 1791 1794 1797

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Abb. 240: Ittinger Sturm am 18./19. Juli 1524. Er versetzte Stein am Rhein in eine dreifache Grenzlage.

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Radolfzell aus gegen Zürich und Stein. Den He­ gau durchstreiften Bauernrotten, denen Zürich misstrauisch gegenüber stand. Nördlich von Stein und bei Öhningen standen sich protestantische und altgläubige Heere gegenüber, es wurde ge­ brandschatzt, und Flüchtlingsströme flossen nach Stein. Angesichts der zunehmenden Reformati­ onswirren in der Eidgenossenschaft und der «auf­ rührerischen» Bauern im Hegau wollte man in Stein «gutes Aufsehen haben». Der vorsichtige und misstrauische Statthalter Luchsinger meldete am 25. April 1525 nach Zürich, der Steiner Rat habe Loyalität versprochen. Er werde auf «Klin­ gen gut wachen» und auch in der Stadt «Wachen halten unter den Toren, auf den Türmen und nachts auf den Gassen». Auf Hohenklingen muss während längerer Zeit mindestens Bereitschafts­ grad 2 geherrscht haben. Die Verstärkung der Burg als zur Selbstverteidigung fähige Frühmel­ destation war das Resultat des generellen Zürcher Rufs nach Ausbesserung der Steiner Wehranla­ gen, namentlich auch der Ringmauer und des Gra­ bens im Bereich des Klosters St. Georgen.562 Man kann davon ausgehen, dass Zürich nach dem Zweiten Kappeler Landfrieden für rund 15 Jahre kaum mehr Truppen in Stein stationiert hatte, Stein den Burgvogt jedoch zwecks Einhaltung des Bereitschaftsgrades 2 regelmässig verstärkte. Als ab 1546 der lange befürchtete reichsweite Religi­ onskrieg doch noch ausbrach und sich auch die innereidgenössischen Spannungen wieder erhöh­ ten, wurde die Steiner Alarmordnung aufge­ frischt: Zehn namentlich genannte Steiner Bürger hatten auf das Sturmzeichen hin in die Burg Ho­ henklingen hinaufzueilen.563 1547 gewann Kai­ ser Karl V. die Schlacht bei Mühlberg und hatte nun im Süden freie Hand. 1548 wurde Konstanz belagert, eingenommen und rekatholisiert, was wiederum den katholischen Kräften im Thurgau Auftrieb verlieh. Der 1551 anzusetzende Einbau

der Geschützstellung auf dem Palas ist als von Zürich initiierte Reaktion auf die Entwicklungen im süddeutschen Raum zu werten. Er sollte wie die Massnahmen von 1525 die Selbstverteidi­ gungskraft der Hohenklingen-Garnison gegen herum ziehende Soldatenhaufen erhöhen. Es ist zu vermuten, dass zwischen 1548 und 1551 auf Hohenklingen mehrmals Bereitschaftsgrad 3 ge­ golten hat. Die Erneuerungen und Umbauten von 1572 sind erneut als Reaktion auf eine Zunahme der kon­ fessionellen Spannungen zu werten: Die katholi­ schen Orte blockierten die Bildung weiterer re­ formierter Gemeinden in Gemeinen Herrschaften wie dem Thurgau. 1565 verbündeten sie sich mit dem Papst. 1572 schlossen sich die reformierten Städte unter Leitung Zürichs zu einem eigenen Schutzbündnis zusammen. Die Erneuerungen und Umbauten auf Hohenklingen in diesem Jahr sind als Produkt des wieder erstarkten Selbstver­ trauens Zürichs, vielleicht aber sogar als unmit­ telbare Reaktion auf die Bartholomäusnacht in Frankreich zu werten. Denn diese nährte bei den reformierten Orten die Furcht vor einem Überfall von allen katholischen Seiten her und löste fie­ berhafte Massnahmen aus. Die Bauarbeiten des 17. Jahrhunderts564 Hohenklingen hat ab 1572 für lange Jahrzehnte zwischen den Bereitschaftsgraden 2 und 3 gepen­ delt. 1578 gingen erneut Warnungen vor Kriegs­ volk im Norden ein. Stein beschloss nicht näher präzisierte Verstärkungen der Wachen. Zwei Jah­ re später wünschte man die Verstärkungen für den Burgvogt auf zwei Mann zu reduzieren, wobei je­ der Steiner Haushalt einen Mann als Zusatzwa­ che zu stellten hatte. Doch schon 1581 erklärte sich der Steiner Rat ausserstande, die Stadt und die Burg Hohenklingen auch noch mit dem nöti­ gen Geschütz zu versehen. Er bat Zürich um zwei Halbschlangen, zwei Falkonette und ein Dutzend Doppelhakenbüchsen zum Schutze Hohenklin­ gens, da man dort «nichts als drei klöpfer» habe und auch «kein gross stuk, das zur statt- und land­ wehr dienen möchte». Bis 1597 wurde die Ring­ mauer Steins ausgebessert.565 Insgesamt brachten die Jahrzehnte nach 1580 aber doch eine Entspannung und damit verbunden höchstens zeitweise noch eine Stationierung von Truppen in Stein. Trotzdem blieb Zürich ange­ sichts der ungelösten konfessionellen Probleme «wachsam». 1603 reichte die «Besorgnis» vor dem Konstanzer Bischof dazu aus, Hohenklingen mit Proviant zu versehen und «die Thore Tag und Nacht» zu bewachen, wie die misstrauischen ka­ tholischen Orte an einer Konferenz besorgt festhielten.566


Mit dem Ausbruch des Dreissigjährigen Krieges 1618 verschärfte sich die Situation erneut. Vor­ erst hatte Zürich in erster Linie Plünderungen von Marodeuren zu befürchten. Hohenklingen diente als für Zürich wichtigste Frühmeldestation vor solchen Haufen hungriger Soldaten. Zürich führte in Stein Inspektionen und Übungen durch, ver­ stärkte die Wachen auf Hohenklingen und auf Wolkenstein mit zwanzig Mann aus Stein und schickte bisweilen auch Patrouillen bis nach Ramsen. 1621 beschloss der Rat eine Kriegssteu­ er zur Deckung dieser zusätzlichen Ausgaben. 1624 senkte man die Verstärkung Hohenklingens auf ein unter dem Kommando eines Ratsherrn ste­ hendes Kontingent von sechs Mann.567 1628 be­ richtete ein Steiner Späher, die im Norden la­ gernden Kriegsleute führten gottlose Reden. Selbst wenn die «ganze Eidgenossenschaft an vier Ketten am Himmel hangete, wollten sie die herabreissen» und im «Schwytzerland ty­ran­ nisieren».568 Ein Kornettherr in Randegg warte nur darauf, «im Schutze hohen Grases» weiter nach Süden voranzurücken und die Eidgenossen­ schaft einzunehmen mit Geschützen, in denen ein Schuhmacher arbeiten könne. Zürich rüstete sich gegen solche Verheerungen und stationierte ab 1628 periodisch Truppen in Stein. Diese sollten fremden Truppen den Übergang in die Schweiz verwehren und so verhindern, dass zürcherisches Gebiet verwüstet wurde. 1630 wurden die Hoch­ wachtdienste Hohenklingens mit den Alarmorga­ nisationen Diessenhofens, Stammheims und Ben­ kens koordiniert. Als die Schweden ab 1631 nach Mittel- und Süd­ deutschland vordrangen, spitzte sich die Situati­ on zu. Jede Nacht wurde zusätzlich ein Steiner Ratsmitglied zur Wache auf Hohenklingen beor­

dert, 1632 erneut vorübergehend Zürcher Trup­ pen nach Stein geschickt. In der Nacht des 7./8. September 1633 passierte Generalfeldmarschall Horn überraschend Stein am Rhein (Abb. 241) und belagerte Konstanz. Die katholischen Orte witterten eine Komplizenschaft Zürichs und mar­ schierten im Thurgau auf, die innereidgenös­ sischen Spannungen stiegen. Zürich stationierte nun bis 1635 fast permanent 50 bis 250 Mann in Stein. Es beschloss, sich den Schweden anzu­ schliessen, falls sich die Inneren Orte auf die kai­ serlich-spanische Seite schlügen. Zürich plante sogar einen Waffengang im Sinne einer «endgül­ tigen Abrechnung» mit den Inneren Orten. Erst mit der Niederlage der Schweden bei Nördlingen entspannte sich die Situation etwas. 569 Die 1635 vorgenommenen Verbesserungen am Hohenklin­ gen sind als Reaktion auf diese brisante Lage zu werten, soweit sie nicht wie die Renovationen am Mittelbau durch eine Pulverexplosion nötig ge­ worden waren. Erneut löste erst die Kombination von aussenpolitischem Druck und inneren Span­ nungen bauliche Massnahmen aus, obwohl noch 1630 ein Söldneroberst der Zürcher Regierung versichert hatte, Hohenklingen sei «ein gut haus und wol zu verwahren».570 Vor diesem Hintergrund ist es doch bezeichnend, dass Zürich 1638 zwar eine Studie zur Befesti­ gung der Steiner Wehranlagen erstellte, dabei aber Hohenklingen mit keinem Wort erwähnte. Ein Jahr später kritisierte Zürich zwar die Wach­ samkeit der weitgehend von Hohenklingen aus operierenden 32 Soldaten auf Hochwachten und Patrouillen, «dan die stadt aller oren ganz bloss ist». Und man hielt fest, der Feind habe jetzt ei­ ne neue Taktik: Burgen und Schlösser würden zu­ erst besetzt. Dennoch investierte man 1643/44 in

Abb. 241: Durchzug der Schweden durch Stein am Rhein 1633. Historisieren­ de Darstellung aus dem späten 19. Jahrhundert.

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Letzte Bautätigkeit um 1712

Abb. 242: Stein am Rhein 1662. Dominant sind die 1643/44 erbauten Schan­ zenanlagen.

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erster Linie in die Schanzenanlage rund um Stein (Abb. 242). Verglichen mit deren Kosten von 27100 Gulden dürften die Zwingerumbauten auf Hohenklingen, die Renovationen am Mittelbau und der Einbau des «Roten Ladens» von margi­ naler Bedeutung gewesen sein. Anlässlich der Zürcher Inspektion der Befestigungsarbeiten wurde denn auch erneut kein Wort zu Hohenklin­ gen verloren, wohl aber der fehlende Einbezug von Vor der Brugg und Freudenfels in die Befe­ stigungsdisposition bemängelt. Offenbar war der Respekt vor den taktischen und technischen Neu­ erungen des Artilleriewesens grösser als vor ei­ ner handstreichartigen Einnahme der Burg Ho­ henklingen.571 Die dauernden Grenzübergriffe der Kriegspar­ teien und die an das Ende des Dreissigjährigen Krieges anschliessenden innereidgenössischen Wirren (Erster Villmerger Krieg) führten dazu, dass in Stein 1644 bis 1652 immer wieder perio­ disch Truppen stationiert waren und dazwischen zumindest Bereitschaftsgrad 2 galt. 1659 wurde angesichts des Ramser Handels nochmals Be­ reitschaftsgrad 3 ausgerufen. Danach herrschte auf Hohenklingen bis 1712 in der Regel Be­ reitschaftsgrad 2. Nachts wurden jeweils einige Mann zusätzlich auf Hohenklingen geschickt. In der Zeit des Spanischen Erbfolgekrieges wurde vermehrt auch Bereitschaftsgrad 3 ausgerufen, so 1703, als sich französische Soldaten in Ramsen aufhielten und der Steiner Rat von bayrischen und französischen Truppen erfuhr, die sich der Rhein­ grenze näherten.572 Zu weiteren Umbauarbeiten auf Hohenklingen führten diese Belegungen aber nicht mehr.

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts spitzte sich die innereidgenössische Situation nochmals zu: Der seit 1699 schwelende Untertanenstreit zwischen den Toggenburger Untertanen und dem St. Gal­ ler Fürstabt wurde von Zürich und Bern als An­ lass genutzt, die religiösen Machtverhältnisse in der Eidgenossenschaft zu ihren Gunsten zu kor­ rigieren. Der Kaiser war im spanischen Erbfolge­ krieg beschäftigt, was die Gefahr seiner Ein-­ mischung in die innereidgenössischen An­ge­le­ genheiten verminderte. 1712 kam es zum letzten eidgenössischen Bürgerkrieg des Ancien Régime. Zürich besetzte den Thurgau und besiegte den St. Galler Fürstabt. Die fünf Inneren Orte verloren den Krieg im Aargau. Im vierten eidgenössischen Landfrieden setzte sich wirkliche Parität in den Gemeinen Herrschaften durch. Zürich bekam of­ fiziell die Oberhoheit über die reformierten Land­ gemeinden im Thurgau. In der Eidgenossenschaft herrschte von nun an echter Religionsfriede.573 Die 1712 angebrachten letzten baulichen Verän­ derungen auf Hohenklingen574 waren damit für die Periode von 1484 bis 1803 typisch und unty­ pisch zugleich. Zu den früheren baulichen Mass­ nahmen passt, dass der Anbringung der Laube vor dem Turm eine Phase längerer Zürcher Truppen­ präsenz voranging. Untypisch war, dass man erst­ mals eine Baumassnahme allein im Rahmen von innereidgenössischen Spannungen und ohne aus­ senpolitischen Druck vornahm. Damit war das Ende der einzigen zürcherischen Hochwacht jenseits des Rheines abzusehen: Auf­ grund des nach 1715 nachlassenden Drucks von Norden und dank der religiösen Entspannung im Thurgau verlor sie für Zürich allmählich an stra­ tegischer Bedeutung. Entsprechend sank der zür­ cherische Druck auf Stein, die Wehrhaftigkeit der Burg zu erhalten. Zwar wurde die Burg weiterhin im Falle von Truppenbewegungen im Norden mit einigen Musketieren besetzt, so 1734 im Pol­ nischen und 1747 im Österreichischen Erbfolge­ krieg, als Stein täglich neun Musketiere und ei­ nen Gemeindeherrn auf die Burg schickte. Doch insgesamt fehlte nun die ganz spezielle Konstel­ lation zwischen Stein und Zürich, welche dazu geführt hatte, dass die Anlagen auf Hohenklingen immer wieder erneuert worden waren. Es ist an­ zunehmen, dass die Bausubstanz Hohenklingens im Laufe des 18. Jahrhunderts stark litt. Nach dem Verlust der letzten Steiner Ambitionen auf Auto­ nomie im Steiner Krieg 1783/84 taugte sie auch nicht mehr als Symbol Steiner Reichsunmittel­ barkeit. 1796 galt nochmals Bereitschaftsgrad 3, und zürcherische Truppen wurden in Stein und auf Hohenklingen einquartiert.575 Danach wurden Stein und Hohenklingen zuerst von den Franzo­


sen, danach von Österreich und schliesslich von napoleonischen Truppen besetzt, ohne dass sich am Ort selbst Gefechte ergeben hätten. Stein litt schwer unter den Einquartierungen und Re­ quisitionen fremder Truppen. Die französische Besetzung 1799 (Abb. 243), die Angliederung an Schaffhausen 1803 und die Aufhebung des grossen Zolls in Stein, für dessen Legitimation Hohenklingen ja Wahrzeichen war, reduzierten die Burg endgültig zum Ort einer (zu kostspie­ ligen) Brandwache.

5. 1804-1927: Vom bäuerlichen Pacht­ gut zur städtischen Kuranstalt und zum Symbol historischer Identität 576 Molkenkuren auf Hohenklingen? 1812 waren Zwingermauer und -türmchen derart baufällig, dass sie teilweise abgetragen und die Ringmauer gestützt werden musste. Zwar hatte der Steiner Rat schon 1809 eine Aufhebung des Hochwachtdienstes in Erwägung gezogen. Der letzte Burgvogt durfte indes zusammen mit einem zweiten Wächter bis zu seinem Tod 1837 auf der Burg bleiben. Seine Witwe wohnte danach noch für ein Jahr auf Hohenklingen. Es folgte die für die Erhaltung der Bausubstanz auf Hohenklingen wohl kritischste Phase seit 1226: Der Burg kamen vorerst keine repräsentativen Aufgaben und Wir­ kungen mehr zu. Die Brandwache konnte genau so gut in der Stadt Stein gewährleistet werden. Entsprechend wurden die Burg samt Stallungen und landwirtschaftlichen Nutzflächen pachtver­ steigert. Doch das System bewährte sich nicht. Die Pächter, welche zwar den Gebäudeunterhalt,

nicht aber Ersatzinvestitionen zu leisten hatten, wechselten in schneller Folge. Manche gingen auf Hohenklingen in Konkurs. 1863 beschloss die Stadt, auf Hohenklingen nicht nur eine Gastwirtschaft einzurichten sondern auch einen Kurbetrieb aufzuziehen.577 Man plante den Bau eines Kurhauses, da Kurhäuser damals an nahezu jeder Ecke der Schweiz entstanden. Doch die Kuranstaltsträume platzten bald. 1864 entschied die Bürgergemeinde, den für den Kur­ betrieb notwendigen Neubau auf der Klingenwie­ se vorerst nicht zu realisieren. Es fehlte nicht nur an Wasser. Man brauche das Land auch als Wei­ defläche für das Vieh, und um die Solvenz des Pächters sei es auch nicht zum besten bestellt. Man beschloss, vorerst nur 80 Bäume zu schla­ gen und «bis zum Spätjahre» zu lagern. Der Päch­ ter fühlte sich düpiert. Er lud den Stadtrat wegen «nicht Ausführung der Baute des neuen Kur­ hauses» vor den Friedensrichter. An Stelle des Kurhauses auf der Klingenwiese wurden schliesslich nur sechs Fremdenzimmer im 3. Obergeschoss des Palas und ein Speisesaal im 2. Obergeschoss des Mittelbaus realisiert.578 Doch nun waren die Burgpächter überfordert, da sie neben dem Landwirtschaftsbetrieb auch noch den Ausflugsverkehr auf die Burg und die Be­ suche der immer zahlreicher werdenden Kultur­ beflissenen zu bewältigen hatten. Regelmässige Gesuche um Reduktion oder Erlass des Pacht­ zinses waren die Folge. Zudem zögerte der Stadt­ rat dringend nötige Renovationen immer wieder hinaus. 1873 erteilte die Einwohnergemeinde dem Stadtrat sogar die Vollmacht, das Schloss zu verkaufen. Einen neuen Anlauf unternahm Mitte der 1880erJahre die Pächterfamilie Flachmüller. Die Päch­ terin liess sich als «Frau Flachmüller-Siegrist,

Abb. 243: Rheinbrücke in Flammen 1799. Die Franzosen zündeten den Südteil der Brücke zur Deckung ihres Rückzuges an.

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«Unberührt in mittelalterlicher Gestalt» – Denk­ malpflege auf Hohenklingen ab 1895

Abb. 244: Trotz Werbung für den Aussichtspunkt und dessen Panorama hat­ te die Kuranstalt auf Ho­ henklingen keinen Erfolg.

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Kuranstalt» ins Handelsregister eintragen. Der Schweizer Kur-Almanach 1887 notierte: «Stein am Rhein, 3 ½ Std. östlich von Schaffhausen, Dampfbootstation mit Schloss Hohenklingen, Luft-, Milch und Molkenkurort. Rheinbäder». 1891 notierte Ferdinand Vetter im «Klosterbüch­ lein» zu Hohenklingen: «Auf Anmeldung Abho­ lung durch Esel. Oben gute Wirtschaft, Fremden­ zimmer mit Beköstigung von 3 Franken». Er erwähnte die Kuranstalt bereits nicht mehr. Sie wurde im gleichen Jahr aus dem Handelsregister wieder gelöscht. Entsprechend fristete der Päch­ ter auf Hohenklingen weiterhin ein ärmliches Da­ sein. Von November bis April verirrten sich nur wenige Besucher ins Schloss. Der Pächter auf Ho­ henklingen blieb «so arm od. fast noch ärmer als eine Kirchenmaus».579

Schliesslich hat ein für die Schweiz typisches Zu­ sammenspiel nationaler und lokaler Bestre­ bungen die verbleibende Bausubstand auf Hohen­ klingen gerettet: Seit 1892 bestand in Stein am Rhein der «Hohenklingen-Verein», der sich – be­ zeichnender Weise! – bald in «Verkehrsverein Stein am Rhein» umbenannte. Er machte sich die Verschönerung der Stadt Stein am Rhein, die Errichtung von Anlagen und Spazierwegen und die Beschaffung von entsprechenden Geldmitteln zum Ziel. Der Verein liess unter grossen Kosten einen Werbeprospekt unter dem Titel «Pano-­­ rama Hohenklingen» drucken (Abb. 244). Die «Schweizerische Gesellschaft für die Erhaltung historischer Kunstdenkmäler» empfahl 1893 die «Instandstellung der in jeder Hinsicht merkwür­ digen, so unberührt in mittelalterlicher Gestalt dastehenden Burg Hohenklingen». 1895 wurde der «His­torisch-Antiquarische Verein Stein am Rhein» gegründet, der Vorläufer des heutigen His­torischen Vereins, dem teilweise die gleichen Leute angehörten wie dem «Hohenklingen-Ve­ rein». Sein Ziel war die Pflege und das Sammeln von Antiquitäten, die Wahrung des Ortsbildes und die Erhaltung von Baudenkmälern. Die nationale Gesellschaft und der Historische Verein arbei­ teten im Rahmen ihrer Suche nach «nationaler» respektive «lokaler» historischer Identität zusam­ men. Da sich ihre Interessen mit den touristischen Erwartungen des Verkehrsvereins deckten, wur­ de Hohenklingen nun sehr schnell touristisch er­ schlossen und renoviert. Ab 1894 erleichterte die Klingenstrasse den Zugang zur Burg. 1895 bis 1897 wurde die Burganlage auf Kosten der Gesellschaft und des Bundes restauriert. Sie war damit Bestandteil einer ganz Stein erfassenden Res­taurierungs- und Dekorationswelle. Von ro­ mantisierenden Mittelaltervorstellungen geprägt (Abb. 245) wurden nicht nur die Burg Hohenklin­ gen wieder instand gesetzt, sondern auch das Rat­ haus renoviert und umgebaut, St. Georgen und die Stadtkirche restauriert sowie die Fassaden der Bürgerhäuser am Steiner Rathausplatz erneuert und bemalt. 1907 forderte der «Grenzbote» zwar nochmals die Förderung des Tourismus durch den Bau eines Kurhauses, die Anlegung von Spazierwegen und die Umwandlung der Klingenstrasse in eine Schattenallee. Doch nur die Feriengäste kamen etwas zahlreicher, als Hohenklingen 1909 an die Wasserversorgung und 1918 an das Elektrizitäts­ netz angeschlossen wurde. Noch 1925 konnte die Pächterfamilie wirtschaftlich nur überleben, wenn alle Familienmitglieder im Landwirt­ schafts- und im Gastwirtschaftsbetrieb Hand anlegten und verregnete Sommer nicht zum


Einschiessen von Privatkapital in die Betriebs­rechnung zwangen. In den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts scheiterte das vorerst letzte Projekt, auf der Klingenwiese ein Erholungsheim einzurichten. Die wirtschaft­ lichen Probleme der Pächter blieben bis in die Mitte des Jahrhunderts bestehen. Besonders die beiden Weltkriege drückten die Zahl der deut­ schen Besucher. Die Einrichtung einer Jugend­ herberge für Burschen 1936 bis 1955 vermochte die Rentabilität des Pachtbetriebes ebenso wenig zu verbessern wie die 1924 durchgepresste Ein­ richtung eines «Rittersaales» auf Hohenklingen. Adelsstolze Habsburger auf Hohenklingen – oder späte Burgenromantik in Stein am Rhein? Man wird wohl nie mehr herausfinden, was im «Rittersaal» in den Jahren 1924 bis 1927 wirklich passiert ist.580 Massgebliche Kräfte der Bürger­ schaft wollten hier um 1924 einen waffenstar­ renden Saal einrichten. Die Bundesbehörden und die Denkmalpflege legten indes Wert darauf, dass die grossformatigen, marmorierten Quader des im Spätmittelalter deutlich niedrigeren Raumes

erhalten blieben. Dessen ungeachtet liess Stein den Putz des Raumes vollständig herunterschla­ gen. Bern und das Landesmuseum intervenierten. Stein versicherte: Der Raum werde schlicht ge­ halten. Man werde auf die bereits übertünchten Wände nur die vier Wappen der früheren adligen Burgeigentümer (Altenklingen, Hohenklingen, Österreich, Klingenberg) malen. Als der Raum 1927 unter anderem mit Dutzenden von Hellebar­ den versehen wurde, prangten dann aber zwölf Wappen von den Wänden! Zu jenem der Hohen­ klingen hatte man die Wappen der Gattinnen der letzten drei Herren von Hohenklingen aus Bran­ dis, Fürstenberg und Ramstein sowie jene der Herren von Grünenberg, Hallwil und Wartenberg sowie der Malterer und Toggenburger gefügt. Über die Hintergründe dieser Wappenauswahl kann man nur spekulieren: Die Grünenberger, Hallwiler, Malterer und Wartenberger waren zwar mit Kaspar von Klingenberg und dessen Sohn re­ sp. Enkeln verschwägert. Die Anbringung ihrer Wappen würde also dazu passen, dass man auch die Wappen einiger Gattinnen von Hohenklingen aufgemalt hatte. Allerdings: Warum erinnerte man gleich mit vier Verwandtschaftswappen an das unbedeutende Klingenberger Intermezzo,

Abb. 245: Englischer Historismus. Um 1830/50 entstandene Litographie von Louis Haghe (180685) mit der furchterre­ genden Trutzburg «The Castle of Höhenklingen».

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Abb. 246: Sie fehlen im «Rittersaal»: Wappen der Herren von Bechburg und Waldburg aus der Zürcher Wappenrolle.

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verzichtete aber beispielsweise auf das Wappen von Mechtild von Bechburg (Abb. 246), nach Ku­ nigunde von Fürstenberg sicher die wichtigste Kognatin der Herren von Hohenklingen? Und wa­ rum fehlte das Wappen Waldburgs von Waldburg, der Gattin jenes Klingenbergers, der am längsten auf Hohenklingen gelebt und diese Burg auch an Stein am Rhein verkauft hatte? Die Auswahl der «Ritterhaus»-Wappen könnte darum auch ganz anders erfolgt sein: 1923 wurde in Stein auch das Theaterstück Noe-Wili geschrieben. Man deutete die alte Steiner Hans-Laitzer-Legende zum Befreiungskampf eidgenössisch gesinnter Steiner gegen österreich­ freundliche «Verräter» um, welche vom Hegauer Adel unterstützt wurden. Betrachtet man die 1927 getroffene Wappenauswahl unter dieser Rahmen­ bedingung, so ergibt sich ein Verdacht: Die Grü­ nenberger, Hallwiler und Malterer bildeten näm­

lich auch die hiesige adlige Spitzengruppe rund um die Herzöge von Österreich. Die Grünenber­ ger sollen 1313 gleich fünf Diener am Hof Leo­ polds von Österreich gestellt haben, von denen einer 1315 bei Morgarten starb. Die Hallwiler ver­ loren 1386 in Sempach drei Familienmitglieder. Martin Malterers Leiche soll man in Sempach über dem toten jungen Erzherzog Leopold III. ge­ funden haben. Er hatte seinen Herrn sterbend noch beschützen wollen. Sollte der Rittersaal zum Sinnbild für diese deka­ dente feindliche Ritterwelt werden? Und standen ihnen «unten» quasi die Hellebarden der sieg­ reichen Eidgenossen gegenüber? Die in jedem Fall sehr verwegene, historisierende Renovation des «Rittersaales» ist damit gleichermassen Be­ leg für ein spätromantisierendes Adelsverständ­ nis und Zeugnis eines späten Steiner (oder Ho­ henklingener?) Autonomiewillens­.581


Anhang Anmerkungen

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Die Funde aus S77 und S115 lagen nicht mehr im originalen Fundzusammenhang sondern wurden bei der Planierung des Hügels für den Burgenbau umgelagert. Silices, wie Pfeilspitzen und Dickenbännlibohrer, eine Keramiköse sowie das Fragment eines Bechers vom Typus «Borscht» datieren den kleinen Fundkomplex in ein älteres Jungneolithikum um 4300 v. Chr. Die nächstgelegene Fundstelle liegt bei Moos-Sänge am Rand der Radolfzeller Aach, 7 km Luftlinie von Hohenklingen. Diese Angabe verdanke ich Kurt Altorfer. IBID 2003/1; IBID 2003/2. KASH 2003/1 und 2; KASH 2004/1 und 2; KASH 2005/1 und 2; SN, 13. Juli 2005, 17. Pupikofer 1869; Rahn 1889; Naeher 1885. Stiefel 1921, 20 und 96–103 und weiter erwähnte Literatur in der Literaturliste. Unten Eugster, S. 114. Allgemein dazu: Gerd Strickhausen, Quellen zur hölzernen Vorfertigung und zum Gründungsvorgang von Burgen, in: Holz in der Burgenarchitektur, Veröffentlichungen DBV, Reihe B, Schriften, Band 9, 49–56. Bd. 2, Heege, S. 22–24, 209. Siehe Bd. 2, Heege, S. 144. Unten S. 33. Raimann 1992, 48, 86–103, 126; Baeriswyl/Junkes 1995, 69–78; Baeriswyl 2003 242–244; Baeriswyl 2007. Unten Eugster, S. 132–133 . Unten S. 64. DBfAZH 665336/103, Auch für alle folgenden Hölzer von Hohenklingen: DBfAZH Bericht 532, Felix Walder. DBfAZH 663568/12, 663569/13, 663292/57, 663293/58. Zum Fundmaterial Bd. 2, Heege, S. 29–30; zu den Tierknochenfunden Bd. 2, Rehazek, S. 218–219. Bd. 2, Rehazek, S. 216–218. Bd. 2, Heege, S. 22–24, 209. Frey 1991, 41 stellte für die Burgen Klingnau und Freudenau einen Bauablauf in zwei Etappen fest, in einer ersten Etappe sind jeweils Ringmauer und Turm errichtet worden, in der zweiten Etappe dann Wohnhäuser und Ökonomiegebäude. DBfAZH 665297–99/62–64, 665301/66, 665321/88 und 665273/38. DBfAZH 663590/34 und 665335/102. DBfAZH 665287/52 und 665330/97. Sollte die oben geschilderte Gründungshypothese 2 zutreffen, würde es sich um einen umfassenden Ausbau neben dem bestehenden alten Turm handeln. Zeune 1997, 165–169; Burgen I, 1999, 200. Bänteli 2008, 198; Bd. 2, Heege, S. 23–24, 209. Unten S. 71. Zu den detaillierten Befunden des Burggrabens Bd. 2, Heege, S. 18– 21; zu den Tierknochen Bd. 2, Rehazek, S. 218. Zum Schichtaufbau Bd. 2, Heege, S. 18–21. Gemäss Beobachtung der Bauarbeiter beim Aushub von Liftschacht und Kaverne waren in diesem oberen Bereich nur kleinteiliger Kies, Nagelfluhfels und Sandsteinbänder vorhanden. Abbildungen zu mittelalterlichen Baugerüsten bei Binding 2001, Index 211. Plan Schäppi 1726; Plan Isaac Vetter um 1730; Plan Diezinger 1796 in Guisolan 2008, 44; Stiefel 1921, Schnitte a–b und g–h (Mülchi 1893): Reuterstall, Herkunft des Namens unklar! Aussen hat man im Zuge der aktuellen Restaurierung die Putze belassen! Abbildungen bei Binding 2001. Die gleiche Vermutung hegt für die Stadtbefestigung von Oberwesel auch Stenzl 2004, 99. Gleiche, etwas grössere und noch sichtbare Bifore im Kloster Allerheiligen–Ostflügel, um 1180 datiert, Bänteli 1999, 75. Beispiele in: Burgen I, 1999, 274.

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Durchlaufende Sondagen haben deutlich gemacht, dass südseitig keine weiteren Fenster vorhanden sind. Unten S. 30. Rahn 1889, 130; Stiefel 1921, 98; IBID/2003/2, 35–40; unten Eugster, S. 165. C. Gutscher-Schmid, Bemalte spätmittelalterliche Repräsentationsräume in Zürich, in: Nobile Turegum multarum copia rerum, Zürich 1982, 87–90. Burgen I, 1999, 288. Schmidt war damals jahrelang mit Restaurierungs- und Dekorations­ arbeiten an Steiner Häusern beschäftigt: Stadtgeschichte 2007, 29, 65–66, 343. Der Künstler Richard Tisserand, der die Malerei als Hinterglasmalerei rekonstruiert und die Originalzeichnungen im Eid­genössischen Archiv für Denkmalpflege in Bern untersucht hat, stellte fest, dass die Quader zum einen direkt 1:1 auf den Wänden auf Transparentpapier abgepaust und in Tusche gezeichnet worden sind. Die farbige Zeichnung hingegen ist ein verkleinertes Aquarell oder eine Gouache. Unten S. 100. Rahn 1889, 129. Gleicher Befund zweier Bauetappen mit Treppenpodest am herrschaftlichen Wohnbau auch in Klingnau, Frey 1991, 31 und 41 und mündliche Mitteilung. Ausgehend von einem Bodenniveau um 594.35, das Zwischenpodest liegt um 595.90, der Vorplatz um 597.50, was gut passt zu den Türschwellen vom «Rittersaal» (597.73 müM.) und zur Bohlenstube (597.78 müM). Nur innen untersucht, aussen hat man den Putz belassen. Unten S. 43. Allgemein zum Palas: Burgen I, 265–269. Baeriswyl/Junkes 1995, 104–106 und 111–119. Allgemein zu hölzernen Wohngeschossen: Burgen I, 277–281; Klein 2004, 81–82; Uhl 2004, 125–138. Bänteli 2008, 208. Rekonstruktion als repräsentativer Saal von 3,5– 4 m Höhe, der in den offenen Dachstuhl reicht. Seltene spätmittelalterliche Beispiele liegen aus Kirchen, Rathäusern und Spitälern vor, entweder als tonnenförmige oder eckige, sargdeckelähnliche Holzdecken die ins Dach hineingezogen sind. Beispiele in: Burgen I 1999, 280–281; Klein 2004, 77–79. Bd. 2, Heege, S. 144–147. IBID 2003/1, 74 mit Anm. 112 und 120 mit Anm. 166; IBID 2003/2, 30, 32. Bd. 2, Heege, S. 147. Zur Herkunft und Verbreitung von Randengrobkalk im Mittelalter: Bänteli Kurt, Neue Geschichte(n) der Kirche Lohn, in: SHBG 82, 2008, 115–141, bes. 130–123. Der eichene Sturzbalken mit Drehzapfenloch für das Burgtor ist in feinem, barockem Mörtel versetzt und konnte nicht datiert werden. DBfAZH 665313/78. Unten S. 104. Beispiele bei: Zeune 1997, 46–48; Burgen I, 1999, 229–230 und 251–252; Burgen II, 1999, 27; Schlunk/Girsch 2003, 106. Unten S. 81. Unten S. 34–35. Unten S. 40 Als mögliche Spolien erstmals diskutiert an einer Begehung mit Werner Meyer am 7. Oktober 2002. Allgemein zu Buckelquadern: Burgen I, 1999, 217–219; Wild 2003, 69–70. Brem 2004, 15–18; Reicke 1995, 125–127; Akten KASH. Oben S. 28. Burgen I, 1999, 234–235; Schlunk/Giersch 2003, 106–107. Oben S. 33. Beispiele bei Burgen I, 1999, 250–252; Bitterli 2004, 186–191; Zeune 2004, 38–39. DBfAZH 665278–665280/43–45 und 665337–665338/104 und 105. Allgemein dazu: Zeune 1997, 42; Burgen I, 1999, 237–245; Schlunk/ Giersch 2003, 98–99.

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Vergleichbar auch der Bergfried der Neuburg bei Mammern, Brem 2004, 17. Weitere Beispiele angriffseitiger Verstärkungen bei Wild, 2003, 68. Reicke 1995, 80, Anm. 5. Reicke 1995, 155. DBfAZH 665323–665325/90–92. DBfAZH 664700/132. DBfAZH 663577/21 und 663594–663599 (1–6, Nachdatierung der Hölzer von 1995). DBfAZH 663578–663580/22–24. DBfAZH 663581–663582/25–26, 663600–663602 (8–10, Nachdatierung der Hölzer von 1995), 665362 (7, b–Datierung Holz von 1995). KASH 2003/1 und 2003/2. Reicke 1995, 79–80 und 172; zur Definition Megalith– oder Findlingsturm Reicke 1995, 11. Turmgerüstbegehung mit Iwan Stössel am 11. April 2006: Vorhanden sind beispielsweise der violette Verrucano, Leitgestein des Linthgletschers, Quarzit, Vulkanit aus dem Hegau, Basalt aus dem Oberhalbstein, eisenhaltige Grundgesteine aus den Alpen sowie Alpenkalk. Oben S. 34. Deren Abwitterung oberhalb des Daches über dem Osthof hat später auf dieser Seite dazu geführt, dass man einen flächigen Verputz aufgetragen hat. Weitere Beispiele und Datierungen bei Wild 2003, 68. Uhl, 1990, 48–49; zum Thema auch Zeune 1997, 79–84. Vgl. dazu Uhl, 1990, 45; allgemein zu Buckelquadern: Burgen I, 1999, 217–219. Reicke 1995, 58–61 und 155. Reicke 1995, 64–68. Baeriswyl/Junkes 1995, 69–70; Brem 2004, 17. Unten Eugster, S. 153. Zum Fundmaterial im Turm, Bd. 2, Heege, S. 13–14, 106–108; zu den Tierknochen, Bd. 2, Rehazek, S. 219–220. Burgen I, 1999, 242. Das Türblatt besteht vermutlich aus Lindenholz, mündl. Mitteilung Felix Walder. DBfAZH 665339/106, undatiert. Weil am Lehm soweit ersichtlich keine Russschwärzung vorhanden ist sondern nur am Putz, scheint beides ursprünglich. Naeher 1885, 25; Rahn 1889, 128; ursprünglicher Zustand mit Foto bei Schmitt 1998, 371. Vergleichbare Bretterbalkendecke von 1278 im Palas des Unterhofes Diessenhofen, Baeriswyl/Junkes 1995, 81–82 und 91. Ursprünglich wurde eine Dreiteilung dieses Geschosses vermutet, auf Grund der westseitig engeren Deckenbalkenabstände, Uhl 2004, 136–137. Naeher 1885, 24–26; Rahn 1889, 128. Uhl 2004, 137. Unten S. 96. Zeune 1997, 42 ist der Ansicht, dass «die vielzitierten Kampfplattformen mit abnehmbarem Dach eher einer Wunschvorstellung früherer Burgenforscher entsprächen». Vergleichbare Situation an der Neuburg bei Mammern, Brem 2004, 17. Allgemein zu Zinnen: Zeune 1997, 48–50; Burgen I, 1999, 253– 254. Unten S. 94–95. Allgemein zu Filterzisternen: Die Wasserversorgung im Mittelalter, Geschichte der Wasserversorgung, Mainz 1991, 4, 52–54 und 196– 197; Zeune 1997, 192–193; Burgen I, 1999, 313. Stiefel 1921, 103. Stiefel 1921, 78; auf dem Plan von Schäppi 1726 als Fallbrunnen bezeichnet, im Plan Isaak Vetter um 1730 dann Sodbrunnen (Abb. 122). Oben S. 36. Unten S. 52. DBfAZH 665333/100. DBfAZH 665302–665304/67–69. DBfAZH P121–123, undatiert. Gleiche Situation in der Schaffhauser Schneiderstube 1343(d) aber mit einer rundbogigen Bohlentüre, innenseitig im 17./18. Jh. aufgedoppelt mit einem Türblatt aus Brettern. Vgl. z.B. Stefan Uhl, Eine

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Bohlentür des 15. Jhs.s auf Schloss Gomaringen, in: Fenster und Türen in historischen Wehr- und Wohnbauten. Veröffentlichungen DBV, Reihe B, Schriften, Band 4, 110–114; Burgen I, 1999, 274–275 und 281 mit Abb. 161. Später nochmals umgebaut. Baeriswyl/Junkes 1995, 78–94, bes. 91. Allgemein zu Burgküchen: Zeune 1997, 197. Allgemein zu Wirtschafts- und Wohnbauten auf der Burg: Burgen I, 1999, 307–310; Zeune 1997, 171. DBfAZH 665305–665307/70–72 und 665352/119. DBfAZH 665311–665312/76–77, 665332/99. DBfAZH 665310/75 und 665331/98. DBfAZH 665350–665351/117 und 118. Klein 2004, 84–88. Innen keine Maueruntersuchung, Verputz aus dem 20. Jh. belassen, Kellerdecke von 1895/97. Oben S. 42. Bd. 2, Heege, S. 29; Bd. 2, Rehazek, S. 218–219. Bänteli 2006, 42–46; Bänteli 2009, 167–168; Bänteli 2010, 158 – 162. DBfAZH 665353/120. Unten S. 101. Eugster 2007, 113–114. Baeriswyl 2003, 23–29, bes. 28. Bänteli 2002, 39–47. Bänteli 1993b, 242–251. Seit den Untersuchungen von 1990 müssen wir davon ausgehen, dass die Klosterkirche, die heutige Stadtkirche, den Platz der ehemaligen Leutkirche eingenommen hat. Dies wohl in der ersten Hälfte des 12. Jhs. im Zusammenhang mit der Verschiebung von Klosteranlage und Leutkirche nach Norden, aus dem Überschwemmungsbereich des Untersees hinweg. An die mit 1,35 m auffallend starke Westwand einer Leut(?)Kirche aus dem 10./11. Jh. wird nach einem Brand ein quadratischer Mittelturm mit einer Mauerstärke von 1,55 m und 6,5 m Seitenlänge angebaut. Er kommt direkt und zentral über Grab 9 zu stehen, das nach dem Brand aber vor dem Bau des Turmes angelegt wurde. Das Skelett des jugendlichen Mannes von 17 Jahren und 1,78 m Grösse lag in einem auffallend grossem Sarg (55 x 200 cm). Durch seine prominente Lage unter einem nicht minder bedeutenden Bauwerk kommt der unbekannten Person eine herausragende Rolle im frühen Stein zu. Grab 9 ist C14 datiert zwischen 1036–1159, (UZ–4917/ETH–26987: 940± 45), C14 Datierungen von 2002/2003 der Universität Zürich-Irchel, Zahlen vor der Klammer kalibrierte Daten 1 Sigma nach Calib ETH 1.5b, 1991; anthropologischer Bericht: Anthropologisches Institut Universität Zürich, E. Langenegger, 10. 12. 2003. In der ersten Hälfte des 12. Jhs. erfolgt der Neubau der heutigen, dreischiffigen Säulenbasilika, die in ein kleineres Laienschiff im Westen und einen grösseren Mönchschor im Osten unterteilt war. Bemerkenswert ist der Westbau mit zweigeschossiger Vorhalle, Herrenloge und/oder Michaelskapelle im Obergeschoss, flankiert von zwei Rechtecktürmen. Bänteli 2006, 19; Eugster 2007, 76–79. Der Friedhof des 7.–10. Jhs. besteht aus zwei Grabungsausschnitten. Ein Friedhofteil liegt im Süd­ ostbereich der heutigen Basilika, ist älter als diese, rechnet wahrscheinlich mit der ältesten Mauer M8, respektiert die O-W Flucht von M7 und ist gestört durch M9. Ausgegraben sind hier 10 Erwachsene und 2 Säuglinge, in einfachen Erdgruben bestattet. Datiert sind davon Grab 26: C14 zwischen 664–769 (UZ–4835/ETH–26340: 1320± 50 BP) und Grab 11: C14 zwischen 893–989 (UZ–4833/ETH–26338: 1105± 50 BP). Ein zweiter, mit der Westwand rechnender Friedhofteil gehört in die Zeit der älteren Leutkirche und ist vor einem Brand angelegt worden. Vorhanden sind die Gräber von 3 Neugeborenen, 2 Kindern und 3 Erwachsenen. Datiert ist hier Grab 17: C14 zwischen 785–945 (UZ–4918/ETH–26988:1185± 50 BP), das jünger ist als das darunter liegende Grubenhaus mit einer Keramikscherbe aus dem 10./11. Jh. Bericht über die Ausgrabungen und Bauuntersuchungen: Kurt Bänteli, 1991, KASH 60/020. Anthropologischer Bericht: Anthropologisches Institut Universität Zürich, E. Langenegger, 10. 12. 2003. C14 Datierungen von 2002/2003 der Universität Zürich-Irchel, Zahlen vor den Klammern: Kalibrierte Daten 1 Sigma nach Calib ETH 1.5b, 1991. Bänteli 2006, 8, 42–46 und 258–259. KASH 60/040; Homberger/Zubler 2010, 124. Sonst erbrachten die gesamten Werkleitungssanierungen in Stein am Rhein von 2000 bis


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2006 keine Befunde die älter sind als das 12. Jh. Ebenso wenig liess sich eine allfällige Begrenzung des älteren Fronhofs ausmachen, die wohl im Bereich von Adlergässli und Schwarzhorngasse liegen würde. Sichtbar im 1. Obergeschoss der Sonne, als Traufgesims zur Westwand des Steinernen Trauben gehörend. Frauenfelder 1958, 57, 228– 229; Guisolan 1998, 45. Zur Stadtkirche Bänteli 1993b, 244–248. Unten Eugster, S. 127. Stadt- und Landmauern 2 wie Bänteli 1996; Akten KASH. Für die These in der neuen Steiner Stadtgeschichte (Hürlimann 2007, 33), die Stadtmauer sei nur stückweise im Bereich von Häusern entstanden und dazwischen mit Palisaden geschlossen gewesen und erst Ende des 14. Jhs. fertig gestellt worden, fehlen archäologische Grundlagen. Befunde zur Steiner Stadtbefestigung KASH 60/006, 016, 020, 031, 036, 042, 052, 056–059. Innerer Klosterhof 1964, Grabung H. R. Sennhauser; Haus Rosenegg, Untersuchung Atelier d’archéologie médiévale, Moudon 1990 sowie Untersuchung 1993 KASH 60/020. Untertor zerstört durch Bombardierung 1945; Obertor nicht untersucht; Öhningertor innen keine Befunde bei Werkleitungssanierungen (Panzersperre), 29. 04. 2009, Mauerwerk und Mörtel von Contremauer und äusserem Torturm scheinen identisch, KASH 60/016. Chretzenturm, KASH 60/036, Bauuntersuchung 1998. In Schaffhausen Finsterwaldturm, Schwabentorturm: K. Bänteli, Zur Baugeschichte der Schaffhauser Stadtbefestigung. Ergebnisse baugeschichtlicher Untersuchungen 1982–1989, SHBG 66, 93–140. Auch etwa in Zug mit weiteren Beispielen: A. Boschetti et al, Der Ausbau der Zuger Stadtbefestigung unter habsburgischer Herrschaft, Tugium 23/2007, 111–112. DBfAZH 665800 und 665802 Süd; 665801 Ost; Bericht 611, Felix Walder. KASH 60/052 Besichtigung vom 8. März 2007. Unten Eugster, S. 125–126; allgemein zu Stadtburgen und -höfen: Baeris­wyl 2007. Keine Befunde der wohl schwach fundierten Hofmauer bei den Werkleitungssanierungen. Ich gehe davon aus, dass der 1520 abgebrochene Stall Teil dieser inneren Hofmauer war, die damals nicht mehr benötigt wurde, unten Eugster, S. 126. Frauenfelder 1958, 26–27; M. Ambühl, Die abenteuerliche Vergangenheit des Obertorturms, SN, 24. Juni 1982; Eugster 2007, 104. KASH 60/059. Bei den Werkleitungssanierungen 2005, KASH 60/045, liess sich vor dem Aarburg-/Oberhof in P19­–P20, 0,6–0,9 m unter der heutigen Oberfläche, eine mittelalterliche Kieselpflästerung bzw. Kiesschüttung beobachten. Südwestlich des Aarburg-/Oberhofes in P25, 0,5 m unter der Oberfläche ein 0,8 m mächtiges Brandschuttpaket von mindestens 4 m Seitenlänge, vielleicht von einem Keller, der bereits mit dem älteren Haus Nr. 3 (Linde) rechnet. Die begleitende Keramik datiert Mitte 13. – 1. H. 14. Jh. und deutet auf den Stadtbrand von 1347 hin. Dazu Hürlimann 2007, 30. Waldvogel 1967, Bw 23. Rahn 1889, 249. Eugster 2007, 155; Guisolan 2007, 247. Eugster 2007, 104; Dendrodatierung Herbst/Winter 1470/71, LRD7/ R1885. Zum Stadtbrand von 1471: Hürlimann 2007, 30. Rahn 1889, 282; Frauenfelder 1958, 288–289; Vergleichsbeispiel einer Decke von 1515, aber feiner gearbeitet, aus dem Schloss Arbon, in: A. Knoepfli, Kunstgeschichte des Bodenseeraumes 2, 1969, 397– 398 und Abb. 240. KASH 60/058; Besichtigung vom 20. März 2008 mit Annemarie OggMettler, einer der Hausbesitzerinnen. DBfAZH 666334–666337, Bericht 682, Felix Walder. KASH 60/045, Werkleitungssanierungen 2004, P3, anstehender Humus 0,5 m unter der Oberfläche. DBfAZH 666694, undatiert. Eugster 2007, 96. DBfAZH 666325–666333, Bericht 681, Felix Walder. Auf die Untersuchung von Eichenhölzern im ersten Obergeschoss wurde auf Grund ihrer starken Bearbeitung verzichtet; die ebenfalls eichenen Fensterstürze im Dach weisen schlecht liegende Jahrringe auf. Frauenfelder 1958, 207–208, 289, 291. Unten S. 57. Unten S. 82–84.

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KASH 60/057, Besichtigung und Datierung vom 19. Juni 2008 mit Verena Merz, der Hausbesitzerin. KASH 60/043, Werkleitungssanierungen 2003 (P1 und P2): Vor dem Haus, in der Obergass, liegt der anstehende Boden max. 0,4 m unter der heutigen Oberfläche, d.h. der Keller war gut zur Hälfte eingetieft. Zum Thema: Thomas Lutz, Das Bauholz: Flösserei, Provenienz, Handelsformen, Kennzeichnung, in: Dächer der Stadt Basel, Hrsg. Basler Denkmalpflege, Basel 2005, 115–137, bes.130. Gut in diese Zeit passt auch das gekuppelte Doppelfenster mit gotischen Spitzbögen an der Westfassade (1. Obergeschoss) des Hauses zur Harfe an der Oberstadt 17 in Stein am Rhein. Baeriswyl/Junkes 1995, 79–93. Besitzergeschichte zusammengestellt von Erwin Eugster auf Grund seiner Datenbank (Eugster 2007, 141). KASH 60/055. Für die gute Zusammenarbeit danke ich Architekt Reinhard Zolg und Bauherr Konstantin Scherbakov. DBfAZH 666285–666297, Bericht 658, Felix Walder. Im unten auslaufenden Bereich vor allem im 1. Obergeschoss teilweise restauriert im Stil des 16. Jhs. Die übrigen Fenster sind jüngeren Datums. Aufnahmen 1:20 und 1:10 durch IBID Winterthur für die Kantonale Denkmalpflege; dort auch der Bericht zum restauratorischen Untersuch der Farbschichten. Baeriswyl/Junkes 1995, 97–98, 110, 112–114. Eugster 2007, 112. Bänteli 2006, 21–24, an Stelle der Hausnummer 18 ist die Brandkatasternummer 77 angegeben (Registratur Denkmalpflege SH, Untersuchung von 1991, Norbert Kaspar). Eugster 2007, 112. LRD91/R3047. DBfAZH 666690–666693, Bericht 763, Felix Walder. Für die gute Zusammenarbeit danke ich Viktor Tanner von der Müller Architektur AG und dem Bauherrn Gerhard Moll. Die Untersuchungen waren bei Drucklegung noch nicht abgeschlossen. Ziegelschrotmörtel, Ziegelfragmente, Bollensteine mit weissem, sehr hartem Mörtel; JbAS 93, 2010, 256. Bänteli 2006, 21–24; KASH 60/054. Dem Bauherrn Charles Balsiger danken wir für die gute Zusammenarbeit und Unterstützung. Unten S. 84–87. DBfAZH 666016–666019, weitere Datierungen 1373, bzw. 1534 (666020–666030), Bericht 635, Felix Walder. Unten S. 64–65. Entsprechende Befunde von 1318 auch am Unterhof in Diessenhofen: Baeriswyl/Junkes 1995, 100–102. Besitzergeschichte zusammengestellt von Erwin Eugster auf Grund seiner Datenbank (Eugster 2007, 141). Frauenfelder 1958, 32 und 35; Eugster 2007, 145. Unten S. 87. DBfAZH 666686–666689, Bericht 762, Felix Walder. Innenleibung mit Backsteinen! Gleiche Gewände sind vom Palas von 1318 am Unterhof in Diessenhofen bekannt: Baeriswyl/Junkes 1995, 95–99. KASH 60/030 Bauuntersuchung 1992; KASH 60/050, Bauuntersuchung 2006. Unten S. 87. LRD07/R2641G, P11–13 und P202–203. DBfAZH 666031–666037, 666695, Bericht 574, Felix Walder. KASH 60/045. Ausnahme bildet die älteste Grube 5 mit Keramik aus dem 12. Jh. Mangels geringer Jahrringzahl wurde auf eine dendrochronologische Datierung verzichtet. Ambühl, 1979, 33; Stadtgeschichte 1957, 61, 168. Untersucht und deshalb erwähnenswert ist hingegen der Brunnen der alten, klösterlichen Badestube, oberhalb des Hexenturmes. Seine Überreste sind 1959 freigelegt worden, eine interessante Konstruktion, die sicher noch ins Mittelalter zurück reicht. Sie bestand aus einem Rost von kreuzweise verzahnten Eichenbalken von 6 m Breite und Abständen von 50–60 cm. Dies ergab hier im Grundwasser des Rheines eine stabile Unterlage für den gemauerten, 92 cm hohen Fundamentklotz aus Bollensteinen, der mit einer 16 cm starken Sandsteinplatte, der Bodenplatte des Brunnens abgedeckt war (KASH 60/006; Steiner Anzeiger 16. 03. 1959; Fotos im Staatsarchiv Schaffhausen, Neg. KdA. 1169). Der Befund konnte damals nicht interpre-

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tiert werden, der Brunnen ist aber noch auf den Plänen des 18. Jhs. dargestellt. Bei den Werkleitungssanierungen von 2003 wurde dieser Bereich nicht tangiert, zur Badstube gehören aber auch Schröpf­ köpfe, die unmittelbar ausserhalb der Stadtmauer in Planieschichten am ehemaligen Rheinufer zum Vorschein kamen (Bänteli 2006, 49; Eugster 2007, 98, 114). Eugster 2007, 101. Brem 2004, 15. Burgenkarte der Schweiz-Ost, Wabern 2007. Zu Klingenzell: A. Raimann/ P. Erni, Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau VI, 2001, 212–213. R. Frauenfelder, Die Burgruine Wolkenstein, in: SHBG 30, 1953, 252–258; R. Frauenfelder, Die Ruine Wolkenstein, Schaffhauser Schreibmappe 1960. Zu den Besitzverhältnissen Eugster 2007, 107. Auch oben, S. 22. Bänteli 2006, 8–11, 21–24, 41–51; Eugster, 2007, 96; Hürlimann 2007, 30. Unten Eugster, S. 141. Bänteli/Buff 2009. Unten Eugster, S. 141. Bänteli 1993a, 185–187. Bänteli 1993b, 246; H. Schweizer, Die Nordkapelle der ehemaligen Klosterkirche St. Georgen in Stein am Rhein und ihre Wandmalereien, in: SHBG 75,1998, 12–15, 38–39. Für die von Schweizer pos­ tulierte Zweiphasigkeit, bzw. einer Erweiterung der Kapelle gibt es nach den Untersuchungen des Fundamentmauerwerkes keine Hinweise. Sie ist aus einem Guss an die romanische Stadtkirche angefügt. Die Originaldokumentation KASH 60/020 wurde nicht eingesehen. Eugster 2007, 106. Plan mit Sondage von 1932 beim Eingang in die Kapelle, die einen Sandsteinplattenboden 1,75 m unter dem heutigen Kapellenboden freilegte. Inv. Nr. 51109 im Eidg. Archiv für Denkmalpflege Bern. Zum Keller auch: H. Waldvogel, Die nachreformatorischen Bauarbeiten an der Stadtkirche zu Stein am Rhein, in: SHBG 32, 1955, 102. Einzig die Vorhalle diente im Spätmittelalter als Grablege für sechs Erwachsene und ein Kind, die in mehrfach verwendeten Grabgruften niedergelegt wurden, in denen Reste von drei weiteren Erwachsenen und einem Kind zum Vorschein kamen. Eine Nische in der Südwand mit einem Kreuzigungsfresko diente als Altarretabel und beide stehen im Zusammenhang mit dieser Grablege. Es sind überwiegend Männer, die mit Leichengewändern in Särgen bestattet wurden. Deutet die prominente Lage darauf, dass es sich bei den Bestatteten nicht nur um Angehörige der Steiner Oberschicht handelt? Auffallend ist insbesondere Grab 3 mit seinen überkreuzten Unterschenkeln, einer Beinhaltung wie sie in der Grabplastik englischer und spanischer Rittergrabbilder anzutreffen ist. Ob die Kreuzung der Beine eine ritterliche Standeshaltung darstellt oder einen christlich-biblischen Hintergrund hat, ist unklar (Abb. Grab 3). Bänteli 1993b, 249; M. Illi, Wohin die Toten gingen, 1992, 28–29, allgemein zur Kirchenbestattung, 48–49. Mit 54–60 Jahren ist Grab 3 die älteste Person der Innenbestattungen, die zudem eine auffallende, wasserkopfähnliche Schädelform besitzt und ins 14. oder 15. Jh. datiert. Datiert sind folgende Bestattungen der Vorhalle: Grab 6, das unter Grab 3 liegt, zwischen 1298 und 1392 (UZ–4832/ETH–26337: 645± 50 BP), Frau 34–38 Jahre, 1,63 m in Familiengruft, Sarg, Arthrose; Grab 25, zwischen 1443 und 1623 (UZ–4834/ETH–26339: 400± 50 BP), Mann 36–40 Jahre, 1,73 m, Arthrose, Backenzähne sind entzündet, durchschlägt alle romanischen Bauniveaus, älter als Abbruchniveau von 1597, jünger als Grab 9. Ein einzelnes Grab einer erwachsenen Person wurde in der Kirche, im südöstlichen Mönchschor angelegt. Bericht über die Ausgrabungen und Bauuntersuchungen von K. Bänteli, 1991, KASH 60/020. Anthropologischer Bericht: Anthropologisches Institut Universität Zürich, E. Langenegger 10. 12. 2003. C14 Datierungen von 2002/2003 der Universität Zürich-Irchel, Zahlen vor den Klammern: Kalibrierte Daten 1 Sigma nach Calib ETH 1.5b, 1991). Unten Eugster, S. 121. DBfAZH 663570–663576/14–20 und 665340–665341/107–08. DBfAZH 663591–663593/35–37, 665282–665283/47–48, 665286/51 und 665309/74. DBfAZH 663583–663589/27–33. Bänteli 1996, 239; Ausgaben für den Büchsenmeister und für grosse Büchsen erscheinen in den Schaffhauser Stadtrechnungen regelmäs-

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sig ab 1401, Handbüchsen kommen ab 1413 hinzu: Stadtarchiv Schaffhausen z.B. A II.05.01.002/57 1401–1402, A II.05.01.004/38 1402–1403, A II.05.01.007/077 1408–1409, A II.05.01.013/064 1413; H. U. Wipf, 600 Jahre Bogenschützengesellschaft der Stadt Schaffhausen, in: SHBG 78, 2004, 30–33. Beispiele zur Schlossarchitektur ab dem frühen 15. Jh.: A. Meyer, Profane Bauten. Ars Helvetica IV, Die visuelle Kultur der Schweiz, Disentis, 1989, 55–67. Unten S. 81. KASH 2005/1; Bänteli 1996, 238. Allgemein zu Schildmauern: Burgen I, 1999, 231–234. Zeune 1997, 95–96; Burgen I, 1999, 254. Vgl. Anm. 212; Allgemein zu Formen, Typen und Effizienz von Schiessscharten: Zeune 1997, 94–105. Diskussion mit Peter Frey, Jakob Obrecht und Christoph Reding vor Ort im Nov. 2007. Dazu auch Bitterli 2004, 192. Detaillierter Konstruktionsbeschrieb: IBID 2003/1, 116–117. IBID 2003/1, 123–124; Plan Diezinger 1796 in Guisolan 2008, 44. Oben S. 42. Rahn 1889, 129. Allgemein zu Burgkapellen: Burg- und Schlosskapellen, DBV, Reihe B, Schriften, Band 3, 1995; Zeune 1997,181–183; Burgen I, 1999, 315–320. Eine spätestens 1424 eingebaute Empore ist auch auf der Kyburg nachgewiesen: Wild 2003, 80. Nördliches Fenster erst 1895/97 vermauert, südliches etwas früher. Nicht sichtbar belassen, Schreiben K. Bänteli an den Eidg. Experten Chr. Renfer vom 28. 09. 2006. J. Zeune, Die Kapelle der Burg Aggstein, Niederösterreich – Ein Beitrag zum Verständnis von Wandöffnungen zwischen Sakralbereich und Profanbereich, in: Veröffentlichungen der DBV, Reihe B, Schriften, Band 3, 1995, 95–99. Die Aussenfassade der Kapelle ist 1974 ohne archäologische Untersuchungen neu verputzt worden. Unten S. 93. Unten S. 89; zu gleichen Bauweisen in Stadt und Burg im 15. Jh. auch Uhl, 2004, 129. Im Graben für den Leitungskanal längs der Nordmauer keine Befunde. IBID, Bilddokument 4 und 5; Stiefel 1921, 111; Plan Schäppi 1726; Plan Diezinger 1796 in Guisolan 2008, 44. Unten S. 102. Oben S. 33; zu Wehrerkern: Zeune 1997, 46; Schlunk/Girsch 2003, 106; Bitterli 2004, 186. Frauenfelder 1958, 2. Gut vergleichbar ist die Bohlenstube im Unterhof von Diessenhofen, 1399 (d), in: Baeriswyl/Junkes 1995, 130–133. Weitere Bohlenstuben in Schaffhausen: Schneiderstube 1343 (d), Gelbes Haus um 1386 (d) und Rathaus, kleine Ratsstube von 1413 (d). Akten KASH und R. Frauenfelder, Die Kunstdenkmäler des Kantons Schaffhausen I. Die Stadt Schaffhausen; Die Kunstdenkmäler der Schweiz 26, Basel, 1951, 216–218. Bd. 2, Heege, S. 119–121, 210. Detaillierter Konstruktionsbeschrieb IBID 2003/1, 64–65. IBID 2003/1, 19. Bd. 2, Heege, S. 37, 210. Begehung am 11. April 2006 mit Iwan Stössel, Geologe. Detaillierter Konstruktionsbeschrieb IBID 2003/1, 135. Unten Eugster, S. 150. DBfAZH 663557–663565/1–9, 665355–56/125–126. Detaillierter Konstruktionsbeschrieb: IBID 2003/1, 30–32.246 Bd. 2, Heege, S. 144–147, 210. Dazu auch die Bemerkungen von Zeune 1997, 108. Die detaillierte Vorlage erfolgt in einer geplanten Monografie der KASH zur Stadt Schaffhausen. Reicke 1995, 10, 48–49. Bänteli 1996, 238; Bänteli K./Mathis H.P. 2004, Das ehemalige Kloster zu Allerheiligen in Schaffhausen, Schweizerische Kunstführer GSK 757/758, Bern, 16. Bänteli 1989, 114. Bänteli 1989, 102–104, 118 und 120–121. Die damals unsicher in die Mitte des 17. Jhs. datierten Hölzer des Wehrgangs in der äusseren Vorstadt (Adler) sind mittlerweile sicher in die Zeit um 1380 datiert (DBfAZH Bericht Nr. 172 vom 14. 02. 2002).


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Stadtarchiv Schaffhausen z.B. A II.05.01.013/064 1413: IIII hantbüchsen. A II.05.01.083/056 1444–1445: XXX hantbuchssen; A II.05.01.107/074 1452–1452: ain hagen buchß; A II.05.01.080/073 1444–1444: gross haggen büchsen. Untermann 2009, 226-232. Unten S. 87. K. Bänteli u. a., Die Stadtkirche St. Johann in Schaffhausen. Ergebnisse der Ausgrabungen und Bauuntersuchungen 1983–1989, SHBG 67, 1990, 15 und 75–80; Bänteli 2002, 44–45. Flachziegel der Zeit ab 1100 sind in den stadtarchäologischen Untersuchungen mittlerweile über das ganze Stadtareal verteilt gefunden worden, Hohlziegel ab etwa 1200: Kurt Bänteli/Kurt Zubler, Die frühesten Flachziegel der Schweiz in Schaffhausen, Bald 900 Jahre auf dem Dach, in: 18. Bericht der Stiftung Ziegelei-Museum 2001, S. 5–24. Ulrich Knapp, Flachziegel aus dem frühen 12. Jh. in Südwestdeutschland − Zeugen eines technologischen Umbruchs, in: 25. Bericht der Stiftung Ziegelei-Museum 2008, S. 26–51. Homberger/ Zubler 2010, 52 und 111. K. Bänteli/B. Ruckstuhl, Gerber und Gerbereien im mittelalterlichen Schaffhausen, in: Stadtluft, Hirsebrei und Bettelmönch, Die Stadt um 1300, Stuttgart 1992, 418–424. Bänteli/Burzler/Höneisen/Homberger/Zubler, Ex Terra Lux, Geschichten aus dem Boden, Schaffhauser Archäologie des Mittelalters, Schaffhausen 2002, 204–209. J. J. Rüeger, Chronik der Stadt und Landschaft. Hrsg. v. C. A. Bächtold, Schaffhausen 1, 1884, 339–353. Schib 1972, 77–78; M. Schultheiss, Institutionen und Ämterorganisationen der Stadt Schaffhausen 1400-1550, Zürich 2006, 212-213, 227. Hermann/Räber, erscheint 2010. W.U. Guyan, Die frühmittelalterliche Siedlung von Osterfingen, ZAK 11, 1950, 193–215, bes. 200–201. Ausgrabung Osterfingen 1986, unpubliziert KASH 18/004; Zu den Ofenkacheln Bauernhäuser wie Anm. 261. M. Höneisen, Merishausen – Zu den Anfängen des Dorfes, in: Bänteli/Höneisen/Zubler 2000, 208; W.U. Guyan, Mogeren, ein wüstgelegter Adelssitz bei Schaffhausen, in: Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 4, 1976, 49–67. Bänteli 2000, 64–65. Neuer Übersichtsplan von Berslingen in Bauernhäuser 2010, wie Anm. 261. Hermann/Räber, erscheint 2010. Allgemein dazu: Untermann 2009, 226-232. Ein diesbezügliches Projekt ist in Schaffhausen in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv angelaufen, um die Steuerbücher und die Stadtrechnungen, die bis ins Ende des 14. Jhs. zurückreichen, für diesen Zweck auszuwerten. Bänteli 2010, 156–157. Untersuchte Beispiele aus der zweiten Hälfte des 15. bis ins 16./17. Jh. sind nicht Gegenstand dieser Arbeit. Allgemein dazu: Untermann 2009, 255-257. Einen Steinsockel besitzt in Stein am Rhein das Haus zum Chupferberg in der Unterstadt 28 von 1471, oben S. 53. Unten Eugster, S. 153–154. Handbüchsen sind in Schaffhausen ab 1413 nachgewiesen, Vgl. Anm. 252. DBfAZH 665342/109, 665343–665344/110–11, 665349/116 und 665359/129. Unten Eugster, S. 153. Die Datierung der Föhrenholme ergab kein Ergebnis, DBfAZH 665345–665346/112–113. Schmitt 1988, 371. Die Datierung der Föhrenholme ergab kein Ergebnis, DBfAZH 665347–665348/114–115. Dieser Teil ist 1895/97 entfernt worden: IBID 2003/1 121; IBID Bilddokumente 35. Oben S. 80–81. Frauenfelder 1958, 315; IBID 2003/2, 53–54 und Bilddokumente 68 und 105–110. Prellhölzer auf Hohenklingen sind nicht dendrodatiert, weil sie meist ein unzuverlässiges Datum ergeben. Dazu die Erfahrungen an der Stadtbefestigung von Oberwesel, Stenzl 2004, 100. Allgemein dazu: Zeune 1997, 99. Allgemein zu Maulscharten: Zeune 1997, 102–103; Burgen I, 1999, 254–255. Sichtbacksteinausfachungen Spittel im Bürgerasyl von 1477, Bänte-

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li 2006, 32. Oben S. 92. Nach dem Plan bei Stiefel 1921, 112 lag sie ursprünglich bei der Maulscharte unmittelbar vor dem Aborterker; in den Plänen der Siebzigerjahre des 20. Jhs. ist sie gegen Osten verschoben eingezeichnet. Allgemein zu Aborten auf Burgen: Zeune 1997, 187–189. IBID 2003/2, 19, 28. Die zugehörige, aus Backsteinen erstellte Latrinengrube wurde 2007 oberflächlich abgedeckt. Oben S. 27–28; unten S. 109. Stadtgeschichte 1957, 152; Frauenfelder 1958, 305. Bd. 2, Heege, S. 121–127, 211. Rahn 1889, 128; Stiefel 1921, 97 mit Anm. 1. Er ist 1812 bis zur ersten Schlüsselscharte am Zwinger weitgehend neu aufgemauert worden: Befund 2006 und Stiefel 1921, 100. Zu Flankierungstürmen: Burgen I, 245–247. W. Schild, «dass wer zu töten weiss auch zu sterben lerne», Thema Spuren des Rechts, in: Archäologie in Deutschland 2, 2007, 25. DBfAZH 665803, 665809; undatiert 665805–665808; Bericht 611, Felix Walder. Oben S. 51. Hürlimann 2007, 30. DBfAZH 665300/65. Rahn 1889, 130. Der moderne Aussenverputz ist nicht verändert worden. Beispiele von Geschützplattformen: Schaffhausen: St. Johann, drei Maulscharten undatiert; Obertorturm, Deckenverstärkung mit Diagonalunterzug 1613 (Akten KASH). Aarburg 1534/35, in: A. Hüssy/C. Reding, Kunstführer GSK 819, Die Burg und Festung Aarburg, 2007, 16–18; vermutlich von 1544 auf dem Turm der Burgruine Schenkenberg. C. Reding, die Burgruine Schenkenberg bei Thalheim, in: Argovia 2005, Jahresschrift der historischen Gesellschaft des Kantons Aargau 117, 35. DBfAZH 665316–665317/81–82 und 665326/93. Eugster 2007, 178–188; Bänteli/Buff 2009, 14; unten Eugster, S. 158–160. Backsteinmasse 28–29x14,5–15,5x 5,5–6 cm, gleich wie Palas-Ost von 1551, Anm. 311. Naeher 1885, 25; Rahn 1889, 128. IBID Bilddokumente 19; D. Grütter, Augenschein, Schaffhauser Stadtansichten aus dem 19. Jh., Schaffhausen 2005, Bild 383. Frauenfelder 1958, 318. IVS, Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz 2001, SH 102 und weitere Wege westlich davon. Zur Frage einer Vorburg lieferten die Leitungsgräben im Fussweg vom oberen Parkplatz (eh. Halsgraben) zur Klingenwiese keine Hinweise. Stiefel 1921, 92. Unten Eugster, S. 160. DBfAZH 665294–665296/59–61, 665358/128 und 665357/127. Masse: 14–15/29–30/6,5 cm, ähnlich wie Backsteinboden von 1526 auf der Wehrplattform im neuen Turm, oben S. 98. Zu Abtritterkern an Burgen: Zeune 1997, 187–188. IBID 2003/1, 23 und 52–57. KASH 2006/1 und 2, Plandokumentation der Restauratorin Doris Warger. Auch Frauenfelder 1958, 308. Unten Eugster, S. 160. DBfAZH 665288–665290/53–56. Allgemein dazu: Zeune 1997, 100–105; Burgen I, 1999, 254–255. Zwei Föhrenbalken nicht datierbar DBfAZH 665318 und 665320/83 und 85. Ein Eichenbalken darin datiert 1391 mit 3 Splintjahren DBfAZH 665319/84 und ist wohl wiederverwendet aus der Bauphase von 1401. Stiefel 1921, 99. Rahn 1889, 130; IBID 2003/1, 60, die dort erwähnte Scharte ist das Balkenloch. Stiefel 1921, 90. DBfAZH 665327–665329/94–96. IBID 2003/2, 22. Allgemein zu hölzernen Wehrgängen: Burgen I, 1999, 229–230; Bitterli 2004, 184–186. Zur Symbolik und Unbenutzbarkeit von Schiessscharten auch: Zeune, 1997, 50–51 und Burgen II, 1999, 24. Frauenfelder 1958, 318. Stiefel 1921, 92.

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Hürlimann 2007, 34–37. DBfAZH 665274–665277/39–42, 665281/46, 665284–665285/49– 50 (40, 46 und 49 sind unsicher in die gleiche Zeit datiert). Rahn 1889, 130; Stiefel 1921, 99. Allgemein zu Wehrerkern: Burgen I, 1999, 251–252. Die Breite ergibt sich aus dem Balkenloch des Treppenwechsels. Plan von 1896, IBID Bilddokumente 38. Stiefel 1921, 78. Knoepfli 2007, 344. Stiefel 1921, 101. Bd. 2, Heege, S. ∑. Zwischen 1586 und 1597 wurden auch die Steiner Stadtmauern ausgebessert und die dort teilweise noch sichtbaren Schlüsselscharten (z.B. zwischen Chretzenturm und grossem Hus) gehören ebenfalls in diese Zeit. Stiefel 1937, 238. Rahn 1889, 130; Frauenfelder 1958, 311. Torgewände erneuert 1948, IBID 2003/2, 46. Ihre Gewände hat man zum grossen Teil 1895/97 erneuert. Unten Eugster, S. 163. Bd. 2, Heege, S. ∑. Aufnahmen EAD Bern, 976 und 977. Unten Eugster, S. 162. IBID 2003/2. Grundlegend weiterhin dazu Sablonier 1979. Für den Raum der Kantone Zürich und St. Gallen Eugster 1995/1, und ders. 2003. Für das zürcherische Spätmittelalter neu Niederhäuser 2003 (u.a. mit Literaturübersicht S. 11). In den vorliegenden Artikel flossen zudem grundlegend neue Sichtweisen von Morsel 2004 ein. StaStaR St 15, 20-20b. StaStaR St 7, vgl. dazu hinten S. 133. UBTG II Nr. 206 (1247), URSH I Nr. 239 (1293). Der vermeintliche «Erstbeleg» zu 1146-72 in URSH Nr. 2 (Steiner Cartular), S. 26, ist eine Fälschung. Fall und Lass sind für Stein typische Streitpunkte des späteren 14. und 15. Jahrhunderts. Der Schreiber scheint gewusst zu haben, dass er eine gefälschte Vorlage benutzte. Er macht deshalb auch gar nicht den Versuch, die Abschrift einer real vorliegenden Urkunde vorzugeben und verzichtet u.a. auf Arenga, Poenformel und Datierung. Die Fälschung gehört in ein ganzes «Fälschungsnest» zu Steiner Fall- und Lass-Fragen und ist in Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen den Herren von Hohenklingen, der Steiner Bürgerschaft und dem Abt von St. Georgen vielleicht um 1332 (vgl. URSH I 543), sicher aber um 1384 von Interesse. Vgl. dazu hinten S. 139. Ebenfalls gefälscht ist URSH I Nr. 158, wo 1267 Herren von Klingen «ob Stein» erwähnt werden (Eugster, 2007, 93) . Zu den Zähringern neu Parlow 1999. Das Konstrukt einer Zähringer Vogtei über Stein (erstmals bei Neugart 1862, 175) basiert letztlich auf einer einzigen, falsch interpretierten Urkundenstelle: 1169 nennt sich Herzog Berthold IV. «Vogt» St. Georgens in Kirchen (nördlich von Basel) (UBBS I Nr. 43; Parlow, 1999, Reg. 459). Daraus leiteten Neugart etc. eine Zähringer Kastvogtei über St. Georgen ab. Aber: Ein Jahr zuvor wurde Berthold IV. explizit Gutsvogt (eiusdem predii advocatus ) St. Georgens im Raume Kirchens genannt und eben nicht Kastvogt (Parlow 1999 Reg. 458). Es leuchtet darum nicht ein, warum die in der vermutlich zurückdatierten Urkunde von 1169 gewählte, unpräzise Formulierung anders als ein Jahr zuvor eine Kastvogtei umschreiben soll. Vielmehr übten die Zähringer um 1170 in einem Kernbereich ihrer Herrschaft die Gebiets- oder Ortsvogtei über die für St. Georgen abgelegenen grund- und kirchherrlichen Rechte bei Kirchen aus (vgl. analog die Gebietsvogteien anderer süddeutscher Adliger über die St. Georgen-Güter in Burg (b. Strassberg) und Schwenningen (URSH I Nr. 214a/b, STASH Urk. 2 Steiner Kartular S. 59f)). Die Zähringer drängten sich zudem weder quasi als «Bamberger Vögte» noch als einflussreiche Herren im Raume Steins für die Steiner Kastvogtei auf. Sie waren in und um Stein nicht begütert und amteten nur ein einziges Mal als Bamberger Vögte zwischen Basel und Bodensee (QSG III /1 Nr. 3 S. 6f: Bertold I. «advocatus super easdem res» («Vogt in dieser Angelegenheit»)). Es ist unerklärlich, wie Mayer 1958, 346 aus dieser Quelle herauslesen konnte, der Zähringer sei hier explizit als Vogt über Stein (wird in der Urkunde gar nicht erwähnt!) bezeichnet worden. Die Zähringer Vogteirechte über Bamberg sollten dringend neu untersucht werden (vgl. Schmid

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1990, 49-79, bes. Anm. 11). Im Falle der «munitio que dicitur Stein» von 1094 (URSH I Nr. 24; QSG III/1 Nr. 21) fehlt jeglicher Bezug zu den Zähringern (so schon Zettler 1990, Anm. 100!); zudem ist hier kaum Stein am Rhein gemeint (Eugster 2007, 109). Zu den Herren von Klingen Eugster 2007, bes. 94-109, und Wappenrolle 1930, Nr. 51f, S. 28f. Immer noch grundlegend Pupikofer 1869. Zu Hohenklingen Stiefel 1921. Ferner Mittler 1947, und GHS IV, 169f. Zu den frühesten Herren von Klingen - rein von Hypothesen zu den Vornamen ausgehend - Meyer 1968, bes. 107-111 und Anm. 95f105. Nicht berücksichtigt ist «Vogt Walter» aus der Fälschung von 114672. Vgl. Anm. 347. Belege zu den Laien 1169-1227: REC I S. 113 Nr. 1014, S. 115f; UBTG II Nr. 51, 57; UBZH I Nr. 355; UBSG III Nr. 839; Cod. salem I Nr. 89; URSH II Nr. 846; UBZH XII Nr. 401a; Cod. salem. I Nr. 141; UBTG II Nr. 121. Zu Abt Heinrich: Meyer von Knonau 1879 115f. Zur Vogtei über Wagenhausen Meier 1968, 107-111. Zwischen 1190 und 1200 eingetragen ist Oudalricus laicus, advocatus, zwischen 1200 und 1230 Walterus advocatus et monachus. Ungesichert ist, ob der zwischen 1142 und 1155 eingetragene Waltherus monachus advocatus Gatte von Tuota, Angehöriger der Familie des Stifters von Wagenhausen, war. Meier, der URSH I Nr. 72 nicht als Fälschung erkannt hat, identifiziert ihn mit dem in der Fälschung zu 1146-72 (vgl. Anm. 347) erwähnten «Walter von Klingen», der die Herren von Mammern beerbt und von diesen auch die Steiner Vogtei übernommen habe. Der Kehlhof wird in der Staufer Urkunde von 1166 (Reg. Imp. IV, 2,2 Nr. 1588) als curtis, Fronhof, bezeichnete wohl mit herrschaftlicher Eigenkirche analog zur 1155er-Urkunde Barbarossas (Reg. Imp. IV, 2,1 Nr. 369, MG DD F. I Nr. 128), vgl. dazu Feger 1943, 5ff. Mittelpunkt eines solchen Fronhofes war der Herrenhof des Grundherrn. Zum Fronhof gehörte das in Eigenwirtschaft betriebene Salland, neben Äckern und Wiesen u.a. auch Weiden und Forste. Der Herrenhof war Träger und Sitz des Hofgerichts, wo Fragen beispielsweise zu Wunn und Weid sowie Twing und Bann geregelt wurden. Oft war dem Herrenhof eine herrschaftliche Eigenkirche angegliedert. Im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts lösten sich auch im Konstanzer Herrschaftsbereich die Fronhöfe auf. Meier oder Keller übernahmen den Fronhof, nun Meierhof oder Kehlhof genannt, zu dessen Ausstattung weiterhin der nicht parzellierte Kernbestand des Sallandes gehörte. Die «vordere Burg» Hohenklingen (vgl. Anm. 354) muss auf solchem altem Salland gestanden haben. Vgl. dazu Rösener 1991, bes. 237-274. // Zur Besitzgeschichte des Kehlhofes Öhningen vgl. Anm. 355. 1359 war die «vordere Burg» Hohenklingen Zubehör des Kehlhofes Öhningen. Die Freiherren von Hohenklingen besassen den Kehlhof und die Burg als Lehen des Bischofs von Konstanz. Auch die Gebiete «hinter Klingen», namentlich die Gegend des Hohlwegs und «Chalchofens», gehörte nach Meinung der Öhninger noch im 15. Jahrhundert zum Twing und Bann des Kehlhofes Öhningen und zum Kirchspiel der Öhninger Kirche. Es existiert kein Hinweis darauf, dass die Burg Hohenklingen im 13. oder 14. Jahrhundert von den Herren von Hohenklingen an den Konstanzer Bischof übertragen worden wäre. Man hat deshalb davon auszugehen, dass die «vordere Burg» Hohenklingen – sie ist im wesentlichen mit der heutigen Burganlage Hohenklingen gleichzusetzen – ein altes, in das Hochmittelalter zurückreichendes Zubehör des Kehlhofes Öhningen war (StaStaR St 1 (Druck/Regest in UBTG V Nr. 2403 und URSH I Nr. 830)). Dass es sich um den Kehlhof handelte, ergibt sich aus RsQ I Nr. 1548. Eine Integration der Burg in den «untergeordneten» Konstanzer Kehlhof Öhningen macht auch politisch nach 1250 absolut keinen Sinn, vgl. dazu hinten S. 114. – Zu Twing- und Bann und dem kirchenherrschaftlichen Zuständigkeitsbereich des ehemaligen Öhninger Fronhofes StaStaR Oe/A 2&2a, 5 (wer «das alt hus ze Clingen» bewohne, sei nach Öhningen kirchgenössig; Nr. 5 dorsal «hinter Klingen»). Die Vorstellung, dass zumindest ein Teil von Hohenklingen nach Öhningen pfarreigenössig sei, hat sich in der Öhninger Sagenwelt bis heute erhalten (Merk 1988, 239). Die noch im 15. Jahrhundert belegten hohenklingischen Zehntrechte in Öhningen sind ein weiteres deutliches Indiz für diesen älteren Zusammenhang zwischen Herrenhof, Eigenkirche und Burgstelle (RsQ I Nr. 1643). – Die «hintere Burg» wurde 1359 als Eigentum der Herren


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von Hohenklingen bezeichnet. Vgl. aber dazu hinten S. 133. Zur Geschichte Öhningens vor 1120 Schmid 1966, 43-94. Die Besitzgeschichte des Kehlhofes Öhningen ist seit dem 12. Jahrhundert bekannt: Der Fronhof Öhningen, Vorläufer des Kehlhofes, gelangte um 1120 als Heiratsgut der Welfin Judith an Herzog Friedrich (II.) von Staufen, den Vater von Kaiser Barbarossa. Letzterer übertrug ihn 1166 an das Stift Öhningen. Sein Sohn Heinrich VI. schenkte 1191 das Stift samt Kastvogtei und Kehlhof dem Bischof von Konstanz. Die Burgstelle Hohenklingen muss somit um 1120 ebenfalls an die Staufer und 1191 an den Bischof von Konstanz gelangt sein (zu 1166 Reg. Imp. IV, 2,2 Nr. 1588 (Druck MG DD F I Nr. 519; hier wird auch die später hohenklingische Burg Kattenhorn als Besitz Öhningens bestätigt); zu 1191 Reg. Imp IV, 3, 1 Nr. 144). Die Herren von Hohenklingen waren bis 1300 im Besitz der Herrschaft Twiel (UBTG VIII NN 8). Umfangreiche Besitzungen in Ramsen und im Raum Singens sind seit 1247 (UBTG II Nr. 206) bis zum Aussterben der Freiherren belegt. Zum Twiel Schmid 1957. Maurer 2003, 393-432. Cod. salem. I Nr. 89 (1214). Dazu neu Sablonier 2008, bes. 109ff. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass die Zähringer seit dem späten 11. Jahrhundert weit häufiger im Gegensatz zu als im Einklang mit den deutschen Königshäusern handelten, wird die Vorstellung einer quasi Jahrhunderte überdauernden Zähringer Kastvogtei über St. Georgen ebenfalls obsolet. Parlow, Reg. 540, 542-547. 1197/98 Thronkandidatur Bertholds V. gegen Philipp von Schwaben. Die von Bischof Diethelm moderierte staufisch-zähringische «Versöhnung» war nur vorübergehend; dazu Maurer 2003, 393-432. Ansprüche der Welfen/Reichenaus bei Schmid 1966, 142-158. Zu den Auseinandersetzungen im Rahmen des Thronstreites Leuschner 1975, 57-66. REC I Nr. 1231. Rein theoretisch könnte auch eine schon 1209 existierende Klingenvogtei über Bischofszell oder gar die Vogtei über das reichspolitisch unwichtige Wagenhausen zur Vogt-Bezeichnung geführt haben. In späterer Zeit benennen sich aber immer nur die Inhaber der Reichsvogtei als «Vögte». Analog die etwas spätere staufische Bezeichnung der Herren von Rapperswil als advocati, als Träger umstrittener staufischer Lehensgüter (Sablonier 2008, 52f und Anm. 94f). Zur Einordnung Walters (III.) vgl. hinten S. 131. Parlow 1999, Reg. 540-547, 574ff. Zimpel 1990, 25-62. UBTG II Nr. 121. TUB II 121; RsQ II Nr. 204. Auffallend: Ulrich von Klingen setzt gegen jede Strategie der Stammeserhaltung (vgl. dazu Spiess 1993, bes. 532ff) seinen Schwager und nicht einen Agnaten als Testamentsvollstrecker und Begünstigten ein. Vgl. Anm. 368. Erster Hinweis in REC I 1485 S, 171f (Ulrich von Klingen wird in auffallender Weise als Lehensmann des Konstanzer Bischofs bezeichnet). Deutlicher UBTG II Nr. 222 (vgl. auch REC I Nr. 1729). Meier 1968, Anm. 105, übersieht, dass kein Angehöriger der Altenklingen-Linie je «Vogt von Klingen» oder ähnlich genannt wird. Grundsätzlich ist vor 1239 keine Vater-Sohn-Beziehung belegt. Walter (III.) könnte also auch der Sohn Walters (II.) gewesen sein, falls der Regent des Geschlechtes Ulrich (I.) kinderlos geblieben sein sollte. Unklar ist auch, ob in der Stauferurkunde von 1214 (Cod. salem. Nr. 89) Walter (III.) mit Sohn Ulrich (III.) zeugte oder letzterer mit seinem Bruder Walter (IV.). Unsicher bleibt zudem die Zuordnung des 1247 in der Urkunde von Vogt Ulrich I. zeugenden Walter «Sohn des dominus Ulrich (= Ulrich (III.) oder Ulrich I. von Altenklingen?) von Klingen». Aufgrund der Position in der Zeugenliste muss er entweder knapp volljährig, aber noch nicht miles, oder Anwärter auf eine geistliche Funktion gewesen sein. – Schlüsselurkunde ist das «Testament» Ulrichs I. von Altenklingen: Er vermachte 1227 in völlig auffallender Weise alle seine Allode an seinen Schwager, dem er auch die Vormundschaft über seine Söhne übertrug. Verwandte «von Klingen» werden in der Urkunde nicht einmal als Zeugen erwähnt. Dies hätte gegen alle erbrechtlichen Usanzen verstossen und wäre problemlos anfechtbar gewesen, sofern volljährige (= über 16-jährige) agnatische Verwandte nicht geistlichen Standes existiert hätten (TUB II 121; RsQ II Nr. 204). Also müssen Walter (IV.) und Ulrich (III.) 1227 gestorben und Ulrich I. resp. Walter I. von Hohenklingen 1227 noch minderjährig gewesen sein. Vgl. dazu Spiess 1993, 201ff. – Noch im Jahr 1252, als die Söhne Ulrichs I. von Al-

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tenklingen dessen Erbe teilten, wurden deren patrueles (hier: agnatische Verwandte 3. Grades) Ulrich I. und Walter I. von Hohenklingen nach Klingnau gerufen, damit sie als Zeugen den Teilungsvorgang sanktionierten. Zur Conversio vgl. Spiess 1993, 460ff; zu den Bauten vor 1218 Bänteli, S. 21–24. Vgl. Bänteli, S. 33–36. Vgl. Bänteli, S. 36–37. Zu dieser Frage Bänteli, S. 21–23. Vgl. Bänteli, S. 47. Nobiles: Sablonier 1979, 22-26. Eugster 1995, 178. Zur faktischen Bedeutung des Lehenswesens wegweisend ist die Sicht Morsels 2004, bes. 109-115. Eugster 1995/1, 184-200, Eugster 1995/2. Zum (Verdrängungs-) Druck auf nobiles ausführlich Sablonier 1979, 210-224, und Eugster 1991, z.B. 110-170, 271-318. Zimpel 1990, 133ff, 299ff; Zimpel 1994, 50-59. Deutliche Belege in diese Richtung: REC I Nr. 1485 (klare bischöflich-konstanzische Ansprüche auf «oberlehensherrliche» Rechte am Bernau-Erbe der Herren von Klingen), UBTG II Nr. 222, vgl. auch REC I Nr. 1729. Grundlage: Zeugen-, Hof- oder Landrichterdienste, Lehens- und Pfandnahmen der Herren von Hohenklingen. Zur ev. überzeichneten, vorübergehenden Anlehnung an Kyburg 1239-1264 vgl. Anm. 381. REC III Nr. 8179, 8223, 8269, 8333; HS I/2, 340-348. Zu solchen Ansprüchen Sablonier 1981, 41-45, und generell zur Beanspruchung von Reichsvogteien Sablonier 2008, 109ff. Zu 1247 UBTG II Nr. 206 (Ulrich «advocatus») und Reg. Imp V Nr. 7873 (es ist unklar, ob es sich um Ulrich von Altenklingen oder um Ulrich I. von Hohenklingen handelt), zur Fehde UBTG II Nr. 292, REC I Nr. 1790 (es ist unwahrscheinlich, dass es sich hier um Walter von (Alten-)Klingen handelte, welcher im Teilungsvertrag ja die Aargauer Rechte erhalten hatte (UBTG IV Nachtrag 10)); zur Beziehung zu Kyburg UBZH II Nr. 550, 552, 556, 599f, 732, zudem Reg. Imp. V Nr. 7873. Es ist aber zu berücksichtigen, dass es sich ausschliesslich um Zeugendienste handelt, wobei die Zuweisung zu einem der beiden Klingen-Zweige nie sicher möglich ist. Zudem könnte es sich (teilweise) auch um erzwungene Zeugendienste handeln, die mehr kyburgischen Druck als Schutz belegen (vgl. Sablonier 1981, 45-47 bes. Anm.). REC I 2308; Thommen I Nr. 86. Vgl. dazu S. 134. Meyer 1933, bes. 5-35; Sablonier 1979, 210-215. Kuchimeister 1881, 324. Belege zu 1378ff weiter unten. Bittmann 1991, 80f. Vgl. STASH Nr. 781 (Regest in UBTG V Nr. 2150) aus dem Jahr 1353. Vgl. dazu hinten S. 131–132. Vgl. dazu den Stammbaum hinten S. 131 und detailliert S. 132. Eugster 2007, 100f; Eugster 2003/2, 120-122. Entscheidend sind UBTG VI Nr. 2555 (1361) und 2622 (1362), womit Hohenklingen und Stein für 4400 Gulden Dienst an Österreich wieder in der Hand von Ulrich VI. und Ulrich VII. vereint waren. Österreichische Räte verdienten anfangs des 15. Jahrhunderts rund 300 Gulden jährlich. Zur Führungsschicht der sich ab etwa 1384 zielstrebig ausbildenden Zürcher Territorialmacht (vgl. dazu Eugster 1995/2, 306-333 und Sieber, 1995, 476) verfügten die Herren von Hohenklingen über beste persönliche Beziehungen, da die Zürcher Bürger ihre altenklingischen Lehen nach 1395 konsequent auch von Walter VII. von Hohenklingen empfingen. Zudem war Walters Tochter Anastasia 1412 bis 1429 Äbtissin des Fraumünsters (HS III/1 Bd. 3, 1977-2019; vgl. dazu das folgende Kapitel). Thommen II Nr. 352, 428. Vgl. Bänteli, S. 36–37. Vgl. Bänteli, S. 44–45. Vgl. Bänteli, S. 45–46. Umrechnungsfaktoren sind im folgenden: 1300: 1 Mark Silber = 2.5 Pfund = 4.5 Gulden = 50 Schillinge. 1350: 1 Mark Silber = 5 Pfund (STAZH C II 18 Nr. 586); 1 Gulden = 1 Pfund (explizit in UBTG VI Nr. 2436). 1385: 1 Mark Silber = 6 Pfund = 6 Gulden = 120 Schillinge (EA I Beilage Nr. 39).

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1386-1450: 1 Mark Silber = 8 Pfund = 160 Schillinge. Stein machte die Währungsreform König Wenzels (vgl. Bittmann 1991, 41) 1385 nicht mit. Das Pfund wurde weiterhin zu 20 Schillingen resp. 240 Haller gerechnet. Ein Gulden entsprach 1300 rund 11 Schillingen, der Umrechensatz stieg bis 1495 auf 15 Schillinge (explizit StaStaR RP 2 fol 27). 1 Stuck (1 Malter ungespelztes Getreide, ein Mütt entspelzter Dinkel, 6 Viertel Roggen) entsprach 1300 5 Schillingen, 1450 9 Schillingen (StaStaR TG/E Nr. 7f; der Schilling zu 12 Pfennigen). Die Zahlen entsprechen damit unter Berücksichtigung der nicht durchgeführten Währungsreform jenen Bittmanns, 1991, 51 STAZH C II 13 Nr. 433. Vgl. dazu Bänteli, S. 64. Berechnung: Zum Wert der 1457 veräusserten Herrschaft Stein (24500 Gulden) wurde der Wert des Aarburg-Hofes in Stein (vgl. dazu unten) addiert (200 Gulden in StaStaR Kbr 17). 1419/1433 hatte die Herrschaft beim Verkauf zwar nominell nur einen Wert von 17800 Pfund resp. Gulden (URSH I 1654/2, 1885). Erstens hatten die Herren von Hohenklingen aber früher bereits Teile der Herrschaft an die Klingenberger verkauft (z.B. StaStaR St 18), zweitens war insbesondere der Pfandteil der Herrschaft bereits vor 1419 resp. 1433 mit Aussteuern, Ehesteuern und Pfändern belastet, die der Klingenberger über die Käufe von 1419/1433 hinaus auszulösen hatte (Bespiele: URSH I Nr. 1565, 1891f, FUB III Nr. 84). Drittens sind zu den 17800 Gulden 800 Gulden für die vier Stadthöfe der Herren von Hohenklingen zu addieren. Die 1457 nicht inbegriffene Vogtei Wagenhausen/Etzwilen war 640 Gulden wert (32 Gulden Jahreszins gemäss StaStaR Wa/U 1). Zu den nach 1400 veräusserten Höfen, die in der Regel einen Wert von rund 200 Gulden hatten und zu den übrigen Rechten RsQ I Nr. 1577f, 1643, RsQ V Nr. 1704, WUR Nr. 9621-9623 (die Güter in Singen zinsten pro Jahr 57.5 Pfund), StaStaR St 425. Grundlagen: StaStaR St. 60-60c, wo Steuern, Vogtrechte, grosse und kleine Zölle, Ungülten, Viertelgeld, Bankzinsen, Marktgelder explizit erwähnt werden, und StaStaR Fi 267 von 1463, wo diese Einnahmen detailiert aufgelistet sind. Das Kloster zahlte 1462 für die Vogtsteuer 4 und für «Dienste» 8 Pfund jährlich (StaStaR Kl A 21/21b). Gemäss Fälschung von 1267 zahlte das Kloster nur 8 Pfund (URSH I Nr. 158). Zur Stadtbrücke Eugster 2007, 95. Die dem Vogt obliegende Pflicht des Brückenunterhalts wird in StaStaR St. 60-60c explizit festgehalten. Eugster 2007, 95-99. Hier wurde die Einführung der Vermögenssteuer noch auf die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts veranschlagt. Zur Datierung der Höfe Bänteli, S. 51–59. Aarburg-Hof beim Obertor StaStaR Kbr 17. Ulrich X. behielt ihn im Rahmen der Total-Liquidation von 1433 (StaStaR St 20-20b). Gemäss Wachtverzeichnissen war er nach 1433 Wohnsitz Ulrichs X., im Jahr 1448 jener «der (Frau?) von Aarburg» (StaStaR Bü 72, Bl. 29 (zwischen 1433 und Ulrichs Tod), 31f (1448)). Zur Namensgebung: Der Hof dürfte Wittum Ursulas von Aarburg gewesen sein, der zweiten Gattin von Walter VII. von Hohenklingen. Die Spur einer zweiten Ehe Walters VII. mit Ursula von Aarburg ergibt sich aus Merz 1901, Nr. 26: Ursula von Aarburg ist 1415 belegt als Gattin Walters von Klingen gemäss Jahrzeitbuch Büron XII. Kal. Oct (20. IX.): Hic agatur memoria et anniversarium Waltherin armigeri de Clingen et uxoris sue domine Ursule de Arburg. Um 1415 lebte nur Walter VII.. Zur Lage: Der Aarburghof, der früher «denen von Aarburg» gehört hatte, lag 1477 mit «Hof, Behausung, Hofraite, Garten, Bäumen bei dem Obertor in der Stadt» (StaStaR Kbr 17). Ursula hat somit ihren Sohn Ulrich X. überlebt und noch einige Jahre Teile des Hofes beim Obertor als Witwengut besessen, welche seither als «Aarburg-Hof» bezeichnet wurden. Diese Hofteile gingen nach dem Tod Ursulas auf unbekanntem Weg an Kaspar von Klingenberg über. Dieser verkaufte sie 1457 zusammen mit dem Niederhof und den übrigen Teilen des Hofes beim Obertor an die Stadt Stein (StaStaR St 60-60c, St 425). Die Existenz von VIER Höfen um 1460 ergibt sich zwingend aus folgenden Dokumenten: Im Klingenberger Verkauf von 1457 (StaStaR st 60-60c) werden pauschal drei Stadthöfe der Herren von Hohenklingen erwähnt. In StaStaR St 425 und danach in zahlreichen Steuerlisten werden diese namentlich genannt: Der Niederhof, der Oberhof und der Hof «der von Aarburg». Auch Isaak Vetter, Ge-

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schichte der Stadt Stein Bd. III (StaStaR Bü 46) unterscheidet auf S. 151 zwischen dem Ober- und dem «Aarburger-»Hof. Letzterer kann nicht mit dem «Gross Hus» (Kanzley, die sich Ulrich X. beim Verkauf 1433 (StaStaR St 20) vorbehielt) identisch gewesen sein, da beide Höfe separat in den Steuerlisten geführt werden (z.B. StaStaR Bü 72 fol. 39v-41). Alle vier Höfe resp. Hofteile kommen nach 1465 auch in den Ratsprotokollen vor (StaStaR RP 1-3). Sie werden in der Regel für rund 10 Gulden pro Jahr vermietet. Der Steiner Rat legte die Bestandteile der beiden hohenklingischen Höfe beim Obertor nicht wieder zusammen. Nicht genauer lokalisierbare Teile wurden weiterhin als «Aarburghof» mit dem späteren Pulverturm als Zentrum an Adlige vermietet. Der «Oberhof» ist namentlich erstmals belegt um 1470/90 (StaStaR AH 494). Er umfasste zur Hauptsache einen geschlossenen Hof östlich des Obertores und bildete wie der Aarburghof für Adlige ebenfalls einen standesgemässen Wohnsitz (vgl. StaStaR AH 494). Teile des Oberhofes wurden indes schon im 15. Jahrhundert ausgeschiedenen: Eine Stube des Oberhofes könnte dem Steiner Rat vorübergehend als Tagungslokalität («Oberstübli») gedient haben. Weitere Teile, welche wahrscheinlich auch südlich des Obertores lagen, gingen als Wohnraum an die Steiner Oberschicht über (vgl. dazu Eugster 2007, 125f). Grundlage für diese bauarchäologisch noch zu überprüfende These sind die Lokalisierungen in den Steuerlisten StaStaR Bü 72, Bl. 29 & 31f sowie Bü 72 fol. 39-41; vgl. dazu auch die Lokalisierungen von Ambühl zur Linde und zum Gelben Löwen (StaStaR 00.08.00-1ff.). Weitere Bereiche wurden als Herberge resp. als Stall für adligen Tross ausgeschieden (vgl. Anm. 407). Im Laufe des 16. Jahrhunderts ging der Namen Aarburghof verloren und der ganze beim Obertor liegende Hofkomplex wurde als «Oberhof» bezeichnet. 1448 stand auf seinem Areal ein grosser Stall mit eigenem Brunnen, 1474 eine «Herberge» (vgl. Steuerlisten bes. StaStaR Bü 72 fol. 31f, Bü 92 fol. 33-41, Fi 300-302 und StaStaR RP 3 fol. 67, 86-89; zu den frühen Sitzungen des Steiner Stadtrates im Oberstübli StaStarR RP 1 fol. 12). StaStaR Kbr 18; der Niederhof ging 1419 an Kaspar von Klingenberg und 1457 an die Stadt Stein über (StAStaR St. 15, St 60-60c, St 425). Ulrich X. behielt sich 1433 auch diesen Hof vor (StaStaR St 2ß20b); der Hof ist 1337 erstmals belegt als Haus «im Fronhof» (URSH I Nr. 607). Gemäss Wachtverzeichnis, erstellt zwischen 1433 und Ulrichs X. Tod (StaStaR Bü 72 Fol. 29), waren das «Gross Hus» wie die südlich daran anschliessende Liegenschaft («Winde»), welche der Winterthurer Ulrich Wetzel bewohnte, wachtdienstbefreit. Dies ist ein Hinweis darauf, dass das «Gross Hus» ursprünglich «Kanzley» und «Winde» umfasst hatte. Von Ulrich X. gelangte die «Kanzley» an diverse Adlige (1448 Goscholzin, 1463 Ott von Hochmessingen usf.), später an das Steiner Spital, die «Winde» gelangte vor 1448 an Bettenhofer und vor 1463 an Ittingen (zu 1448 StaStaR Bü 72 Fol. 31f und 39v-41; zu 1463 Fi 265). «Der Mor» lag am Kirchhof (StaStaR St. 20-20c) resp. gegenüber dem heutigen Bürgerasyl (StaStaR RP 1 fol. 57; fol.11 in gleichem Zusammenhang «hinter dem Bauhaus»). Vgl. dazu Morsel 2004, bes. 88ff. Dies ergibt sich deutlich aus StaStAR RP 3 fol 87-89, vgl. dazu unten. Die Bezeichnung «Schloss Stein» erstmals in der Liquidationsurkunde Ulrichs von 1433 (StaStaR St 20: Recht Ulrichs XI., im Stadtgraben zwei Kühe weiden zu lassen), danach bis um 1435 häufig (StaStaR St 21, 37, J 911 („ze Stain in dem Schloss uff der loben“), STAZH C I Nr. 3173 usf. Eugster 2007, 104; zu den Rechten nördlich des Hofbezirkes und den Wiesen (Rietwiese, Wenmanpünt) z.B. StaStaR St 15, 20-20b, RP 2 fol 86. Vgl. dazu Eugster 2007, 96 und Bänteli, S. 51. Vgl. Bänteli, S. 49–50. So 1455 StaStaR St 28. StaSH Nr. 5601 (1523), STAZH A 145 Nr. 4, 86. Z.B. StaStaR St 20-20b. StaStaR RP 3 fol 87-89. Zu Wert des Aarburg- resp. Niederhofes StaStaR Kbr 17. Vgl. Bänteli, S. 57. Zur Datierung des «Gross Hus» Bänteli, S. 55.


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Zur Vogtsteuerfreiheit des «weissen Felsen» und des (hinteren) Teils des Spitals StaStaR Bü 72 fol 33-36, 39v-41. URSH I Nr. 274. Zu diesen Begriffen vgl. den folgenden Abschnitt zur Familienpolitik. Eugster 2007, 153. Eugster 2007, 143-146, 154 für Stein um 1500 (Annahme: 200 Erwerbstage/Jahr), der Handwerker-Tagessatz von maximal 2 Schillingen ist bereits deutlich früher belegt. Vgl. auch St. Galler Geschichte Bd. 2, 48. Zu Zürich Gilomen 1995, 340. Spiess 1993, 395. StaStaR St 8 (=URSH I Nr. 1565), Spiess 1993, 344ff. UBTG VI Nr. 2619 (Reg.); FUB II Nr. 364. Die Widerlegung von Heimsteuer und Morgengabe scheint dann in der Form eines österreichischen Pfandes auf Stein am Rhein erfolgt zu sein (vgl. vorne und Thommen I Nr. 754). Die Widerlegung Ulrichs X. für seine Gattin Agnes bewegte sich mit 1000 Gulden in vergleichbarer Höhe (TirolLA libr. fragm. fol 416). Zur Höhe der Morgengaben Spiess 1993, 133ff. URSH I Nr. 1175/2; Nr. 1607 (1417) läuft letztlich auf eine Bürgschaft Walters VII. in der Höhe von 1000 Gulden und 400 Pfund (20 Pfund kapitalisiert mit dem Faktor 20) für Schulden seines Neffen Ulrich IX. hinaus. Dies entspricht den Durchschnittszahlen bei Spiess, 1993, 395ff. Zur Witwenversorgung vgl. auch die Zahlen bei Leonhard/Niederhäuser 2003, 107f. Zur Höhe der Dienstgelder Bittmann 1991, 61. Zu den Solddiensten ebda. 80, 82. Beim Soldunternehmer 1357 handelte es sich eher um den in dieser Zeit nicht in Stein nachzuweisenden Ulrich VII. als um dessen wesentlich älteren Bruder Ulrich VI. 1368/72 war Ulrich VII. der einzige Hohenklingener mit Vornamen Ulrich. Er muss also schon recht betagt immer noch Solddienste geleistet haben. Ulrich VII. kommt nach einer drittletzten Erwähnung 1372 nochmals in einer Urkunde im FFA Donaueschingen vom 5.10.1381 vor. Sein Sohn Walter VII. amtiert aber schon 1379 als Träger der Reichsvogtei Stein (UBTG VII Nr. 3540). 1385 siegelt er explizit als Ausüber der Reichsvogtei für seinen offenbar immer noch lebenden Vater (URSH I Nr. 1175/2; Druck Vetter 1884, 95-105). Vgl. dazu den folgenden Abschnitt S. 133–134. Ulrich IX. und Ulrich X. blieben kinderlos. Im Mittelalter blieben gemäss Spiess 1993, 444ff, 25% aller Adelsehen kinderlos oder söhnelos. Eugster 2003, 114-121. Zum Analphabetismus Walters VII. vgl. unten S. 128. Die Urbare Ulrichs XI. liegen heute im FFA Donaueschingen (Regesten in FUB IV. Nr. 461 A. 5 und Nr. 537a A. 2). Vgl. hinten S. 136–139. Vgl. dazu unten S. 141. Ulrich IX. könnte ebenfalls als Militärunternehmer in Italien gewirkt haben. RsQ I Nr. 1548, II Nr. 1704, 1718f, UBSG IV Nr. 2404, 2441, StaStaR Hw 307, URSH I Nr. 1607. Zur Widerlegung von 1000 Gulden für seine Gattin Agnes TirolLA libr. fragm. fol 416. Zur Lebenshaltung Ulrichs IX. vgl. die Chronik Ulrich von Richentals (Eugster 2007, 107). URSH I Nr. 1654/2; zur Auseinandersetzung vgl. unten S. 134. Bittmann 1991, 175f. Thommen III Nr. 222. Hof und Vogtei in Hemishofen (URSH I Nr. 1751), Hälfte der Vogteiherrschaft Eschenz (Stiefel 1921, 50); die andere Hälfte war schon 1359 veräussert worden. 3050 Gulden Schulden wurden durch Kaspar getilgt resp. übernommen (StaStaR St 37f), auf Stein haftete auch die Widerlegung Ulrichs X. für seine Gattin Anna von Ramstein von mindestens 400 Gulden (FUB III Nr. 84 = Teilzahlung?). URSH I Nr. 2031/2. FFA Lehenurbar Junker Ulrichs des Jüngern von Klingen (Senioratslehen Vol. IV fasc. 8, Nr. 1). Nicht berücksichtigt wurden die verliehenen Zehnten. Das Stuck wurde zu 7 s gerechnet (vgl. dazu Bittmann 1991, 51 mit den Umrechnungsfaktoren für Städte, welche die Währungsreform von 1385/86 ausgeführt hatten). StaStaR St. 20-20b. Zu diesem Abschnitt generell Spiess 1993, hier bes. 290ff, 327ff, 532ff und – sehr viel skeptischer gegenüber so genannten mittelal-

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terlichen Familienstrategien – Morsel 2004, 5 und 136-139. Zur Genealogie: Sie fusst auf über 900 urkundlichen Belegen, die hier nicht einzeln nachgewiesen werden können. Im Gegensatz zu den Arbeiten von Pupikofer 1869, und Stiefel 1921, wurden auch die Dokumente im GLA, im FFA und in österreichischen Archiven erfasst. Dies, die Elimination zweier Fälschungen und die systematische Erfassung der Siegel ergaben folgende wesentliche Änderungen gegenüber der bei Stiefel 1921, 57 abgedruckten Genealogie: 1. Die (deutschsprachige!) Urkunde vom «19.8.1267» (URSH Nr. 158) ist eine Fälschung aus der Zeit um 1384 (vgl. Eugster 2007, 93, 114). Der Fälschungsbefund ist zwingend: a) Zwischen 1255 und 1302 kommen in den übrigen Hohenklingen-Urkunden nie ein Walter oder gar zwei Brüder dieses Namens, aber auch nicht zwei Brüder mit Vornamen Ulrich vor; ein Ulrich von Twiel und dessen Brüder mit den Namen Walter (2x) und Ulrich sind hingegen mehrfach ab 1300 belegt. b) Die Urkunde von «1267» trägt in gleicher Anordnung die exakt gleichen Siegel wie eine 61 Jahre später (!) ausgefertigte Urkunde (URSH Nr. 476), die jedoch bezüglich Namen ohne Fälschungsverdacht ist. In der obigen Genealogie erscheint Ulrich II. deshalb ohne im Laienstand verbliebene Brüder. Walter IV. und Ulrich IV. (Nummerierung nach Stiefel 1921) wurden nicht in die Stammtafel übernommen. 2. Zur unsicheren Zuweisung Ulrichs II. vgl. Anm. 368. 3. 1312 lebten fünf Brüder. Die entsprechende von vier Brüdern besiegelte Urkunde (GLA 4/6958 = UBTG IV N 67 in Kombination mit UBTG IV Nr. 1392: neues, in Abgrenzung zum deutlich jüngeren Bruder Walter dem Langen geschaffenes Siegel Walters des Ältesten) war Stiefe, 1921, noch nicht bekannt. 4. Ulrich VIII. (= Ulrich VII. bei Stiefel) gehörte in die Brandis-, nicht in die Bechburg-Linie (Beweis: Das Siegel von Ulrich in UBTG V 2230 ist identisch mit jenem der Urkunde im Stiftsarchiv St. Gallen C.C.4.E.3. (= UBSG IV Nr. 1572; dazu auch Chart. Sang. VII Nr. 4758 (18.8.1361)); darum ist es unmöglich, dass Ulrich IX. (bei Stiefel 1921, Ulrich X.) noch 1419 über die halbe Herrschaft Hohenklingen verfügt hätte (so Stiefel 1921, 49). Entsprechend sind auch die Angaben zu den Nachkommen Ulrichs VIII. falsch. 5. Die Spur einer zweiten Ehe Walters VII. mit Ursula von Aarburg ergibt sich aus Merz 1901, Nr. 26 (vgl. Anm. 405). Ursula könnte ihren Sohn Ulrich X. überlebt und noch einige Jahre jenen Hof als Witwengut besessen haben, der später als «Aarburg-Hof» bezeichnet wird. Die bei Meyer 1968, zwischen 1142 und 1155 resp. 1200 und 1230 eingetragenen Waltherus monachus advocatus resp. advocatus et monachus könnten als Regenten vorzeitig zurück- und ins Kloster eingetreten sein, falls es sich nicht um eine Konversion kurz vor dem Tod handelte (conversio ad succurendum). UBTG II Nr. 206, Reg. Imp. V Nr. 11620a, REC I Nr. 1790, UBTG III Nr. 292, UBTG IV N 14, UBZH XII Nr. 942a, URSH I Nr. 129. Er lebt noch 1301 (UBTG IV Nr. 1011 Siegel), Ulrich IV. verfügte aber bereits 1300 über sein Erbteil (StA Stuttgart B 104 Urk. 1 (= UBTG VIII NN 8) Siegel). UBTG III 942 und N 38, 40, IV Nr. 1041, 1413, UBZH VII Nr. 2520, 2539, X Nr. 3980 (dominus Walter Ulrich in Stein, StA Stuttgart B 104 Urk. 1 (= UBTG VIII NN 8; Ulrich IV. identifizierbar über das Siegel), REC II Nr. 3258, Kuchimeister, 1881, 324 (zu Ulrich IV.), GLA 4/6958 (= UBTG V N 67; Schlüsselurkunde) etc. Gewählte Umrechnung für die Zeit um 1300: 1 Mark = 2.5 Pfund Silber = 4.5 Gulden = 50 Schillinge. Dazu ausführlich Bittmann 1991, 159-162. Der Pfandwert von 5400 Gulden ergibt sich aus zwei habsburgischen Dienstverschreibungen von zusammen 4400 Gulden und der Widerlegung für Kunigunde von Fürstenberg (Gattin Walters VII.), welche 1363 zugunsten der Fürstenberger auf den Pfandteil Ulrichs VII. gelegt wurde (UBTG V 2622 und – entscheidend – UBTG VI Nr. 2555; zur Heimsteuer vgl. unten) Für die Überlegungen Bittmanns, die primär von den Rheinfelder Pfandverschreibungen ausgehen, spricht auch Folgendes: a) Der Wert der gesamten Herrschaft Hohenklingen war mit den sowieso pauschal anmutenden 40000 Gulden viel zu hoch angesetzt (dies vor dem Erwerb des Grossen Zolles in Stein!). b) Ulrich VIII. und Walter V. erhielten von Habsburg als Äquivalent zu den Hohenklingen-Herrschaftsrechten das Pfand Rheinfelden (Thommen I Nr. 615) und für die übrigen Güter und den Dienst ein Pauschalpfand von

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3000 Gulden (STAZH C I Nr. 3169), also keine Bezahlung. c) Entscheidend: Ulrich VIII. und Walter V. hatten die Einkünfte ihrer Herrschaftsrechte mit 200 Pfund angegeben (UBTG VI Nr. 2436) und Österreich hatte nur mit diesen Einnahmen gerechnet. Dies hätte nach mittelalterlichen Kapitalisierungssätzen von 20 eine Zahlung von 4000 Pfund oder Gulden ausgelöst. Eine für Österreich desaströse Kapitalisierung mit dem Faktor 100 wäre völlig einmalig. Zu den weiteren politischen Hintergründen dieses «Scheinverkaufes» vgl. das vorangehende Kapitel und Eugster 2003/2, 120122. GLA 5/463 (UBTG VI Nr. 2627). Thommen I Nr. 754. Die Heirat Walters VII. scheint Bestandteil des ganzen Geschäfts rund um den Scheinkauf und die Wiederverpfändung der österreichischen Rechte in Stein am Rhein gewesen zu sein. Österreich legte ein Jahr nach der Verlobung von 1362 eine österreichische Schuld bei Kunigundes Vater auf das Pfand der Bechburg-Linie in Stein. Dies heisst nichts anderes, als dass die Widerlegung Walters als Pfand auf Stein gelegt wurde, ohne dass Walter VII. dafür Güter ausscheiden musste. Vgl. Bittmann 1991, 162. TirolLA Pergament I, Nr. 5773. Übersicht bei Bittmann 1991, 80f. Zu Hewen 153f. RsQ II Nr. 896. StaStaR Oe/A 2/2a: Die Öhninger machen 1486 geltend, in einem alten Haus auf Hohenklingen resp. «hinter» Klingen habe eine (adlige) Frau gelebt, die jeweils nach Öhningen zur Kirche geritten sei, da sie dahin kirchgenössig war. Die Steiner entgegneten, es sei falsch, dass das Öhninger Gericht bis an den Holweg hinter Klingen reiche. Und Johnnes von Klingenberg und seine Gattin seien immer auf «Klingen» gesessen und nach Stein pfarrgenössig gewesen. In StaStaR Oe/A 5 wird das Gebiet des Weges zwischen der Burg Hohenklingen und Chalchofen dorsal als «hinter Klingen» bezeichnet. Die Identifikation der «hinteren Burg» Hohenklingen mit der heutigen Burgruine Wolkenstein verliert damit an Plausibilität, ist aber aufgrund der schon für die Zeit um 1200 zu vermutenden hohenklingischen Besitzungen in Ramsen und Hemishofen nicht völlig abwegig. Zur aufgrund der Flurnamen und der Topografie denkbaren Lokalisierung der (Holz?)Häuser der «hinteren» (nicht der vorderen!) Burg vgl. Eugster, 2007 118. Ulrich VII. kommt nach einer drittletzten Erwähnung 1372 nochmals in einer Urkunde im FFA Donaueschingen vom 5.10.1381 vor. Sein Sohn Walter VII. amtiert aber schon 1379 als Träger der Reichsvogtei Stein (UBTG VII Nr. 3540). 1385 siegelt er explizit als Ausüber der Reichsvogtei für seinen offenbar immer noch lebenden Vater (URSH I Nr. 1175/2; Druck Vetter 1884, 95-105). URSH I Nr. 1175/2 (Druck Vetter 1884, 95-105) erwähnt zwar Walters VII. Cousins als Mitvögte. Dies war jedoch nur rein (erb)rechtlich so. Walter VII. vertrat in Konstanz die Steiner Bürger und die Vogtei alleine, und nur er besiegelte den Rodel – explizit auch für seinen Vater und die Cousins. Thommen II Nr. 352, URSH I Nr. 1402. GASt St 9 (= URSH I 1607). Erster Verpfändungsbeleg 1401 (RsQ I Nr. 1704), danach bis 1419 rasch weitere (RsQ II Nr. 1718f (1403), 1752, StaStaR Hw 307, RsQ II Nr. 1548). TirolLA libr. fragm. fol 416 (um 1408). Spiess 1993, 494ff. Laut Meyer von Knonau 1879, 115f war der St. Galler Abt Heinricus de Clingin cognatus seines Vorgängers Ulrich v. Tegerfelden. Erbtochter Ita war Gattin Ulrichs II. von Altenklingen (Pupikofer 1869, 17-19). Neugart 1862, 217, nennt einen Walter von Klingen cognatus der Herren von Tiefenstein. Dem entspricht REC I Nr. 2242. Eugster 1991, 291-318. UBTG II Nr. 206: Adelheid vertritt St. Katharinental nach aussen (zugleich erstes Auftreten Ulrichs I. und Walters II. von Hohenklingen). Zur Stiftergruppe rund um die Herren von Teufen Eugster 1991, zusammenfassend 134-141. Eugster 1992. Die kognatische Beziehung ergibt sich aus UBZH VII Nr. 2539, wo Ulrich IV. von Hohenklingen Lütold von Regensberg seinen «sweher» nannte (Gatte einer Schwester Ulrichs II.? Es ist keine Gattin Ulrichs IV. belegt). Beispiele: REC I Nr. 2036, UBTG III Nr. 437, 440, 446, VI N 6, 18; UBSG III Nr. 933. 1273 treten die Hohenklingen zwar bei ähnlicher

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Gelegenheit nicht mehr zusammen mit den Altenklingen auf (UBTG II Nr. 596f), Walter von Klingnau urkundet aber 1280 auffallend in Stein (GLA 11/5351; Ulrich II. unter den Sieglern) und bezeichnet seinen Bruder Ulrich III. von Altenklingen und den «patruelis» Ulrich II. von Hohenklingen pauschal als «domini de Klingen». Seltsam ist UBTG III Nr. 623, wo Ulrich III., wegen des Siegels eindeutig ein Herr von Altenklingen, in Stein am Rhein urkundet, ohne dass Verwandte auf Hohenklingen zeugen oder mitsiegeln. Besassen die Herren von Altenklingen um 1280 einen Wohnsitz in Stein oder benutzten sie die Burg Hohenklingen mit? Und offen bleibt, wie Ulrich IV. von Hohenklingen zu seinem Anteil von 200 Mark Silber an der Zürcher Reichssteuer kam (UBZH VII Nr. 2520, 2539), der ja wohl aus der Erbmasse Walters von Klingnau stammte. Hat vor 1277 ein Abkömmling der Altenklingen Ulrich I. von Hohenklingen beerbt? GLA 5/380 (3.3.1302). Zum Spital Eugster 2006. Chart. Sang. VIII Nr. 5100 ergibt eindeutig, dass Ulrichs IX. Gattin Clementia von Toggenburg war, die Tochter von Adelheid von Hewen aus deren erster Ehe. Adelheid heiratete in zweiter Ehe Graf Konrad von Fürstenberg, Clementia Heinrich von Hewen. Waren Adelheid und ihr Mann Heiratsvermittler für Walter VII. von Hohenklingen und Kunigunde von Fürstenberg? HS III/, 1977-2019, 2010f, IV/2, 405f. STAZH C II 2 Nr. 248, FUB III Nr. 80. UBSG IV Nr. 2404, 2420, 2441 (Walter VII. tritt zusammen mit seinem Vetter von Brandis auf). Zu Walters VII. Gewaltdemonstrationen vgl. ausführlicher unten. Abbildungen des Memorialbildes der Herren von Hohenklingen bei Eugster 2007, 103, 106, und bei Eugster 2003/2, 114 und Farbtafel 8. Das Memorialgemälde der Eschenbacher ist abgedruckt bei Eugster 1995/3, 235. Die Analyse der Bekleidung Walters VII. erfolgt unter Vorbehalt einer dringend nötigen umfassenden Untersuchung der Geschichte dieses Memorialbildes und seiner Restaurationen. FUB II Nr. 364. Chart. Sang. IX Nr. 5493. REC II Nr. 6154, UBTG VI Nr. 3104. UBTG VI N 164 und VI Nr. 2832; Chart. Sang. VIII Nr. 4989f. Die Chroniken der Stadt Konstanz, Hg. Ph. Ruppert, Konstanz 1890, 69. StASH 1175/I, Doppel StaStaR KlA 11. Zu diesem Abschnitt generell Eugster 2007, 102-109. UBSG IV Nr. 2247. URSH I Nr. 1175/2; Druck Vetter 1884, 95-105. UBSG IV Nr. 2361, 2404, 2411, 2420, 2441; RsQ I Nr. 277. Vgl. Bänteli, S. 71–77. StaStaR VA 280 (1401); dazu Eugster 2007, 107f. Zu den weiteren Aspekten des Burgausbaus unter Walter VII. vgl. hinten S. 146. TUB VI Nr. 3143 (= URSH I Nr. 981). Eugster 2007 148. Eugster 2003/2, 117-119. Die Annahmen einer Adelsloge und eines teilweise ummauerten Mittelschiffs basieren auf den Untersuchungen von Bänteli 1993b, 250. Vgl. Spiess 2000, 108f. Zu den Wandmalereien der Marienkapelle Schweizer 1998. Zur adligen Memoria vgl. Oexle 1999, 9-78; Spiess 2000, 97-123, mit weiterer Literatur 98. Zum «Gross Hus» URSH I Nr. 607. Das Haus lag im «Fronhof», es muss sich also um das «Gross Hus» gehandelt haben. Zur Lage des Fronhofes vgl. Eugster 2007, u.a. 104, und bes. URSH I Nr. 204, 877 (dieses Haus lag gem. Dorsalnotiz am Fronhof, vgl. dazu URSH I Nr. 786), StaStaR KlC 2, Fi 56, URSH I Nr. 1885, II 3172. Zur Erneuerung von 1355 RsQ I Nr. 1077. Zur Memoria-Funktion von Spitälern vgl. Spiess 2000, 112f. Zum Steiner Spital Eugster 2006, und die Stiftung Jörg Webers (StAStaR Spi 16, dazu auch Spi 8-10; sicher hat schon vor 1490 ein Geistlicher - aus dem Kloster St. Georgen? - die Spitalinsassen betreut). Richteten die Spitalstifter von Hohenklingen auch im Spital Jahrzeiten ein, welche Jörg Weber im 15. Jh. imitierte (StaStaR Spi 16; vgl. dazu oben)? Jahrzeiten für Annas Vater Ulrich V. und die Mutter Anna von Brandis sowie Annas Cousin Walter VI. (UBTG VI Nr. 3095), später auch für Annas Bruder Walter V. und Annas Schwester Margareta von Grünenberg (UBTG VII Nr. 3831).


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In der Kirche Burg ist ein bisher nicht interpretiertes Wappen – zwei sich mit dem Bauch zugewendete Fische – erhalten. Es muss Teil der adligen Memorialstiftung zugunsten des 1354 verstorbenen Grafen Hugo von Hohenberg und dessen Gattin Ursula von Pfirt gewesen sein. Links prangte das Fischwappen der Herren von Pfirt (Ferrette), wobei die beiden im Pfirter Wappen normalerweise mit dem Rücken zugewendeten Fische sich hier wie auf dem Pfirter Sarkophag in Feldbach mit dem Bauch zugewendet sind (vgl. dazu R. Will, Les fouilles archéologiques dans l’église de Feldbach, in: Cahiers alsaciens d’archéologie d’art et d’histoire 16 (1972), 87f.; zu den Grafen von Ferrette/Pfirt Christian Wilsdorf, Histoire des contes de Ferrette, Altkirch 1991). Auf der heute verdeckten rechten Seite hat man sich das Hohenberger Wappen vorzustellen. Die Grafen von Hohenberg (bei Spaichingen, Landkreis Tuttlingen) waren in mannigfacher Weise mit den Herren von Klingen und Hohenklingen, dem Kloster St. Georgen und der Kirche Burg verbunden. Richenza von Hohenberg war im späten 13. Jahrhundert Gattin Ulrichs III. von Altenklingen (auf Neuburg bei Mammern). Zu vermuten ist auch eine in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts anzusetzende kognatische Beziehung zu den Herren von Hohenklingen, welche die prominente Sieglertätigkeit Albrechts von Hohenberg in UBTG V Nr. 2403 (= StaStaR St 1) erklären würde («Verkauf» der Hälfte der Herrschaft Hohenklingen 1359), sowie in UBTG IV Nr. 2440. Graf Hugo war Vogt über namhafte Besitzungen des Klosters St. Georgen im hohenbergischen Herrschaftsbereich (URSH I Nr. 214 a/b; STASH 5022, UR 2 (Steiner Kartular) S. 39). Sein Bruder Albrecht lebte zeitweise im Kloster St. Georgen und beeindruckte mit seiner Familiengeschichte den dichtenden Mönch Konrad von Ammenhausen (HS I/2, 297-30.) Unklar bleibt, ob Hugo und/oder seine Gattin selbst vor 1354 die Memorialstiftung bei den mit ihnen verschwägerten Herren von Hohenklingen in Auftrag gaben. Möglich wäre eine Sühnestiftung Hugos von Hohenberg, da dieser offenbar um 1342 Güter St. Georgens in seinem Vogteibereich geschädigt hatte (STASH 5022). Oder war es ihr Neffe Rudolf, der 1359 bis 1362 die Hälfte der Kirche Burg als österreichisches Pfand besass? Indiz in diese Richtung ist auch die Tatsache, dass Ulrich I. von Altenklingen in der gleichen Zeit eine Grablege im Kloster Wettingen und nicht in einer Eigenkirche suchte. Vgl. auch die Toggenburger Grablege im Kloster Rüti (Niederhäuser/Sennhause 2003, 29-36). Vgl. dazu Spiess 2000, 116f. UBTG IV Nr. 1561, 1582, 1590f, 1612, V Nr. 2056. Zu Klingenzell Helvetia Sacra III/1, 764-780. Bürgerliche Stiftungen z.B. in StaStaR Spi 16, Spi 558 S. 40f, Spi 14. Zur Skepsis StaStaR KlA 53, wo Benedikt Hägg dem Kloster unverblümt unterstellt, es schreibe in das Jahrzeitbuch, was es wolle. Zur Position spätmittelalterlicher Gerichtsherren vgl. die diversen Arbeiten von Niederhäuser 2003, 61-83. FFA Lehenurbar Junker Ulrichs des Jüngern von Klingen (Senioratslehen Vol. IV fasc. 8, Nr. 1). Für die Prozentangabe wurden die verliehenen Zehnten nicht berücksichtigt, da diese naturgemäss keine Details über die Grösse der Abgaben enthalten können. Das Stuck wurde zu 7 s gerechnet. FFA Lehenurbar Junker Ulrichs des Jüngern von Klingen (Senioratslehen Vol. IV fasc. 8, Nr. 4; FUB IV Nr. 197, 461 A 5, VII Nr. 342). Die rituellen Kommunikationsformen des nichtfürstlichen Adels sind kaum erforscht. Vgl. dazu Althoff 2001, und hier bes. Spiess, 2001 261-290. Gerundeter Wert auf der Grundlage des Urbars Ulrichs XI.. Zu den Getreidelieferungen aus der Herrschaft Hohenklingen vgl. StaStaR St 15 und 60-60c. Berechnungsgrundlage war das Steiner Mass: 1 Malter = 4 Mütt = 16 Viertel (zu 18.8 Litern) bei rauer, d.h. nicht entspelzter Frucht. Entspelzte Frucht: 1 Malter = 2 Mütt = 8 Viertel (zu 16.3 Litern); vgl. dazu Eugster 2007, 442. Ein Hinweis in diese Richtung ist der vehemente Einsatz der Klingenberger in Zusammenhang mit der Limitierung des Getreidezwischenhandels 1434 (StaStaR J 911). StaStaR St. 20: Ulrich X. behält sich vor, dass die «armen Leute» aus der Vogtei Wagenhausen in seinem Stadthof abgeurteilt werden. Hatten sie sich vorher auf Hohenklingen zu begeben? Wurde diese Regelung getroffen, weil Ulrich X. nun auch die zweite Hälfte der Burg an die Klingenberger verkauft hatte? Oder fand das Gericht schon zuvor im Stadthof statt? StaStaR St 15, 60-60c.

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Explizit noch 1465 (StaStaR RP 1 fol. 12). Zur Anwesenheit des Hochgerichtsherrn anlässlich der Huldung des Niedergerichtsherren vgl. Hürlimann 2003, 85-90. StaStaR ET 1. Vgl. Bd. 2, Heege, S. 209–210. In einer 1362 ausgestellten Urkunde der vier Herren von Hohenklingen wird Ulrich VII. explizit als «ab der Burg» bezeichnet (GLA 5/463 (Siegel) = UBTG VI Nr. 2627). Vgl. Bd. 2, Heege, S. 210. Walters VII. Stadthof wird in StaStaR St 15 ausdrücklich erwähnt. Es muss sich um den späteren Aarburg- oder Oberhof gehandelt haben. Die Kapelle hatte keine Pfarreirechte, wie die späteren Streitigkeiten zwischen Stein und Öhningen eindeutig ergeben (StaStaR Oe/A 2&2a, 5). Vielleicht gehörte in diesen Zusammenhang auch das nur bei Pupikofer 1869, 98 überlieferte Bemühen Ulrichs X., 1431 wieder in den (Pfand)Besitz der Burg Freudenfels zu kommen. Zu den Klingenbergern, Sablonier 1979, 116, 136; Bittmann 1990, 104-126; ders. 1991, bes. 26f. Eine moderne Darstellung der Geschichte dieses Geschlechtes steht nach wie vor aus. Bittmann 1991, 67, 83; ders. 1990, 105f. Bittmann 1991, 178; ders. 1990, 108. Eugster 2007, 117; StaStaR St 28 (URSH I Nr. 2349), Untervögte sind Werner von Holzhausen, gen. Keller, Burkart Rielasinger, Hans Fürlouff. Vgl. das Beispiel bei Eugster 2007, 117. Vgl. Bänteli, S. 78–79. URSH I Nr. 2065. Zu Johannes und dessen Frau auf «Klingen» vgl. StaStaR Oe/A 2-2a. Vgl. Bänteli S. 78 und Bd. 2, Heege S. 210. Bittmann 1991, 196f., 221f.; Eugster 2007, 118-123. Bittmann 1991, 210-221; URSH I Nr. 2489. Eugster 2007, 119ff. URSH I Nr. 2421. URSH I Nr. 2475. So im Schwabenkrieg 1499, als die Feinde der Eidgenossen «vor Hohenklingen» lagern, von dort die Stadt beschiessen und so Stein und Burg in ihren Besitz bringen wollen (STAZH A 159 Nr. 234). Zu den Umbauten Bänteli, S. 92–98. Belegte Burgvögte: ev. 1477 Heinrich von Richenbach (StaStaR J 807), 1486 Junker Ludwig Wyss (StaStaR J 943), 1493 Junker Bernhard von Landenberg (StaStaR Fi 30), 1495/99 Junker Hans Konrad Egli von Herdern (StaStR J 944, STAZH A 159 Nr. 39, 107), 15091511/12 Konrad Steffan (StaStaR KlA 53; zu Steffan Eugster 2007, 172f.). Vgl. Bd. 2, Heege, S. 211. Eugster 2007, 137; StaStaR RP 1 fol. 3ff, 12-27. StaStaR Ae 1; dazu Eugster 2007, 133-140. Zum Gefängnis im Turm beispielsweise StaStaR RP II fol. 34f (1499); StaStaR Winz, Sammlung Bd. XI, S. 85 unterscheidet für das Jahr 1602 explizit zwischen den beiden Gefängnissen auf Hohenklingen. Eugster 2007, 127-140; StaStaR St 92-92h. Dazu Guisolan 2007, 302-305. STAZH A 146.1 Nr. 42. Eugster 2007, 170f., 186f. Eugster 2007, 172f.; Stiefel 1921, 81. Vgl. Bd. 2, Heege, S. 211. Vgl. dazu auch Eugster 2007, 169f. Details bei Stiefel 1921, 80f. Zum Wahlprozedere ders. 76f. Früheste Bestimmungen (1500) in StaStaR RP 2 fol. 42. Zu Hans Rüschli, Adam Sulger, Hans Vetter und Hans Rüd vgl. die Steuerbucheinträge StaStaR Fi 299ff, zudem STASH St. Georgenamt AA 1525 und StaStaR Bü 73 fol. 85. Liste der Burgvögte ab 1509 bei Stiefel 1921, 81-84. StaStaR Fw Al 196. Bereits 1546 wurde diese Zahl offenbar auf acht reduziert (Stiefel 1921, 77). Original nicht erhalten, Abschrift bei StaStaR Georg Wintz, Chronologische Samblungen Stadt Steinischer Actorum, Bd. XIII, 539ff; abgedruckt bei Stiefel 1921, 78f, und Guisolan 2008, 34. Bestallungsordnung von 1661, abgedruckt bei Stiefel 1921, 78f.

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Zum Zürcher Hochwachtsystem Kläui 1951, 35f.; Guyer 1984, 8196, und Binder 2003, 1-23. Zur Einbettung in die Zürcher Militärorganisation Sigg 1996, 351. Vgl. die Angaben bei Stiefel 1921, 83f. So im Jahr 1500, wohl als Folge des Schwabenkrieges (StaStaR RP 2 fol. 42). Zur Lokalisierung des Krautgartens Wintz (wie Anm. 553). Stiefel 1921, 80. Vgl. die Korrespondenz aus dem Dreissigjährigen Krieg v.a. STAZH A 35 Schachtel 2: Akten zum Juli 1639, Zitat aus Nr. 81. So 1499 (STAZH A 159 Nr. 214), wo Zürich sich beklagt, dass wöchentlich Teilablösungen erfolgten. Zum Folgenden baugeschichtlich Bänteli, S. 98–102. STAZH A 145 Nr. 3ff, A 146.1 Nr. 86, Strickler I Nr. 1058. Stiefel 1937/1938, 237. StaStaR Fw Al 196 (1543); StaStaR Isaak Vetter, Zur Geschichte der Stadt Stein Bd. 1, fol 383v (1546). Zum Folgenden baugeschichtlich Bänteli, S. 103–107. Dazu und zum Folgenden Stucki 1996, 172-281, hier 268ff., und Handbuch der Schweizergeschichte I, 577, 594. Zu 1580 StaStaR Georg Winz, Chronologische Sammlung Stadt Steinischer Actorum oder Geschichten der Stadt Stein und ihrer Nachbarschaft, Bd. 10, S. 178; zu 1581 Stiefel 1921, 87; Zitat aus STAZH A 146.2 (10.8.1581); zur Steiner Ringmauer Stiefel 1937/38, 238. EA V, 1 I S. 629. Stiefel 1921, 87f.; StaStaR Is. Vetter, Geschichte Bd. 3, fol. 69; Stiefel 1937/38, 253. Zitiert nach Sigg 1996, 337. Stiefel, 1921, 88f; Sigg, 1996, 342; Handbuch der Schweizer Geschichte 2, 636. Zitiert nach Stiefel 1921, 88. STAZH A 35 Nr. 81, 147, A 146.5 Nr. 123-126, A 146.6 Nr. 102, 116, 150ff; Guisolan 2007, 201. STAZH A 146.10 Nr. 325, 332, 336. Ulrich, 1996, 364-511, hier 372-374, Handbuch der Schweizer Geschichte Bd. 2, 697-700. Bänteli, S. 107. StaStaR Mi 841-857. Zum folgenden: Guisolan 2008, 42ff., Stiefel 1921, 92 ff.; StaStaR: zwei noch nicht registrierte Ordner der IBID, Hohenklingen Gesamtdokumentation, 2003, und Sicherstellungs¬dokumentation 2005/2006; Knöpfli 2007, 344. Knoepfli 2007, 344; ausführlicher dazu ein Manuskript von Adrian Knoepfli von 2006 in StaStaR Bibliothek Nr. 635. Bänteli, S. 108. Zitiert nach Knoepfli 2007, 344. Vgl. dazu die Zusammenstellung der Dokumente im Ordner IBID, Burg Hohenklingen Inventar 2003 (StaStaR noch ohne Signatur), 35-40. Dazu StaStaR Ordner IBID (2003), 35-40. Die späteren Renovierungen nach 1926, welche zur Hauptsache den Mittelbau betrafen, sind im gleichen Ordner der IBID (2003), 41ff detailliert dargestellt.

Abkürzungen

AGZ Antiquarische Gesellschaft Zürich ASA Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde Chart. Sang. Chartularium Sangallense Cod. salem. Codex Diplomaticus Salemitanus DBfAZH Dendrolabor Büro für Archäologie der Stadt Zürich DBV Deutsche Burgenvereinigung e. V., EAD, Bern Eidgenössisches Archiv für Denkmalpflege, Bern FFA Fürstlich Füstenbergisches Archiv, Donaueschingen FUB Fürstenbergisches Urkundenbuch GHS Genealogisches Handbuch zur Schweizer geschichte GLA General-Landesarchiv Karlsruhe GSK Gesellschaft für Schweizerische Kunstge- schichte, Bern HS Helvetia Sacra IBID Ibid Altbau AG Winterthur JbAS Jahrbuch Archäologie Schweiz KASH Kantonsarchäologie Schaffhausen KAZH Kantonsarchäologie Zürich LRD Laboratoire Romand de Dendrochronologie MAGZ Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft Zürich Mitt. Mitteilungen MGDD Monumenta Germaniae Historica Diplomata QSG Quellen zur Schweizergeschichte REC Regesta episcoporum Constantiensium Reg. Imp. Regesta Imperii RsQ Repertorium schweizergeschichtlicher Quellen im Generallandesarchiv Karlsruhe SHBG Schaffhauser Beiträge zur Geschichte (ehemals Beiträge zur Vaterländischen Geschichte) SN Schaffhauser Nachrichten StaSH Stadtarchiv Schaffhausen STASH Staatsarchiv des Kantons Schaffhausen StaStR Stadtarchiv Stein am Rhein STAZH Staatsarchiv des Kantons Zürich Thommen Thommen, Rudolf, Urkunden zur Geschichte aus österreichischen Archiven, Basel 1899-1900 TirolLA Tiroler Landesarchiv Innsbruck UBBS Urkundenbuch der Stadt Basel UBSG Urkundenbuch der Abtei Sanct Gallen UBTG Urkundenbuch, thurgauisches UBZH Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich URSH Urkundenregister für den Kanton Schaffhau- sen WUR Württembergische Urkundenregesten http://www.landesarchiv-bw.de/web/49494 ZAK Zeitschrift für Archäologie und Kunstgeschichte ZBZ Zentralbibliothek Zürich


Abbildungsnachweis

Eugster Erwin: 194, 197, 200, 204, 205, 207, 210, 221, 234. KASH: 1, 7-9, 14-20, 23-32, 35-37, 40-43, 45, 46, 48, 50, 52-57, 59, 61, 63-65, 67-72, 74, 76, 78-80, 83-84, 86-109, 115-118, 125, 130, 133, 139-143, 145-150, 152-155, 157, 160, 164, 165, 169, 170, 177, 178, 187, 219, 233. KASH (DBfAZH): 22, 73, 137, 195. KASH (IBID): 123, 124, 131, 135. KASH (Ruth Baur): 2, 110-113. KASH (Schmid Partner AG): 9, 11, Beilagen 1-14. KASH (Valentin Homberger, ProSpect): 4, 10, 21, 44, 49, 114, 121, 132, 138, 151, 167, 173, 226, 231. Schmid Partner AG: 129, 134. Schmitt Günther, Schlösser 1998: 201, 225. Schweizerische Landesbibliothek: 179. Schiesser Mark: Umschlag, Titelbild, 5, 174. StaStaR (Elcovision): 6. StaStaR (IBID): 12, 13, 34, 38, 39, 47, 51, 58, 66, 120, 126128, 136, 144, 159, 161-163, 171, 172, 176, 180, 186. StaStaR: 75, 81, 119, 122, 166, 181-185, 208, 212, 227, 228. StaStaR (Dieter Füllemann): 77, 82, 85, 188, 209, 213, 218, 220. Tisserand Richard: 33.

223 wie 62: Chronik des Johannes Stumpf. 224 Zentralbibliothek Luzern: Eigentum Korporation Luzern (Diepold-Schilling-Chronik 1513). 229 Zentralbibliothek Zürich: Ms A 75, S. 139. 230 wie 229: Ms A 77, fol 299v. 232 wie 229: Ms A 75, S. 208. 235 wie 229: Handschriftenabteilung, Faksimile von 1977 in STAZH Eh 157. 236 wie 235. 237 StaStaR: Kirchenbuch 1, 598. 238 Stadtarchiv Singen: Darstellung von Matthäus Merian 1641. 239 StaStaR: Rechenbücher. 240 wie 62: Ms B 316 fol 139r. 241 StaStaR: Tobiar 1170. 242 wie 222. 243 StaStaR: Tobiar 5010. 244 StaStaR: St 128. 245 StaStaR: Tobiar 5714 Bilder Graf, Mappe B, Foto 19. 246 Schweizerisches Landesmuseum: Zürcher Wappen­ rolle. Bayrische Staatsbibliothek: Scheiblersches Wappenbuch.

Quellen zu einzelnen Abbildungen: 62 Zentralbibliothek Zürich 000006541_1. 156 wie 62: 000010539¬_2. 158 wie 62: 000006544. 168 wie 62: Ms_L_061_f244r. 189 STATG: St. Katharinental, 1247. 190 StaStaR: Plan Heber. 191 STASH: Urkunden Nr. 158, 476. 192 Landesbibliothek Fulda: Weingartner Welfenchronik. 193 Bibliothèque nationale de France, Paris: Grandes Chroniques de France, XIV siècle. 196 Putzger, Historischer Atlas (1981), 55. 198 Württembergische Landesbibliothek Stuttgart: Cod. poet. 2o 2_ Schachzabel fol 75r. 199 Österreichische Nationalbibliothek: Wenzelsbibel. 202 wie 198: fol 200v. 203 wie 198: fol 286v. 206 Spiezer Chronik. 208 STASH: Urkunde Nr. 476. 211 Schweizerisches Landesmuseum: Graduale vom St. Katharinental 1312. 214 wie 211: AG 11. 215 FUB II Nr. 364, Original FFA. 216 Universitätsbibliothek Heidelberg: http://digi.ub.uniheidelberg.de/diglit/cpg848/0099. 217 wie 198: fol 177v. 222 StaStaR Stadtplan J. J. Mentzinger 1662 (Umzeichnung F. Mülchi 1944/45). 179


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Publikationen zur Archäologie im Kanton Schaffhausen Herausgeber: Kanton Schaffhausen, Baudepartement, Kantonsarchäologie

Schaffhauser Archäologie – Monografien 1 Frühgeschichte der Region Stein am Rhein. Archäologische Forschungen am Ausfluss des Untersees. Schaffhausen 1993. ISBN 3-908006-18-X.

4 Das Kloster Allerheiligen in Schaffhausen. Zum 950. Jahr seiner Gründung am 22. November 1049. Schaffhausen 1999. ISBN 3-9521868-0-5.

3 Berslingen – ein verschwundenes Dorf bei Schaffhausen. Mittelalterliche Besiedlung und Eisenverhüttung im Durachtal. Schaffhausen 2000. ISBN 3-9521868-1-3.

7 Das Bürgerasyl in Stein am Rhein. Geschichte eines mittelalterlichen Spitals. Schaffhausen 2006. ISBN 3-9521868-4-8.

Schaffhauser Archäologie – Beiträge 3 Mittelalterliche und neuzeitliche Keramik der Region Schaffhausen. Schaffhausen 2010. ISBN 978-3-9521868-7-9.

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Bestellungen: www.archaeologie.sh.ch (Online-Schalter)


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