Kantonsarchäologie / Beiträge zur Schaffhauser Archäologie 6 (Leseprobe)

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Johannes Wimmer Sebastian Salzmann Angelina Minnig Oberhallau-Überhürst Zwei Siedlungen mit Grabenwerk aus dem Mittelneolithikum und der jüngeren Latènezeit mit einer Einführung von Othmar Wey

Beiträge zur Schaffhauser Archäologie 6 1


Beiträge zur Schaffhauser Archäologie 6 Schaffhausen 2018

Die Publikation haben durch Beiträge ermöglicht: Kanton Schaffhausen Pro Iuliomago-Gesellschaft für Archäologie im Kanton Schaffhausen Institut für archäologische Wissenschaften der Universität Bern

Impressum: Redaktion: Markus Höneisen Gestaltung: Katharina Bürgin Druck: XXXXX © 2018 Baudepartement des Kantons Schaffhausen, ADA / Kantonsarchäologie ISBN 978-3-9523689-5-4 2


Inhaltsverzeichnis

Vorwort und Dank (Markus Höneisen) Einführung (Othmar Wey) 1.1 Geographie und Topographie der Fundstelle 1.2 Die Grabungen 2000 und 2009-2011

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Oberhallau-Überhürst Ein mittelneolithischer Siedlungsplatz mit Grabenwerk (Sebastian Salzmann) 1. Einleitung 13 2. Die mittelneolithischen Befunde 13 2.1 Grabenbefunde - Kampagne 2000 13 2.2 Grabenbefunde - Kampagne 2009 15 2.3 Grabenbefunde - Kampagne 2011 16 2.4 Grubenkomplexe - Kampagne 2000 16 3. Relative Chronologie 38 3.1 Keramik der Grabenbefunde - Kampagne 2000 38 3.2 Keramik der Grabenbefunde - Kampagne 2009 40 3.3 Keramik der Grubenkomplexe - Kampagne 2000 41 3.4 Undatierte Befunde 41 4. Absolute Chronologie 41 5. Fazit und Ausblick 43 6. Katalog und Fundtafeln 43 Oberhallau-Überhürst Spätbronzezeitliche Siedlungsspuren (Angelina Minnig) 1. Die Befunde 1.1 Hausgrundriss 1 1.2 Die Struktur 12/13 2. Fundmaterial aus Struktur 12/13 3. Vergleich mit anderen Fundstellen 4. Fazit 5. Katalog und Fundtafel

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Oberhallau-Überhürst Das jüngerlatènezeitliche Grabenwerk (Johannes Wimmer) 1. Einleitung 61 2. Die Fundstelle 63 2.1 Untersuchte Flächen 63 2.2 Befundinterpretation 73 3. Funde aus den jüngerlatènezeitlichen Strukturen 76 3.1 Schmuck 76 3.2 Handwerk 76 3.3 Keramik 78 3.4 Die jüngerlatènezeitliche Keramik im regionalen Vergleich 104 3.5 Tierknochen 112 3.6 Hüttenlehm 112 3.7 Silices und bronzezeitliche Keramik 113 4. Naturwissenschaftliche Untersuchungen 114 4.1 Geochemische Untersuchungen mit der p-ED-RFA 114 4.2 Absolute Datierung 119 5. Schlussfolgerungen 121 5.1 Synthese 121 5.2 Ausblick 122 5.3 Zusammenfassung 123 6. Katalog und Fundtafeln 124 7. Fundstellenliste 165 Anhang Anmerkungen 166 Abbildungsnachweis 170 Abkürzungen 171 Literatur 172

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Blick vom Oberhallauerberg über das Klettgau Richtung Südranden. In der Bildmitte das Dorf Oberhallau. Dahinter der Überhürst mit dem Rinderstall auf einer Geländerippe.

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Vorwort und Dank

Auf den ersten Blick würde man nicht erwarten, dass sich auf der markanten Geländerippe «Überhürst», südlich von Oberhallau, ehemals Siedlungen befunden haben: Zu exponiert und dem Wind ausgesetzt! Die nächsten Siedlungen heute liegen denn auch in geschützterer Lage: Oberhallau, schön geborgen zwischen Lugmer und Oberhallauerberg, Hallau am Fuss des Hallauerberges und Gächlingen hinter dem Lugmer. Erstaunlich entgegen aller Erwartungen: Der «Überhürst» war aber immer wieder besiedelt. Siedlungsspuren liegen gar aus mehreren Phasen der Jungsteinzeit (5. und 4. Jt. v.Chr.), der späten Bronzezeit (um 1300 v.Chr.) sowie der jüngeren Eisenzeit (Latènezeit, um 150 v.Chr.) vor. Eine so vielfältige Siedlungsabfolge ist noch kaum von einer anderen Fundstelle in der Umgebung bekannt, vielleicht mit Ausnahme von Gächlingen. Entdeckt wurde die Fundstelle 1991 von Kurt Altorfer, im Rahmen seiner Prospektionsgänge in der Umgebung von Gächlingen. Aufgepflügte Silices und Keramikscherben waren für ihn ein untrügliches Zeichen, dass früher auf dem Überhürst gesiedelt wurde. Anlass für genauere Abklärungen war dann im Jahr 2000 ein Baugesuch für einen Rinderstall. Die archäologischen Sondierungen erbrachten Siedlungsspuren in Form eingetiefter Pfostenlöcher, Gruben und Umfassungsgräben. Das Fundmaterial konnte mehrheitlich der Grossgartacher-Kultur (1. Hälfte 5. Jt. v.Chr.) zugewiesen werden. Streufunde auf der ganzen Fläche machten zudem deutlich, dass sich auch während der Spätbronzezeit auf dem Überhürst eine Siedlung befunden haben muss. Um weiteren Bauvorhaben vorzubeugen, entschlossen wir uns, ein grösseres Prospektionsprogramm durchzuführen. Eine Kooperation mit dem Institut für archäologische Wissenschaften der Universität Bern ermöglichte es, die Feldforschungen kostengünstig durchzuführen. Von 2009-2011 wurden je 4-6wöchige Lehrgrabungen durchgeführt, unter der Leitung des Oberassistenten Othmar Wey. Die erste Kampagne galt den mittelneolithischen Gräben, deren Verlauf weiter verfolgt werden sollte. Leider waren die Ergebnisse eher mager. Die Gräben waren mehrheitlich bereits aufgepflügt und erodiert. Nur unterste Sohlenbereiche liessen sich partiell gerade noch nachweisen. 2010 erfolgte daher zuerst eine geomagnetische Prospektion auf einer Fläche von knapp 100’000 m2, unter der Leitung von Christian Hübner vom Büro Giese, Grubert und Hübner aus Freiburg i.Br. Das erhaltene Magnetogramm bildete die Grundlage für weitere Sondierungen der Kampagnen 2010 und 2011. Überraschenderweise liessen sich die neolithischen Gräben auch im Magnetogramm nicht nachweisen. Wohl aber zeichneten sich andere Strukturen deutlich ab, die sich dann in den Sondierungen als latènezeitlich herausstellten!

Zweifellos birgt der Überhürst noch viele Geheimnisse im Boden. Die bisherigen, nur kleinflächigen, Untersuchungen haben gezeigt, dass der Platz immer und immer wieder aufgesucht wurde, um dort eine Siedlung, vielleicht zeitweise auch nur ein Gehöft, zu errichten. Vieles davon ist bereits zerstört; als letzte Reste haben sich nur tiefere Strukturen noch leidlich erhalten. Ihnen sollte auch in Zukunft die Aufmerksamkeit gelten. An dieser Stelle möchte ich allen Beteiligten meinen Dank aussprechen. Alle Grundbesitzer und Pächter haben die Untersuchungen überhaupt ermöglicht. Unser Dank gilt daher zuerst Johann Beugger, Marianne Delafontaine, Hans Eggimann, Hansueli Graf, Gertrud Schaad, Marcel Tanner, Rolf Tanner, Kurt Vögeli und Paul Vögeli. Grosser Dank gebührt allen Studentinnen und Studenten der Universität Bern, die mit ihrem Praktikumseinsatz auf dem Überhürst bei jedem Wetter Knochenarbeit geleistet haben. Der Dank geht natürlich auch an den umtriebigen Grabungsleiter Othmar Wey und die verantwortlichen Professoren Werner E. Stöckli und Albert Hafner. Der Gemeinde Hallau, insbesondere Herrn Ulrich Walther (Bauverwaltung), danken wir, dass die Stu­ dierenden jeweils kostengünstig in der dortigen Zivilschutzanlage logieren durften. Einzelne Themenbereiche der verschiedenen Grabungen wurden im Rahmen von Qualifikationsarbeiten von Studierenden der Urgeschichte des Archäologischen Institutes der Universität Bern bearbeitet. Die vorliegende Publikation enthält die umfangreiche Masterarbeit von Johannes Wimmer über die jüngerlatènezeitlichen Siedlungsbefunde und Funde. Angelina Minnig bearbeitete im Rahmen einer Bachelorarbeit die spätbronzezeitliche Grube 12/13. Sebastian Salzmann widmete sich im Rahmen seiner Bachelorarbeit den mittelneolithischen Siedlungsstrukturen und Funden. Alle Arbeiten wurden im Zeitraum 2014 bis 2017 abgefasst und für diese Publikation teilweise überarbeitet. Mangels personeller und finanzieller Ressourcen nicht ausgewertet wurden die neolithischen Silices sowie die umfangreichen bronzezeitlichen Streufunde. Der Autorin und den Autoren danke ich für die Materialbearbeitungen und die Möglichkeit, ihre Arbeiten an dieser Stelle publizieren zu können. Vielfältige Hilfe bei der Fertigstellung dieser Publikation leisteten Othmar Wey, Katharina Bürgin und Daniel Gerbothé; auch dafür herzlichen Dank.

Markus Höneisen, Kantonsarchäologe (bis 2016)

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Abb. 3: Karte des Klettgautals mit der Fundstelle Oberhallau-Überhürst. M 1:25‘000. Karte: swisstopo 6 2007.


Die Flur Überhürst ist eine für Besucher eher unscheinbare Fundstelle in der Gemeinde Oberhallau SH im Klettgau (Abb. 1). Ihre archäologische Vergangenheit wurde in den 1990er Jahren erstmals durch Lesefunde fassbar. Aufgrund des Neubaus eines Rinderstalls konnte die Kantonsarchäologie Schaffhausen wenige Jahre später etwas Licht in die verborgene Geschichte dieses seit dem 5. Jahrtausend v.Chr. begangenen Platzes werfen. Drei Lehrgrabungen des archäologischen Institutes der Universität Bern erweiterten unser Wissen um weitere und bedeutende Mosaiksteine.

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1.1 Geographie und Topographie der Fundstelle Ob

Die Fundstelle Überhürst gehört zur Gemeinde Oberhallau im Unterklettgau des Kantons Schaffhausen. Im Norden wird diese Zone vom steilen Plateau des Randens, im Süden vom Südranden begrenzt (Abb. 2)1. Diese Formationen gehören zum Schaffhauser Tafeljura. Das unmittelbare Umfeld der Fundstelle wird im Norden durch den bis 530 m ü.M. sich erhebenden Lugmer dominiert. Im Umkreis von 2 km liegen die Ortschaften Oberhallau, Hallau, Gächlingen und Neunkirch. Ne

Einführung

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Abb. 1 (linke Seite): Karte des Klettgautals mit der Fundstelle Oberhallau-Überhürst. M 1:25‘000. Karte: swisstopo 2007. . Abb. 2 (unten): Blick vom Oberhallauerberg Richtung Süden ins Klettgautal mit der Fundstelle Oberhallau-Überhürst. Foto: O. Wey.

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Die Fundstelle selbst liegt auf rund 425 m ü.M. Sie befindet sich auf einer 350 m breiten und fast 1000 m langen, dem Lugmer vorgelagerten Geländerippe, die sich zwischen zwei nach Abb. 1: Blick vom Oberhallauerberg Richtung Süden ins Klettgautal mit der Fundstelle Ober Südwesten Bachläufen bis zu 9 m hoch erhebt Überhürst. Foto:entwässernden O. Wey. Noch ist erst ein sehr kleiner Teil des grossflächigen Siedlung- (Abb. 3). sareals vom Überhürst ausgegraben. Trotzdem lassen sich bereits jetzt die archäologische Bedeutung und die Vielfältigkeit 100m dieser Örtlichkeit erahnen. Die heute bekannten Befunde und Funde bezeugen eine Besiedlung im Neolithikum, in der späten Bronzezeit und im späteren La Tène. Damit fassen wir N vermutlich erst einen kleinen Ausschnitt aus der mehrere Jahrtausende alten Siedlungsgeschichte an diesem Ort. Zukünftigen Forschungen bietet sich hier eine wohl noch mit manchen Überraschungen versehene Fundstelle.

Abb. 3 (rechts): Isometrische Karte der Fundstelle Oberhallau-Überhürst. M1:4‘000, genordet. Grundlage für die isometrische Umzeichnung: map. geo.admin.ch.

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Abb. 2: Isometrische Karte der Fundstelle Oberhallau-Überhürst. M1:4‘000, genordet. Grun 1:2500 lageM für die isometrische Umzeichnung: map.geo.admin.ch.

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Abb. 1: Blick vom Oberhallauerberg Richtung Süden ins Klettgautal mit der Fundstelle OberhallauÜberhürst. Foto: O. Wey.

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Str. 30

Abb. 4: Übersichtsplan Oberhallau-Überhürst mit allen untersuchten Flächen. Ohne Massstab.

Fläche D

Grabungsfläche 2000

Fläche C

Rinderstall

Fahrsilo

Fläche A

Grabungsfläche 2009

Fläche G

20 m

Grabungsfläche 2011

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Fläche B

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Fläche E

Str. 46 Fläche J


Diese Geländekuppe besteht auf der Oberfläche aus quartären, stellenweise sandigen Schwemmlehmen (Löss).2 Solche Böden liefern bei geeigneter Düngung gute landwirtschaftliche Erträge.3 Mithilfe einer geoelektrischen Pseudosektion konnte im Rahmen der geophysikalischen Prospektion die Mächtigkeit dieser Deckschichten bestimmt werden.4 Sie beträgt im Bereich der Kuppe 9 m und nimmt im abfallenden Gelände auf 5 m ab. Darunter sind anhand der höheren elektrischen Widerstände grobkörnigere Schichten zu vermuten. Die archäologischen Befunde befinden sich ausschliesslich in den feinkörnigen Deckschichten. Im Bereich der Wasserläufe am Fuss der Geländekuppe bestehen die obersten Schichten aus jüngeren Alluvien. Bodenkundliche Untersuchungen zur Fundstelle liegen zurzeit nicht vor.

1.2 Die Grabungen 2000 und 2009-2011 Die Fundstelle Überhürst wurde 1991 vom Archäologen Kurt Altorfer entdeckt. Feldbegehungen lieferten zahlreiche Streufunde, die beim Pflügen an die Bodenoberfläche getragen wurden. Als einige Jahre später das Baugesuch für einen Rinderstall auf dem Überhürst eingereicht wurde, liess die Kantonsarchäologie Schaffhausen den näheren Sachverhalt abklären. So wurde im Jahr 2000 das Bauareal mittels eines grösseren Grabungsfeldes und fünf langer Sondierschnitte von total fast 850 m2 untersucht (Abb. 4).

In fast allen geöffneten Flächen konnten Gräben (G1, G2, G5 und G11), Gruben und Pfostenlöcher erfasst werden. Das dazugehörige Fundmaterial und eine 14C-Datierung liessen vor allem eine mittelneolithische Entstehung der Gräben vermuten. Eine Kulturschicht konnte dagegen nicht mehr festgestellt werden. Sie dürfte vollständig der Erosion zum Opfer gefallen sein. Jungneolithische Felsgesteinartefakte belegen, dass die neolithische Besiedlung wohl ein grösseres und mehrphasiges Areal umfassen dürfte. Im Rahmen von Lehrgrabungen des Institutes für archäologische Wissenschaften der Universität Bern5 wurde unter meiner Leitung die Feldforschung wieder aufgenommen. Von 2009 bis 2011wurden je 4-6-wöchige Grabungskampagnen durchgeführt.6 Unser primäres wissenschaftliches Ziel galt den mittelneolithischen Gräben (S. 12ff.), die zurzeit in der Schweiz einzigartig sind. Ihr Verlauf konnte in der ersten Grabungskampagne von 2009 in der 600 m2 grossen Fläche A weiter ergänzt werden (Abb. 4). Ausser den Gräben lieferte diese Fläche A aber auch Strukturen, die chronologisch jünger zu datieren sind. Dazu gehören die spätbronzezeitliche Grube 12/13 sowie fünf Pfostengruben (Strukturen 15, 16, 17, 18 und 21) eines bronzezeitlichen Gebäudes (S. 50ff.). Das spärliche und uncharakteristische Fundmaterial der Grube 3 lässt diese ebenfalls am ehesten der Bronzezeit zuordnen. Abb. 5: Oberhallau-Überhürst. Rinderstall und Sondierflächen 2010.

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B

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Rinderstall

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Abb. 5: Flächenplan des geomagnetisch untersuchten Geländes. A: Graben Str. 30, B: Grabenschenkel?, C: neuzeitlicher Feldweg (Fläche C), D: Str. 31, E: Graben Str. 46, weisse Linie: Lage der geoelektrischen Pseudosektion. M 1:2‘000. Grundlage: Chr. Hübner.

Abb. 6: Oberhallau-Überhürst. Geomagnetische Prospektion.

480

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Nach einem ersten fehlgeschlagenen Versuch 2009 das gesamte Gelände geophysikalisch zu erfassen, konnte im März 2010, eingebunden in einer weiteren Lehrveranstaltung, unter der Leitung von Christian Hübner vom Büro Giese, Grubert und Hübner GGH aus Freiburg im Breisgau eine geomag­ netische Prospektion auf einer Fläche von knapp 100‘000 m2 durchgeführt werden (Abb. 6). Das erhaltene Magnetogramm war Grundlage für das gezielte Öffnen der Grabungsflächen B-F in der Grabungskampagne 2010 (Abb. 5) sowie der Fläche J in der Grabung 2011. In zweifacher Hinsicht überraschte uns das Magnetogramm. Die erwarteten mittelneolithischen Gräben (Strukturen 4 und 14) zeichneten sich, obwohl deren Fortsetzung nordöstlich der Grabungsfläche A mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen war, nirgends im prospektierten Areal ab. Dagegen liegt eine Vielzahl kleiner Anomalien vor. Eine Auswahl von ihnen wurde in der Grabung 2010 gezielt angepeilt. Die meisten Anomalien konnten aber nicht als archäologische Befunde bestätigt werden.7 Einzig eine ca. 45 m lange, lineare Anomalie (Struktur 30) in der Fläche D (Abb. 7) und eine im Magnetogramm nur sehr schwach erkennbare, dünne, ca. 10 m lange Anomalie (Struktur 31) in der Fläche B erwiesen sich in der nach­folgenden Grabung als archäologisch relevante Strukturen (Abb. 4). Eine weitere Überraschung stellte die Datierung der Struktur 30 dar. Sie entpuppte sich als Teil eines spätlatènezeitlichen Grabenwerkes (S. 63ff.).

Die dritte Grabungskampagne von 2011 war wiederum dem mittelneolithischen Grabenwerk gewidmet. Mit zwei langen Schnitten (Flächen G und H) wurde versucht den weiteren Verlauf der Gräben 4 und 14 weiter östlich zu erfassen. Per Zufall wurde in der Fläche G das Ende des einen Grabens gefasst (Struktur 40) während der zweite nicht nachgewiesen werden konnte. So erstaunt es nicht, dass die weiter östlich gelegene Fläche H ohne jeden Befund blieb. Eine dritte kleine Sondierung (Fläche J) wurde auf eine im Magnetogramm erkennbare, im Zickzack verlaufende, lineare Anomalie angesetzt, die sich wiederum als latènezeitlicher Graben (Struktur 46) entpuppte (S. 71). Es war beabsichtigt, die wissenschaftliche Aufarbeitung der Grabungsergebnisse in diverse Themen aufzuspalten und diese interessierten Studierenden unseres Institutes als Qualifikationsarbeiten anzubieten. So sind bis Sommer 2017 drei Arbeiten von unterschiedlicher Grösse und Bedeutung entstanden, die in diesem Band vorgelegt werden. Die umfangreichste Arbeit stammt von Johannes Wimmer. Er untersuchte in seiner Masterarbeit die latènezeitlichen Befun­ de und Funde der Grabungskampagnen 2010-2011 (S. 60ff.). Angelina Minnig bearbeitete in ihrer Bachelorarbeit die in der Fläche A entdeckte spätbronzezeitliche Grube 12/13 (S. 50ff.). Die mittelneolithischen Funde und Befunde waren Thema der Bachelorarbeit von Sebastian Salzmann (S. 12ff.). Abb. 7: Oberhallau-Überhürst. Grabung 2010. Fläche D.

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20 m M 1:700

Grabungsfläche 2000

Rinderstall

Fahrsilo

Grabungsfläche 2009

Grabungsfläche 2011

26 Plan 1: Grabungsflächen der Kampagnen 2000, 2009 und 2011

Plan 1: Oberhallau-Überhürst. Grabungsflächen der Kampagnen 2000, 2009 und 2011. Rot: Mittelneolithische Grabenstrukturen.

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Oberhallau-Überhürst - Ein mittelneolithischer Siedlungsplatz mit Grabenwerk Sebastian Salzmann

1. Einleitung Die hier vorliegende Arbeit beschäftigt sich ausschliesslich mit den mittelneolithischen Siedlungsresten, die in den Jahren 2000, 2009 und 2011 durchgeführten Grabungskampag­ nen zum Vorschein gekommen sind. Die mittelneolithische Fundstelle von Oberhallau scheint insofern interessant, als es sich hierbei um die einzige bekannte Siedlung auf schweizerischem Boden handelt, die mehr als ein paar Artefakte aus der mittelneolithischen Phase des Grossgartach geliefert hat. Zu betonen gilt es, dass auch Oberhallau, wie die übrigen grösseren Fundkomplexe in Deutschland und im Elsass, nördlich des Rheins liegt. Es fanden sich zwar durchaus auch südlich dieser Wasserscheide einzelne Scherben, welche dieser Zeitstufe zugeordnet werden können. So stiess man in Wetzikon-Himmerich und Zürich (Mozartstrasse und Pressehaus) ebenfalls auf Grossgartacher-Keramik, wobei diese in weit geringerer Zahl als dies in Oberhallau der Fall ist und stets eingelagert in jüngeren Fundschichten zum Vorschein gekommen ist.8

2. Die mittelneolithischen Befunde 2.1 Grabenbefunde – Kampagne 2000 2.1.1 Graben I Profil A-B und G-H: Innerhalb der Grabungsfläche Süd konnte diese Grabenstruktur im Planum auf einer Gesamtlänge von etwa 15-16 m beobachtet werden (Plan 2). Im untersuchten Bereich zieht diese grosso modo von Westen in Richtung Osten. Am Nordwestprofil A-B (Plan 7/Abb. 1a) weist der Graben, eingetieft in den anstehenden Boden, eine flache Sohle in einer Tiefe von 11 cm auf und ist in seinem Querschnitt in der Form eines Trapez. In diese hellgrau-humose Grabenverfüllung zieht von oben eine weitere dunkel-grau humose Schicht hinein. Die Letztere reicht noch weitere 8 cm unterhalb der eigentlichen Grabensohle in das Lössmaterial hinein. In diesem Bereich ist der Graben nur etwa 38 cm breit. Das weiter im Osten angelegte Ostprofil G-H (Plan 7/Abb. 1b) präsentiert sich in Bezug auf seine Form in gleicher Weise, wobei der Graben an dieser Stelle allerdings breiter ausfällt und etwa 51 cm misst. Die Sohle lässt sich hier bis in eine Tiefe von 20 cm in den anstehenden Boden beobachten. Sondierschnitt 14: Dieser Schnitt (Plan 2) schliesst nahezu nahtlos an den zuvor behandelten Abschnitt der Struktur G I an, da er nur etwa einen Meter vom Profil G-H entfernt angelegt worden ist. Er dokumentiert diesen Befund auf einer Länge von 3,2 m, wobei hier, allerdings nur schwach sicht-

bar, bereits im Planum drei langovale Pfostennegative (?) mit einem Durchmesser von 15-18 cm fassbar geworden sind (Plan 7/Abb. 2a). Diese kamen dabei in einem Abstand von 8 cm nebeneinander zu liegen. Der halbrunde Graben wies innerhalb dieses beobachteten Teilabschnittes eine Breite von 26-33 cm auf und war noch 25 cm tief erhalten. Allerdings zeigte das in diesem Schnitt angelegte Ostprofil (Plan 7/Abb. 2 b) keinerlei Anzeichen auf das Vorhandensein eines Pfostens, da sich die Grabenverfüllung hier, bestehend aus grauem und sandig-lehmigem Substrat, als durchwegs homogen präsentierte. Sondierschnitt 13: Auf einer Länge von 2,7 m konnten in diesem Schnitt (Plan 2) auf der Höhe der Grabensohle klar umrissene langovale und eng nebeneinander gesetzte Pfostenlöcher, die meist zwischen 14-24 cm mächtig gewesen sind, nachgewiesen werden (Plan 7/Abb. 3a). Im Querschnitt weist der in etwa West-Ost verlaufende Grabenabschnitt eher spitz zulaufende Profile auf, die bis in eine Tiefe von maximal 38 cm zu fassen sind (Plan 7/Abb. 3 b, c). Das Verfüllungsmaterial wird wiederum aus dem gleichen sandig-lehmigen Material gebildet, wie das in den vorherigen Befundsituationen der Fall gewesen war. Schnitt durch Graben I, II und Grube IV: In der Fläche Süd wurde, innerhalb des Grabens I und II, auf Höhe der Grube IV ein weiteres Profil dokumentiert um die Verhältnisse zwischen den einzelnen Befunden aufzeigen zu können (Plan 2 u. 4). Es zeigt sich, dass Graben I stets in einem gewissen Abstand vom Graben II zu liegen kommt und sich diese beiden Strukturen in keinem Fall schneiden oder berühren, auch wenn sie an gewissen Stellen nur noch 15-20 cm auseinanderliegen. Dasselbe gilt ebenfalls für die Grube IV (Plan 19/Abb. 19), die sich unmittelbar neben dem Graben II befindet (Plan 8/ Abb. 4). Die Annahme einer bewussten Bezugnahme der einzelnen Strukturen aufeinander lässt sich zwar nicht beweisen, wäre aber durchaus möglich. Trotzdem könnte eine solche Lage der Befunde auch zufällig zustande gekommen sein. 2.1.2 Graben II Profil I-J und K-L, sowie Profil G44/40 und G20/21: Innerhalb des äussersten Bereiches der Grabungsgrenzen im Westen der Fläche Süd konnte ein Ost-West orientiertes Teilstück des Grabens II untersucht werden (Plan 2). Die an dieser Stelle dokumentierten Querprofile (Plan 8/Abb. 5 a-c) weisen eine halbrunde bis spitztrapezoide Form auf, wobei sie noch bis in Tiefen von 0,18 bis 0,38 m im anstehenden Lössboden erhalten geblieben sind. Die im Planum beobachtete Breite der 13


Struktur mass zum Zeitpunkt der Freilegung noch etwa 0,42 bis 0,59 m, wobei davon auszugehen ist, dass ein Teil davon bereits durch die Bodenerosion abgetragen worden ist und der Graben somit in seinem ursprünglichen Zustand wohl noch breiter ausgefallen war. Die sandig-lehmige und körnigfeiste Verfüllung präsentiert sich sehr homogen und ist von dunkelblaugrauer Färbung. An einigen Stellen ist sie durchmischt mit dem umliegenden Schwemmlehmsediment. Vereinzelt lassen sich im unteren Bereich des Grabens orange-rote Einschlüsse beobachten, wobei es sich um Sandsteinsplitter handeln dürfte. Schnitt 11: Dieser ganz im Südosten der Grabungsfläche angelegte Sondierschnitt öffnete sich dort, wo die Grabenstruktur II schliesslich an der Oberfläche auszulaufen scheint und sich im Planum als eine Art runder Abschluss präsentiert (Plan 2). Zudem ist der Graben in diesem Bereich mit seinen 0,68 bis 0,86 m tendenziell etwas breiter ausgeprägt als dies beim Sondierschnitt 10, der den Grabenabschnitt unmittelbar nordöstlich dokumentiert, der Fall gewesen war, weshalb man hier gewissermassen von einem abschliessenden Kopfstück des Grabens sprechen darf (Plan 9/Abb. 6 a). Das im Nordosten angelegte Profil zeigt einen halbrunden Querschnitt und gibt die Struktur bis in eine Tiefe von etwa 0,38 bis 0,49 m wieder (Plan 9/Abb. 6 b). Die Verfüllung besteht aus einem dunkelblaugrau gefärbten, humosen und sehr kompakten Schwemmlehmmaterial. Schnitt 10: Dieser Sondierschnitt wurde nur 1,2 m entfernt vom Schnitt 11 angelegt und zeigt den Graben II in seiner unmittelbaren Fortsetzung in nordöstlicher Richtung (Plan 2). In seiner grössten Breite weist er im Planum eine Breite von 0,81 m auf, wobei er sich gegen Nordosten hin auf 0,51 m verengt (Plan 10/Abb. 7 a). Der noch bis in eine Tiefe von 0,65 m erhaltene Befund lässt in seinem Profil eine V-förmige Grubensohle ausmachen (Plan 10/Abb. 7 b). In Bezug auf seine homogene Verfüllung ist diese identisch mit dem Schwemmmaterial der restlichen mittelneolithischen Strukturen. Schnitt 9: Nahezu 12 m östlich des zuvor thematisierten Schnittes lässt sich an dieser Stelle ein weiteres Teilstück des Grabens II ausmachen (Plan 3). Im Planum variiert der Graben hier in seiner Breitenausdehnung zwischen 0,69 bis 0,84 m und entspricht damit in etwa den restlichen dokumentierten Abschnitten dieser Struktur (Plan 11/Abb. 8 a). Die Verfüllung ist im Profil noch bis in eine Tiefe von 0,38 bis 0,49 m erhalten geblieben und besteht aus demselben körnigen und sandig-lehmigen Material wie die aller übrigen Strukturen, ist aber zum Teil noch mit orangefarbenen Lehmeinschlüssen durchsetzt. Im Querschnitt präsentiert sich der Graben wannenförmig bis U-förmig (Plan 11/Abb. 8 b, c). Schnitt 7: In diesem Schnitt, der ganz im Südosten des untersuchten Grabungsbereiches angelegt wurde, ist ein weiteres indes sehr gut konserviertes Teilstück des Grabens II zum Vorschein gekommen (Plan 3). Der hier freigelegte Befund konnte an dieser Stelle auf einer Länge von 1,83 m untersucht werden. Dabei mass die, Nordost-Südwest verlaufende, Struktur 14

im Planum zwischen 0,58 bis 0,68 m (Plan 12/Abb. 9 a). Die Querprofile zeigen in diesem Grabenabschnitt U- und V-förmige Profile, die sich in einer Tiefe von 0,65 m zu einem nur mehr etwa 25 cm breiten Graben verengen. Die graue Verfüllung, bestehend aus einem körnigen und sandig-lehmigem Sediment, präsentierte sich im unteren, spitzen Teil als zunehmend dunkler (Plan 12/Abb. 9 b, c). 2.1.3 Graben V (Sondierschnitt 8) Dieser Sondierschnitt, der etwas peripher zu den restlichen mittelneolithischen Befunden und im südöstlichen Bereich der Grabungsfläche angelegt worden ist, brachte einen weiteren Abschnitt eines Grabens zum Vorschein (Plan 3). Diese, parallel und in einem Abstand von rund 8 m zum Sondierschnitt 7 des Grabens II verlaufende Struktur, misst in ihrer Breitenausdehnung zwischen 35 bis 56 cm und reicht noch bis in eine Tiefe von maximal 39 cm (Plan 13/Abb. 10 a-d). Die Grabenverfüllung erweist sich als sehr homogen und präsentiert sich in gleicher Weise wie diejenige der zuvor thematisierten Grabenbefunde. Auch das Umgebungsmaterial, bestehend aus ockerfarbenem Lössboden, ist identisch mit demjenigen der übrigen mittelneolithischen Strukturen. Betrachtet man die Ausrichtung dieses Grabenabschnittes im Kontext zu den Befunden weiter westlich (Plan 1-3), so dürfte es sich hierbei wohl um eine Fortsetzung des Graben V‘ handeln. Neben der südwest-nordöstlichen Orientierung dieses Befundes weisen insbesondere dessen V- bis U-förmige Grabenquerschnitte daraufhin, dass diese beiden Strukturen gleichzusetzen sind. Noch deutlicher wird dies, indem man als direkter Vergleich das Nordostprofil 1 von Sondierschnitt 8 (Plan 13/Abb. 10 c), dem Südwestprofil E von Graben V‘ (Plan 14/Abb. 11 e) gegenüberstellt. So sind diese nicht nur in Bezug auf ihre Dimensionierung identisch, sondern auch durch die Tatsache, dass ihre U-förmigen Grabenquerschnitte jeweils relativ flache Sohlen aufweisen. 2.1.4 Graben V‘ Bei diesem Befund handelt es sich um einen sehr schmalen, nur etwa 20 bis 59 cm breiten Graben, der lediglich noch 7 bis 35 cm tief im anstehenden Lössboden erhalten geblieben ist. Die Struktur beginnt entlang der Grabungsgrenze im Nordwesten der untersuchten Fläche und verläuft zunächst exakt in westöstlicher Richtung. Dann, in etwa auf der Höhe des Profils D, wo die Struktur von einem neuzeitlichen Drainagegraben sowie einer von Nordwesten her verlaufenden Störung geschnitten wird, ist im Planum ein flauer Knick auszumachen, wonach der Graben im Anschluss daran in südwestnordöstlicher Richtung weiterläuft, bis er etwa im rechten Winkel auf die bereits bestehende Fahrsiloplattform trifft, von welcher dieser Befund gestört wird (Plan 2). Was die Gleichsetzung mit Graben V (Sondierschnitt 8) betrifft, so wurde diese Thematik bereits im Kapitel 2.1.3 eingehend behandelt. Die Verfüllung des Grabens besteht, wie diejenige aller anderen mittelneolithischen Befunde, aus einem lehmig-humosen und grauschwarzen Schwemmlehmmaterial. Auffällig er-


scheint, dass diese Struktur im nordwestlichen Bereich der Grabungsfläche tendenziell viel schmäler und weniger tief ausgebildet ist, als dies auf seiner restlichen Länge der Fall ist. Dies wird insbesondere beim Betrachten der V- bis U-förmigen Profile mit teilweise flach ausgeprägter Grabensohle deutlich (Plan 14/Abb. 11 a-e). So hat vor allem im Bereich der Kuppe offensichtlich eine massive Flächenerosion vorgeherrscht. 2.1.5 Graben XI Innerhalb der Fläche Nordwest konnte ein weiterer, allerdings nur mehr schlecht konservierter Rest eines Südwest-Nord­west orientierten Gräbchens gefasst werden (Plan 2). Dieser schmale, 16 cm breite Graben, der einen nahezu trapezförmigen Querschnitt aufweist (Plan 14/Abb. 12 b), war im Planum allerdings nur auf einer Distanz von 3,7 m zu fassen und läuft an seinen Schmalseiten sehr rasch nach oben hin aus (Plan 14/Abb. 12 a). In seiner Verfüllung fanden sich lediglich kleinste Keramikfragmente, die sich jeglicher Datierung entziehen. So wurde dieser Graben lediglich aufgrund der Tatsache, dass er dasselbe körnige und sandig-lehmige Verfüllungsmaterial wie die restlichen hier thematisierten Befunde aufweist, dem Mittelneolithikum zugeschrieben. Ein Indiz, welches aber tatsächlich für eine solche Datierung sprechen könnte, liefert seine parallele Ausrichtung zum mittelneolithischen Graben V‘, der nur etwa 3,5 m südlich von Graben XI zu liegen kommt. Zudem findet er in der Grabenstruktur 2 weiter im Osten seine mögliche Fortsetzung.

2.2 Grabenbefunde – Kampagne 2009 2.2.1 Graben 2 Diese nur rund 17 bis 25 cm breite Struktur erstreckt sich in südwest-nordöstlicher Richtung und konnte in der Grabungsfläche auf einer Länge von 13,4 m gefasst werden (Plan 5). Dabei verläuft er parallel zum Graben 4 und steht in einem Abstand von rund 3 bis 4 m zu diesem. Gegen Osten läuft er nach oben hin aus und wird in seinem Verlauf durch zwei moderne Drainagegräben gestört. Er erhielt sich im anstehenden Lössboden, der von zahlreichen Wurzelgängen durchzogen ist, lediglich noch bis in eine Tiefe von 5 cm (Plan 14/Abb. 13). Das angelegte Profil zeigt dabei eine flache Sohle und ist wannenförmig. Die Verfüllung von grauer Färbung besteht aus lehmigem Schluff, der an einigen Stellen mit Holzkohlepartikeln durchsetzt ist. In Bezug auf seine Orientierung, Lage und der geringen Mächtigkeit dürfte er wohl mit dem Graben XI gleichzusetzen sein, was aufgrund der schlechten Erhaltung beider Strukturen wohl eine Annahme bleiben muss.

2.2.2 Graben 4 Innerhalb der Grabungsfläche liess sich ein weiterer Graben fassen, der in südwest-nordöstlicher Richtung verläuft und parallel zu den Gräben 2 und 14 zu liegen kommt (Plan 1). Er konnte auf einer Länge von nahezu 24 m untersucht werden, wobei er in seiner Breite zwischen 27 und 75 cm variiert (Plan 5). Dieser Graben, dessen Verfüllung aus einem schwarzgrauen, sandig-lehmigen Schluff besteht, ist noch bis in eine Tiefe von maximal 39 cm im anstehenden Lössboden erhalten (Plan 15/Abb. 14 a-b). Das Profil 2, angelegt ganz im Nordosten der Grabungsfläche, zeigte dabei in guter Erhaltung den U-förmigen Querschnitt dieser Struktur. Auffällig ist dabei seine flache Grabensohle. Das andere Profil 1 weiter nordöstlich ist aufgrund der wirkenden Erosion weit schlechter erhalten und dokumentiert lediglich noch den eher spitzrunden, untersten Teil dieses Grabens. Dieses Teilstück des Grabens 4 ist am ehesten mit Graben V/V‘ gleichzusetzen. So lässt sich das Nordostprofil 2 dieser Struktur (Plan 15/Abb. 14 a) sehr gut mit dem Nordostprofil 1 des Grabens V (Plan 13/Abb. 10 c) oder dem Südwestprofil E des Graben V‘ (Plan 14/Abb. 11 e) vergleichen. So zeigen all diese Profile einen Graben mit U-förmigem Querschnitt sowie einer flachen Grubensohle. Zudem sind alle Teilstücke dieser Struktur in ihrer Breitenund Tiefenausdehnung in etwa gleich dimensioniert. 2.2.3 Graben 14 Die Grabenstruktur, welche sich in südwest-nordöstlicher Richtung erstreckt, ist im Planum auf einer Länge von insgesamt 23 m zu fassen (Plan 5). Dabei misst diese in ihrer Mächtigkeit im Schnitt etwa 0,65 bis 0,70 m, wobei, aufgrund der eher unregelmässigen Ausdehnung des Grabens, stellenweise gar eine Breite von 1,3 m zu beobachten ist. Der 0,59 bis 0,68 m in den von Wurzelgängen durchzogenen Lössboden eingetiefte Befund ist mit dunkelgrauem, sandigen Schluff verfüllt, der mit einigen wenigen Holzkohlepartikelchen durchsetzt ist. Das angelegte Nordostprofil (Plan 15/Abb. 15 a) zeigt einen V-förmigen und sich nach unten verengenden Grabenquerschnitt, wobei dessen Sohle an dieser Stelle nicht mehr genau zu eruieren gewesen war. Eine bessere Erhaltung, wo sich der Graben in seiner gesamten Tiefenausdehnung fassen liess, wies hingegen das Westprofil (Plan 15/Abb. 15 b) auf, das sich in sehr ähnlicher Weise präsentiert wie schon die Profile des in der Grabungskampagne 2000 angelegten Sondierschnittes 7 (Plan 12/Abb. 9 b, c), der seinerseits einen Teil des Grabens II dokumentiert. Diese Ähnlichkeit beruht jedoch nicht nur auf dem V-förmigen Grabenquerschnitt, sondern auch auf der Dimensionierung des Befundes. So dürfte es sich bei der Struktur 14 mit einiger Sicherheit um die Fortsetzung des Grabens II handeln. Gestützt wird diese Aussage noch durch das Betrachten des gesamten Grabenverlaufs (Plan 1).

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2.3 Grabenbefunde – Kampagne 2011

2.4.2 Grube IV

2.3.1 Graben 40

Diese langovale, fast rechteckige Grube befindet sich in randseitiger Lage direkt nordöstlich des Grabens II, tangiert diesen jedoch knapp nicht (Plan 8/Abb. 4). Demnach befindet sich diese noch innerhalb des vermuteten und von Gräben umsäumten Siedlungsareals (Plan 4). An seiner Oberfläche misst diese 3 m x 1,7 m, wobei sie sich bis zur Sohle hin auf etwa 2,6 m x 1,1 verjüngt (Plan 19/Abb. 19 a). Die Grube IV weist entlang ihrer nordwestlichen Begrenzung, wo sich eine weitere muldenartige Vertiefung ausmachen lässt, ihre maximale Tiefenausdehnung von 0,52 m auf. In ihrer Stratigraphie (Plan 19/Abb. 19 b) lassen sich mit den Strukturen 3 und 5 zwei Verfüllungshorizonte ausmachen. Letztere davon lieferte auch etwas Holzkohle. Dazwischen lässt sich mit einer Lösslinse eine weitere Erosionsschicht 4 feststellen, was darauf hindeutet, dass die Grube möglicherweise über einen mehr oder weniger langen Zeitraum ungenutzt offen gestanden ist, wodurch es vereinzelt zu Einschwemmungen gekommen ist. Dabei präsentiert sich die stratigraphisch ältere Grubenverfüllung 3 als körnig und ist von dunkelgrau-schwarzer Färbung, was charakteristisch wäre für Schichten, die Wasser führend sind.

Innerhalb der Grabungskampagne 2011 stiess man peripher und nordöstlich zu den restlichen mittelneolithischen Befunden auf ein weiteres Teilstück eines Grabens, der auf einer Gesamtlänge von 4,8 m dokumentiert werden konnte (Plan 1 u. 6). Dieser verläuft in südwest-nordöstlicher Richtung, misst in seiner Breite zwischen 31 bis 41 cm und läuft gegen Nordosten hin relativ abrupt nach oben hin aus (Plan 16/Abb. 16 a-b). Das Südwestprofil 2 repräsentiert diese Struktur in seiner Länge und zeigt deren maximale Tiefenausdehnung von 0,52 m innerhalb des von Wurzelgängen durchzogenen Lössbodens (Plan 16/Abb. 16 b u. Plan 17/Abb. 17 b). Ihre Verfüllung 40.1 setzt sich zusammen aus einem grau-braunen, lehmigen Schluff, der vereinzelt mit Holzkohlepartikelchen durchsetzt ist. Darin enthalten waren, neben zwei Steinartefakten, lediglich einige wenige Keramikfragmente, die sich jeglicher Datierung entziehen. Das Südwestprofil 1 zeigt einen V-förmigen Querschnitt dieses Grabens (Plan 17/Abb. 17 c), ähnlich wie dies auch im Westprofil 2 des Grabens 14 (Plan 15/Abb. 15 b) sowie dem Nordostprofil des Sondierschnittes 7 (Plan 12/Abb. 9 b) des Grabens II zu beobachten ist, weshalb der Graben 40 als mögliche Fortsetzung des Grabens II bzw. des Grabens 14 gesehen werden darf. Ein weiterer Hinweis, der diese Annahme erhärten könnte, ist die Ausrichtung und Lage der Struktur 40, die sich in etwa auf einer Linie zum Graben 14 befindet (Plan 1).

2.4 Grubenkomplexe – Kampagne 2000 2.4.1 Grube III Bei diesem Befund handelt es sich um eine unregelmässige, nierenförmige Grube mit unscharfer Mischzone am Rand (Plan 18/Abb. 18 a). Sie misst 2,15 m x 0,9 m und reicht noch rund 0,30 m tief in den anstehenden Lössboden. Ihre Füllung präsentiert sich fleckig grau-braun und ist zum Teil mit kleinen Kieselsteinen (≤ 1.5 cm) durchsetzt, wobei die Grubensohle geringfügig dunkleres Material enthält (Plan 18/Abb. 18 b). Vereinzelt finden sich darin auch gelbe Lehmeinschlüsse, die aus dem umliegenden Schwemmlehm in die Grubenverfüllung gelangt sind. Innerhalb der südlichen Ecke konnte ein Pfostennegativ (?) mit einem Durchmesser von 24 bis 29 cm, gefasst werden, deren Verwendungszweck sich allerdings nicht ermitteln lässt. Interessant scheint hier zumindest die Tatsache, dass sich dieser Grubenbefund, als einziger innerhalb der gesamten ergrabenen Fläche, knapp ausserhalb des Grabens I befindet (Plan 4). Letzterer lieferte interessanterweise ebenfalls Hinweise auf das Vorhandensein von etwaigen Pfostennegativen, die zumindest in Bezug auf ihre Mächtigkeit in etwa dem vorliegenden Befund innerhalb der Grube III entsprechen würden.

16

2.4.3 Grube VI Dieser Befund befindet sich innerhalb der Fläche Südost und etwa mittig zwischen den zwei Gräben II und V‘ (Plan 2 u. 4). Er ist Nordost-Südwest orientiert und misst im Planum in seiner grössten Ausdehnung 0,80 m auf 0,50 m (Plan 20/Abb. 20 a). Bei diesem Befund, der bezüglich der Form seines Grundrisses an eine Sanduhr denken lässt, handelt es sich gewissermassen um einen Grubenkomplex. Ein solcher entsteht dadurch, dass auf engem Raum über einen mehr oder weniger langen Zeitraum einzelne Gruben angelegt worden sind, deren Zwischenwände verstürzten, so dass sich deren Füllungen in der Folge vermischten.9 Dass es sich hierbei eigentlich um zwei einzelne Vertiefungen gehandelt hatte, lässt sich im Planum innerhalb der schmalen Zone des Befundes erkennen, wo der Grubenrand nur mehr sehr schwach zu fassen gewesen war. So zeigen sich auch im Profil zwei, nur etwa 10 cm in den anstehenden Lössboden eingetiefte, muldenartige Vertiefungen (Plan 20/Abb. 20 b). In der Grabung wurde allerdings auf eine Trennung der Funde nach den jeweiligen Strukturen verzichtet. Die Verfüllung präsentiert sich im Wesentlichen als sehr kompaktes, humoses Sediment von dunkelgrauer bis bläulicher Färbung, wobei sie an einigen Stellen ein gehäuftes Auftreten von gelben und sterilen Schwemmlehmeinschlüssen aus der Umgebung aufweist.


2.4.4 Grube VII

2.4.7 Grube X

Diese ost-westwärts ausgerichtete, länglich-ovale Grube befindet sich in der Fläche Nord und erstreckt sich auf einer Fläche von rund 2,6 m auf 1,2 m (Plan 4 und Plan 20/Abb. 21 a). Die noch rund 0,4 m tief in den Lössboden reichende Grube weist in ihrem Profil eine flache, wannenförmige Muldenform auf (Plan 20/Abb. 21 b). Dabei konnten zwei Verfüllungshorizonte festgestellt werden, wobei der stratigraphisch ältere (Schicht 2) entlang der Grubensohle, aus einer kompakten, dunkelblau-schwarzen und stark humosen Schicht aus Schwemmlehmmaterial besteht. Diese ist an ihrer tiefsten Stelle stark mit Holzkohle durchsetzt und beinhaltet mitunter kalzinierte Knochen. Der grau-blaue Horizont darüber (Schicht 3) war mit vereinzelt auftretenden Lehmknöllchen versehen. Er war indessen kaum vom umliegenden Lössboden zu unterscheiden, weshalb die Grenzen dieser Grube nur schwer fassbar waren. Dieser Befund wurde während der Grabung in zwei Hälften untersucht, wobei lediglich die Funde aus der Osthälfte den jeweiligen Schichten zugeordnet worden sind.

Diese etwa 1,15 auf 1,1 m grosse Struktur kommt nördlich des Grabens V‘ zu liegen (Plan 2 und 4). Sie zeichnet sich im Planum annähernd kreisrund bis eiförmig gestaltet ab. In ihrem Querschnitt zeigt sie ein zylindrisches und steil konisches Profil mit flachem bis leicht wannenförmigem Boden (Plan 21/Abb. 24 a-b). Dabei sind ihre Seitenwände nahezu vertikal ausgebildet. In morphologischer Sicht dürfte sie zu den Vorratsgruben gezählt werden.11 Diese Struktur ist noch bis in eine Tiefe von 22 cm im anstehenden Lössboden erhalten geblieben. Die Verfüllung weist keine Stratigraphie auf und besteht aus einem kompakten, dunkelblau-grauen, humosen Schwemmlehm-Material. Zum Teil lassen sich darin hellgraue Lehmklümpchen feststellen. Im Randbereich sind keilförmige und zur Mitte der Grube hin orientierte Strukturen aus Schwemmlehm erkennbar.

2.4.5 Grube VIII Die länglich ost-westwärts ausgerichtete und in den anstehenden Lössboden eingetiefte Grube VIII innerhalb der Fläche Südost mutet in ihrem Grundriss im Planum wie eine Sanduhr an, ähnlich wie dies bereits beim Befund der Grube VI der Fall war (Plan 4). Wie die Letztere entstand auch diese wohl durch verstärkt auftretende Einbrüche von Lössschollen an der Grubenmündung während ihrer Benutzungsdauer.10 Insgesamt erstreckt sich der Grubenkomplex auf einer Fläche von 1,05 m auf 0,45 m und war zum Zeitpunkt der Freilegung an ihrer tiefsten Stelle innerhalb des östlichen Teils des Befundes noch bis rund 15 cm in den Schwemmlehm hineinreichend erhalten gewesen, läuft allerdings gegen Westen hin zunehmend nach oben aus (Plan 21/Abb. 22 a-b). Die Verfüllung präsentiert sich analog zu sämtlichen bisher behandelten Befunden als kompakter Schwemmlehm, von dunkelgrau-bläulicher Färbung.

2.4.8 Grube XII Dieser Befund, nördlich des Grabens XI, wurde relativ stark durch die wirkende Erosion in Mitleidenschaft gezogen, weshalb er im Planum lediglich noch als einzelne Flecken zu erkennen gewesen war (Plan 2 und 4). Diese Überreste, die einst wohl von einer einzigen Grube herstammen könnten, erstrecken sich insgesamt noch auf eine Fläche von etwa 1.2 auf 0.7 m (Plan 21/Abb. 25 a-b). In ihrer Tiefe waren die voneinander getrennten Teilstrukturen lediglich noch bis maximal 10 cm unterhalb der Oberfläche zu fassen und zeichnen sich in ihrem Profil durch ihre seichte Muldenform aus. Was die Verfüllung betrifft, so entspricht diese den übrigen mittelneolithischen Befunden und besteht aus kompaktem und humosem Schwemmlehm-Material von blaugrauer Färbung. Darin konnten indes keinerlei Schichtkomponenten gefasst werden.

2.4.6 Grube IX Diese lanzettförmige und Nordwest-Südost orientierte Struktur befindet sich in unmittelbarer Nähe zur Grube VII und misst im Planum lediglich etwa 0,6 m auf 0,18 m (Plan 4). Die Grube ist nur geringfügig in den anstehenden Boden eingetieft, wobei sie innerhalb der östlichen Hälfte etwas tiefer (≤ 9 cm) in den Lössboden hineinreicht (Plan 21/Abb. 23 a-b). Sie lieferte lediglich ein einziges, nicht datierbares Keramikfragment, weshalb diese lediglich aufgrund ihrer körnigen, sandig-lehmigen Verfüllung und ihrer Nähe zu den übrigen hier thematisierten Befunden dem Mittelneolithikum zugeordnet wurde.

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A

B

Graben I

K

I

J

G

Graben II

G40/21

Schni� Gräben I/ II und Grube IV

G44/20

L

Profil C

Graben V‘

Profil B

Sondierschnitt 13

Graben I

Fläche Südwest

Sondierschnitt 14

H

Dra inag egra ben

Profil A

Sondiergraben 4

Fläche Süd

F

St ö r un g2

18

Plan 2: Grabungsfläche 2000, Grabenstrukturen, Nordwesthäl�e (1. Teil)

Plan 2: Grabungsfläche 2000, Grabenstrukturen, Nordwesthäl�e (1. Teil)

Plan 2: Oberhallau-Überhürst. Grabungsfläche 2000, Grabenstrukturen, Nordwesthälfte (1. Teil).

Fläche Südost

Fläche Nord

Profil D

Graben XI

Sondie rschnitt 12

E

Störung 1

A B E

Fläche Süd

F L

K

G44

Graben I

Sc I/ Gr

Fahrsilo bestehend

Fortsetzung siehe nächste Seite Graben II

Sondierschnitt 10

5m M 1:170

Sondierschnitt 11

Profil E

Fläche Nordwest

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