Schaffhausen Geschichte - Stadt - Zukunft.

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Schaff hausen Geschichte – Stadt – Zukunft Eine Publikation zum Verzeichnis der schützenswerten Kulturdenkmäler (VKD) der Stadt Schaffhausen


Schaff hausen Geschichte – Stadt – Zukunft Eine Publikation zum Verzeichnis der schützenswerten Kulturdenkmäler (VKD) der Stadt Schaffhausen


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Vorwort

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01 Stadtlandschaft im Wandel – Dörfer in der Stadt

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02 Bürgerliche Bau- und Wohnkultur auf dem Stokarberg

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03 Landschaftsparks und stattliche Häuser – Schaff hauser Villengärten

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04 Weltwirtschaftsgeschichte im Mülitaal – von der Kräutermühle zum Weltkonzern

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05 Urbane Ländlichkeit – Schaff hauser Garten­städte

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06 Unsere Schulhäuser – Licht und Luft für helle Köpfchen

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07 Um die Hochstrasse – Ein Quartier der Nachkriegsjahre

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08 Lebendige Oasen der Ruhe – die öffentlichen Grünanlagen

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09 Bauen für Schaff hausen – acht Biografien aus zweihundert Jahren

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10 Spurensuche und Grundlagenarbeit – wie das VKD entstanden ist

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Vorwort Geschichtlich und kulturell wertvolle Bauten und Gärten sind wichtige Qualitäts- und Standortfaktoren der Stadt Schaffhausen. Ihre Erhaltung und Pflege dienen einer positiven Entwicklung der Stadt in der Gegenwart und Zukunft. Gemäss dem kantonalen Gesetz über den Natur- und Heimatschutz haben die Gemeinden ein Inventar der Schutzzonen und Schutzobjekte zu erstellen und zu führen. Anstelle eines eigentümerverbindlichen Inventars können die Gemeinden ein behördenverbindliches Verzeichnis schützenswerter Kulturdenkmäler (VKD) führen. Die Stadt Schaffhausen hat diesen Weg gewählt und der Stadtrat hat das Verzeichnis auf den 1. Januar 2019 in Kraft gesetzt. Das VKD umfasst bisher das gesamte Stadtgebiet ohne die Altstadt. Es schafft als behördenverbindliches Instrument für Bauherren, Architekten und die Behörden klare Grundlagen und Rechtssicherheit in der Beratung und Beurteilung von Planungen und Baugesuchen. Im Zuge der Erarbeitung des VKD entstand auch eine wertvolle Übersicht über die baukulturellen Werte unserer Stadt. Die Verabschiedung des Verzeichnisses wurde deshalb zum Anlass genommen, eine kleine Informationsausstellung zusammenzustellen. Die Inhalte dieser Ausstellung sind in diesem Heft wiedergegeben und können so einem breiten Kreis zugänglich gemacht werden. Die Dokumentation zur Entwicklung von Bauten und Gärten lädt zu einer Reise von der Vergangenheit in die Gegenwart und durch verschiedene Quartiere der Stadt Schaffhausen ein. Das vorliegende Heft soll über das Dokumentieren hinaus dazu anregen, über baukulturelle Werte nachzudenken und zu diskutieren. Die Geschichte und Geschichten hinter den wertvollen Bauten und Gärten der Stadt Schaffhausen werden ins öffentliche Bewusstsein gerückt und tragen damit zu einer lebendigen Baukultur bei. Dr. Katrin Bernath Baureferentin Stadt Schaffhausen 5


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Stadtlandschaft im Wandel – Dörfer in der Stadt Die heutige Stadt Schaff hausen umfasst neben dem historischen Siedlungskern der Altstadt auch drei Dorf kerne, die einen hohen baukulturellen Wert aufweisen. Die ehemals eigenständigen Bauerndörfer Buchthalen, Herblingen und Hemmental bereichern mit ihren historischen Zentren das Stadtbild. Während des 19. Jahrhunderts wurden die Tore und Bollwerke der Stadt Schaff hausen sukzessive geschleift. Zuvor schützten sie das hoheitliche Staatswesen sowie das Gewerbe und den Handel in der Stadt. Sie bewirkten eine klare Trennung zwischen der bebauten Stadt innerhalb der Mauern und dem weitgehend unbebauten und landwirtschaftlich genutzten Umland. Von den unterschiedlichen Stadttoren führten Wege und Strassen in relativ direkter Linienführung zu den umliegenden Dörfern und weiter in die nächsten Städte. Die Wege waren gesäumt von Rebbergen, Weiden und Äckern. Nur wenige Landgüter sowie einzelne landwirtschaftliche Klein- und Nebenbauten standen am Wegrand. Sie sind auf der Dufourkarte von 1849/50 entlang der Strasse als schwarze Punkte zu erkennen. Buchthalen, Herblingen und Hemmental bilden kleinere Bauerndörfer mit Kirche eingebettet in die Landschaft. Das nebenstehende Bild eines unbekannten Malers aus dem 19. Jahrhundert dokumentiert nicht nur die Mühen, die der Buttenträger beim Aufstieg nach Buchthalen hat, sondern stellt auch seine Umgebung dar, möglicherweise das Kegelgässchen. Der steile Weg ist kaum befestigt und beidseitig von Mauern und Zäunen eingefasst, welche die Reben vor Mundräubern schützen. Zugänglich sind diese zur Bewirtschaftung durch eine Tür mit starken Angeln. Am linken Bildrand ist eine landwirtschaftliche Kleinbaute zu erkennen.

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Stadtlandschaft im Wandel – Dörfer in der Stadt


Die Dufourkarte von 1849/50 zeigt einen kompakten Stadtkörper, Dörfer im Umland und dazwischen Strassen mit vereinzelten Bauten. (Bundesamt für Landestopografie)

Das Kegelgässchen – die Landstrasse nach Buchthalen – im 19. Jahrhundert. (StadtASH J 02.02.01.01/002)

Getrieben vom Zustrom der Arbeiter während der zweiten Industrialisierung verdoppelte sich die Bevölkerung Schaff hausens zwischen 1850 und 1900.

Hemmental als kompaktes Haufendorf, zuoberst die Kirche. (Foto: DP SH)

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Wachsende Transportkapazitäten auf Dampfschiffen und zur Schiene ermöglichten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Import von günstigem Getreide. In der Schweiz und in ganz Westeuropa war die Landwirtschaft in einer Kornkrise. Gleichzeitig befeuerte der Fortschritt die Produktion und den Arbeitskräftebedarf der Fabriken. Getrieben vom Zustrom der Arbeiter während der zweiten Industrialisierung verdoppelte sich die Bevölkerung Schaff hausens zwischen 1850 und 1900. Die Stadt wuchs und breitete sich im Umland aus; Rebberge, Weiden und Äcker wurden zu Wohnquartieren. Diese Entwicklung beschleunigte sich nach dem Zweiten Weltkrieg, als das Wirtschaftswunder Arbeitskräfte in die Fabriken lockte. Der wachsende Wohlstand machte Familienwohnungen oder gar Einfamilienhäuser erschwinglich und die zunehmende Verbreitung des Autos ermöglichte die Erschliessung auch abgelegener Wohnquartiere. So hat sich die wachsende Stadt die Landschaft und die landwirtschaftlichen Siedlungen einverleibt. 1947 wurde das ehemalige Bauerndorf Buchthalen eingemeindet, Herblingen gehört seit 1964 zur Stadt. Nur Hemmental, hinter den Wäldern am Fusse des Randen gelegen, gehört seit 2009 ebenfalls zu Schaff hausen, ist aber nicht mit der Stadt zusammengewachsen. Von den für Schaffhausen so typischen, beidseitig mit Zäunen oder Mauern gefassten Strassen und Wegen sind einzelne erhalten geblieben und markieren die historischen Wegverläufe von Schaff hausen nach Buchthalen, Herblingen und Hemmental, die als historische Dörfer auch heute noch eine grosse Bedeutung für die Vielfalt und Identifikation der Stadt haben.

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Stadtlandschaft im Wandel – Dörfer in der Stadt


Die Römertrotte im Peterschlatt stammt wohl aus dem 17. Jahrhundert. Als allein­ stehendes Gebäude auf einer Hügelkuppe ist der Bau im Landschaftsbild von hoher Bedeutung und erinnert an den früher für die Stadt Schaff hausen wichtigen Rebbau. (Foto: DP SH)

Die Stadt wuchs und breitete sich im Umland aus. Rebberge, Weiden und Äcker wurden zu Wohnquartieren.

Herblingen aus der Luft 2011. (Comet Photoshopping GmbH)

Buchthalen aus der Luft 2011. (Comet Photoshopping GmbH)

Hemmental aus der Luft 2011. (Comet Photoshopping GmbH) 9


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Bürgerliche Bau- und Wohnkultur auf dem Stokarberg Die wohlhabenden Stadtbürger verfügten nicht nur über Liegenschaften in der Altstadt, sie verwalteten auch Reblagen und Ländereien, die sich auf den Ebenen oberhalb der Stadt ausbreiteten. Bis heute nachvollziehbar ist dies auf dem Stokarberg, wo sich barocke Landsitze und stattliche Villen erhalten haben, die im 19. Jahrhundert dazukamen. Der Merianprospekt von 1644 stellt die Schaff hauser Altstadt als kompakten Stadtkörper dar. Vor den Stadttoren sind Gewerbebetriebe und im weiteren Umland vor allem landwirtschaftliche Kleinbauten auszumachen. Eine Ausnahme bildeten die Landgüter. Neben den betriebsnotwendigen Ökonomiebauten und Unterkünften für das Personal waren sie auch Wohnsitze für die bürgerlichen oder adeligen Grundbesitzer. Diese erfreuten sich auf dem Land an der Sommerfrische oder wohnten gar ganzjährig hier. Als Beispiel ist hier der Hintere Stokarberg zu nennen. Darstellungen aus dem 17. Jahrhundert zeigen ihn als eine grosszügige, mehrere Gebäude umfassende und von Zinnenmauern gefasste, schlossähnliche Anlage. Die Familie Stokar, eine alteingesessene Patrizierfamilie, besass zwischen der Breite und dem Fäsenstaub viel Land und war für den Stokarberg namensgebend. Zu den Besitztümern gehörte neben dem Hinteren auch der Vordere Stokarberg. Ursprünglich eine Trotte, die zwischen 1640 und 1650 um eine Rebmanns-Wohnung ergänzt wurde. 1740 wurde das Gebäude im Osten erweitert und erhielt die Gestalt eines wohnlichen Landsitzes. Im Obergeschoss wurde ein reich ausgemalter und mit aufwändigen Stukkaturen dekorierter Festsaal ausgestaltet. Das Privileg, sich auch ausserhalb der Altstadt anzusiedeln, wurde erst mit der Einführung der Niederlassungsfreiheit im Laufe des 19. Jahrhunderts allen Bürgern zuteil.

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Bürgerliche Bau- und Wohnkultur auf dem Stokarberg


Auf dem Stadtprospekt von Merian aus dem Jahr 1644 sind der Hintere (links) und Vordere Stokarberg (rechts) deutlich dar gestellt, inmitten von Rebbergen, die die ganze Stadt umgeben. (Archiv DP SH)

Das Privileg, sich auch ausserhalb der Altstadt anzusiedeln, wurde erst mit der Einführung der Niederlassungsfreiheit im Laufe des 19. Jahrhunderts allen Bürgern zuteil.

Reich geschmückte Decke des Festsaals im Vorderen Stokarberg. Im zentralen Bildfeld ist Apollo mit den neun Musen dargestellt. Das Gemälde wurde 1743 vom Schaff hauser Künstler J. U. Schnetzler geschaffen. (Foto: Nick Brändli) 11


Der Enge und dem Schmutz der Altstadt überdrüssig und nach dem idealisierten Landleben strebend, liess sich die Gesellschaft der Freunde im Fäsenstaub 1805 ein Landhaus errichten, das Casino. Bereits 1820 bis 1822 liess sich Johannes Pfister zum Schneeberg ein Palais am Fäsenstaub erbauen, wohl vom französischen Architekten Johann Peter Widmer. Dieses ist raffiniert gestaltet und ganz den Gestaltungsidealen des Empire-Stils verpf lichtet. Das kleine Palais, abseits von den historischen Ausfallsachsen stehend, verkörpert den Typus einer Villa vor der Stadt. Es ist umgeben von einer Gartenanlage, die nicht nur Bezug zum Gebäude, sondern auch zur damals bereits bestehenden Fäsenstaubpromenade nimmt. Zu dieser Zeit war der Stokarberg immer noch weitgehend mit Reben bestockt. Erst gegen Mitte des 19. Jahrhunderts wurde hier vermehrt gebaut. 1889 wurde der vordere Stokarberg unter verschiedenen Erben aufgeteilt. Der Bankdirektor Franz Gustav Stokar von Neuforn erhielt den Garten entlang des Kometsträsschens und den untersten Teil des Grundstücks in Urwerf. Darauf liess er die nach seiner Frau benannte Villa Anna Stokar errichten. Wie frühere Schaff hauser Villen des Architekten Friedrich Hahn steht auch diese in der Tradition des Historismus. Er bevorzugte die Formensprache der Neurenaissance und des Spätklassizismus und realisierte einen repräsentativen Villenbau, der von einem durch Evariste Mertens gestalteten Garten umgeben ist. Am Stokarberg wurden um die Jahrhundertwende zahlreiche Villen für Forstmeister, Bankiers, Fabrikanten, Direktoren und Zahnärzte in unterschiedlichen Stilen erbaut. So ist ein Ort mit eindrücklicher bürgerlicher Wohnkultur entstanden.

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Bürgerliche Bau- und Wohnkultur auf dem Stokarberg


Das Casino: 1805 im Fäsenstaub errichtetes Landhaus der Gesellschaft der Freunde. (StadtASH J 00.02/27)

Das Landgut hinterer Stokarberg wurde 1834 von Heinrich Rausch erworben, in Rauschengut umbenannt und in der Folge gründlich umgestaltet. Am 1. April 1944 wurde es von amerikanischer Fliegerbomben getroffen und wenig später abgebrochen. Die Darstellung zeigt das Rauschengut um 1866 in einer Lithographie von Emmanuel Labhardt. (StadtASH J 00.02/10)

Villa Anna Stokar, erbaut 1896 von Friedrich Hahn für Bankdirektor Franz Gustav Stokar. (Foto: Archiv DP SH)

Fassadenansicht des Haus zum Fäsenstaub. (Das Bürgerhaus in der Schweiz, Kanton Schaff hausen, Herausgegeben vom SIA)

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Landschaftsparks und stattliche Häuser – Schaff hauser Villengärten Gärten bilden einen Teil der heutigen Baukultur. In der dichten Altstadt sind die Grünräume rar, um die Altstadt haben sich aber verschiedene private und öffentliche Gärten erhalten, die zur Schaff hauser Kulturlandschaft gehören. Neben den Bauerngärten, die vor allem in den ehemaligen Bauerndörfern Buchthalen, Herblingen und Hemmental erhalten sind, gibt es in Schaff hausen auch weitläufige Villengärten. Ursprünglich wurden Gärten ausschliesslich zu Nutzzwecken angelegt. Sogar die mit Mauern eingefassten Weinberge könnten als Nutzgärten betrachtet werden. Weit verbreitet waren auch Bauerngärten. Sie mögen auf alten Bildern äusserst dekorativ wirken, ihre Funktion galt jedoch der Versorgung der Bauernfamilien. Daher waren die Bauerngärten in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses angelegt und typischerweise wurden Gemüse, Kräuter sowie Heilpf lanzen und nebenher ein paar Blumen gepf lanzt. Die Anlage von Gärten zur Zierde, zum Promenieren und letztlich zu Repräsentationszwecken ist eine relativ junge Erscheinung. Als sich die Sicherheitslage in der ganzen Schweiz nach dem Abzug der französischen Truppen im Verlaufe des 19. Jahrhunderts verbesserte, war man nicht mehr auf den Schutz befestigter Städte angewiesen. Die Bürger begannen die Vorzüge des Landlebens zu schätzen und bauten sich Villen ausserhalb der Wehranlagen. Deren Umgebungen wurden aufwändig gestaltet. Beim aufstrebenden Bürgertum kamen Reisen durch Europa in Mode. Die so gewonnenen Eindrücke ausländischer Gärten und Parkanlagen sollten zu Hause umgesetzt werden. In Schaff hausen wurde diese Entwicklung durch die Eröffnung der Handels- und Kunstgärtnerei von Arnold Neher und Evariste Mertens 1870 befördert. Der gebürtige Schaff hauser Neher und der Belgier Mertens lernten sich in der Ausbildung im belgischen Gent kennen und zogen gemeinsam zur Weiterbildung nach Frankreich und England.

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Landschaftsparks und stattliche Häuser – Schaff hauser Villengärten


Ein typischer Schaff hauser Bauerngarten. (Neujahrsblatt der Naturforschenden Gesellschaft Schaff hausen, Nr. 56/2004, Historische G채rten im Kanton Schaff hausen)

Plan f체r den Park des Landgutes Belair von Arnold Neher und Evariste Mertens (1875). (StadtASH H 21 01/04)

Die Anlage von G채rten zur Zierde, zum Promenieren und letztlich zu Repr채sentationszwecken ist eine relativ junge Erscheinung.

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Zu ihrem Werk gehören etwa das Sonnenburggut sowie der Garten der Villa Oelberg. Für das grosszügige Landgut Belair erstellten Neher und Mertens 1875 einen Idealplan, der wohl nur in Teilen umgesetzt wurde. Dennoch illustriert der Plan die Grosszügigkeit, für die das Büro bekannt wurde. Vorgesehen war eine geschwungene Wegführung, an Kreuzungspunkten von Baumgruppen gefasst und ansonsten durch freie Rasenf lächen führend. Die Villa Oelberg wurde 1897 von den bekannten Winterthurer Architekten Ernst G. Jung und Otto Bridler für Johannes Rauschenbach-Schenk erstellt. Evariste Mertens entwarf dazu eine Gartenanlage im englischen Landhausgartenstil. Das Terrain ist hier sehr lebhaft und fällt südlich der Villa steil ab, um dann in eine f lache Wiesenmulde überzugehen. An deren Tiefpunkt bildet heute ein Swimmingpool das Zentrum der Anlage, umstanden von einem prächtigen Baumbestand, dessen harmonisch-natürliche Wirkung auf den Betrachter der Intention des Landschaftsgärtners entsprechen dürfte. Solch grosse Gartenanlagen waren jedoch nicht einfach zu unterhalten. Zu den Villen gehörten daher neben den Kutscher- auch Gärtnerhäuser. Daraus sind nicht selten kleine Gärtnereien mit Gewächshäusern und Treibbeetanlagen gewachsen.

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Landschaftsparks und stattliche Häuser – Schaff hauser Villengärten


Der Garten der Villa Oelberg ist ganz im Stil der englischen Landschaftsgärten gehalten. (Neujahrsblatt der Naturforschenden Ge-­­ sell­s chaft Schaff hausen, Nr. 56/2004, Historische Gärten im Kanton Schaff hausen)

Die Bürger begannen die Vorzüge des Landlebens zu schätzen und bauten sich Villen ausserhalb der Wehranlagen. Deren Umgebungen wurden aufwändig gestaltet.

Der Garten des Vorderen Stokarbergs, Blick an die Südfassade des Hauses. (Foto: DP SH) 17


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Weltwirtschaftsgeschichte im Mülitaal – von der Kräutermühle zum Weltkonzern Das Mühlental war lange Zeit einer der wichtigsten Wirtschaftsstandorte für Schaff hausen. Hier entstand aus einer einfachen Mühle im 19. Jahrhundert der Weltkonzern +GF+, der die Geschichte Schaff hausens im 20. Jahrhundert wesentlich mit­ prägte: Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war das Mülitaal ein beschaulicher Ort. Abgelegen vom geschäftigen Trubel innerhalb der Stadtmauern hatten sich hier vor allem Mühlen angesiedelt, welche die Wasserkraft der Durach nutzten. Heute erzählen viele Bauten im Mülitaal von der frühen gewerblichen Nutzung und der industriellen Hochblüte des Tals. 1802 kaufte der 29-jährige Johann Conrad Fischer hier eine dieser Mühlen und nutzte sie als Kupferschmelzerei und zur Entwicklung neuer Legierungen. Innerhalb der folgenden 50 Jahre kamen eine Feilenfabrik und ein Hammerwerk mit bis zu 20 Mitarbeitenden dazu. Zur Mitte des Jahrhunderts übernahm mit Georg Fischer II der Enkel des Firmengründers die Leitung. 1864 wurde mit der gewerbsmässigen Herstellung von Tempergussfittings begonnen und diese 1877 industrialisiert. Die Belegschaft wächst bis 1900 auf knapp 1000 Mitarbeitende. Zur Jahrhundertwende überstellten Werkhallen den gesamten Talboden. An diversen Stellen wurde Fels abgetragen, um Platz für die Hallen zu schaffen. In dieser Zeit wird die soziale Wohlfahrt der Arbeiterschaft entwickelt: ein Krankenunterstützungsverein und eine Unfallversicherung gegründet, Wohnhäuser gekauft und 1868 das erste Arbeiterwohnhaus gebaut, das 1952 abgebrochen wurde. Ab 1906 wurde die Arbeiterkolonie Schwarzadlergütli errichtet und 1911 die Arbeiterkolonie Stahlwerkstrasse fertiggestellt. Mit letzterer begann die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Architekten Karl Moser, Teilhaber des Architekturbüros Curjel & Moser.

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Weltwirtschaftsgeschichte im Mülitaal – von der Kräutermühle zum Weltkonzern


Zur Jahrhundertwende überstellten Werkhallen den gesamten Talboden. An diversen Stellen wurde Fels abgetragen, um Platz für die Hallen zu schaffen.

Felsabtrag im Mülitaal zur Erweiterung der Fabrikbauten (Mühlentalstrasse 185). (StadtASH J 01/131)

+GF+ Mühlental, Energiezentrale, erbaut 1943/44 durch Emil Rudolf Mewes 1956 um ein Kesselhaus erweitert durch Adolf Kellermüller. Foto vor 1956. (Konzernarchiv der Georg Fischer AG)

Das Wohn- und Gewerbegebäude am Mühlentalsträsschen 39 steht stellvertretend für die kleingewerbliche Nutzung des Mühlentals und der Wasserkraft der Durach im 19. Jahrhundert. (Foto: Silvano Pedrett)

Arbeiterkolonie «Schwarzadlergüetli», erbaut 1906-1908 durch Carl Johan Werner für +GF+. (Foto: Silvano Pedrett) 19


Das Büro zeichnete auch für die Aufstockung des repräsentativen Verwaltungssitzes der Georg Fischer AG (+GF+) verantwortlich sowie für den auf der anderen Strassenseite im neoklassizistischen Stil errichteten Fassadenbau des Werk I. So entstand ein städtebaulich und architektonisch bedeutendes Industrie-Ensemble der 1910er Jahre. Nachdem Karl Moser an der Lochstrasse eine Wohnkolonie für die +GF+ errichtetet hatte, erweiterte er das Verwaltungsgebäude ab 1930 im Stil der Moderne. Zusammen mit seiner Neugestaltung des Altbaus von 1912 dokumentiert es, wie sich die Handschrift dieses bedeutenden Schweizer Architekten vom Neoklassizismus zur Moderne gewandelt hat. In einer zweiten grossen Entwicklungsphase hat Emil Rudolf Mewes das bauliche Geschehen der +GF+ im Mülitaal geprägt. Zwischen 1939 und 1969 wurden die Hallen des Werkes I nach seinem Gesamtplan erbaut. Mit einer monumentalen Backsteinfassade verschaffte er den Hallen ein einheitliches Auftreten zur Strasse hin. Im Norden des Mülitaal wurde ab 1943 die Energiezentrale, die Gaserei, erstellt. Diese ist gestalterisch ähnlich ausformuliert wie die Fassaden des Werk I, so dass die beiden grossvolumig in Erscheinung tretenden Bauten das Areal auch architektonisch zusammenhalten. Heute sind die Anlagen im Mülitaal bauliche Zeugen der beeindruckenden Schaff hauser Industriegeschichte, welche nun schrittweise einer neuen Nutzung zugeführt werden.

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Weltwirtschaftsgeschichte im Mülitaal – von der Kräutermühle zum Weltkonzern


+GF+ Mühlental, Verwaltungsgebäude, Altbau (r.), erbaut 1899 durch Locher & Cie., aufgestockt und umgebaut 1912 durch Curjel & Moser, Erweiterungsbau (l.) 1930/31 durch Karl Moser. (Foto: DP SH)

+GF+ Mühlental, Fassadenbau, erbaut 1917 durch Karl Moser. (Foto: DP SH)

Werk I, erbaut durch Emil Rudolf Mewes 1939–1963. (Foto: Rocco Brioschi)

Giesserei-Arbeiter bei +GF+, ca. 1960. (StadtASH J 02.30.09/008 bis 010)

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Urbane Ländlichkeit – Schaff hauser Garten­städte Im Grünen sollten die meist vom Land zugezogenen Arbeiter der wachsenden Industriebetriebe wohnen können. Dies war eine zentrale Idee der sogenannten Gartenstädte, wie sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch in Schaff hausen entstanden. Am Übergang ins 20. Jahrhundert legte sich die Wachstumseuphorie der Industrialisierung. In ganz Europa setzte die Reformbewegung für mehr jugendliche Vitalität, Kreativität und Natürlichkeit ein, städtebaulich untermauert von Ebenezer Howards «Garden Cities of Tomorrow» (1902) oder Camillo Sittes «Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen» (1889). Der 1905 gegründete Schweizer Heimatschutz propagierte den Heimatstil, der mit hohem handwerklichem Anspruch wieder an eine einfache, lokale Bautradition anzuknüpfen versuchte. Gleichzeitig entstand mit der anhaltenden Industrialisierung und Entwicklung des Staatswesens ein breiteres Bürgertum. Schaff hauser Kantonsschullehrer, Sekretäre, Spitalverwalter und leitende Angestellte liessen sich am Emmersberg nieder. Die Luft war frisch, das Terrain eben und die Bodenpreise erschwinglicher als am Stokarberg. Einzelne Wohnhäuser sind noch klassizistisch formuliert, andere zeigen bereits Elemente des Jugend- oder des Heimatstils. Alle sind jedoch zurückhaltend gestaltet und fügen sich mit ihren intensiv bepf lanzten Gärten zu einem harmonischen Quartier zusammen, das heute an die Idee der Gartenstadt erinnert. Eine eigentliche Gartenstadt sollte jedoch erst in den folgenden Jahren geplant werden. Um der anhaltenden Wohnungsnot zu begegnen, veranstaltete die Stadt 1910 einen Wettbewerb zur Bebauung der Breite für ca. 350 Wohnungen. Das Siegerprojekt der Gebrüder Pfister aus Zürich wurde von der Schweizerischen Bauzeitung in den höchsten Tönen gelobt: «Zwischen diesen Radialstrassen (...) ziehen sich in sanften Krümmungen die stillen Wohnstrassen, gelegentlich unterbrochen

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Urbane Ländlichkeit – Schaff hauser Garten­s tädte


Höhenweg am Emmersberg. Hier zeigt sich exemplarisch, wie die Ideen der Gartenstadt auch bei den Baumeisterhäusern auf dem Emmersberg angewendet wurden. (Foto: Silvano Pedrett)

In ganz Europa setzte sich die Reformbewegung für mehr jugendliche Vitalität, Kreativität und Natürlichkeit ein. Siegerprojekt der Gebrüder Pfister im Rahmen eines städtischen Bebauungswettbewerbes für die vordere Breite (1910, nicht ausgeführt). Die Theorien des Gartenstadtgedankens lassen sich an diesem Entwurf gut erkennen. (Schw. Bauzeitung, Band 57/58, H. 5, 1911, S. 62)

Fassadenansichten des Wettbewerbsbeitrags der Gebrüder Pfister für die Gartenstadt auf der vorderen Breite (1910, nicht ausgeführt). (Schw. Bauzeitung, Band 57/58, H. 5, 1911, S. 62)

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durch Plätze, in die sie in richtiger Weise meist tangential einlaufen. Dadurch ergeben sich sozusagen von selbst überall architektonische Strassenabschlüsse (...). Die leichte Krümmung der meisten Strassen ist für das Auge des darin Wandernden ausserordentlich viel schöner, als die früher üblichen geraden und gedankenlosen Quartierstrassen. Der Reiz der Mannigfaltigkeit wird noch gesteigert durch die Ordnung der Häuser in Reihen und Gruppen, was aber auch wieder aus praktischen Gründen, zur Erzielung billigerer Bauten und zusammenhängender Gartenf lächen von grossem Wert ist.» Gebaut wurde auf der Breite jedoch erst in den 1920er Jahren. Der Hallauer Architekt Arnold Meyer realisierte im Strassengeviert Quellen-, Sandacker- und Wieslistrasse in den Jahren 1920 bis 1922 eine erste Siedlung und baute anschliessend ab 1922 die benachbarte Wohnkolonie «Hintere Breite» an der Sonnenstrasse. Die beiden Siedlungen entsprechen zwar nicht dem Entwurf des Bebauungsplans der Gebrüder Pfister, beziehen sich aber darauf. Wie der Entwurf der Gebrüder Pfister bieten sie ein vielfältiges Wohnungsangebot und orientieren sich auf die inneren Strassen, die von den Radialstrassen abgehen. In der «Hinteren Breite» wurde sogar der Stufengiebel aus dem Entwurf der Gebrüder Pfister gebaut. Die beiden Siedlungen wurden teilweise durch private Bauherrenvereinigungen erstellt und bilden eine Ausnahme im mehrheitlich von Genossenschaften und der Industrie geprägten Siedlungsbau der Zwischenkriegszeit. Noch heute herausragend ist die Eisenbahnersiedlung Niklausen, deren Siedlungsanlage mit den radial angelegten Bauten und den grosszügigen Gärten den Idealen der Gartenstadt am nächsten kommt.

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Urbane Ländlichkeit – Schaff hauser Garten­s tädte


Siedlungen an der Sandackerstrasse (links) und an der Sonnenstrasse (rechts) auf der hinteren Breite (1929). (Foto: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv)

Siedlung «Hintere Breite». (Foto: Silvano Pedrett)

Noch heute herausragend ist die Eisenbahnersiedlung Niklausen, deren Siedlungsanlage mit den radial angelegten Bauten und den grosszügigen Gärten den Idealen der Gartenstadt am nächsten kommt. Siedlung Niklausen, 1927/28 von der Eisenbahnergenossenschaft erbaut durch die Architekten Gottlob Haug und Paul Lutz. (Foto: Archiv DP SH)

Eisenbahnersiedlung Niklausen. (Foto: Silvano Pedrett)

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Unsere Schulhäuser – Licht und Luft für helle Köpfchen Vom historistischen Schulpalast Bachschulhaus bis zum skulpturalen Gräf lerschulhaus zeigt die Schaff hauser Schulhausarchitektur die wichtigen architektonischen Strömungen der jeweiligen Zeit auf. Die Schaff hauser Schulhäuser bieten nicht nur angenehme Schulräume, sie zeigen auch die Entwicklung der Architektur und die Geschichte der Schule in Schaff hausen. Die Landschulordnung von 1804 führte das Schulobligatorium für alle Kinder ein, beliess die Trägerschaft der Schulen aber vorerst bei den Kirchen. Mit dem neuen Schulgesetz von 1850 wurde das Schulwesen dann zu einer bedeutenden öffentlichen Aufgabe, womit auch der Stellenwert des Schulhausbaus stieg. Zudem wuchs die Bevölkerung in der Stadt, sodass sowohl das 1848 errichtete Knabenschulhaus am Kirchhofplatz als auch die 1869 eröffnete, grosszügige Mädchenschule (Bachschulhaus) bald voll belegt waren. Den klassizistischen «Kasernenschulhäusern» sieht man die Strenge und Disziplin des damaligen Schulbetriebs deutlich an. Prägend sind die neuartig grossen Fenster für viel Licht in den Schulräumen. Ähnlich ausgestaltet war auch das 1894 eröffnete Elementarschulhaus auf dem vorderen Emmersberg. Inzwischen wurde seine Fassade purifiziert, also gestalterisch vereinfacht, so dass es an Monumentalität eingebüsst hat. Dennoch kommt dem grosszügigen Elementarschulhaus als erstem Bildungsbau auf dem vorderen Emmersberg eine hohe Bedeutung zu. Als die seit dem Mittelalter bestehende Lateinschule mit dem Schulgesetz von 1850 zur kantonalen Anstalt wurde, strebte man auch einen Neubau an, der ebenfalls auf dem Emmersberg realisiert werden sollte. Kantonsbaumeister Johann Christoph Bahnmaier realisierte zwischen 1900 und 1902 nach einem früheren Wettbewerbsbeitrag von Heinrich Meili-Wapf aus Luzern diesen bedeutenden späthistoristischen Schulhausbau im Stil der deutschen Renaissance.

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Unsere Schulhäuser – Licht und Luft für helle Köpfchen


Die Fassaden des Elementarschulhauses auf dem Emmersberg waren ursprünglich klassizistisch gestaltet, ...

Mit dem neuen Schulgesetz von 1850 wurde das Schulwesen dann zu einer bedeutenden öffentlichen Aufgabe, womit auch der Stellenwert des Schulhausbaus stieg.

... und wurden im Zuge einer Purifizierung im 20. Jh. vereinfacht. (Foto: Silvano Pedrett)

Die Kantonsschule wurde 1900–1902 als historistisches «Bildungsschloss» durch Kantonsbaumeister Johann Christoph Bahnmaier nach leicht abgeänderten Projektplänen von Heinrich Meili-Wapf, Luzern, der den 1899 national ausgeschriebenen Wettbewerb mit seinem Projekt Lux gewonnen hat, erbaut. (Foto: DP SH)

Der Kindergarten Breite wurde 1906 durch den Architekten Jakob Stamm als kleines Meisterstück des Heimatstils erbaut. (Foto: DP SH)

Kinder im Schulhaus Breite (1953). (StadtASH J 15/046302) 27


Der Heimatstil propagierte nach der Jahrhundertwende die Rückbesinnung auf lokale Bautraditionen und den Bruch mit dem strengen Formenkanon des Klassizismus. Der 1906 durch den Architekten Jakob Stamm erstellte Kindergarten Breite erfüllt diese Forderungen in hohem Mass. Nach dem Ersten Weltkrieg erreichten moderne Ideen Schaff hausen: Die konstruktiven Möglichkeiten des Betons sollten ausgereizt werden, Flachdächer kamen in Mode und grosse, breite Fensteröffnungen liessen Licht und Luft herein. Der Kindergarten Munothalde und das Schulhaus Gelbhausgarten erfüllen diese baustilistischen Postulate mustergültig. In der Zeit um den Zweiten Weltkrieg entwickelte die Industrie eine breite Palette an neuen Materialien und Konstruktionsverfahren. Spannend in diesem Zusammenhang war die Landesausstellung 1939. Neben der Leistungsschau nationaler Wirtschaftskraft und Technik wurden heimische Kultur, Tradition und Architektur inszeniert. Im kollektiven Gedächtnis blieb das Landi-Dörf li in Zürich-Riesbach. Es prägte bis in die 1950er Jahre die Architektur in der Schweiz, die man heute als «Landi-Stil» bezeichnet. Das Steingut-Schulhaus, erbaut 1952 bis 1953 durch Paul Albiker, zeigt mit den aufgegliederten und regelmässig wohlproportionierten Gebäuden, den Satteldächern und der filigranen Fassadengestaltung die typischen Merkmale des Landi-Stils. Der «Landigeist» galt jedoch schon bald als rückständig, allen voran Max Frisch kämpfte für eine neue urbanistische Ära, verbunden mit einer neuen architektonischen Formensprache. Dieses Postulat spiegelt sich auch in den späteren Schaff hauser Schulhausbauten. Die 1961 eröffnete Turnhalle der Sportanlagen Emmersberg des Architekten Edy Rudolf Knupfer bringt die Freude am Umgang mit weit gespanntem Beton und grossf lächigen Stahl-Glas-Fassaden zum Ausdruck. Für das 1974 eröffnete Oberstufenschulhaus Gräf ler zeichnete Walter M. Förderer verantwortlich, ein gelernter Bildhauer. Er reizte die technischen und gestalterischen Möglichkeiten des Betons aus und schuf ein Schulhaus, das eher Skulptur denn Gebäude ist.

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Unsere Schulhäuser – Licht und Luft für helle Köpfchen


Der Kindergarten Munothalde (1933) gilt als eine der ersten Terrassenbauten der Schweiz und zeigt Bandfenster, ein zentrales Stilmotiv der Bauten der klassischen Moderne. (StadtASH 02.08.06/01)

Mit solchen Karten wurde Geld für die Kleinkinderschule Munothalde gesammelt. Pro Fenster, das der Kartenkäufer ein­g e­ stochen hat, musste er 10 Rappen spenden. Die grossen Fenster wurden als Besonder­heit der modernen kinderfreundlichen Architektur hervorgehoben. (StadtASH C II.31.09.02.02/17.06)

Die Turnhalle Emmersberg (1961 eröffnet, Architekt: Edy Rudolf Knupfer) ist ein qualitätsvoller Bau, der durch seine zeittypische architektonische Gestaltung mit Sichtbetonoberf lächen, Glasfassaden mit Aluminium-Elementen und «Dachgarten» mit markantem Auf bau überzeugt. (Foto: DP SH) Das Gelbhausgartenschulhaus ist in unterschiedliche Gebäudekuben gegliedert. (Foto: Silvano Pedrett)

Das Schulhaus Gräf ler (eröffnet 1974, Architekt: Walter M. Förderer) ist ein skulpturales Raumgebilde. Förderer hat um einen zentralen überdachten Schulhof den Baukörper so arrangiert, dass die Schulzimmer und Gänge sich alle um diesen Hof gruppieren. (Foto: DP SH) 29


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Um die Hochstrasse – Ein Quartier der Nachkriegsjahre In den Nachkriegsjahren wurde auch in Schaff hausen dank dem wirtschaftlichen Aufschwung viel gebaut. Um die Hochstrasse entstand während diesem Bauboom ein ganzes Quartier mit Wohnsiedlungen, Schulhäusern und Kirchen. Betrachtet man das Quartier im Luftbild, zeigt sich, dass auch die Grünräume und die gute Erschliessung mit Strassen zentrale Aspekte der qualitätsvollen Bebauung ausmachen. Auf dem Stadtplan von 1934 ist das Areal Hochstrasse, bis auf einzelne Einfamilienhäuser, noch unbebaut, jedoch bereits mit Elektrizität versorgt, wie das 1911 im Reformstil errichtete Transformatorenhäuschen beweist. In den frühen 1930er Jahren wurde das Quartier mit einem Strassennetz erschlossen. Weder ein 1932 von Privaten entworfener Bebauungsplan noch ein späterer Entwurf eines Quartierplanes wurden rechtskräftig. Dennoch ergab die Bebauung durch öffentliche wie private Bauträger hier ein stimmiges Ganzes, das den städtebaulichen Diskurs jener Zeit gut wiedergibt: Wie die Kinder um den Familientisch, sollten sich benachbarte Bauten um einen Platz gruppieren und mit weiteren Nachbarschaften zum Quartier und diese zur Stadt zusammenwachsen: Die Stadt als Baum bedeutete auch eine ganz spezifische Ausrichtung des Städtebaus auf landschaftliche und gärtnerische Gestaltungsaspekte. Obwohl die internationale Architektur auch in Schaff hausen ihre modernistischen Exponenten fand, war die Wohnbauarchitektur unmittelbar nach dem Krieg stärker von der Landesausstellung 1939 in Zürich bestimmt. «Wir sind hellhöriger für die ideellen Bedürfnisse des Menschen geworden und haben auch den Wert einer wahren, lebendigen Tradition erkannt», konstatierte Hans Hofmann, der Chefarchitekt der Landi in der Rückschau. Den Landi-Stil verkörpern im Hochstrasse-Quartier die 1946 vom Architekten Paul Lutz für die Baugenossenschaft Allmend erstellten Wohnzeilen an der Hochstrasse/Steingutstrasse.

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Um die Hochstrasse – Ein Quartier der Nachkriegsjahre


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Das Trafohäuschen, 1911 im Reformstil von Peter Tappolet errichtet, bezeugt die frühe Elektrifizierung des Quartiers. (Foto: Silvano Pedrett)

Die Stadt als Baum: Der schematische Plan einer Idealstadt für 10'000 Einwohner von A. H. Steiner, 1948, der eine verblüffende grafische Ähnlichkeit mit dem Luftbild des Quartiers Hochstrasse aufweist. (Unsere Kunstdenkmäler; Band 42, 1991)

Der private Bebauungsplan der Bocksriet AG (1932), zeugt von den Planungsabsichten im Gebiet Hochstrasse. (StadtASH C II.52.03.20/004.03) Diese Ka rte

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Auf dem Luftbild von 2016 ist ein Quartier ersichtlich, dessen Bebauung sich dem geschwungenen Verlauf der Hochstrasse folgend an das Terrain anschmiegt. (Quelle: Bundesamt für Landestopografie)

Wie die Kinder um den Familientisch, sollten sich benachbarte Bauten um einen Platz gruppieren und mit weiteren Nachbarschaften zum Quartier und diese zur Stadt zusammenwachsen.

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Bereits ab 1942 erbaute der Architekt Willy Vetter für die Arbeiter-Baugenossenschaft Schaff hausen insgesamt 52 Reiheneinfamilienhäuser – die Bocksrietsiedlung. Vorfabrizierte Fassadenelemente aus Holz wurden zwischen die zuvor aufgemauerten Brandmauern eingesetzt. Eine bautechnische Innovation ganz im Geiste jener Zeit. Die 1950 vom Architekten Paul Albiker aus Schaff hausen für die Baugenossenschaft Krebsbachhalde fertiggestellte Wohnsiedlung Sommerau positioniert sich modern im damaligen Architekturdiskurs und präsentiert sich bereits früh in einer klaren und nüchternen Architektursprache, die für die folgenden Jahre wegweisend sein sollte. Als derselbe Architekt 1952 bis 1953 mit der Projektierung der Schulanlage Steingut im Zentrum des Quartiers betraut wurde, griff er mit der typischen Rasterung im Bereich der Fensterzonen ein verbreitetes Stilelement des Landi-Stils wieder auf. Die einzelnen Gebäudekörper der Anlage sind gut in die abfallende Topographie eingebettet und verzichten bewusst auf monumentale Repräsentation. Schliesslich erhielt das Quartier im Nordosten und im Südwesten je ein markantes Auftaktgebäude. Im Nordosten entwarf der Architekt Paul Albiker 1957 die katholische Kirche St. Peter, die zusammen mit den gleichzeitig durch den Architekten A. Zeindler projektierten Wohnzeilen ein für die 1950er Jahre charakteristisches Ensemble mit begrünten Freiräumen schuf. Die städtebaulich bemerkenswerte Anlage ist prägend für den Ort und begrenzt den im Süden anschliessenden Freiraum gegen die erhöht liegende Hochstrasse. Die Zwinglikirche wurde zwischen 1956 und 1960 vom Architekten Dieter Feth erbaut. Heute prägt der Sichtbetonbau zusammen mit dem filigranen Glockenturm den ebenen Freiraum zwischen Hochstrasse und Hangkante und heisst so von Südwesten Kommende im Quartier willkommen. Gleichsam bildet die Zwinglikirche zusammen mit der katholischen Kirche St. Peter eine Klammer um das Quartier. Ein Quartier, das in rascher Folge nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet wurde und in dem alle Gebäude und Anlagen mit ihren ähnlichen Freiraumkonzepten bis heute die Idee eines f liessenden Grünraumes mittragen.

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Um die Hochstrasse – Ein Quartier der Nachkriegsjahre


Die 1946 durch Paul Lutz erstellte Siedlung, zwischen Steingutstrasse und Hochstrasse, ist im Landi-Stil erstellt. Sie soll mit ihren Fachwerkfassaden an ländliche Bauten erinnern. (Foto: DP SH)

Die Zwinglikirche wurde von Dieter Feth in den späten 1950er Jahren in Sichtbeton erstellt und bildet den südwestlichen Auftakt zum Hochstrassenquartier. (Foto: DP SH)

Die Siedlung Bocksriet wurde 1942/43 durch den Architekten Willy Vetter erstellt. Konstruktionsgeschichtlich bedeutende Wohnsiedlung aufgrund der Elementbauweise, sozialgeschichtlich als genossenschaftliche Wohnsiedlung. Hohe Bedeutung im Ortsbild am Hang gegen das Fulachtal. (Foto: DP SH)

Die Schulanlage Steingut, zwischen 1952 und 1953 von Paul Albiker errichtet. (Foto: Silvano Pedrett)

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Lebendige Oasen der Ruhe – die öffentlichen Grünanlagen Im Laufe der Jahrhunderte sind in Schaff hausen einige bedeutende öffentliche Grünanlagen entstanden, die aufgrund ihrer Gestaltung oder ihrer Geschichte schutzwürdig sind. Zum Teil erfüllen sie spezifische Funktionen, wie die Friedhöfe, oder dienen als Parkanlagen der allgemeinen Erholung. Der Steigfriedhof am Stokarberg diente seit dem 14. Jahrhundert als Bestattungsplatz des benachbarten Siechenhauses und wurde bis zur Eröffnung des neuen Waldfriedhofes 1914 als Friedhof genutzt. 1927 wurde ein Teil des Friedhofes für die Erweiterung der Steigschule abgetrennt. Später wurde der Friedhof mit zwei Maueröffnungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und zu einem ruhigen, kleinen Park umgestaltet. Der Waldfriedhof Niklausen wurde 1914 in Betrieb genommen. Die Friedhofsgebäude stammen aus der Feder des Schaff hauser Architekten Carl Werner. Ein hierarchisch geordnetes Wegenetz erschliesst Lichtungen, auf denen die Grabstätten angelegt sind. Die ursprüngliche Fläche von vier Hektar wurde inzwischen etappenweise vervierfacht. Dabei wurde das Grundkonzept des Münchner Architekten Dr. Hans Grässel bei jeder Erweiterung berücksichtigt und sinngemäss weitergeführt. Qualitätsvoll erstellte Grabfelder, Plastiken und Grabmäler haben die Anlage zunehmend bereichert. Für die Stadt Schaff hausen hat sich der Waldfriedhof zu einer identitätsstiftenden Grünanlage entwickelt.

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Lebendige Oasen der Ruhe – die öffentlichen Grünanlagen


Der ehemalige Steigfriedhof ist eine ruhige Grünanlage, in der noch heute die altenGrabstelen an bedeutende verstorbene Schaff hauser erinnern. (Foto: Grün Schaff hausen)

Der Waldfriedhof bietet Grabfelder in pietätsvoller, naturnaher Umgebung und weist eine Vielzahl sehr qualitätsvoller Grabstelen und Grabsteinen auf. (Foto: Foto Müller, Neuhausen)

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Die Gesellschaft der Freunde, eine Vereinigung fortschrittlich gesinnter Bürger der Stadt Schaff hausen, kaufte 1802 im Fäsenstaub Land, um darauf ein Sommerhaus im Empire-Stil nach Plänen von Hans Caspar Escher zu erbauen. Das Gestaltungskonzept für die Fäsenstaubpromenade stammte vom markgräf lich-badischen Hofgärtner Johann Michael Zeyher in Schwetzingen. Die 1842 angelegte Steigstrasse unterteilte diese Anlage in die Fäsenstaubpromenade und den Casinogarten. 1875 legten die Landschaftsarchitekten Arnold Neher und Evariste Mertens ein Sanierungsprojekt für die Parkanlage vor, das jedoch nur in Teilen umgesetzt wurde. Ob dieses zur Anwendung kam, als 1885 der alte Steinbruch weiter hinten im Fäsenstaub fertig aufgefüllt, planiert und angesät wurde, ist unsicher. Die in unterschiedlichen Epochen ergänzte Anlage ist heute, nicht zuletzt dank des prächtigen Baumbestandes, als Ganzes wahrnehmbar. Auch die Lindlipromenade wurde in mehreren Etappen erstellt. 1890 wurde vorerst die Verlängerung des Rheinquais gestaltet. Nachdem die Stadt 1897 das Gaswerk übernommen hatte, sollten dessen als hässlich empfundene Kessel und Kohlelager mit einer Baumkulisse abgedeckt werden, wozu die Promenadenanlage nach Westen erweitert wurde. Die Sicht vom Rhein aus durfte bei den damaligen Überlegungen wohl eine ebenso hohe Bedeutung gehabt haben wie der Naherholungsaspekt. 1964 wurde die erst damals so benannte «Lindlipromenade» bis zur Landesgrenze erweitert. Durch die gesamte Anlage zieht sich ein gradliniger chaussierter Weg. Die Anlage ist in Abschnitten schmal und wird dann wieder breiter. Stellenweise ist sie mit mächtigem Baumbestand bestockt, der geschickt durch präzise Gestaltungselemente ergänzt wird. So verleiht sie der Stadt Schaff hausen ein würdiges Gesicht zum Rhein hin.

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Lebendige Oasen der Ruhe – die öffentlichen Grünanlagen


Im Laufe der Jahrhunderte sind in Schaff hausen einige bedeutende öffentliche Grünanlagen entstanden, die aufgrund ihrer Gestaltung oder ihrer Geschichte schutzwürdig sind.

Herzstück der Fäsenstaubpromenade bildet eine Allee, in deren Mitte das Müller-­ denkmal steht. Dieses wurde 1851 zu Ehren des Schaff hauser Historikers Johannes von Müller errichtet, die Büste stammt von Johann Jakob Oechslin. (Foto: Grün Schaff hausen)

Die Lindlipromenade lädt zum Flanieren ein. Hier fällt die Vielfalt der Baumarten auf: Eine Platane (links des Weges), ein Trom­ petenbaum (Bildmitte) und ein mehrstämmiger Feldahorn (rechts des Weges) säumen den chaussierten Weg. (Foto: Grün Schaff hausen)

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Bauen für Schaff hausen – acht Biografien aus zweihundert Jahren Johann Christoph Bahnmaier (*1834 Basel, † 1918 Schaff hausen) Nach einer klassischen Architektenausbildung inklusive Italienreise wurde Johann Christoph Bahnmaier 1865 als Kantonsbaumeister berufen. 1872 wurde er Stadtbaumeister, bereits vier Jahre später wieder Kantonsbaumeister. Neben der Leitung und Vergabe öffentlicher Bauaufträge realisierte er jeweils auch Privataufträge. Mit der Vielzahl seiner historistisch gestalteten Bauten hat er die Region wie seither kaum ein anderer geprägt. Daneben sanierte er auch historische Bauten, führte mit Feuerwerk Illuminationen auf, war aktiver Berggänger, talentierter Zeichner und präsidierte beim Eidgenössischen Turnfest von 1897 das Dekorationskomitee.

Evariste Mertens (*1846 Breda/Niederlande, † 1907 Zürich) Evariste Mertens war im 19. Jh. ein Star unter den Landschaftsarchitekten. Neben bekannten öffentlichen Pärken und Quaianlagen gestaltete er Villengärten in der ganzen Schweiz. Dabei blieb er jedoch immer bescheiden. Neben Bäumen waren Rasenf lächen seine wesentlichen Gestaltungselemente, bei deren Anwendung er sich von der freien Natur inspirieren liess. Mertens bezeichnete sich selbst als Landschaftsgärtner und gestaltete im «englischen» Stil. Er war nicht nur Gartengestalter, sondern auch ein talentierter Gärtner, der in Schaff hausen und später in Zürich Handelsgärtnereien betrieb.

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Bauen für Schaff hausen – acht Biografien aus zweihundert Jahren


Die Kantonale «Irrenanstalt» Breitenau wurde als mehrf lüglige Anlage 1888–1891 durch den Kantonsbaumeister Johann Christoph Bahnmaier erbaut. (Archiv DP SH) Die Katholische Kirche St. Maria wurde 1883–1885 nach Plänen Johann Christoph Bahnmaiers erstellt. (Archiv Baupolizei Stadt Schaff hausen) Gebäude der ehemaligen Gärtnerei Neher & Mertens, das wohl unter Mit wirkung der Landschaftsarchitekten entstand. (Foto: DP SH)

Das Wohnhaus Kometsträsschen 50 wurde 1883 durch Johann Christoph Bahnmaier erbaut. (Foto: DP SH)

Plan für den Garten der Villa Anna Stokar, 1896 durch Evariste Mertens in Zürich erstellt. (Archiv für Schweizer Landschaftsarchitektur ASLA)

Das Landgut Belair, f lankiert von Platanen und einer Rosskastanie, deren Pf lanzung auf die Planung von Mertens & Neher zurückgeht. (Foto: DP SH)

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Karl Moser (*1860 Baden, † 1936 Zürich) Karl Moser studierte Architektur und führte mit seinem Partner Robert Curjel ein renommiertes Büro in Karlsruhe. 1915 wurde er an die ETH berufen. Er errichtete bedeutende Bauten wie das Kunsthaus und die Universität Zürich. In Schaff hausen baute er während 20 Jahren für +GF+ Werkhallen und Wohnsiedlungen, daneben realisierte er zahlreiche andere bedeutende Bauten. Moser baute im klassizistischen Stil und wandte sich dann der Moderne zu, war Autor der ersten Sichtbetonkirche der Schweiz, der Antoniuskirche in Basel, sowie erster Präsident der Congrès Internationaux d’Architecture Moderne, der CIAM.

Carl Werner (*1873 Feuerthalen, † 1960 Feuerthalen) Carl Werner absolvierte nach einer Zimmermannslehre das Technikum in Winterthur und vervollständigte seine Ausbildung an der Technischen Hochschule in Stuttgart. 1901 eröffnete er sein eigenes Architekturbüro in Schaff hausen, in welchem ab 1933 auch sein Sohn Max mitarbeitete. Die Bauten Werners sind dem so genannten Heimat- oder Reformstil verpf lichtet, der zu jener Zeit seine Blüte erlebte. Zu erwähnen sind folgende Bauten und Anlagen von Carl Werner: Waldfriedhof Schaff hausen (inkl. Abdankungshalle), Wohnkolonie Schwarzadlergüetli und das Schulhaus Buch­ thalen. Neben seiner Tätigkeit als Architekt, engagierte er sich im Heimatschutz und war Mitbegründer der Sektion Schaff hausen, in welcher er später Ehrenmitglied wurde.

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Bauen für Schaff hausen – acht Biografien aus zweihundert Jahren


1910/11 durch Curjel & Moser für die Baugesellschaft Breite erstellte Wohnsiedlung Stahlwerkstrasse. (Foto: DP SH)

Der Verwaltungsbau der +GF+ und dessen Erweiterung zeigen die Entwicklung in der Architektur Mosers. Der Verwaltungsbau wurde 1912 durch Curjel & Moser auf­gestockt und mit Heimatstil-Fassaden mit Mansardendach und Uhrtürmchen gestaltet. Die Erweiterung im Stil der klassischen Moderne von 1930/31 mit Flachdach stammt ebenfalls von Moser. (StadtASH J 01/131)

Durch Karl Moser 1919–1921 für die Baugesellschaft Breite AG erstellte Siedlung mit drei Wohnzeilen an der Waldstrasse. (Foto: DP SH)

Die 1905 für den Direktor der Kammgarnspinnerei erbaute Villa Solitüde gehört zu den frühen Bauten Carl Werners in Schaff hausen und fällt durch ihre detailliert gestalteten Fassadenelemente auf. (Foto: DP SH)

Zusammen mit Jakob Stamm konnte Carl Werner 1912 nach einem Architekturwettbewerb das Schulhaus Buchthalen realisieren. Der repräsentative Bau ist ein typischer Vertreter des Heimatstils. (Foto: DP SH) Im Jahr 1912 beschloss der Stadtrat Schaff hausen im Rheinhardwald einen Waldfriedhof nach dem Projekt des Münchner Stadtbaurates Dr. Hans Grässel anzulegen. Die Projektierung der Hochbauten lag beim Schaff hauser Architekten Carl Werner. Die 1913/14 erbaute Abdankungshalle kann als ein Hauptwerk Werners bezeichnet werden. (Foto: DP SH) 41


Paul Meyer (*1891 Schaff hausen, † 1980 Schaff hausen) und Karl Eduard Scherrer (*1892 Braunau, † 1970 Schaff hausen) Paul Meyer begann seine Ausbildung als Architekt an der ETH Zürich bei Gustav Gull und setzte das Studium in Stuttgart fort, wo er 1917 bei Paul Bonatz diplomierte. Karl Scherrer studierte erst Architektur in Stuttgart, ebenfalls bei Paul Bonatz, und wechselte dann 1916 an die ETH zu Karl Moser. 1925 gründeten sie gemeinsam das Architekturbüro Scherrer & Meyer in Schaff hausen, das bis 1956 bestand. Zum Spätwerk der Bürogemeinschaft zählen das 1949–54 mit Walter Henne geschaffenen Kantonsspital, sowie das Stadttheater (1954–56).

Walter Henne (*1905 Schaff hausen, † 1989 Schaff hausen) Walter Henne hat das Erscheinungsbild Schaff hausens mit zahlreichen Bauten mitgeprägt. Er war von den 1930er Jahren bis 1960 einer der massgebenden Architekten in Schaff hausen. Seine frühen Werke sind im Heimatstil gebaut. Als Obmann des Heimatschutzes hat er den Rückbau von Industriehallen am Rheinfallbecken und dessen Neubepf lanzung verfochten. Als Architekt wurde er zur Gestaltung der Innenräume des TEE, des Transeuropean Express, beigezogen. So prägte er auch das Interieur der späteren Einheitswagen 1 der SBB. Seine späten Bauten zeigen deutlich moderne Züge.

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Bauen für Schaff hausen – acht Biografien aus zweihundert Jahren


Der Transformatorenturm Niklausen wurde 1926 von Scherrer & Meyer erbaut. Er verfügt über charakteristische Art décoElemente. (Foto: DP SH)

1931 wurde das Haus Wehrli im Stil des Neuen Bauens durch Scherrer & Meyer erstellt. Es war als Wohnhaus mit Räumen für eine Arztpraxis konzipiert. (Das Werk, Bd. 23, H. 4, 1936, S. 119)

Der sog. Kleine Munot wurde 1934 als Eigenheim von Karl Scherrer erbaut. Bemerkenswert ist der Bau auf Grund des halbrunden Grundrisses mit der Erschliessung im Zentrum und den radial angeordneten Wohnräumen. (Schw. Bauzeitung, Bd. 119/120, H. 7, 1942, S. 77)

Die Wohnsiedlung Niklausen (Baumschulstrasse, Birkenweg, Eschenweg) wurde für die Wohnbau-Gesellschaft der Stahlwerke G.Fischer AG erstellt, geplant als «Siedlung für Werkmeister, Vorarbeiter und quali­ fizierte Arbeiter». Die planenden Architekten waren Scherrer & Meyer. Der Bau der Wohnsiedlung erfolgte in drei Etappen zwischen 1941–48. (Foto: DP SH)

Hinter dem Bahnhof realisierte Walter Henne zw. 1933–1937 die Siedlung Steighalde mit grosszügigen Grünräumen. (Foto: DP SH)

Der Neubau des Kantonsspitals wurde 1950–1954 von Walter Henne zusammen mit Scherrer & Meyer errichtet. (Foto: DP SH) Walter Henne wirkte auch beim Bau der Sternwarte 1960 mit. (Foto: DP SH) 43


Walter Maria Förderer (*1928 Nohl, † 2006 Thayngen) Walter Maria Förderer studierte an der Kunstgewerbe­ schule in Basel Bildhauerei. Nach einem Volontariat in einem Architekturbüro gründete er eine eigene Bürogemeinschaft. Diese wurde durch eine Reihe von Schulbauten bekannt, etwa der Hochschule St. Gallen. Nachdem er nach Schaff hausen dislozierte und hier auch Kantonsrat wurde, fokussierte er in seiner neuen Bürogemeinschaft auf Kirchen. Deren Innenräume erlaubten eine hohe künstlerische Freiheit und liessen sich stark durchdringen. Förderer gilt als bedeutendster Vertreter des Brutalismus (béton brut, franz. für Sichtbeton) in der Schweiz. Später wandte er sich wieder der Bildhauerei zu.

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Bauen für Schaff hausen – acht Biografien aus zweihundert Jahren


Der durch Walter M. Förderer geplante Erweiterungsbau der Kantonsschule wurde 1967 eröffnet. (Foto: DP SH)

Das katholische Pfarreizentrum St. Konrad wurde 1969–1971 durch Walter M. Förderer entworfen. (Foto: Heinz Hasler)

Das Modell für den Wettbewerbsbeitrag des Schulhauses Gräf ler wurde durch den Bildhauer Förderer in Ton gefertigt, wodurch es dem skulpturalen Erscheinungsbild des Entwurfs sehr gut gerecht wird. (Foto: Max Bächer)

In der Aula des Schulhauses Gräf ler, 1970–1974 durch Walter M. Förderer mit Rolf Lüscher und Jost Meier erbaut, sind Tragstruktur, Innenausstattung, Möblierung und Kunst aus einem Guss in Beton er-­ stellt und gehen f liessend ineinander über. (Foto: Max Bächer) 45


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Spurensuche und Grundlagenarbeit – wie das VKD entstanden ist Warum braucht es Verzeichnisse und Inventare der Kulturdenkmäler? Bauten und Gärten machen den Charakter der Quartiere in Schaffhausen aus. Die wertvollen Baudenkmäler und Gärten führen uns die geschichtliche Entwicklung unserer Stadt vor Augen und sind gleichzeitig ein Teil der Gegenwart. Ihre Erhaltung und Pf lege ist daher bedeutend für eine positive Entwicklung der Stadt. Da die langfristige Erhaltung der Baudenkmäler und Gärten von öffentlichem Interesse ist, ist ihr Schutz im Gesetz verankert. Deshalb werden für diese Objekte Verzeichnisse und Inventare mit Fakten zu ihrer Entstehung und Baugeschichte erarbeitet und geführt. Sie sind die Grundlage für die Beurteilung und Einstufung.

Warum ist ein Gebäude, ein Garten schützenswert? Die Bewertung, ob Bauten und Gärten schützenswert sind, erfolgt immer anhand derselben fachlich anerkannten Kriterien: repräsentative Vertreter einer bautypologischen Entwicklung und Baugattung repräsentative Vertreter einer baukünstlerischen Richtung wichtige historische ZeugenVertreter von besonders qualitätsvoller Architektur und Landschaftsarchitektur wichtige Zeugen der Siedlungsentwicklung.

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Spurensuche und Grundlagenarbeit – wie das VKD entstanden ist


Das Wasserreservoir Hemmental wurde 1912 in Folge des verheerenden Dorf brands von 1909 erstellt und ist somit auch ein wichtiger Zeuge für dieses historische Ereignis.

Das Pestalozziheim, 1917/18 als Privatschulhaus durch den Architekten Karl Moser erbaut, ist ein besonders ausgeprägter und qualitätsvoller Vertreter des Neoklassizismus.

Historischer Wert

Architektur, Baukunst und Bautypologie

Wert eines Baudenkmals

Siedlungsgeschichte und Ortsbild

Die Häuserzeile «13 Orte» am Eingang der Stokarbergstrasse ist ein wichtiger Zeuge der Siedlungsentwicklung. Die Gebäude sind im 16./17. Jh. an der Ausfallsachse der Stadt Richtung Neuhausen und Klettgau entstanden.

Sozial- und Wirtschaftsgeschichte

Die Siedlung Rittergut, 1872/73 durch Johann Conrad Oechslin für die Gesellschaft zur Erstellung billiger Wohnungen (GEbW) erstellt, ist die älteste Arbeitersiedlung Schaff hausens. 47


Was ist ein Kulturdenkmal? Die Altstadt Schaff hausen ist ein Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung. Auch Gebäude oder Gartenanlagen ausserhalb des mittelalterlichen Stadtkerns können geschichtlich oder künstlerisch von besonderem Wert sein. Nicht immer handelt es sich um herrschaftliche Villen, sondern manchmal auch um einfache Arbeiterhäuser. Kulturdenkmäler sind wichtige Zeugen vergangener Epochen und prägen die Identität des Ortes. Ihre Erhaltung ist nicht nur für unsere Zeit, sondern auch für folgende Generationen wichtig.

Wie ist das Verzeichnis entstanden? Das vorliegende Verzeichnis (VKD) ist das Ergebnis eines mehrjährigen Inventarisierungsprojekts. Art. 8 NHG SH hält fest, dass wertvolle Objekte wie Baudenkmäler als Schutzobjekte zu bezeichnen sind. Die Auswahl der schutzwürdigen Objekte entstand aufgrund von Ortsbegehungen und unter Berücksichtigung der Stadtentwicklung. Die Methodik zur Ermittlung der wertvollen Kulturdenkmäler umfasst auch die Sichtung von Archivquellen und der Fachliteratur. Es sind nur vor 1980 erbaute Objekte berücksichtigt, da die Feststellung der Denkmaleigenschaft auch eine gewisse zeitliche Distanz voraussetzt.

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Spurensuche und Grundlagenarbeit – wie das VKD entstanden ist


Augenschein: Begehung des Stadtgebiets und Prüfung des Baubestands, Dokumentation durch Fotos und Beschreibungen.

Augenschein

Wissen über Baudenkmäler und deren Bedeutung

Archivrecherche

Archivrecherche: Historische Karten, Pläne und Bilder liefern grundlegende Daten und Fakten zu Bauwerken.

Literaturrecherche

Literaturrecherche: Werden die Bauwerke in Ortsgeschichten, in Kunstführern und in der Fachliteratur behandelt? 49


Kontakt Denkmalpf lege Schaff hausen Fachstelle des Kantons und der Stadt Beckenstube 11 CH-8200 Schaff hausen www.denkmalpf lege.sh.ch

Impressum Texte: Andreas Madianos, Denkmalpf lege Schaff hausen, Grün Schaff hausen, Stadtplanung Layout: Sabina Glesti / Studio für Gestaltung Druck & Bindung: Stamm Druck Schleitheim September 2019


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