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Zusammenfassung
Ethische Gedanken Von Nikolai Berdjajev
Der Artikel analysiert das Verhältnis von Berdjajew zur Ethik von Kant. Diese Beziehung beginnt mit der Annahme der Kantischen Ethik und endet mit ihrer klaren Widerlegung, weil Kants Ethik die menschliche Persönlichkeit mit ihrem spezischen Schicksal und spezischen individuellen Problemen nicht anerkennt. Kant als Ethikphilosoph interessiert sich für keine bestimmte menschliche Person, sondern nur für ein allgemein gültiges Sittengesetz und eine vernünftige Menschennatur, die nach ihm bei allen Menschen gleich ist. Berdjajew schließt daraus, dass die Kantische Ethik die höchste Form der philosophischen Ethik des Gesetzes ist, die das Individuum der Gesellschaft und den akzeptierten gesellschaftlichen Normen unterwirft, ohne die menschliche Persönlichkeit mit ihren spezischen Schicksalen und individuellen Problemen anzuerkennen. Den Leser verwirrt jedoch Berdjajews Identizierung des universellen Moralgesetzes mit dem täglichen Leben und seinen Verhaltensnormen. Dieses Gesetz, das der menschlichen Natur immanent ist und trotz aller anderen Unterschiede allen Menschen gemeinsam ist, kann nämlich nicht mit Normen der öffentlichen Meinung und kleinstädtischen Gepogenheiten gleichgesetzt werden, auch wenn dieses Gesetz, wie Berdjajew meint, die Folge des Sündenfalls des Menschen ist. Der Beitrag stellt auch die ethische Lehre von Berdjajew selbst vor, die sich auf drei Stufen des ethischen Bewusstseins konzentriert: die Ethik des Gesetzes, die Ethik der Erlösung und die Ethik des Schöpfertums. Er stellt diese Stufen oder Formen ethischen Bewusstseins nicht in einem chronologischen Sinne dar, in dem sie einander folgen, widersprechen oder ersetzen würden. Im Gegenteil, alle drei Stadien sind gleichzeitig vorhanden, der einzige Unterschied besteht darin, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt eines stärker ausgeprägt ist als das andere. Bei Berdjajew wird die Ethik der Erlösung zwischen der Ethik des Gesetzes und der Ethik des Schöpfertums untergebracht. Die Ethik des Gesetzes ist eine gnadenlose Ethik und daher gottlos, denn die Gesellschaft, und nicht die Person, ist Gegenstand der moralischen Bewertung, weil die Gesellschaft moralische Verbote, Tabus, Gesetze und Normen aufstellt, denen eine Person unterliegen muss oder sie wird dem moralischen Fluch und der Strafe ausgesetzt. Die Ethik der Erlösung geht aus der Barmherzigkeit Christus hervor. Barmherzigkeit ist die Macht, nach der "die christliche Moral nicht sklavisch oder plebejisch, sondern aristokratisch und edel ist, das heißt die Moral der Söhne Gottes". Die Erlösung führt zum Gesetz des Schöpfertums, das heißt, sie ermöglicht die Ethik des Schöpfens, die Berdjajew auch Ethik der Energie nennt. Im Gegensatz zur Ethik des Gesetzes zeichnet sich diese Ethik als eine "geistige Quelle aller sittlichen Handlungen" aus.