Kompendium 800 Jahre Kirche - Leben in Kühlungsborn

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800 JAHRE KIRCHE 800 JAHRE KIRCHE – LEBEN IN KÜHLUNGSBORN BEITRÄGE UND DOKUMENTE ZUR KIRCHEN- UND ORTSGESCHICHTE zusammengestellt von Jürgen Jahncke

Tourismus, Freizeit & Kultur GmbH Kühlungsborn Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Kühlungsborn


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VORWORT

Vorwort | 3

Dieses Sachbuch enthält sowohl eine Auswahl von Beiträgen zur Geschichte der St.-Johannis-Kirche Kühlungsborn und des Ortes als auch neue Recherchen mit bisher unveröffentlichten Dokumenten aus Archiven und Chroniken des Landes. Sie wurden zum 800-jährigen Bestehen der St.-Johannis-Kirche zusammengetragen. Des Weiteren existiert seit September 2019 ein kirchlich orientierter Lehrpfad mit neun Standorttafeln in Kühlungsborn-Ost, der am Seebrückenvorplatz beginnt und durch den Ort bis hin zur St.-Johannis-Kirche in der Schloßstraße führt. Außerdem kann sich der Interessierte kurzzeitig in der Katholischen Kirche „Heilige Dreifaltigkeit“ (Ostseeallee) an zahlreichen bebilderten Aufstellern über die Entstehung der Kirche vor 800 Jahren und ihre Entwicklung bis zur Gegenwart informieren. Der weitgehend nach Sachgebieten geordnete Inhalt dieses Buches gestattet einen umfangreichen Einblick in die Geschichte der Evangelischen Kirche, erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Mitgewirkt an diesem Sachbuch haben durch Recherchen und Beiträge Frau Maren Borchert, Herr Matthias Borchert, Herr Matthias Burkhardt, Herr Rainer Karl, Frau Elfriede Pilgrim, Herr Uwe Pilgrim und Herr Alexander Schacht.


INHALTSVERZEICHNIS

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Aus der frühen Geschichte der Dörfer Brunshaupten und Arendsee Aus der mittelalterlichen Geschichte der Dörfer Brunshaupten und Arendsee

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Hexenverfolgung auch in Brunshaupten und Arendsee

Das Verlesen von Gesetzen und anderen weltlichen Dingen von der Kanzel 55 14

Alte Bleiglasfenster der St.-Johannis-Kirche Die Sankt-Johannis-Kirche zu Brunshaupten Arendsee 22 Aus dem Kirchspiel Brunshaupten (vom 18. bis Beginn des Pastoren der 20. Jahrhunderts) Brunshauptener/ Kühlungsborner Pfarre 31 Kirche und Landschulwesen Aus der Geschichte des Pfarrhauses in Brunshaupten 39 Brunshaupten und Arendsee Kirche – ein sicherer Ort 45 im Ersten Weltkrieg Die Tradition des Sankt-Urbantages

50

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Aus der Geschichte der Kirchenglocken

58

62

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Inhaltsverzeichnis | 3

Über die Aufbringung der Kosten für die Instandsetzung kirchlicher Gebäude 92 Vom Bismarckstein zum Friedensstein

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Der Alte Friedhof

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Der Erwerb des ehemaligen Die Evangelisch-Lutherische Schulgeländes Arendsee Kirchengemeinde durch die Landessynode Kühlungsborn heute 171 im Jahre 1938 136 Zeittafel 178 Leben der Kirche im Sozialismus 138 Anhang 202 Die Rolle der Kirche in der Wendezeit 1988 bis 1990

Kurzer Auszug aus der inhaltsreichen Geschichte Brunshauptens – Aus den 50 Jahre Arendsee 102 Gemeindebriefen

Die Evangelisch-Lutherische Aus der Geschichte der Kirchgemeinde im Visier der katholischen Gemeinde Gestapo 120 Kühlungsborn

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147

152

Kühlungsborn im Zweiten Kirchenmusik – ein fester Weltkrieg 122 Bestandteil des geistlichen und kulturellen Lebens 162 Kirchenkampf – Entscheidung zwischen Internationale Gott oder Götzen 126 Partnerschaften 169

Quellen

226

Stichwortverzeichnis

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Impressum

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AUS DER FRÜHEN GESCHICHTE DER DÖRFER BRUNSHAUPTEN UND ARENDSEE Jürgen Jahncke: Über die Klostergründung Parchow

Ursachen für den Aufbau von Feldklöstern waren religiöse, wirtschaftliche, kulturelle, politische und soziale Gründe. Kirche, Fürsten und Adel erhofften sich gleichermaßen Vorteile davon. Das Land war keinesfalls befriedet und galt als Land des Schreckens und der wüsten Einöde.1 Die Klöster wurden Siedlungsmittelpunkt für die ins Land einwandernden Deutschen und bildeten den Rückhalt für die Friedensbemühungen der Kirche im gespannten Verhältnis zwischen Deutschen und Wenden.2 Die Kirche benötigte Stützpunkte, um die Wenden zum Christentum zu bekehren. 1 2

MUB 255 (UBNkl. II) Traeger, Josef: St. Maria im Sonnenkamp. Leipzig. S. 9

Das waren vorrangig die Klöster der Benediktiner, Zisterzienser und der Prämonstratenser3 , weil jene ihre Mitglieder sowohl missionarisch als auch seelsorgerisch einsetzten. Landesherren und der einheimische Adel stimmten mit den Zielen des Christentums wie „das Lob Gottes, die Pflege und Vertiefung des religiösen Lebens, der Welt zu entsagen, um der Welt zu dienen“ völlig überein4. Klöster und Geistlichkeit vermittelten Bildung; lesen und schreiben konnte jedoch vorrangig nur 3 Der Orden ist ein Zusammenschluss selbständiger Klöster und wurde 1120 von Norbert von Xanten mit dreizehn Gefährten in Prémontré bei Laon auf Fernbesitz der Abtei Prüm gegründet. 4 Volkmann, Albrecht: Kloster Sonnenkamp in NeuklosterMecklenburg. In: Jahrücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Band 102 (1938) S. 39


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der Klerus. Einrichtung und Tätigkeit der Klöster führten zu einem wirtschaftlichen Aufschwung. Weite Landstriche wurden in harter Arbeit mühsam nutzbar gemacht und schufen dadurch auch Voraussetzungen für die Ansiedlung von Kolonisten. Der Adel beschenkte die Klöster mit Spenden „um ihrer Seligkeit willen“5 und sicherte den unverheirateten Töchtern und Söhnen Lebensraum in den Stiften. Um 1210 gründete Heinrich Borwin I. in Parkow, dem heutigen Parchow bei Westenbrügge, ein Nonnenkloster, das der Mutter Gottes und dem Evangelisten Johannes geweiht wurde. Es lag unmittelbar an den Grenzen der Zisterzienser Abtei Doberan und in der Nähe des festen Ortes Bukow.6 Da es sich um eine landesherrliche Gründung handelte, bestand wohl auch keine enge Beziehung zu einer großen Ordensgemeinschaft. Ernst von Kirchberg7 berichtet in seiner Reimchronik wie folgt darüber: dass Heinrich Borwin das Kloster „Sunnevwelt vf stad, was Klus8 genant by Westingenbrucke nahe irkant“ gebaut habe und dass es dort „nicht lengir me wan achte iar“9 geblieben sei. Das Kloster lag tatsächlich, wie es aus den Bewidmungsurkunden 1219 und 1235 ersichtlich wird10, in Parkow nahe Westenbrügge. Jener Ort, wo das Kloster Neukloster bestand, wird ausdrücklich dreimal genannt. Es war ursprünglich ein Kloster der Benediktinerinnen und eine Stiftung Heinrich Borwins I. und seiner Gemahlin Adelheid, einer märkischen Prinzessin. 5 ebenda, S. 40 6 Lisch, Georg Christian Friedrich: Neukloster, Parkow und Sonnenkamp, mit einem Anhange über den Tepnitz-Fluß. In: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Band 33 (1868), S. 3–16 7 Ernst von Kirchberg ( nach 1379) Reimchronist und Buchmaler in Mecklenburg 8 Klause 9 Westphalen: Monumenta inedita IV, S.765 (cap. CXXI), siehe Lisch, Georg: In: Jahrücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Band 33, S. 3 f 10 M.U.B.254

Über die Gründe der Verlegung des Klosters Sonnenkamp oder Sonnenfeld von Parchow in die Nähe der Burg Cuszin (Kussin) gibt es verschiedene Annahmen. Kirchberg vermutete als Grund den schlechten Boden und seine noch nicht genügend vorgenommene Kultivierung. Witte11 meinte, dass die Stiftung eines Nonnenklosters auf einem so vorgeschobenen Posten in der Neubukower Gegend damals etwas zu gewagt war. Eine Urkunde des Bischofs Brunward von Schwerin aus dem Jahr 1236 enthält die Bemerkung von der „Verwüstung durch die einst von dort vertriebenen Slawen“12. Vom Kloster Parchow ist wenig erhalten geblieben. Lisch fand in der Feldmark lediglich eine von Moor umgebene Erhöhung mit der Bezeichnung „Auf dem Kloster“ und in dessen Nähe den „Klosterbach“13. Außerdem liegt angrenzend an einer Wiese eine Anhöhe, die früher „Sonnenberg“ genannt wurde und einst ein Klostergarten gewesen sein könnte. „Westlich von dem „Alten Kloster“ liegt der Kirchberg, auf der Directorialvermessungskarte von 1767 „Kark-Berg“14 genannt. Nachgewiesen ist die Tatsache, dass Propst Alverich15 sowohl im Kloster Parchow als auch seit 1219 im neuen Kloster tätig war. Da auch ein Priester Alverich als Pfarrer in Proseken bei Wismar benannt wurde, ist anzunehmen, dass es sich damals bei der geringen Anzahl von Geistlichen im Lande um dieselbe Person handelt.16 Als Fundus der Stiftung werden in der ersten Urkunde des Klosters genannt: „das Dorf Cuszin (Kussin), die beiden heute nicht mehr bestimmbaren Dörfer Marutin und Gusni, letztes mit dem dabei gelegenen See, dann Parchow, 11 Witte, H.: Jegorows Kolonisation Mecklenburgs im 13. Jahrhundert. Breslau 1932, S. 221 12 Rütz, A.: Neukloster in der Geschichte. Mecklenburgische Monatshefte. Rostock 1931, S. 3 f 13 Lisch: a. a. O. S. 6 14 Lisch: a. a. O. S. 6 15 In der Gründungsurkunde wird der erste prepositus Alvericus auf das Dorf Minnowe bezogen. 16 M.U.B: 239 und 244


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das 26 Hufen umfasste, ferner ein Dorf von 17 Hufen, das ein gewisser Zurizlaw gehabt hatte, 6 Hufen in Malpendorf samt der Hälfte der Mühle und der halben Meeresfischerei17, der See18 bei Wichmannsdorf, 30 Hufen in Brunshaupten samt der halben Meeresfischerei, 8 Hufen in Klein Schwaß, 6 Hufen in Kamin, dann Golchen mit der Mühlstätte und Fischereigerechtigkeit, die Fischerei zum Mödentin, 10 Hufen in Kastahn, 20 Hufen in Techentin mit dem See und dem anliegenden Walde, ferner Roggentin und die Kirche zu Kessin. Durch Verzicht des Klosterpropstes Alverich und seiner Verwandten Adelheid zu Gunsten des Klosters kamen noch die Dörfer Hilgendorf (Minnowe) und Kornabgabe von 3 Drömpt19 aus der Kröpeliner Mühle hinzu. Es ist ersichtlich, dass schon die ältesten Besitzungen des Klosters z.T. weit nach Osten reichten, bis über Rostock hinaus (Roggentin).“20 Es erhielt außerdem die Zehnten zu Cuscin (Kussin), Perniek, Nevern, Parchow, Malpendorf, Brunshaupten, Kamin, Golchen, Dämelow, Klein Schwaß, Roggentin und Techentin. Vermutlich wurden dem neuen Kloster in dieser Urkunde die alten Rechte noch einmal neu zugesprochen. Das Nonnenkloster entwickelte sich zu einem der angesehensten und reichsten Nonnenklöster in Norddeutschland. Urkundlich belegt ist zwar seine Stiftung durch das Nonnenkloster Arendsee bei Salzwedel in der Altmark nicht, aber es „entspricht wohl den Tatsachen, dass das zum ältesten Gut des Klosters Sonnenkamp das Dorf „Arendsee“ an der Ostseeküste bei Neubukow in der unmittelbaren Nähe der Gebiete der Abtei Doberan gehörte.“21 Mecklenburgs Fürstin Anas17 vermutlich das Salzhaff 18 Teich 19 Das Drömpt ist ein altes Hohlmaß für Getreide. Es entspricht 12 Scheffel oder 466,2 Liter. 20 Volkmann, Albrecht: a. a. O. S. 49 21 Lisch, Georg Christian Friedrich: Geschichte der Besitzungen auswärtiger Klöster in Meklenburg: Geschichte der Besitzungen des Klosters Arendsee; das Dorf Wargentin; das Dorf Rögelin. In: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Band 15 (1850), S. 3–32

tasia schenkte 1275 dem Nonnenkloster das Dorf. Im Schenkungsbrief heißt es: „Dies haben wir deshalb getan, damit Gott, der Herr von unaussprechlicher Barmherzigkeit, der wohl regiert und nichts übereilt, um der kräftigen Fürbitte willen dieser Dienerinnen Christi und wegen anderer guter Werke, welche bei ihnen so zahlreich im Schwange sind, unsern geliebten Gemahl, Hinrich von Mecklenburg, aus den Fesseln der Heiden, in denen er gefangen liegt, unversehrt errette und ihn uns und unsern Kindern und seinen Anverwandten, die in tiefer Trauer seiner Heimkehr harren, zu rechtem Troste zurücksende.“22 Das Nonnenkloster Arendsee erwarb auch weitere Besitzungen in Mecklenburg und Pommern. Dabei handelte es sich um die Landgüter Wargentin und Rögelin, vermutlich als Belohnung für besondere Verdienste für die Kolonisierung und für den Bau von Kirchen. Die Pröpste des Klosters Sonnenkamp hatten zu allen Zeiten von Amts wegen das so genannte Archidiakonat über die vom Kloster gegründeten Kirchen inne. Das traf für die Dörfer Neukloster, Nakendorf, Babelin, Brunshaupten, Techentin und Kessin zu. Die Brunshauptener Kirche ähnelt trotz vieler mecklenburgischer Akzente durchaus denen der Altmark. Die märkische Baugestalt und die Behauung der Feldsteine sowie die Verwendung der Backsteine weisen darauf hin, dass die Nonnen Einfluss auf den Bau des Gotteshauses genommen haben23. So scheint diese Kirche in Kühlungsborn möglicherweise die einzige Hinterlassenschaft des ehemaligen Klosters in Parchow zu sein. Aus der Monumenta Germaniae paedagogica „Ungefähr im Jahre 1210 stiftete Heinrich Borwin ein Nonnenkloster zu Parcow in der Nähe des 22 Schreiber, Heinrich: In Mecklenburgische Monatshefte Juni 1931, S. 259. 23 Lisch: a. a. O.


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Dorfes Westenbrügge bei Neukloster. Aber da die Gegend wegen der Unfruchtbarkeit des Bodens nicht geeignet erschien, so verlegte er das Kloster 1219 nach Neukloster in der Nähe von Warin und Wismar. Die neue Stiftung, auch Sonnenkamp genannt, bestätigte der Bischof Brunward von Schwerin, der seinerseits zu der reichen fürstlichen Morgengabe seinen Teil hinzufügte. Im Jahre 1236 scheint die Kirche geweiht zu sein, wenn die Anwesenheit Johannes’ von Schwerin, Bischof Brunwards von Schwerin, Erzbischofs Gerhard von Bremen, die Bischöfe von Ratzeburg und Lübeck, des Abtes von Doberan und anderer Geistlichen und Ritter im Kloster einen Schluß darauf zuläßt. Das Kloster besaß sieben Kirchenpatronate; es erfreute sich der Gunst der Fürstin Anastasia, der Königin Agnes von Schweden, der Herzogin Katharina von Mecklenburg; der Gunst des Adels und der Bürgerlichen, besonders aus Wismar und Lübeck. Wenn es noch über Schulden klagt, die öfter verzeichnet und geregelt werden müssen, so zeugt das nicht nur von vorübergehender schlechter Wirtschaftsführung oder gar von Vergewaltigung, sondern ebenso sehr von der großen Zahl der Insassen. In der Tat, im Jahre 1516 werden 54 Nonnen im Kloster gezählt. Dasselbe unterhielt, wie sich nachweisen läßt, eine Außenschule. Einmal nämlich wird 1371 eine scholastica Ida erwähnt, zum anderen erschienen schon 1260, dann wieder 1402 und 1416 weltliche Kinder, die im Kloster unterrichtet werden und Pension bezahlen. Auch eine Cantrix oder Sangmestersche, wie sie sonst heißt, fehlt nicht. Das Kloster wird bei seiner Stiftung als claustrum sanctimonialium sub regula Benedicti militantium bezeichnet – Nonnenkloster unter der Regel des Benedikt für das Ordensleben. Obwohl es

mithin ein Benediktinerinnenkloster zu nennen wäre, ist es offenbar später in Beziehungen zum Cistercienserorden getreten, da Papst Klemens IV. in einem Schirmbrief von 1267 erwähnt: Ordo monasticas, qui secundum deum et beati Benedicti regulam atque institutionem Cisterciensium fratrum a vobis post conilium generale … – der Mönchsorden, der gemäß Gott und der Einrichtung der zisterziensischen Brüder nach der allgemeinen Versammlung euch gegeben ist. Dazu stimmt auch, daß das Kloster auf dem Generalkapitel zu Citeaux 1254 um die Freundschaft des Cistercienserordens warb und Anteil an den guten Werken, Messen und Fürbitten derselben erlangte. Trotz dieser Beziehungen zum Cistercienserorden hat also das Kloster seinen Jugendunterricht aufrechterhalten und damit eine segenreiche Kulturaufgabe in seinem Kreis erfüllt.“24 Lisch, Georg Christian Fridrich: Neukloster, Parkow und Sonnenkamp, mit einem Anhange über den Tepnitz-Fluß „Um das Jahr 1210 stiftete Borwin I. ein Cistercienser-Nonnenkloster zu Parkow, unmittelbar an den Grenzen der Cistercienser-Abtei Doberan und in der Nähe des festen Ortes Bukow, wo schon früh unter der Pflege eines Pfarrers christliche Bildung Wurzel schlug. Ernst von Kirchberg berichtet darüber in seiner mecklenburgischen Reimchronik ohne Zweifel aus guten Doberaner Quellen also: Der furste Hinrich Burwy lag der cristenheyde by; dy aptgode künde her stören vast, ouch stunt dar nach syns synnes mast, wy her den gelouben merete vnd vngelouben virserete, vnd wy her kirchen stichte mit wirdiglichir phlichte. 24 Monumenta Germaniae paedagogica: Das Unterrichtswesen der Großherzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Strelitz. Band 3: Urkunden und Akten nebst einem Überblick über seine geschichtliche Entwicklung. Berlin 1909, S. 65 ff


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In godes dinste gantz virmelt so buwete her da Sunnevelt vf eyn stad, waz Clus genant by Westingenbrucke nahe irkant, da besaste her daz clostir schire geistlich mit iungfrowlichir czire; dy iungfrowen warin gentzlich so des ordens von Cistercio. By dem buwe waz vil hart von Zwerin bischof Brunward vnd ouch von Doberan alsus der appid genant Matheus. Daz closter bleib da gantz virwar nicht lengir me wan achte iar: Hinrich Burwy es baz bedachte vnd iren nutz ouch me betrachte, her nam vur yn synen mud, daz dar der ackir wer nicht gud vnd legete es an eyne beszir stad, als es noch begriffen had, vnd hiez es zu syme rechten nam daz nuwe clostir sundir scham. Daz geschach nach godes geburt virwar czwelfhundirt vnd funf vnd czwenczig iar Dyse geschicht geschach also by babist Innocencio, von Stouf der keysir Frederich dy wyle hielt daz romische rich. Waz gudes her yn dar zu gab vm irer narunge irhab den clostirn vnd iglichir stad, dy her da gebuwit had, ir pryuiley daz sagin mit warheit sundir vragin. Das Kloster ward im J. 1219 nach dem jetzigen Neukloster verlegt und hier neu gegründet. Kirchberg sagt, daß der Fürst Borwin das Kloster Sonnenfeld im Anfange auf einer Stelle bei Westenbrügge, welche Klause (clûs) genannt worden sei, gegründet habe, das Kloster hier aber nicht länger als acht Jahre geblieben sei. Danach muß die erste Stiftung im J. 1210 oder 1211 angelegt

worden sein. – Uebrigens ist die Zeitrechnung Kirchbergs ganz falsch. Er setzt die Verlegung gegen den sichern Inhalt der Original-Urkunden in das Jahr 1225 und die erste Gründung in die Zeit des Abtes Matthäus von Doberan; dieser war aber 1219–1225 Abt (vgl. Jahrb. IX, S. 433), regierte also zur Zeit der Verlegung. Alle andern Zeitangaben, welche historischer Schmuck sein sollen, sind ebenfalls verwirrend; denn Papst Innocenz III. (1198–1216) lebte zur Zeit der ersten Gründung, Kaiser Friedrich II. (1215–1250) und Papst Honorius III. (1216–1227) zur Zeit der Verlegung des Klosters. Dennoch sind Kirchbergs sachliche Mittheilungen sehr dankenswerth.“25, 26 Borwin stiftete dieses Kloster zuerst zu Parkow bei Westenbrügge oder bei Neu-Bukow. In den Bewidmungs-Urkunden von 1219 und 1235 wird ausdrücklich drei Male „das Dorf Parkow genannt, wo das Kloster Neukloster zuerst gelegen habe“: („villa Parcowe, ubi primo claustrum situm fuit“.) Die Stelle, wo das Kloster zu Parkow lag, wird noch heute mit vielen Namen genau bezeichnet. Wenn man von Westenbrügge nach Parkow geht, grade in der Mitte des Weges zwischen beiden Orten und etwa eine Viertelstunde von beiden entfernt, liegt, nahe an der Feldscheide, links am Wege, am Rande eines von dem unten erwähnten Bache durchflossenen lieblichen Buchenholzes, die Stelle des alten Klosters Parkow. Hier liegt eine weite Wiese, das „Rode-Moor“ genannt, welche früher, noch nach der Erinnerung alter Leute, ein tiefer Morast gewesen ist. In diesem Morast liegt ein festes, aber nur niedriges Plateau von oblonger Form, welches zu 785 Quadratruthen vermessen ist. Diese Wohnstätte heißt noch heute im Munde des Volkes und auf amtlichen Karten: „Auf dem alten Kloster“ und bei manchen Bewohnern ist noch die Sage von dem Kloster in Erinnerung, 25 Lisch, Georg Christian Friedrich Lisch: Neukloster, Parkow und Sonnenkamp, mit einem Anhange über den Tepnitz-Fluß. In: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Band 33 (1868). S. 3–16 26 Vgl. Lisch Mekl.Urk.B. II, Urkunden des Klosters Neukloster. Vgl. Kisch Mekl. Urk. II. S. 1, 5, 16


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jedoch immer mehr im Verschwinden, da das Bauerndorf abgebrochen und statt dessen ein Hof auf der Feldmark aufgeführt ist. Durch die Wiese, und weiter durch das Holz, fließt ein Bach, welcher den alten Klosterplatz an beiden Seiten bespült; dieser Bach heißt noch heute der Klosterbach (de klosterbek). An die Wiese stößt eine kleine Anhöhe, welche früher, und auch jetzt noch wohl, der „Sonnenberg“ genannt wird, heute aber gewöhnlich Haideberg heißt; dieser Berg (1695 Quadratruthen groß) soll früher der Klostergarten gewesen sein. Ungefähr 125 Ruthen westlich von dem „Alten Kloster“ liegt der Kirchberg, auf der Directorial-Vermessungs-Karte von 1767 „Karck-Berg“, 3713 Quadratruthen groß. Diese Stelle, im Moor, hat ganz den Charakter eines befestigten heidnischen Wohnplatzes, und man könnte denselben für einen fürstlichen heidnischen Burgwall halten, wenn er nicht so sehr niedrig wäre, jedenfalls wird er ein bewohnter Sitz zur Heidenzeit im fürstlichen Eigenthume gewesen und daher zur Stiftung eines Klosters weggegeben sein. Dorf bei Kröpelin und Neu-Bukow noch aus der ersten Stiftung zu Parkow. Ich habe alle diese Oertlichkeiten selbst untersucht und auch von den Herren Pastor Priester, jetzt Präpositus zu Buchholz, und Pastor Hersen zu Westenbrügge Nachrichten darüber erhalten. Es finden sich mitunter, jedoch sehr selten, einzelne heidnische Topfscherben und auch Bruchstücke von alten Ziegeln, und Herr Pastor Priester fand im J. 1843 ein spanförmiges Messer aus Feuerstein; es ist also nicht zu bezweifeln, daß der Ort zur heidnischen Zeit bewohnt gewesen ist. Mit der Zeit sah aber Fürst Borwin ein, daß „der Acker nicht gut sei und verlegte im J. 1219 das Kloster dahin, wo die Gebäude noch jetzt stehen“. Im J. 1219 gründete der Fürst Borwin mit

seinen Söhnen Heinrich und Nicolaus und mit Bewilligung seiner Gemahlin Adelheid das Kloster von neuem an einem andern Orte und schenkte demselben von seinem Hauseigenthume das Dorf Kussin, „wo der Ort gegründet ward, welcher von da an Sonnenkamp hieß“: „de nostro patrimonio contulimus villam Cuszin, ubi locus idem fundatus est, qui nunc Campus Solls vocatur“ … von unserem Besitz geben wir das Dorf Cuszin in einer weiten Lage, an einem großen See und einem kleinen Flusse. Dieses zweite Kloster ward also das Neue Kloster Sonnenkamp genannt, zuerst lange Zeit hindurch Sonnenkamp, darauf und jetzt allein Neukloster; ein Berg, welcher den jetzigen Hofgarten und die Scheuren berührt und den ganzen Klosterraum beherrscht, heißt der Sonnenberg. Es ist die Frage, woher diese neue Stiftung den Namen Sonnenkamp (statt Kussin) erhielt. Ich kann nur glauben, daß Sonnenkamp eine Uebersetzung von Parkow ist, und daß, wie das alte Kloster nun, so noch jetzt das „Alte Kloster Parkow“ hieß, die neue Stiftung nach der alten das „Neue Kloster Parkow“, oder übersetzt Sonnenkamp, genannt ward. Die Sprachwurzel Park- ist in den slavischen Ländern ziemlich verbreitet und kommt dort oft vor, wo auch der deutsche Name Sonne oder der slavische Gegensatz: Schwarz-Czarne erscheint. So heißt die Waldhöhe bei der Stadt Parchim: der Sonnenberg, der Berg bei der Stadt Pirna: der Sonnenstein; so liegen die beiden Orte Parkow und Zarnin bei Bützow und Rühn und das wendische Heiligthum zu Althof bei Doberan liegt nahe bei Parkentin. Durch die offenbare Uebersetzung von Park-ow in Sonnen-kamp kommt man leicht zu der Annahme, daß das Wort Park-: Licht, Sonne, bedeute. Aber in allen alten slavischen Wörterverzeichnissen und nach der übereinstimmenden Versicherung vieler gewiegter slavischer Sprachforscher ist in allen slavischen Sprachen diese Sprachwurzel nicht zu finden. Es soll nur das vereinzelt stehende Wort


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paprschlak, welches Sonnenstrahl bedeutet, entfernt an das Wort park- erinnern. Dagegen soll die Sprachwurzel lettisch sein und pjörûn: Blitz bedeuten und an die östlichen heidnischen Gottheiten Parkun und Perun als Lichtgötter erinnern. – In dem Pommerschen Urkunden­ buche I, S. 100, Nr. 40, wird von dem Orte Parcumi gesagt, daß der „Name vielleicht zum polnischen parkan: Plankenzaun, Pfostenzaun“ gehöre; man könnte dann annehmen, daß die heiligen Orte der Heiden zugleich befestigt gewesen und davon benannt seien. Aber es liegt nach der Uebersetzung von Parkow in Sonnenkamp doch näher, zu glauben, daß park – Sonne bedeute. Man müßte dann freilich annehmen, daß die Sprachwurzel lettisch sei, oder daß sie, was wahrscheinlicher zu sein scheint, innerhalb der geschichtlichen Zeit als Sachname untergegangen und nur in Ortsnamen erhalten sei, wie sich ja in allen Sprachen vereinzelte Wörter finden, welche außer allem Zusammenhange mit andern stehen und sich etymologisch nicht erklären lassen. Es ist etwas viel verlangt, daß sich grade alle slavischen Wörter etymologisch erklären lassen sollen.“27 Schöfbeck, Sabine; Schöfbeck, Tilo; Witt, Detleff: Kloster Kloster Sonnenkamp in Neukloster.28 „Aus welchem Kloster die ersten Konventualinnen nach Parchow bzw. Neukloster übersiedelten, ist leider nicht nachweisbar. Die Herkunft aus dem altmärkischen Arendsee wurde in Betracht gezogen, da Borwins zweite Gemahlin Adelheid aus märkisch-askanischem Hause stammte, es Klosterbesitz im Mecklenburgischen gab und die spätromanischen Bauformen der beiden Querhausportale der Klosterkirche auch auf altmärkische Architektur verweisen. Im Besitz des Klosters befand sich außerdem das gleichnamige Dorf an der Ostsee, im Kirchspiel Brunshaupten (heute Ortsteil von Kühlungsborn).“ 27 ebenda 28 Schöfbeck, Sabine; Schöfbeck, Tilo; Witt, Detleff: Kloster Sonnenkamp in Neukloster. Petersberg 2009, S. 6


Aus der frühen Geschichte der Dörfer Brunshaupten und Arendsee | 13

▲ Blick auf Heiligendamm 1938. Archiv Staatliches Amt fürLandwirtschaft und Umwelt Rostock


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AUS DER MITTELALTERLICHEN GESCHICHTE DER DÖRFER BRUNSHAUPTEN UND ARENDSEE Jürgen Jahncke: Die mecklenburgischen Dörfer im 16. und 17. Jahrhundert

Bauernstellen galten um 1500 als reine Familienbetriebe mit drei bis vier Erwachsenen auf jedem Hof. Ein Jahrhundert später betrug die Personenzahl auf einem Hof zwischen fünf bis sechs mit durchschnittlich ein bis zwei Bediensteten. Mit dem Anstieg der Bevölkerung erhöhte sich auch die Zahl der auf einem Bauernhof tätigen Menschen. Diese Tatsache und die ständig wachsende Nachfrage nach Getreide erforderte eine Vergrößerung der Anbauflächen. Das geschah vorrangig durch Urbarmachung von altem Weideland und durch Rodungsflächen. Diese wirtschaftlichen Veränderungen ließen im 16. Jahrhundert auch erstmals großräumige Bauernhäuser mit

breiter Dreschdiele entstehen. Mit steigendem Wohlstand baute man ofenbeheizte Stuben und Kammern in Abseiten neben der Durchfahrtsdiele und Ställe ein. Aufzeichnungen des Klosteramtes Ribnitz aus dem Jahr 1620 enthalten aus verhältnismäßig früher Zeit genaue Beschreibungen von Bauernhäusern. Aus dem Dorf Bartelshagen liegt eine anschauliche Gebäudebeschreibung vor: „Hans Westphal, ein Baumann. Sein Haus ist von 7 Gebinden29 ohne beide Kihlende. 29 Das Hallenhaus wurde in seiner Längsachse aus so genannten Gebinden (jeweils ein Ständerpaar mit Dielenbalken und Dachsparren) zusammengesetzt.


Aus der mittelalterlichen Geschichte der Dörfer Brunshaupten und Arendsee | 15

Vor den großen Tor und Heck an einer Seiten zwei, in der andern ein Stall, uff beiden Abseiten Stallung. Bei der kleinen Tür, unter den hintersten Kyhlende, eine Stuben, darin 3 Fenster, 1 Kachelofen, umbher eine Lehmwandt mit einem Windelboden30, dabei eine Lucht31 von 4 Fenstern. Über der Dehle ein Bahlenboden mit Lehm beschlagen halb, die an der Hälfte mit Schlet34 belegt. Das Holzwerk, Ständer und Wände gut, das Dach ist ziemlich.“ 32

33

ne heizbare Stube unter dem hinteren Dachwalm neben der Küchenlucht. Der Kachelofen wurde wahrscheinlich vom Herd aus geheizt.“ 36 Abgaben der beiden Dörfer Brunshaupten und Arendsee im Mittelalter 37 1430 Brunshoveden

19 ½ Mark (M) Marendesze

10 M

1441 Brunshovet

19 ½ M

Mantzee

10 M

1477 Brunshoveden

8 M

Arendessse

4M

1519 die halbe Landbede38

5 M

Marendetzee

2½M

1524 Brunshovens

Brunshoveden

20 M

Marentze

10 M

1526 Brunshoven

20 M

Marentze

10 M

1544 die halbe Bede

Brunßhovede:

8 M, 2 Schilling Arentzee

2½M

Brunßhovede: 10 Höfe, 31 Steuerzahler, davon 1 Krug,

1 Schmied, 1 Müller

Arentzee: 5 Höfe 1545 Brunshovede: 34 Steuerzahler; Arentse: 10 Steuerzahler 1553 Brunßhovede: 32 Steuerzahler; Arenthsee: 10 Steuerzahler 1556 Brunshovede: 10 Höfe, 11 Katen, 1 Schmiede, 1 Mühle,

1 Krug

Arenthsehe: 5 Höfe, 2 Katen (gehören zu den Höfen),

1 Schneider

▲ Carl Malchin. Bauerndiele in Wittenförden 1872.

„Der Baubestand und die Einrichtung sind klar. Das Haus von sieben Gebinden bzw. sechs Fach Länge war vorne und hinten mit Vorschauern oder Kühlenden unter zwei Vollwalmen35 versehen. Wie noch heute im Nordosten Mecklenburgs üblich, lag das große Einfahrtstor zurückgezogen zwischen den beiden Vorschauern. Die Diele führte frei durch das ganze Haus. In den beiden Abseiten befanden sich Ställe und an der einen Seite neben der Stube eine Lucht, d. h. ein Dielenarm, der bis an die Hauswand reichte und dort mit Fenstern versehen war. Diese Lucht, in der der Herd lag, wurde als Küche benutzt. Der einzige geschlossene Raum im Hause war die mit Lehmwänden und einer Decke (Windelboden) versehe30 Eine Holzbalkendecke mit tragenden Elementen 31 Raum in der hinteren Diele des Bauernhauses 32 Diele 33 Bohlenboden 34 dünne lange Holzstangen 35 Vollwalmdach

▲ Urformen des Niedersachsenhauses in Mecklenburg. Engel, Franz. In: Mecklenburgische Jahrbücher, Band 104 (1940) S. 145 f.

36 Engel, Franz: Die Urformen des Niedersachsenhauses in Mecklenburg. In: Jahrbücher des Vereiens für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Band 104 (1940) S. 145 f 37 Mecklenburgische Bauernlisten im 15. und 16. Jahrhundert. Heft 2. Das Amt Bukow mit dem Lande Poel. Schwerin 1938 38 Auf dem Lande erhobene vom Grunsbesitz abgeleitete Steuer in Geld.


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1558 Brunshoveden: 17 Hufner39, 2 kleine Hufner, 12 Kätner

1571

Anteile am Ablager: 18 Bauern hatten den Zehnten an Lämmern,

Brunshovet: 10 Hufen, 11 Katen. Schmiede, Krug, Mühle, 1 Leinen-

Gänsen und Garben und Roggen nach Neukloster zu liefern,

weber

10 Bauern hatten Vogtdienst in Malpendorf zu verrichten. Zwei

Abgaben: Konningsbete: 13 Gulden, 8 Schilling, Stolbete: 9 Schil-

Schmiede waren verpflichtet, dem Hofmeister von Malpendorf

ling, 4Pfennig, Jegerablager: 1 Gulden, 8 Schilling, Ablager: Hafer 5

die Pferde zu beschlagen.

Drömpt, 1 Ochsen, 10 Schweine

Arentsehe: 7 Hufner, 2 Kätner

Herzog Ulrichs Hofmeister: Jägerablager: 5 Gulden, 9 Schilling

Anteile am Ablager: den Zehnten an Lämmern, Gänsen,

Arendtsehe: 5 Hufen, 2 Katen (gehören mit zu den Hufen)

Garben und Roggen an Neukloster

Abgaben: Konningsbete: 6 Gulden, 16 Schilling, Stolbete: 5 Schilling, Jägerablage: 10 Schilling, Ablager: Hafer: 2 Drömpt, 9 Scheffel,

1569/70

1 Ochsen, 4 Schweine

Einzelaufstellung von Naturalleistungen für das Jägerablager von Herzog Ullrichs Hofmeister zu Brunshaupten: „1 Tonne Bier,

1580

6 Scheffel Hafer, 1 Lamm, 1 Fass mit „drogen Fleisch“ (getrockne-

Brunsheupt: In diesem dorf haben die fursten zum ambt Bukow

tes), 1 Gans, 4 Hühner, 3 Pfund Butter, 1 Lot Pfeffer, Weißbrot, Salz

des hoehisten gerichts zwei teil sampt allen diensten und was

und Zwiebeln, 1 Kanne Essig, Lichter, 1 Pfund Speck, 2 Schilling

sonsten hierunter beschrieben volgt. Der ubrige dritte teil des

Koch- und Zapfgeld.“ 40

hoehisten, die nidrigsten gerichte, uf- und ablaes etzliche pechte sampt den zehenden vom korn, schaeffen, und gensen, flachs, an

1570

zehender garb und stucken gehoeren gen Newen Closter, deßglei-

Carspel Brunshoveden

chen von jungen fahlen und kelbern per heupt 3 Pfennig, auch von

Brunshevet: 10 Hufen, 9 Katen, 2 Schmiede, 1 Krug, 1 Mühle

jederer woert 1 Schilling, dagegen sie die zehend garb innebehal-

Arendtsehe: 5 Hufen 2 Katen (gehören mit zu den Hufen)

ten, – Und wohnen daselbst 16 bawleute, 13 kotsassen, die haben unter sich 10 huefen. Und geben dieselben semptlich zum ambt Bukow 13 Gulden, 8 Schilling konnigsbete, 10 schilling stolbete, 1 gulden voigtsgenies, 9 gifftgense. – Dieselben geben auch an ablager 13 Gulden, 8 Schilling zu 2 ochsen, 13 Gulden 8 Schilling fur 2 schweine, 6 Gulden fur 6 schaeffe,1 Gulden, 8 Schilling jedergelt, 1 Gulden fur 4 leddige tunnen (-35 Gulden an gelde), 1 Drömpt, 4 Scheffel gersten zu 4 t. bier, 6 Drömpt, 8 Scheffel habern.- Wan die hern in ambt oder zur Wißmar, geben sie huener und eyer, wan man ihn ansaget. Noch ist daselbst ein meyerhof41, gehoeret gen New Closter, gibt hierher jerlich zu jegerablager fur alles 3 Gulden, 15 Schilling. Noch ein freischlutz, gibt pacht gen New Closter und thut den ambtleuten zu Bukow außrichtung. Zu doppelter landbete geben sie: Bauern 13 Gulden, 8 Schilling, von den 11 Kätner 3 Gulden, 16 Schilling, ein Möller 1 Gulden, 8 Schilling, ein Schmide 1 Gulden, 8 Schilling, ein Krüger 1 Gulden, 8 Schilling, drei Leineweber Gulden. Arndtsehe: Diß dorfs hochsten gericht zwei teil sampt allen diensten und hierunter beschrieben gehoeret zum ambt Bukow, der dritte teil hoehisten sampt den nidrigsten gerichten, uf- und ab-

▲ Abbild des Dorfes und Gutes Meierstorf bei Grevesmühlen um 1580. Peter Böckel. 39 Ein Bauer, der als Grundbesitz eine, mehrere oder einen Teil einer Hufe Land bewirtschaftet. 40 Mecklenburgische Bauernlisten. a. a. O. S. 196.

laes, etzlichen pechten mit den zehenden an korn den zehenden garben, zehenden lambs, zehende ganß, zehenden flachs, und dan fur ider heupt junger fahlen und kelber 3 Pfennig, dan auch fur 41 Als Meyerhof wird ein Bauernhof bezeichnet, auf dem einmal der Verwalter (der Meyer) eines adeligen oder geistlichen Gutshofes gelebt hat.


Aus der mittelalterlichen Geschichte der Dörfer Brunshaupten und Arendsee | 17

Scheffel gersten, 3 Drömpt, 8 Scheffel habern. Den amptleuten jerlich ablager. Honer und eyer, so oft die hern im ampte, nach erfordern. Der zehende an korn, lemmer, gense und flachs, so wol auch etzliche geldtpacht gehordt nach Newen Closter.“ 43 1596 Brunshovede: In diessem dorfe hadt daß ampt Buckow, wie im ersten Titel gemelt, die gericht und dienste, der dritte pfennigk aber gehoredt dem ampt Newen Closter. Nun ligt in demselben Dorfe ein meyerhof, derselbe gibt 3 Gulden, 15 Schilling jegergeldt. Ob es nun midt den gerichten gleicher gestaldt, wie im dorffe geschaffen, hadt man noch zue zeidt keine gewisse nachrichtung.“ 44

ider wuert, dagegen sie die zehendgarbe innebehalten, 1 Schilling gehoeret gen New Closter. – Und wohnen daselbst 7 bawleute, 2 kotsassen, die haben unter sich 5 landthuefen. Und geben semptlich zum ambt Bukow 6 Gulden, 16 Schilling konnigsbete, 5 Schilling stolbete, 16 Schilling voigtsgeniess, 7 gifftgense. An Ableger 6 Gulden, 16 Schilling fur 2 ochsen, zu huelf den Brunsheuptern, 5 Gulden, 8 Schilling fur 4 schweine, 3 Gulden fur 3 schaeffe, 12 Schilling fur 3 leddige tunnen, 12 Schilling jegergelt (16 Gulden an gelde), 8 Scheffel gersten zu 2 tunnen bier, 3 Drömpt, 8 Scheffel habern. – Wan die hern uf der nehe, geben sie huener und eyer, wan ihn wirdt angesagt.- Zu doppelter landtbete, wan die gehet, geben sie semptlich 6 Gulden 16 Schilling.“42 1595

„Lasset alles ehrlich und ordentlich zugehen“ Die Reformatoren haben sich, entsprechend der Aussagen der Heiligen Schrift, auch immer für eine feste Ordnung in der Gemeinde eingesetzt. Deshalb steht als Leitwort an der Spitze vieler Kirchenordnungen „Lasset alles ehrlich und ordentlich zugehen.45“ oder „Denn wenn ich auch dem Leib nach abwesend bin, so bin ich doch im Geist bei euch, freue mich und sehe eure Ordnung und die Festigkeit eures Glaubens an Christus.“46 Die Entstehung und Entwicklung solcher Ordnungen ist untrennbar ein Teil der Entfaltung der evangelischen Kirchen. Denn zunächst richteten sich die Reformbestrebungen nur gegen einzelne Punkte des herrschenden kirchlichen Systems.

Brunsvoede: 16 Bauern, 13 Kätner, haben 10 hofen. Seindt den fursten midt gericht und diensten vorwandt, von dem gericht aber gehordt der 3. Pfennigk nach dem Newen Kloster. Geben jerlichen 13 Gulden, 8 Schilling konnigesbete, 10 Schilling stolbete. 1 Gulden,8 Schilling jedergeldt, 1 Gulden voigtsgenies, 29 genße, 1 ochsen, 10 schweine, 6 schafe, 1 Drömpt, 4 Scheffel gersten, 6 Drömpt, 8 Scheffel habern, 1 Gulden tonnengelt. Der schultze daselbst, ein freyschultze, ist den amptleuten, so sie kommen, notturfige ausrichtung zu thuen schuldich. Honer und eyer, so oft die f. ins ampt kommen, auf erfurdern. Der zehendt an korn, lemmer, gense und flaß, auch etzliche pacht und rentegeldt, gehoret nach Newen Closter. Arendt Sehe: 7 Hufner, haben 5 Höfe unter sich. Seindt den fursten midt gericht und allen diensten vorwandt nach Buckow; under den gehogsten gerichten aber gehordt der 3. Pfennigk nach Newen Closter. Geben jerlich 6 Gulden, 16 Schilling konnigesbete, 5 Schilling stolbete, 12 Schilling tonnengeldt, 12 Schilling jedergeldt, 16 Schilling voigtsgenieß, 1 ochsen, 4 schweine, 3 schafe, 8 42 Mecklenburgische Bauernlisten. a. a. O. S. 231 f

Den Reformern lag es im Augenblick der Umsetzung ihrer Veränderungen fern, wie ein Gesetzgeber neue Vorschriften zu verfassen. Luther schrieb: „Es ist nicht meine meinunge, das ganze deutsche land so eben müste unser Wittenbergische Ordnung annemen. Ists doch auch bisher nie geschehen, das die stifte, klöster und pfarhen in allen stücken gleich wesen gewesen, sondern fein were es, wo in einer izlichen herrschaft der gottesdienst auf einerlei weise ginge, und die umbliegenden stedlin und dörfer mit einer Stadt gleich bardeten; ob sie in andern herrschaften dieselbigen auch hielten, 43 44 45 46

ebenda, S. 283 f ebenda, S. 290 Korinther 14, 40 Kolosser 2, 5


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oder was besonders dazu theten, soll frei und ungestraft sein.“47

AUS DER MECKLENBURGISCHEN KIRCHENORDNUNG 1552

Doch das war eine Idealvorstellung. Die Wirklichkeit sah anders aus. Es war eine revolutionäre Zeit, eine Zeit der Umwälzung, der Anarchie, der Zerrüttung der Kirche, der Herausbildung von Sekten, die Zeit des Bauernkrieges. Nur die Landesherren waren zu diesem Zeitpunkt in der Lage, die Reformation durchzusetzen und die Ordnung in ihrem Lande herzustellen, dazu gehörte auch die Umsetzung einer Kirchenordnung, die das innere und äußere kirchliche Leben beinhaltete. Die Landesherren erließen und publizierten die Ordnungen und Anordnungen. Sie ordneten Visitationen und Inspektionen an und erteilen dafür die notwendigen Weisungen und Regeln.

Aus der „Kirchenordnung vff den Dörffern“ Alle Sonnabent nach mittage vmb zwey/ vnd alle heilige abend/ wenn des andern tages die versammlung des Volcks geschihet/ sol vff den Dörffern der Custos zur Vesper leuten. Vnd wo der Pfarherr im Dorff wonet/ sol er bald nach dem andern Puls/ in die Kirche komen/ vnd singen mit seinem Custos mit einen Psalm deudsch vnd vnterschiedlich/ das man jn wol verstehen künne. Darauff eine Antiphen/ darnach den Dymnum/ O Lux beata, deudsch/ oder ander gute gesenge/ nach gelegenheit der zeit/ der Fest/ vnd der Sontage. Denn das Magnificat deusch/ vnd die Collecta/ Item/ Benedicamus. Darnach/ Erhalte vns Herr etc. Vnd/ Verleihe vns friede gnediglich.“

Die Zersplitterung des Deutschen Reiches, die Kleinstaaterei, ließ territorialbegrenzte protestantische Kirchenordnungen entstehen, die sich in den Grundsätzen ähnelten. Die Mecklenburgische Kirchenordnung von 1552 enthält verbindliche Handlungsangaben und Bestimmungen für die reformierte Kirche. Die Ausführungen umfassen nicht nur die Christliche Lehre und Zeremonien, sondern auch exakte Vorgaben für Gebete, Taufen, Abendmahl usw. Sie behandelt auch nachfolgende Themen: „Wie mit den Leuten in der Beicht zu handeln.“ „Wie man die krancke Leute berichten vnd trösten sol.“ „Breutgam vnd Braut zu trawen vnd segenen.“ Sie enthält Abhandlungen wie z. B. „Von erhaltung Christlicher Schulen vnd Studien“ und „Von unterhaltung vnd Schutz der Pastoren“ und unterscheidet zwischen der Kirchenordnung in den Städten und auf den Dörfern.

So aber Menner vnd Frawen in die Kirch komen (dazu sie der Pfarherr vleissig vermanen sol) so sol man eine deudsche Lection lesen/ aus dem alten oder newen Testatment. Vnd darauff das Magnifikat/ vnd einen Psalm deudsch singen. Darnach sol der Pfarherr die Leute verhören/ die des andern tages zur Communio gehen wollen. Es sollen auch die Pfarherrn dieser vorgeschrieben Ordnung also nachkommen/ das sie nicht am Sonnabende zu felde lauffen/ vnd den gantzen tag kein Buch in die hend nehmen/ wie bey etlichen ein gebrauch ist/ Sondern in alle wege am Sonnabende jre Lere vnd Lectio vbersehen/ vnd nach mittage jre Vesper vnd Beicht hörens warten/ vnd daran keinen vleis sparen. Visitatio.48 zufragen/ von den folgenden Artickeln/ wie auch die erforderten Personen aus dem volck. Zum ersten/ was der Pastor vnd Diaconi leren/

47 Luther, Martin: Vorrede zur deutschen Messe 1526

48 Besuchsdienst des vorgesetzten Geistlichen in den ihm unterstellten Gemeinden.


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vnd ob sie jres Ampts warten/ zu gebürlcher zeit predigen/ vnd Sacrament reichen/ vnd zu den krancken komen/ so sie gebeten werden. Vnd ob sie vff bestimpte zeit die jugend hören im Chatechismo. Item/ ob sie die Privat absolutio erhalten/ vnd einem jeden in sonderheit sprechen/ vor der Communio. Zum andern. Ob einigkeit zwischen den Kirchenpersonen. Zum dritten. Von sitten der Pastoren/ vnd Diacon. Zum vierden. Vom Volck/ Ob in der Stad/ oder im Dorff/ Personen sind/ die in öffentlichen Sünden leben/ Als im Ehebruch/ vnehelicher beywonung/ oder anderer vnzucht. Zum fünfften. Ob jemand da zauberey treibe. Zum sechsten. Ob noch Walfarten/ oder andere öffentliche Abgötterey am selbigen ort sey. Zum siebenden. Ob jemand da lesterlich rede/ wider Gott/ oder wider Christliche Lere. Zum achten. Ob jemand nicht zu Christlicher Communio gehen wolle. Zum neunden. Ob etliche falscher Lere vnd Secten/ als der Widerteuffer/ oder andern/ die vnsere Kirchen lestern/ anhengig sind/ vnd spaltungen machen. Zum zehenden. Ob Wucherer da sind. Zum elfften. Ob auch mutwillige Leute sind/ die dem Pastor und den Diacon drewen/ oder sie schmehen/oder pochen. Zum zwelfften. Ob etliche eheliche Personen von ein ander gelauffen sind.

Zum dreizehenden. Ob etliche Eheleut in vneinigkeit mit einander leben Zum vierzehenden. Ob etliche Kinder jre Eltern pochen oder schlagen etc. Zum funffzehenden. Wie es mit dem Begrebnis gehalten werde. Zum sechzehenden. Wie die Schul regirt werde/ vnd wie die Personen versorgt sind. Zum siebenzehenden. Von vnterhaltung des Pastors vnd der Diacon. Zum achzehenden. Ob jemand auch der Kirchen etwas entzogen hab/ Acker/ wiesen/ holtz/ oder andere güter/ oder zins/ Vnd ob jemand den Pastorn vnd Diacon nicht bezalen wolle/ das er schuldig ist. Zum neunzehenden. Von den gebewen der Kirchen/ behausung des Pastors/Diacon/Schulen vnd des Custos49 wonung. Zum zwenzigsten. Von den Hospitaln/ vnd von den Armen/ welchen die Kirche mus hülffe thun.“ Mussäus. Johann Jakob Nathanael: Über die niederen Stände auf dem flachen Lande in Mecklenburg-Schwerin. (1837) „Die Bauerhäuser in Meklenburg sind meistentheils ohne Schornsteine, und dann durch das Gatter in zwei Theile getheilt; der Rauch muß durch Thüren und Dach ziehen. Im vorderen Hausraume ist eine lange Hausdiele zum Dröschen und Aufbewahren des Stadtwagens; die Hühner nisten in aufgehängten Strohwischen; rechts und links sind Kammern für Knechte, und Ställe für Pferde, Ochsen, welche Ställe nach der Diele zu offen stehen, gemeinhin auch einige Tröge. Im hinteren Hausraume ist die kleine Diele (buten in‘n Hus – außen im Hause 49 Küster, Kirchendiener


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genannt) mit der Küche und der Hinterthüre (lütt In den Bauerstuben fehlen nie ein langer, starker Dhör, Achterdhör – kleine Thüre, Hinterthüre), Tisch, eine Wanduhr, einige Bänke, auch Stühle, die Küchendecke, mit Schinken, Speck, Würsten auf welchen letzteren zuweilen Polster liegen, des Räucherns wegen behangen, zu einer Seite und ein hochaufgethürmtes Ehebette, bei Festdie Wohnstube (Dönsk) mit Kammern, zur lichkeiten mit farbigen Schleifen besteckt, häufig andern mehrere Kammern. Der, mit Schleeten in Alkoven, öfters, besonders südlich, mit Gardibedeckte Boden über und neben der langen nen. Hin und und wieder ist an der Wand ein roth Hausdiele heißt Hill und wird zum Aufbewahren und blau bemaltes Gesimse angebracht für Kades besten Futters benutzt; Hill heißt auch öfters lender, Bibel und Gesangbuch, schöne Aepfel und ein bequemer Sitz hinter dem Ofen. – Die Wände hübsche, auf Jahrmärkten gewonnene, Schüssind von Lehm aufgeführt, die Fußböden mit seln. Jeder Hausgenosse hat an der Wand oder Lehm, auch wohl Steinen und Brettern gedielet, am Tische in ledernen Hefteln seinen hölzernen die Böden über dem hinteren Hausraume Löffel, der gemeinhin nie gewaschen, sondern nur Windelböden, das Dach von Stroh, und an jedem abgewischt wird. – In den Kathenstuben finden Giebel (Kühlende) zwei Maulaffen (Mulapen), sich gewöhnlich nur ein kleiner Hängeschrank, aus Holz geschnitzte Pferderöpfe, kreuzweise einige Brettstühle, statt des Tisches oft nur eine angenagelt – eine Erinnerung an die heiligen platte Lade. Ein Unter- und ein Oberbette mit Rosse der Alten. Hinter dem Hause pflegt der Pfühl und blauen Kopfkissen, 2 Paar Betttücher, Garten zu sein, und vorne der, mit Scheuer und einige Hemden und Hemdschürzen sind oft alle Ställen besetzte, Hof als ein großer Dungplatz Wäsche, und doch ist Ungeziefer selten, außer auf benutzt zu werden. Das Ganze ist von einem dem Kopfe, wo es für ein Zeichen von Gesundheit einfachen Zaune oder Doppelzaune (Hakelwerk) gilt. Hühner und Gänse mit ihren Jungen pflegen oder einer Steinmauer umschlossen.  – Winters und Frühjahrs hinter dem Ofen zu hauIm Strelitzschen lebt der Bauer vom Vieh getrennt sen. Allgemein beliebt sind stark geheizte Zimmer und sein Hof gleicht einem kleinen Pachthofe. und dennoch warme Kopfbedeckung.“50 Die Tagelöhnerwohnungen (Kathen) sind den Bauerhäusern ziemlich ähnlich, nur ohne den vorderen Hausraum und in kleinerem Maaßstabe, oft zwei, drei an einander gebauet, daher zweihischige, dreihischige Kathen. Die Kathenleute geben keine baare Miethe, sondern auf den Höfen leistet die Frau für die Benutzung der Wohnung 90 bis 100 Frohntage jährlich, und in den Dörfern muß der Kathenmann mit seiner Frau in der Ernte seinem Bauern helfen. Bild S. 21 oben: Büdner Berg vor der Büdnerei. Foto: Ursula Westphal Bild S. 21 unten: Brunshaupten Schlucht. Foto: Klaus Dittmann ▶

50 Mussäus. Johann Jakob Nathanael: Über die niederen Stände auf dem flachen Lande in Mecklenburg. In: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Band 2 (1837), S. 118 f


Aus der mittelalterlichen Geschichte der Dรถrfer Brunshaupten und Arendsee | 21


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DIE SANKT-JOHANNIS-KIRCHE ZU BRUNSHAUPTEN ARENDSEE Heinrich Schreiber

„Bevor die Kirche zu Brunshaupten für die beiden Dörfer Brunshaupten und Arendsee gebaut wurde, lebten hier heidnische Wenden. Und zwar finden wir im ganzen Westen Mecklenburgs den mächtigen Stamm der Obotriten. Der Fulgenbach, der sein klares Wasser bei Brunshaupten ins Meer ergießt und der früher vielleicht ein Arm der Warnow gewesen sein mag, bildete die Grenze zwischen den beiden wendischen Stämmen der Obotriten und Leutizen. Die Wenden ernährten sich von Fischfang, sie trieben auch Handel und waren oft als Seeräuber gefürchtet. Sie hatten einfache Wohnungen und brachten ihren Götzen in den Wäldern Menschenopfer dar. Auch hier sind wendische Opferstätten gewesen. Darauf

weist der Name ‚Buttweg‘ hin, den die alte Kröpeliner Landstraße noch heute im Volksmunde führt. Auf diesem Wege gelangte man nach einer Opferstätte, die mit Hecken und Hagedorn umgeben war. Weil an diesem Dorn im Herbst die roten Hagebutten sich zeigten, nannte man den dorthin führenden Pfad den Buttweg. Das ist nicht bloß hier der Fall, auch in andern Gegenden, in denen Wenden lebten, finden wir dieselbe Bezeichnung für einen nach einer wendischen Opferstätte führenden Weg. Mit Hagedorn wurden die Opferplätze bepflanzt, damit man leicht Reisig zum Anzünden des Feuers zur Hand hatte. Auch der ‚Dorngrund‘ beim Hotel zur Kühlung weist auf einen solchen Opferplatz.


DIE SANKT-JOHANNiS-KIRCHE ZU BRUNSHAUPTEN ARENDSEE | 23

Ist auch von einem etwaigen wendischen Dorfe Brunshaupten – der Name Brunshaupten ist übrigens deutsch – nichts mehr übrig, so haben doch in Brunshaupten-Arendsee auch früher schon Menschen gewohnt, bevor die Wenden das Land in Besitz nahmen. Es ist das sogenannte Steinzeitvolk gewesen, das hier lebte. Das beweisen die im Februar des Jahres 1903 bei Westphal’s Hotel gefundenen Steingeräte. Sie lagen in einer Höhlenwohnung, wie jenes Volk sie zu bauen pflegte. Man sah dort Teile von Kochgeschirren, einen Schleifstein, eine Nadel aus Stein u. a. Diese Wohnung ist etwa 4.000 Jahre alt. (Vgl. Die bei Sengebusch in Brunshaupten erschienene Schrift ‚Vom schönen Ostseestrand‘. Preis 50 Pfg.) So haben also schon seit Jahrtausenden Menschen in der Gegend von Brunshaupten-Arendsee gewohnt. Aber von etwaigen Tempeln, Heiligtümern und Altären, die hier gestanden haben mögen, ist nichts erhalten geblieben. Auch das ist mit Bestimmtheit nicht zu sagen, ob dort, wo jetzt die Kirche steht, einst ein heidnisches Heiligtum gelegen hat. Die Kirche besteht aus zwei voneinander deutlich abweichenden Teilen. Das sieht man schon von außen. In dem ältesten Teile befinden sich kleine schmale Fenster. Man nennt sie Schlitzfenster. Diese weisen uns in das 13. Jahrhundert zurück, und zwar in die Zeit, da man von dem sogenannten romanischen Baustil zu dem gotischen überging, die Fenster also nicht mehr ganz rund, sondern schon etwas spitz zu bauen anfing. Dieser älteste Teil der Kirche ist zum größten Teil aus großen Feldsteinen gebaut. Es ist gewiß keine leichte Arbeit gewesen, einen Felsen nach dem andern immer höher hinauf zu bringen, bis endlich die Mauern der Kirche fertig waren. Aber Fleiß und Ausdauer führten zum Ziele. Dieser Teil der Kirche schloß früher im Osten mit

einer flachen Wand. Aber ein späteres Geschlecht wünschte ein größeres Gotteshaus zu haben. Darum nahm man die flache Wand im Osten fort und baute den schönen Altarraum, der noch heute das Auge jedes die Kirche Besuchenden erfreut. Zum Bau dieses Altarraumes benutzte man Feldsteine und Backsteine. Die großen hohen Fenster schmückte man im 17. Jahrhundert mit den Wappen, die größtenteils auf Einwohner von Brunshaupten-Arendsee hinweisen. Verschiedene Sagen knüpfen sich an diesen Bau. Sie sind in der Schrift ‚Vom schönen Ostseestrand‘ mitgeteilt. Im Norden des Gotteshauses wurde die Sakristei, im Süden die sogenannte Leichenhalle angebaut. Letztere zeichnet sich durch einen schönen Giebel aus. Der hölzerne Turm der Kirche ist oftmals erneuert worden. Im März des Jahres 1680 wurde er ganz niedergerissen und durch einen neuen ersetzt. Erst 1684 war der neue Turm vollendet, den auch ein neuer Knopf und Hahn zierte. Der Hahn soll ein Bild der Wachsamkeit sein und an die Verleugnung Petri erinnern, er soll also noch heute jedem zurufen: Wachet und betet! Im Turm hängen drei Glocken. Die größte hat einen Durchmesser von 1,20 Meter und ist im Jahre 1840 von Hausbrandt in Wismar gegossen worden. Die zweite mißt 1,08 Meter und ist 6 Jahre jünger als ihre Schwester. Die kleine Glocke dient zum Beiern51. Auch diese Glocken haben eine häufige Umwandlung erfahren. Die größte wurde z.B. 1720 in Lübeck umgegossen, war aber schon 18 Jahre später wieder geborsten. Erst 1789 wurde sie von neuem umgegossen. Im Innern des Gotteshauses fällt uns die Kanzel sogleich in die Augen. Es ist bezeichnend, daß die vier Evangelisten hier barfuß dargestellt sind. 51 Manuelles Anschlagen von Kirchenglocken in örtlich festgelegten Rhythmen.


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Dieser Umstand weist uns in das 17. Jahrhundert zurück. Und in der Tat stammt die Kanzel aus dieser Zeit, nämlich aus dem Jahre 1698. Leider treten die Figuren Christi und der Evangelisten des gelben Anstrichs wegen nicht deutlich hervor. Die Kanzel, ein Geschenk des Pensionärs Hinrich Westphal, wurde von dem Bildhauer Adam Hartig angefertigt. Um dieselbe Zeit wurde das Pflaster vor dem Altar erhöht und das ganze Dach der Südseite der Kirche neu gedeckt. Einige Jahre später (1707) schaffte man den Tauf­ engel an. Das geschah durch freiwillige Gaben, die die drei Kirchenvorsteher Klaus Krüger, Hans Wieck und Joachim Becker nebst dem damaligen Küster Peter Lefrens in einer versiegelten Schachtel innerhalb dreier Tage einsammelten, wobei sie von Haus zu Haus gingen. Die Sammlung ergab die Summe von 133 Mark lüb. und 3 Schillingen. Den Taufengel fertigte der Bildhauer Bernhard Lübbers in Lübeck an.

Gleichzeitig strich der Maler Sellin die Kirchenstühle und malte um die Fenster das Laubwerk. Die für das Gotteshaus damals bewiesene Mildtätigkeit zeigte sich weiter in der Gemeinde, indem man noch 296 Mark lüb. 15 Schilling zusammenbrachte, um einen neuen Altar zu schaffen. Dieser jetzt durch einen neuen ersetzte Altar ist in der Schrift ‚Vom schönen Ostseestrande‘ genau beschrieben. 1710 wurde unser Orgelchor neu aufgebaut und eine neue Orgel angeschafft. Sie mußte später der jetzigen weichen. Auch der messingene Kronleuchter wurde der Kirche um diese Zeit geschenkt. Er ist im Jahre 1597 angefertigt und damals von Hans Bermann, Franz Rike, Hinrich Berens, Jürgen Swartekop, Berent Bremer, Steffen Wedege und Johann Ditzel einer andern Kirche geschenkt worden. Für unser Gotteshaus kauften diesen Kronleuchter im Jahre 1713 drei Gemeindeglieder, nämlich Margareta Dettlofs, Jochim Kind und Hans Wieck. Sie bezahlten in Rostock 8 Schilling für das Pfund. Der Kronleuchter kostete im Ganzen 10 Taler, 16 Schilling. Der andere Kronleuchter besteht aus gußeisernen Blumenranken. Manche der 1708 der Kirche geschenkten Abendmahlgeräte sind im Jahre 1725 aus dem Kirchenblock gestohlen worden, aber sie wurden bald ersetzt und sind in den letzten Jahren ergänzt oder erneuert worden. Ein Gemeindeglied schenkte einen schönen silbernen Kelch. Die Kanne wurde von dem Ertrag eines Kirchenkonzerts gekauft. Von den zinnernen Leuchtern stammt der älteste, von Joachim Westendorf geschenkte, aus dem Jahre 1603. Die Familie Westendorf ist noch jetzt in verschiedenen Zweigen der Gemeinde zu finden. Sie wohnt also bereits über 300 Jahre hier. Die andern zinnernen Leuchter sind 1818 und 1839 geschenkt worden.

▲ Taufengel von Bernhard Lübbers. Foto: Jürgen Jahncke


DIE SANKT-JOHANNiS-KIRCHE ZU BRUNSHAUPTEN ARENDSEE | 25

Das alte Triumphkreuz der Kirche ist noch jetzt an seinem alten Platze. Unter dem erst kürzlich angeschafften Kokosteppich im Altarraum befinden sich zwei Grabsteine. Der eine ist der des Pastors Heinrich Iden, der hier 1698 starb, der andere des fürstlichen Pensionärs Klaus Hagemeister, gestorben 15. August 1660. Die weitere Inschrift ist in dem bereits mehrfach erwähnten Buche ‚Vom schönen Ostseestrande‘ mitgeteilt worden. Der Anstrich des Innern der Kirche wurde vor etwa 15 Jahren erneuert, soweit es möglich war. Bis dahin war die Kirche innen weiß getüncht, obgleich sie ursprünglich bunt gestrichen war. Denn die Nonnen, die einst aus Arendsee in der Altmark kamen und in Parchow bei Kröpelin ein neues Kloster anlegten, zierten die auf ihr Betreiben gebaute Kirche in Brunshaupten auch im Innern. Die Erbauung eines neuen Turmes ist der Jetztzeit aufbewahrt worden. Sie wird voraussichtlich mit der später wahrscheinlich werdenden Vergrößerung des Gotteshauses erfolgen. Unsere Kirche wird auch von Fremden viel besucht, und verschiedentlich ist sie schon von Malern von innen und außen gemalt worden. Möchte sie vor allen Dingen den Gemeindegliedern den ins Herz malen, auf dessen Kreuz die Kirche im Innern und Aeußeren hinweist. Dann hat sie den Zweck erfüllt, zu dem einst fleißige Hände sie mit viel Mühe und Arbeit gebauet haben.“ 52 Jahncke, Jürgen: Messkorn für die Pfarre In den Mecklenburgischen Bauernlisten des 15. und 16. Jahrhunderts fand sich folgende Notiz aus dem Jahre 1569: „Die Visitation von Bruns­ haupten findet sich im Amt Neukloster 1568 – Der Pfarrer erhält von jedem Bauern 4 und von jedem Kossaten 2 Schilling statt des Messkorns. – 52 Schreiber, Heinrich: Auf der Heimatflur. In: Ostsee-Bote, 13.12.1905

Der Küster erhält 18 Scheffel Hafer aus Arns See, 16 aus Niederhagen und 24 aus Oberhagen, zusammen 4 Drömpt53, 10 Scheffel.54“ Am 20. August 1923 richtete die Landdrostei Bad Doberan an Pastor Schreiber zwei Fragen zum Messkorn mit der Bitte um Aufklärung. Woraus begründet sich die Abgabe? Wer ist zu ihrer Zahlung verpflichtet? Pastor Schreiber antwortete darauf: „K. H. zurück an die Landdrostei Doberan mit der ergebensten Bemerkung, dass die hiesigen Herrn Hofbesitzer seit uralten Zeiten verpflichtet sind, an Pfarre und Küsterei zu Michaelis jeden Jahres Messkorn zu liefern. Diese Pflicht ging bei den Hufen, die die Gemeinde kaufte (wie z.B. Hufe 1, 8 und 9) auf diese über. Den übrigen Hofbesitzern nahm die Gemeinde (desgleichen Arendsee) diese Last ab, als die Neuverordnung der Gemeindeverhältnisse unter dem 15. Februar 1907 eingeführt wurde. Dort ist es landesherrlich bestätigt, dass die Gemeinde die bisherigen Lasten der zu Hand- und Spanndiensten und zu Stroh- und Messkornlieferung Verpflichteten übernimmt. Veröffentlicht ist diese Verfügung der neuen Gemeindesatzungen in den Zeitungen im Februar 1907, unterzeichnet auch vom Amt Doberan (von Bülow) gez. Pastor Schreiber“ Das Missaticum, die Kornbitte, war als Messkorn eine Naturalleistung von den Höfen des Kirchspiels an die Pfarre. Sie war eine alljährliche Pflichtabgabe, die zum Unterhalt des Pfarrers beitrug und stammte aus dem Mittelalter, als die Einkünfte der Pfarrer sehr gering waren. Beim Messkorn handelte es sich um Roggen und Hafer, die in Scheffeln55 geliefert wurden oder durch Barzahlung abgelöst werden konnte. 53 Altes Maß: 1 Last = 8 Drömpt = 16 Sack = 96 Scheffel 54 Mecklenburgische Bauernlisten. a. a. O. S. 179 55 Scheffel ist ein Volumenmaß für Getreide. Ein Rostocker Scheffel sind 38,89 Liter.


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Tatsächlich war die Zustimmung zur Neuordnung der Gemeindeverfassung 1907 die Voraussetzung für die Befreiung der Gemeindeverpflichteten von den bisherigen Hand- und Spanndiensten und zu Stroh- und Messkornlieferungen an Kirche, Pfarre, Küsterei und Schule. Der Mecklenburgische Großherzog Friedrich-Franz IV. schrieb damals an die Gemeinde Brunshaupten: „So wollen wir diesem Wunsche Rechnung tragen und für die diesbezügliche Regelung Unsere Landesherrliche bezw. Oberbischöfliche Bestätigung in Aussicht stellen. Es soll dabei zum Ausdruck kommen, dass alle Verpflichtungen von der Gemeinde übernommen und bestritten werden, und zwar mit Einschluss der Ablösesumme für Bestellung der Küsterländereien, welche bisher von den spannpflichtigen Erb­pächtern zu Brunshaupten aufgebracht wird.56“ So wurden z. B. laut Akten aus dem Jahr 1917 aus der Gemeindekasse zu Michaelis von den Hufen 1, 6, 7, 9, 11, 13, 14 und 16 an die Pfarre Korngeld für 30 Scheffel und 1 Metze57 Roggen und 12 Eier aus Fulgen in Höhe von 304,68 Mark gezahlt und von Pastor Schreiber am 29. September 1917 bestätigt. Die nachfolgende Aufstellung gibt einen detaillierten Überblick über die ursprüngliche Höhe der Pflichtleistungen in Naturalien der Brunshauptener Erbpächter und Hufner, der Erbschmiede und Erbmühle sowie von Fulgen, die seit 1907 durch Landesherrliche Anordnung aus der Gemeindekasse zu zahlen waren.

▲ Vorschlag des Landesherrn 1907. Akte 2.S.3.a.239. Archiv des Lk. Rostock. Siehe auch Seite 202.

Heinrich Schreiber: Über die Restaurierung der ehemaligen Altarfiguren Brunshaupten-Arendsee, den 3. Januar 1927, vermutlich im „Anzeiger für Brunshaupten, Arendsee und Umgegend“: „Der letzte Abend des alten Jahres gewann bei uns noch seine besondere Bedeutung dadurch, 56 Akte 2.S.3.a.240. Archiv des Lk. Rostock. 57 Altes Hohlmaß für Getreide

▲ Opfergeld der Pfarre 1917. Abgaben an die Kirche 1917. Akte 2.S.3.a.239. Archiv des Lk. Rostock


DIE SANKT-JOHANNiS-KIRCHE ZU BRUNSHAUPTEN ARENDSEE | 27

▲ Zahlungen aus der Gemeindekasse an die Kirche 1917. Akte 2.S.3.a.239. Archiv des Lk. Rostock

▲ Messkornabgabe an die Pfarre 1917. Akte 2.S.3.a.239. Archiv des Lk. Rostock

daß in dem an ihm stattfindenden Gottesdienste die in alter Schöne wieder hergestellten Figuren ihrer Bestimmung übergeben wurden. Die Figuren sollten an das Museum in Schwerin abgeliefert werden, da sie in Gefahr standen, der Vernichtung durch Wurmfraß anheim zu fallen. In dankenswerter Weise haben sich unsere Gemeindevorstände bereitfinden lassen, die von Fremden und Einheimischen viel bewunderten Figuren wiederherstellen zu lassen und sie so unserer Kirche zu erhalten. Herr Kunstmaler Krause in Arendsee, der schon viele Kirchen ausgemalt und viele Altäre auch weit über Mecklenburgs Grenzen wiederhergestellt hat, unterzog sich in liebenswürdiger Weise der großen Mühe, sowohl die Bildschnitzereien zu ergänzen als auch die Farben abzulaugen, um den ursprünglichen Anstrich festzustellen. Eine mühevolle Arbeit war zu leisten. Aber sie gelang geradezu glänzend, so daß Herrn Krause ganz besonderer Dank der Kirchgemeinde gebührt. Nun stehen die alten Figuren (die aus einem Eichenklotz geschnitzte Madonna mag wohl auf 600 Jahre zurückblicken) in neuer Schöne als kostbare Zier in unserer Kirche. Möchte ihre mahnende Stimme, wie am Sylvester-Abend uns vorgehalten wurde, nicht umsonst erschallen. Möge sowohl die Maria mit dem Christuskinde als auch die Vertreter des Neuen Testaments (Paulus mit dem Schwerte und Petrus mit dem Himmelsschlüssel) wie die des Alten (Moses mit den Gesetzestafeln und David mit der Krone, Scepter und Harfe) uns alle Zeit erinnern an Gottes Gebote, zur Wachsamkeit, zum Glauben an das Kindlein in der Krippe, an den Mann am Kreuze. Unser Gotteshaus hat durch Aufstellen der Figuren einen reichen Schmuck erhalten.“ Jahncke, Jürgen: Kühlungsborner St.-JohannisKirche wurde saniert „Als nach der neunmonatigen Sanierungszeit die Glocken der St-.Johannis-Kirche im März 2012 wieder zum Gottesdienst riefen, erfüllte das gelungene Werk nicht nur die Glieder der


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evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde mit Stolz, sondern auch viele Kühlungsborner, die sonst nicht zu den eifrigen Kirchgängern gehören. Beim Betreten des Gotteshauses spürt man es sofort: Der nun viel hellere Kirchenraum und seine neue dezente, klare und farbige Innenausstattung sind ein Meisterwerk zeitgemäßer Restauration, fachgerechter Sanierung und Modernisierung. Die Gediegenheit des alten ehrwürdigen Gewölbes mit dem später angebauten hochgotischen Chorraum, das schlichte Interieur aus dem Mittelalter, aus der Barockzeit und der neuzeitliche Altar sind Zeichen für die Lebendigkeit des Glaubens über viele Jahrhunderte hinweg, und in diesem Gotteshaus wird die Einheit von Glauben, Kircheninstitution und Gemeindeleben praktiziert. Deshalb gilt all denen, die mit großem Verantwortungsbewusstsein, mit hoher Sachkenntnis und persönlichem Engagement die Sanierungsund Restaurationsarbeiten ausgeführt haben, Lob und Anerkennung. Dem Bauleiter, Dipl.-Ing. Peter Blümel, und dem Baubeauftragten des Kirchenkreises Rostock, Wolfgang Weigel, gilt der

besondere Dank. Zahlreiche Gewerke stellten ihr fachmännisches Können unter Beweis. Genannt werden sollen unter anderen die verantwortungsvolle Bauwerksuntersuchung von Herrn Dipl.-Ing Jörg Baschista, die Installierung von vielen Kilometern Kabel für die neue Elektroanlage durch die einheimische Elektrofirma Kamrath, die Aufarbeitung des Gestühls und die Anfertigung von Geländern durch den hiesigen Tischlermeister Finger, die komplizierte Ausmalung des Innenraumes der Kirche durch den Malerbetrieb Albath aus Klein Kussewitz, die nicht einfache Installierung der Heizungsanlagen durch die Firma Intek aus Ribnitz Damgarten und das Projektionsbüro Ludewig aus derselben Stadt. Die Baudenkmalpflege Prenzlau gestaltete den neuen Fußboden des Innenraumes und restaurierte Teile der Außenwand, der einheimische Garten- und Landschaftsbau Pieper gestaltete den Kirchenvorplatz neu. Die Restaurierung der spätmittelalterlichen Skulpturen stellte sich als große Herausforderung für den bekannten Rostocker Fachmann Georg von Knorre dar, der die Figuren des Kruzifixes zu den besonders wertvollen der Region zählt.


DIE SANKT-JOHANNiS-KIRCHE ZU BRUNSHAUPTEN ARENDSEE | 29

◀ Kirchenraum nach der Renovierung. Kirchenchronik Kühlungsborn

Atmosphäre. Äußerst wirkungsvoll erhellt die neue Beleuchtungsanlage wahlweise den Innenraum und den schlichten Chorraum oder die Triumphkreuzgruppe. Der Neubrandenburger Maler und Grafiker Gerd Frick fertigte den neuen Altar, das Kreuz sowie das Lesepult an.

Die Umsetzung der Orgel an ihren ursprünglichen Stellplatz nach vorangegangener Beseitigung von Holzschäden und Aufarbeitung der Orgelpfeifen durch die Orgelbaufirma Arnold aus Plau führte zu ihrer besseren optischen und klanglichen Wahrnehmung. Die Beleuchtungskonzeption von Herrn Ohm, Lichttechnik Lambrechtshagen, und die neue Beschallungsanlage, die SEIS Akustik Berlin installiert hat, geben der St.-Johannis-Kirche nun eine moderne und unverwechselbare

Alles wirkt schlicht – für evangelische Kirchen typisch. Alle drei strahlen im hellen Licht des Chorraumes, geben ihm die Würde und gestatten den Besuchern, sich auf das Wesentliche, auf die Figuren im Altarraum und auf die stille Andacht, zu konzentrieren. Der ebenfalls restaurierte freischwebende barocke Taufengel, von Luftströmungen im Innenraum lautlos, langsam sich hin- und herbewegend, breitet im wahrsten Sinne des Wortes, wie seit Jahrhunderten, seine sanften Flügel über die Gemeinde und alle Besucher aus.“58 Zur Taufe wird er vor dem Gottedienst mit Hilfe eines Motors heruntergelassen.

▲ Gerd Frick bei der Arbeit. Kirchenchronik Kühlungsborn

58 Jahncke, Jürgen: In: Kühlungsborner Jahrbuch 2013. S. 17 f


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Friedrich Crull: Die Kirche zu Brunshaupten „Die Kirche zu Brunshaupten. „Bekanntlich gehört Brunshaupten zu den Stiftungsgütern des Klosters Sonnenkamp, welches auch das Patronat daselbst hatte (Lisch M. U., Bd. II, Nr. I., XLIX). Das Schiff der Kirche, aus Granitfindlingen erbaut, gehört einer sehr frühen Zeit an. Anscheinend waren früher auf jeder Seite zwei Fenster im Uebergangsstyle mit Ziegeleinfassung angebracht, jetzt ist dies nicht mit Sicherheit mehr zu erkennen, da durch das Einsetzen von Gewölben das Ganze vollständig verbaut ist. Der Chor, polygon geschlossen, mit weiten Fenstern, stammt vielleicht erst aus dem 16. Jahrhundert, und aus derselben Zeit Sacristei und Leichhaus, welches letztere einen Giebel von recht guter Anordnung hat. Die Fenster des Chores sind reich an Glasmalereien aus dem 16. Jahrhundert, meist Symbole und Wappen, unter letzteren das meklenburgische, dänische und pommersche; auch ein Marienbild ist darunter. In der Kirche hängt ein Kronleuchter von 1592. Eine der Glocken soll alt sein. D.C.W“ 59

59 Crull, Friedrich: Die Kirche zu Brunshaupten. In: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Band 27 (1862), S. 208


Pastoren der Brunshauptener/Kühlungsborner Pfarre | 31

PASTOREN DER BRUNSHAUPTENER/ KÜHLUNGSBORNER PFARRE „Pro Memoria60 Serenissimus, 28. Februar 1781 Serenissimus wollen gnädigst, dass der Ehrenprediger Riedel zu Biendorff, zu Brunshaupten, als welche Pfarre mit der Biendorffschen combiniert ist und wozu der Ehrenprediger auch bereits die Vokation61 empfangen hat nun mehro gehörig introduziert62 und des Falls das Behufige erlassen werde. Aus der Versorgung der Pastoren um 1851 Nach den Kirchen-Visitations-Protokollen von 1558 gehörten der Pfarre zu Brunshaupten zwei Hufen Acker, die zum Teil mit Holz Eichen, Ellern63 60 Zur Erinnerung 61 Berufung in ein Amt 62 eingeführt 63 Erlen

▲ Pro Memoria 1781. Landeskirchliches Archiv Schwerin Band 1b. Siehe auch Seite 203.

und Haseln bestanden waren, woraus der Pastor seine notdürftige Feuerung hatte.


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DIE PASTOREN DES KIRCHSPIELS BRUNSHAUPTEN SEIT 155864 Pastor vor der Reformation65 Um 1330 Pfarrer Dethard

1666–1694 Heinrich Iden aus Lüneburg 1694–1706 Christian Behrens aus Steffenshagen 1706–1717 Johann Georg Hünefeld aus Tambach in Thüringen 1717–1776 Johann Joachim Meyer aus Bernitt in Mecklenburg 1777–1850 Dem Biendorfer Kirchspiel wird die Mitverwaltung für das Brunshauptener Kirchspiel übertragen. 1777–1799 Johann Andreas Riedel aus Ziesar (Biendorf und Brunshaupten) 1800–1840 Johann Christian Riedel aus Diedrichshagen (Biendorf und Brunshaupten), Neffe des Vorgängers 1850–1878 E. Carl Christoph Düffcke aus Sülstorf 1878–1888 E. Heinrich Franz Niemann aus Hohen Viecheln (Mecklenburg) 1888–1902 Paul Friedrich Klingenberg aus Hohenfelde 1902–1936 Heinrich Schreiber aus Rehna

Pastoren seit 1558 1558 Johann Reinicke66 (wohl aus Dannenberg imm.67 1555 Uni Rostock) 1565 M. Georg Gera (aus Tangermünde, immatrikuliert 1557 Uni Rostock); 1571, noch 1576 Friedrich Blome 1584 Johann Berckheims 1586 Johann Giesenhagen, Friedrich Blome 1590, noch 1635 im Amt Paul Möller, ihm beigeordnet 1621 Johann Heise 1633 Johann Beyerstorff 1632 Jakob Gletzel aus Bautzen 1640–1665 Johann Kiselius aus Franken 64 Willgeroth, Gustav: Die Mecklenburg-Schwerinschen Pfarren seit dem dreißigjährigen Kriege. Wismar 1924 65 Willgeroth, Gustav: Die Mecklenburg-Schwerinschen Pfarren seit dem dreißigjährigen Kriege. Wismar, 1924 66 Weitere Quelle: Rönnicke 67 immatrikuliert

1936 Hermann Drefers aus Raduhn/Parchim (Bekennende Kirche) 1936–1946 Wilhelm Paul aus Marwitz (Deutsche Christen) 1940–1941 Hans-Ad. Kruse, Konsistorialrat aus Schwerin, Vertretung für den zum Kriegsdienst eingezogenen Pastor Paul 1942–1945 Karl Timm, Kirchenrat i. R. aus Pritzier, Vertretung im Zweiten Weltkrieg 1946–1974 Hermann Drefers aus Raduhn/ Parchim 1975–1986 Folker Hachtmann aus BerlinSchmargendorf 1987–2007 Matthias Burkhardt Mittelsaida/ Erzgebirge seit 2008 Matthias Borchert aus Magdeburg seit 2016 Maren Borchert aus Rostock


Pastoren der Brunshauptener/KĂźhlungsborner Pfarre | 33

Heinrich Schreiber

Folker Hachtmann

Wilhelm Paul

Matthias Burkhardt

Karl Timm

Matthias Borchert

Hermann Drefers

Maren Borchert

â–˛ Liste von Pastoren. Landeskirchliches Archiv Schwerin


34 | 800 Jahre Kirche

Im Protokoll von 1568 heißt es: Pastorenbesoldung … 2 Hufen oder zur Wedemer68 belegen und dieselben sind für Pacht ausgetan. Die eine … wird genannt der Hufenacker, bekommt davon 6 Gulden. Die andere belegen hart hinter dem Wedemer Hofe … gebrauchen … geben ihm von allem Getreide die vierte Garbe. Notdürftige Feuerung auf der Hufen, davon 4. Garbe geben wird, darauf auch ziemlich hart Holz. Und auf den anderen Hufen Weiden und anderes Strauchholz. Im Jahre 1576 bat der Pastor den Herzog um Brotkorn, auch eventuell um Versetzung an eine bessere Pfarre, indem er die Einkünfte der Seinigen taxierte und unter anderem sagte: „Dritte von der andern Hofe bekomme ich die vierte Garbe, welche ich nicht höher kann belaufen, also jährlich auf 10 Gulden mit Stroh und allem, auch ist da etwas Holz, davon der Pastor … hat und auf höchste jährlich vor 1 bis 4 Gulden verkaufen kann. Das Holzverkaufen hatte sich aber mit der Zeit gelegt; indes war der Holzbestand auf dem Pfarreracker noch im Jahre 1653 nicht ganz unbeträchtlich; denn in dem Visitationsprotokoll aus diesem Jahre heißt es: „6. Hölzung ist ein wenig Eichholz, welches, wann volle Mast ist, so viel trägt, dass 3 Schweine fett werden. Weichholz steht auch dabei, steht alles auf seinem Felde, davon er notdürftige Feuerung haben kann, verkauft aber nichts.“

„III. Progerminantia69 Das Ackerwerk hieselbst, bestehend aus zweigen Hufen, so mein selig. Antecessor70 fast sehr mit Dornen zugewachsen gefunden, ist durch diesen Fleiß und Unkosten ziemlich vergrößert, dass es wohl 12 Drömpt ausmacht … Soll ich aber indessen etwas Gewisses hierfür setzen, so will es nach meiner Einfalt schätzen auf 60 Gulden.“ „IV. Lignaria71 Es sind zwei kleine Hölzungen vorhanden, davon das erstere genannt wird das Roggenbrot besteht aus wenig Eichen und ein wenig Zaunholz. Das andere wird genannt die Weidenbüsche. Dieses ist ganz ruiniert wird über eine Elle hoch nicht wachsen.“ Wahrscheinlich ist nach und nach die Hölzung ganz eingegangen und die Hufe ganz als Ackerland genutzt. Zu den Archivakten findet sich eine Nachweisung, dass der Pastor Meyer zu Brunshaupten unter 23. Nov. 1770 ein Memorial bei Serenissimus in Ludwigslust übergeben und um Konferierung des nötigen Brennholzes gebeten hat, worauf der Herzog mittelst P.M. der 24. Januar 1771 genehmigt, dass demselbigen ad dies vitae72 jährlich acht Faden Buchen-Brennholz aus der Doberanschen Waldung unentgeltlich gereicht werden sollten. Dieses P.M: mit des Predigers Bittschrift soll unterm 1. Februar 1771 an das Forst-Kollegium gesandt sein.

In der von dem Pastor Berends behelfsmäßig 1704 eingereichten Spezifikation seiner sämtlichen Einkünfte führt er an:

Der eben gedachte Pastor Meyer hatte schon 1767 die große Pfarrhufe nebst einigen kleinen Wiesen und einem Anteil an einer Viehtrift ad

68 Vermutlich Besitzer eines Hofes

69 Einschätzung, was mit dem Land erwirtschaftet werden kann. 70 Vorgänger im Amt 71 Bauholz 72 Zu dem Tag des Lebens


Pastoren der Brunshauptener/Kühlungsborner Pfarre | 35

dies vitae mit fürstlichem Konsens für 90 Gulden und einige andere Emotumente verpachtet. Der darüber abgeschlossene Kontrakt ist nicht im Archiv; wohl aber befinden sich daselbst die Akten über die durch Pastor Riedel zu Biendorf und Brunshaupten im Jahre 1778 bis 1780 bewirkte Aufhebung jenes Kontrakts, darin wird aber mit keiner Silbe erwähnt, dass auf der Hufe noch irgend Hölzung gewachsen sei. Schwerin am 20. Februar 1851“ Großherzogliches Geheimes und Hauptarchiv … Unterschriften“73

Versorgung der Pfarre mit Holz. Landeskirchliches Archiv Schwerin ▶

73 Landeskirchliches Archiv Schwerin. Band 1


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Wahl des Pastors zu Brunshaupten durch die Gemeindeglieder 1878 „Wir kommittiren euch demnach hiedurch im gnädigsten Befehl: mit der Präsentation der Gedachten

Kühlungsborn (Propstei Bad Doberan)75 „1902–1936 Schreiber, Heinrich 1936–1946 Paul, Wilhelm 1936–1974 Drefers, Hermann 1975–1986 Hachtmann, Folker

in der Kirche zu

1902–1936 Schreiber, Heinrich, geboren in Rehna 18. Juli 1864. Pastor in Kühlungsborn (früher Bruns­haupten) starb im Amt Kühlungsborn 6. Juni 1936, eine Witwe Marie, geborene Gammelin, gestorben 16. November 1945.“76

Fördersamst gehörig zu verfahren, nach vollendeter Wahlhandlung der stimmfähigen Mitglieder der Gemeinde denjenigen, auf welchen die meisten Stimmen gefallen sein werden, eventualiter nach voraufgegangener kirchenordnungsmäßiger Ordination, sofort von Gotteswegen und in Unserm Namen der christlichen Gemeinde daselbst als ihren künftiger Prediger öffentlich vorzustellen, und ihm mittelst Ueberreichung Unserer beikommenden, zuvor jedoch durch Einrückung des Namens der Erwählten und des Wahltags zu vervollständigenden Votation an sein Amt introduciren, die Gemeinde zur Einweisung aller Liebe und Ehrerbietung gegen diesen ihren Seelsorger, ihn hingegen zu unermüdetem Gebet und fleißigem Studiren, auch treulicher Abwartung seines Amts in reiner, unverfälschter Lehre, nach Maaßgebung heiliger göttlicher Schrift. Der unveränderten Augsburgischen Confession, Formulae Concordiae, und nach Anweisung der übrigen, in Unsern evangelischen Kirchen und Landen recipirten symbolischen Bücher auch Unserer darauf gerichteten Kirchenordnung, ohne alle eigenmächtige Neuerung, wie nicht weniger zu Führung eines unsträflichen, vielmehr exemplarischen und erbaulichen Lebens und Wandels nachdrücklichst zu ermahnen, auch was sonst zu fernerer Erbauung und zum Besten der christlichen Gemeinde, Kirche und Schulen gereichen mag, sorgfältig zu beobachten und hiernächst von eurer Ausrichtung unter Anschluß des Wahlprotocolls unterthänigst zu berichten. Gegeben durch Unseren Oberkirchenrat“74 74 Landeskirchliches Archiv Schwerin. Band 1

Juni 1936: Aus der Bewerbung um die Pfarrstelle Brunshaupten Dr. Günter Gloede 10. Juni 1936 „Ich gestatte mir, darauf hinzuweisen, dass über mein örtliches Verhältnis zur NSDAP in dem Ort meiner letzten zusammenhängenden Beschäftigungszeit, Gadebusch, der Herr Ortsgruppenführer Röper sowie Herr Bürgermeister Hagen sicherlich gerne Auskunft geben werden. Ich habe meine freiwillige Militärdienstzeit hinter mir, trage das Deutsche Sportabzeichen und gehöre dem deutschen Luftsportverband an, mein Antrag auf Aufnahme in die SA, den ich im Herbst 1934 stellte, drei Monate nach meiner Rückkehr aus der Schweiz, nämlich als ich wußte, wo ich fortan Beschäftigung fand, wurde mit Hinweis auf Eintrittssperre abschlägig behandelt.“77 Hilfsprediger Pauls (27. Juli 1936) Beauftragung mit der Verwaltung der Pfarrstelle an der Kirche und Gemeinde zu Brunshaupten: „Der Oberkirchenrat beauftragt Sie hierdurch unter Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs mit Wirkung vom 1. August 1936 mit der Verwaltung der freigewordenen Pfarrstelle an der Kirche und Gemeinde zu Brunshaupten. Dabei werden Sie verpflichtet, dieses Ihnen anvertraute heilige Amt nach der Richtschnur des geof75 Beltz, Johannes; Romberg, Bruno; Siegert, Astrid: Die Pfarren des Kirchenkreises Rostock-Land von 1933 bis 1980 76 ebenda 77 Landeskirchliches Archiv Schwerin. Band 1


Pastoren der Brunshauptener/Kühlungsborner Pfarre | 37

fenbarten göttlichen Wortes, der unveränderten Augsburgischen Konfession, Konkordienformel78 und den übrigen, in den mecklenburgischen evangelischen Kirchen des Landes geltenden Bekenntnisschriften, auch der darauf gerichteten Mecklenburgischen Kirchenordnung in reiner unverfälschter Lehre und gottseligem Leben und Wandel ohne eigenmächtige Einführung irgendwelcher Neuerung unter stetem andächtigem Gebet und fleißigem Studieren dergestalt so zu verwalten, wie Sie es vor Gott und der Ihnen anvertrauten Gemeinde, auch sonst gegen jedermann in gutem Gewissen zu verantworten sich getrauen. Der Oberkirchenrat“79

„Schwerin 6.5.1939: Die Verleihung der Pfarre an Pastor Paul wurde zweimal auf Anordnung des Herrn Landesbischofs vorläufig zurückgestellt. Pastor Paul ist nunmehr vom Parteigericht freigesprochen worden.80 „Dem Sekretariat Dem P. Paul ist nunmehr die Pfarre Kühlungsborn mit Wirkung vom 1. Mai 1939 endgültig verliehen. Das Sekretariat wolle die nötigen Verfügungen ausfertigen. Dem Landesbischof zur Unterschrift vorlegen. Schwerin 6.5.39 Sch.“ „1946–1963 Paul, Wilhelm August Hermann, geboren Marwitz/Osthavelland 8. Oktober 1907, Sohn des Diakon und Lehrers Hermann Paul und der Karoline, geb. Meyer. Kaufmännischer Verwaltungspraktikant AEG Lok. Fabrik Henningsdorf 1924, Krankenpflegelehrgang Diakon. Anstalt Zoar b. Rothenburg/Oberlausitz. 1925, Seminar der Berliner Missionsgesellschaft 1926–1932,

oben: Hilfsprediger Paul. Landeskirchliches Archiv Schwerin rechts: Pastor Pauls Anstellung. Landekirchliches Archiv Schwerin. Siehe auch Seite 204. 78 Letzte allgemein anerkannte lutherische Bekenntnisschriften 1577 79 Landeskirchliches Archiv Schwerin. Band 1

80 Grund für das Verfahren konnte nicht ermittelt werden.


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1. theologische Prüfung 11. März 1932, Vikariat Markgrafpieske, Bützow, Zorndorf, Droskau, Schwerin 1932-1937, Ordination 22. Juli 1936, 2. theologische Prüfung 27. Oktober 1937, Hilfsprediger in Kühlungsborn 1. Dezember 1937, berufen 1. Mai 1939. Heeresdienst 1939-1945 (Feldwebel), beauftragt mit der Verwaltung der Pfarre Rossow 15. März 1946, berufen 1. August 1960, auf seinen Antrag krankheitshalber in den Ruhestand versetzt 30. September 1963, gestorben Bad Nauheim 27. Juni 1974.“81

Zieger, Schwerin. Abitur Schwerin 1952, Studium in Rostock und Leipzig 1952 bis 1957, erste theologische Prüfung Rostock 3. Oktober 1957, Vikariat in Bützow 1958-1959, mit der Verwaltung der Pfarre Lüssow beauftragt 1. November 1959, Ordination 1. November 1959, zweite theologische Prüfung Schwerin 4. Mai 1960, berufen auf die Pfarre Lüssow 1. August 1960, Pastor in Wittenburg 1. September 1966, Übertragung der Pfarre Kühlungsborn 1. Mai 1975, zum Propst der Propstei Bad Doberan bestellt 1. September 1975.

„1946–1974 Drefers, Hermann Fritz Ernst Richard, geboren Raduhn/Parchim 25. Juli 1909, Sohn des Schmiedemeisters Hermann Drefers und der Anna, geborene Hopp. Abitur Rostock 1930, Studium in Göttingen und Rostock, erste theologische Prüfung Rostock 14. Mai 1935, Kandidatenkonvikt Bethel 1935, Vikariat Laage 1936, Ordination Güstrow 17. September 1936, vom Bruderrat der Bekennenden Kirche beauftragt, als Hilfsprediger die Glieder der Bekennenden Kirche in Kühlungsborn zu sammeln. Er amtierte in einer Gastwirtschaft (ehemaliges Mitternachtslokal) bis ihm 1946 Kirche und Pfarrhaus geöffnet wurden. Kirchenrat Karl Timm, früher Pritzier, stand ihm besonders hilfreich zur Seite, berufen auf die Pfarre Kühlungsborn 1. Juni 1946, in den Ruhestand versetzt 1. Oktober 1974.

Verheiratet: Schwerin 31. Juli 1959 mit der Gemeindehelferin Eva Witkowski, geboren Ludwiglust 9. Juni 1935, Tochter des Finanzökonomen Kurt Witkowski und der Eva, geborene Gaartz.“82

Verheiratet: Rostock 26. April 1938 mit Else Demmin, geboren in Ivenack 1. September 1910, Tochter des Stadtgärtners Friedrich-Franz Demmin und Berta, geborene Bischoff in Rostock… Seit 1975 Hachtmann, Folker Johannes Albin, geboren Berlin-Schmargendorf 7. August 1933, Sohn des Dipl. Landwirtes Dr. Albrecht Hachtmann (Landessynodalpräsident der Ev. Luth. Landeskirche Mecklenburgs von 1952 bis zu seinem Tode 25. Januar 1965) und der Ursula, geborene 81 Beltz, Johannes; Romberg, Bruno; Siegert, Astrid; Roettig, Maria: a. a. O. S. 76

Frau Dr. Brigitte Schäning über Pastor Folker Hachtmann: „Ich erinnere mich gerne an die persönlichen Begegnungen mit Pastor Hachtmann. Mehrfach hat er uns zu Hause besucht, und wir haben unsere Gedanken über alle möglichen Probleme ausgetauscht. Ihm konnte ich bedenkenlos vertrauen. Er suchte und fand nach meiner Ansicht auch einen sehr freundschaftlichen Kontakt zu allen Gemeindegliedern. Er bat mich, andere in seelische Not geratenen Gemeindegliedern zu unterstützen, Gespräche mit ihnen zu führen und zu helfen. Seine Predigten waren für mich immer etwas Besonderes, anspruchsvoll. Sie gingen zu Herzen, brachten mich auf andere Gedanken, weiteten mir den Blick, auch philosophisch.“

▲ Pastor Folker Hachtmann Kinderwoche 70er-Jahre. Foto: Folker Hachtmann 82 Beltz, Johannes; Romberg, Bruno; Siegert, Astrid; Roettig, Marie: a. a. O.


Aus der Geschichte des Pfarrhauses in Brunshaupten | 39

AUS DER GESCHICHTE DES PFARRHAUSES IN BRUNSHAUPTEN 1640 „Als er (Pastor Kiselius) das Pfarramt übernahm, war in der Kirchenkasse nicht einmal so viel Geld, daß er Wein und Oblaten dafür kaufen konnte. Seinem Eifer gelang es aber, solche Verlegenheit zu beseitigen, denn es wurden in der Folge ‚nicht allein Kirche, Pfarrhaus und Küsterei, welche sonst fast ganz ruiniert waren, gebessert“ und fernerhin in Stand gehalten, sondern auch die Not der Kirche schließlich soweit gehoben, daß sie Pfingsten Anno 1664 auf 30 Thlr83. 8ß84l. 6Pf. Vorrat gekommen ist. Leider in dem Jahre ist ein Verwegener des Dienstags vor Donysii (26. Februar) in der Nacht in die Kirche gebrochen, hat die Lade mit allem Vorrat bis auf 11 ßl. Weggestohlen.“

1658 verehrten Friedrich Clatt und Joachim Sittmann ‚aus gutem Willen‘ der Kirche 30 Rthlr.85, davon der anwesende Pastor zu seinem besten Unterhalt die Zinsen sollte zu heben haben‘. Dieweil aber 1660 dem Kiselius all sein Vieh weggenommen, bat er Clatt, er möchte der Kirche zwei Ochsen kaufen, damit der Pastor sein Ackerwerk auch wieder fortsetzen könnte, was denn auch geschah mit der Bedingung, daß die Ochsen der Kirche verblieben, bis gedachte 30 Rthlr. vom Pastore auf Zinsen ausgetan werden‘. Diese Stiftung besteht unter dem Namen „Eiserne Ochsen“ noch heute (1924): jeder zuziehende Pastor erhält von dem Vorgänger die Summe von 105 Mark ausgehändigt.“86

83 Taler 84 Schillinge

85 Reichstaler 86 Willgeroth, Gustav. a. a. O. S. 105


40 | 800 Jahre Kirche

1706 „Er (Pastor Hünefeld) fand auf der Weden an eisernen Hausratssachen vor: eine geschlossene Bank, eine Schlafbank, ein Schapp mit doppelten Türen in der Stube und einen Schlagetisch in der Stube. ‚Sonstens war in dem ganzen Hause nicht ein Brett, weder in der Küche, Keller oder anderswo, daß man hätte ein Buch darauf legen oder Hausgerät hinsetzen, auch nicht ein Nagel, daran man hätte einen Hut hängen können.‘“87

1810 „Pastor Johann Christian Riedel aus Biendorf siedelte 1810 nach Brunshaupten über und zwar in der Absicht, die beiden Gemeinden Biendorf und Brunshaupten von hier aus zu verwalten. Er kehrte aber bereits im Winter desselben Jahres nach Biendorf zurück, weil „in dem bedrängten Pfarrhause“ französische Soldaten einquartiert waren und er Probleme mit der Brunshauptener Gemeinde hatte.

1717 „Bei seinem Amtsantritt (Pastor Meyer) war das Pfarrhaus, das seit 1586 stand, ganz verfallen. ‚Auf der Dielen stunden fünf Stützen unter die Balken, in der Stube eine Stütze nahe der Tür; an der einen Seite auswendig stand fast an jedem Ständer eine Stütze; oben auf dem Balken stunden an jeder Sparren eine Stütze.‘ Aus dem Ertrag einer Kollekte, die 88 fl. 16 ßl. erbrachte (Pastor selbst steuerte 20 fl. dazu bei) und mit Hülfe einer bei einem Schweriner Chirurgen (wohl Meyers Schwiegervater) aufgenommenen Anleihe von 200 Thlrn. erstand dann ein neues Pfarrhaus, das aber auch nur bescheidenen Ansprüchen genügt zu haben scheint. Es hat seinem Zwecke denn auch im wesentlichen nur zu Meyers Lebzeiten gedient. Nachdem 1851–53 das heutige erbaut worden, wurde es für 99 Thlr. verkauft.“

▲ C.C. Gundlach Alten Gaarz.Hamburg 1850 Lithographie, koloriert. Signatur UB Rostock Ansichten Rerik 1c86 Pfarrgebäude

1850 Verzeichnis der Einkünfte der Pfarre zu Brunshaupten I.

Barstehende Hebungen

1. Außerdem Aerar89

2. für aufgehobene Naturalopfer

2 Taler, 30 Schilling crt.

3. dito von den Büdnern

35Taler, 5 Schilling

24 Taler, 43 Schilling 7 Taler, 28 Schilling

II. Accidenzien

1777 „Nach (Pastor) Meyers Tode wurde, Ostern 1777, dem Pastor Riedel zu Biendorf die Mitverwaltung der Brunshauptener Pfarre übertragen. ‚Beide Pfarren‘, schreibt Riedel, machen zusammen eine mittelmäßige aus‘. Diese Kombination währte bis 1850, wo die wegen der weiten Entfernung und des schlechten Weges wünschenswerte Wiederaufrichtung der Brunshauptener Pfarre dadurch ermöglicht wurde, daß der Großherzog zum Neubauen des Pfarrgehöfts 2.000 Thlr. schenkte.“88 87 ebenda, S. 106 88 ebenda, S. 107

Nach zehnjährigem Durchschnitt

55 Taler 29 Schilling

III. Naturalien 1.

39 Scheffel Roggen 40

2.

1 Pfund Flachs

32 Taler, 24 Schilling 2 Taler, 16 Schilling

24 Taler, 40 Schilling Summe 125 Taler, 26 Schilling

VI. Acker

21247 Quadratruten Weizen- und Roggenboden

1952 Quadratruten Wiesenfläche

304 Quadratruten Garten guter Boden

IV. Feuerung 4 Faden Buchenholz 12 Kubikmeter Torf“90 89 Das Kirchenärar umfasst neben dem Kirchengebäude das zur Bestreitung der Kosten des Gottesdienstes und für die Unterhaltung des Kirchengebäudes oder der Stift- oder Klostergebäude bestimmte Vermögen einer Kirche, eines Stifts oder eines Klosters. 90 Landeskirchliches Archiv Schwerin


Aus der Geschichte des Pfarrhauses in Brunshaupten | 41

1851 „Hochwohlgeborener Hochzuverehrender Herr Geheimer Kabinetts Rat! Serenissimus haben geruht der Brunshaupter Gemeinde zum Aufbau des neuen Pfarrgehöfts daselbst 2000 Taler als Beihilfe zu den Kosten zu bewilligen, und sind uns auf diese Kosten auch bereits 750 Taler Cour im vorigen Jahre eingezahlt. Gegenwärtig ist der Neubau des Predigerhauses zu Brunshaupten soweit vorgerückt, dass gerichtet wird und liegen uns weitere Zahlungen zum Bau ob, weshalb wir uns an Sie mit der Bitte wenden, ob Sie es nicht gütigst veranlassen wollen, dass uns zweite Zahlung auf diese Baugelder aus Serenissimi Privatkasse wird. Wir benutzen diese Gelegenheit uns in vorzüglicher Hochachtung zu empfehlen als Euer Hochwohlgeboren Ganz gehorsamst Großherzogliche Beamte. 17. Juni 1851 Euer Hochwohlgeboren Herrn Geheimer Kabinetts Rat Prosch zu Schwerin91

91 ebenda

▼ Geld für den Neubau der Pfarre in Brunshaupten und Geld für die Pfarre. Landeskirchliches Archiv Schwerin


42 | 800 Jahre Kirche

1945 Pastor Paul schreibt am 28. September 1945 an den Landessuperintendenten: „Der Vorschlag des Oberkirchenrates zur Regelung der Wohnungsfrage geht, als vom grünen Tisch gegeben, an den tatsächlichen Gegebenheiten vorbei. Die obere Etage meines Pfarrhauses ist, wie der Behörde mitgeteilt, seit fast zwei Jahren von der Kommunalbehörde beschlagnahmt und zur Unterbringung von Flüchtlingen verwendet worden. Ich selbst bewohne zur Zeit mit meiner Familie und Hausangestellten, abgesehen von meinem Dienstzimmer die noch vorhandenen vier Zimmer in der unteren Etage. Eine weitere Einschränkung ist, zumal wegen meiner vier kleinen Kinder (2 bis 4 Jahre), der unzureichenden Küchen- und Toilettenverhältnisse (es steht nur ein Kübel in einem Anbau zur Verfügung) nur schwer planbar und praktisch gar nicht durchzuführen. Selbst unter der Voraussetzung eines beiderseitigen besten Willens müssten in dem Falle, dass Herr Pastor Drefers mit in das Pfarrhaus einziehen will, Unzuträglichkeiten entstehen, denen ich meine Frau nach den Aufregungen des Vorkriegsund Kriegsjahre nicht aussetzen werde.“92 1946 Drefers, Hermann: Über seinen Einzug ins Pfarrhaus 1946

▲ Pfarrhaus um 1910. Sammlung: Wolfgang Baade

durchlöchert, daß man in zwei Räumen des Parterres den Himmel schauen konnte. Auf dem Pfarrhof selbst war es gefährlich, sich zu ergehen, weil dort ein Klo-Eimer neben dem anderen ausgeschüttet war, vom Zustand des Pfarrgartens ganz zu schweigen. Kurzum, es war keine wahre Freude, was sich den jungen Pastorsleuten beim Einzug bot. Aber trotzdem waren beide glücklich und voll Lobens und Dankens. Denn sie sahen nicht so sehr, was war, sondern sie sahen, wie einmal alles werden sollte.“93 1955 Drefers, Hermann: Über den Pfarrscheunenbrand 1955

„Die Übersiedlung ins Pfarrhaus geschah unter denkbar abenteuerlichen Umständen. Denn alle Lastzüge waren seitens der Kommandantur für Saatgut beschlagnahmt. Erst nach langwierigen Verhandlungen bewilligte der Kommandant einen einzigen Lastzug für das Mobiliar. Alles andere wurde durch die Pastorsleute per Ziehwagen ins Pfarrhaus gebracht. Das Pfarrhaus selber war so verdreckt, daß die Schwiegermütter nur mit Schaufeln Grund in dem Fußboden finden konnten. Im Hause selbst fehlten 45 Fensterscheiben, und das Dach samt den Zwischenböden war so

„Das aufregendste Ereignis dieses Jahres war zweifellos der unvergeßliche Pfarrscheunenbrand ausgerechnet am 20. April! Wie die Versicherungsleute sagten, soll es an diesem Tage noch an zwei anderen Stellen im Bezirk ähnliche Brände unter ebenso ähnlichen Umständen gegeben haben. Man mutmaßte auch hier mit Recht Brandstiftung, und zwar aus zweierlei Gründen. 1. Ein gewisser Mann namens ‚Spitzel‘, früherer französischer Fremdenlegionär, war vor Wochen aus der Bundesrepublik gekommen und bei der hiesigen LPG eingestellt worden. Dieser Mann hatte Tage vor dem Brand entlang dem 3m hohen Bretterzaun, der Pfarre und LPG trennte, große

92 ebenda

93 Drefers, Hermann: Kirchenchronik. S. 64


Aus der Geschichte des Pfarrhauses in Brunshaupten | 43

Ballen von Stroh von Scheune zu Scheune gestapelt. 2. Dieser ‚Spitzel‘ ward vom 20. April an nicht mehr gesehen, sondern soll sich nach dem Westen abgesetzt haben … Der Brandschaden war groß. Denn abgesehen von riesigen Mengen Stroh, Getreide und Futtermitteln verbrannte der gesamte Bestand an LPG-Schafen in Höhe von 124 Tieren. Noch Wochen später bot der Brandplatz ein Bild des Grauens und ging von ihm ein furchtbarer Gestank aus: Man hatte nämlich vergessen, die verbrannten Tierkadaver abzufahren, die zum Teil noch aufrecht standen. Erfreulicherweise konnte dank der Doberaner Feuerwehr wenigstens die eine Scheune bis auf den ausgebrannten Dachstuhl gerettet werden, während die andre Scheune bis auf die Grundmauern niederbrannte und völlig abgerissen werden mußte. Was die Junge Gemeinde tat. Dafür erhielt sie von der Versicherung eine Prämie von 3.000 Mark, mit der sie im Gemeindehaus Kühlungsborn- West ihren Jugendraum ausgestaltete und die restlichen Gelder für Freizeiten verwandte.

Umbauarbeiten (Einrichtung einer Küche in Verbindung zum Wohnzimmer, Verlegung des Bades …) konnten nicht termingemäß ausgeführt werden. Die Möbel stellten wir vorerst im Gemeinderaum unter und konnten fast 4 Wochen lang bedankenswerterweise das Badezimmer von Familie Kantor Pilgrim mit benutzen. Dann aber ging es mit den Bauarbeiten zügig voran, nachdem die üblichen DDR-spezifischen Probleme mit der Materialbeschaffung und der Bereitstellung von ‚Baukapazitäten‘ bewältigt waren.“95 2018 „Im Februar 2008 verließ das Pastorenehepaar Maren und Matthias Borchert mit ihren beiden schulpflichtigen Kindern Neubrandenburg. Ihre Heimat sollte nun Kühlungsborn werden. Dem Umzug ins Pfarrhaus, Schloßstraße 19, gingen umfangreiche Sanierungsmaßnahmen der Pfarrwohnung voraus. Bei vielen Baukonferenzen wude das zukünftige Pastorenehepaar schon fest mit einbezogen.

Ein großer Segen war, daß an diesem Tage Westwind herrschte. Im andern Falle wäre dieser Brand zu einer heillosen Katastrophe geworden. Denn dann wären nicht nur Pfarrhaus und Kirchgebäude, sondern sogar die Priesterschen Wohn- und Stallgebäude gefährdet gewesen.“94

Es wird wohl einmalig in der mecklenburgischen Kirchengeschichte sein, dass eine Pfarrwohnung 100%ig bezugsfertig am geplanten Termin übergeben werden konnte. Sogar alle Fenster im Pfarrhaus waren geputzt. Ein großer Dank gilt dem damaligen Bauausschuss und vielen weiteren Gemeindegliedern, die das ermöglichten.

1987 Burkhardt, Matthias: Über seinen Einzug ins Pfarrhaus 1987

Ziel war es: der zukünftige Pastor sollte sich von Beginn an in der Wohnung wohlfühlen, damit er 100%ig für die Gemeindearbeit da sein konnte.“96

„Der Anfang war gemacht. Dieser war nicht in jeder Hinsicht ganz einfach. Als meine Familie am 04.05.87 ins Kühlungsborner Pfarrhaus einzog, war nur ein Raum der Pfarrwohnung schon bezugsfertig. Die durch eine reguläre Baukonferenz am 02.03.87 beschlossenen Renovierungs- und 94 ebenda, S. 120

95 Burkhardt, Matthias: Kirchenchronik, S. 3 96 Borchert, Matthias: Kirchenchronik Kühlungsborn


44 | 800 Jahre Kirche

Grundbesitz der Kirche 193797 Der Grundbesitz der Kirche ist mit 26,72 ha ermittelt. Er besteht aus Acker Garten Wiesen Weiden (gute) Mittlere Weiden Ödland Hof und Wirtschaftsbetrieb

16,36 ha 0,11 ha 1,6 ha 6,72 ha 1,18 ha 0,96 ha 0,35 ha.

In dieser Aufstellung sind das Pfarrgrundstück und der Friedhof nicht enthalten. Der Wert der Ländereien ohne Grundstücke wird nach Rücksprache mit dem Ortsbauernführer auf 40.000 RM geschätzt.

97 Akte 2.S.3.a.70. Archiv des Lk. Rostock

▲ Pfarrhaus 2012. Foto: Bernd Lasdin


Kirche – ein sicherer Ort | 45

KIRCHE – EIN SICHERER ORT Jürgen Jahncke

Im Mittelalter und bis ins 18. Jahrhundert wurde ein Großteil der öffentlichen, privatrechtlichen und gewerblichen Geschäfte in den Kirchen und auf den Kirchhöfen in Mecklenburg abgeschlossen. Die Kirchen bildeten in frühen Zeiten des Mittelalters (12. und 13. Jahrhundert) aufgrund ihrer Lage, ihrer Räumlichkeit, der festen Bauweise und der Stätte zur Ausübung der Religion einen Mittelpunkt des Lebens in den Städten und auf dem Lande. Diese einigermaßen geschützten und gesicherten Räume nutzten auch Landesund Ortsobrigkeiten für Absprachen, Geschäfte und Verhandlungen. Kirche und Friedhöfe waren im 13. und 14. Jahrhundert auch Versammlungsorte, besonders an Sonntagen nach dem Gottesdienst. In ihren Räumen bewahrte man sowohl Rüstungen, Fahnen, Waffen und Kleider als auch Tierknochen von seltener Größe (Walfischknochen auf Usedom) auf. In unruhigen Zeiten oder längerer Abwesenheit hinterlegte man in den Kirchen auch Privateigentum. Hauptgründe hierfür waren zum einen der nahezu feuerfeste Steinbau

der Kirchen und zum anderen die vermeintliche Sicherheit gegen Einbruch, denn allgemein galt die Ansicht der Bevölkerung, dass der Diebstahl von privaten Gütern und weltlichem Eigentum aus kirchlichen Räumen Kirchenfrevel sei. Außerdem garantierten kirchliche und weltliche Gesetze den Schutz der Kirche gegen Befehdung und damit auch die Heiligkeit der Gotteshäuser. Aufbewahrung der Strandgüter in den Kirchen In den Kirchen und auf dem dazugehörigen Friedhof der Stranddörfer an der mecklenburgischen Ostseeküste wurden in den zurückliegenden Jahrhunderten vielfach aus der See geborgene Güter aufbewahrt, weil es kaum andere überdachte Möglichkeiten gab. Hier lagen sie verhältnismäßig sicher und oft wochenlang, bis sie dem Schiffseigner übergeben werden konnten oder öffentlich von Beamten des Amtes versteigert wurden. Eine „Fürbitte für den Strand“, wie an der Meeresküste jahrhundertelang üblich, wurde in Mecklenburg am 8. Oktober 1777 endgültig aufgehoben.


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DIE TRADITION DES SANKT-URBANTAGES Matthias Burkhardt

„Es geschah an einem Maientag in Kühlungsborn. Die Eisheiligen waren längst vorüber. Plötzlich zog am zunächst heiteren Himmel ein Gewitter auf. Ein heftiger Regenguss pladderte auf die Erde, begleitet von Blitzen und Donner. Dem Regenguss folgte Hagelschlag, mehrere Minuten lang. Besorgt blickte ich in den Garten. Eine Hagelschicht bedeckte Beete und Rasen. Aber sehr bald hellte sich der Himmel wieder auf, und das kurze Unwetter war wieder vergessen. Eine Stunde später traf ich in der Strandstraße eine in Brunshaupten geborene und aufgewachsene ältere Frau. Sie sprach mich an: „Haben Sie gemerkt, dass heute der Sankt- Urbanstag ist?“ Viele in Brunshaupten und Arendsee aufgewachsene ältere Leute wissen genau, dass der 25. Mai ein besonderer Tag ist. Was hat aber der heilige Urban mit Brunshaupten/Arendsee zu tun? Wer war Urban überhaupt? Er lebte im 2. und 3. nachchristlichen Jahrhundert

in Rom. Viele fromme Legenden werden von ihm erzählt. Historisch gesichert ist, dass er von 222 bis 230 Bischof der Stadt Rom war. Er starb wie unzählige Christen in dieser Zeit den Märtyrertod und wird darum als Heiliger verehrt. Der 25. Mai 230 ist als sein Todestag überliefert. Er gilt als der Schutzheilige der Winzer, der Küfer, des Weines und der Weinberge. Er wurde verehrt, um Schutz vor Frost, Gewitter und Trunkenheit zu finden. In Weinbaugebieten ist der Heilige Urban besonders populär. Eine Bauernregel ist dort bekannt: „Hat Urbanstag viel Sonnenschein, verspricht er viel und guten Wein.“ Nun ist unsere Gegend weder ein Weinbaugebiet noch gibt es hier eine besondere katholische Tradition, denn seit 1549 ist Mecklenburg ein evangelisches Land, in dem der alte Heiligenkalender kaum noch eine Rolle spielt.


Die Tradition des Sankt-Urbantages | 47

Es waren schon damals die regelmäßigen Abgaben festgelegt, die am Urbanstag an die Pfarre zu entrichten waren. (Bis 1918 wurden ja die Dienste der Pastoren durch Naturalabgaben vergütet.) Aus dieser festen Ordnung lässt sich schließen, dass die besondere Urbantradition in der Kirchgemeinde Brunshaupten auf ein Erlebnis in vorreformatorischer Zeit zurückgeht. Ein annähernd genaues Datum dieses Ereignisses gibt es leider nicht. Möglicherweise wurde über Jahrhunderte dieses wundersame Ereignis weitererzählt und, wie das bei mündlicher Überlieferung nicht auszuschließen ist, im Laufe der Zeit fantasievoll ausgeschmückt. Feststeht, dass in dem Landstrich zwischen Kühlung und Meer oft ein ganz besonderes Klima herrscht. Häufig haben gerade hier schlimme Unwetter getobt, besonders in der zweiten Maihälfte, von denen die Menschen südlich der Kühlung kaum etwas verspürten. Alte Kühlungsborner können das aus ihrer Lebenserfahrung bestätigen. So hat es irgendwann im späten Mittelalter ein besonders schlimmes Unwetter gegeben. Mehrere Tage lang blitzte, donnerte und schüttete es vom Himmel. Die Felder waren überschwemmt, die Saat vernichtet. Die von Angst getriebenen Einwohner von Brunshaupten, Arendsee und Fulgen glaubten, der Weltuntergang habe begonnen. Alle versammelten sich in ihrer alten Kirche, dem Zufluchtsort in schlimmen Zeiten. Tagelang rissen die flehentlichen Gebete nicht ab. (Bis heute ist es so, dass die Menschen nach besonders erschreckenden, furchtbaren Ereignissen in ihre Gotteshäuser strömen, auch wenn sie sich schon lange nicht mehr als gläubige Menschen bezeichnen.) Und die Legende berichtet, dass nach einer gewissen Zeit ganz unversehens die Sonne wieder ihre Strahlen durch die Kirchenfenster sandte. Das Unwetter war vorüber. Als man auf den Kalender schaute, war es der 25. Mai, der Namenstag des heiligen Urban.

Dieses Ereignis blieb den Menschen in Erinnerung. Aus Dankbarkeit für die gnädige Errettung gelobte man, jeden 25. Mai als Feiertag mit festlichen Gottesdiensten zu begehen. Der Sankt-Urbanstag wurde von der Bevölkerung fast so heilig gehalten wie der Karfreitag. Es herrschte strenge Arbeitsruhe. Immer wieder berichtet die Legende, dass diejenigen, die an diesem heiligen Tag doch arbeiteten, auf schreckliche Weise verunglückten. So soll ein Mann, der am Urbanstag auf eine Pappel stieg, um ein Krähennest auszunehmen, herabgestürzt und zu Tode gekommen sein. Ein Bauer, der es wagte, an diesem Tag zu pflügen, wurde prompt vom Blitz erschlagen. Dergleichen Horrorgeschichten gibt es etliche. So verbanden die Menschen eine fast abergläubische heidnische Angst mit diesem Tag. Es überwog freilich die Freude und Dankbarkeit über die Erfahrung von Rettung in großer Not. Der Staat respektierte und sanktionierte diesen besonderen Feiertag der Gemeinde Brunshaupten/Arendsee durch entsprechende Verlautbarungen. Sogar in der Weimarer Republik fand der Sankt-Urbanstag Anerkennung. Erst die Nazis bereiteten dieser besonderen Tradition ein jähes Ende. Pastor Heinrich Schreiber schreibt in die Pfarrchronik: ‚Die Feier dieses Tages hat sich bis in das Jahr 1934 (einschließlich) erhalten. Am 24. Mai 1935, also am Tag vor der Urbansfeier erhielt ich von der Gemeindeverwaltung folgendes Schreiben: St. Urbanstag. Durch das Reichsgesetz vom 16.3.1934 über den Schutz der Sonn- und Feiertage sind die landesgesetzlichen Bestimmungen außer Kraft gesetzt. Unter diese gesetzliche Verordnung


48 | 800 Jahre Kirche

fallen auch die Bestimmungen über den St. Urbanstag (25. Mai). Dieser Tag ist daher für die Ortschaften Brunshaupten und Arendsee kein Feiertag mehr. Ostseebad Brunshaupten und Arendsee, den 23.5.35 Heil Hitler gez. Harm gez. Krieg Bürgermeister’ ‚Das ist also das Ende unserer Urbansfeier.‘ So kommentiert Heinrich Schreiber mit deutlicher Enttäuschung das Verbot des St. Urbanstages. Diesen Satz verbessert er später: ‚Das ist also zwar nicht das Ende unserer Urbansfeier, wohl aber eine Beeinträchtigung, denn viele werden nun durch Ausüben ihres Berufes am Besuch des Gotteshauses verhindert.‘ Am 22. September 1935 berichtet Heinrich Schreiber in der Pfarrchronik von einem schweren Gewitter, das in Brunshaupten die Scheune auf dem Bauernhof von Schlachter Never in Brand setzte. In Arendsee schlugen Blitze gleich an fünf Stellen ein. Von 19 bis 22 Uhr dauerte das Unwetter. Schreiber schreibt die Meinung des Volkes auf: ‚Das kommt, weil Urban kein gesetzlicher Feiertag mehr ist.‘ Es zeigte sich, dass eine alte, volkstümliche Tradition auch durch das Verbot eines autoritären Regimes nicht ausgelöscht werden kann. Immer dann, wenn der 25. Mai auf einen Sonntag fällt, wird in unserer alten Kirche ein St.-Urbans-Gottesdienst nach alten gottesdienstlichen Vorlagen gefeiert. Vielleicht gelingt es, diese alte volkstümliche Tradition künftig mit einem Ökumenischen Gottesdienst und einem richtigen Volksfest zu pflegen. Damit hätte Kühlungsborn wieder etwas ganz Besonderes zurückgewonnen.“

Weitere Mitteilungen zum St. Urbanstag Ostsee-Bote, 24.05.1904 Am St.-Urbanstage (Mittwoch, 25. Mai) soll die Periode der Nachtfröste in unseren Breiten endgültig ihr Ende finden. Aus diesem Grunde ist St. Urban ebenso volkstümlich wie es die „3 Gestrengen“ sind, als deren verspäteter Nachläufer er oft mit Recht gefürchtet wird. „St. Urban ohne Regen, bringt für den Landmann Segen“, „St. Urban gar ist streng fürwahr“, „So wie der Urban pflegt zu sein, so glaubt man, daß gerät der Wein“, heißt es in den Bauernregeln. Hoffen wir also auf einen guten Verlauf dieses Tages. Im Kirchspiel Brunshaupten ist der Tag bekanntlich gefürchtet und ruht an demselben die Arbeit, insbesondere die Fischerei, auch findet in der Kirche zu Brunshaupten seit langer Zeit alljährlich an diesem Tage Gottesdienst statt. Ostsee-Bote, 23.05.1905 Sankt Urban fällt auf den 25. Mai. Gleich den in diesem Jahre gut vorübergegangenen drei Gestrengen ist auch dieser Tag im Volksglauben gefürchtet, da er gewissermaßen als vierter Eisheiliger angesehen wird. Hoffentlich verfährt er aber ebenso gelinde als sein Vorgänger, denn „ist Urban ohne Regen, so verspricht er großen Segen, wenn er aber kein gut Wetter hält, das Weinfaß in die Pfütze fällt.“ Im Kirchspiel Brunshaupten ist der Tag bekanntlich gefürchtet und ruht an demselben die Arbeit, insbesondere die Fischerei, auch findet in der Kirche zu Brunshaupten seit langer Zeit alljährlich an diesem Tage Gottesdienst statt.

▲ Regenvorhang mit Blitzen. Foto: Xabier Gezuraga Jauregi in Europäischer Meteorologischer Kalender 2011-5


Die Tradition des Sankt-Urbantages | 49

Ostsee-Bote, 24.05.1905 Am Donnerstag feierten die zu einer Kirchgemeinde vereinigten Orte Arendsee-Brunshaupten-Fulgen den Urbanstag. Da diese Feier sonst nirgends im ganzen Lande besteht, erweckt sie noch immer besonderes Interesse auch für solche, die nicht in der Gemeinde wohnen. Die Feier des Urbantages in Brunshaupten ist sehr alt. Schon 1640 bestand sie sehr lange. In der Schrift „Vom schönen Ostseestrand“, die ein Abriß der Gemeindegeschichte enthält, ist die treffende Urkunde mitgeteilt. Dort heißt es von dem Jahre 1640: „Auf Urbanitag wird gepredigt; so gibt jeder Baumann 10 Eier und ein Brot, die Käter jeder 3 Pfg., und der Hof vor jeder Wüstebaw-stätt 10 Eier, ist von drey stätten 30, und 40 vom Hofe, ist in gesampt 70 Eier, dazu 7 Brode.“ Die Nöte des 30-jährigen Krieges hat das Urbanfest überdauert, und ob auch genannte Lieferungen in Fortfall gekommen sind, der Tag wird noch jetzt als Gedenktag in der Gemeinde gefeiert. Anlaß dazu gab ein heftiges Gewitter, das 3 oder nach anderen Berichten gar 8 Tage über unsern Dörfern stand, bis die Bewohner am Urbanstage im Gotteshaus zusammenkamen und dort um Abwendung des Unwetters flehten. Als sie aus der Kirche kamen, begrüßten sie der lang entbehrte erste Sonnenstrahl und der Bogen des Friedens in den Wolken. Da versprachen die Einwohner, diesen Tag für immer als Festtag mit Gottesdienst zu feiern, und alle Arbeit sollte an ihm ruhen wie an einem hohen kirchlichen Feiertage. Das ist streng innegehalten, durfte an diesem Tage in früheren Zeiten doch nicht einmal Feuer auf dem Herde angezündet werden. Im „Kirche und Zentralblatt“ 1904 veröffentlichter Beitrag: „Die dort von Pastor Klingenberg erzählte heitere Geschichte mag auch hier aufbewahrt werden. Im ersten Sommer, als Pastor Klingenberg in Bruns­ haupten amtierte, unterhielten sich zwei Badegäste über die Feier des Urbanstages,

ohne jedoch den Namen dieses Tages zu wissen. Um ihn zu erfahren, fragte einer der Herren den vorübergehenden Wirt: ‚Sagen Sie mal, wie heißt doch der neue Heilige, den Sie hier verehren?‘ ‚Klingenberg‘, antwortete prompt der Befragte.“98 „Eine eigenartige Feier, die des St. Urbanstages, hat sich von katholischer Zeit her bis heute in Bruns­haupten erhalten. Anlaß zu ihr gab es kräftiges Gewitter, das drei oder nach anderer Lesart acht Tage über Brunshaupten stand und nicht weichen wollte. Am Tage St. Urban, Mai 25, flehten die geängstigten Bewohner zu diesem Heiligen, daß er das Unheil wenden möge, und alsbald zog das Gewitter seewärts. Zum Andenken an solche Errettung wird noch jetzt in der Brunshauptener Kirche an jedem 25. Mai Gottesdienst gehalten; es ruht dann alle Arbeit, auch das Fischen. Nächst dem Charfreitag hat kein Tag im Jahre einen solchen Kirchenbesuch aufzuweisen wie der Urbanstag.“99 Heiliger Urban: Bischof von Rom von 222 bis 230 Patron gegen Gewitter und Blitz, Frost, Gicht und Trunkenheit sowie Patron der Weinberge, des Weines, der Winzer und Küfer100 Bauernregeln (für den 25. Mai): Die Witterung an Sankt-Urban zeigt des Herbstes Wetter an. Wie‘s Wetter am Sankt-Urbanstag, so der Herbst wohl werden mag. Wie sich das Wetter auf Sankt-Urban verhält, so ist‘s noch 20 Tag‘ bestellt. Sankt-Clemens uns den Winter bringt, Sankt-Petri Stuhl den Frühling winkt, den Sommer bringt uns Sankt-Urban, der Herbst fängt um Bartholomäi an. Sankt-Urban hell und rein, segnet die Fässer ein. 98 ebenda, S. 108 99 ebenda, S. 107/8 100 Böttcher, Fassbinder


50 | 800 Jahre Kirche

HEXENVERFOLGUNG AUCH IN BRUNSHAUPTEN UND ARENDSEE Jürgen Jahncke

Im 16. und 17. Jahrhundert wurden in Neubukow 20 Personen wegen Hexerei angeklagt. Zwischen 1669 und 1671 häuften sich diese Prozesse, nach denen 12 Angeklagte am Pfahl auf dem Scheiterhaufen öffentlich verbrannt wurden. Dem Angeklagten David Lütken gelang vermutlich während seines Prozesses die Flucht. Diese sich ausweitenden Hinrichtungen in einem solch kurzen Zeitraum sind wohl nur dadurch zu erklären, dass den Angeklagten unter Folter Namen von anderen unschuldigen Personen abgepresst worden waren, denen anschließend ebenfalls der Prozess wegen Hexerei gemacht wurde.

Ähnliches geschah im gleichen Zeitraum in Brunshaupten und Arendsee. Zwischen 1569 und 1698 wurden 19 Personen aus Arendsee (2) und aus Brunshaupten (17) des gleichen Geschehens beschuldigt. Insgesamt wurden 5 Personen am Pfahl auf dem Scheiterhaufen verbrannt und 2 enthauptet. Eine Frau erhielt eine Gefängnisstrafe, eine andere verübte nach der Folter Selbstmord. 7 Angeklagte wurden auf Bewährung freigesprochen. Einem Mann gelang die Flucht, von 3 Personen liegen die Ergebnisse der Prozesse nicht vor. Im Jahre 1653 standen 6 Brunshauptener unter Anklage wegen Hexerei, vermutlich aufgrund von Erpressung durch


Hexenverfolgung auch in Brunshaupten und Arendsee | 51

Folter oder Denunzierung, Streitigkeiten, Neid, Missgunst oder Gerüchten. Nach Auffassung der Kirche war im 13. Jahrhundert der „Glaube an Hexerei“ eine heidnische Irrlehre, der durch Bußen und Ausschluss aus der Gemeinschaft geahndet wurde. Doch der Beginn der so genannten „Kleinen Eiszeit“ im 15. Jahrhundert, der Ausbruch der spätmittelalterlichen Agrarkrise mit ihren Hungersnöten, das Wüten der Schwarzen Pest und die erfolgreiche Reformation sowie der Dreißigjährige Krieg führten zur Verunsicherung der Menschen, zu Angst und Schrecken, und offenbarte auch, dass die Kirche auf fundamentale Fragen keine klare Antwort hatte. Das führte wiederum zur Erschütterung des bisherigen Weltbildes und steigerte die Erwartung einer nahen Apokalypse. Als Verursacherinnen und Hauptschuldige dieser Situation galten die Hexen, deren Verfolgung sich zu einer wahren Massenhysterie ausweitete, bei der Staatsgewalt, beide Kirchen und das Volk in ihren Ansichten meist übereinstimmten.

führte zu einer höheren Zahl der Verurteilungen von Frauen. Vor allem unterstellte man ihnen den Schadenzauber (Vergiftung von Vieh, Anhexen von Krankheiten, Brunnenvergiftungen, Auftreten von Gewittern, Missernten). Die Angeprangerten sollten angeblich über geheimes Wissen und außerordentliche Kräfte verfügen. Weil Hexerei nach damaliger Überzeugung stets einen Teufelsbund einschloss, wurde sie als todeswürdig erachtet. Motive materieller Art spielten bei den zahlreichen Hexenprozessen eine große Rolle. Streitigkeiten mit Nachbarn, Antipathie, Neid, Missgunst und Gerüchte waren zumeist der Auslöser für eine Hexenverfolgung. Die Verfahren lagen in den Händen weltlicher Institutionen, die Urteile sprachen die staatlichen Gerichte. Einige Universitäten, so auch die Rostocker Alma mater, unterstützten sogar theoretisch die Verfolgung von Hexen, und nach der Erfindung des Buchdrucks verbreiteten sich sehr schnell Vorstellungen von Zauberei und Hexerei sowie Methoden ihrer Bekämpfung. Ein „Geständnis“, durch Androhung von Gewalt oder durch Folter erzielt, stand im Mittelpunkt der Hexenprozesse. Ziel solcher Geständnisse war das Bekenntnis, mit dem Teufel im Bunde zu stehen, Reue zu zeigen und Namen von Mitverschwörern zu nennen. Da keine Person nach damaligem Rechtsverständnis ohne ein Geständnis verurteilt werden durfte, war die Wahrscheinlichkeit, unter Folter alles zu „gestehen“, sehr hoch. Die Peinliche Befragung Das Verhör durch einen Richter bestand gewöhnlich aus drei Phasen:

▲ Aus der Kirchenordnung von 1540. Siehe auch Seite 205.

Die vorherrschende Einstellung, dass Frauen eine niedrigere Wertigkeit als Männer besitzen und deshalb ein leichtes Einfallstor für das Böse sind,

Als erstes wurde die Frage nach einem möglichen Intimverkehr mit dem Teufel, nach der Teufelsbuhlschaft und nach Verabredungen und Treffen mit dem Satan gestellt.


52 | 800 Jahre Kirche

Gab es kein Geständnis, zeigte man den Angeklagten die Folterinstrumente und erklärte ihre Anwendung. Gestanden die Beschuldigten auch jetzt nicht ihre „Schuld“, dann erfolgte die peinliche Befragung unter Anwendung der genannten Folterwerkzeuge, vorwiegend mittels Daumenschrauben und Streckbank. Während bei der Befragung der Angeklagten unter dieser Tortur Namen erpresst wurden, erhöhte sich zwangsläufig die Zahl der Verdächtigen. Auf diese Art löste ein Hexenprozess in einigen Orten regelrecht Kettenprozesse aus, und so könnte es in Neubukow gewesen sein.

Rostocks Bürgermeister Matthaeus Liebherr stellte 1667 im Hexenprozess der Anna Gribbenis einen Komplex von Fragen auf, die der Delinquentin im Verhör gestellt werden sollten: Fragen, die bei der peinlichen Befragung gestellt wurden 1. Ob sie zaubern könne? 2. Wer sie die Zauberkunst lehrte? 3. Zu welcher Zeit und an welchem Ort, auf welche Weise sie zaubern lernte? 4. Ob sie dabei den wahren Gott verleugnete und einen Bund mit dem Satan machte? 5. Ob sie einen eigenen Geist habe? 6. Ob sie sich mit ihm fleischlich vermische? 7. Verursachte sie mit ihrer Zauberkunst Leuten und Vieh Schaden an Leib und Leben? 8. Welchen schadete sie? 9. Brachte sie die Zauberei anderen bei?“ 101 101 Ehlers, Ingrid: Der Fall Anna Gribbenis – Ein mecklenburgischer Hexenprozess aus dem Jahre 1667. In: 777 Jahre Rostock. Neue Beiträge zur Stadtgeschichte. Herausgegeben von Ortwin Pelc, Konrad Reich Verlag 1995. S.113

▲ Ehlers, Ingrid: Der Fall Anna Gribbenis – Ein mecklenburgischer Hexenprozess aus dem Jahre 1667. In: Schriften des Kulturhistorischen Museums in Rostock, 777 Jahre Rostock – Neue Beiträge zur Stadtgeschichte. Herausgegeben von Ortwin Pelc, Konrad Reich Verlag Rostock 1995, S. 111


Hexenverfolgung auch in Brunshaupten und Arendsee | 53

Die Hexenfolter – grausam und menschenverachtend Die meistgebräuchlichen Instrumente waren Daumenschrauben, Streckbank oder Streckleiter und Fußschrauben sowie die Folterwerkzeuge aus dem Mittelalter wie Brustreißer, „Gespickter Hase und „Spanischer Bock“, die man heute noch in Museen und alten Burgverliesen sehen kann. Das authentische Protokoll einer Folter aus dem Jahr 1667 gibt detaillierte Auskunft über den Ablauf einer solchen Prozedur.102 Die peinliche Befragung beginnt, während die entkleidete Angeklagte, der man alle Haare geschoren hat, bereits auf der Folterbank liegt. Wenn die Angeklagte ihre Unschuld beteuert, wird die Folter grausam verstärkt. Sie dauert eine Stunde. Im Torturprotokoll sind 19 Fragen und Antworten protokolliert. „Als sie losgebunden ist (nach der Tortur am 7. August), sagt Anna Gribbenis, sie habe viel Unrechtes unter der Folter gesagt. Doch wurde sie so gepeinigt, dass sie nicht anders konnte. Der Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen ist hiermit in Frage gestellt. Will sie nicht bei dem Geständnis bleiben? Sie sagt, nun müsse sie wohl dabei bleiben, denn die Folter sei nicht auszuhalten. Nochmals befragt, ob es denn nicht wahr sein, was sie bekannt habe, antwortet sie: „ Sie hette zwar alles auff pein bekannt, wolle aber dabey leben und sterben.“ Dann führt man sie gefesselt ab.

sich entwickelnde Rauch und das Feuer von zunächst über 100 Grad Hitze fügte ihnen Brandwunden zu und führte zum Erstickungstod. Hin und wieder ließ man Gnade walten, indem man die Verurteilten kurz vor dem Anzünden des Feuers erwürgte. Argumentation für die Hexenverbrennung Das Feuer galt als einziges Mittel zur vollständigen Reinigung der Seele, sie also von allen Sünden zu befreien. Gleichzeitig galt die öffentliche Verbrennung als ein exemplarisches Beispiel, da die Qualen, Schmerzen und Schreie der Opfer für alle Anwesenden zu sehen und zu hören waren. So sollte verhindert werden, dass andere zu Ketzern oder Hexen wurden und somit auf dem „rechten Pfad“ blieben. Die Leiden und Schmerzen der zum Tode Verurteilten auf dem Scheiterhaufen entsprachen in den Anschauungen der Zeit etwa dem Fegefeuer der Hölle.

Hexenverbrennung Die Hexenverbrennung auf dem Scheiterhaufen galt für die Bevölkerung als extremes Abschreckungsmittel und war gleichzeitig ein unterhaltsames Spektakel. Meist wurden die Verurteilten an einen Pfahl gebunden und das nur bis zu den Knien aufgestapelte Holz entzündet. Dadurch erlitten die Verurteilten unvorstellbar schmerzhafte Qualen, denn nicht der Qualm, sondern erst der 102 ebenda, AHR 1.1.10 Nr. 7482, Bl. 154–156

▲ Martin Schongauer: Die Versuchung des heiligen Antonius. Staatliche graphische Sammlung München (Norbert Schnabel)


54 | 800 Jahre Kirche

Wegen Hexerei Angeklagte aus Arendsee und Brunshaupten im 17. Jahrhundert Frau des S. Jörchen Arendsee 17. Jh. Freilassung auf Bewährung Gesche Glöde Arendsee 17. Jh. verbrannt am Pfahl/Scheiterhaufen Claus Schriewer Brunshaupten 1653 verbrannt am Pfahl/Scheiterhaufen Claus Möller Brunshaupten 1569 Gerichtsprozess nicht durchgeführt, geflüchtet Leneke Möller Brunhaupten 1569 Freilassung auf Bewährung Anna Finken Brunshaupten 1653 Freilassung auf Bewährung Chim Marlow Brunshaupten 1653 gestorben durch Folter oder Suizid Grete Pentzin Brunshaupten 1653 enthauptet Lencke Schaumburg Brunshaupten 1653 enthauptet Tilsche Schriewers Brunshaupten 1653 Ergebnis unbekannt Anna Becker Brunshaupten 1655 Freilassung auf Bewährung Chim Hopper Brunshaupten 1655 Freilassung auf Bewährung Frau Marlow Brunshaupten 1655 Freilassung auf Bewährung Jacob Hoppener Brunshaupten 1655 Ergebnis unbekannt Anna Schriefer Brunshaupten 1669 verbrannt am Pfahl/Scheiterhaufen Anna Möller Brunshaupten 1669 verbrannt am Pfahl/Scheiterhaufen Anna Wiecken Brunshaupten 1698 verbrannt am Pfahl/Scheiterhaufen Prütersche Brunshaupten 1698 Ergebnis unbekannt Lübsch Brunshaupten 1698 Gefängnis, Geldstrafe, Folter oder Gegend verlassen

▲ Kanzel der St.-Johannis-Kirche Kühlungsborn. Foto: Jürgen Jahncke

▲ Kanzel der Kirche Lichtenhagen-Dorf. Foto: Jürgen Jahncke


Das Verlesen von Gesetzen und anderen weltlichen Dingen von der Kanzel | 55

DAS VERLESEN VON GESETZEN UND ANDEREN WELTLICHEN DINGEN VON DER KANZEL Jürgen Jahncke

Seit der Reformation104 ließen protestantische Landesherren und Ortsobrigkeiten ihre Verordnungen und Gesetze verschiedenster Art durch die Geistlichen in den Kirchen verkünden. Vielerorts wurden sogar weltliche Verfügungen bzw. Bestimmungen alljährlich zu bestimmten Zeiten wiederholt von der Kanzel verlesen. Eine solche Bekanntmachung von Gesetzen fand bis Ende

103

103 Glöckler, Albrecht, Friedrich, Wilhelm: Über weltliche Geschäfte in den Kirchen und auf den Friedhöfen in Norddeutschland. Besonders in Mecklenburg (Gesetzpublikationen, Handelsverkehr, Rechtsgeschäfte). In: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Band 13 (1848), S. 435–474 104 Beginn etwa 1523 in Rostock

des 18. Jahrhunderts statt. Bisweilen ergingen die Publikationsbefehle von den Landesherren auf dem direkten Weg an die einzelnen Geistlichen oder Superintendenturen. Das war möglich, weil die kirchliche Obergewalt auf die weltlichen Landesherren übergegangen war. Dieser Umstand verlieh ihnen die Befugnis, durch unmittelbare Befehle die Stellung der Geistlichen zu nutzen. So stellte es die einfachste und übliche Form dar, gesetzliche Bestimmungen den Bürgern mitzuteilen. In einigen Fällen widersetzten sich auch Geistliche diesem Ansinnen, betrachteten solche Praktiken als Verfall der Sitten während


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des Gottesdienstes, in dem nicht nur die Polizeiverordnung verlesen werden musste, sondern auch Bestimmungen des Forst- und Jagdwesens, Schuldensachen, Grundstücke zum Verkauf angeboten und Finderlohn für verlorengegangene Gegenstände. In dem Edikt (amtlicher Erlass) der Herzöge Heinrich und Johann Albrecht zu Mecklenburg vom 7. Mai 1549, das sich gegen Landstreicher und Kriegsfröhner sowie gegen unerlaubtes Jagen und Holzverwüstung richtete, wurde das Verfahren der Bekanntmachung in der Verordnung wie folgt vorgeschrieben: „beuehlen vnd wollen hiermit, das alle vnsere Amptleute vnd Beuehlshabere in Stetten, Ampten, Flecken und Dorffern sollen diese vnsere Ordnung in allen Kirchen von Predigstulen vnd auch sonsten in vnser Underthanen ire Amptuorwanten Zusammenkünften vorkundigen vnd wortlichen vorlesen lassen.“ (S. 442) Dieser kirchliche Publikationsmodus blieb etwa drei Jahrhunderte vorherrschend und wurde allmählich auf alle Arten obrigkeitlicher Verfügungen ausgedehnt. Besonders nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) erweiterte sich das Verlesen von Vorschriften und Privatangelegenheiten wie Verkauf von Gegenständen, Verhaltensmaßregeln bei ansteckenden Krankheiten, Vorladungen zum Gericht, Versteigerung von Feldfrüchten immer mehr zu einer Unsitte und zum Verfall des geistlichen Standes. Herzog Gustav Adolf verbot es deshalb 1660. Der größte Missbrauch mit Bekanntmachungen von der Kanzel mag sich auf dem platten Lande ereignet haben, weil die Geistlichen oft von ihrem Patron abhängig waren. Diese maßten sich die Rechtsprechung an und ließen sie von der Kanzel

verkünden wie z. B. die folgende Zeugenaussage: „Sagt, er wisse wohl, daß die Junckern von der Cantzell abkundigen lassen, daß die Pauren sich der Zelgen105 (von gewissen Eichen) abzuhauwen nicht vnderstehen sollten, vnd da sie darüber betretten, wollten sie dieselben pfanden.“(1588) (S. 452) Als zu Beginn der 1720er-Jahre eine kaiserliche Kommission in Mecklenburg Herzog Carl Leopold entmachtet hatte und die Möglichkeit nutzen wollte, ihre Kontributionsedikte über die Landesgeistlichen bekannt zu geben, verweigerten die Pastoren es den kaiserlichen Beamten. Sie hielten wie die Masse der Landbevölkerung treu zu ihrem Herzog Carl Leopold. Daraufhin bestrafte man sie mit Geldbeträgen und drohte, sie sogar zu exekutieren. Sie blieben aber standhaft, was der nachfolgende Text bezeugt: „es stehe keinem aufrichtigen Prediger wohl an, Edicta zu publiciren, wodurch Serenissimi Autorität gekränkt wird; sie wollten in devotion und Treue Alles über sich ergehen lassen.“ (S. 445) Auch militärische Informationen wurden von der Kanzel verlesen wie die Bekanntmachung des Herzogs Friedrich Wilhelm aus dem Jahr 1711: „Wann künftig die Compagnien auf einen gewissen Tag und Ort zusammen kommen sollen, alsdann wird solches den Sonntag vorher durch den Prediger von der Cantzel abgekündiget.“ (S. 453) Bei der Verkündung einer Verordnung vom 26. Juni 1749 des Großherzogtums MecklenburgSchwerin „Von Bestrafung des Hausdiebstahls“ heißt es wörtlich: „Damit nun dieses überall kund werde, so haben Wir gegenwärtige Constitution 105 Die mittelalterliche Dreifelderwirtschaft (Dreizelgenwirtschaft) teilte das um einen Ort liegende Wirtschaftsland in drei Zelgen (Flächen) auf, die jeweils wechselnd mit Sommer- und Wintergetreide bebaut wurden und anschließend ein Jahr brach lagen.


Das Verlesen von Gesetzen und anderen weltlichen Dingen von der Kanzel | 57

durch den Druck bekannt zu machen, und von den Canzeln zu publicieren.“ Herzog Christian Ludwig ließ ab 2. November 1751 sein „Straf-Edict wider die Duelle“ wie folgt verbreiten: „Damit nun gegenwärtiges Edict zu jedermanns Wissenschaft kommen, und niemand mit der Unwissenheit sich zu entschuldigen Ursache haben möge; So ist selbiges in allen Kirchen Unseres Landes von der Canzel verlesen, und darauf öffentlich angeschlagen worden. Urkundlich unter Unserem Fürstlichen Handzeichen und Insiegel Gegeben auf Unserer Vestung Schwerin 20. October 1750 Christian Ludwig.“106 Sogar landesfürstliche Privatsachen wurden auf diese Weise in allen Kirchen verkündet. „Demnach ein Paar Diamanten Ohrringe, oben mit 2 runden Rosen vnd 2 Hertz=Rosen daran hangend, so Ihr hochfürstl. Durchlaucht Zuständig, verlohren worden, alß wird ein Jeder, wer solche gefunden oder Wissenschaft darümb hat, erinnert, solches anzuzeigen, und sich desfalß bei Unsern Hoff=Juden Michel Hinrichsen hieselbst anzugeben, da dann nicht allein dem Finder oder Anzeiger deßelben von gedachtem Hoff=Juden zweihundert Rthlr [Reichstaler] zum recompens sofort bahr bezahlet werden sollen, sonder er hat sich auch dabey aller fernern fürstlichen Gnade zu versichern. Sollte aber solches Jemand verhelet und verschwiegen, und hienechst über kurtz oder lang doch offenbar werden, Derselbe hat Ihr Durchl. Ungnade und straffe ohnfehlbahr zu gewarten.“ (S. 454)

zeitungen. Ab 1812 veröffentlichte das „Officielle Wochenblatt“ die Aufgabe der Verbreitung von Gesetzen, Verfügungen und Nachrichten in Mecklenburg. Ein Tipp von Martin Luther: „Der Prediger steige auf die Kanzel, öffne den Mund, höre aber auch wieder auf!“ Die Kanzel Sie ist eine Erfindung des Prediger-(Bettler-) Ordens im 13. Jahrhundert. Ihre Bedeutung wuchs mit dem zunehmenden Stellenwert der Predigt nach der Reformation in der evangelischen Kirche. Ihre Bestandteile sind der meist kunstvoll gestaltete Kanzelkorb mit einem Lesepult. Sie steht auf einem Fuß oder Träger an der Außenwand, auch im Kircheninnern oder an einer Säule und ist über eine Treppe erreichbar. Kanzel und Treppe sind in der Regel durch eine Tür getrennt. Vielfach wurden sie mit einem ebenfalls dekorativ gestalteten Schalldeckel versehen. Die Kanzelkörbe zieren biblische Szenen oder Porträts der Evangelisten. Die Kanzel verschafft dem Prediger sowohl Gehör, aber auch eine Distanz. So ist die Redewendung „jemand abkanzeln“ entstanden. Deshalb wurde sie meistens an den Stellen errichtet, wo die beste Akustik für alle Zuhörer zu erwarten war.

Nach einem Bescheid vom 18. Juli 1785 gab es nur noch wenige von der Regierung anbefohlene jährlich Verlesung von landesherrlichen Verordnungen. Das übernahmen immer mehr die Tages106 Sammlung aller für das Großherzogthum Mecklenburg-Schwerin gültigen Landesgesetze von den ältesten Zeiten bis zum Ende des Jahres 1834. Vierter Band: Kirchen- und Schulgesetze Wismar 1836. S. 47.

Kanzel der St.-JohannisKirche Rerik. Foto: Ralph Latteck ▶


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ALTE BLEIGLASFENSTER DER ST.-JOHANNIS-KIRCHE Jürgen Jahncke

Bleiglasfenster sind erstmalig in der Zeit der Romanik (920–1250) gestaltet und zunächst nur in großen Kathedralen eingesetzt worden. Kleine gefärbte Flachglasstücke konnten damals mittels Bleiruten zu einem Bildfenster zusammengefügt werden, so dass eine eigene Kunstform entstand. Blei eignet sich besonders gut, die einzelnen Glasteile zu verbinden. Doch erst die Erfindung der Schwarzlotmalerei107 im Ausgang des Mittelalters gestattete es, vielfältige Bildfenster zu gestalten, die am Ende des 17. und zu Beginn der ersten

Hälfte des 18. Jahrhunderts eine große Verbreitung und Beliebtheit fanden. So fertigten Maler bzw. Glasmaler Bildfenster für Kirchen und Bürgerhäuser nach Wunsch der Auftraggeber an. Die besondere Wirkung dieser Fenster entsteht mit dem durchscheinenden Sonnenlicht. Keine andere Malerei kann solche Helligkeitsunterschiede und Leuchtkraft erzeugen. Deshalb findet man sie vorrangig in sakralen Bauten, doch auch dort steht sie immer im Dienst der Architektur des Bauwerks.

107 Unter Schwarzlotmalerei versteht man eine auf Glas oder Keramik ausgeführte Malerei. Verwendet wird dabei eine spezielle Schmelzfarbe (Metalloxide, Glaspulver, Bindemittel), die bei einer Temperatur von 600 Grad Celsius eingebrannt wird.

Kleinformatige Glasbilder bezeichnet man auch als „Bild im Fenster“, die für die Betrachtung aus


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◀ Farbenfrohes Bleiglasfenster. Foto: Klaus Praefcke

der Nähe gedacht sind. Die Themen der Glasmalerei beschäftigen sich z. B. mit Hausmarken, Figuren, Wappen, biblischen Szenen und Inschriften. Bei solch kleinformatigen Glasmalereien in den Kirchen handelt es sich zumeist um Stifterscheiben, die einen Bezug zu ihrem Spender darstellen. Begüterte Einzelpersonen oder Familien der Kirchgemeinde hatten das Bedürfnis, mit ihren Gaben etwas Bleibendes zu schaffen, mit dem man sich identifizieren konnte, auch der Nachwelt zur Freude. So förderten sie beispielweise nach den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges die Instandsetzung ihrer Kirche und deren Fenster mit Geld- oder Sachspenden. Dafür spricht die Zeit ihrer Entstehung. Sie stammen wohl aus der Zeit, in der Pastor Heinrich Iden108 aus Lüneburg in Brunshaupten (1666– 1694) tätig war. Die Jahreszahl 1675 auf dem Fenster der ANNA HAGEMESTERS lässt vermuten, dass aufgrund der Beziehungen des Pfarrers zu Lüneburg die Fenster auch im Lüneburgischen gefertigt worden sind. Ein weiteres Kirchenfenster ähnlicher Art enthält den Namen Jochim Hagemester. Der fürstliche Pensionarius Carl Hagemeister wurde 1660 in der Brunshauptener Kirche begraben. Diese Bildfenster im Chorraum der Kirche zeigen sowohl Szenen aus dem Alten und Neuen Testament als auch profane Bilder aus dem Leben ihrer Spender. So tragen sie eine Botschaft, die die Zeiten überdauert hat. Der äußere Rand der ovalen Glasfenster besteht entweder aus vier oder fünf Teilen, die mit Blumen, Akanthusblatt und Schnörkeln versehen sind. In der Farbgebung überwiegt Silbergelb.

108 Pastor Heinrich Iden wurde 1698 in der St.-Johannis-Kirche zu Brunshaupten beigesetzt.

Form und Inhalt der Fenster weisen darauf hin, dass ein Großteil in der Werkstatt eines Kunsthandwerkers angefertigt worden ist109. Auch Schriftart, Figurendarstellung sowie Hintergrundgestaltung unterstützen diese Auffassung. Motive sind Landmänner bei der Aussaat (3) und Ernte (1), eine Frau beim Lesen (1), Fischer in einem Kahn (1), ein schreibender Mann(1) und Segelschiffe (3) sowie die Namen der Stifter. Die Kleidung der Personen entspricht der vornehmen Mode des 17. Jahrhunderts, so wurde Chim Kroger sogar beim Säen mit weißer Halskrause dargestellt. Die Segelschiffe sind Abbilder von Schiffstypen aus dem ausgehenden 17. Jahrhundert und ähneln auffällig Hamburger Schiffen.

▲ Weitere Bleiglasfenster. Fotos: Klaus Praefcke

Die soziale Überhöhung der dargestellten Personen in allen Bildfenstern ist besonders auffällig. Das trifft deutlich für die Pflugszene mit einem Vierspänner und zwei Männern in prächtiger Kleidung zu. Hagemester war damals Pächter einer herzoglichen Domäne. Diese Darstellung über die Verhältnisse kennzeichnet auch einen stolzen Reiter mit der mühlensteinartigen Halskrause, wie sie Mitte des 17. Jahrhunderts modern war. Hans Westvale trägt ebenfalls bei der Erntearbeit prächtige Kleider der Zeit und senst mit einem Reff, einer damals gebräuchlichen Korbsense zum Mähen von Getreide.

109 Praefke, Klaus: Fotos der Kirchenfenster


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Der Stifter Hinrich Olandt hat sich als Wollschläger mit dem Wollbogen und den dazugehörenden Schlagebänken im Hintergrund darstellen lassen. Die Tätigkeit des Wollschlägers galt damals noch als Beruf. Ihre Aufgabe bestand in der Reinigung der stark verschmutzten und zusammengeklumpten Rohwolle mit einem Wollbogen, einem Schlaginstrument, mit dem die Faserbündel auch getrennt und geglättet wurden. Auf den Bänken wurde die Rohwolle zum Trocknen ausgebreitet. Wollschläger zogen zur Zeit der Schafsschur von Ort zu Ort. In einigen Gegenden Deutschlands übernahmen sie auch das Ölen und Kämmen der Wollfasern für ihre Weiterverarbeitung mit dem Spinnrad. Im Zuge der industriellen Revolution starb der Beruf aus. Heute ist nur noch der Familienname „Wollschläger“ erhalten.

Bei der Verwendung von biblischen Themen wurde das Motiv der Tötung des Drachens durch den Erzengel Michael zweimal gewählt und einmal die Gegenüberstellung von David und Goliath, die Taufe Jesu (Mk.1, 9-11), seine Kreuzigung, Mutter Maria mit dem Jesuskind und der Fischzug des Petrus (Luk. 5, 1-11).

Von diesen Bildfenstern unterscheidet sich sowohl in Form als auch im Inhalt jenes von Maria Elisabeth, Herzogin zu Mecklenburg Schwerin (1646–1713). Die Tochter des Herzogs Adolf Friedrich I. (1588–1658), zeitweise Äbtissin des Klosters Rühn und Gandersheim, gehört mit zu den Spendern. Es ziert das mecklenburgische Wappentier mit der Krone, den Rostocker Greif und ähnelt dem siebenfeldrigen alten mecklenburgischen Wappen. (Abb.1.8)

Nachkommen der ehemaligen Spender wie Hagemeister, Becker, Bvingers Kroger, Mattewes, Moller, Prvter, Schriver, Westvale, Wendt und Wick leben zum Teil noch heute in Kühlungsborn und Umgebung. Eine Kirche ohne Licht ist undenkbar. So zaubern auch diese Glasfenster eine besondere Stimmung in den Altarraum, füllen ihn mit Leben und das nun schon seit Jahrhunderten. Die Familien der Stifter der Kirchenfenster Die Familien der Stifter der Kirchenfenster Ende des 17. Jahrhunderts gehören größtenteils zu den langansässigen Bewohnern der beiden Gemeinden Brunshaupten und Arendsee. Im Brunshauptener Kirchenbuch befindet sich im Jahr 1678 die Eintragung von der Heirat des Clavs Grammendorp. Er und Chim Marckwart sind Stifter des nachstehenden Fensters. ◀ Links und oben. Fotos: Klaus Praefke Glasermeister Rolf Köhler und Handwerkzeug des Glasers. Fotos: Jürgen Jahncke ▶


Alte Bleiglasfenster der St.-Johannis-Kirche | 61

So wird es sich zugetragen haben: Im Jahre 1524 hatte das Amt Bukow auf Befehl des Herzogs 150 Schweine aufgekauft, die nach Gadebusch transportiert wurden. Zu den Verkäufern gehörten u.a. die Bauern Claws Grammendorp, Claws Matheus, Hans Moller, Gerk Schmadebeck, Corth Schmadebeck, Hans Kroger und Tonnies Westval. Die Pachtunterlagen aus dem Jahr 1544 enthalten nachfolgende Namen: Achim Randow, Hans Went und Chim Marquart. Die Aufstellung des Vermögenswertes im Amt Bukow aus dem Jahr 1545 enthält außerdem den Namen Pawel Oldelant (Kater110). In dem Verzeichnis der Einnahmen des Amtes Bukow aus dem Jahr 1552 findet sich der Name Peter Schriver, ein Jahr später gibt es einen Clawes Schriver (Kater). Im Jahr 1593 wurden die Namen Chim Westendorf und Chim Ricke aufgeführt sowie Chim Hagemeister mit der Bezeichnung Hofmeister. Dem Hofmeister unterstand im Mittelalter die Leitung der unmittelbaren Hauswirtschaft des Fürsten oder die Leitung eines Gutes. Ein Grabstein im Altarraum trägt die Inschrift des fürstlichen Pensionärs Klaus Hagemeister, der am 15. August 1660 verstarb.111 Meisterleistungen unserer Altvorderen Wenn Glasermeister Rolf Köhler aus Kühlungsborn eine Kirche betritt, gilt sein erster Blick den Glasfenstern, die die Erleuchtung des Raumes ermöglichen und ihm eine besondere Ausstrahlung geben. Mit sichtlichem Stolz erfüllt es ihn, die Fenster im Chorraum der St.-Johannis-Kirche in seinem Heimatort zu betrachten, von denen er einen Teil vor Jahrzehnten nach bestem Wissen repariert hat. „Was die Vorderen hier gemacht haben und wie sie gearbeitet haben, das sind Meisterleistungen“, sagt er anerkennend. Mindestens 10 dieser alten Fenster hat er nach behutsamem 110 Kätner, Koter, Köter, Kötter, Kossater waren Dorfbewohner, die einen Katen besaßen, aber nur geringen Landbesitz, so dass sie Hand- und Spanndienste für Bauern leisten mussten. 111 Mecklenburgische Bauernlisten des 15. und 16. Jahrhunderts. Heft 2. Amt Bukow mit dem Lande Poel. Schwerin 1938.

Ausbau wieder akkurat instandgesetzt. Das war nicht immer einfach, vor allem, weil echtes Zinn in der DDR kaum zu beschaffen war. Für diese Puzzelarbeit ließ er sich Zeit. Denn nicht nur das alte Blei musste erneuert werden, sondern so manches Glasteil war zertrümmert worden und musste sorgfältig ersetzt werden. Dafür galt es im Vorfeld Zeichnungen, Modelle und Schablonen anzufertigen. Im Gespräch fügt er bescheiden hinzu: „Alle Fenster in der Reriker Kirche habe ich ebenfalls in etwa 10 Jahren repariert. Ja, es war eine Herausforderung. Ich habe mich ihr gern gestellt.“ Das Einfamilienhaus des heutigen Rentners zieren prächtige Glasfenster, seine letzte Werkstatt hat er umgebaut, doch überall ist die geschickte Hand des Kunsthandwerkers sichtbar, und Glasschneider, Schablonenschere, Bleimesser und Glasbrechzange sind sorgsam in den Schubfächern aufbewahrt.


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AUS DEM KIRCHSPIEL BRUNSHAUPTEN (VOM 18. BIS BEGINN DES 20. JAHRHUNDERTS) Aus dem Mecklenburg-Schwerinschen Staats­ kalender/Wochenblatt112: 1762 Kirchspiel113 Brunshaupten/Arendsee: 300 Pers., davon in Arendsee 28 Mä. & 32 Frauen in Brunshaupten Niederhag 29 Mä. & 38 Frauen in Brunshaupten Oberhag 49 Mä. & 48 Frauen 29 schulpflichtige Kinder besuchen gemeinsam die einklassige Schule in Brunshaupten.

Zum Kirchspiel gehören: Biendorf, Büttelkow, Gersdorf, Harmshagen, Horst, Wichmanndorf, Wischuer, Arendsee, Brunshaupten 1804 Kirchspiel Biendorf und Brunshaupten: 548, davon 219 schulpflichtige Kinder über 5 Jahre (Landesherrschaft)

1800 Kirchspiel Biendorf und Brunshaupten: 547 Personen, davon 176 schulpflichtige Kinder über 5 Jahre (Landesherrschaft) 112 Herzoglich Mecklenburg-Schwerinscher Staatskalender verschiedner Jahre. 113 Pfarrbezirk, in dem die Ortschaften einer bestimmten Pfarrkirche und deren Pfarrer zugeordnet sind.

▲ Aus dem Kirchenbuch 1771. Landeskirchliches Archiv Schwerin


Aus dem Kirchspiel Brunshaupten (vom 18. bis Beginn des 20. Jahrhunderts) | 63 ◀ C.C. Gundlach Alten Gaarz. Hamburg 1850 Lithographie, koloriert. Signatur UB Rostock Ansichten Rerik 1c86

Zum Kirchspiel gehören: Biendorf, Büttelkow, Gersdorf, Harmshagen, Horst, Wichmanndorf, Wischuer, Arendsee, Brunshaupten Brunshaupten Hof und Dorf: Kirche, Schule, 13 Dreiviertel-, 6 Viertelhufner114, 10 Büdner115, Mühle und Schmiede, 1 Holzvogt Arendsee: 5 Voll-, 2 Halbhufner, 2 Büdner Fulgen: (zum Amt Doberan gehörend) Strandvogt Gerdes

▲ Aus dem Kirchenbuch. Landeskirchliches Archiv Schwerin

1817 Kirchspiel Biendorf und Brunshaupten: 581 Personen, davon 201 schulpflichtige Kinder über 5 Jahre (Landesherrschaft) Zum Kirchspiel gehören: Biendorf, Büttelkow, Gersdorf, Harmshagen, Horst, Wichmanndorf, Wischuer, Arendsee, Brunshaupten Brunshaupten: Kirche, Schule, 12 Dreiviertel6 Viertelhufner, 14 Büdner, Wasser- und Windmühle, Holzwärter und Schmiede Arendsee: 5 Voll-, 2 Halbhufner, 5 Büdner Fulgen: Gerdes (zum Amt Doberan gehörend) 114 1 Hufe = 10 Last = 100 Scheffel Aussaat = 13,0070016 ha = 130.070,016 m² (Mecklenburg-Schwerin) 1 Hufe (bontinierte H.) = 30 Last = 300 Scheffel Aussaat = 39,0210048 ha = 390.210,048 m² (Mecklenburg-Schwerin, für die Steuer), 1 Hufe (katastrierte H.) = 60 Last = 600 Scheffel Aussaat = 78,0420096 ha = 780.420,096 m² (Mecklenburg-Schwerin) 115 Kleines ländliches Anwesen. Per Dekret in Mecklenburg 1753 eingeführt, um die Landflucht zu mindern. Den Büdnern wurden ursprünglich etwa 1 Hektar Acker verpachtet und das Weiderecht. Im 19. Jahrhundert vergrößerten sich die Büdnereien auf etwa 5 Hektar. Im Gebäude lebten Menschen und Tiere unter einem Dach.

1821 Präpositur Bukow Kirchspiel Biendorf und Brunshaupten: 653 Seelen, davon 392 schulpflichtige Kinder über 5 Jahre (Landesherrschaft) Brunshaupten: Kirche, Schule, 12 Dreiviertel-, 6 Vierviertelhufner, 14 Büdner, Erbwasser- und Windmühle, Holzwärter, Erbschmiede Arendsee: Schule, Schmiede, 5 Voll-, 2 Halbhufner, 5 Büdner, 6 Siebenachtelhufner, Schmiede 1835 Kirchspiel Biendorf: 710 Personen, davon 455 schulpflichtige Kinder über 5 Jahre (Landesherrschaft) Zum Kirchspiel gehören: Biendorf, Büttelkow, Gersdorf, Harmshagen, Horst, Wichmannsdorf, Arendsee, Brunshaupten, Holzwärter Heinrich Wiese im Hundehagenschen Forst


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Brunshaupten: Kirche, Schule, 12 Dreiviertel-, 6 Viertelhufner, 14 Büdner, Erbwasser- und Windmühle und Erbschmiede Arendsee: 5 Voll-, 2 Halbhufner, 6 Büdner Fulgen: Erbpächter Gerdes 1840 Kirchspiel Biendorf: 783 Personen, davon 508 schulpflichtige Kinder über 5 Jahre (Landesherrschaft) Zum Kirchspiel gehören: Biendorf, Büttelkow, Gersdorf, Harmshagen, Horst, Wichmannsdorf, Wischuer, Brunshaupten, Arendsee Brunshaupten: Kirche, Schule, 1 Erbpächter, 11 Halb-, 6 Achtelhufner, 14 Büdner, Erbwasserund Windmühle, Holzwärter und Erbschmiede Arendsee: 5 Halb-, 2 Viertelhufner, 6 Büdner Fulgen: Erbpächter Gerdes 1845 Kirchspiel Biendorf: 815 Personen, davon 530 schulpflichtige Kinder über 5 Jahre (Landesherrschaft) Zum Kirchspiel gehören: Biendorf, Büttelkow, Gersdorf, Harmshagen, Horst, Wichmannsdorf, Wischuer, Brunshaupten, Arendsee Brunshaupten: Kirche, 2 Schulen, 1 Erbpächter, 11 Halb-, 6 Achtelhufner, 14 Büdner, Erbwindmühle, Holzwärter Arendsee: 5 Halb-, 2 Viertelhufner, 5 Büdner Fulgen: Erbpächter Gerdes Wochenblatt 1849 S.253 Kirchspiel Biendorf: Biendorf, Büttelkow, Gersdorf, Harmshagen, Horst, Wichmannsdorf, Wischuer, Arendsee, Brunshaupten Anzahl der Seelen: 1.541 1850 Doberaner Superintendentur Kirchspiel Biendorf: dazu gehören: Biendorf, Büttelkow, Gersdorf, Harmshagen, Horst, Wich-

mannsdorf, Wischuer, Brunshaupten, Arendsee Brunshaupten: Kirche, 2 Schulen, 1 Erbpächter, 10 Halb-, 6 Achtelhufner, 14 Büdner, 5 Häusler, Erbwindmühle, Holzwärter, Erbschmiede Arendsee: 1 Erbpächter, 4 Halb-, 2 Viertelhufner, 7 Büdner und 7 Häusler Fulgen: Erbpächter Gerdes 1880 Kirchspiel Brunshaupten: 514 Personen, davon 280 schulpflichtige Kinder über 5 Jahre (Landesherrschaft) Holzwärter Friedrich, Carl Heinrich Schmidt im Hundehagener Forst Brunshaupten: Pfarrkirche, Schule (2), Industrie-Schule, 16 Erbpächter, 1 Achtelhufner, 17 Büdner (1 Krüger, 2 Schmiede, 1 Müller, 31 Häusler, Holzwärter) Arendsee: 7 Erbpächter, 7 Büdner, 19 Häusler, Schule Fulgen: Erbpächter Wittholz 1900 Brunshaupten: Poststation, Pfarrkirche, Schule (3 Klassen), Industrie-Schule (2 Klassen), 16 Erbpächter (1 Ziegler, 1 Badewirt), 31 Büdner ( 1 Krüger, 2 Schmiede, 1 Müller), 91 Häusler (1 Krüger, 3 Hotelwirte, 13 Badewirte, 1 Holzwärter) Arendsee: 7 Erbpächter, 7 Büdner (1 Schenkwirt), 40 Häusler (1 Krug, 4 Hotelwirte, 1 Schmiede), Schule und Industrie-Schule Fulgen: Erbpachthof, Fred Wittholz´ Erben (Badeanstalt Gastwirt) 1915 Präpositur Doberan Kirchspiel Brunshaupten: 1.686 Erwachsene, 800 Kinder (Landesherrschaft) Brunshaupten: Poststation, Pfarrkirche, 1 Privatschule, Schule (6), Industrieschule (2), 10 Erbpächter (1 Gastwirtschaft, 1 Ziegelei), 66 Büdner (1 Krug, 1 Gastwirtschaft, 2 Schmiede, 1 Windmühle), 215 Häusler (1 Rahmstation, 1


Aus dem Kirchspiel Brunshaupten (vom 18. bis Beginn des 20. Jahrhunderts) | 65

Krug, 10 Gastwirtschaften, 1 Kurhaus), Seebad, 1 Arzt, Apotheke, Hospiz, Warmbadeanstalt, Badeanstalt (mit Familienbad), Wasserleitung, Bahnhof (Schenkwirtschaft), Gendarmeriestation Arendsee: Poststation, 7 Erbpächter, 22 Büdner (1 Kurhaus, 1 Krug) 128 Häusler (1 Krug, 6 Gastwirtschaften, 1 Schmiede), 1 bebautes Eigentumsgrundstück, Schule (2) und Industrieschule, Seebad, 1 Arzt, Wasserleitung, Warmbadeanstalt, Badeanstalt, Bahnhof (Schenkwirtschaft), Rettungsstation für Schiffbrüchige Fulgen: Erbpachtgut (Badeanstalt, Gastwirtschaft), Haltepunkt

Statistik aus der Kirchenchronik 1700–1710116 Jahr Taufen 1700 11 1701 15 1702 10 1703 14 1704 16 1705 8 1706 13 1707 9 1708 6 1709 6 1710 8

Hochzeiten Sterbefälle 5 15 12 6 9 3 3 1 5 2 5 3 5 5 2 3 4 3

Statistik der Kirchenchronik 1800–1810117 Jahr Taufen Hochzeiten Sterbefälle 1800 19 3 4 1801 16 3 7 1802 12 6 7 1803 23 3 8 1804 15 4 6 1805 17 1 12 1806 20 5 5 1807 17 7 9 1808 22 4 11 1809 11 8 11 1810 27 6 7

▲ Großherzoglich Mecklenburg Schwerinscher Staatskalender 1915.

116 Aus den Kirchenchroniken der Pfarre Brunshaupten. Landeskirchliches Archiv Schwerin 117 ebenda


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KIRCHE UND LANDSCHULWESEN Aus: Christliche Schulen: Über die Lehrer „So man nu aus den selbigen Büchern die Lere lernen mus/ so ist hoch nötig/ das etlich sind die lesen können/ Vnd wer andere vnterrichten sol/ der mus selb zuvor bey sich/ ein ordenliche Summa der gantzen Lere haben/ vnd wissen wo vnd wie alle Artickel in Göttlicher Schrifft nach einander gegründet vnd erklert sind. Vnd damit man gewis sey vom verstand Göttlicher Schrifft/ müssen viel sein/ die der Propheten und Apostel sprach verstehen/ vnd vom gründlichen verstand bericht thun/ vnd zeugnis geben können. Vnd in Summa/ wer andere Leut recht vnd ordenlich vnterweisen sol/ der mus gerüst sein mit löblichen Künsten / die zu solchem werck dienlich sind.“118 118 Kirchenordnung Im Herzogthumb zu Mecklenburg. Wittenberg 1552. S. 124

Eine Veränderung in der Kirchenordnung von 1552 zu der des Jahres 1602 1552 Und dieweil uns hiebe vor zum öfftern bericht einkommen, das in vorigen visitationibus befunden worden, wie die armen leut im catechismo so wenig unterrichtet sein, so sol insbesonderheit bey der visitation befehl geschehen, das in allen kleinen stedten und dörffern die pastores oder diaconi am sontage zur vesper die leut im catechismo unterweisen, und da der pastor zwo kirchen bereisen muß, sol er doch den einen sontag in der einen und den folgenden Sontag in der andern kirchen den catechimum ablesen und ein stück kürtzlich und einfeltig erkleren und alsdenn auch die kinder nach einander öffentlich fragen in der Kirchen und antwort von inen hören.


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1602 „Darnach sollen die visitatores selb etliche von den alten und von den jungen aus den dorffschafften im cathechismo verhörn und erkunden, ob sie rechten verstand haben von christlicher lere und gott recht anruffen. Und in sonderheit sol in der visitatio befehl geschehen, das in allen kleinen stedten und dörffern die pastoren oder diaconi am sontag zur vesper die kinder ordenlich unterweisen in catechismo, also das sie die Kinder nach einander fragen und öffentlich in der kirchen antwort von inen hören. Und soll den hausvetern durch die visitatores ernstlich geboten werden, das sie iren Kindern zu dieser verhör des catechismi alle sontags zu komen gebieten. Dazu sollen die pastores und amptleut die hausveter vermanen.119 Die Landschulen „Aber das Amt blieb zähe, und der Landesherr war in seinen Bestrebungen beharrlich, und langsam hob sich die Wirtschaft des Domanialbauern aus der Versumpfung. Damit aber auch der edle Teil des Menschen nicht zu kurz komme, begann die Fürsorge für die Landschulen, und zwar im 17. Jahrhundert. Der Gedanke, dass es Pflicht der Regierung sei, für die Geringsten im Lande Schulen einzurichten, ist in der Reformation begründet. Sollte ein Christ, unabhängig von der Mittlerstellung der Priester und der Bevormundung der Kirche, selbst aus dem Worte Gottes lernen, was zu seinen Seelen Seligkeit notwendig sei, so mußte er lesen können, und um die nötige Klarheit über die Hauptsachen zu gewinnen, war ihm Unterricht im Katechismus nötig. Daraus ergiebt sich, dass die Landschulen ihre Erstlingsaufgaben sofort knapp bestimmt vorfanden, Unterricht im Lesen und im Erlernen der Gebete, Gesänge, Sprüche und besonders des Katechismus. Wie 119 Kerbauch, Karl: Das Unterrichtswesen der Großherzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Strelitz. Band 1: Urkunden und Akten zur Geschichte des mecklenburgischen Unterrichtswesens. Berlin 1907

und wo solche Landschulen zuerst eingerichtet wurden, liegt in einem Dunkel, das wohl niemals gelichtet werden wird, weil Urkunden darüber nicht vorhanden sind. Wir erfahren nur durch die Schulzen- und Bauernordnungen (z. B. vom 1. Juli 1702, Nr. 38) dass die Schulmeister auf dem Lande sollen wohl erhalten werden. Die ältesten Schulordnungen oder landesherrlichen Schulerlasse verlangen, dass die Kinder sollen in die Schule geschickt werden; wo keine Schulen sind, sollen die Kinder zum Prediger in Unterricht gehen; es ist aber nicht befohlen. Dass Schulen eingerichtet werden sollen, auch nicht gesagt, wie die vorhandenen entstanden. Sie finden sich vor, wie sie wohl in Anregungen der Kirchen-Ordnungen entstanden oder besser wieder hergestellt sind. Wir sehen da den Schulmeister, etwa einen Flickschuster oder einen abgedankten Soldaten, in seinem Hüttlein während der Winterzeit mitten unter den Kindern, zu deren Einsendung die Bauern durch scharfe Befehle und Strafgelder gezwungen sind, hocken und Schuhe flicken, Kleider bessern und sonst ein Handwerk treiben, das es zuläßt, dass er den Kindern den Memorierstoff vorspricht oder abhört. Kann er lesen, so mag er auch wohl auch seine Wissenschaft weiter geben. Er führt, der Zeit und der Roheit entsprechend, ein äußerst scharfes Regiment und dankt Gott, wenn die Osterzeit naht, die ihn von seiner Plage befreit. Immerhin aber war mit solcher Einrichtung ein Grund gelegt, auf dem sich weiter aufbauen ließ. Die erste Verordnung im Herzogtum Schwerin stammt aus dem Jahre 1685. Einige Zeit vorher war schon Gustav Adolf in Güstrow (1681) vorgegangen. Und acht Jahrzehnte erst später folgte die Bestimmung, dass nur ordentlich geprüfte und examinierte Lehrer im Domanium angestellt werden sollten.“120

120 Frahm, Gesetze betreffend das gesamte Volksschulwesens in Meckl. Schwerin. Parchim 1884


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Über die Elementarschule auf dem Lande (19. Jahrhundert) „Auf den Dörfern soll der Pastor oder Küster samt ihren Frauen Schule halten und etliche Knaben und Mägdlein im Katechismus, Gebet, Lesen, Schreiben, Rechnen unterweisen, damit die jungen Leute nicht aufwachsen wie das unvernünftige Vieh“.121 „Wer `n klein bäten lihrt hadd, dee künn scholmeistern. Mien Lihrer wir `n Snieder, dee müsst sein Brot mit de Nadel nebenher verdeenen.“122 Lehrerbildungsseminare: Leiter waren meist Pastoren Schulaufsicht: örtliche Pastoren Nach der Schulverordnung 1869: Einsatz von 2 Schulvorstehern (Dorfschulze und ein gewählter Vertreter der Gemeindeversammlung, beide von evangelisch-lutherischer Konfession) Erstmalig Ausbildungsseminar für Landschullehrer in den Gutsdörfern Verpflichtung des Pastors: Halbjährliche Beratung mit den Schulvorstehern über Schulangelegenheiten Besoldung: Küstern, Organisten und Dorfschullehrern stand nach dem 30-jährigen Krieg bis in das 18. Jahrhundert neben dem Schulgeld zu: einen Ertrag der Äcker und Naturallieferungen wie Roggen, Hafer und Gerste, Eier, Brot, Würste usw. durch die Gemeinde. Heinrich Schreiber: Aus schwerer Zeit „Bald treffen wir auf die Wohnung des Küsters Christoph Ulrich Metelmann. In freundlicher Weise zeigt er uns seine einfachen Wohnräume in dem alten, mit Stroh gedeckten Hause … Jedes Schulkind muß ihm wöchentlich einen Schilling Schulgeld mitbringen, auch erhält er 121 Lexikus: Landschulwesen in Mecklenburg-Schwerin – Einleitung allgemeine Verhältnisse Beyer, C.: Kulturgeschichtliche Bilder aus Mecklenburg. Berlin 1903. S. 58 122 Lachs, Johannes: Die „Affäre Golchen, Kraaz und Necheln“ In: Jahrbuch für Erziehungs- und Schulgeschichte 2, 1962. S. 229–238

jährlich 8 Fuder Holz. Er klagt über schlechten Schulbesuch, der ein gedeihliches Wissen der ihm anvertrauten Kinder hemmt. Seine Frau hat unser Gespräch gehört. Frau Metelmann klagt über den schlechten Zustand ihres Hauses. Denn vier Jahre später wird im ganzen Lande eine zweifache Sammlung für den Neubau des Küsterhauses veranstaltet. Freilich hat Frau Lucia Agneta Metelmann sich des neuen Wohnhauses nicht mehr erfreuen können. Ihr hat Gott schon einen anderen Wohnort angewiesen. Sie starb im Jahre 1765. Der Bau des Hauses wurde einige Jahre darauf vollendet ...“ „Aus dem Mecklenburg-Schwerinschen Staatskalender 1763 Eine Hauptsache in diesen Schulen ist eine verständliche und erbauliche Catechisation, welche täglich Morgens, gleich nach verrichtetem Singen und Gebet, kann vorgenommen werden.“123 Über die Einrichtung des Landschulwesens Aus dem Staatskalender 21. Juli 1821 „Paragraph 11 In den Kirch- und Pfarrdörfern ist in der Regel der jedesmalige Küster auch Schullehrer, indessen bleibt die Anstellung eines anderweitigen Schullehrers unbenommen, in so ferne nicht bereits begründete Rechte verletzt werden. Aus Paragraph 12 Die Einführung und Anweisung der Schullehrer geschieht, nach zuvorigem Auftrage der Ortsobrigkeit, durch den competirenden Prediger. Aus dem Paragraph 22 Den Predigern aber liegt es, … , als Theil ihrer Amtspflichten ob, die Schulen in ihren Gemeinden fleißig und mindestens alle Monate zu besuchen und 123 Aus dem Mecklenburg-Schwerinschen Staatskalender, Neue vollständige Gesetz-Sammlung für die Mecklenburg-Schwerinschen Lande: vom Anbeginn der Thätigkeit der Gesetzgebung bis zum Anfange der 19ten Jahrhunderts, in fünf Bänden. Parchim 1835


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den Schulmeisters Anleitung zu geben, wie sie die Kinder unterrichten sollen, auch selbige bei dieser Gelegenheit zu prüfen, um ihre Fortschritte im Unterricht wahrnehmen zu können. Die Unterlassung dieser regelmäßigen Schul-Visitationen, von Seiten der Prediger, soll auf das nachdrücklichste geahndet, und den Präpositen hiedurch aufgeben seyn, darauf daß selbige vorschriftsmäßig geschehen, ein wachsames Auge zu haben.“124 Leistungen für die Lehrer Kröpelin-Neubukower Anzeiger, 26.03.1880: „Die Lehrer wenden sich mit ihren Anliegen in Betreff der von den Gemeinden zu leistenden Schuldienste gewöhnlich an die Erbpächter, welche ihnen, als die zur Zeit Pflichtigen bekannt sind, und beschweren sich, wenn dieselben ihren gesetzlichen Verpflichtungen ganz oder zum Theil nicht nachkommen wollen, beim Amte. Dies Verfahren ist aber kein ganz richtiges. Verpflichtet zu den Schuldiensten ist dem Lehrer gegenüber nicht der einzelne Erbpächter, sondern die Gemeinde; der Lehrer hat daher richtig seine Wünsche im Betreff der Schuldienste dem Schulzen vorzutragen, ihm anzuzeigen, wenn der von dem Schulzen etwa bezeichneten Erbpächter nicht kommt oder nicht die nöthigen Leute zum Aufladen usw. schickt, und Sache des Schulzen ist es, die Erbpächter in der unter ihnen vereinbarten oder herkömmlichen Reihenfolge anzusagen.

ausführen zu lassen und die Rechnung dann bei dem Amte einzureichen, damit der Betrag von dem säumigen Erbpächter eingetrieben werde. Nach § 5 der Schulordnung vom 29. Juni 1869 haben die Gemeinden auf den Schulländereien zu beschaffen Das Pflügen und Eggen, beziehungsweise Walzen des Ackers und Aufziehen der Gräben Das Aufladen, Abfahren, Abziehen und Ausstreuen des Dunges Das Säen des Korns Das Aufladen, Einfahren und Abladen des Getreides und des Heus Und ist der Schullehrer verpflichtet, seine etwaigen Dienstleute zur Beihülfe bei diesen Arbeiten zu stellen. Doberan, den 20. März 1880 Großherzogliches Amt“

Erst wenn der Schulze sich weigert, auf die Anträge des Lehrers einzugehen, ist eine Beschwerde beim Amte zulässig. Durch unbegründete Weigerung, die Arbeiten auf den Schulländereien rechtzeitig (d.h. zugleich mit ihren Hufen) auszuführen zu lassen, machen die Schulzen sich verantwortlich. Die Schulzen werden aufgefordert, die Schuldienste, deren der an der Reihe (be)findlichen Erbpächter sich weigert, ohne Weiteres für Geld 124 ebenda

▲ Verpachtung der Küstereiländereien. Akte 2.S.3.a.229. Archiv des Lk. Rostock


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Ostseebote, 12.12.1883 „Bastorf, 6. Dez. … Herbstversammlung des Bastorfer Lehrervereins: Diskussion über das Thema: Ist die Gründung von Schulbibliotheken auf dem Lande Bedürfnis?

Zustimmung des Großherzogs „Thun kund und geben hiermit zu wissen, daß Wir den zwischen Unserem Amte in Doberan und dem Pastor Klingenberg zu Brunshaupten unter dem 7./9. Juli 1902 abgeschlossenem, hier angehefteten Vertrag über den Austausch einer Fläche des Küsterackers zu Brunshaupten mit einer Fläche der Erbpachthufe Nr. 5 daselbst in einem §§ 1–4 allen Inhalt Landesherrlich genehmigt haben und Kraft dieses bestätigen. Urkundlich unter Unserer Unterschrift und beigedrucktem Siegel. Gegeben durch Unser Finanzministerium, Abteilung für Domainen und Forsten. Schwerin, den 8. September 1902 Friedrich Franz“ 125

▲ Anzahl der Schulkinder in Brunshaupten von 1896–1901. Akte 2.S.3.a.229. Archiv des Lk. Rostock

Themata für die nächstjährigen Konferenzen: Gesundheitslehre und Gesundheitspflege in der Volksschule Was hat die Schule zu thun, und wie und wodurch vermag sie auch an ihrem Theile mitzuhelfen, daß die in letzter Zeit immer mehr um sich greifende Sünde des Meineides gemindert werde? Die Spiele der Jugend und ihre Bedeutung für die Schule, und wie kann der Lehrer auf dieselben einwirken.“ ▲ Genehmigung eines Flächentausches durch den Großherzog Friedrich Franz IV. 1902. Akte 2.S.3.a.229. Archiv des Lk. Rostock. Siehe auch Seite 206. 125 Akte 2.S.3.a.229. Archiv des Lk. Rostock


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Küsterland „Großherzogliches Amt Bad Doberan Doberan, 11. Februar 1902 Wenn das Amt vom Oberkirchenrath in Schwerin ersucht worden ist, sich in Hinblick auf die Wahrung der kirchlichen Interessen über den von Ihnen gewünschten Austausch zwischen Ihrer Erbpachthufe Nr. 5 daselbst und den angrenzenden Küsterländereien ernstlich zu äußern, so wollen Sie eventl. unter Mitunterschrift des Küsters Heine daselbst alsbald hierher mitteilen, ob und in welchem Sinne Sie sich mit dem Küster Heine über die näheren Bedingungen des fraglichen Austausches geeinigt haben bzw. welche Abstimmigkeiten bestehen und wie Sie selbige zu beseitigen gedenken. Großherzogliches Amt Detmering“ 126

▲ Brief an den Erbpächter Nr. 5 Richard Hoepfner Brunshaupten. Akte 2.S.3.a.229. Archiv des Lk. Rostock 126 ebenda

Schulangelegenheiten von 1903 bis 1910 Ostsee-Bote, 29.10.1904 Brunshaupten, 26. Okober. Heute morgen wurden hier mit Beginn der Winterschule die Seminaristen Felten-Bützow und Kuhlow-Parchim als zweiter resp. dritter Lehrer der hiesigen Schule in Gegenwart des Schulvorstandes, des ersten Lehrers und vor versammelter Schule durch den Ortsgeistlichen Pastor Schreiber eingeführt. Ostsee-Bote, 04.01.1905 Brunshaupten, 2. Januar. Nachdem neben der vierklassigen Ortsschule eine Privat-Knabenschule schon lange hierselbst bestanden hat, will man zu Ostern d. Js. auch eine höhere Privat-Mädchenschule ins Leben rufen, die zunächst aus zwei Klassen bestehen soll. Die Leitung wird einer Lehrerin übertragen werden, die das Staatsexamen bestanden hat, während den Unterricht in der zweiten Klasse eine Lehrerin mit Superintendenturexamen übernehmen wird. Sobald den Wünschen der Einwohner unseres Ortes entsprechend die hiesige Ortsschule mit der zu Arendsee vereinigt und zu einer sechsklassigen Anstalt umgestaltet sein wird, dürfte mit dieser und mit den Privatschulen allen billigen Anforderungen Genüge geschehen sein. Mit dieser Ausgestaltung unseres Schulwesens aber würde einem sich hier immer mehr geltend machenden Bedürfnis abgeholfen werden. Ostsee-Bote, 01.02.1905 Brunshaupten, 31. Januar. Die Feier des Geburtstages unseres Kaisers nahm auch hier einen schönen Verlauf. Am Vormittag hielten die einzelnen Klassen unserer Ortsschulen in den von den Mädchen festlich geschmückten Zimmern ihre Feier mit Ansprache, Gesang und Deklamation ab. War diese Schulfeier aus Mangel an einem größeren Raume nur für die Kinder selber berechnet, so stand unserer Privatschule in „Schwemers Hotel“ (heute Neue Reihe 19) der große Saal zur Verfügung, so daß hier auch die Eltern und Freunde der


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Schule teilnehmen konnten. Die Feier begann bei dicht besetztem Saale mit dem Liede: „Lobet den Herren“, V.1-3, worauf der Leiter der Anstalt, cand. Romberg, die Festrede hielt, an die sich der Gesang der Kaiser-Hymne anschloß. Darauf wechselten Deklamationen und patriotische Lieder mit kleinen dramatischen Vorführungen, die eine tüchtige Schulung und ein gutes Verständnis der Kinder verrieten. Die Feier fand den verdienten Beifall in hohem Maße.

Brunshaupten, 31.01.1905. Mit der gemeinsamen sechsklassigen Schule für Brunshaupten-Arendsee scheint es jetzt Ernst zu werden. Wie wir hörten, haben schon Vorberatungen stattgefunden. Auf Grund dieser Besprechung sollen die Grundlagen und die Schulordnung ausgearbeitet werden. Als äußerster Termin für Eröffnung der Schule hat man Ostern 1907 in Aussicht genommen. Jedoch gibt man sich hier vielfach der Hoffnung hin, daß die Angelegenheit sich noch beschleunigen läßt.

Ostsee-Bote, 15.02.1905 Brunshaupten 14. Februar. Die höhere Mädchenschule wird, wie wir hören, ebenso wie die Privat-Knabenschule in der „Zweiten Reihe“ ihr Heim finden. Für erstere hat man die Villa „Seestern“ in Aussicht genommen, während letztere sich in der Villa „Boldt“ befindet. Die Mädchenschule ist zunächst auf zwei Klassen berechnet. Als Lehrerin wird eine staatlich geprüfte, als zweite Lehrerin eine, die Superintendenturexamen gemacht hat, angenommen werden.

Ostsee-Bote, 18.02.1905 Brunshaupten, 17. Februar. Wie wir hören, soll von Michaelis ab bis zur Fertigstellung des neuen Schulhauses für Brunshaupten-Arendsee in Bruns­haupten ein vierter und in Arendsee ein zweiter Lehrer angestellt werden. Allerdings dürfte es schwierig sein, ein geeignetes Schulzimmer zu mieten. Sind hier doch Mietswohnungen überall nicht sehr reichlich vorhanden, da man seine Villa lieber den Badegästen zur Verfügung stellt. Auch fehlen solche Zimmer, die für 40 bis 50 Kinder ausreichend wären. Ein solches aber müßte man in Arendsee schon haben. Daher wird der Wunsch hier immer mehr rege, daß das neue Schulhaus möglichst bald fertig gestellt und bezogen wird. Es dürfte dann auch der häufige Wechsel der jüngeren Lehrer beseitigt werden. Gedenkt man den Lehrern doch ein Anfangsgehalt von 1.000 Mk. zu geben, das bis 2.000 Mk. steigen soll, während die kleinen Städte in der Regel nur 850 bis 1.700 Mk. bewilligen. Auch den Rektor der Schule hofft man durch ein besseres Gehalt (1.800 bis 2.400 Mk.127)

▲ Höhere Knabenschule in Brunshaupten. Sammlung: Wolfgang Baade

Ostsee-Bote, 01.02.1905 Arendsee, 30.01.1905. Zur Kaiser-Geburtstagsfeier hatte der hiesige Kriegerverein eine größere Festlichkeit mit dramatischen Aufführungen veranstaltet, die am Sonntag in „Wieck’s Hotel“ eine Wiederholung fanden. Ein Ball hielt die Teilnehmer der Feier noch lange in fröhlichster Stimmung beisammen. Lehrer Peters wurde zum Ehrenmitglied des Kriegervereins ernannt.

auf längere Zeit hier behalten zu können, wenn es nicht gelingen sollte, einen solchen Leiter für die Schule zu gewinnen, der dauernd hier bliebt.

Anfangsbesoldung für den Inhaber der Familienschul- und Küsterschulstelle in Brunshaupten 1907. Akte 2.S.3.a.229. Archiv des Lk. Rostock ▶ 127 Jahresgehalt


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Ostsee-Bote, 23.02.1905 Kröpelin, 22. Februar. Eine Urlaubsverordnung für die Lehrer im Domanium hat jetzt das Großherzogliche Ministerium erlassen. Danach darf kein Lehrer ohne Genehmigung des Predigers den Unterricht auch nur während einzelner Stunden ausfallen lassen. Wird er jedoch durch eintretende Umstände dazu genötigt, so hat er dem Pastor ungesäumt schriftlich Anzeige zu machen. Der Prediger darf einen Lehrer für drei Tage, das Großherzogliche Amt für 14 Tage dispensieren, für längere Zeit erteilt das Ministerium die Erlaubnis. Ostsee-Bote, 29.03.1905 Kröpelin, 28. März. Vor der Schulzeit keine Schulzeit. „Das ist doch aber ein Nonsens“ wird mancher Leser beim Lesen der Ueberschrift sagen. „Vor der Schulzeit gibt es ja keine Schulzeit.“ – Doch lie-

ber Leser! Wenn auch nicht offiziell, sondern nur privat. Es gibt nämlich viele Eltern, die einen besonderen Stolz darin setzen, bei der Einschulung ihres Kindes dem Lehrer vorzuerzählen, was es alles schon kann. Und dieser Mann ist so sonderbar, daß ihm gar nicht mal viel daran gelegen scheint, wenn Gretchen schon bis 100 zählen kann und das Einmaleins aufsagen, oder Paul seinen Namen sogar auf Lateinisch schreiben kann. Warum wohl nicht? – Lieber Leser? Wenn der undankbare Herr Lehrer nun mal dem Gretchen, das bis 100 zählen kann, sagt: „Zeige einmal 7 Finger“, oder dem Paul, der seinen Namen so schön schreibt: „Scheibe ein „i“, dann können es alle beide nicht, weil diese „Kleinigkeiten“ nicht mit ihnen geübt, besser gesagt „eingepaukt“ sind. Denn der ganze Ballast, den die Kleinen zur Schule mitbringen, ist nichts als Mühe und Not eindressiertes, wertloses Zeug, das die Kinder beim Erlernen gar nicht verstanden und begriffen haben. Besser wäre es gewesen, die Eltern hätten ihre Kleinen beim Spiel gelassen, anstatt ihnen schon vor der Schulzeit den Kopf zu zerbrechen und das Herz schwer zu machen. „Denn“ so denkt das Kind, „wenn Vater oder Mutter schon jetzt mit mir so umgehen, wie wird es erst bei dem fremden Lehrer in der Schule werden!“. Und das verängstigt das Kinderherz und verschließt es dem Lehrer und erschwert ihm seine Arbeit, ganz abgesehen davon; daß den Kindern von den Eltern oft etwas Falsches beigebracht wird, daß den heutigen Schulforderungen gar nicht mehr entspricht. Darum noch einmal und immer wieder: Vor der Schulzeit keine Schulzeit. Ostsee-Bote, 19.04.1905 Brunshaupten, 18. April. Bald nach Ostern soll in unserer öffentlichen Schule wahrscheinlich der Turnunterricht eingeführt werden. Die Mittel zur Beschaffung von Trommeln, Pfeifen und einem Signalhorn sind für den Fall, daß der Turnunterricht beginnt, schon von der Dorfversammlung


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bewilligt worden. Später wird ein Turnplatz in unmittelbarer Nähe des neuen Schulhauses angelegt werden. Die Schillerfeier am 9. Mai wird in Brunshaupten und Arendsee sowohl in den öffentlichen als auch in den Privatschulen auf einzelne Klassenfeiern beschränkt werden, da es den Schulen an einem Raume zu größeren festlichen Veranstaltungen fehlt. Ostsee-Bote, 10.05.1905 Brunshaupten, 8. Mai. Unsere Ortsschule vermag gute Erfolge aufzuweisen, die freilich mit voller Besetzung aller Lehrerstellen noch bedeutend gemehrt werden dürften. Die vierte Klasse ist nicht überfüllt, so daß den Kindern eine gute Grundlage gegeben wird, auf der in den späteren Klassen trefflich weiter gebaut werden kann. Was bisher in den Schulen unseres engeren Vaterlandes nur selten durchgeführt wurde und sich vielfach bei der Ueberfüllung der Grundklasse auch schwer durchführen läßt, daß die Kinder schon im ersten Schuljahre ein leichtes Diktat ziemlich richtig zu schreiben lernen, ist hier erreicht worden. Unsere Lehrer sind nach besten Kräften bemüht, den Kindern ein gutes Wissen für das Leben zu vermitteln. Man gibt sich hier der Hoffnung hin, daß zu Michaelis für Brunshaupten der vierte und für Arendsee der zweite Lehrer berufen wird. Ostsee-Bote, 16.08.1905 Brunshaupten, 15.08.1905. Die Anfertigung des Baurisses für das bis Michaelis 1906 zu beziehende und zunächst auf acht Klassen berechnete Schulhaus hierselbst ist dem hiesigen Architekten Krause übertragen worden, der auch das Hotel „Hansa-Haus“ erbaut hat. Für das Schulhaus ist Zentralheizung vorgesehen. Außer den Schulklassen und dem Zimmer für Handarbeits-Unterricht ist nur noch die Wohnung des Schuldieners im Schulhause unterzubringen. Ein Turn- und Spielplatz wird in unmittelbarster Nähe zwischen Wald und Schulhaus eingerichtet werden.

Ostsee-Bote, 15.11.1905 Brunshaupten-Arendsee, 14. November. Die hiesigen Schulen werden zur Zeit von 334 Kindern besucht, so daß in den öffentlichen Schulen 280 Kinder unterrichtet werden. Für diese sind fünf Klassen vorhanden. Es käme also durchschnittlich auf eine Klasse eine Zahl von 56 Zöglingen. Da für die neue Schule von vornherein sechs Klassen vorgesehen sind, würden auf jede Klasse durchschnittlich 50 Schüler etwa kommen.

▲ Anmeldungen für den Besuch der privaten Knabenschule Brunshaupten, Arendsee. Ostsee-Bote, 18.01.1908

Ostsee-Bote, 29.09.1906 Kröpelin, 28. September. Ganz „voll“ ist unsere Schuljugend noch von dem herrlichen Kriegsspiel am Mittwoch d. W. Vollständig militärisch hat sich dasselbe entwickelt, so daß alle Teilnehmer so einigermaßen eine Ahnung davon bekommen haben, wie es im Manöver oder auch im Krieg hergeht. Mit klingendem Spiele wurde ein- und ausmarschiert und man wird dem Herrn Rektor, auf dessen Veranlassung das Spiel hier zum ersten Male in Szene gesetzt wurde, sowie den Herren Lehrern, welche sich dafür interessiert und daran beteiligt haben, nur dankbar sein, wenn alljährlich solche Spiele stattfinden. War die Zahl der Zuschauer trotz der Kühle der Temperatur schon diesmal groß, so wird sich dieselbe bald noch ganz wesentlich vergrößern.


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Das Manöver hat noch einen glücklichen Zufall mit sich gebracht. In der sogen. Wolfsschlucht am Schmadebecker Wege wurde ganz versteckt eine fast erstarrte betrunkene Polin, neben sich eine leere Schnapsflasche, aufgefunden. Sofort wurde die hiesige Polizei benachrichtigt und um einen Wagen gebeten, der bald zur Stelle war. Während die Polin sonst vielleicht mit dem Tode des Erfrierens hätte rechnen müssen, wurde sie nun sorgsam nach Kröpelin gefahren, unter Obacht gebracht und gepflegt. Arendsee, 20.10.1909 „Gestern fand die feierliche Einweihung des hiesigen neuen Schulhauses statt. Nach dem Gesange des Liedes „Hilf uns Herr in allen Dingen“ hielt Herr Pastor Schreiber die Weihrede und wies dann die zu Michaelis an die Schule berufene erste Lehrerin, Fräulein Brandt aus Güstrow, an ihre Stelle. Mit Gebet und dem Gesange des Verses „Lob, Ehr und Preis sei Gott“ schloß die schöne Feier, worauf die Kinder schulfrei hatten und die Festteilnehmer sich zu einem Festessen vereinigten. Das neue Schulhaus ist nach dem Plan der Architekten Korff und Krause in Rostock außerordentlich geschmackvoll und praktisch gebaut worden. Die mit Säulen verzierte Front liegt nach Norden. Von den vier Klassenzimmern blicken drei nach Süden, eines nach Osten. Die beiden unten nach Süden liegenden Schulklassen sind durch Doppeltüren voneinander getrennt. Diese lassen sich zurückschlagen, so daß dadurch ein schöner Schulsaal mit sechs Fach-Fenstern hergestellt wird. Die Schulklassen haben Zentralheizung und sind mit Ventilatoren versehen. Das ganze Gebäude gereicht Arendsee zu einer besonderen Zierde. Das alte Schulhaus enthielt nur eine Schulklasse und die Wohnung des Lehrers. Es wurde kürzlich für 22.000 M als Büdnerei verkauft. Die Lehrer sind jetzt auf Bargeld gestellt. Man hat für Inhaber von Familienstellen in Brunshaupten und Arendsee ein Gehalt von 1.450 M bis 2.100 M

festgesetzt, für Lehrerinnen beträgt das Gehalt 1.000 M bis 1.400 M.“128 Ostsee-Bote, 09.08.1910 Kröpelin, 8. Juni. Schultornister statt Schultaschen sollen jetzt auf Anordnung des Brandenburgischen Provinzial-Schulkollegiums in allen märkischen Städten eingeführt werden. Die fernere Benutzung von Schultaschen wird verboten. Begründet wird die Verfügung mit dem Hinweis auf das Zeugnis der Aerzte, welche die Verkrümmung der Wirbelsäule zumeist auf das Tragen von schweren Handtaschen zurückführen. In Schweden besteht ein derartiges Verbot längst. Bedürftigen Kindern sollen die Tornister von der Schulverwaltung geliefert werden. Ostsee-Bote, 22.09.1910 Kröpelin, 21. September. Durch ministerielle Verordnung vom 28. August 1910 ist das Regulativ für die Sommerschule im Domanium vom 7. März 1902 revidiert worden. Die Kinder, die Diensterlaubnis bekommen haben, sollen fortan in wöchentlich 12 Stunden statt wie bisher in 8 Stunden mit den übrigen Kindern unterrichtet werden. Die Beschränkung auf die Hauptfächer Religion, Deutsch und Rechnen sind fortgefallen. Der Dienstherr wird durch Revers verpflichtet, über das Kind väterliche Zucht zu üben und es vor unsittlichen Einflüssen nach Möglichkeit zu bewahren, besonders auch ihm, so lange es in seinem Hause wohnt, eine Schlafstätte anzuweisen, welche von den Schlafstätten der erwachsenen Dienstboten getrennt liegt, und darauf zu achten, daß das Kind nach Feierabend sich nicht aufsichtslos umhertreibt und rechtzeitig seine Schlafstätte aufsucht.

128 Aus der Mecklenburgischen Schulzeitung 1909. Beilage zu Nr. 43 Wismar, den 28. Okt. 1909. S. 416


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Beschreibung der Lehrerstelle Brunshaupten (1910) „Brunshaupten. 1 Meile von Kröpelin. Haus alt, Scheune für sich, beides mit Strohdach. Wohnräume gut. Acker und Wiese zusammen 5ha, 20a, 32qm beim Hause. Wiese niedrig, Kuhfutter. Geschätzt 578 M. Die Schulländereien sind an die Gemeinde verpachtet für 800 M inkl. Bestellgeld. Schule sechsklassig, Industrieschule. Garten 21a 68 qm, sehr gut. Feuerung nur für den Haushalt 14 rm Buchen Kluft II, 4.000 Torf. Gehalt 506 M. Organisten- und Küsterhebungen: 2  Scheffel Roggen, 45 Scheffel Hafer und 47 M bar, statt der übrigen Lieferungen 22 M. Abgeschätzt? Zulage? Voraus 200 M. Für Gewerbeunterricht 240 M. Für Leitung der Gewerbeschule außerdem 50 M. Stelleninhaber: Kantor Heine, N.1864/66. ▲ Verkauf des alten Schulgehöfts in Arendsee. Ostsee-Bote, 14.09.1909

Ostsee-Bote, 26.11.1910 Kröpelin, 25. November. Von den im Lande vorhandenen 142 Domanial-Lehrerstellen für unverheiratete Lehrer sind zurzeit 43 ordentlich besetzt. 44 nicht besetzt und 65 nicht ordnungsgemäß besetzt. Von den 604 Familien-Schulstellen sind 590 ordnungsgemäß besetzt, 7 unbesetzt und 7 nicht ordnungsgemäß besetzt. Beschreibung der Lehrerstellen in Arendsee (1910) „Arendsee, 11 km von Kröpelin. Eingepfarrt in Brunshaupten. Schulgehöft im Herbst 1909 verkauft. Lehrer bezieht Gehalt: 1.500-2.700 M129. Keine Dienstwohnung für den ersten Lehrer. Schüler: 80; 2 Klassen Wohnung für den 2. Lehrer resp. Lehrerin im Schulhause. Erster Lehrer seit Michaelis 1894: A. Peters, Extr. N130. 1893. Zweiter Lehrer: Lehrerin.“ 129 Bezahlung für ein Jahr 130 N-Neukloster Besuch des Lehrerausbildungsseminars

▲ Zusätzliche Einnahmen des Inhabers der Küsterschulstelle zu Brunshaupten 1911. Akte 2.S.3.a.229. Archiv des Lk. Rostock. Siehe auch Seite 207.


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Brunshaupten II. Barstelle ohne Wohnung, Feuerung und Garten. Anfangsgehalt 1.600 M. Steigend um die gesetzlichen Alterszulagen auf 2.700 M. Nebenbeieinnahme durch Unterricht an der Gewerbeschule (bei 4 Stunden wöchentlich) jährlich 240 M. Stelleninhaber seit 1. April 1911 Fr. Gloede, N. 1903/05.“131

Wiese 400 R, am Gehöft. Für 95 Ztr. Roggen bis 1932 verpachtet. Sonntäglicher Gottesdienst, Festtags zweimal. Niedere Küsterdienste größtenteils abgelöst. 45 Ztr. Hafer, 2 Ztr. Roggen.“132

▲ Flurkarte der Kirchen- und Schulländereien in Brunshaupten. Akte 2.S.3.a.229. Archiv des Lk. Rostock. Siehe auch Seite 208.

▲ Dienstaufkommen bzw. Alterszulagen der Lehrer 1904. Akte 2.S.3.a.229. Archiv des Lk. Rostock

„Brunshaupten (Meckl.) Post- und Bahnstation. Nächste Stadt Doberan (Bahn nach dort) 12 km. Amt Rostock. Ortsklasse C I. (K) (Schulstelle mit Kirchendienst, Haus Fachwerk, Strohdach, alt. 5 Zimmer, 2 Kammern, Scheune, Stallungen darin, gesondert vom Wohnhause Räucherboden, Wasserleitung in der Küche, Quellwasser. Garten 100 R, guter Boden, 24 Obstbäume, Ziergarten 20 R, Acker 2.000 R am Gehöft. 131 Jahrbuch der Volksschullehrer in Mecklenburg-Schwerin. Herausgegeben vom Landes-Lehrer-Verein in Mecklenburg-Schwerin 1912. S. 254

▲ Aufteilung der Ländereien der Küsterschulstelle in Brunshaupten am 11. September 1930. Akte 2.S.3.a.229. Archiv des Lk. Rostock

132 Dieckmann, B. Krellenberg, W.: Landschulen in Mecklenburg-Schwerin – herausgegeben vom Landeslehrerverein in Mecklenburg-Schwerin, Ausschuß für Schulzählungen. Wismar 1926, S. 278


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▲ Schulklasse mit ihrer Lehrerin Fräulein von Floto um 1935.

▲ Schülerzahlen des Jahres 1912. Kirchenchronik Kühlungsborn. Siehe auch Seite 209.

Volksschule in Brunshaupten. Sammlung: Wolfgang Baade ▶

2. Kreuznagelung 1915. Kirchenchronik Kühlungsborn ▶


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BRUNSHAUPTEN UND ARENDSEE IM ERSTEN WELTKRIEG Die Kriegsnagelungen begannen am 6. März 1915 in Wien und entwickelten sich zu Massenbewegungen. Es waren aufwendig inszenierte Veranstaltungen mit pseudoreligiösem Inhalt, umrahmt mit patriotischen Reden und Liedern. Jedermann war nach Zahlung eines bestimmten Geldbetrages aufgefordert, einen Spendennagel einzuschlagen. Der Erlös diente der Unterstützung der Witwen und Waisen sowie der Kriegsopfer. Das Kriegsnageln galt als eine symbolhafte Verpflichtung der Nagelnden, die Hinterbliebenen der Soldaten zu unterstützen und Solidarität mit der militärischen Front zu zeigen. Sie waren eine spektakuläre neue Form der Beschaffung von Geldmitteln und sollten den Patriotismus und das Gemeinschaftsgefühl der Menschen an der Heimatfront stärken.

Bericht von der Kreuznagelung am 21.08.1915 „Zur feierlichen Nagelung des Kreuzes von Arendsee-Brunshaupten hatte der hiesige Marien-Frauen-Zweigverein zu Sonnabend, 21. August 1915, eingeladen. „Um 2 Uhr nachmittags versammelten sich auf dem Hofe der Ortsschule zu Arendsee der dortige Kriegerverein, der Fischereiverein und die Ortsschule, denen sich andere Teilnehmer anschlossen. Zur selben Zeit trafen beim Gemeindebureau zu Brunshaupten der dortige Kriegerverein, Gesangsverein, Turnverein, die Ortsschule und Privatschule Arendsee-Brunshaupten ein. Der Arendseer Festzug traf mit dem Brunshauptener am Kurhaus zusammen, und der stattliche Zug setzte sich nun in Bewegung zur Abholung der Kriegs-Genesenden, die beim Kurhaus Arendsee Aufstellung genommen hatten. Voran die


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Musikkapelle des Landwehr-Infanterie-Bataillons folgten die Kriegs-Genesenden, die 12 Ehrenjungfrauen aus Arendsee und die 12 aus Brunshaupten, die Gemeindevorstände beider Orte, die Kriegervereine, Fischereiverein Arendsee, Gesangund Turnverein, Privatschule, Ortsschule Brunshaupten mit Musikerkorps, Ortsschule Arendsee und der Marien-Frauen-Verein. Pünktlich 3 ¾ Uhr trafen Ihre Königlichen Hoheiten auf dem am Bülowweg vor dem ‚Dünenschloß‘ liegenden Festplatze ein. Nach Ueberreichung eines Straußes an die Frau Großherzogin, Empfang und Vorstellung sang man unter Musikbegleitung den ersten Vers des Liedes ‚Ein‘ feste Burg ist unser Gott‘. Darauf wurde die Weihrede gehalten und Ihre Königlichen Hoheiten, die Prinzen, der Generaladjutant unseres Kaisers Prinz Solm-Horstmar nebst hoher Gemahlin schlugen die ersten Nägel in das Kreuz von Arendsee-Brunshaupten, während die Musik die Melodie ‚Gott segne Friedrich Franz‘ spielte. Nachdem der Dank und das Hoch dem Großherzogpaar dargebracht war, beendete der Gesang des ersten Verses des Liedes ‚Deutschland, Deutschland über alles‘ die erhebende ernste Feier, die wohl allen Teilnehmern unvergeßlich bleiben wird. Die Hohen und Allerhöchsten Herrschaften nahmen darauf noch an einem Wohltätigkeitskonzert im Kurhause Arendsee teil, das zum Besten des Roten Kreuzes und für unsere genesenden Krieger veranstaltet wurde. Den Festplatz hatten die Herren Kunstmaler Pfundheller und Berg geschmackvoll hergerichtet. Das Kreuz selber, von Kunstmaler Pfundheller mit großem Geschick ausgemalt, bleibt noch bis Dienstagabend an seinem jetzigen Platze zur weiteren Nagelung stehen. Schon im Vorverkauf wurden eine Menge Gutscheine für Kreuznägel abgesetzt. Der letzte Nagel soll erst nach Rückkehr unserer Krieger in die Heimat eingeschlagen werden. Das Kreuz selbst ist einen Meter hoch. Benagelt wird es mit silbernen, eisernen und Nägeln aus Nickel.“133 133 Zeitungsausschnitt vom 25.08.1915. Kirchchronik Kühlungsborn

▲ Ostergruß des Mecklenburgischen Marien-Frauen-Vereins. Kirchenchronik Kühlungsborn

„Der diesjährige Verkehr in den Ostseebädern (1916) Ostsee-Bote, 20.08.1916 „Eine in diesem Jahre kaum erwartete Erscheinung fällt in den Ostseebädern auf: ein über alle Voraussetzung starker Besuch. Im vergangenen Jahre war der Badebesuch in den Bädern Schleswig-Holsteins, Mecklenburgs, Pommerns und Ost- und Westpreußens gegen die Vorjahre derart zurückgegangen, daß vielerorts eine große wirtschaftliche Notlage der Hotel-, Pensionsbesitzer usw. eintrat, die zur Anrufung der Staatshilfe führte. Der Besuch war 1915 zurückgegangen im Vergleich zum Jahre 1913: an der Schleswig-Holsteinischen Küste von 34.000 auf 22.000 Badegäste, an der mecklenburgischen Küste von 200.000 auf 66.000, an den ost- und westpreußischen Küsten von 66.000 auf 33.000 und auf Rügen von 39.000 auf 10.000. Das ist zwischen 33 und 88 v. H. Dieses Jahr bringt vielen Seebädern einen guten Ersatz für die im Vorjahre erlittene Einbuße, sie weisen fast dieselbe Besucherzahl auf wie im letzten Friedensjahr 1913; einige Bäder sind geradezu überfüllt. Auf der Insel Fehmarn zwischen Kieler und Mecklenburger Bucht, in Osternothafen bei Swinemünde und in Pillau ist der Badeverkehr bekanntlich verboten, an der ganzen übrigen Ostseeküste ist er – an einigen Stellen unter gewissen Einschränkungen – gestattet. Regster Badeverkehr herrscht in Swinemünde, Ahlbeck, Heringsdorf, Zinnowitz, Misdroy, Brunshaupten,


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▲ Aufruf zur Ablieferung von Alteisen. Ostsee-Bote, 30.08.1918

Arendsee, ebenso in den Rügenbädern. Die Bäder an der Lübecker Bucht, Timmendorf, Niendorf, Scharbeutz usw. sind sehr stark besucht, und selbst in dem See- und Modebad Travemünde, das von vielen Badegästen nur seiner glänzenden Veranstaltungen wegen aufgesucht wird, sind über 8.000 Kurgäste eingetragen. Auch der Paßzwang hat dem Verkehr nach den Ostseebädern wenig oder gar keinen Abbruch getan.“134 Arendsee, 19. 08.1916 „Anläßlich der Feier des Geburtstages des Kaisers Franz Josef von Oesterreich fand gestern abend im Kurhause ein patriotisches Festkonzert, ausgeführt von der Kapelle der Hamburg-Amerika-Linie, statt. Die Veranstaltung war stark besucht.“135

Unterhaltungsabend für Verwundete. Kirchenchronik Kühlungsborn ▶ 134 Ostsee-Bote, 20.08.1916 135 Ostsee-Bote, 20.08.1916

▲ Verkehr mit Kriegsgefangenen. Ostsee-Bote, 17.11.1916


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Ostsee-Bote, 23.08.1916 „Törichte Hamster. Die Salzhamsterei ist trotz aller Ermahnungen anscheinend aus Furcht vor späterer Knappheit und starken Preissteigerungen fast überall im tollsten Schwunge. Der Andrang im Speisesalz-Großhandel ist infolgedessen so stark, daß die vorliegenden Bestellungen auf Doppelladungen das Fünffache des normalen Bedarfs der Herbstmonate übersteigen. Es sei daher hiermit erstens nochmals darauf hingewiesen, daß in Deutschland unerschöpfliche Mengen von Salzsole für Siedesalz und außerdem von Steinsalz zur Verfügung stehen. Die Salinen selbst haben alle Vorkehrungen getroffen, um auch einer gesteigerten Nachfrage entsprechen zu können. Zweitens aber wird hiermit ausdrücklich festgestellt, daß bestes Siede-Speisesalz nur um eineinfünftel Pfennig das Pfund im Großhandel seit Kriegsausbruch gestiegen ist und zwar hauptsächlich infolge der Preissteigerung der Säcke. Eine weitere Erhöhung der Salzpreise erscheint gänzlich ausgeschlossen. Jedenfalls kann aber das Pfund mit höchstens zwei Pfennig Erhöhung gegenüber dem Friedenspreise auch bei längster Kriegsdauer im Ladenverkauf geliefert werden. Möge man doch endlich diese wahnsinnige Hamsterei in Nahrungsmitteln ‚einsalzen‘!“

„Die Versorgung der Badegäste Unter entsprechender Abänderung der Bekanntmachung vom 16. Juli 1915 wird von der Landesbehörde für Volksernährung im neuesten Reg.Blatt bestimmt, daß für Kur- und Badegäste der Betrag von Feinmehl 1.400 Gramm die Woche auf den Kopf betragen darf, falls ohne Beschränkung der einheimischen, insbesondere der schwerarbeitenden Bevölkerung die erforderlichen Mehlzuweisungen aus den Reserven der Kommunalverbände aufgebracht werden können.“ „Verordnung Auf Grund des § 9b des Belagerungsgesetzes wird hiermit im Interesse der öffentlichen Sicherheit folgendes verordnet. § 1. Jugendlichen Personen, d.h. solchen Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind das ziellose Auf- und Abgehen und der zwecklose Aufenthalt auf öffentlichen Straßen und Plätzen verboten. Kinder unter 14 Jahren dürfen nach 8 Uhr abends öffentliche Straßen und Plätze nur in Begleitung erwachsender Angehöriger betreten. Für die Erfüllung der letzteren Vorschrift sind auch die Eltern und sonstige aufsichtspflichtigen Personen verantwortlich. § 2. Zuwiderhandlungen werden mit Gefängnis bis zu einem Jahre oder beim Vorliegen mildernder Umstände mit Geldstrafe bis zu 1.500 Mark bestraft. Der stellvertretende kommandierende General von Falck, General der Infanterie Vorstehende Verordnung wird hierdurch zur allgemeinen Kenntnis gebracht.

▲ Diebstahl. Ostsee-Bote, 18.09.1918

Kröpelin, 25. August 1916 Der Magistrat.“


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Ostsee-Bote, 09.1916 Brunshaupten, 11. September 1916 „Daß in unserer gesegneten Gegend noch immer Lebensmittel zu haben sind, beweist ein Vorfall, der sich auf dem Bahnhof von Doberan zutrug. Eine von hier kommende Dame ließ sich dort ihre ängstlich behütete große Hutschachtel an den Zug bringen. Dem Gepäckträger fiel das Gewicht derselben auf und meldete seinen Verdacht dem Stationsvorsteher. Trotz vielen Bittens wurde nun die inhaltschwere Schachtel untersucht, wobei dem Beamten einige Pfund der schönsten Butter, mehrere Pfund Schinken und sogar einige der jetzt so seltenen geräucherten Mettwürste entgegenprangten, welche nun zum größten Schmerze der Dame beschlagnahmt wurden. Ueber Herkunft und Preise wird sich die Betroffene wohl nicht geäußert haben, da sie ohne Ueberschreitung der Höchstpreise die appetitlichen Sachen wohl nicht bekommen hätte. Trotz der behördlichen Strafandrohungen wegen Ueberschreitung der Höchstpreise werden hier und in der Umgegend noch die märchenhaftesten Preise bezahlt. Von den Kurgästen werden für ein Ei 40–50 Pfg. geboten und für Schinken sogar 6–7 Mark für das Pfund bezahlt.“

▲ Schleichhandel. Ostsee-Bote, 30.08.1918

▲ Fleischversorgung. Ostsee-Bote, 12.05.1918

„Eine Sammlung für das Kinderheim „Zum guten Hirten“ in Brunshaupten, Zweiganstalt des Kostkinderheims zu Güstrow, in Brunshaupten, Arendsee und Heiligendamm brachte 1107,05 Mk. Die beiden Kinderheime beherbergen z. Zt. 66 heimatlose Kinder.“

Gedicht zur Einweihung des Kriegerdenkmals am 18.09.1921 in der Kirche Bei der Enthüllung des Kriegerdenkmals am 18. September 1921 in der Kirche von Brunshaupten-Arendsee wurde das nachfolgende Gedicht gesprochen:


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„Noch einmal will das Rote Kreuz euch geben, was dankbar es als heil’ge Pflicht eracht! Für euch, die in dem heißen Kampf des Lebens Dem Vaterland zum Opfer dargebracht. Mit goldenen Lettern sollen eure Namen Auf deutscher Eiche Holz verewigt sein Und sollen sich gleich edlen, reifen Samen Tief wurzeln in die Herzen aller ein. Ihr Helden habt ein Vorbild uns gegeben, Das uns beschämend muß entgegenstehn! Ihr ließet für das Vaterland das Leben. Ihr ließt nicht Treu, nicht Glauben untergehn! Da wollen wir an heil‘ger Statt geloben, Daß, was ihr heilig hielt‘, uns heilig wird, Damit der Lenker der Geschicke droben Nicht länger straf die teure Heimaterd. So hat das Rote Kreuz euch ehren müssen, Euch Sieger in der himmlisch schönen Welt! Nun fall die Hülle – laßt euch dankend grüßen Ihr Väter, Söhne, alle – Held an Held!“136 ▲ Gedenktafel für die Gefallenen im Ersten Weltkrieg.

▲ Telegramm. Kirchenchronik Kühlungsborn

▲ Kriegsgräberfürsorge. Akte 2.S.3.a.937. Archiv des Lk. Rostock

136 vermutlich von Heinrich oder Maria Schreiber

▲ Suche nach vermissten Soldaten. Kirchenchronik Kühlungsborn. Siehe auch Seite 210.


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AUS DER GESCHICHTE DER KIRCHENGLOCKEN Jürgen Jahncke

Glockeninschrift: „O König der Herrlichkeit, Christus, komm mit Frieden!“ Der bereits drei Jahre andauernde Erste Weltkrieg forderte 1917 immer mehr Tote, ein Ende war nicht abzusehen, die deutsche Bevölkerung hungerte und wurde noch eindringlicher aufgerufen, alle kriegswichtigen Materialien abzuliefern. Das betraf nicht nur Gusseisen, Schmiedeeisen, Töpfe, Bleche, Bandeisen und Draht, sondern auch alle Bunt- und Edelmetalle. Auf Anordnung des Königlich-Preußischen Kriegsministeriums, Kriegs-Rohstoff, Abteilung Kriegs­ amt Schwerin, erfolgte im Einvernehmen mit den zuständigen Behörden auch im Jahr 1917 die Registrierung aller Kirchenglocken und deren Einschätzung als Kulturgut in drei Kategorien:

Die Glocken A galten als ablieferungspflichtig, die der Gruppe B wurden als Kunstwerk eingestuft, und die der Gruppe C erhielten die Anerkennung als besonderes Kunstwerk. Der 5. November 1917 war der Tag der Ablieferung der größten Bronzeglocke der St.-Johannis-Kirche Brunshaupten-Arendsee, die 1840 in Wismar gegossen worden war.

Im Herbst 1917 ordnete das Kriegsministerium eine Nachprüfung aller bisher wegen ihres Kunstwertes zurückgestellten Glocken an. Im Vorfeld


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ihrer Ablieferungskampagne untersuchte Pastor Schreiber die kleine Glocke im Turm, die die Kirchgemeinde zum Gottesdienst ruft, genauer und entzifferte die Worte: „O rex gloriae Christe veni cum pace!“ d.h. „O König der Herrlichkeit, Christus, komm mit Frieden!“ Sie stammt aus dem Jahr 1495. Er teilte seine Entdeckung umgehend der Verwaltung des Großherzoglichen Museums und der Großherzoglichen Kunstsammlungen in Schwerin mit, um dieses mittelalterliche Kunstwerk als wichtiges Kulturgut einstufen zu lassen und vor dem Einschmelzen zu bewahren. Das gelang.

Unter dem Motto „Hunde an die Front“ benötigte das Kaiserliche Heer auch dringend diese kriegstauglichen Vierbeiner für die Ausbildung als Meldehund.

▲ Hunde an die Front. Ostsee-Bote, 5.7.1918

▲ Metall – Kirchenglocken sind Kriegsrohstoff. Kirchenchronik Kühlungsborn

Im letzten Kriegsjahr 1918 verschärfte sich der Druck zur Ablieferung von kriegstauglichen Gütern auf die Bevölkerung noch deutlicher. Die Haushaltsvorstände erhielten z. B. mit der Brotkartenausgabe eine öffentliche Bekanntmachung vom 26. März 1918 ausgehändigt, in der die abzuliefernden Haushaltsgegenstände aus Kupfer, Messing, Zinn, Reinnickel, Aluminium wie Bierkrugdeckel, Bierglasdeckel, Gewichte, Fenstergriffe und Türklinken aufgeführt waren. Ebenso galt die Goldabgabe als vaterländische Pflicht. Die Bevölkerung war mit der dringenden Mahnung aufgefordert, bis zum 30. Juni 1918 „alles irgendwie verfügbare Gold bei der hiesigen Goldankaufstelle abzuliefern.“137

137 Ostsee-Bote, 30.6.1918

In der prekären Kriegssituation 1918 wurde die deutsche Bevölkerung sogar mit Nachdruck aufgefordert, Brennnesseln zu sammeln. Wörtlich heißt es im „Ostsee-Boten“ vom 2. Juni 1918: „Zur Versorgung des Heeres mit Unterkleidung und ähnlichen Ausrüstungsstücken muß die Gewinnung der Brennnessel zur Erzeugung von Nesselfasern im größten Maßstab erfolgen.“ Getragene Oberbekleidung wurde ebenso gesammelt. Auch Kleiderreste galten als wertvoll. Selbst Lumpen, Stoffabfälle, altes Packleinen, Flicklappen, alte Stricke, Bindfaden, Hüte, Kragen, Manschetten waren nun kriegswichtig. Am 8. August 1924 verfassten die beiden Gemeindevorstände von Brunshaupten und Arendsee einen Spendenaufruf für das Gießen einer neuen Kirchenglocke. Um die Mittel hierfür aufzubringen, baten sie das Vorhaben in beiden Orten bei einer Haussammlung nach besten Kräften zu unterstützen.


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▲ Sammeln von Brennnesseln. Ostsee-Bote, 02.06.1918

▲ Aufruf zur Spendensammlung für eine neue Glocke. Akte 2.S.3.a.276. Archiv des Lk. Rostock

Pastor Schreiber richtete am 3. September einen Brief an den Gemeindevorstand Arendsee, in dem er die Kosten für die Herstellung der Glocke aufführt, deren Verteilung auf die beiden Gemeinden vorschlägt. Wörtlich heißt es:

▲ Sammlung von Oberbekleidung. Ostsee-Bote, 05.06.1918

▲ Krieg und Wirtschaft. Ostsee-Bote, 14.6.1918

„Brunshaupten, 9. Sept. 1924 dem verehrten Gemeindevorstand von Arendsee teile ich ergebenst mit, daß die Gemeinde Bruns­ haupten sich bereit erklärte, 2/3 der Kosten der neu zu beschaffenden Kirchenglocke zu tragen, wenn Arendsee den Rest übernimmt. Die Glocke wird ungefähr 3.300 M bis 3.600 M kosten, wenn die Bestellung baldigst erfolgt. Da 12 Wochen Frist für den Guß von den Gießereien gefordert werden, und da nur noch die Glocken frachtfrei befördert werden, die in diesem Jahre von den Gießereien abgesandt werden, müßten wir baldigst die Bestellung aufgeben.


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Ergebenst erbitte ich daher den Bescheid der Gemeinde Arendsee, ob sie 1/3 der Kosten zu übernehmen bereit ist. Mit bester Empfehlung ergebenst Pastor Schreiber“138 Die Gemeinde Arendsee stimmte dem Vorhaben zu. Die Sammlung von kriegswichtigen Wertstoffen hatte das Naziregime in Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges noch geschickter ausgeklügelt und konsequenter unter Einbeziehung der gesamten Bevölkerung, besonders der Kinder und Jugendlichen durchgeführt. Das Regime forcierte mit der Verordnung zur Durchführung des zweiten Vierjahresplans 1936 seine direkten Kriegsvorbereitungen. Zu diesem Aufrüstungsprogramm gehörte wiederum auch die systematische Eingliederung der Altstoffverwertung in die Gesamtwirtschaft. Gesammelt werden mussten wiederum auch Abfälle von Kupfer, Bronze, Messing, Aluminium, Nickel, Blei, Zinn, Zink, Altpapier, Felle aller Art, Flaschen und Knochen.

anzumelden und abzuliefern. Zu dieser Anordnung sind nunmehr die Ausführungsbestimmungen des Reichswirtschaftsministers ergangen. Hiernach müssen sämtliche im deutschen Reichsgebiet vorhandenen Glocken aus Bronze jeder Art und Zweckbestimmung der Reichsstelle für Metalle gemeldet, ihr zur Verfügung gehalten und nach ihren Weisungen abgeliefert werden.“139 Dieser Verordnung und deren Durchführungsbestimmungen unterlagen 1942 ebenfalls die beiden großen Glocken der St.-Johannis-Kirche. Lediglich das Foto zeugt heute noch vom Vorhandensein der beiden Glocken, von ihrem Abtransport und den Küster- und Friedhofswärter Bünger, der sie ein Berufsleben lang geläutet hatte.

Zu Metall- und Eisenabfällen zählten z. B. Gegenstände wie Drahtreste, Bandeisen, Nägel, Schrauben, Kannen, Blechdosen, Tuben, Metallfolien und Glühbirnen. Am 8. Mai 1940 richtete der Landrat des Kreises Rostock ein Schreiben an die Bürgermeister der Gemeinden und Städte mit nachfolgendem Inhalt: „Im Reichsgesetzblatt Nr. 48, 1940 ist die Anordnung zur Durchführung des Vierjahresplans über die Erfassung von Nichteisenmetallen erschienen. Diese Anordnung sah vor, daß die Glocken aus Bronze und Gebäudeteile aus Kupfer enthaltenden Metallmengen zu erfassen und unverzüglich der deutschen Rüstungsreserve dienstbar zu machen war. Die Glocken aus Bronze waren 138 Akte 2.S.3.a.276. Archiv des Lk. Rostock

▲ Bereitstellung der beiden Glocken zur Ablieferung. Sammlung: Manfred Bünger

rechts, 1tes Bild: Transport der Glocken vom Bahnhof durch die Stadt zur Kirche 1958. Sammlung: Manfred Bünger rechts, 2tes Bild: Bereitstellung der beiden Stahlglocken für den Einbau in den Turm 1958. Sammlung: Manfred Bünger rechts, 3tes Bild: Glocken im Turm. Foto: Bernd Lasdin ▶ 139 Akte 2.S.3.a.318. Archiv des Lk. Rostock


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die Anlage von zwei Glockenmotoren. Schließlich wurde gleich eine elektrische Heizungsanlage in der Kirche installiert für 3.000 Mark.“ Im Advent 1958 wurden die beiden Glocken „Jubilate“ und „Kantate“ anno domini 1958 auf dem Bahnweg in Kühlungsborn-Ost angeliefert und anschließend auf einem Pferdefuhrwerk unter großer Beteiligung der Bevölkerung feierlich zur Kirche transportiert. Hier endete der Tag mit einer Schlussandacht vor dem Gotteshaus. Nachgeschlagen in der Kirchenchronik von Pastor Schreiber: „Am 5. November [1917] trat die größte unserer Glocken ihre Reise in den Krieg140 an. Auch die 2te soll uns genommen werden, doch bat ich vorerst noch um Untersuchung des musikal. Wertes dieser Glocke, die also vorerst noch im Turm blieb. (Musikal. Wert wurde anerkannt!)“

Pastor Drefers vermerkt in der Kirchenchronik für das Jahr 1958, dass alle Nachforschungen nach den beiden im Jahr 1942 abgelieferten Bronzeglocken ergebnislos verlaufen seien. Wörtlich schreibt er: „Deswegen entschloß sich die Kirchgemeinde, nicht mehr länger zu warten, bis einmal vielleicht wieder die Anfertigung bronzener Glocken gestattet werden würde, sondern sie bestellte bei der Firma Schilling in Apolda zwei stählerne Glocken und brachte dafür zusätzlich ca. 4.000 Mark auf. Da sie elektrisch geläutet werden sollten, mußte auf Einspruch des Brandschutzes zuvor die gesamte elektrische Anlage der Kirche erneuert werden, was die Gemeinde abermals ca. 3.000 Mark kostete. Dazu kamen 2.500 Mark für

Schreiber, Maria: Gedicht anlässlich der Glockenablieferung am 5. November 1917 Zieh hin, tu sterbend deine Pflicht, Von Gott gesandt zum Strafgericht! Wird uns das Herz beim Scheiden schwer, So denken wir an Deutschlands Ehr Und denken, daß dein letzter Ton Galt einem deutschen Heldensohn, – Dann wird stahlhart uns unser Herz Und wollen selbst, gleich deinem Erz In harter Zeit die Pflicht treu tun, Nicht eher rasten und nicht ruhn Bis Deutschlands Wesen, Deutschlands Ehr Strahlt sieghaft hell vom Fels zum Meer.

Die wertvolle Glocke aus dem 15. Jahrhundert Brief der Verwaltung des Großherzoglichen Museums und der Großherzoglichen Kunstsammlungen Schwerin an Pastor Schreiber vom 25. Dezember 1917:

140 Gemeint ist der Erste Weltkrieg.


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„Sehr geehrter Herr Pastor! Schon kürzlich wurde mir Ihr Notschrei durch den Oberkirchenrat zugeleitet, und ich antwortete ihm, daß eine mittelalterliche Glocke von Ihnen bei mir nicht angemeldet sei, daß auch Schlie keine solche angäbe. Um ein Gutachten ausstellen zu können, bedürfte ich einer Beschreibung (besonders mit tunlichst genauer Schilderung ev. dargestellter Figuren und Wiedergabe der Inschrift.) Darf nun ich als Antwort auf Ihr Schreiben unmittelbar darum bitten? Da ich bis 2. Januar in Rostock bin, dürfte sich baldige Benachrichtigung dorthin (Patriotischer Weg 118) empfehlen. Ich bedaure, daß daraus Ihnen viele Ungelegenheiten erwachsen, allein ich bin schuldlos, da ja bei mir die Glocke nicht angemeldet war (vergl. meine Richtlinien, herausgegeben vom Oberkirchenrat). Mit vorzügl. Hochachtung! Ihr ergebenster (Name unleserlich)“141

▲ Brief der Verwaltung des Großherzoglichen Museums und der Großherzoglichen Kunstsammlung. Kirchenchronik Kühlungsborn 141 Kirchenchronik

Vorschlag für die Inschrift der neuen Glocke Pastor Heinrich Schreiber schlug folgende Inschrift für die Kirchenglocke vor: „daß einst ich künden möge Deutschlands Größe, sei mir, Gott gewogen, mir, die ich folgte der, die in den Krieg gezogen. Zur Ehre Gottes gestiftet von den Gemeinden Brunshaupten und Arendsee zu Weihnachten 1924.“ Inschriften der beiden Glocken 1925 Glocke 1 „1924. Franz Schilling Soehne in Apolda zu Gemeindevorstand Brunshaupten: Bürgermeister Seidel. Ortsvorsteher Rieck, Priester. Arendsee: Obervorsteher Borgwardt. Ortsvorsteher Mueller, Schulz. Pastor Schreiber. Kirchenjuraten: Hagemeister, Schuldt, Hennings. Kantor Dechow.“ Glocke 2 „Riedel Pastor. Hauswirth L. Höpfner. Tischlerei L. Höfner. C. H. Möller Organist. 1846 Friedrich Franz Gr. HZ. v. Mecklenburg“ Maria Schreiber: Glockenweihe 1925 Glocke, sei uns hoch willkommen, Schwester der, die uns genommen Durch des Krieges rauher Hand, – Opfer für das Vaterland. Ach, dein ehr`ner Mund muß klagen, daß wir Sklavenketten tragen, daß du bist im Leid geboren, daß die Freiheit wir verloren, daß du mußt mit deinem Schalle


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Rufen ernst die Seelen alle: „Kommt zurück zu eurem Gott. Soll sich wenden eure Not.“ Ja, du Herr der Weltgeschichte, ende gnädig die Gerichte daß bald nun, Glocke, dein Geläute für Deutschlands Freiheit „Dank“ bedeute. So laß nun deine Töne schwingen Und kraftvoll in das Herz uns dringen. Und, – Glocke, unter deinem Schallen Laß selig einst uns heimwärts wallen. Brunshaupten, 21. II. 25 M. Schreiber

▲ Maria Schreiber: Glockenweihe 1925. Kirchenchronik Kühlungsborn


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ÜBER DIE AUFBRINGUNG DER KOSTEN FÜR DIE INSTANDSETZUNG KIRCHLICHER GEBÄUDE Jürgen Jahncke

Bereits in der Kirchenordnung 1552 ist festgelegt, dass die Gemeinden für Bau und Unterhalt der kirchlichen Gebäude zu sorgen haben und die Visitatoren nur angewiesen wurden, Stadt und Dorfschaften dazu anzuhalten „daß sie die Kirchen und der Kirchenpersonen Behausung, Schulen und Custos-Wohnungen nicht verfallen lassen, it. dass sie dieselbigen treulich bauen, oder wiederum aufrichten.“ Die Kirchensteuer durfte nicht zum Bau von Pfarr- und Küstergebäuden benutzt werden, sondern war ausschließlich der Errichtung von Kirchen vorbehalten. Diese Vorschrift findet sich auch in der revidierten Kirchenordnung von 1602 wieder. Es galt auch hier der Grundsatz, dass die „Eingepfarrten“, das sind die

zur Kirchgemeinde gehörenden Gemeindeglieder, verpflichtet waren, Pfarre und Küsterhäuser zu errichten und zu erhalten. Kirchgebäude hingegen sollten in der Regel mit Mitteln der Kirche selbst gebaut werden, „jedoch wenn auch dazu das Vermögen nicht hinreichte, so mußten die Eingepfarrten auch hier, und zur Wiederaufbauung der Kirchen, sowohl das Holz und die übrigen Bau-Materialien, als die baren Kosten zusammen bringen, allemal aber auch die Fuhren dazu leisten.“142 Der Erbvergleich des Jahres 1755143 hat diese Vorschriften nochmals bestätigt. 142 Francke, Joachim H.: Die Verbindlichkeit der Eingepfarrten zum Bau und zur Unterhaltung der Kirchen- Pfarr- und Küstergebäude, besonders bei dem Unvermögen der Kirchen-Aerarien beizutragen . Schwerin, Wismar 1806. S. 20 143 Landesständische Verfassung des mecklenburgischen Staates von 1755


Über die Aufbringung der Kosten für die Instandsetzung kirchlicher Gebäude | 93

In Paragraph 499 des Erbvergleichs heißt es: „Bey unsern Patronat Pfarren sollen Unsere Beamte, bey adelichen und Städtischen Patronat Pfarren aber die Patronen jeden Orts, Macht haben mit Zuziehung der Prediger, Kirchen Vorsteher und beeidigte Zimmer- und Mauerleute, die baufälligen Kirchen und geistlichen Gebäude, besichtigen und soweit es nöthig befunden wird von den Kirchengeldern bessern zu lassen. Jedoch wenn der Eingepfarrten Aßistenze dazu erfordert wird, so sollen selbige mit zugezogen, und nach vorgängiger Vereinbahrung die zu leistende Fuhr- und Hand-Dienste reguliert werden.“ In Paragraph 500 heißt es weiter: „Wenn Pfarr- und Küsterhäuser neu erbaut werden sollen, so sollen die Eingepfarrten nur allein an den Orten wo es hergebracht, sonst aber nicht, Hand- und Spanndienste, keineswegs aber einige Geld praestanda zu leisten, oder Bau Materialien in Natura zu liefern, schuldig seyn. Jedoch bleibt der Fall eines besondern pacti oder erweißlichen Herkommens ausbeschieden.“144

Das traf nicht nur für Pfarrhäuser, sondern auch für Witwenhäuser der Pastoren zu. Die nachfolgende Kopie beweist dies für die Orte Biendorf und Brunshaupten.148

Francke äußert sich 1806 in seiner Schrift über die Verbindlichkeiten der Eingepfarrten zu Bau und Unterhaltung…145 wie folgt: „daß nach dem Mecklenburgischen Kirchen-Recht, bei allen Reparaturen an den geistlichen Gebäuden, von der Eingepfarrten Hand- und Spanndienste geleistet, dagegen die Baukosten und Bau-Materialien bei diesem sowohl als bei neuen Bauten, bei denen Dienste nur da, wo es hergebracht, von der Gemeinde zu praetieren sind, von den Kirchen-Geldern hergegeben werden müssen, woferne nicht ein pactum oder ein erweisliches Herkommen die Eingepfarrten, mit Befreiung der Kirchen-Aerarien verpflichtet; daß dagegen da, wo die Kirchen-Aerariae146 unvermögend sind, in subsidium nicht Patroni, sondern Parochiani die Baukosten und Baumaterialien zu suppeditiren schuldig.“147 144 ebenda, S. 81 145 ebenda 146 Schatzkammer 147 ebenda, S. 31

148 Anlage XXXIV. Ertract aus dem Landes Grundgesetzlichen Erbvergleich d. Rostock den 18ten April 1755


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Am 16. September 1840 übertrug die Landesregierung ihre bisher ausgeübte obere Leitung des Bauwesens bei den geistlichen Gebäuden des Großherzoglichen Patronats an das Kammerkollegium. Pfarrbaukonferenzen fanden nachweislich auch in Brunshaupten einmal jährlich statt. Vorhandene Protokolle geben Auskunft darüber, welche Arbeiten an Kirche und Pfarrgebäuden ausgeführt werden mussten. Die Kosten teilten sich die beiden Gemeinden Brunshaupten und Arendsee.

„Nach Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock sind die zu der Kirchgemeinde gehörigen politischen Gemeinden in erster Linie die Träger der kirchlichen Baulast der Eingepfarrten. Die auf die Eingepfarrten entfallenden Kosten sind daher von den politischen Gemeinden nach der vorgeschriebenen Verteilung aufzubringen. Die hiernach in erster Linie zahlungspflichtigen politischen Gemeinden haben ihrerseits das Recht, die Kosten von den nach der bisher vorgeschriebenen oder üblichen Unterverteilung zahlungspflichtigen Gemeindemitgliedern einzuziehen. Eine Rückstandsliste – wie bisher üblich – ist nicht mehr einzureichen. Die politische Gemeinde muß vielmehr selbst den Rückstand wie Gemeindeabgaben durch Zwangsvollstreckungsbeamte im Verwaltungswege betreiben lassen. Die Gemeindevorstände, die nicht über eigene Vollstreckungsbeamte verfügen, haben sich dabei der Hülfe des Gerichtsvollziehers oder der Volkstreckungsabteilung des unterzeichneten Amtes zu bedienen … Rostock den 7. Juni 1929 Der Amtshauptmann des Mecklenburg-Schwerinschen Amtes Rostock“150

▲ Beiträge zu den geistlichen Baukosten. Akte 2.S.3.a.276. Archiv des Lk. Rostock. Siehe auch Seite 211.

Aus einem Schreiben vom 17. April 1928 des Bruns­ hauptener Bürgermeisters Freye an den Gemeindevorstand Arendsee erfahren wir den anteiligen Betrag in Höhe von 1.323,64 Mark, den Arendsee beispielweise für das Rechnungsjahr 1927 für die Ausgaben für Kirche, Küsterei und Friedhof zu bezahlen hatte.149 Laut Information des Amtshauptmanns des Mecklenburg-Schwerinschen Amtes Rostock wurde am 7. Juni 1929 „Zur Behebung von Zweifeln über die heutige Regelung der kirchlichen Baulast auf folgendes hingewiesen: 149 Akte 2.S.3.a. 276. Archiv des Lk. Rostock

▲ Geistliche Bautkosten. Akte 2.S.3.a.276. Archivs des Lk. Rostock 150 ebenda


Über die Aufbringung der Kosten für die Instandsetzung kirchlicher Gebäude | 95

Laut Pfarrhauskonferenz in Brunshaupten vom 9. August 1929 wurden u.a. folgende zu behebende Mängel an Kirche und Pfarrgebäuden protokolliert: Kirche Erneuerung des Anstrichs der Zifferblätter der Turmuhr Erneuerung des Außenanstrichs der Turmuhr und -luken Untersuchung und Ausbesserung der Turmspitze Ausästen der Bäume an der Kirche Pfarre Backhaus: Ausbesserung des Deckenputzes der Speisekammer Viehhaus: Neudecken der halben nördlichen Rohrdachseite Karbolineumanstrich der Dunggrubenabdeckungen Wohnhaus: Erneuerung des Außenanstrichs der Fenster am Ostgiebel, an der Rück- und Vorderseite; Erneuerung der Decke des Studierzimmers; Tapezieren des Damenzimmers und Streichen der Decke; Weißen der Milch- und Speisekammer. Das Protokoll der Pfarrbaukonferenz in Brunshaupten vom 22. Juli 1931 enthält unter Punkt 3 die Festlegung: „Einsetzen der vier von dem Glasmaler Krause Arendsee gestifteten Glasgemälde (4 Evangelisten) in die Fenster des Chors oder der Sakristei nach Einholung der Zustimmung des Landesdenkmalpflegers.“151 In einem Rundschreiben des Mecklenburgischen Landrats des Kreises Rostock vom 1. Oktober 1936 zur Aufbringung der Kosten für bauliche Maßnahmen an den geistlichen Gebäuden gab es eine Neuregelung. Es heißt: „Nach einer Verfügung des Mecklenburgischen Staatsministeriums, Abteilung geistliche Angelegenheiten vom 8. Juni 1936 – G.Nr.4 G. 2001 – sind vom 1. April 1936 an die auf die zu einem Kirchspiel gehörenden Land151 ebenda

gemeinden entfallenden Beiträge zu geistlichen Bauten grundsätzlich aus der Gemeindekasse zu bezahlen. Eine Unterteilung auf die bisher Zahlungspflichtigen darf also künftig nicht mehr vorgenommen werden. Ausgenommen von dieser Neuregelung werden die Domänen für die Zeit der laufenden Pachtverträge. Erst von dem Ablauf der Verträge an sollte die Neuordnung auch dort durchgeführt werden. Die Bürgermeister der Landgemeinden haben darauf zu achten, daß bei der Aufstellung des Gemeinde-Haushaltplanes ein ausreichender Betrag für ‚Beitrag zu geistlichen Bauten‘ vorgesehen wird.“152 Auskunft über die ungefähre jährliche Höhe der Kosten hatte das Hochbauamt zu geben. Arendsees Bürgermeister Candy bat den Gemeindekirchenrat, bei der Vergabe der notwendigen Reparaturen an der Kirche und am Pfarrgehöft die hiesigen Handwerker zu berücksichtigen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die Sowjetischen Besatzungszone von der Bodenreform ausgeschlossen, so dass sowohl Wald als auch landwirtschaftliche Flächen kirchliches Eigentum blieben und später vorwiegend durch die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften bewirtschaftet wurden und Einnahmen erbrachten. Die Kirchen waren außerdem von der Zahlung von Körperschafts-, Grund- und Vermögenssteuern befreit. Das Alliierte Kontrollratsgesetz Nr. 46 vom 25. Februar 1947 hatte festgelegt, dass die Staatsleistungen kraft Rechtsnachfolge übernommen werden mussten und die Kirche diesbezügliche Rechte hat. Auch in der Verfassung der DDR aus dem Jahr 1949 wurden laut Artikel 45 diese Rechte trotz ihrer kirchenfeindlichen Haltung der Staatsmacht 152 ebenda


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anerkannt. Sie sollten durch ein eigenes Gesetz geregelt werden, was allerdings nicht geschah. Die DDR erbrachte regelmäßig Staatsleistungen an die Kirchen. Die evangelische Kirche erhielt z. B. jährlich einen Zuschuss zur Besoldung der Pastoren von etwa 12 Mio DDR-Mark. Die Kirche verfügte außerdem über Einnahmen in Höhe von 80 Mio DDR-Mark durch die Kirchensteuer. Die Kirchen in der DDR konnten etwa ein Drittel ihrer Ausgaben mit Geldern der westdeutschen Landeskirchen decken. Dieser Betrag lag bei etwa 25 Mio. Mark. Darüber hinaus erhöhte die sogenannte „Bruderhilfe“, eine Abgabe der westdeutschen Pastoren an ihre Amtskollegen in der DDR, deren Pfarrgehälter. Die Gehälter der Pastoren in der DDR betrugen in den 1980er-Jahren etwa Zweidrittel des Verdienstes eines Arbeiters. Die Zuschüsse der Kirchen aus der Bunderepublik wurden vorrangig für die Instandsetzung und Unterhaltung von Kirchen und deren Einrichtungen verwendet.153 Im Amtsblatt der Evangelischen Landeskirche Greifswald wurde 1984 auf die gemeinsame Pflicht von Kirche und Staat zur Erhaltung des kulturellen Erbes hingewiesen. Es heißt: „Mit unseren Kirchen und Kapellen und dem darin befindlichen Kunst- und Kulturgut ist uns ein Erbe überkommen, daß die Kirche zu einem der wichtigsten Denkmalpfleger in unserem Staat bestimmt. Dabei ist die Erhaltung und Pflege nicht nur im ureigensten kirchlichen Interesse zu sehen, sondern darüber hinaus auch als Pflicht und Aufgabe gegenüber kommenden Generationen unserer ganzen Gesellschaft. Daß die Kirche dies nicht umfassend und allein wahrnehmen kann, habe

153 Spree, Wolfgang: Kirchensteuern und die finanziellen Angelegenheiten der Kirche. Studienarbeit

ich bereits versucht deutlich zu machen.“154 Nach Besichtigung der hiesigen Kirche durch den Bauausschuss der Stadt beschloss der Kirchgemeinderat am 4. September 1989 die nachfolgenden Arbeiten: Verfugen des Fundaments und des Mauerwerks im unteren Bereich der Kirche mit Kalkmörtel, Anlegen einer Traufpflasterung, Sanierung der Sakristei, Sanierung der Turmbebretterung. Am 16. September 1989 wurden Kabelgräben für zwei stabile Laternen auf dem Friedhof ausgehoben. Eine dritte Laterne wurde am Kirchportal installiert. Im Frühjahr 1990 wurde die große Pfarrscheune von der Landwirtschaftlichen Genossenschaft des Ortes an die Kirche zurückgegeben. Der Kirchgemeinderat entwickelte ein Konzept zur Nutzung und Umgestaltung zu einem Kommunikationszentrum der Kirche. Im Staatskirchenvertrag, dem so genannten Güstrower Vertrag aus dem Jahr 1994 wurden die kirchlichen und staatlichen Leistungen in den nachfolgenden Artikeln wie folgt geregelt: „Artikel 9 Die Kirchen und das Land tragen gemeinsam Verantwortung für Schutz und Erhalt der kirchlichen Denkmale. Artikel 12 (1) Das Land erfüllt durch Staatsleistungen an die Kirchen seine Verpflichtungen gemäß Artikel 140 des Grundgesetzes und Artikel 9 Absatz 1 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern in Verbindung mit Artikel 138 Absatz 1 Satz 1 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919. (2) Die Staatsleistungen bestimmen sich nach den Artikeln 13 bis 15 dieses Vertrages. (3) 1. Die Kirchen einigen sich über die Verteilung der Staatsleistungen untereinander. 2. Sie teilen das Ergebnis der Landesregierung mit. 154 Amtsblatt der Evangelischen Landeskirche Greifswald 1984. Nr. 5/6, S. 51


Über die Aufbringung der Kosten für die Instandsetzung kirchlicher Gebäude | 97

Artikel 13 (1) An die Stelle aller bisherigen kirchlichen Ansprüche aus den staatlichen Patronaten tritt eine hälftige Beteiligung des Landes an den Baulasten solcher kirchlichen Gebäude, die bislang dem Patronat unterstanden. (2) 1. Die Verpflichtung des Landes nach Absatz 1 wird durch eine pauschale jährliche Zahlung abgegolten. 2. Das Land zahlt jährlich 7 Millionen Deutsche Mark in monatlichen Raten, erstmals für das Jahr 1994. 3. Nach fünf Jahren überprüfen die Vertragspartner gemeinsam diesen Betrag. 4 Sie berücksichtigen dabei den Bedarf und ihre Haushaltslage. (3) Die Kirchen beteiligen sich an den Baulasten mindestens mit dem gleichen Betrag wie das Land.“155 Im März 1991 begannen umfangreiche Bauarbeiten im Wert von 92.720 DM an der St.-Johannis-Kirche, die im August abgeschlossen werden konnten. Da der Oberkirchenrat 60.000 DM Fördermittel bereitstellte, erübrigte sich eine Kreditaufnahme der Gemeinde. Nach dem Brand im Pfarrhaus im November 1993 begann die Wiederinstandsetzung im Jahr 1994. Die Kosten waren mit 420.000 DM veranschlagt. Die Kirchgemeinde nahm hierfür einen Kredit in Höhe von 120.000 DM auf; die Versicherung kam für die restlichen Kosten auf. Die Baukonferenz am 24. August 1995 beschloss die Erneuerung der Außenfassade des Evangelischen Gemeindehauses (West) aus dem Jahr 1909. Die geschätzten Kosten von 101.000 DM verteilten sich wie folgt: Außenputz Malerarbeiten

30.000 DM 25.000 DM

155 Vertrag zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs und der Pommerschen Evangelischen Kirche vom 20. Januar 1994.

Rüstung Neue Fenster Sanitärerweiterung

6.000 DM 20.000 DM 20.000 DM

Die Kirchgemeinde wollte sich nicht weiter verschulden und nahm für die gesonderte Baukasse des Evangelischen Gemeindehauses einen Kredit aus der Kirchgemeindekasse in Höhe von 80.000 DM auf. Im Jahr 1998 wurde die alte mechanische Turm­ uhr wieder instandgesetzt und mit dem mechanischen Läutewerk der kleinen Glocke verbunden. Gleichzeitig wurde ein neues elektrisches Läutewerk für die Glocken eingebaut. Die Kosten hierfür betrugen 5.624 DM. Die Landeskirche stellte 2004 aus Patronatsmitteln einen Betrag von 12.000 Euro für den weiteren Ausbau der Pfarrscheune zur Verfügung. Die Stadt Ostseebad Kühlungsborn unterstützte das Projekt mit 25.000 Euro. Ein Großteil der Arbeiten an der Pfarrscheune wurde ehrenamtlich durchgeführt. Der Bau war für die Gemeinde eine enorme Kraftanstrengung, eigentlich ein Millionenobjekt, das aufgrund großer Einzelleistungen auf reichlich 300.000 Euro gedeckelt werden konnte. Die ehemaligen Kindergottesdiensträume im Nebengebäude der Pfarre wurden 2005 für etwa 6.000 Euro zu einer Ferienwohnung umgebaut, in der vorrangig Musiker für die Sommerkonzerte untergebracht werden können. Der Kirchgemeinderat stimmte 2006 nach sorgfältiger Information und Prüfung durch Frau Riemann (Kirchenkreisverwaltung) zu, dass 4,24 ha Pfarracker als Bauland durch Erbpachtverträge genutzt werden können.


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VOM BISMARCKSTEIN ZUM FRIEDENSSTEIN Ostsee-Bote, 11.04.1908 Brunshaupten, 9. April. Am Dienstag d. W. feierte der Büdner Grammdorf das Fest der silbernen Hochzeit. Glückwünsche und Ehrungen gingen dem Jubelpaare viele zu. Heute wurde in unserem Walde der Bismarckstein enthüllt. Man vereinigte diese Feier mit der des von Großherzogs Geburtstag. Nachdem am Morgen in den Schulen die üblichen festlichen Veranstaltungen abgehalten waren, versammelten sich am Nachmittag um 2 ½ Uhr der Kriegerverein und die Schulen vor Westphals Hotel in der Dünenstraße und marschierten durch die Lindenund Strandstraße unter Voranritt des Trommlerund Pfeiferkorps der Ortsschule und des Musikkorps des Kriegervereins nach der Neuen Reihe. Hier hatte sich inzwischen in Schwemers Hotel der Turnverein und in Büngers Hotel der Gesangverein versammelt, die sich jetzt dem Festzuge anschlossen. Beim Gemeindebureau wurden die Gemeindevertretungen von Arendsee und Brunshaupten in Empfang genommen. Von hier bewegte sich der große Zug nach dem Bismarckstein, der nach dem Arrangement des Herrn Kunstgärtners

B. Knaack hierselbst von äußerst geschmackvollen Dekorationen umgeben war. Nach Aufstellung aller Vereine und Korporation trug der Gesangverein das Lied vor: „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre.“ Darauf hielt Herr Pastor Schreiber eine längere, ausdrucks- und verständnisvolle Festrede, in der Bismarck als Baumeister des deutschen Reiches gepriesen wurde. Die schöne Rede klang aus in das begeistert aufgenommene Hoch auf den Kaiser und Großherzog, worauf gemeinsam die Lieder: „Deutschland, Deutschland über alles“ und „Gott segne Friedrich Franz“ gesungen wurden. Nach weiteren Ansprachen und Niederlegen von Kränzen am Bismarckstein schloß die Feier mit dem vom Gesangverein vorgetragenen Liede: „Und hörst du das mächtige Klingen“. Herr Photograph C. Schröder aus Kröpelin machte dann mehrere photographische Aufnahmen. Jetzt ordnete sich der Festzug von neuem und nahm seinen Weg durch die Strandstraße und den Bülowweg nach Westphals Hotel, wo Konzert und am Abend ein Ball die schöne Feier beendete. Auch in den Gasthäusern „Zur Einigkeit“ und „Zum grünen Kranze“ fanden Tanzvergnügungen statt.


Der Alte Friedhof | 99

DER ALTE FRIEDHOF Alexander Schacht

Bau der Friedhofskapelle und die Erweiterung des Friedhofs Die Kosten für die Instandsetzungsarbeiten des Friedhofs wurden von beiden Gemeinden anteilig getragen. Für Brunshaupten galt ein Anteil von 70 Prozent, Arendsees Anteil betrug 26 Prozent. Im Jahr 1924 stand der Bau einer Leichenhalle auf dem Friedhof in Brunshaupten wiederum auf der Tagesordnung beider Gemeinden. Die Vertreter Bruns­hauptens schlugen dem Gemeindevorstand Arendsee eine Beteiligung von einem Drittel der Baukosten vor. Das entsprach etwa ihren unterschiedlichen Einwohnerzahlen. Angeblich wurde man sich über die Zusammensetzung der Baukommission nicht einig, so dass die Gemeindevertretung Arendsee nunmehr am 20. August 1924 beschloss, eine eigene LeichenVerteilung der Kosten auf die beiden Gemeinden. Akte 2.S.3.a.276 Archiv des Lk. Rostock. Siehe auch Seite 212. ▶


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halle zu bauen, und zwar auf einem Grundstück in der Nähe der Gleise der Feldbahn an der Chaussee nach Bastorf. Hier sollten die Verstorbenen bis zu ihrer Beisetzung auf dem Friedhof der Kirchgemeinde in Brunshaupten-Arendsee aufgebahrt werden. Die Kosten für ihren Bau und die Innen­ einrichtung waren mit 6.000 M veranschlagt, die für den Bauplatz mit etwa 1.500 M und für den Erwerb der Grundstücke nochmals etwa mit 2.000 M. Doch gegen dieses Vorhaben formierte sich unter den Bürgern des Ortes Widerstand. Gegner lehnten das Projekt aus Kostengründen ab, betrachteten es als Luxusausgabe und forderten das Geld sinnvoller für die Instandsetzung und Pflege der Straßen, Bürgersteige, Straßenreinigung, Anpflanzung von Bäumen, Streichen der Bänke auf der Promenade, der Installierung einer Beleuchtung von Strandpromenade und Seebrücke zu verwenden. Sie forderten, die Meinung der Einwohner einzuholen. Auch der Oberkirchenrat in Schwerin befürwortete am 26. Oktober 1924 in einem Schreiben an die Gemeindeverwaltung Arendsee nur den Bau einer gemeinsamen Leichenhalle, und zwar in Brunshaupten auf dem Friedhof. Sie wurde 1925 fertiggestellt. Aufgrund der zunehmenden Einwohnerzahl der beiden Badeorte war es Mitte der 1920er-Jahre notwendig, den Friedhof in absehbarer Zeit zu erweitern. Doch das Geld der Kirchgemeinde war durch die Inflation entwertet worden, so dass sie nicht in der Lage war, die Kosten für eine Erweiterung zu tragen. Deshalb wandte sich Pastor Schreiber am 25. Juli 1924 an die beiden Gemeindevorstände in Brunshaupten und Arendsee mit der Bitte um Unterstützung. Um einen Beschluss in der Gemeindevertretung Brunshaupten über das Projekt herbeiführen zu können, war es erforderlich, zu erfahren, ob und in welchem Umfang sich die Gemeindeverwaltung Arendsee daran beteiligen würde. Dabei ging es vorrangig um die Kosten für den Ankauf von 4476 Quadratmetern Land aus der Dittmerschen Büdnerei. Die Pfarrländereien kamen für die Vergrößerung nicht

in Betracht, weil zwischen dem bestehenden Friedhof und dem Pfarracker der Fahrweg der in die Pfarrscheune hineinführte und nicht verlegt werden konnte, um nicht den landwirtschaftlichen Betrieb der Pfarre erheblich zu stören. Außerdem würde der Friedhof dann aus zwei Teilen bestehen. Der Pfarracker schien auch aufgrund seiner Feuchtigkeit ungeeignet. Die Möglichkeit, die benötigte Fläche zu enteignen, wurde verworfen. Am 9. März 1932 tagte die Brunshauptener Gemeidevertretung und meldete, dass die Kirche 200 Quadratruten Land aus der Dittmerschen Büdnerei zwecks Erweiterung des Friedhofs erworben hätte. Heute gilt laut dem so genannten Güstrower Vertrag, dem Staatskirchenvertrag in Mecklenburg-Vorpommern, Artikel 10: 1. „Die kirchlichen Friedhöfe genießen den gleichen Schutz wie die kommunalen Friedhöfe. 2. Die Kirchgemeinden haben das Recht, im Rahmen der Gesetze neue Friedhöfe anzulegen. 3. Auf kirchlichen Friedhöfen die Bestattung aller in der Gemeinde Verstorbenen zu ermöglichen, wenn dort kein Gemeindefriedhof vorhanden ist.“ 4. Die Kirchen haben das Recht, auf öffentlichen Friedhöfen Gottesdienste und Andachten zu halten. 156 Laut eines Vertrags vom 16. Februar 1925 ist die Stadt Eigentümer der Friedhofkapelle und damit auch verpflichtet, die Kosten für Unterhaltung, Instandhaltung und Renovierung zu tragen. 156 Vertrag zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs und der Pommerschen-Evangelischen Kirche vom 20. Januar 1994.


Der Alte Friedhof | 101

1989 Bei einem Friedhofseinsatz am 8. April wurden unter Leitung von Fritz Finger etwa 600 Quadratmeter Friedhofsfläche (Feld I) mit jungen Fichten aufgeforstet. (Kirchenchronik Burkhardt S. 26) Anstellung des Friedhofswärters Ludwig Bünger Am 1. Dezember 1924 wurde Ludwig Bünger aus Brunshaupten, Cubanzestraße 33, als Friedhofswärter der Gemeinden Brunshaupten und Arendsee angestellt. Sein Lohn betrug für ein Jahr 864 Mark und wurde von den Gemeinden Brunshaupten und Arendsee im Verhältnis 73 zu 26 Prozent getragen. Als Totengräber erhielt der Stelleninhaber von den Hinterbliebenen für das Glockenläuten und für die Herstellung der Gruft bei Leichen Erwachsener 10 Mk, bei Kindern 6 Mk, bei Kinder unter 3 Jahren 3 Mk. Er hatte ebenfalls das Glockenläuten an Sonn- und Feiertagen sowie an den Tagen davor zu übernehmen. Zu seinen Tätigkeiten gehörte es, die Kirche zu reinigen, sie im Winter zu heizen und die Bälge der Orgel bei den Gottesdiensten zu treten. Drefers, Hermann: Aus der Kirchenchronik 1945157 „Gut 200 Verwundete lagen bei Ende des Krieges noch in den hiesigen Kriegslazaretten. Aber kein 157 Kirchenchronik, S. 56

Arzt und nur eine Schwester mit zwei Kriegspfarrern, ein evgl. und ein kath., waren zur Betreuung geblieben. Alle anderen waren geflohen! Die Folge war, daß mancher der Verwundeten noch sterben mußte und auf dem hiesigen Soldatenfriedhof, der an der Nordecke des Kirchhofs angelegt war, beigesetzt wurde. Insgesamt wurden hier im Verlaufe des Krieges etwa 125 und an anderer Stelle nochmals 10 Verwundete bestattet, darunter ein Franzose, ein Belgier, ein Italiener und zwei russische Hiwis158. Da die beiden Kriegspfarrer verständlicherweise in ihre Heimat zurückkehren wollten, übernahm Pastor Drefers ihre Lazarettdienste, während sie über die ,Grüne Grenze‘ gen Westen zogen. Pastor Drefers nahm sofort Verbindung mit den Angehörigen der Verstorbenen auf und erreichte über die UNESCO auch Verbindung mit den Angehörigen der Ausländer, was zur späteren Exhumierung und Überführung aller ausländischen Soldaten in ihre Heimat führte. Die Pflege der Gräber aber wurde in die Hände von einzelnen Gemeindegliedern gelegt, die Jahre hindurch sich mit großer Liebe und Sorgfalt dieses Friedhofsteils annahmen. Später gaben dann Pastor und Kirchgemeinderat und Junge Gemeinde in Eigenleistung dem Soldatenfriedhof die heutige Anlage. Trotzdem war natürlich diese Umgestaltung mit erheblichen Kosten verbunden. Aber die Freudegebigkeit der Gemeinde war so überwältigend groß, daß deswegen keinerlei Schulden gemacht zu werden brauchten.“

◀ Bild S. 102: Erste Kriegsgräber 1945. Sammlung: Manfred Bünger

◀ Leichenkleiderin Roschlaub, Küster Ludwig Bünger. Sammlung: Manfred Bünger

158 Hilfswillige, Hilfskräfte während des Zweiten Weltkrieges innerhalb der deutschen Wehrmacht und der SS.


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KURZER AUSZUG AUS DER INHALTSREICHEN GESCHICHTE BRUNSHAUPTENS – 50 JAHRE ARENDSEE Heinrich Schreiber

An Stelle der zur 50-jährigen Jubelfeier Brunshauptens als Ostseebad ausgearbeiteten Festschrift, dargeboten von Pastor H. Schreiber I. Die Entdeckung Brunshauptens als Ostseebad Brunshaupten blickt im Jahre 1931 auf ein 50-jähriges Bestehen als Ostseebad zurück, und es wäre undankbar gegen die, die einst als Gründer angesehen und gerühmt wurden, wollte man dies Jubeljahr sang- und klanglos vorüberrauschen lassen. Leider ließ sich nur ein ganz kurzer Auszug aus der inhaltsreichen Geschichte Brunshauptens im Druck ermöglichen, während die auf Wunsch fertig gestellte Festschrift unbenutzt liegen blieb. Lange führte Brunshaupten ein weltentferntes, geruhsames Dasein, lange schlief es den Dornröschenschlaf, bis aus der Residenz die kamen,

die es wecken und als erste Kurgäste in seinen gastlichen Häusern Wohnung nehmen sollten. Ihre Namen seien billig der Nachwelt überliefert. Es waren der damalige Postsekretär, spätere Regierungsrat Eingrieber, und der Goldschmied Krüger aus Schwerin, die Brunshaupten als Ostseebad entdeckten und beim Erbschmiedemeister Sengebusch in der jetzigen Schloßstraße Wohnung, beim damaligen Tischlermeister Bünger in der Neuen Reihe aber Verpflegung fanden. Die ersten Förderer des Badewesens waren Bünger, Oemigh und Pentzin, Sengebusch, Pastor Niemann und Kantor Lohff, zu denen später der damalige Erbpächter Risch trat. Der Amtmann von Bülow in Doberan ging bereitwillig auf die Vorschläge des Pastors Niemann hinsichtlich der Anlage von Waldwegen und der Errichtung


Kurzer Auszug aus der inhaltsreichen Geschichte Brunshauptens – 50 Jahre Arendsee | 103

von Hütten am Strande ein. Pastor Niemann war zunächst die Seele des ganzen Badewesens in Brunshaupten. Am 18. Februar 1885 sandte er folgenden Bericht an das Finanzministerium: ‚Ehrerbietigst gehorsamst Unterzeichnender erlaubt sich im Interesse des Badeortes Brunshaupten folgendes Bittgesuch einem hohen Ministerium zu unterbreiten: Im Sommer 1881 kamen ohne Veranlassung von hier aus Personen nach Brunshaupten, badeten vom Strande aus an der Ostsee; fanden wohltuende Erfrischung in unserer reinen Wald- und Seeluft und waren entzückt über die Schönheit der Gegend. Auf ihre Anregung traten die bezüglichen Bewohner des Dorfes, die imstande waren, Badegäste in ihren Häusern aufzunehmen, zusammen und beschlossen, Badehütten über dem Wasser anzulegen, wenn ihnen die obrigkeitliche Erlaubnis dazu erteilt werden würde. Der Unterzeichnete wandte sich in einem Bittschreiben an die Großherzogliche Amtsforstbehörde zu Doberan und erhielt für die Unternehmer die Erlaubnis, Badehütten am Brunshauptener Strande zu errichten und die Wege und Schneisen der Brunshauptener Tannen nach den errichteten

Badestellen benutzen zu dürfen. Infolgedessen wurden Badestellen eingerichtet, und als dies geschehen war, teilten wir solches den Badegästen aus dem Jahre 1881 mit. Die empfahlen dann den Ort Brunshaupten durch Zeitungsartikel als besonders geeignet für solche Badegäste, die einem stillen, ländlichen Sommeraufenthalt mit Seebad den Vorzug vor einem Badeorte größeren Stils geben. Es kamen auch so viele Gäste, als wir zu der Zeit nur unterbringen konnten. Da sich dabei durch das hohe Gras in den Schneisen der Tannen bei Regenwetter Unzuträglichkeiten gezeigt hatten, so kam uns die Großherzogliche Forstinspektion zu Doberan in bereitwilligster Weise auf unsere Bitte dahin entgegen, daß wir die gewährten Schneisen und vorhandenen Wege für die Fußgänger zugänglich machen durften. Zugleich wurde uns von derselben Forstinspektion verheißen, dass wohl auch noch andere Spaziergänge in den Tannen für die Badegäste später eingerichtet werden könnten, wenn sich der Badeort Brunshaupten in Bezug auf Frequenz aufnehmen sollte. Das ist nun im Sommer 1884 in dem Maße der Fall gewesen, daß 149 Badegäste unsern Ort aufgesucht und ihre Befriedigung gefunden haben. Sie wünschen nur, nach dem Bade in den Tannen und

▲ Prospekt Brunshaupten 1931. Sammlung: Jürgen Jahncke

▲ Brunshaupten 1931. Sammlung: Jürgen Jahncke


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doch in der Nähe der See Spaziergänge machen zu können. An dem Strande ist das Spaziergehen nicht gestattet, solange die Badezeit währt. Zu dem Ende wandte sich der Unterzeichnete im Interesse des Badeortes wiederum an die Großherzogliche Forstinspektion und fand bei derselben geeignetes Gehör; doch wurde ihm aufgegeben, da die Angelegenheit nunmehr größeren Umfang annehme, die Sache den hohen Oberbehörden vorzutragen. Das Badeunternehmen hat sich für den Ort Bruns­haupten sichtlicher Weise als ein gemeinnütziges erwiesen. Es führt nicht bloß den Badewirten eine erhebliche Einnahme zu, sondern es gewährt auch den Landwirten bequemen Absatz ihrer Produkte und Arbeitsleuten, Fuhrleuten, Maurern, Zimmerleuten manchen Verdienst. Im vorigen Jahre und in diesem Jahre ist nicht unerheblich gebaut. Aus diesem Grunde bittet der Unterzeichnete gehorsamst: Ein hohes Ministerium wolle gewogentlichst das gemeinnützige Badeunternehmen zu Brunshaupten seinerseits fördern und es gütigst veranlassen, daß für die Badegäste in den Brunshauptener Tannen Spaziergänge eingerichtet werden, sofern es nach forstlichen Interessen statthaft sein möge.“ Aus diesem Bericht ersehen wir, wie es mit dem Badewesen in unserem Orte in den ersten drei Jahren von 1881 bis 1884 aussah. Aus geringen Anfängen ist alles entstanden, was uns jetzt als selbstverständlich erscheinen will und das zu erreichen manche Mühe und Arbeit verursachte. Schon im Mai 1882 war der damalige Amtsverwalter, der spätere Oberlanddrost von Bülow aus Doberan zu Pastor Niemann gekommen, „um über die geplanten Badeeinrichtungen zu verhan-

deln. Da die Zeitungen ergeben, daß der Plan auf Constituierung von Brunshaupten zum Seebad gerichtet ist.“, heißt es weiter in dem Schreiben, „wird es doch nötig sein, die Genehmigung der Oberbehörden einzuholen.“ Diese Art der Behandlung der ganzen Angelegenheit erweist das Wohlwollen, das das Amt Doberan dem entstehenden Badeorte Brunshaupten von vornherein entgegenbrachte und das ihm stets zu bewahren bemüht war. Die Amtsforstbehörde genehmigte die vom Pastor Niemann vorgetragene Bitte um Herrichtung von Spaziergängen in den Brunshauptener Tannen. Die Forstinspektion wurde ermächtigt „die Herstellung und Unterhaltung von Promenaden im hiesigen Reviere, soweit dies unnachteilig für die Forst erscheint, auf Grund spezieller Anweisung zu gestatten unter der Bedingung strengster Beobachtung der forstlichen Vorschriften und unter Vorbehalt beliebiger Rücknahme der erteilten Erlaubnis, sobald das forstliche Interesse es erheische und falls Unzulässigkeiten und eigenmächtige Ueberschreitungen des Gestatteten zu Unzuträglichkeiten und Gefahren für den Wald führen sollten.“ Am 13. März 1885 war diese Verfügung in Schwerin ausgefertigt und löste große Freude bei dem Antragssteller Pastor Niemann und den ersten Vermietern unseres Ortes aus. Man begann jetzt mit dem Bau von drei Badehütten und dem Anlegen neuer Wege. Aber am 9. April 1886 lief aus Doberan ein Schreiben der Forstinspektion ein, in dem es heißt, „daß die Hütten nicht am Strande, sondern auf der Düne hart am Rande des Holzes und teilweise in dasselbe hinein“ erbaut sind. Das wird als Uebergriff bezeichnet. Forstseitig sei „von Anfang an betont worden, daß stets die forstlichen Interessen, vor allem die Sicherstellung der


Kurzer Auszug aus der inhaltsreichen Geschichte Brunshauptens – 50 Jahre Arendsee | 105

Dünenwaldung (welche letztere ja auch für das Dorf von höchster Bedeutung) voranstehe und Zugeständnisse auf Widerruf nur soweit gemacht werden können, als diese Interessen nicht verletzt werden. Falls nun die drei Schutzhütten gegenüber den Badesteigen noch im Laufe dieses Frühjahres und zwar spätestens bis 15. Mai ds. Jahres in Brettern aufgeführt und mit fester Bedachung versehen werden, mögen solche vorläufig auf ihrem jetzigen Standort stehen bleiben. Die übrigen Hütten sind aber noch bis Ende dieses Monats abzubrechen und das Stroh zu entfernen.“ Aufmerksam gemacht wird darauf, „daß die Anlage von Strohhütten selbst am Strande und entfernt vom Holzrande niemals gestattet werden kann und überhaupt alle derartigen Neuanlagen, seien es Hütten, seien es Promenaden und Fußsteige, ohne spezielle Genehmigung und Anweisung an Ort und Stelle für jeden einzelnen Fall unterbleiben müssen.“ Am 26. Mai 1886 trat man mit der AnnoncenExpedition Haasenstein & Vogler in Hamburg wegen der ersten dreimaligen Inserate in den Hamburger Nachrichten und in der Berliner Kreuzzeitung in Verbindung. Die Anzeigen in Hamburg sollten 11,55 Mk. kosten, die in Berlin 12,21. Im Mai 1886 wurde die Fuhrtaxe für „Ostseebad Brunshaupten“ festgesetzt. Es hatten sich folgende Einwohner mit Fuhrwerk zur Verfügung gestellt: Schmied Sengebusch mit offenem sechssitzigen Omnibus, Fuhrmann Bauer mit offenem viersitzigen Zweispänner, Fuhrmann L. Wendt desgleichen. Gastwirt Holst mit dreisitzigem Einspänner, Büdner Brümmer desgleichen, ebenso Häusler C. Harnack. Diese sechs Unternehmen hatten sich dem „Badevorstand“ gegenüber zu einer bestimmten Taxe verpflichtet. Vom Bahnhof Kröpelin forderten sie 4 bis 6 Mk., von Doberan 5 bis 7, von Heiligendamm 4 bis 6 Mk., Rennbahn ½ Tag 5 bis 8, einen ganzen Tag 7 bis 10 Mk.,

Leuchtturm 2,50 bis 4 Mk., Kühlung die Person 50 Pfennig, Alt Gaarz 6 bis 8 Mk. Ein zweispänniger Gepäckwagen kostete von Kröpelin 4 Mk., von Doberan 5, ein einspänniger 3 bzw. 4 Mk. So wußten die Gründer unsers Badeortes, Ordnung in die ganzen Einrichtungen zu bringen. Zum 1. April 1886 lud Pastor Niemann die Mitglieder des „Vorstandes des Gemeinnützigen Vereins“ ins Pfarrhaus zu einer Besprechung über die Anordnung der Forstbehörde ein. Im nächsten Jahr sendet der Pastor am 28. Februar ein Gesuch an das Großherzogliche Amt Doberan. In diesem Schreiben heißt es: „Im Namen des hiesigen Gemeinnützigen Vereins erlaubt sich der gehorsamst Unterzeichnete, das verehrliche Großherzogliche Amt zu bitten, auch in diesem Jahr es gewogentlichst gestatten zu wollen, daß der Verein zur Fertigstellung des im vorigen Jahre begonnenen Badesteiges in der Damenbadschneise Seetang vom Strande zur Unterlage unter den aufzufahrenden Kies hole. Es hat sich diese Art der Herrichtung des Badesteiges im vorigen Jahre außerordentlich bewährt, während der Kies allein und Tang allein spurlos verschwunden ist. Das noch herzustellende Ende ist etwas über 100 Schritt lang, und mögen wohl drei bis vier Einspännerfuhren Seetang als Unterlage genügen. Es unterzeichnet sich ganz gehorsamst Brunshaupten, 28. Februar 1887 F. Niemann, Pastor“ Wir erkennen, wie mühevoll es war, den Grund zum Ausbau unseres Brunshauptens als Badeort zu legen und zugleich, mit welchem Bedacht, mit welcher sorgfältiger Ueberlegung alles mit möglichst geringen Kosten herzustellen versucht worden ist.


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Zum 27. Oktober 1886 hatte Pastor Niemann die Vorstandsmitglieder der Gemeinnützigen Gesellschaft, der damals außer dem Pastor als dem Vorsitzenden die Erbpächter Priester und Risch, der Schulze Hoepfner und der Organist Lohff angehörten, zu einer vorbereitenden Besprechung für die einzuberufende Generalversammlung eingeladen. Schon in einem Bericht der Amts- und Forstbehörde Doberan wird Pastor Niemann als „Wortführer der dortigen Badeanstalts-Interessenten“ bezeichnet „mit Ausnahme des selbständig agierenden Erbpächters Kolz.“ Am 27. Juli 1887 wurde folgende Bekanntmachung erlassen: „Die ortsanwesenden Fremden und Badegäste werden hierdurch mit folgender forstlicherseits erlassenen Verordnung bekannt gemacht: 1. Es ist nicht gestattet, im Holze mit Hunden zu gehen; auf den Steigen zum Bade dürfen dieselben nur an Leinen geführt werden. 2. Alles Schießen mit jeglicher Schusswaffe ist im Holze, an der See sowie im Felde verboten. 3. In den Dünen-Tannen ist nur auf den zu den Badehütten führenden Steigen zu gehen gestattet. 4. In den jungen Besamungen und Pflanzungen darf überall nicht gegangen werden. Um Berücksichtigung obiger Vorschriften bittet gehorsamst Der Vorstand des Gemeinnützigen Vereins Brunshaupten, 27. Juli 1887“ Im selben Jahre 1887 machte sich auch das Bedürfnis nach Benutzung eines größeren Saales in unserm Orte geltend. Wieder ist es Pastor Niemann, der dies Schreiben abfaßt und „im Namen des Gemeinnützigen Vereins“ absendet. Da es sich um Herstellung des ersten größeren Saales handelt, sei das Schreiben hier mitgeteilt.

„Es hat sich in dem Orte Brunshaupten zwecks Unterstützung des Badeverkehrs ein Gemeinnütziger Verein gebildet, der sich genötigt sieht, der hohen Gewerbe-Kommission nachstehendes Gesuch zu unterbreiten: Der Zufluß von Badegästen aus den Ständen der Kaufleute und Angestellten hat sich ohne Anwendung von irgendwelcher Reklame von Jahr zu Jahr gesteigert, und namentlich in diesem Jahre ist ein sehr zahlreiches Publikum bei uns eingekehrt, nachdem drei größere Häuser mit gutem Komfort gebaut und eingerichtet sind. Unter diesen Häusern zeichnet sich das Haus des früheren Schiffskapitäns Schwemer besonders aus durch die elegante Einrichtung und den in dem Hause vorhandenen größeren Saal.

▲ Hotel Schwemer 1900. Sammlung: Fred Granitza

Namentlich seit der Eröffnung dieses Hauses konnten wir auch Anfragen, die auf ein Hotel hinausliefen, entsprechend beantworten. Aber es stellt sich für unser Badeleben noch ein Bedürfnis heraus; das ist das nach einem Versammlungssaal, in dem die Gesellschaft aus den verschiedensten Quartieren einmal sich versammeln könnte. Die sogenannten Säle des Kruges und Gastwirts Prüter werden von den Badegästen nicht anerkannt, weil sie sehr niedrige Räume sind; dieselben drängen darauf, daß der p.p. Schwemer ihnen gestatten möge, sich in seinem Saale zu versammeln. Schwemer kann diesem Ansinnen aber nicht Folge geben, weil er keine Schankberechtigung hat.


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Jetzt tritt wiederum die Frage an uns heran, ob wir einen Saal haben, in dem der Reuter-Vorleser Glöde aus Hamburg eine Reuter-Vorlesung veranstalten könnte. Es ist nur möglich, solche Vorlesung in dem Hause des Herrn Schwemer abzuhalten. Wir können aber kaum das Ansinnen an den Genannten stellen, uns seinen Saal zu überlassen, wenn er nicht irgendeinen Vorteil dabei haben soll. Deshalb möchten wir uns an die hohe Gewerbe-Kommission richten, um Konzession für den Herrn Schwemer während der Badezeit die Badegäste mit Getränken und Erfrischungen bedienen zu dürfen. Unsere Bitte geht hervor aus dem fühlbaren Mangel eines geeigneten Versammlungslokals für die Badegesellschaft und wird gestellt in der Ueberzeugung, daß Herr Schwemer eine ungeeignete Gesellschaft stets fernhalten wird. Obenein hat der frühere Besitzer des Hauses eine Bierschenk-Berechtigung für sich gehabt, auf die er zu Gunsten seines Käufers verzichtet hat. Es wird also eine Bierschenke gewöhnlicher Art durch erteilte Konzession an Herrn Schwemer umgewandelt in ein hotelartiges Etablissement, das bei der Hebung des hiesigen Badelebens zu einem deutlich hervorgetretenen Bedürfnis geworden ist. Aus diesem Grunde bittet der ehrerbietigst unterzeichnete Verein: Eine hohe Gewerbe-Kommission wolle dem p.p. Schwemer für die Dauer der Badezeit gewogentlichst die Erlaubnis erteilen, die bei ihm sich versammelnden Bade- und Kurgäste mit Getränken und Erfrischungen bedienen zu dürfen.“ Unterzeichnet ist dies Gesuch außer von Pastor Niemann noch von C. Risch, Erbpächter; Hoefner, Schulze und Erbpächter; A. Lohff, Organist; Bünger, Tischler.“ Schwemers Hotel führt jetzt den Namen „Deutsches Haus“.

Die „Satzungen des Badevereins zu Brunshaupten“ erschienen im Jahr 1903 im Druck. Schon am 8. Dezember 1901 waren sie entworfen, aber am 5. Januar 1902 in 3 Paragraphen geändert. Den Vorstand bildeten damals C. Risch, P. Westphal, J. Oldag, L. Baarck, E. Rieck, H. Steußloff, A. Heine. Schon am 24. März 1902 war der Badeverein unter Nr. 1 in das Vereinsregister des Großherzoglichen Amtsgerichts Kröpelin eingetragen. Die Satzungen bestehen aus 33 Abschnitten. Zweck des Vereins ist „mit Genehmigung des Großherzoglichen Amtes zu Doberan die Leitung und Förderung alles dessen, was auf den Badeverkehr von Brunshaupten und die Hebung der Ortschaft Bezug hat, insbesondere der dem Verein amtlich genehmigte und bestätigte Betrieb und die Ausnutzung der Seebadeanstalten und der auf Kosten des Vereins auf der Eigentumsparzelle Nr. 1 zu Brunshaupten erbauten Warmbadanstalt mit Dampfbetrieb; die Uebernahme und der Betrieb aller dem Verein gehörigen Einrichtungen und Anstalten.“ Die Aufnahme in den Verein hängt vom Beschluss der Generalversammlung ab. Ein Ausscheiden ist nach vorausgegangener dreimonatlicher Kündigung zum 1. November, dem Schluß des Geschäftsjahres, möglich. Außerdem kann der Vorstand oder die Zahl von zehn Mitgliedern den Ausschluß eines Mitgliedes verfügen wegen einer den Verein schädigenden Handlung, wegen unehrenhaften Wandels, wegen Verlustes der „Verfügungsfähigkeit“ und auf Grund wiederholter Forstfrevel im hiesigen Walde. Die bei einem Mitglied des Vereins wohnenden Fremden können an allen Einrichtungen des Vereins zu den von der Generalversammlung festgelegten Preisen teilnehmen, während die bei einem Nichtmitglied Wohnenden den doppelten Preis und auch die doppelte Kurtaxe zahlen müssen. Nur den Mitgliedern steht es zu, die Einrichtung des Wohnungsnachweises zu benutzen, an den


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Generalversammlungen und allen Einrichtungen des Vereins teilzunehmen. Den Rechten stehen auch besondere Pflichten gegenüber. Dahin gehört z. B. Schutz des Waldes, der Einrichtungen des Vereins, Zahlung der Beiträge, ordentliche Führung der Fremdenbücher, Anhalten der Gäste zur Zahlung der Kurtaxe. Als „Organ des Vereins“ werden der Vorstand und die Generalversammlung genannt. Ersterer besteht aus 7 Mitgliedern, die auf die Dauer von drei Jahren gewählt werden. Gehalt beziehen nur die Berechner und der Schriftführer. Der Vorstand führt die Geschäfte des Vereins, wozu besonders gehören die Verhandlungen mit den Behörden, die Empfehlung des Badeortes, die Regelung des Badewesens hinsichtlich der Bäder, Steige usw., das Vermieterwesen, die Verwaltung der Vereinskasse und die Einberufung von jährlich zwei ordentlichen Generalversammlungen. Ohne Beschluß der Generalversammlung kann der Vorstand über den Betrag bis zu 400 Mk. verfügen. Stimmberechtigt sind die Mitglieder, die in Brunshaupten „oder einer benachbarten Ortschaft“ ein bebautes Grundstück besitzen; andere Mitglieder können dadurch Stimmrecht erwerben, daß sie die Haftung für ein halb Prozent der Vereinsschulden bis zum Höchstbetrage von einhundert Mark übernehmen. „Weibliche Mitglieder“ können ihr Stimmrecht durch ein von ihnen bevollmächtigtes Vereinsmitglied ausüben lassen, jedoch darf ein Bevollmächtigter nicht mehr als eine Vollmacht haben und vertreten. Der Beschlußfassung und Genehmigung der Generalversammlung unterstehen Erwerb, Veräußerung, Belastung und Entlastung von Eigentum, Neubauten, Wahl von Vorstandsmitgliedern, Entscheidung von Streitigkeiten über Auslegung der Satzungen, Aufnahme und Ausschluß von Mitgliedern, Abnahme der Jahresrechnung, ihre und der Vermögensbilanz, Genehmigung, Bestimmungen

über Ueberschüsse und Deckung von Unterbilanz, Festsetzung der Jahresbeiträge der Mitglieder, der Höhe der Kurtaxe, des Jahresvoranschlages, besonders der Höhe der Kosten der Annoncen und der Gehalte des Badearztes und der besoldeten Angestellten des Vereins, Entlastung des Vorstandes aus seiner Geschäftsführung. Als Betriebsmittel dienen dem Verein die Einnahmen „aus den Bädern an der See, Herren- und Damenbadeanstalt“, ferner aus der Warmbadeanstalt, aus der Kurtaxe, aus den Eintrittsgeldern und Jahresbeiträgen der Mitglieder „nach Maßgabe der aus ihrem Hause vereinnahmten Kurtaxe“. Die so erzielten Einnahmen werden verwendet zur Bestreitung sämtlicher Geschäftsunkosten, „zur Zahlung von Zinsen und zur Schuldentilgung für den Gesamtbetrieb“, den Betrieb des Warmbades eingeschlossen, zur Bildung eines Reservefonds nach näherer Bestimmung der Generalversammlung. Für die einzelnen Verwaltungszweige stellt der Vorstand eine Geschäftsordnung auf, die die Generalversammlung zu genehmigen hat. Eine Umsatz-Bilanz über Einnahme und Ausgabe soll der Vorstand jedem Mitglied einhändigen, und zwar bis zum 15. Dezember jeden Jahrs; ebenso eine Verrechnung über Gewinn oder Verlust und eine Vermögensbilanz. Die Berechnung für das Warmbad ist gesondert zu geben. Der etwa in einem Jahr erzielte Geschäftsüberschuß wird nicht unter die Mitglieder verteilt, sondern soll „zu gemeinschaftlichen Zwecken, zur Anlage eines Reservefonds und zu etwaiger Schuldentilgung verwendet werden.“ Eine etwaige Unterbilanz ist durch erhöhte Beiträge der Mitglieder zu decken. „Das Maß der Erhöhung wird durch die Generalversammlung dem Bedarf des Betriebsjahres entsprechend


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festgesetzt, und zwar nach Prozenten des Gesamtbetrages der einzelnen Mitglieder für das betreffende Jahr.“ Für die Schulden des Vereins haften „diejenigen Mitglieder, welche in Brunshaupten oder einer benachbarten Ortschaft ein bebautes Grundstück haben, nach Verhältnis der Summe, mit welcher ihr Gebäude in der Domanialbrandversicherungsanstalt versichert ist. Andere Mitglieder haften, soweit sie freiwillig eine Haftung übernehmen.“ Dies sind in Kürze die bedeutendsten Abschnitte aus den im Jahre 1903 gedruckten Satzungen des Badevereins Brunshaupten. Da es manchem erwünscht sein mag, einen Einblick in die Tätigkeit dieses Vereins in jener Zeit zu gewinnen, weisen wir auf eine Rechnungsablage aus der Badesaison 1902 hin. Wir erfahren aus ihr, mit welchen Mitteln unser Badeverein damals rechnen konnte; wir sehen, in welcher Weise er die aufkommenden Gelder nutzbringend zu verwerten wußte; wir lernen die einzelnen Vermieter, Pensionen und Hotels jener Tage kennen, und auch die Höhe der von den Häusern erzielten Kurtaxe wird uns angegeben. Die „Ausgabe“ läßt uns einen Blick in die weit verzweigte Arbeit des Vereins tun, der außer den Seebadeanstalten auch noch das Warmbad zu verwalten hatte. Die Uebersicht schließt mit der Abrechnung über den Bau der Chaussee. II. Brunshaupten in älterer Zeit Die Geschichte unseres Ortes läßt sich ebenso wie die vieler anderer bis in die Zeit zurückverfolgen, aus der schriftliche Aufzeichnungen noch nicht vorliegen. Die Urkunden dieser ältesten Zeit sind teils Funde, die die Erde in sich barg und dann an’s Tageslicht befördert wurden, teils die Flurnamen und endlich auch die Ortsnamen, deren Erklärung freilich oft verschieden lautet.

Betrachten wir zunächst die Funde, die in unserer Gegend gemacht sind, so weisen sie uns in graue Vorzeit hinein. Schon das Steinzeitvolk hatte hier seine Wohnstätten errichtet. Viele Geräte, die auf den verschiedensten Ackerstücken unserer Feldmark gefunden sind, legen einen deutlichen Beweis dafür ab. Steinbeile, Steinmesser, Lanzen und Pfeilspitzen aus Stein barg lange Zeit hindurch der Schoß der Erde in sich. In unserm Walde zwischen Brunshaupten und Arendsee lagen in der Nähe der Küste früher große Mengen von Steinsplittern. Mit Recht ist der Schluß daraus gezogen, daß dort einst eine Werkstätte gelegen hat, in der solche Steingeräte kunstvoll herstellt wurden, wie man sie hernach vielfach auf den Feldern fand. Im Jahr 1903 wurden im Februar die Ausschachtungsarbeiten zum Bau des Kursaals bei Westphals Hotel an der Dünenstraße hierselbst vorgenommen. Eine große Ueberraschung bereitete es, als man dort mehrere Steingeräte fand. Nähere Nachforschungen ergaben mit völliger Sicherheit, daß hier eine Höhlenwohnung frei gelegt war. Ein Teil der Funde ging in das Schweriner Museum, ein anderer sollte beim Fundorte aufbewahrt werden. Museumskonservator Dr. Beitz schätzte das Alter dieser hier aufgefundenen Wohnung auf 4.000 Jahre. Die Häuser dieser Zeit waren sonst vielfach Pfahlbauten, d. h. Hütten, die auf Pfählen ruhten und oft auf sumpfigem Boden oder auch im Wasser angelegt wurden. Ein Zeugnis hat das Steinzeitvolk auch in den Hünengräbern hinterlassen. Eine kammerartige Höhlung wurde gebaut. Als Dach dienten ein oder mehrere Decksteine, die in der Regel eine beträchtliche Größe aufwiesen. Diese Kammern hat das Steinzeitvolk seinen Toten als „ewige Behausung“ errichtet. Auch auf unserer Feldmark gab es solche Gräber. Sie sind jedoch verschwunden.


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Im Juni 1913 machte man auf der damals Lindigschen Erbpachtstelle eine weitere für die älteste Geschichte unserer Orte bedeutungsvolle Entdeckung. An der Wittenbecker Scheide lagen hier früher ziemlich hoch mit weiter Aussicht mehrere kleine Hügel, die alte Grabstätten darstellten. Diese sind im Laufe der Zeit niedergeackert. So kam es, daß man auf die eigentlichen Gräber stieß. Es waren Steinringe, in deren Mitte die Urne mit den verbrannten Gebeinen des Bestatteten stand. In den Urnen befanden sich auch Gegenstände der Kleidung und des Schmuckes, die den Toten mitgegeben waren: ein bronzener Halsring, eine eiserne Gürtelschließe und eine eiserne gekrümmte Nadel zum Zusammenhalten des Gewandes. Sämtliche Gegenstände sind in das Schweriner Museum gekommen. Diese Gräber weisen auf eine Bevölkerung unserer Gegend in der Eisenzeit hin, die auf die Bronzezeit folgte.

uns sagen? Der zuerst genannte weist deutlich noch auf die Wenden hin, der zweite auf die Heiden, der dritte deutet an, daß sie dort einst ihre heilkräftigen Kräuter suchten und fanden. Wenn ferner eine Stelle des sagenumwobenen Waldes den Namen „Melkbrink“ führt, so weist das auf eine Weide hin, die einst dort benutzt; dasselbe sagt uns der „Kohstiertgrund“. „Bleecksberge“ aber deuten an, daß dort einst Leinen gebleicht wurde, und der „Kalkberg“ verrät uns, daß dort Mörtel gefunden ward. Der „Schloßberg“ aber erinnert an „Schloß Gammelin“ sowie an den schon geschichtlich erwähnten Ritter Konrad von Wittenbeck, die „Kubanzestraße“ an das Land Cubanze und an Bruno von Kubanze. Wenn ein Bächlein auf unserer Feldmark „Güldenbeck“ heißt, so gemahnt es daran, daß es einst Gold mit sich führte.

Es wird unsere Gegend somit in der Stein-, Bronze- und Eisenzeit schon ziemlich bevölkert gewesen sein. Das beweisen uns die Funde, die hier gemacht sind. Im Bastorfer Holm befindet sich ein mit Buchen bestandener Hügel, den man für ein Kegelgrab hält. Die Steinzeit mag bis zum Jahr 1.500 vor Christi Geburt gedauert haben, die Bronzezeit bis 400, die ältere Eisenzeit bis Christi Geburt, die jüngere von da bis um das Jahr 500. An Stelle der Germanen, die unsere Gegend bewohnten, traten um das Jahr 600 die Wenden, durch die die erste große Neubevölkerung hier geschah. An sie erinnern manche Flurnamen. In der Kühlung führt ein Teil die Bezeichnung „Hohenwendt“, ein anderer heißt „Heidberg“ ein dritter „Apteik“ (Apotheke). Was wollen diese Namen

▲ Schloßberg in der Kühlung. Sammlung: Wolfgang Baade

Im Walde von Brunshaupten ruft der Name „Schweinskuhl“ uns zu, daß früher die Schweine in den Wald getrieben wurden; die Namen „Dachskopf“ und „Fuchsberg“ erinnern an alte Zeiten, in denen die Tiere des Waldes, auch Dachs und Fuchs, sich hier noch einer ungestörten Ruhe erfreuen durften. Die „Diebskuhl“ mag solche Zeiten wachrufen, in denen Diebesbanden die Lande durchzogen und irgendwo im tiefen Waldgebiet ihre Beute bargen und später teilten. Der „Blocksberg“ ist auch hier vertreten und wird mit dem


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Glauben an Hexen in Verbindung gebracht. Die alte Kröpeliner Landstraße führt, soweit sie von Brunshaupten bis in die Kühlung reicht, den Namen „Buttweg“. Auch dieser Name erinnert an die Wenden. Der Weg führt nach ihrer Opferstätte, einem im Walde gelegen mit Dornen oder Rosenhecken umfriedigten Platze. Im Herbst prangten an dem Gesträuch der wilden Rosen die „Hagebutten“, weshalb der dorthin gehende Weg „Hagebutten“ oder „Buttweg“ genannt wurde. Die Bedeutung eines heidnischen Opferplatzes finden wir in dem „Dorngrund“ genannten Teil des Waldes. Im heiligen Eichenhain der Kühlung wurde der Götze Prowe verehrt. Das Betreten dieses Platzes war Unbefugten bei Todesstrafe verboten. Belbog, der weiße Gott, galt den heidnischen Wenden als der Helfer, Prowe und Siwa waren die Schützer von Herd und Feld, Radegast der Gott des Krieges, Swantewit der Allsehende und Czerneberg der Schwarze, der Böse. Der Name „Papenkoppel“ zeigt uns an, daß dies Gebiet einst zur Pfarre, der Name „Försterkoppel“, daß diese einst zur Försterei gehört haben wird. Im „Warmgrund“ sind warme Quellen gefunden worden. Dies mag genügen. Haben die Funde, die hier gemacht wurden, zu uns geredet, haben die Flurnamen ihre Stimme vernehmen lassen, so möge nun auch der Ortsname nicht schweigen. Der Name unseres Ortes tritt in recht verschiedener Schreibart auf: Brunshovede“, „Brunshoute“. Später auch „Brunshaupten“, im Volksmunde hört man noch heute den Namen „Brunshöven“. Durchgesetzt hat sich schließlich die Schreibweise „Brunshaupten“. Aus diesem Namen hat man den Schluß ziehen wollen, daß unser Ort eng mit Bruno von Cubanze, einem Wenden, zusammenhängt und nach ihm genannt ist.

Dieser soll dort, wo jetzt der Bach sich durch die Fulger Wiesen schlängelt, seinen Hafen gehabt haben, sodaß auch die Gegend um Fulgen eine alte Geschichte aufzuweisen hätte. Ja, es wäre einst Fulgen von höchster Bedeutung für die Umgegend gewesen, denn manche wollen den Namen Brunshaupten von jenem Hafen Bruns ableiten, der einst bei dem heutigen Fulgen im Schutze der Dünen den Schiffen trefflichen Schutz gewährte. Es ist sogar die Behauptung aufgestellt worden, daß vor Zeiten ein Arm der Warnow hier sein Wasser dem Meere zugeführt habe. Dieser Warnowlauf sei die Grenze zwischen den wendischen Stämmen Obotriten und Lautizen oder Wilzen gewesen. Um aber die Schiffahrt auf dem an Rostock vorbeifließenden Arm des Flusses zu erleichtern, habe der Fürst Heinrich Borwin, der 1219-1226 regierte, den anderen bei der Stadt Schwaan zuschütten und somit „Brunows Hafen“ allmählich in eine Wiesenfläche verwandeln lassen. Schiffsreste und Anker will man in der Tat in der Fulger Wiese gefunden haben. Zu dieser Erklärung „Brunows Hafen“ gesellt sich eine andere, die den Namen als „Brunes Haupt“ „brauner Vorsprung“, der sich ins Meer halbinselartig erstreckt, zu deuten versucht. Sie scheint uns das Richtige zu treffen. III. Brunshaupten in späterer Zeit Brunshaupten wird zuerst in der Stiftungsurkunde des Klosters Sonnenkamp, das später den Namen Neukloster erhielt, genannt. In der Reimchronik des Ernst von Kirchberg wird uns berichtet, daß der Sohn Pribislavs, Fürst Heinrich Borwin, unter Bischoff Brunwards Beistand um das Jahr 1210 in der Nähe von Westenbrügge, zwischen Kröpelin und Neubukow gelegen, ein Nonnenkloster gründete. Der Ort hieß Parkow, jetzt Parchow; eine von einem Moor umgebene Erhöhung auf der Feldmark führt bis in die Gegenwart


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den Namen „Auf dem Kloster“ und der Bach, der sie bespült, heißt noch heute „Der Klosterbach“. Was die Reimchronik berichtet, bestätigt die Stiftungsurkunde von Kloster Sonnnenkamp vom Jahre 1219, in der es heißt, daß das Kloster vorher im Dorf Parchow sich befunden habe. Von Parchow aber wurde es im Jahr 1218 weiter gen Westen verlegt, um es vor der Wut der heidnischen Wenden zu schützen, die gerade hier in Bruno von Kubanze eines außerordentlichen Führers sich rühmen durften. In Sonnenkamp dagegen fanden die Nonnen den Schutz der fürstlichen Besatzung, die in der dortigen Burg Kussin lag. In Sonnenkamp konnte sich Ludolf von Braunschweig, der Befehlshaber der Burg, ihrer annehmen und das Kloster vor feindlichen Angriffen sichern. Daher konnten die Nonnen dem Fürsten Heinrich Borwin und seiner Gemahlin Adelheid dankbar sein, daß er sie aus der gefahrvollen Umgebung befreite und ihnen einen ruhigeren Platz zuwies. Im Volksmunde erhielt die neue Gründung den Namen „Niegenkloster“, „Neues Kloster“, woraus dann „Neukloster“ wurde. Kloster Sonnenkamp gewann mehr und mehr Besitz in Brunshaupten und auch in Arendsee und erhielt sogar das Recht, die Pfarre zu besetzen. Im Jahre 1311 erlangte es auch die Gerichtsbarkeit in unseren Orten. Die ältesten Rechte, die Sonnenkamp in Brunshaupten besaß, indem ihm 30 Hufen und die halbe Strandfischerei zugewiesen waren, gehörten vermutlich schon dem Kloster Parchow an und wurden später nach Sonnenkamp überwiesen. Klosterdorf bleibt Brunshaupten nebst Arendsee bis zur Aufhebung des Klosters Sonnenkamp um die Mitte des 16. Jahnhunderts. Als einziger Priester des frühen Mittelalters wird uns Dethard genannt, und zwar um 1330.

Brunshaupten und Arendsee lagen früher etwa 2 Kilometer voneinander entfernt. Sie sind aber seit geraumer Zeit eng aneinander gebaut. Von Kröpelin beträgt der Weg 9,5 Kilometer, von Doberan und Neubukow je 14. Unsere Orte gehörten lange Zeit zum Amt Neubukow, seit 1880 zum Amt Doberan, das jüngst nach Rostock verlegt wurde. Die Zahl der Einwohner belief sich früher auf etwa 174, in Arendsee auf 60. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts begegnen uns die Bauern Bluel, Bröker, Frend, Geier, Janeke, Möllner, Never, Niehenk und Osmann, am Ausgang des 16. Jhs. Klaus Langen, Hans Mattheus, Klaus Grammendorf, Hans Wende, Asmus Satow, Chiem Mattheus, Hans Winckelmann, Klaus Mattheus, Chiem Randow. In Arendsee treffen wir 1593 auf folgende Namen; Chiem Rieck, Klaus Ratke, Hans Went, Franz Kröger. Im Dreißigjährigen Krieg, der der Nachbarstadt Kröpelin unendlich viel Leid brachte, sank auch bei uns die Zahl der Einwohner. Das Pfarrhaus war dem Umfallen nahe, Scheune und Ställe lagen niedergebrannt. Fulgen war in einen Trümmerhaufen verwandelt. Nach dem Ende des Krieges herrschten Aberglaube und Unglaube. Vor allem war es der Glaube an Hexen, der das ganze Land in Verruf brachte. Überall loderten die Scheiterhaufen auf. Schon der Verdacht, hexen zu können, genügte, arme Menschen auf die Folterbank zu bringen, die in der Regel auf den Scheiterhaufen führte. Auch aus unserer Gemeinde wurden in den Jahren 1669-1672 mehrere Personen als Hexen verbrannt. Unter ihnen war Anna Schriefer, die nach Neubukow geführt wurde und dort den Feuertod erleiden mußte. Das war am 16. Juni 1669. In diesen Prozeß wurde auch Hans Möllers Frau Anna, geb. Glöde, verwickelt. Unter den Qualen der Folter gab sie es zu, hexen zu können und wurde am 27. Juli 1669 in Neubukow verbrannt. Andere Opfer folgten. (Vergl. „Die Hexe von


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Kröpelin“. Verlag Fr. Köhler-Brunshaupten). Am 9. August 1669 zog morgens um 4 Uhr ein „starkes Donnerwetter“ herauf. „Von dem Knall“, so berichtet die Urkunde, „bewegten sich die Häuser, und in Arendsee ward Hans Klaus Westendorf, des Käters Sohn, samt dem Pferde, darauf er saß, nebst einem Ochsen und Kühen, die er vor sich hertrieb, erschlagen.“ In der Franzosenzeit hatten die Feinde auch Brunshaupten besetzt. Ueber die große Plage, die sie damals unseren Einwohnern bereiteten, hat der Pastor Riedel ausführlich berichtet. Aber alle Nöte, die über Brunshaupten dahinzogen, wurden überwunden, und die Zahl der Bewohner wuchs bis zum Jahre 1840 auf 337 Erwachsene und 250 Kinder, also auf 587. Elf Hauswirte finden wir in dem genannten Jahre in unserm Orte, ferner zwei Erbzinspächter, 14 Büdner, eine Erbschmiede, ein Forstgehöft und ein Mühlengehöft sowie die Pfarre. Schulze war damals Christoph Höpfner. Im Jahre 1850 zählte Brunshaupten 829 Einwohner, 1860 war die Zahl auf 787 und 1870 auf 690 gesunken, um 1880 auf 833 und 1901 auf 1035 anzuwachsen. Von da an ging es restlos weiter, sodaß im Jahre 1929 schon 2.500 Einwohner gezählt werden konnten. Auch manches Unwetter ist über unseren Ort hingezogen. Im Jahre 1885 richtete ein Hagelschauer großen Schaden an. Aber der Großherzog leistete den Geschädigten Hilfe, wofür Pastor Niemann dem tiefgefühlten Dank Ausdruck verlieh. Das Jahr 1903 brachte am 19. und 20. April orkan­ artigen Sturm mit heftigem Schneetreiben. Der dänische Schoner „Frigga“ wurde bei Arendsee an den Strand geworfen, die aus Stahl gebaute „Martha“, von London nach Malmö unterwegs bei Fulgen auf Land gesetzt. Die Mannschaft konnte sich retten.

Schwierig hatte sich´s gestaltet, die Badegäste von der 9,5 km entfernten Bahnstation auf dem Landwege hierher zu befördern und immer dringender regte sich der Wunsch nach dem Bau einer Chaussee nach jenem Städtchen. Durch die Bemühungen des damaligen Erbpächters Risch gelang der Plan, und im Jahre 1895 wurde die Kunststraße gebaut. 1903 wurden auch Arendsee und Brunshaupten durch Herstellung einer Chaussee von der Neuen Reihe aus miteinander verbunden. Die rührigen Einwohner unserer Orte ruhten aber nicht, bis sie an Stelle der mit Kröpelin eingerichteten Omnibus-Verbindung durch Einstellung von großen Kraftwagen im Mai 1906 eine ganz wesentliche Verkehrsverbesserung erreicht hatten. Im selben Jahr zerschlug sich zwar der Plan der Vereinigung von Arendsee und Brunshaupten, aber durch eifriges Bemühen des Landdrosten von Bülow wurde die Verschmelzung der Gemeinde- und Badeverwaltung erreicht. Auf diese Art ließ sich die Anlage einer Wasserleitung ermöglichen, für die das Wasser aus artesischen Brunnen im Holm in das Straßennetz und in die Häuser geleitet wurde. Zum Wasserwerk gesellte sich der Anschluß an die Ueberlandzentrale Rostock für elektrisches Licht und elektrische Kraft sowie an das Gaswerk Doberan. Ein neues Schulhaus erhielt Brunshaupten. Am 18. Januar 1910 wurde es von Pastor Schreiber feierlich seiner Bestimmung übergeben. Im selben Monat bildete sich der Verband mecklenburgischer Ostseebäder. Viele Verhandlungen mußten wegen des Anschlusses unseres immer mehr aufblühenden


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Ostseebades an das Eisenbahnnetz gepflogen werden. Im Jahre 1909 wurde die Verlängerung der Kleinbahn Doberan-Heiligendamm über Fulgen und Brunshaupten nach Arendsee beschlossen. Am 12. Mai 1910, Donnerstag vor Pfingsten, eröffnete die Bahn ihren Betrieb, den sie auch im Winter aufrechterhält. Die Kurtaxe betrug im Jahre 1910 in Brunshaupten 40.651 Mark. In den herrlichen Aufstieg brachte der Weltkrieg eine arge Störung. Unentwegt waren unsere Einwohner an der Verschönerung unseres Ortes tätig gewesen. Seit dem Jahre 1906 war der Bülowweg mit dem Kurhaus entstanden. Sollte alles umsonst gewesen sein? Fast schien es im Jahre 1914 so, als plötzlich die Kurgäste im Juli fluchtartig abreisten und der am 16. Februar 1912 ins Leben gerufene Marien-Frauen-Verein vom Roten Kreuz eine ungemein große Tätigkeit zu entfalten eifrig bemüht war, als am 4. August ein Wachtkommando hierher gelegt wurde und die Badeanstalten und Brücke abgebrochen werden mußten und am 11. September die Trauerkunde vom ersten Opfer des Krieges aus Brunshaupten hier eintraf. Aber so schwer des Krieges Not auch auf uns lastete, sie wurde überwunden. Als Erinnerung an die, die ihr Leben von hier auf dem Felde der Ehre ließen, steht im Walde das Ehrenmal. Da hängt in der Kirche die Gedenktafel, geziert mit dem am 21. August 1915 in Gegenwart der Großherzog­ lichen Familie und des General-Adjutanten des Kaisers, des Prinzen Eduard zu Solm-Horstmar, genagelten Eisernen Kreuzes. Ende Januar 1919 verkaufte die Gemeinde wieder Bauplätze. Die Inflationszeit führte viele Fremde in unseren Ort. Die Schäden des Krieges wurden, so viel es anging, nach und nach wieder beseitigt. Heilig Abend 1921 begrüßte die durch Neubeschaffung der im Kriege abgelieferten Prospektpfeifen wiederhergestellte Orgel die Gemeinde, und auch für die im Kriege eingeforderte große

Glocke wurde Ersatz beschafft, und zwar in der Zeit, als Bürgermeister Seidel an der Spitze der Verwaltung stand. Obervorsteher Risch starb am 2. November 1921. Ihm folgte, nachdem Ortsvorsteher Rieck den Posten des Obervorstehers verwaltet hatte, im Mai 1922 Obervorsteher Münzel, an dessen Stelle schon im Juli desselben Jahres wieder Ernst Rieck trat. Am 21. Oktober 1923 wurde Bürgermeister Seidel zum Obervorsteher gewählt, unter dessen Leitung unter anderem auch der schöne Hindenburgplatz (Lindenpark) angelegt wurde, der das Auge jedes Beschauers mit Freude erfüllt, wie es die unter Risch angelegten 3 Teiche tun, deren einer freilich jüngst wieder zugeschüttet wurde. Bürgermeister Seidel folgte einem Rufe nach Meyenburg. Sein Nachfolger wurde im April 1926 Dr. jur. Neese aus Rostock. Unter ihm wurde die Landungsbrücke um 160 Meter verlängert. Er siedelte schon am 1. November 1927 nach Bad Schwartau über. Die Wahl für das neue Oberhaupt der Gemeinde fiel auf Bürgermeister Freye aus Lauter­ thal im Harz. Am 1. Februar 1928 trat er sein Amt an. Im April 1929 wurden die Strandstraße und der Bülowweg asphaltiert; die Badeanstalt erfuhr einen Umbau, die durch Eisgang zum Teil zerstörte Brücke wurde wieder hergestellt. Auch sonst wurden manche Verbesserungen getroffen. Lesehalle und Musikpavillon waren schon zu Rischens Zeit errichtet. Ein köstlicher Konzertplatz im Walde und an der See war entstanden. Vor den Obervorstehern leitete viele Jahre in großer Treue der Schulze Höpfner die Gemeinde-Angelegenheiten. Er wurde am 16. November 1875 auch zum ersten Standesbeamten unserer Gemeinde ernannt. Am 1. Oktober 1906 legte er nach 33-jähriger, in vorbildlicher Treue geleisteter Arbeit sein Amt nieder, nachdem er kurz vorher 72 Jahre alt geworden war.


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An seine Stelle trat zunächst interimistisch der spätere Obervorsteher Risch, der auf seiner Hufe die Ziegelei errichtete, das weithin bekannte „Hotel zur Kühlung“ baute und den Vorsitz im Badeverein hatte. Im April 1906 verkaufte er seine Stelle und siedelte in den Mittelpunkt unseres Ortes über, wo er zunächst eine Mietwohnung bezog, dann das damals im Besitze der Frau Herzog, geb. Gräfin von Bausissin befindliche und seitdem „Villa Risch“ genannte Haus erwarb. Unter seiner Leitung wurde am 9. April 1908 durch Pastor Schreiber auch der Bismarckstein im Walde geweiht und eine aus dem Sachsenwald erbetene Eiche daneben gepflanzt. Obervorsteher Risch hat sich bleibende Verdienste um Brunshaupten erworben. Rastlos ging die Entwicklung des 1881 begründeten Ostseebades Brunshaupten vorwärts. Die Zahl der Kurgäste wuchs von Jahr zu Jahr. 1895 wurden über 1.000 gezählt, 1905: 5.539, 1913: 17.356. Hier enden leider aufgrund von Beschädigung die aufschlussreichen Aufzeichnungen. Schreiber, Maria: 1881–1931 – 50 Jahre Ostseebad Brunshaupten159 Schaut, vor Euch steht im lichten Kleid Hell leuchtend Frau Vergangenheit. Sie zeiget Euch in diesem Jahr, Was einst vor 50 Jahren war. Sie hebt die Hand, sie winkt, sie spricht: „Schaut prüfend mir ins Angesicht, Da seht Ihr fröhlich dieses Müh´n In Eurem Geist vorüber zieh´n! Da seht Ihr Hände treu sich regen, Den Grundstein fest zu dem zu legen, Was Euer schöner Ort jetzt ist. – Ich bitte, daß man´s nicht vergißt! Gedenke auch der andern Herzen, Die unter Kampf und Not und Schmerzen Gebahnt den Weg zu lichten Höh´n, den Ihr nun mühelos könnt geh´n. 159 Brunshauptener Zeitung, 10.01.1931

▲ Brunshauptener Zeitung, 10.01.1931. Siehe auch Seite 213.

So spricht zu Euch in dieser Zeit Gebietend Frau Vergangenheit. Dann reicht sie bittend und behende Die arbeitsreichen, fleiß´gen Hände Den beiden hehren Schwestern hin, Möcht gern erforschen ihren Sinn. Spricht dann zur Schwester Gegenwart: „Dein Los ist hierorts schwer und hart, Ich weiß ja, im deutschen Vaterland Der Wohlstand keinen Platz jetzt fand. Es klirren die Sklavenketten, Von Freiheit war nichts zu retten, Doch weise das Schwere ertrage Und hoffe auf bessere Tage! Und Du, Schwester Zukunft, erhöre mein Fleh´n Laß gut es bei Dir Brunshaupten ergeh´n. Der lieblich idyllisch gelegene Ort, Der wachse und blühe weiter fort Den Menschen und Gott zu Ehren!“ Heinrich Schreiber: 50 Jahre Ostseebad Arendsee „Als im Jahre 1881 die ersten Badegäste nach Brunshaupten kamen, das damals durch keine Kunststraße mit den nächsten Städten verbunden war, das noch keine chaussierten, gepflasterten Straßen hatte und das sich von den bewaldeten Höhen der Kühlung unmittelbar am Bache bis


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an die See langhin erstreckte, war Arendsee noch ein weltabgeschiedenes Bauern- und Fischerdorf. Mit Brunshaupten war es durch zwei oft recht tiefe Landwege verbunden, deren jeder etwa zwei Kilometer lang sein mochte.

kamp zum Geschenk machte, damit sie desto inniger für die Rückkehr ihres Gemahls, des Herzogs Heinrich, ‚der Pilger‘, beten sollten, da der Herzog in die Hände des Feindes auf einem Kreuzzuge geraten war. Die Herzogin meinte, das Recht zu haben, gerade Arendsee den Nonnen von Sonnenkamp zu vermachen. Denn sie, die aus Arendsee in der Altmark kamen und in Parchow bei Kröpelin ein Kloster gründeten, sollen es gewesen sein, die den Grund zu jener Siedlung legten, der sie den Namen ihres heimatlichen Ortes Arendsee beilegten. Da das Kloster in Parchow im Jahre 1210 entstand, aber aus Furcht vor den heidnischen Wenden bereits nach achtjährigem Bestande nach Sonnenkamp verlegt wurde, das nun den Namen ‚Neukloster‘ erhielt, wird die Gründung von Arendsee in den Jahren 1210 bis 1218 erfolgt sein. Es blieb lange ein einfaches Dorf. Am Strande lagen Büdnereien, landeinwärts Erbpachtstellen, Häuslereien und Büdnereien. So sah es noch in Arendsee aus, als Brunshaupten bereits die ersten Badegäste beherbergte. Das aber ließ die Bewohner von Arendsee aufmerken. Als man sah, daß es vorwärts ging, rüstete man auch in Arendsee zur Aufnahme von Kurgästen; bald begann ein edler Wettstreit zwischen beiden Orten.

▲ o. Prospekt Arendsee 1934 und aus dem Prospekt Arendsee 1934. Sammlung: Wolfgang Baade

▲ Strand-Hotel Arendsee um 1900. Sammlung: Fred Granitza

So führte es eine beschauliche Ruhe wie seit alten Tagen, in denen es Eigentum des Klosters Sonnenkamp war. Bekannt ist, daß die Herzogin Anastasia Arendsee den Nonnen von Sonnen-

In Arendsee entstand als erstes Gasthaus das Strandhotel, in das viele Gäste regelmäßig zurückkehrten, wenn der Sommer mit seiner Hitze an die See lockte. Neben dem Strandhotel entstanden bald auch die großen Hotels ‚Moll‘ mit


Kurzer Auszug aus der inhaltsreichen Geschichte Brunshauptens – 50 Jahre Arendsee | 117

ihren Nebenhäusern, die jährlich viele Hunderte zu gleicher Zeit aufnahmen und einst weithin bekannt wurden. Aber es ging ihnen, wie Horaz es mit den Worten zum Ausdruck bringt: Nichts Irdisches ist unvergänglich. Daran erinnert das Jahr und die Stunde, die schnell den Tag vergehen läßt. An Stelle des einstigen Haupthauses des Hotels Moll liegt jetzt das Kasino mit seinem Tanzbrett im Freien, und eins der prächtigen Nebenhäuser ist ebenso wie das herrlich gelegene Hansahaus Kinderheim geworden. Die trefflichen Bauten am Kurhausplatze, das Kurhaus, das Parkhotel mit den Verkaufsläden, Villa Sieglinde u. a., auch sie sind ihrer früheren Bestimmung entzogen und vom Kaufmanns-Erholungsheim, Sitz Wiesbaden, erworben. Mit großer Umsicht, aber auch mit Vorsicht suchte die Gemeindevertretung ihr Dorf weiter als Ostseebad zu fördern. Bleibende Verdienste hat sich der Schulze und spätere Obervorsteher Borgwardt um Arendsee erworben. Einsichtsvoll wußte er die vorhandenen Mittel in geschickter Weise zu nutzen. Der Badeverein suchte in denselben Bahnen zu wirken. Die Einigkeit, die man in dieser Beziehung unter der fachkundigen Führung erzielte, bewirkte, daß Arendsee bald rühmend im Kranze der deutschen Ostseebäder genannt wurde. Eine große Landungsbrücke entstand, und vom Kurhaus aus bot sich ein prächtiges, bewegtes Bild dar, wenn ein Dampfer anlegte oder die Menge der Gäste sich auf der Brücke tummelte. Die Straßen des Ortes wurden chaussiert, Kunststraßen entstanden zunächst nach Brunshaupten, dann von dort nach Kröpelin, nach Heiligendamm-Doberan, und von Arendsee nach Bastorf-Alt Gaarz und Bastorf-Neubukow. Die Wasserleitung wurde gebaut, die Straßen wurden kanalisiert; Ostseebad Arendsee erhielt elektrisches Licht und Gas und wurde durch Verlängerung der Kleinbahn Doberan-Heiligendamm über Brunshaupten bis Arendsee an die Mecklenburgische Friedrich-Franz-Bahn angeschlossen, die in die Deutsche Reichsbahn übergegangen ist.

Die Zahl der Hotels, Pensionate, Logierhäuser wuchs von Jahr zu Jahr. Der aufstrebende Ort baute prächtige Badeanstalten, errichtete eine Lesehalle, einen Musiktempel auf schön gelegenem Konzertplatze, an dem im Sommer sonntags evangelisch-lutherischer Gottesdienst gehalten wird.

▲ 50 Jahre Arendsee. Sammlung: Wolfgang Baade

Die Zahl der Kurgäste wuchs. 1896 wurden 480 gezählt, während Brunshaupten 1895 über 1.000 Gäste buchte; 1897 hatte Arendsee 600; 1900: 1753, und so ging es rastlos weiter. 1903: 3.114 1905: 5.229 1910: 8.835 1912: 10.217 1913: 10.470 1928: 12.012 1932: 10.217 1933: 11.217 Jedes Jahr wies neue Verbesserungen auf. Am Konzertplatze wurde eine Wandelhalle errichtet, die es den Gästen ermöglicht, auch bei schlechtem Wetter in geschütztem Raume den Klängen der Kurkapelle zu lauschen. Die Straßen erfuhren durch Verbreiterung zum Teil eine wesentliche Veränderung und machen einen guten Eindruck. Der im Westen sich hinziehende Wald bietet mit den Dünenbergen einen reizvollen Anblick. Im Jahre 1907 wurde eine Neuordnung der Gemeinde-Verwaltung durch Vereinigung von Gemeinde- und Badewesen herbeigeführt. Neben dem Obervorsteher sollten zwei Ortsvorsteher, drei Erbpächter, ein Büdner und vier Vertreter des Badewesens die Angelegenheiten leiten, der bisherige Schulze Borgwardt wurde der erste Obervorsteher von Arendsee.


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Die Sedanfeier 1912 hatte für Arendsee insofern eine besondere Bedeutung, als an ihr der den Gedenkstein krönende Adler nach einem vom Pastor gehaltenen Feldgottesdienst enthüllt wurde. Niemand ahnte damals, daß dieser Adler einst eine Zierde des Kriegerdenkmals werden sollte, das den im Weltkriege gefallenen Söhnen von Arendsee errichtet ward. Aus Privatmitteln steckten um das Jahr 1912 in den Badeorten folgende Werte: Häuser in den Badebezirken 10 Millionen, 200.000 RM. Nach der amtlichen Taxe der Brandkasse Inventar 3 Millionen RM., Wasser- und Lichteinrichtung in den Häusern 450.000 RM., Kläranlagen und Wert der Bauplätze 200.000 RM. So waren also schon damals rund 17 Millionen Mark Kapital in beiden Gemeinden festgelegt. Da der Wald sich in Arendsee ebenso wie in Bruns­ haupten bis unmittelbar an die See hinzieht und fast in gleicher Höhe mit dem Meer liegt, so wachsen Wald und Strand gleichsam zusammen, und mit dem Rauschen der Bäume mischt sich das Brausen der Wogen und vereinen sich zu gewaltig tönenden Akkorden. Und der Kurgast, der auf einer der zahlreich im Walde aufgestellten Bänke Platz nimmt oder eine Wanderung nach dem Riedensee oder dem Riedenkrug unternimmt, sieht durch die Kiefern oder das Unterholz überall die Fläche des Meeres leuchten und spürt die feine Mischung von Wald- und Seeluft. Das ist ein besonderer Vorzug und ein besonderes Kennzeichen unserer Zwillingsbäder Bruns­ haupten und Arendsee, die zwar längst durch Ausbau der Neuen Reihe und des Bülowwegs in Brunshaupten zusammengewachsen sind, aber getrennt verwaltet werden.

▲ Aus dem Prospekt Arendsee 1934. Sammlung: Wolfgang Baade

Der Aufstieg des Ostseebades Arendsee erreichte seinen Höhepunkt wohl in dem heißen Sommer des Jahres 1914. Alles war überfüllt, und man konnte einer überaus günstigen Badezeit entgegensehen, als plötzlich die drohenden Wetterwolken eines Krieges sich über den sonnendurchfluteten Ostseebädern zusammenballten. Im Kurhause Arendsee spielte die Kapelle vaterländische Weisen, die begeistert von der Menge mitgesungen wurden. Extrablätter wurden verlesen. Heilige Begeisterung ließ die Herzen höher schlagen, das Deutschlandlied ertönte aus vollen Herzen. Doch als die Kriegserklärung erfolgt war, da leerten sich die eben noch überfüllten Hotels und Pensionate, die Fremdenheime, die Promenaden, die Brücken, die Straßen, der Wald, einsam lag alles, banger Erwartung, hoffnungsvoller Spannung hingegeben. Nach Kriegsende begann ein neuer Aufstieg. 50 Jahre ist Arendsee jetzt Ostseebad. Als 1884 die ersten Gäste sich einstellten, ahnte niemand den gewaltigen Aufschwung. Nun ‚Glück auf!‘ zu weiterem Gedeihen zum Wohle der Gäste, zum Segen seiner Bewohner!“


Kurzer Auszug aus der inhaltsreichen Geschichte Brunshauptens – 50 Jahre Arendsee | 119

Schreiber, Heinrich: Verschiedene Nachrichten – Ostseebad Arendsee, 21. Juli 1934 „Wie es vor 50 Jahren in unserem schönen Ostseebad aussah, davon gab uns der gestrige Jubiläums­tag erheiternde Anschauung durch den Festzug, der durch unsere Straßen zog. Vormittags war auf dem Konzertplatz ein Gottesdienst, bei welchem Herr Pastor Naht Schwerin die Ansprache hielt. Der Festzug begann nachmittags gegen 2 Uhr. Voran 3 Herolde zu Pferde, dann die Standarten-Kapelle. Nun folgten eine ganze Anzahl festlich geschmückter Wagen mit einer Spinnstube, mit alten Fischern usw. Auf einem andern Wagen sah man, was für Badeanzüge unsere ersten Gäste trugen. Der wohl am meisten beachtete Mittelpunkt des Festzuges zeigte naturgetreu Lokomotive, Tender und Wagen der ersten Züge auf unserer Kleinbahn, eskortiert von Bahnbeamten. Und dann folgten wieder festlich geschmückte Wagen, Postbeamte mit 2 Postillionen zu Pferde, eine Schulklasse aus dem vorigen Jahrhundert mit ihrem Herrn Lehrer und dergleichen amüsante Zusammenstellungen. Eine Abteilung unserer Feuerwehr bildete mit vielen Kindern den Schluß des Zuges, in dessen Mitte auch noch eine Kurkapelle die Marschmusik spielte. Vor dem Kurhause sammelte sich der

▲ Umzug anlässlich 50 Jahre Arendsee. Sammlung: Scharffenberg

Zug, und nun erst konnte man erkennen, welche Anzahl von Gästen und Einwohnern von hier und aus dem benachbarten Brunshaupten der Festtag angelockt hatte. Auf der Terrasse vor dem Kurhause begrüßte Herr Bürgermeister Gandy die Erschienenen mit herzlichen Worten, besonders auch des anwesenden früheren Obervorstehers Borgwardt und des ebenfalls anwesenden früheren Kurhausbesitzers Schultz gedenkend wegen ihrer Verdienste um das Aufblühen unseres Bade­ ortes. Nach den Schriften unseres Herrn Pastor Schreiber gab der Redner dann einen Ueberblick über Entstehen und Entwicklung unseres einstigen Fischerdorfes bis zum heutigen weltbekannten Badeorte, auch der Nöte gedenkend, welche die Einwohner in den letzten Jahren des früheren Regimes durchgemacht haben. Aber jetzt im Dritten Reiche habe man neues Vertrauen gewonnen, u. der Dank gebühre unserm Führer. Brausend erschallte das „Sieg Heil“ auf letzteren und mit erhobener Rechten sangen die Anwesenden mit beim Spielen des Horst-Wessel-Liedes und des Deutschlandliedes durch die Kapelle. Darauf löste sich der Zug auf und für die geladenen Gäste und die Mitglieder der Gemeindebehörde folgte im Kurhaus eine Kaffeetafel.“


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DIE EVANGELISCH-LUTHERISCHE KIRCHGEMEINDE IM VISIER DER GESTAPO Jürgen Jahncke

Anlässlich des Reformationstages 1937 hatten 96 evangelische Kirchenführer Deutschlands eine Erklärung verfasst, die sich gegen eine Schrift des Reichsleiters der NSDAP für weltanschauliche Schulung, Alfred Rosenberg, mit dem Titel „Protestantische Rompilger“ richtete. Darin wurde die Loslösung des deutschen Volkes von der christlichen Lehre von Sünde und Gnade als Lehre von der Minderwertigkeit gefordert. Die Schrift löste bei der Deutschen Evangelischen Kirche, der Evangelisch-Lutherischen Kirche, dem Bruderrat, der Schlesischen Bekenntnissynode und dem Martin-Luther-Bund einen Sturm der Entrüstung aus. Ein Großteil der führenden Unterzeichner wurde anschließend vom nationalsozialistischen Regime mit Redeverbot belegt. Um die Verbreitung dieses Schriftstücks „Erklärung der 96 evangelischen Kirchenführer gegen Alfred Rosenberg“ zu verhindern, wies die Gestapo, Staatspolizeistelle Schwerin an, sie unverzüglich einzuziehen, zu beschlagnahmen und die

▲ Verhinderung der Vertreibung einer Druckschrift. Akte 2.S3a.244. Archiv des Lk. Rostock


Die Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde im Visier der Gestapo | 121

Druckereien, die sie produziert hatten, zu schließen. Nur beim Verlesen der Erklärung von der Kanzel sollte nicht eingeschritten werden.160

▲ Beschlagnahme der Flugschrift für einen Fürbittegottesdienst. Akte 2.S.3.a.244. Archiv des Lk. Rostock. Siehe auch Seite 214.

In der Kirchenchronik vermerkt Pastor Drefers für das Jahr 1938: „Von den kirchlichen Gegnern hatte die Gemeinde [Bekennende Kirche] nichts mehr zu befürchten. Im Gegenteil! Die einst so günstige Position der DC [Deutsche Christen] war von Monat zu Monat schwankender geworden. Ihr rücksichtsloses, oft brutales Handeln, vor allem aber der eines Seelsorgers unwürdige Wandel ihres Leiters legitimierten sie vor der Öffentlichkeit immer mehr als Unkirche und ließ ihr Ansehen schwinden, während die BK zugleich von Ereignis zu Ereignis gewann.“161 Austritte aus der DC-Kirche nahmen in diesem Jahr besonders zu, nicht einmal zehn Personen besuchten ihre Gottesdienste in Kühlungsborn.

160 Akte 2.S.3.a.244. Archiv des Lk. Rostock 161 Drefers, Hermann: Kirchenchronik 1938

▲ Bestimmung für Totenfeiern „Deutschgläubiger“. Akte 2.S.3.a.276. Archiv des Lk. Rostock


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KÜHLUNGSBORN IM ZWEITEN WELTKRIEG Jürgen Jahncke

Gottesdienste nach Fliegeralarm Der Reichminister für die kirchlichen Angelegenheiten legt in einem Rundschreiben vom 28. Dezember 1940 fest, wie mit kirchlich geplanten Veranstaltungen an Tagen nach nächtlichem Fliegeralarm zu verfahren sei. Danach sollte die Bevölkerung nach einem nächtlichen Fliegeralarm am darauf folgenden Tag nicht durch kirchliche Veranstaltungen abgehalten werden sondern sich zu erholen und an Arbeitseinsätzen teilzunehmen. Das betraf auch kirchliche Veranstaltungen an Sonn-und Feiertagen. Wenn die Entwarnung vor 24.00 Uhr erfolgte, dann konnten am nächsten Tag bereits vor 12.00 Uhr kirchliche Veranstaltungen angesetzt werden. Von dieser Anordnung waren die Spendung der Krankenkommunion und Sterbesakramente nicht betroffen, aber Beerdigungen und die Öffnungszeiten der Kirchen. Sie hatte auch keinen Anordnungscharakter für den Konfirmanden-, Beicht- und Kommunionsunterricht.162 162 Akte 2.S.3.a.238. Archiv des Lk. Rostock

Das Kirchensiegel Konsistorialrat Kruse, der im Zeitraum Juni 1940 bis 1941 den als Soldat eingezogenen Pastor Paul vertrat, machte den amtierenden Bürgermeister Gloede am 21. Januar 1941 darauf aufmerksam, dass die Kirchgemeinde in ihrem Dienstsiegel das Stadtwappen Kühlungsborn führe.

▲ Siegel des Kirchgemeinderates von 1939. Kirchenchronik Kühlungsborn


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Daraufhin informierte der amtierende Bürgermeister die Gauleitung der NSDAP über diese Tatsache und bat um Verhaltensmaßnahmen. Die Gauleitung der NSDAP bat den Oberkirchenrat um eine Stellungnahme. Sie schrieb: „Unter dem 3. Januar 1939 beantragte der Pastor Paul (Kühlungsborn) die Genehmigung eines neuen Kirchensiegels, dessen Entwurf er einreichte. Er bemerkte in seiner Eingabe: ‚ Der Bürgermeister des Ostseebades Kühlungsborn hat sich mit der Verwendung des Kühlungsborner Wappens einverstanden erklärt.‘ Das war ungewöhnlich, weil die Kirchenleitung der Auffassung war, das betreffende Kirchengebäude im Siegel zu führen. In den Akten der Stadt konnten die Beamten keinerlei Vermerke zu dieser Angelegenheit finden. Daraufhin forderte Gloede die Gauleitung Mecklenburg, Amt für Kommunalpolitik, auf, das Stadtwappen aus dem Kirchensiegel entfernen zu lassen. Nach Absprache zwischen Gauleitung und Oberkirchenrat ersuchte Letzterer, Konsistorialrat Kruse in Kühlungsborn den Entwurf für ein neues Kirchensiegel zur Genehmigung vorzulegen. Am 14. März 1942 teilte Gloede der Gauleitung mit, dass die Kirche Kühlungsborn nunmehr ein neues Kirchensiegel angeschafft habe.

Keine schützenswerten Kulturgüter im Besitz der Kühlungsborner Kirche Am 28. April 1942 bestätigte Propst Timm, dass die Kirche keine besonders wertvollen Kunstgegenstände besäße, die zu ihrem Schutz vor Luftangriffen sicher aufbewahrt werden sollten. Das entsprach nur der Meinung von Pastor Timm.

Verordnung über die Handhabung des Feiertagsrechts im Krieg Die Verordnung über die Handhabung des Feiertagsrechts während des Krieges vom 27.10.1941 (RGBL. I S.662) schränkte den Umfang der kirchlichen Veranstaltungen an den meisten kirchlichen Feiertagen ein. Eine solche Regelung war durch die Kriegslage, „die eine restlose Anspannung aller Kräfte und volle Ausnutzung aller Produktionsmöglichkeiten erfordert, bedingt.“163 In Kühlungsborn waren solche Maßnahmen nicht angebracht. ▲ Bild oben: Luftschutzmaßnahmen. Akte 2.S.3.a.78. Archiv des Lk. Rostock. Siehe auch Seite 215. Bild unten: Soldatenfriedhof. Kirchenchronik Kühlungsborn 163 Akte 2.S.3.a.228. Archiv des Lk. Rostock


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▲ Bild oben: Tote aus der Ostsee geborgen. Kirchenchronik Kühlungsborn Bild unten: Massengräber. Kirchenchronik Kühlungsborn

▲ Bild oben: Abtransport ins Konzentrationslager. Bild unten: Abendfeier 1943. Sammlung: Manfred Bünger.

„Niemand darf euch sehen, dann sind wir alle verloren!“ Die Jüdin Rosemarie Dessauer, 1923 in Berlin geboren, versteckte sich ab 1943 lange Zeit bei einer Freundin. Nach der Deportation ihrer Mutter und ihres Bruders in das Konzentrationslager Auschwitz war es Johannes Schwarzkopff, Pfarrer der Immanuellkirche in Berlin und ehemaliger Vorsitzender der Bekennenden Kirche Mecklenburgs, der sie schützte und von einem Pfarrhaus zum anderen weiterreichte, wohl wissend, dass das Verstecken von ,Volljuden‘ mit schärfsten Strafen geahndet wurde. Den Kindern der Pastorenfamilien wurde sie deshalb als nahe Verwandte vorgestellt. So fand sie Unterschlupf im Pfarrhaus Pokrent, Belitz, und in den Pfarrhäusern der Brüder Timm in Reinshagen, Kessin und Neubrandenburg. „Die Befreiung erlebte sie im Mai 1945 in Kühlungsborn im Hause des Vaters der drei Brüder, Kirchenrat i. R. Karl Timm.“164 164 Pokrent: Jüdin Rosemarie Dessauer im Pfarrhaus versteckt.


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Jahncke, Jürgen: Kirche hilft in der Not165 In den Jahren 1946 bis 1950 entwickelte die Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde in Kühlungsborn ein reges Leben. Die von ihr entfaltete Nachbarschaftshilfe wirkte sich besonders positiv auf den Zusammenhalt der Gemeinde aus. Die Pastorenfamilie Drefers beheizte ihr großes Wohnzimmer und öffnete es für alle Bedürftigen, die Schutz und Wärme suchten. Sie organisierte 1946 ihre ersten beiden Altennachmittage zur Linderung der Hungersnot. Es gab Erbseneintopf, Kuchen und Kaffee. In der Kirche und im Gemeindehaus stellte Pastor Drefers den „Korb der Barmherzigkeit“ zur Entgegennahme von Natural-, Kleidungs- und Geldspenden auf. In der Adventszeit wurde der Korb zum „Adventskorb“ umfunktioniert. Die Spenden der Gemeindeglieder kamen Alten, Einsamen und Kranken unabhängig von ihrer Konfession zugute. In der Stillen Woche startete der Pastor einen zusätzlichen Mittagstisch für bedürftige Kinder bei Bauern und Büdnern. Die Kinder benannte der Schularzt. So konnten insgesamt 90 Mädchen und Jungen zweimal wöchentlich ein zusätzliches Mittagsessen erhalten. Die Kirchgemeinde betreute selbstlos die 14 blinden Männer und Frauen im Ostseebad. Mitglieder der drei Frauenkreise der Gemeinde richteten einen Besuchsdienst in den Altersheimen ein. Sie ließen sich von dem Motto „Für jeden Bettlägerigen eine Helferin“ leiten. Zwei Speisungen, einmal für 100 Kinder über 48 Tage, ein zweites Mal für 50 ebenfalls bedürftige Kinder über 100 Tage, organisierte die Kirchgemeinde genauso wie eine Speisung von 70 alten bedürftigen Menschen über 25 Tage lang. Das Essen spendete das Hilfswerk der evangelischen Kirche. Frauen bildeten einen Nähkreis und richteten gleichfalls eine Nähstube ein. Sie sammelten in der Gemeinde alte, gebrauchte Kleidung, um daraus Neues für Bedürftige zu schneidern. Unentgeltlich fertigten sie für jene, die keine Nähmaschine besaßen, die erbetenen Kleidungsstücke an. Um die Auslagen und Unkos165 Schwere Zeit. S. 160 f

ten hierfür zu decken, strickten und bastelten die Frauen in ihrer Freizeit verschiedene Gebrauchsgegenstände, die sie auf Basaren verkauften. Am 20. Dezember 1948 lud die Kirchgemeinde 20 an Tuberkulose erkrankte Kriegsheimkehrer aus dem Krankenhaus zu einer Weihnachtsfeier ins Diakonissenheim ein. Gäste waren Dr. Hoffmann, Ärztlicher Direktor des Krankenhauses, Oberschwester Martha Kosch, zwei weitere Krankenschwestern und Frauen der Gemeinde. Wöchentlich einmal wurde im Krankenhaus „Iduna“ eine Bibelstunde durchgeführt. Zweimal jährlich reichte Pastor Drefers hier zur Passions- und Adventszeit das Heilige Abendmahl. Im Krankenhaus führte er bis zum staatlichen Verbot 1952 regelmäßig eine monatliche Andacht durch. In den drei Kinderheimen „Lindenhof“, „Jacobi“ und „Rafoth“ fanden bis zum Verbot 1953 einmal in der Woche Kindergottesdienste statt. Das ehemalige Kindererholungsheim „Lindenhof“ wurde durch aktive Mitwirkung von Pastor Drefers zum Kinderheim für Waisen umfunktioniert, von der Inneren Mission der evangelisch-lutherischen Kirche übernommen und geführt. Hier konnten 24 elternlose Kinder aufgenommen werden. Pastor Drefers führt in seiner Chronik aus, dass die Kirchgemeinde mit ihren Aktivitäten ungeteilte Anerkennung der Bevölkerung fand. Das hatte in den ersten Nachkriegsjahren zur Folge, dass sowohl Stadtverwaltung als auch politische Organisationen und Parteien betont Wert auf ein gutes Einvernehmen mit der Kirchgemeinde legten. Wörtlich heißt es bei Pastor Drefers: „So z. B. geschah es – was wohl einmalig sein dürfte – dass beim Wechsel eines Bürgermeisters oder Pionierleiters der Neue wie ‚selbstverständlich‘ seinen Antrittsbesuch beim Pastor machte oder dass die politischen Organisationen es nicht wagten, ihre Veranstaltungen zum Zeitpunkt von Gemeindeveranstaltungen zu legen.“


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KIRCHENKAMPF – ENTSCHEIDUNG ZWISCHEN GOTT ODER GÖTZEN Hermann Drefers

Pastor Drefers: Kampf zwischen der Bekennenden Kirche (BK) und den Deutschen Christen (DC) Überraschend ordnete Adolf Hitler am 15. Februar 1937 Kirchenwahlen mit dem Ziel an, dass eine zu wählende Generalsynode eine neue Verfassung für die zerstrittene Deutsche Evangelische Kirche erarbeitet. Damit bestand die Gefahr, dass die Glieder der Bekennenden Kirchgemeinden nach den Wahlen gezwungen werden könnten, mit den Deutschen Christen und Anhängern neuheidnischer Glaubensrichtungen eine gemeinsame Nationalkirche zu bilden. Vielerorts wurden in den Kirchgemeinden Flugblätter verteilt, Kundgebungen abgehalten, in Gottesdiensten und Zusammenkünften die Kirchgemeinden über die Zielstellung der Wahlen informiert. Pastor Drefers fertigte eine Schrift unter dem Titel „Warum müssen wir die DC ablehnen?“ an, von denen etwa 200 Exemplare verteilt werden konnten. Ihr Inhalt lautet:

▲ Widerstand gegen die Kirchenwahlen 1937. Kirchenchronik Kühlungsborn


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A)„Warum müssen wir die DC ablehnen? Weil sie im Ggs. [Gegensatz] stehen zur Lehre der Hl. Schrift. Bes. [besonders] deutlich wird uns ihre Irrlehre, wenn wir sie mit dem Kl. [kleinen] Katechismus Dr. Luthers vergleichen: 1. Hauptstück. Der Thür. [Thüringische] Landeskirchenrat legt in seinem Kirchengesetzblatt Nr. 14 ausführlich seine Stellungnahme zu den Erziehungsfragen und Schulen dar. Darin wird der Kl. Katechismus für den Lehrplan unbeachtet gelassen. Die 10 Gebote werden nicht erwähnt. – Gott steht also für die DC nicht mehr an erster Stelle in der Kirche und ihrem Leben. Sie wollen vielmehr, dass die Kirche Menschengedanken, politische Lehren verkündigen soll. Sie vertrauen auf menschl. Pläne und Meinungen für die Kirche mehr als auf das Wort Gottes, d. h. BK sei gegen den Staat Adolf Hitlers. Um ihre Gegner los zu werden, sagen sie, die alte Kirche, viele Pastoren sind politisch unzuverlässig, die BK staatsfeindlich. – Diese Verdächtigungen aber verstoßen alle gegen das 8. Gebot. Denn sie sind Verleumdungen, weil sie dafür den Beweis schuldig bleiben. 2. Hauptstück. Die DC leugnen oder suchen lächerlich zu machen die Jungfrauengeburt, wie es z. B. in Biendorf am 25.4.36 durch den meckl. „Pastor“ geschah, der u. a. zu diesem unseren Glaubenssatz erklärte: ‚Wenn das stimme, könne ja jedes Mädel im Dorf behaupten, sie hätte vom Hl. Geist ein Mädel bekommen. – Jesus habe seinem Volk gesagt: Ihr seid auch Gottes Kind, Gottes Sohn. Als Gottes Kind kommen wir dann beim Tode zu Gott und sprechen: Herr, du bist die Liebe, du mußt mir vergeben!‘ Er habe keinem seiner Konfirmanden die Beichte zumuten können: ‚Ich armer, sündiger Mensch – nicht allein in Sünden empfangen und geboren‘ zu sprechen. Wer diese Formel anerkenne, wie müsse der über die Ehe denken! Ehe sei dann ja eine unsittliche Tat! Was müsse

eine Mutter erst empfinden, die einem sündigen Kinde das Leben schenke! Die DC nehmen dem 2. Glaubensartikel den Kern, sie nehmen Jesus bald seine wahre Menschlichkeit, bald seine wahre Gottheit! Ludwig Müller, der frühere Reichsbischof sagt: ‚Opfertod und Blut und all so’n Kram ist gar nicht nötig! – Wir bekennen demgegenüber: ‚Ich glaube, dass Jesus Christus, der mich verlorenen und verdammten Menschen erlöst hat mit seinem hl. teuren Blut und mit seinem unschuldigen Leiden und Sterben‘ – Wenn wir mit dem 3. Glaubensartikel bekennen, dass der Hl. Geist uns beruft, sammelt, erleuchtet, heiligt – dann sagen die DC: ‚Der Hl. Geist ist endlich wieder wie ein Feuer vom Himmel gefallen und hat sich auf unser deutsches Volk niedergesenkt.‘ Ja, der mecklenburgische Landesbischof Schultz setzt sogar die völkische Begeisterung gleich mit der Ausgießung des Geistes zu Pfingsten! Für die DC sind eben das Reich Gottes, die Kirche Jesu Christi und der deutsche Staat eins. Sie wollen eine Nationalkirche. Ein Führer der Thür. DC schreibt: ‚ Wir sehen die Herrlichkeit des Reiches Gottes unter den Deutschen. Deutschland ist der Sinn der Welt.‘ Der Reichvikar Enelke äußerte noch am 1. März d. Js.: Christus sei nicht Gottes Sohn in massiv-bibl. Sinn. Gott habe sich in ihm ähnlich wie in Adolf Hitler uns offenbart! Auf das Alte Testament müsse verzichtet werden, aber auch auf Paulus und Johannes: Ich habe auf alles verzichtet, radikal alles: auf jede Theologie, jedes Bekenntnis, jede Kirche und Schule, auch auf die Bibel, und habe mich in gewaltigem Glauben vor Gott gestellt, er möge alles neu machen.‘ Und der Thür. Landebischof Sasse äußerte im Februar im Blick auf die bevorstehende Wahl: ‚Der Sinn der Wahl ist der, ob das deutsche ev. Kirchenvolk hinein will in den neuen Staat. Das deutsche Kirchenvolk hat nun die Wahl: Kirche als Verein oder Kirche, die mit großem Entschluss hineingeht in die Volksgemeinschaft. Wir werden selbst dann noch mit dem Führer gehen, wenn der Führer die Kirchentüren vor uns schließen sollte. Leben gibt es


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in Deutschland nur noch mit dem Führer.‘ – Dem gegenüber bezeugen wir: Das Licht der Völker ist allein Jesus Christus, der Heiland. Seine Gemeinde besteht nicht durch polit. Programme, nicht durch hohe polit. Begeisterung und durch hohe vaterländische Erlebnisse, sondern allein durch den Glauben an Jesus, den Heiland. 3. Hauptstück. Die DC nehmen es auch mit diesem Hauptstück nicht ernst. So hat Ludwig Müller in seinen „Deutschen Gottesworten“ das Gebet des Herrn ‚verdeutscht‘, damit aber zugleich auch verändert. Er sagt z. B. ‚ Unser Vater in Ewigkeit, deine Wahrheit sei uns heilig‘ usw. Nach seiner weiteren Auslegung der Bergpredigt soll die Vergebung nur Kameraden und Volksgenossen gegenüber geübt werden.‘ – Das Gebet wird bei der DC vernachlässigt. Ihre Versammlungen finden oft ohne Gottes Wort und Gebet statt. Die Choräle unserer Kirche werden verändert oder vergessen. 4. Hauptstück. Bei uns in Mecklenburg kommt es vor, dass Pastoren, die von den DC ins Land gezogen sind, die Hl. Taufe nicht mehr im Namen des dreieinigen Gottes vollziehen, sondern unter Verwendung von anderen Worten. Sie reden davon, ‚man muss zu neuen Formen kommen, in denen die Heilswahrheit in eingedeutschter Form zum Verständnis kommt.‘ Wenn sie aber die Form angreifen, dann ändern sie damit auch den Inhalt. Darum ist ihnen die Taufe nicht mehr die Grundlage des Christenstandes, sondern genügt ihnen vielfach die Zugehörigkeit zum deutschen Volke für die Zugehörigkeit zur Gemeinde Jesu. Unser Herr aber spricht: ‚Wer das glaubt und getauft wird, der wird selig werden.‘ 5. Hauptstück. Die DC feiern an einigen Orten in Mecklenburg das hl. Abendmahl anders als die Kirche es nach der Einsetzung ihres Herrn tun soll. So wurde in

der Adventszeit 1936 z. B. in Krakow das hl. Abendmahl mit folgenden Worten gespendet: ‚Gott hat aus deutscher Erde gegeben uns das Brot, dass es uns Nahrung werde zum Glauben bis zum Tod. Wir essen täglich neu das Brot, der Erde Leib, dass fest und stark die Treue zu deutscher Erde bleibt. Gott hat den Wein gegeben. Das ist der Erde Blut. Wir wollen das Leben weihen dem Volke ganz und gar. Wir bringen es in Treue ihm zum Opfer dar.‘ Damit aber ist Jesus mit seinem Leiden und Sterben aus dem Abendmahl völlig ausgeschaltet. – Wir bekennen demgegenüber: ‚Für euch gegeben und vergossen zur Vergebung der Sünden. Diese Worte sind das Hauptstück im Sakrament. – Die BK will nicht weichen von dem, was Dr. M. Luther uns aus der Hl. Schrift im Kl. Katechismus gelehrt hat. Wollen wir das preisgeben? Wir wollen am Glauben der Väter festhalten, damit uns u. unsern Kindern die Kraft und der Trost aus Gottes Wort erhalten bleibt. – B) Was will die Nationalkirche? Hier Kirche des Evangeliums – dort Nationalkirche – so stehen sich bei den kommenden Wahlen die Fronten gegenüber. Klar werden muss sich also jeder Wähler darüber: Was will die Nationalkirche, die Kirche der DC? Sie hegen den ‚unverwüstlichen Glauben an die Notwendigkeit und den Endsieg einer einheitlichen Zusammenfassung alles dessen, was heute in Deutschland religiös noch getrennt ist, d.h. ‚bedingungsloser, vorbehaltloser, einmütiger Zusammenschluss aller deutschen Gläubigen‘ unter Zugrundelegung von Alfred Rosenbergs Ideen, von dem sie ‚wertvolle Anregungen‘ dafür haben. Das ist die Nationalkirche nach Selbstaussage des Thür. Kirchenrats Lehmann! Dabei ist es nun etwa nicht so, dass der Nationalsozialismus christl. gedeutet oder sogar umgedeutet werden soll. Nein, ‚der Nationalsoz. gibt dem Christentum endlich wieder eine echte


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▲ Programm des Reichkirchentags 1935. Kirchenchronik Kühlungsborn

Deutung im Sinne eines Stifters.‘ Darum sind unbrauchbar für diesen Zusammenschluss alle die Christen, die ihren Glauben noch auf Bibel und Bekenntnis gründen. Das sind ‚theologische Saboteure der inneren Volkseinheit, die Volksteile religiös gegeneinander hetzen‘ usw. ▲ Einladung zur Reichskirchentagung. Kirchenchronik Kühlungsborn

▲ Pastor Wilhelm Paul Deutsche Christen. Sammlung: Jürgen Jahncke

Hermann Drefers: Zum Einzelnen dieser national-kirchlichen Irrlehre ist Folgendes zu sagen: 1. Das Leben Jesu wird völlig auf eine Stufe gestellt mit der Geschichte Deutschlands. Die Zeit von 1918 bis 1933 war das ‚Golgatha Deutschlands‘. 1933 war seine ‚Auferstehung‘. So wird z. B. das Gleichnis vom verlorenen Sohn (Luc. 15) angewandt auf das deutsche Volk, das heimgefunden hat – aber nicht zu Gott, sondern‚ zu sich selbst oder anders ausgedrückt zum Reiche Gottes, aus dem es geboren.‘ Nach Leuchtheuser, einem der heute führenden DC hat 1933 ‚der Himmel in unserem Volk wieder (!) einmal die Erde berührt‘ ist heute in Deutschland ‚Heilandzeit‘. Ja, man geht noch einen Schritt weiter: In der Person Adolf Hitlers verwirklicht sich die neue Offenbarung. Entgegen dem Willen des Führers, der es unmissverständlich abgelehnt hat, rel. Reformator, geschweige denn ein neuer Heiland zu sein, lehrt die Nationalkirche, das Heil, das uns durch Adolf Hitler‘ wurde. Wenn nun zwar auch eine Gleichsetzung Hitlers mit


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Christus vermieden wird, so wird aber doch eine ‚neue Mittlerschaft‘ behauptet: Es geht ‚über Hitler zu Christus‘, und der Deutsche findet heute seinen Glauben nur (!) auf dem Wege über die NSDAP‘. Adolf [Hitler] und seine Bewegung haben ‚allein aus Glauben‘ den Kampf um die Wiedergeburt unseres Volkes aufgenommen: Ja durch H. [Hitler] ist ‚wieder mehr Glaubensgeist nach Deutschland‘ gekommen als durch sämtliche Kirchen in Deutschland. Das deutsche Volk hat wie Jesus seine Heilandssendung für die Völker und sein Dasein hat wie das Leben Jesu erlösende Kraft für die Welt. Deutschland ist eine Verkörperung des ewigen Christus. ‚Allein in unserem Volk durch das jeweilig ihm geschenkte Verständnis der hl. Offenbarungen Gottes in Gottes Wort und Gottes Führungen können wir Gott erleben.‘ In unserm Volk lebt Christus. In ihm leidet er für uns, in ihm fordert er uns im Leben und im Sterben, er der ewig lebende Heiland und Herr.‘ Für den nationalkirchl. Glauben tritt also das Volk förmlich als Mittler zwischen Gott und dem Einzelnen an Christi Stelle! Mit dieser Gleichsetzung aber ist die Hauptlehre unserer Kirche geleugnet, die sagt, dass wir allein durch den einen Jesus Christus erlöst und gerettet werden.

▲ Aufruf des Reichsbischofs 1934. Ostsee-Bote, 1934. Siehe auch Seite 210.

2. Die zwangsläufige Folge ist, dass durch diese Irrlehre der Opfertod Jesu entwertet wird. Denn er steht nun auf einer Stufe mit dem Opfertod

der nationalen Kämpfer. Sein Opfertod ist nur noch Vorbild und Spiegelbild der im Kampf um Deutschland Gefallenen. Er zeigt der Nationalkirche nur, ‚dass nicht Gold oder Silber, sondern Blut, Leiden und Opfer allein die das Leben erhaltenden, erlösenden und wiederherstellenden Kräfte sind. – Im Erlösertod Jesu auf Golgatha in all den Jahrhunderten seither u. a. in unsern Tagen durch, die, welche ihm kämpfend u. blutend nachgefolgt sind auf dem Kreuzesweg, den sie für andere antraten.‘ an dieser nationalkirchl. Lehre wird deutlich, dass sie leugnen, dass Gott in Christus in anderer Weise gegenwärtig war als etwa in den Gefallenen des Weltkrieges. Darum verstehen auch die DC etwas anderes unter ‚Glauben‘ als die Christen. Für sie ist Glaube einfach Glaube an Deutschland und seine göttliche Sendung. Der Christ aber glaubt an Jesus und sein Kreuz. Seliger Geist ist für die DC nichts anderes als die Begeisterung für Deutschland. Gottes Geist und politische Begeisterung sind für sie im Grunde gleich. 3. Der Grundgedanke der nationalkirchl. Irrlehre ist: Das Deutsche Reich ist das Reich Gottes auf Erden. Gott hat dem deutschen Volk die Sendung der Kirche übertragen, das Reich Gottes auf Erden zu verwirklichen. Darum konnte auch der DCBischof Sasse im Blick auf die bevorstehende Wahl sagen: ‚Diese Synode hat nur einen Beschluß zu fassen: Die Ordnung und Verwaltung der DEK wird dem Deutschen Staat zu treuen Händen übergeben!‘ D. h. die Kirche muss im Volk aufgehen. Man muss‚ ‚zurückgehen hinter die Konfessionen‘, da die Nationalkirche alle Deutschen Menschen umfassen soll. Das will der Satz: ‚Ein Führer! Ein Volk! Ein Gott! Ein Reich! Eine Kirche!‘ besagen. (Man beachte die Reihenfolge!) Die DC wollen eine Kirche als die relig. Zusammenfassung des ganzen Volkes, so wie der Staat die äußere Zusammenfassung des ganzen Volkes ist. Darum nennen sie diese Kirche gelegent. auch ‚Volks- oder Volksgemeinschaftskirche‘. Auffallend an diesem Gedanken ist, dass er charakteristische jüdische


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Züge trägt. Denn auch das Judentum wollte ja Volk und Kirche in eins gesetzt wissen und dem eigenen auserwählten Volk einen Heilandsauftrag zur Erlösung der ganzen Welt beilegen. Darum ist auch die Idee der Nationalkirche im Grunde ein Rückfall in echt jüdische Spekulationen und Zukunftshoffnungen. 4. Und welche Stellung will die Nationalkirche im deutschen Staat einnehmen? KR (Kirchenrat) Lehmann sagt: ‚ wie im 4. und 16. Jh. so wird auch heute die Staatsgewalt der in einer weltgeschichtlichen Zeitenwende ihr von Gott übertragene Aufgabe den ungeheuren Propagandaapparat der christlichen Kirchen dienstbarmachen und ihn kategorisch auf gleiche Richtung mit der polit. Propaganda einstellen müssen, um alle Widerstände gegen die Erfüllung der gottgegebenen Aufgabe des Staates endgültig zu brechen. Das ist früher oder später unvermeidlich um der Volkserhaltung willen.‘ Die Kirche eine Unterabteilung des Propagandaministeriums. – Das ist das Endziel der DC! 5. Schließlich: Wie soll es zu solch einer Nationalkirche kommen? Es gibt vier Wege: Entweder werden alle Volksgenossen katholisch oder sie müssen evangelisch werden. Aber ist das möglich? Man muss schon sehr wenig Ahnung haben, wenn man meint, das könne man ‚machen‘. Was sollte denn mit denen geschehen, die es nicht wollen? Sie zwingen? Dann hätten wir aber je keine Einheit, sondern wieder Glaubenskämpfe. Nein, diese beiden Wege gehen nicht. Bleiben also nur zwei Möglichkeiten: Entweder in der geplanten Nationalkirche herrscht eine willkürliche Mischreligion, aus der sich jeder heraussuchen kann, was ihm passt, oder das Evangelium wird ganz preisgegeben, und es herrscht dann ein schwärmerischer Deutschglaube. Offenbar schwebt Letzteres den DC vor. Denn der Führer der nationalkirchl. DC schreibt: ‚Wer dieses Gesetz (ihr Deutschen sollt eine Volkskirche werden) vernommen,

der würde lieber alle Frömmigkeit seiner Kindertage, Protestantismus und Katholizismus, ja selbst Jesus drangeben. Wie dann die Verkündigung in solcher Nationalk. aussehen wird, zeigt das Wort von Pfarrer G. Schneider-Stuttgart über das Abendmahl: ‚In den nächsten Monaten soll an bestimmten Sonntagen in jeder deutschen Familie ein Eintopfgericht gekocht werden … Wäre ein solch hl. Mahl nicht viel wunderbarer als das, was wir durch Schuld einer Fehlentwicklung der christl. Kirche heute haben‘? Und in einer Predigt führt er unter Zugrundelegung von Tim. 2,4 über das Märchen von Rotkäppchen wörtlich aus: ‚Wenn wir die moseische Sündenfallgeschichte vergleichen mit diesem Märchen, dann sind die Grundgedanken und Wahrheiten dieselben. Nicht nur der Jude hat Wahrheit geschaut, sondern auch deutsche Vorfahren. Hier wie dort liegt ein ‚Befehl‘ vor, dem man zu gehorchen hat. Dort nicht von der verbotenen Frucht zu essen. Hier die Mahnung der Mutter, auf dem Wege zu bleiben. Hier wie dort naht die ‚Versuchung‘: Wolf und Schlange. Hier wie dort tritt die Verschuldung ein mit ihrer bitteren Folge. Aber das ist nun das Große: Während im Alten Testament der Fluch Gottes in Hoffnungslosigkeit endet (?), weiß die deutsche Seele davon zu berichten, dass ‚Hilfe‘ (!) naht und Befreiung kommt! Ob das so unchristlich ist?‘ 6. Das Urteil der Kirche. Die Nationalkirche löst den Christusglauben auf in Schwärmerei und bekennt sich als Feindin der Kirche des Evangeliums und der reformat. Bekenntnisse der Väter. Zugleich räumt sie dem Staat ein bedingungsloses Bestimmungsrecht über die Kirche zu einem polit. Propagandainstitut ein. Diesen Versuch müssen wir mit aller Kraft abwehren. Denn hinter dem Ganzen steht die Auflehnung gegen das Erste Gebot. Die Begeisterung für Deutschland wird zum Götzendienst. Die Ehre wird Gott genommen und dem Menschen gegeben.


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7. Bei der kommenden Wahl zur Generalsynode geht es also um nichts anderes als die Frage: Wollen wir das so teuer erkaufte reformat. Erbe der Väter wahren oder kampflos preisgeben? Diese Frage ist uns mit der Wahl gestellt. Da kann man sich um diese Entscheidung nicht etwa dadurch herumdrücken, dass man sagt: Bei uns in der Gemeinde ist ja alles in Ordnung. Zwar ist unser Pastor ein DC, aber er verkündigt keine Irrlehre. Denn Tatsache bleibt: Die DC-Lehre ist Irrlehre, und Tatsache ist, dass jeder durch sein Ja seinen Namen unter die widerchristliche Lehre setzt und gelobt damit, sich für sie einzusetzen. – Aber das ist ja noch gar nicht das letzte, um das es geht. Es geht ja bei dieser Wahl nicht um diesen oder jenen Pastor, sondern um Sein oder Nichtsein von Jesus Christus und seiner frohen Botschaft vom Kreuz. Jesus Christus steht heute vor uns und ruft uns: Du ev. Christenheit entscheide dich jetzt endgültig – für mich oder wider mich, für eine Lehre oder Menschenlehre! Ein Kompromiss ist da nicht mehr möglich. Denn eindeutig steht der deutsch-christlichen Lehre das Wort des Herrn der Kirche entgegen: ‚Niemand kommt zum Vater denn durch mich, niemand kann zwei Herren dienen. Es ist in keinem andern Heil. Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!“ 166

▲ Anschrift der Deutschen Christen in Kühlungsborn.

Die Zahl der Gemeindeglieder der Bekennenden Kirche in Brunshaupten/Arendsee wuchs auf 68 an. Das war die erste Niederlage des Hitlerregimes. „und das von der evangelischen Kirche.“

166 Drefers, Hermann: Kirchenchronik. S. 17–21

Meier, Hans: Verantwortung für die Kirche167. „Dr. Geiger ergänzt den Bericht durch persönliche Eindrücke, die er auf einer Reise durch Mecklenburg gewonnen hat. Großkundgebung in Güstrow durch die Deutschen Christen. 200 Besucher. ‚Was Christus einst gelehrt [und] gelebt, das wird lebendig heute wieder in dem Einen [gemeint: Hitler]‘. Ansprache von Kentmann168: ‚Die Bekennende Kirche hätte das Gotteshaus in Güstrow geschändet. Drei Telegramme an Reichstatthalter [Hildebrandt] mit der Bitte um Schutz der Deutschen Christen vor den unerhörten Angriffen der Bekennenden Kirche in Mecklenburg.‘ ‚Die völlige Unwahrheit der Deutschen Christen wird von vielen einfach nicht verstanden. Schwindendes Vertrauen gegenüber Partei und Staat, weil nichts geschieht. Die Geistlichen sind zum Teil aus ihrer eigenen Kirche entfernt, halten aber Gottesdienste in Pfarrhäusern. Die nicht theologisch ausgebildeten DC-Pfarrer [Deutsche Christen] lassen die Gemeinde verwahrlosen. Die Gebäude verludern. [Sie] diffamieren die rechtmäßigen Pfarrer [und] entziehen bei Beerdigungen das Geläut. Die Leute fragen: Sind wir denn ganz verlassen? Die zur Bekennenden Kirche haltenden Gemeindekreise bleiben treu. Die Deutschen Christen orientieren sich rein politisch. Die dazwischen stehenden Leute sind bedenklich, sich gegen den Oberkirchenrat Schwerin zu entscheiden, und sinken in die Unkirchlichkeit ab. Besonders bedeutend ist das, was die Gemeinden über die sog. Schmalspurtheologen gesagt haben. Einer von ihnen rühmt sich, daß er seinem Amtsbruder eine ins Gesicht geklebt hat, daß er die Gemeindeglieder als ‚Betziegen‘ bezeichnet hat. Er ist nicht einmal der deutschen Sprache mächtig. In den ländlichen Stellen ist immer noch ein kleines Fünkchen von Vertrauen nach Berlin hin.“ 167 Meier, Hans: Verantwortung für die Kirche. Band 2. Herbst 1935 bis Frühjahr 1937, S. 324 168 Kentmann, Friedrich (1878-1953)Pastor der Deutschen Christen und Mitglied der NSDAP. Ernannt zum Domprediger in Güstrow. Er ließ den Schwebenden von Ernst Barlach als entartete Kunst aus dem Dom entfernen.


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Drefers, Hermann: Aus der Kirchenchronik 1936 „Aus unerfindlichen Gründen rief der Gestapo-Chef Oldach bei mir an, um mir mitzuteilen, ich könne in regelmäßigem Wechsel mit Paul die Kirche bekommen, wenn ich wolle. Ich bat um Bedenkzeit um mich mit dem Gemeindebruderrat und Dr. Beste zu besprechen, die mir beide rieten, unbedingt von dem Angebot Gebrauch zu machen. Ich aber hatte dabei ein ungutes Gefühl, bis mir ganz klar wurde, daß ich auf keinen Fall darauf eingehen dürfte. Denn damit würde ich ja zugeben, daß der Staat in innerkirchl. Angelegenheiten eingreifen dürfe, stellte mich also auf Seiten der DC, die diese Ansicht vertraten, die wir von der BK aber gerade ablehnten. Außerdem, wenn ich in diesem Fall es annehmen würde, weil es günstig für uns war, wer kann mir dann sagen, ob der Staat nicht später darauf einmal zurückkommen und dann sagen würde: Damals hast du zugegeben, daß der Staat in innerkirchl. Angelegenheiten hineinreden darf, weil es dir passte, darum mußt du auch jetzt predigen, was wir fordern?!. Ich teilte dem Oldach mit, worauf er mit den Worten auflegte: ‚Mann, Ihnen ist nicht zuhelfen.‘ So blieb alles beim Alten. Oder doch nicht so ganz, jedenfalls für mich nicht. Ich hatte nämlich daraus zwei Lehrer gezogen: 1. Brüderlicher Rat ist nicht immer ‚brüderlich‘. 2. Unser Verstand ist das größte Hindernis bei geistlichen Entscheidungen.“ Jahncke, Jürgen: Auseinandersetzungen zwischen beiden Pastoren nach Kriegsende Die Landessuperintendentur meldete am 15. Dezember 1939 Pastor Pauls Einberufung zur Wehrmacht und bat gleichzeitig den Landesbischof, die Kühlungsborner Pfarre recht schnell mit einer Vertretung zu besetzen, weil sie fürchtete, dass Pastor Pauls Arbeit leiden könnte, da der Zuspruch zu Pastor Drefers Gottesdienst sehr zugenommen hätte. Daraufhin beauftragte der Oberkirchenrat den Pfarramtskandidaten Hermann Woldt aus Vietz/Ostbahn zum 1. Januar 1940 mit der Verwaltung der Kühlungsborner Pfarre. Doch

bereits am 20. Juni 1940 übernahm Konsistorialrat Kruse vertretungsweise deren Verwaltung. Kruse schrieb in einem Brief vom 19. Juli 1940 an den Oberkirchenrat über die Zustände der Pfarre: „Eine besondere Schwierigkeit, über die ich Herrn Landesbischof schon mündlich vorgetragen habe, besteht darin, daß mir weder Akten noch irgendwelche die Verwaltung betreffenden Bücher zugänglich sind. Wenn auch die Verwaltung der Pfründe durch die Pfarrfrau geschehen kann, und wenn es wohl auch ratsam ist, die Verwaltung der übrigen durcheinander geratenen Fonds ihr ebenfalls zu belassen, so ist doch eine geordnete Verwaltung ohne Pfarrarchiv undenkbar.“169 Konsistorialrat Kruse stellte nicht nur unregelmäßige lückenhafte Eintragungen in die vorgeschriebenen Unterlagen fest, sondern auch Defizite in einigen Kassen und fand einen „Haufen wirr durcheinanderliegender Akten vor.“170 Nach Pauls Entlassung aus dem Wehrdienst am 26. März 1945 bat er um Wiederaufnahme seines Dienstes als Pastor, und zwar gemeinsam mit dem seit 1942 eingesetzten Vertreter Kirchenrat Karl Timm. Diesem Vorschlag stimmte der Oberkirchenrat zu, weil die Zahl der Gemeindeglieder aufgrund der Evakuierten, verwundeten Soldaten und Flüchtlingen enorm zugenommen hatte und „sodann auch in Hinblick auf die früheren Vorgänge, damit unbedingt Frieden erhalten bleibt.“ Landessuperintendent Behm schrieb dazu am 7. April 1945: „Vielleicht darf ich den Vorschlag machen, daß bei dieser Gelegenheit Herrn Kirchenrat Timm der Dank für seine bisherige Tätigkeit, die er in geradezu vorbildlicher Treue und Hingabe zum großen Segen der Gemeinde ausgeführt hat, ausgesprochen wird.“171 Landesbischof Schultz begrüßte am 19. April 1945, also wenige Tage vor Kriegsende, in einem 169 Landeskirchliches Archiv Schwerin, Kühlungsborn Bestellung des Predigers Band 1b 170 ebenda 171 ebenda


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Brief an Pastor Paul im Interesse des jetzt nötigen innerkirchlichen Friedens die gemeinsame Führung der Pfarre durch Pastor Paul und Kirchenrat Timm. Wörtlich heißt es: „Vielleicht ist es sogar gut, wenigstens einstweilen aus grundsätzlichen Erwägungen heraus an dem Grundsatz der Zweigleisigkeit festzuhalten. Wenn es den beiden Kühlungsborner Geistlichen gelingt, zu einem besseren persönlichen Einvernehmen zu kommen, so dürfte die noch aus den Jahren des Kirchenkampfes stammende Aufspaltung der Gemeinde auf organisatorischem christlichem Wege überwunden werden.“172 Pastor Drefers kehrte unmittelbar nach Kriegsende Anfang Mai 1945 aus der Kriegsgefangenschaft zurück nach Kühlungsborn und meldete sich beim Landessuperintendenten. Seine Haupttätigkeit bestand in vollem Einverständnis mit Kirchenrat Karl Timm zunächst in der Lazarettseelsorge der etwa 1.000 Patienten in Kühlungsborn. Er übernahm außerdem Besuche bei Gemeindegliedern, führte einige Amtshandlungen durch, gestaltete Gemeindebibelstunden, führte in Kühlungsborn-West die Kinder in ihren Gottesdienst ein und feierte ebenda vierzehntägig den sonntäglichen Gottesdienst. In der Kirche ließ ihn Pastor Paul nur einmal predigen. Die theologischen Auseinandersetzungen und persönlichen Antipathien zwischen beiden Pastoren, die bis zu ihrer Einberufung zum Kriegsdienst bestanden hatten, waren nicht beigelegt, sondern verschärften sich noch einmal. Landessuperintendent Behm schlug am 31. Juli 1945 zunächst eine Versetzung von Pastor Drefers nach Kröpelin vor und gab in seinem Schreiben an den Oberkirchenrat in Schwerin der Hoffnung Ausdruck, dass es Pastor Paul gelingen möge, die ganze Gemeinde für sich zu gewinnen. Sollte das nicht gelingen, dann müsste nach seiner Auffassung die Pfarre neu besetzt werden. 172 ebenda

Am 24. August 1945 beschloss der Oberkirchenrat Pastor Pauls Abberufung aus Kühlungsborn zum 1. Oktober 1945. Die Pfarre war noch nicht festgelegt. Daraufhin bat dieser den Oberkirchenrat, die endgültige Entscheidung über seine Versetzung auf eine andere Pfarre bis zum Frühjahr 1946 aufzuschieben. Er begründete es mit seinen vier kleinen Kindern und seinem Herzleiden sowie mit einer Malariaerkrankung, die er sich im Krieg zugezogen hatte. Er vertrat in seinem Schreiben an den Oberkirchenrat die Auffassung, dass etwa Dreiviertel der Gemeindeglieder Pastor Drefers ablehnen würden. Der Oberkirchenrat beschloss am 18. Oktober 1945 Pastor Pauls Versetzung zum 1. Mai 1946 und verfügte bis zu diesem Zeitpunkt die Gleichberechtigung der Pastoren Paul, Drefers und Kirchenrat Timm sowie deren gemeinsame Verwaltung der Pfarre. Am selben Tag schrieb Pastor Drefers an den Oberkirchenrat: „Am gestrigen Tage erschien bei mir eine offizielle Vertretung der hiesigen SPD und teilte mir mit, dass die SPD auf ihrer Fraktionssitzung am letzten Sonntag einstimmig beschlossen habe, mich, den Pastor der B.K., als einzigen authentischen Seelsorger für Kühlungsborn anzuerkennen, da Pastor Paul aus politischen Gründen für sie untragbar sei.“ Oberkirchenrat Dr. Beste richtete am 30. Oktober 1945 ein Schreiben an Pastor Paul, in welchem er ihn mit sofortiger Wirkung aufforderte, Pastor Drefers die nachfolgenden Arbeitsgebiete zu übertragen: Vorbereitung der Neubesetzung der Stellen des Kantors und Kirchendieners, Regelung des Religionsunterrichts und Neubildung der Kirchgemeinderäte. Den Oberkirchenrat erreichten im November 1945 mehrere Mitteilungen von Kühlungsborner Bürgern und Gemeindegliedern über ihre Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Lage hinsichtlich der beiden Pastoren Paul und Drefers, dabei gab es massive Beschwerden gegen Pastor Pauls Amtsführung. U.a. schreibt Frau von Lüttwitz am


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5. November 1945 an den Oberkirchenrat: „ Wenn der Gesundheitszustand des Herrn Pastor Paul wirklich einer Schonung bedarf, so kann dies auch außerhalb des Pfarrhauses geschehen. Herr P.P. kann bis zum Frühjahr beurlaubt werden. Die Mitglieder der hiesigen Bekennenden Kirche können nicht erkennen, warum dieser Pfarrer einem anderen in so ungerechter Weise vorgezogen wird, der durch seine tadellose Amtsführung, durch seine tiefe Auffassung seines Berufes sich die Liebe und Verehrung der Gemeinde erworben hat, der seit 9 Jahren gerade Herrn P.P. gegenüber die lautere Verkündigung des Evangeliums gepredigt und durch seinen Lebenswandel allen ein Vorbild ist. Die Gemeinde hat ein Recht zu verlangen, dass hier in Kühlungsborn umgehend geordnete kirchliche Verhältnisse eintreten und an ihrer Spitze ein Geistlicher steht, der im Amt und als Mensch allen ein Vorbild ist.“ Auch die SPD-Ortsgruppe schreibt an den Oberkirchenrat u.a.: „Die Vorgänge, wie sich Herr Paul für die NSDAP interessiert hat und mit welchen Mitteln er glaubte, diese Bewegung hier fördern zu müssen, sind dem Herrn Oberkirchenrat aus den Akten selbst bekannt und brauchen wir dieselben in ihrer Auswirkung nicht zu wiederholen. Wir wundern uns aber, dass trotz dieser vorhandenen Unterlagen der Herr Oberkirchenrat die Amtstätigkeit des Herrn Pastor Paul auf ein halbes Jahr verlängerte. Die Gemeindeglieder sind empört, dass in einer Zeit, wo das ganze politische und wirtschaftliche Leben von den Faschisten gereinigt wird, sie gezwungen werden, einen Seelsorger, welchem ausgesprochen faschistische Tendenzen nachzuweisen sind, weiter anhören müssen.“ Doch seine sofortige Versetzung oder Maßregelung hätte ihn als Märtyrer erscheinen lassen können, denn in Kühlungsborn wären, wie die Eingaben zeigten, „ nicht nur Anhänger der Bekennenden Kirche, sondern auch solche des Pastors Paul. Dazwischen stünde doch wohl eine große

Anzahl von Neutralen, die dann zu Pastor Paul übergehen würden“173, schätzte der Landessuperintendent Behm ein. Da am 15. März 1946 die Pfarre Rossow/Prignitz frei wurde, versetzte der Oberkirchenrat Pastor Paul dorthin. Die sowjetische Stadtkommandantur sicherte den Pastoren die Ausübung ihrer Tätigkeit zu, forderte aber ausdrücklich, politische Erörterungen und Agitationen zu unterlassen. Burkhardt, Matthias: Zum Kirchenkampf in Mecklenburg „Die Oppositionsbewegung BK war in Mecklenburg gut organisiert. In manchen Gemeinden und Regionen des Landes hatte sie gegenüber den Deutschen Christen (DC) ein Übergewicht. Die Kirchenleitung in Schwerin war überwiegend DC. Es gab ab 1934 zwischen beiden Gruppierungen einen regelrechten ‚Kirchenkampf‘. Dieser spiegelte sich wider in den Kühlungsborner Auseinandersetzungen. 1936 begannen die beiden jungen Theologen Paul und Drefers ihre Arbeit unter sehr ungleichen Bedingungen, der eine als offizieller Ortspastor, von der DC-Kirchenleitung angestellt, der andere als Vikar vom Bruderrat der BK berufen. Verunglimpfungen gab es auf beiden Seiten. P. Drefers wusste sich zur Wehr zu setzen. Als beide Pastoren zum Kriegsdienst eingezogen wurden, versuchte der als Vertreter eingesetzte Kirchenrat K. Timm zwischen BK und DC auszugleichen. Ich habe mit erheblichem Abstand (ab 1987), den Riss in der Kirchgemeinde noch verspürt. Obgleich P. Drefers noch viele Jahre blieben, um die Gemeinde in seinem strengen Bekenntnis zu prägen, gab es doch immer noch viele Gemeindeglieder, die sehr positiv von P. Paul erzählten, der für sie ein freundlicher Seelsorger gewesen ist. An die mitunter heftigen Auseinandersetzungen der beiden in den 30er Jahren konnte sich kaum noch jemand erinnern.“174 173 ebenda 174 Burkhardt, Matthias: Aus der Kirchenchronik


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DER ERWERB DES EHEMALIGEN SCHULGELÄNDES ARENDSEE DURCH DIE LANDESSYNODE IM JAHRE 1938 Jürgen Jahncke

Im Auftrag des Oberkirchenrates von Schwerin suchte Architekt Paul Korff (1875–1945) aus Laage im Oktober 1938 dringend in Kühlungsborn-West eine Möglichkeit, die Betreuung der Gemeindeglieder, die weit ab von der Kirche wohnen, vornehmen zu können. Die Evangelisch-Lutherische Kirche beabsichtigte, ein Grundstück mit Gebäude zu erwerben, um dort Gottesdienste abzuhalten. Bürgermeister Rychlik nannte den Hauptgrund für diese Aktion in einem Schreiben an den Kreisleiter der NSDAP am 29. Oktober gleichen Jahres. Er schrieb: „Sicherlich eine Maßnahme, die nötig ist, um der Bekenntnisfront ihre Schäfchen wegzunehmen, denn im früheren Arendsee regiert ja die Bekenntnisfront stark.“175 Damit war das Wirken von Pastor Hermann Drefers, Glied der Bekennenden Kirche, gemeint. 175 Akte 2.S.3.a.221. Archiv des Lk. Rostock

Im Mittelpunkt der Verhandlungen zwischen Oberkirchenrat und Stadtverwaltung stand das Grundstück mit dem ehemaligen Schulgebäude (Arendsee) in Kühlungsborn-West.

▲ oben: Schule Arendsee. Sammlung: Wolfgang Baade unten: Grundfläche des ehemaligen Schulgeländes. Akte 2.S.3.a. 221. Archiv des Lk. Rostock


Der Erwerb des ehemaligen Schulgeländes Arendsee durch die Landessynode im Jahre 1938 | 137 ◀ Schule Arendsee. Sammlung: Wolfgang Baade

Die positive Entscheidung über den Verkauf an die Evangelisch-Lutherische Kirche und über die Höhe des Kaufpreises von etwa 50.000 RM fiel erst nach Befürwortung des NSDAP-Kreisleiters und nach einer Zustimmung des Gauleiters, den Bürgermeister und Beigeordnete deswegen extra in Schwerin aufgesucht hatten. Auf der Ratssitzung am 17. Februar 1939 war der Verkauf der früheren Schule einziger Tagesordnungspunkt. Dafür stimmten die Beigeordneten Pg176. Hinz, Voß und Jens. Pg. Westphal, Lembke und Schulz votierten aus weltanschaulichen Gründen dagegen. Gemäß den Strukturen des nationalsozialistischen Systems informierte Bürgermeister Rychlik die Kreisleitung der NSDAP über den Entwicklungsstand der Verhandlungen und teilte mit, dass mit dem dafür zu erwartenden Kauferlös eine Turnhalle und ein Parteihaus gebaut werden sollen. Nachdem sowohl die Kreisleitung der NSDAP als auch der Mecklenburgische Landrat des Kreises Rostock den Kaufvertrag begutachtet hatten, wurde die Genehmigungsverfügung am 23. März 1939 vom Landrat erteilt. Die Größe des Grundstücks war mit etwa 2.099 qm angegeben.

◀ links: Zustimmung der NSDAP-Kreisleitung. Akte 2.S.3.a. 221. Archiv des Lk. Rostock ▲oben: Schreiben des Oberkichenrats an den Kühlungsborner Bürgermeister. Akte 2.S.3.a.221. Archiv des Lk. Rostock unten: Einwilligungserklärung des Bürgermeisters zum Verkauf des Grundstückes. Akte 2.S.3.a. 221. Archiv des Lk. Rostock

176 Parteigenosse der NSDAP


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LEBEN DER KIRCHE IM SOZIALISMUS Franck, Herbert; Jahncke, Jürgen: Die Junge Gemeinde im Visier von SED und FDJ Die Junge Gemeinde der evangelischen Kirchgemeinden wurde in den 1950er-Jahren von der SED als „illegale Organisation“ angegriffen und diskreditiert und verfolgt. Damit sollte ein Verbot der Jungen Gemeinde vorbereitet werden. Rund 3.000 Schüler, die sich dazu bekannten und keine Austrittserklärung unterschrieben hatten, wurden von den Oberschulen relegiert. Erst mit dem so genannten „Neuen Kurs“ der Regierung der DDR im Juni 1953 wurden die Relegationen der Schüler zurückgenommen und Jugend- und Studentenpfarrer aus der Haft entlassen. Der Arzt Dr. Erben aus Kühlungsborn erhob im Mai 1952 beim Bezirksschulrat Einspruch gegen den Ausschluss seiner Söhne Christof und Ulf vom Besuch der Goethe-Oberschule in Kühlungs-

born. Beide gehörten der Jungen Gemeinde an. Erben schreibt:

▲ Kirchgemeinde Mai 1952. Kirchenchronik Kühlungsborn

▲ Gottedienste Junge Gemeinde 1953. Kirchenchronik Kühlungsborn

„Ich erhebe Einspruch gegen den Ausschluss meiner Söhne Christof und Ulf aus der Goethe-Oberschule. Sie wurden wenige Tage nach Abschluß ihres mündlichen Abiturs aufgrund eines Mitschülerbeschlusses aus der Schule beurlaubt. Auf meine Anfrage erhielt ich erst am 26. Mai den mündlichen Bescheid, daß ihr Ausschluß aus der Schule wenige Tage vorher vom Rat (Pädagogischer Rat) beschlossen und damit rechtskräftig geworden sei. Da ich bis heute keine schriftliche Mitteilung über den Ausschluß erhalten habe, kann ich an die Rechtskraft dieser Maßnahme nicht recht glauben.


Leben der Kirche im Sozialismus | 139

Meine Söhne haben sich nichts zu Schulden kommen lassen. Als einzige ‚Schuld‘ wurde mir vom Leiter der Schule vorgehalten, daß sie das ‚Abzeichen der Jungen Gemeinde‘ trotz Warnungen und Vorhaltungen vonseiten ihrer Lehrer und Mitschüler bis zu ihrem letzten Schultage nicht abgelegt hätten. Es wurde mir zugegeben, daß ihnen sonst keine illegale Betätigung vorgeworfen werden konnte. Das Kugelkreuz wurde meinen Söhnen von ihrer Kirche als Zeichen ihres Bekenntnisses zu Jesus Christus verliehen. Sie sind niemals in eine Organisation eingetreten, die sich Junge Gemeinde nennt, und haben niemals eine Verpflichtung übernommen, als die, sich treu zum Worte Gottes und ihrer Kirche zu halten. Sie haben lediglich seit Jahren treu an den Veranstaltungen ihrer Kirche für die Jugend teilgenommen, die sich auf Singen, Posaunenblasen, Bibellesen und Aussprachen über Fragen des Lebens im Lichte der Bibel beschränkten. Seitdem die bekannten Vorwürfe gegen die Junge Gemeinde in den Zeitungen erhoben und ihnen von Lehrern und Mitschülern vorgehalten wurden, haben sie mit besonderer Sorgfalt immer wieder geprüft, ob sie in ihrem Umkreis irgendetwas beobachten könnten, was einer Ausnutzung für illegale Zwecke irgend einen Raum geben könnte. Es war ihnen nicht möglich. Sie achteten auch streng darauf, alles zu vermeiden, was einem solchen Vorwurf hätte Nahrung geben können. Das Zeichen haben sie nicht abgelegt, weil damit eine Verurteilung einer angeblich illegalen Jungen Gemeinde verbunden war, von deren Bestehen sie sich trotz der massiven Vorwürfe in den Zeitungen persönlich kein klares Bild machen konnten. Ich möchte in diesem Zusammenhang

darauf verweisen, daß die oberste Leitung der Meckl. Landeskirche in ihrer Synode, die aus den gewählten Vertretern des Kirchenvolkes besteht, noch Anfang Mai ds. Js. ausdrücklich festgestellt hat, daß keine stichhaltigen Beweise für das Bestehen einer illegalen Jungen Gemeinde im Raume der Landeskirche erbracht sind, und ihrer Überzeugung Ausdruck verliehen hat, daß solche auch nicht erbracht werden können. Die Synode hat dies in einer Kanzelabkündigung am Himmelfahrtstage dem Kirchenvolk bekannt gegeben und die Jugend aufgefordert, sich weiter treu zu Gottes Wort zu halten und ihr Bekenntniszeichen weiter zu tragen. Meine Söhne, die der Kirche Jesu Christi und ihren offiziellen Vertretern vertrauen, haben nichts anderes getan. Wenn die Regierung der DDR der Überzeugung ist, daß das Tragen des Kugelkreuzes als Zeichen des Bekenntnisses zu Jesus Christus untragbar sei, so teile sie doch dieses offiziell der Öffentlichkeit und der Kirchenleitung mit. Es wird sich kein Glied der Kirche finden, das nicht bereit wäre, auf eine solche Anordnung hin das Kugelkreuz sofort abzulegen. Es geht aber nicht, diese Frage mit der Diffamierung einer illegalen Organisation zu verquicken, über deren Bestehen sich der Einzelne kein Urteil bilden kann, wenn schon die Kirchenleitung selbst von ihrem Bestehen nicht überzeugt ist. Meine Söhne haben in ihrer nächsten Umgebung beobachten können, wie eine solche Distanzierung sofort gegen andere ausgewertet wurde in einem Ausmaß, das sie selbst nicht verantworten zu können glaubten. Lediglich aus diesem Grunde, der das Zeichen einer großen Gewissenhaftigkeit ist, haben sie das Zeichen nicht abgelegt.


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Ich habe keine Sorge, daß meine Söhne auch ohne Abitur und Hochschulstudium ihren von Gott gegebenen Weg im Segen weitergehen werden. Aber es schmerzt mich als Vater, der seine ganze Arbeitskraft für den sozialistischen Aufbau der Jugendgesundheitspflege einsetzt, zusehen zu müssen, daß meinen Söhnen in dieser Weise, die ihnen zustehende Ausbildungsmöglichkeit abgeschnitten wird.“177 Der Einspruch bewirkte, dass beide Jungen letztendlich zum Abitur zugelassen wurden und anschließend studierten. Christof studierte Theologie, Ulf Medizin. ▲ Bekenntniszeichen der Jungen Gemeinde.

▲ Junge Welt vom 1.4.1953

177 Franck, Herbert; Jahncke, Jürgen: Eßer und der Klassenkampf in den Anfangsjahren der Goethe-Oberschule. In: Kühlungsborner Jahrbuch 2014, S. 87 f.


Die Rolle der Kirche in der Wendezeit 1988 bis 1990 | 141

DIE ROLLE DER KIRCHE IN DER WENDEZEIT 1988 BIS 1990 Jürgen Jahncke

1988 Der Schaukastenkreis der Kirchgemeinde hatte für die Passionszeit ein Plakat gestaltet, auf dem in relativ kleinen Schriftzügen Folgendes dargestellt war: Demonstranten trugen ein Transparent mit Rosa Luxemburgs Ausspruch „Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden“. Das Plakat hing etwa vier Wochen aus, bis eines Nachts ein Streifenwagen der Volkspolizei vor dem Schaukasten am Lindenhof in der damaligen Wilhelm-Pieck- Straße (heute Neue Reihe) vorfuhr, das Plakat mit Scheinwerfern anstrahlte und begutachtete. Wenige Tage später erhielt Pastor Burkhardt überraschend Besuch vom Abteilungsleiter für Inneres des Rates des Kreises Bad Doberan, Herrn Fischer. Er forderte die rigorose Entfernung des angeblich provozierenden Plakats. Da es ohnehin ausgewechselt werden sollte, wurde es entfernt. Die Bemerkung von Herrn Fischer im Gespräch mit Pastor Burkhardt: „Wie blöd sind

die [Volkspolizei] eigentlich!“ findet sich in der Kirchenchronik. Ende August 1988 übernahm der junge Pastor Steinbacher die Evangelisch-Methodistische Kirchgemeinde in Kühlungsborn. Er fand sofort guten Kontakt zur Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde, besonders zu dem Kreis junger Erwachsener, der sich konfessionsübergreifend jeden Freitag traf. Die Friedensdekade vom 6. bis 16. November 1988 stand unter dem Motto: „Friede den Fernen und Friede den Nahen“. Pastor Steinbacher nahm in Magdeburg an der ökumenischen Versammlung unter dem Thema „Gerechtigkeit, Friede und Bewahrung der Schöpfung“ teil und berichtete darüber auch in der Kirchgemeinde.


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1989 Kirchenchronik S. 20f: „Da Ausreiseanträge von DDR-Bürgern, die es in diesem System nicht mehr aushalten konnten wie bisher, (trotz neuer Reiseverordnung?) restriktiv behandelt wurden, suchten immer mehr Leute Hilfe bei der Kirche. In mehreren Fällen konnte Pastor Burkhardt unabhängige Rechtsanwälte vermitteln, u.a. den in der Landessynode gewählten Anwalt Wolfgang Schnur aus Rostock, der mit viel Courage Ausreisewillige vertrat. (Leider erwies er sich nach der politischen Wende als IM der Staatssicherheit.) Eine ganze Reihe von Ausreisewilligen und politisch Unzufriedenen versammelte sich demonstrativ auf der Empore unserer Kirche. Im Laufe des Jahres verstärkte sich diese Bewegung immer mehr. Grundsätzlich vertrat die evang. Kirche die Auffassung, dass Gott uns einen Platz in diesem Land zugewiesen hat, dass wir Christen gerade hier unter schwierigen Bedingungen unseren Auftrag haben. Pastoren und kirchliche Mitarbeiter, die oft sehr schnell in die Bundesrepublik Deutschland aussiedeln durften, bekamen „drüben“ zunächst keine Anstellung in der Kirche. Ihr Verlassen der DDR galt fast wie „Fahnenflucht“. So versuchte der Pastor in seelsorgerischen Gesprächen ausreisewillige Gemeindeglieder zum Hierbleiben zu ermuntern. Aber in den meisten Fällen handelte es sich um Gemeindeglieder, die unter dem kommunistischen System wahrhaftig genug gelitten hatten, denen hier einfach ein zu enges Korsett angelegt wurde. Ihnen galt die Hilfe der Gemeinde.“ Angeblich sollte Pastor Burkhardt am 11. Dezember 1988 in einer Predigt staatsfeindliche Aufrufe verwendet haben. Daraufhin wurde er zum Stellvertretenden Vorsitzenden des Rates des Kreises Bad Doberan, Herrn Fischer, einbestellt. Die Bürger, die sich angeblich über seine Predigt beschwert hatten, entpuppten sich nach Pastor Burkhardts Einsichtnahme in seine Stasi-Unterlagen als IM.

Der Versuch der Stasi, einen Keil zwischen Kirchgemeinderat und Pastor Burkhardt zu treiben, misslang. Der Jugendfasching der Gemeinde am 3. Februar 1989 hatte ein unangenehmes Nachspiel. Nach Angaben der Volkspolizei handelte es sich um eine nicht angemeldete Veranstaltung. Pastor Burkhardt wurde mit einer Ordnungsstrafe in Höhe von 100,85 Mark belegt. Im April 1989 beschloss der Kirchgemeinderat, sich an der Aktion „Eine Mark für Espenhain“ zu beteiligen. Das Geld war für die Rekonstruktion eines dortigen Chemiebetriebes vorgesehen, um den Ausstoß von Giftstoffen in die Atmosphäre zu mindern. Das Programm Ökologie in kirchlichen Gruppen wurde von der Staatsführung und der Staatssicherheit mit größtem Misstrauen beobachtet. Nach den Kommunalwahlen in der DDR am 7. Mai 1989 gab es von oppositionellen Gruppen massive Vorwürfe wegen Wahlbetrug. Pastor Burkhardt schreibt in der Pfarrchronik S. 28: „Noch in der späten Nacht dieses Sonntags kam ein Vertreter des Wahlausschusses des Kreises Bad Doberan zum Pastor und berichtete über massive Wahlfälschungen, besonders die Zahl der Nichtwähler betreffend. Er übergab dem Pastor die Zahl der Nichtwähler in 10 von 35 Gemeinden des Kreises, 486 Nichtwähler. Am 10. Mai veröffentlichte die Ostsee-Zeitung als Zahl der Nichtwähler für den ganzen Kreis (35 Gemeinden); 286, also eine erhebliche Differenz. Ohne die Nennung seines Informanten schrieb Pastor Burkhardt am 29. Mai an Herrn Fischer vom Rat des Kreises und bat um Auskunft, wie solche Differenzen zustande kommen können. Dieser reagierte am 9. Juni mit Betroffenheit und Erstaunen. Die Antwort wurde am 16. Juni vom Vorsitzenden des Rates des Kreises erteilt, und zwar mit einem Wortlaut,


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der wörtlich von Stasi-Chef Mielke für dergleichen Anfragen vorgeschrieben wurde.“ Die Ausreisewelle von unzufriedenen Bürgern der DDR nahm im Sommer 1989 immer größere Ausmaße an. Die Konferenz der Leitung der Evangelischen Kirche forderte auf ihrer Konferenz am 2. September 1989 dringend Reformen in der DDR sowie eine neue Medienpolitik, Reisefreiheit für alle Bürger, freie Wahlen und konsequente Abrüstungsgespräche. Die Friedensgebete in der Leipziger Nikolaikirche wurden zum Vorbild für andere Proteste der Bevölkerung der DDR. Bis zu 100.000 Menschen demonstrierten in Leipzig am 9. Oktober 1989 durch die Innenstadt und forderten die Zulassung des „Neuen Forums“ und die Freilassung von politischen Gefangenen. Am 19. Oktober trafen sich in der Rostocker Marienkirche Tausende zum Friedensgebet und demonstrierten anschließend. Das Doberaner Münster war am 25. Oktober beim Friedensgebet überfüllt.

nete die Veranstaltung als eine Veranstaltung der Bürgerinitiative NEUES FORUM (NF). Er las Sätze aus Psalm 85. Gemeinsam wurde das Lied ,Die Gedanken sind frei‘ (in der Fassung von Ingo Bartz) gesungen. Die Ärztin Christiane Fink las ein aktuelles Gedicht. Pastor Steinbacher informierte über das Neuste vom NF. NF-Hauskreise berichteten über ihre Arbeit. Viele Bürgerinnen und Bürger traten vor das Mikrofon, um ihre Anliegen vorzubringen, oft voller Wut und Ärger. Eine Petition an den Rat der Stadt wurde verlesen und verabschiedet. Zum Abschluss wurde das Lied der amerikanischen, gewaltfreien Bürgerrechtsbewegung gesungen ‚We shall overcome some day‘ (an der Gitarre begleitet von Hansi Sädtler).

„Am 17. Oktober 1989 bildete sich unter der Leitung von Pastor Thomas Steinbacher in der Evangelisch-Methodistischen Kirche im Fischersteig eine Kühlungsborner Gruppe – das NEUE FORUM (NF). Es kamen etwa 80 Bürgerinnen und Bürger zusammen und vereinbarten die nächsten Schritte, nämlich die Bildung von hauskreisähnlichen Initiativgruppen. Pastor Burkhardt, nicht Mitglied des NF, unterstützte jedoch voll die Sache. Kantor Pilgrim und seine Frau gehörten zu den Initiatoren des NF in Kühlungsborn. Da für die 2. Versammlung des NF der Kirchensaal im Fischersteig zu klein war, öffneten wir für den 2. November unsere Kirche. Sie war mit ca. 500 Leuten so überfüllt, dass man fast ein Zusammenbrechen der Empore befürchten musste. Mehrere hundert Leute verfolgten die Veranstaltung außerhalb der Kirche. Eine Verstärkeranlage war installiert worden. Pastor Burkhardt eröff-

▲ Erste genehmigte Protestdemonstration durch Kühlungsborn am 4.11.1989. Fotos: Uwe Pilgrim


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Danach zogen die Massen mit Kerzen, die jemand in großen Mengen in die Kirche gebracht hatte, zum Rathaus. Einige sangen noch immer ‚We shall overcome‘. (Am nächsten Tag lagen viele der kleinen blauen Liedzettel auf der Straße.) Viele Leute schlossen sich unserer Demo an. Am Rathaus waren es wohl um die 1.000 Leute. Dort war eine Verstärkeranlage aufgestellt. Der Bürgermeister wartete schon. Erstaunlich war, wie dann manche Leute zum ersten Mal frei vor einem Mikrofon standen und ihre Meinung sagten und mit guten Vorschlägen nicht sparten. Das war unsere Kühlungsborner friedliche Revolution am 3. November 89 (1 Tag vor der berühmten Demo auf dem Berliner Alexanderplatz).“178 Bürgermeister Moeck lud am 7. November zu einer öffentlichen Versammlung in die „Strandbühne“ ein. Bei dieser Zusammenkunft gestanden reformwillige Mitglieder der SED-Kreisleitung Fehler ein und bemühten sich, die Anwesenden für einen Neuanfang mit der SED zu gewinnen. Das scheiterte. Im Gegenteil. Sie wurden aufgefordert zurückzutreten. Eine weitere Demonstration am 4. Dezember führte unzufriedene Bürger abermals zum Rathaus. Am 9. Dezember demonstrierten Einwohner der Stadt bei klirrender Kälte zum MdI179-Er-

6. Dezember: Der Generalsekretär der SED, Egon Krenz, tritt zurück. 6. Dezember: Manfred Gerlach (LDPD) wird neuer Staatsratsvorsitzender. 7. Dezember: Der erste zentrale Runde Tisch wird in Berlin gebildet. 16./17. Dezember: Die SED wird zur PDS unter Gregor Gysi. 19. Dezember: Staatsratsvorsitzender Hans Modrow und Kanzler Helmut Kohl treffen sich erstmalig in Dresden und verhandeln über eine deutsch-deutsche Vertragsgemeinschaft. 24. Dezember: der Zwangsumtausch von Devisen bei Einreise in die DDR und die Visumspflicht für Deutsche beider Staaten wird aufgehoben. 31. Dezember: Am Brandenburger Tor feiert man die schönste Silvesterparty. Am 4. Dezember behandelt der Kirchgemeinderat das Thema „Geistliche Erneuerung“.180

„Die Ereignisse überschlugen sich: 18. Oktober: Der Generalsekretär der SED, Erich Honecker tritt zurück. 7. November: Der Ministerrat der DDR-Regierung unter seinem Vorsitzenden Willy Stoph tritt zurück. 8. November: Das Politbüro der SED tritt zurück. 9. November: Die Mauer in Berlin wird geöffnet. 13. November: Hans Modrow wird Vorsitzender des Ministerrats der DDR

Am 16. November 1989 war der Kühlungsborner Bürgermeister Peter Moeck von seiner Funktion zurückgetreten. Kommissarisch übernahm Herr Klaus Koch (NDPD) die Amtsgeschäfte. Er lud zum 17. Januar 1990 Vertreter der etablierten Parteien und der neuen basisdemokratischen Gruppierungen und die Kirchenvertreter zum Runden Tisch ein. Deren Leitung übertrugen die Anwesenden den Pastoren der Evangelisch-Methodistischen Kirche Thomas Steinbacher und Matthias Burkhart, Evangelisch-Lutherische Kirche. Dieses Gremium, das alle drei Wochen tagte, übernahm bis zur Kommunalwahl am 6. Mai 1990 die Verantwortung für die Geschicke in Kühlungsborn. Im Mittelpunkt der Zusammenkünfte standen Fragen des Sozialwesens, der Ökologie, der Gewerbegenehmigungen, Grundstücksrückführungen und -erwerb sowie aktuelle Probleme der Infrastruktur. Der Runde Tisch vermied es, Immobilien leichtfertig zu verkaufen.

178 Burkhardt, Matthias: Kirchenchronik. S. 38 f 179 Ministerium des Innern der DDR

180 Burkhardt, Matthias: Kirchenchronik ebenda

holungsheim „Ostsee-Heim“ und forderten seine Umwandlung in ein Heim für Senioren.


Die Rolle der Kirche in der Wendezeit 1988 bis 1990 | 145

Auf Vorschlag von Pastor Burkhardt wurde ein „Gerechtigkeitsausschuss“ gebildet, um die berüchtigte „Aktion Rose“ des Jahres 1953 aufzuarbeiten. Der Runde Tisch war ein Übungsfeld für die später freigewählte Gemeindevertretung der Stadt. 1990 Die erste freie Kommunalwahl am 6. Mai 1990 in Kühlungsborn erbrachte folgendes Ergebnis: SPD-27,52 % (7 Sitze), CDU-27,16 % (7 Sitze), PDS14,27 5 (4 Sitze), FDP-5,38 % (1 Sitz), Volkssolidarität-2,08 % (1 Sitz), Unternehmerverband-2,1 % (1 Sitz), Einzelkandidat Klaus Koch-2,08 % (1 Sitz), Handwerker- und Gewerbeverein-9,74 % (2 Sitze), Neues Forum-8,39 % (2Sitze) Zum neuen Bürgermeister wurde der Elektroingenieur Knut Wiek (SPD) gewählt, zum Bürgervorsteher Jürgen Kröger. Pastor Burkhardt wurde auf Vorschlag des Bürgermeisters Beigeordneter des Hauptausschusses. Steinbacher, Thomas 2014: Bleibe im Lande und wehre dich täglich! Diesen Spruch habe ich im September 1989 in den Schaukasten gehängt, vor unsere kleine evangelisch-methodistische Kapelle im Fischersteig in Kühlungsborn. Und dazu eine Landkarte der DDR. Ein Stasi-Mitarbeiter hielt das für so staatssicherheitsrelevant, dass er ein Foto machte, welches ich Jahre später in meiner Akte fand. Dass er dabei sein Spiegelbild gleich mit fotografiert hat, ist lustig und irgendwie auch tiefsinnig ... – Jedenfalls: Ein Dankeschön an die Stasi für das interessante Foto und die damit verbundene Erinnerung! In Kühlungsborn und Altenhagen war meine erste Stelle als junger Pastor. In jenem Jahr verließen die Leute in Scharen das Land, junge Leute, die nicht länger gegängelt und eingesperrt sein wollten, Familien, die sich eine bessere Zukunft im

Westen versprachen. Arbeiter, Angestellte, auch besonders viele Ärzte hatten Ausreiseanträge gestellt. „Wir wollen raus!“ riefen im Sprechchor manche bei den ersten Demonstrationen. Und andere hielten dagegen: „Wir bleiben hier!“ Ich gehörte zu denen, die fürs Hierbleiben plädierten. Nicht, weil es so toll war im ummauerten Arbeiter-und-Bauern-Staat, sondern weil es unsere Heimat war, unser Land, das man von innen her­ aus verändern musste: mit Glasnost und Perestroika, mit friedlichem Widerstand und Phantasie. Man muss sich täglich wehren gegen Denk- und Reiseverbote, gegen Unfreiheit und Dummheit und auch gegen die eigene Resignation, gegen die innere Emigration. In unserer Rostocker Michaeliskirche hatten Sibylle und Günter Hering seit dem Mai 1989 eine „Informationsstelle für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ eingerichtet, die jeden Mittwoch ihre Türen öffnete. An einem dieser Mittwoche stellten wir die neuen Bewegungen und ihre Resolutionen vor – Neues Forum“, „Demokratie Jetzt“ u.a. – hunderte Menschen kamen und viele wagten es schließlich auch, sich in die Listen einzutragen. Ja, wir träumten in jenem Sommer und Herbst den Traum von einem Land, das nicht nur dem Namen nach, sondern tatsächlich eine „Deutsche Demokratische Republik“ sein würde. Was sollte aus diesem Traum werden, wenn die Besten in den Westen gingen? Deshalb: „Bleibe im Lande und wehre dich täglich!“ Der Spruch war die kreative Abwandlung eines Bibelwortes aus Psalm 37: „Hoffe auf den HERRN und tu Gutes, bleibe im Lande und nähre dich redlich.“ Ich weiß noch, dass sich eine „bibeltreue“ Frau aus der Gemeinde darüber beschwerte, wie man denn einen Satz der Heiligen Schrift so verfälschen könne! Und ich wurde natürlich nach Bad Doberan zur „Abteilung Inneres“ vorgeladen. Herr Fischer, der Chef dieser Abteilung, stauchte mich zusammen und verlangte, dass ich dieses „hetzerische Machwerk“ abhänge. Vielleicht hat-


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te er begriffen, was geschehen würde, wenn tatsächlich die Menschen dablieben und sich nicht nur redlich nähren, sondern auch täglich wehren würden... Und so geschah es dann ja auch: Die Mauer fiel, das SED-Regime musste abdanken. Manche von unseren Träumen wurden schneller wahr, als wir zu hoffen gewagt hatten: dass so viele die Angst überwanden und auf die Straße gingen. Dass wir mit Gebeten und Kerzen in der Hand eine Revolution entfachten, die ohne Blutvergießen das System zum Kippen brachte! Dass wir plötzlich ohne Mauer im Land und ohne Mauern im Kopf die Welt entdecken konnten, frei reden, frei reisen, frei denken und glauben. Aber nicht alle Träume wurden wahr: der Traum, dass es gerechter zugehen würde in dem neuen, wiedervereinigten Deutschland, der Traum, dass die Talente und die Arbeit aller gebraucht und geschätzt würde… Und auch der Traum, dass es einen dritten Weg geben könne, jenseits von Sozialismus und Kapitalismus, auch der wurde nicht wahr. 25 Jahre nach dem Mauerfall will ich mir beides bewusstmachen: die wahr gewordenen Träume und die, die sich nicht erfüllt haben, noch nicht. Ich bin dankbar, und ich bin unzufrieden. Der alte Psalm gilt immer noch: „Hoffe auf den HERRN und tu Gutes, bleibe im Lande und nähre dich redlich.“ Aber auch die Ergänzung: „… wehre dich täglich!“ Finde dich nicht ab. Und hau nicht ab, auch nicht in irgendeine innere Emigration. In diesem Sinne: Bleibe im Lande und wehre dich täglich!181

▲ Emblem des Neuen Forums. Sammlung: Klaus Koch

▲ Plakat für das Neue Forum. Bild: Wilfried Schröder

181 Manuskript


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AUS DEN GEMEINDEBRIEFEN Drefers, Hermann: Aus zwei Gemeindebriefen im September 1939 und 1960. „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht.182 „Im September 1939 erhielten die Glieder der Bekennenden Kirche Kühlungsborn in Form von Gemeindebriefen von Pastor Drefers zwei Aufrufe. Aus dem ersten Aufruf: „Deutschlands Söhne kämpfen. Soll dieser Kampf nicht vergeblich sein, so muß das Hinterland, die Heimat, geschlossen hinter ihnen stehen und stark sein für die Aufgaben, die ihr in dieser Zeit gestellt sind. Da ist die Gemeinde, da sind alle Christenleute auf den Plan gerufen. Jetzt hat unsere Stunde geschlagen! Jetzt haben wir vor der Welt Zeugnis abzulegen durch Wort und Tat von der Herrlichkeit unseres Christenglaubens. Dazu wollen wir uns stärken aus den unerschöpflichen Kraftquellen unseres 182 Jesaja 7,9

Glaubens: dem Worte Gottes, dem Sakrament des Hl. Abendmahls und dem Gebet – eingedenk unseres Monatsspruches: „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht …“183 Aus dem zweiten Aufruf: „Gott hat uns nicht unser Leben geschenkt, damit wir uns selber, sondern damit wir Ihm leben. Und Jesus Christus hat kein Privatchristentum geschaffen, sondern hat den Seinen befohlen, die Gemeinschaft der Christen zu suchen und zu pflegen. So müßen wir, solange wir Gott und Gottessohn noch ernst nehmen, immer aufs Neue wieder nachsinnen, wie wir diese Gemeinschaft untereinander halten und fördern können, und dürfen uns darin durch keinerlei kleinlichen Dinge oder Ärgernisse beirren oder hindern lassen. Wir alle brauchen ja Gemeinschaft.

183 Kirchenchronik Kühlungsborn


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Ganz gewiß, wir haben im Lauf der Jahre darin ein gut Stück vorwärts kommen dürfen. Am Sonntag und Mittwoch stellen wir uns gemeinsam unters Wort und an den übrigen Wochentagen bringen wir unsere Zugehörigkeit zu dem einen Herrn und zueinander zum Ausdruck durch Gebet und Fürbitte und durch Lesen des uns durch Bibellesen gegebenen Bibelabschnittes. Unsere Gemeindebücherei, das Sonntagsblatt, die Krankenbesuche und Besuche der Glieder untereinander, die Aussprache mit dem Pastor und nicht zuletzt die gegenseitige Anteilnahme an Freud und Leid in der Gemeinde stärken das Gemeinschaftsgefühl. Trotz allem läßt sich aber nicht leugnen, daß noch viele fern stehen und noch viel Menschliches, Allzumenschliches hier und da die Gemeinde störend beeinflußt und uns immer daran hindern will, das zu werden, was wir nach unseres Heilandes Gebot sein sollen: Lebendige Glieder an seinem Leibe. So müßen wir wachsam sein und immer wieder nach Mitteln und Wegen suchen, die das uns einigende Band verstärken können. Und dazu erbitte ich herzlich Euren Beistand mit Rat und Tat …“184 Aus dem Gemeindebrief Januar 1960 „Liebes Gemeindeglied! Zu Beginn des Jahres grüße ich Dich mit dem Wort, das uns als Losung nun ein ganzes Jahr durch Freud und Leid, über Höhen und Tiefen hinweg geleiten und tragen will: ‚Fürchte Dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige!‘ Offenbarung 1,V. 17 f. ‚Fürchte Dich nicht!‘ welch ein Wort! Das ist so recht der Klang des vollen Evangeliums. Wo solch ein Wort in göttlicher Vollmacht gesprochen wird, da zieht der tiefe Friede ein in das bange, gequälte und zersorgte Menschenherz! Denn dies Wort ist ein Heimatruf Gottes an sein Volk. Als Heimatruf 184 ebenda

Gottes hat es seinen Siegeslauf durch die Jahrhunderte angetreten, und als Heimatruf Gottes hat es sich, wo immer es hinfiel, bewährt. So mag dies Wort auch in diesem Jahr an uns seinen Dienst tun und für uns zum Heimatruf Gottes als Volk in der Fremde werden. Nehmen wir es so auf, dann sagt es uns zweierlei: 1. „Du bist in der Fremde – doch nicht allein! Fürchte Dich nicht! In diesem kurzen Wort ist von einem ganz unheimlichen Machthaber die Rede, einem Machthaber, dessen Gewalt nicht mit Händen zu fassen ist, und die doch über die ganze Welt reicht und die Menschen aller Zeiten unter ihren Bann zwingt. Es ist der Geist der Furcht! Es gab eine Zeit in unserm Volk, da wurde man verlacht, wenn man von Furcht sprach. Das ist heute nicht mehr so. Jeder von uns weiß, was Furcht ist. Auch Du weißt darum. Aber hast Du Dich auch schon einmal gefragt: Woher eigentlich kommt die entsetzliche Angst? Warum fürchte ich mich? Dann würdest Du bei der entscheidenden Frage Deines Lebens stehen. Warum fürchten wir uns? Ein Gleichnis mag das verdeutlichen. Denk an ein Kind. Kein Kind fürchtet sich, selbst nicht bei Sturm und Gewitter, wenn es daheim ist bei Vater und Mutter, wenn es die liebe Hand der Mutter spürt und die beruhigende Stimme des Vaters hört. Aber bitterlich fängt es an zu weinen, wenn es fern dem Elternhaus auf sich allein angewiesen ist und dann von der dunklen Nacht überfallen wird. Genauso ist es bei uns Großen. Warum ist so viel Furcht und Verzagtheit, so viel Mutlosigkeit und Ungewissheit auf Erden? Weil wir alle zutiefst dem Kinde gleichen, daß das Vaterhaus verlassen hat. Weil wir uns von Gott, unserem ewigen Ursprung und alleinigen Schutz losgerissen haben. Nun leben wir fern von Gott und sind uns selber


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überlassen. Nun stehen wir in dieser unheimlichen Welt wie ein hilfloses Kind, das allen möglichen Gewalten und Mächten ausgesetzt ist. Nun sind wir in der Fremde, in der Fremde, im Elend, d. h. ja im Ausland, und da packt uns das Grauen vor der unbarmherzigen Welt, die Furcht vor dem ungewissen Schicksal, vor der Bitterkeit des Todes vor der Feinseligkeit der Menschen, vor der Enthüllung verborgener Schuldenlasten. Fremde – Ausland, wie oft haben wir das erfahren müssen! Meinst Du, dass das im neuen Jahr anders wird? Gewiss nicht. Aber darauf kommt es auch gar nicht an, was uns 1960 im Einzelnen bringen wird. Es kommt in allem allein darauf an, ob wir hinter allem den Ruf Gottes hören. Der aber lautet: Ja Du bist in der Fremde, so lange Du über diese Erde gehst. Aber das sollst Du wissen – Du bist nicht allein! Dein Herr und Gott ist bei Dir! Denn Gott hat sich aufgemacht zu Dir. In Jesus Christus, seinem Sohn hat er `s getan. Er hat Dich losgekauft aus der Knechtschaft der Fremde. Es war ein teurer Preis, den er dafür zahlte. Denn Gold und Silber reichten nicht mehr dafür aus. Nein das Blut seines Sohnes mußte er für Dich und mich hergeben. So viel sind wir ihm wert! 2. Der Sohn ruft Dich in die Heimat – denn Du bist sein! Ja, gleichsam heute in der 1. Stunde des neuen Jahres ruft Dich der Sohn. Und was für gewaltige Worte sind das, die er spricht! ‚ich bin der Erste und der Letzte!‘ – weißt Du, was das heißt? D. h. längst, ehe die Welt war, da war ich, denn ich habe alles geschaffen. Ich habe auch Dich geschaffen. Du bist also nicht das Zufallsprodukt irgendeiner rätselhaften Entwicklungsgeschichte. Nein, Du bist Jesu Geschöpf, Du bist sein Gedanke. Er hat einen ganz bestimmten Plan mit Dir. Darum: ‚Ich bin der Erste!‘ Aber: ‚Ich bin auch der Letzte!‘, d. h. nicht dunkle Schicksalsgewalten haben das letzte Wort über Dich. Mein, Dein Schicksal liegt allein

in Jesus’ Hand. Darum komm, vertrau Dich mir an, dann bist Du gerettet und geborgen. So ruft der Herr Dich. So streckt er seine gewaltige Hand nach Dir aus. Er möchte Besitz von Dir ergreifen. Du bist schon sein eigen? Und weißt Du, was das für Dich bedeutet, wenn Du sein Eigen bist? Dann brauchst Du Dich vor nichts mehr zu fürchten – auch nicht vor dem letzten Gericht. Dann weißt Du: Alle Gewalten, die Dir jetzt noch Angst einflößen, sind nichts gegen Jesus. Ihr aller Zeit ist begrenzt. Sie müssen bald abtreten. Nur einer hat das letzte Wort: Jesus Christus! Er hat selbst bei dem Gericht, bei dem er um unser aller ewiger Zukunft geht, noch das letzte Wort. Er stellt sich schützend vor die Seinen. Darum ist es so wichtig, dass Du ihm angehörst! Und nun das Herrlichste: ‚Ich bin der Lebendige!‘ Was heißt das: ‚Ich habe die Schlüssel der Hölle und des Todes!‘, sagt er. Ich habe die Schlüssel zu der Tür, durch die ihr alle einmal hindurch müßt. Hörst Du die frohe Botschaft? Du kennst die dunkle Grabestür. Täglich geht sie ja auf und schluckt Menschen, um dann die Tür endgültig hinter ihnen ins Schloß fallen zu lassen. Und wir Zurückbleibenden spüren dann jedesmal in tiefem Schmerz diese eiskalte, fremde, feindselige Macht, wie sie in unser Leben eingreift und erbarmungslos trennt, was so eng zusammengehört. Wir spüren dann, wieviel ärmer und einsamer wir geworden sind. Diese Tür ist zwar noch da. Denn der Herr hat sie ja nicht beseitigt, als er den Tod überwand. Aber trotzdem ist seit Jesu Auferstehung eine grundlegende Änderung eingetreten. Denn nun hat er den Schlüssel in der Hand. Nun bestimmt er, wann die Tür zum Sterben aufgeschlossen und wann sie wieder zuggeschlossen wird. Nun be-


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stimmt er allein, und niemand kann ohne seine Zustimmung die Tür öffnen und zuschließen. Das ist die frohe Botschaft: Nur einer bestimmt unsere Todesstunde – Jesus! Das nimmt uns zwar den Schmerz nicht fort über unser Todesverfallensein. Das befreit uns auch nicht von der drückenden Warumfrage: Warum muß gerade er, warum muß gerade sie sterben? Und doch – eins ist anders geworden. Wir wissen: Nicht ein Zufall, nicht eine feindliche Macht nimmt uns den Lieben, sondern Er, der unsere Seligkeit will! Er bestimmt den Tag, Er allein! Und ihm ist es in allem nur um unsere ewige Rettung zu tun! Lieber Bruder, liebe Schwester! Wir leben heute in einer Zeit, die uns mehr denn je an das Wort erinnert: ‚Mitten im Leben sind wir von dem Tod umfangen.‘ Wie gut, dass wir da dies Wort unseres Herrn haben! Nun brauchen die, die diesem Herrn angehören, weder Tod noch Teufel zu fürchten. Sie wissen sich in seiner Hand, und aus dieser Hand kann sie nichts reißen. Von ihnen gilt: Zwar noch in der Fremde, aber nicht allein! Der Sohn ist unsere Heimat, denn wir sind sein! Eine Auswahl von Gemeindebriefen. Kirchenchronik Kühlungsborn ▶

Mit dieser köstlichen Botschaft grüße ich Dich zu Beginn des Jahres 1960 als Dein … 185

185 ebenda


Aus den Gemeindebriefen | 151


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AUS DER GESCHICHTE DER KATHOLISCHEN GEMEINDE KÜHLUNGSBORN Jürgen Jahncke, Rainer Karl

Im Jahr 1905 wurde bei der Volkszählung in Bruns­ haupten auch die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft erfasst. Danach gehörten alle Einwohner der Evangelisch-Lutherischen Kirche an, lediglich vier Personen der Römisch-Katholischen und eine der Russisch-Orthodoxen Kirche. Im Anzeiger für Brunshaupten, Arendsee und Umgegend findet sich in der Ausgabe vom 24. August 1912 folgende Ankündigung: Wie aus dem Inseratenteil ersichtlich ist, findet am Dienstag, den 27. August, im Grand-Hotel Dünenhaus eine Versammlung statt, zwecks Einrichtung eines regelmäßigen katholischen Gottesdienstes in Bruns­ haupten-Arendsee. Interessenten, insbesondere hiesige Gäste katholischer Konfession, werden zu dieser Versammlung eingeladen. Die Leitung derselben wird Hochehrwürden, Herr Pfarrer Nagel-Heiligendamm, übernehmen, auch haben

die Gemeindevorstände von Brunshaupten und Arendsee ihre Beteiligung zugesagt.“ Das Ergebnis dieser Zusammenkunft ist nicht bekannt. Der Badeprospekt des Jahres 1923 weist aus, dass katholische Gottesdienste voraussichtlich in der katholischen Kapelle in Heiligendamm stattfanden und der Ort in 15 Minuten Bahnfahrt erreichbar sei. Im Badeprospekt 1931 heißt es: „Katholischer Gottesdienst: Während der Kurzeit in den durch Aushang bekanntgegebenen Räumen.“ Diese wenig zufriedenstellenden Zustände für katholische Kurgäste in Brunshaupten und Arendsee wurden im nachfolgenden Brief von Gästen der beiden Seebäder sichtbar und treffend kritisiert.


Aus der Geschichte der katholischen Gemeinde Kühlungsborn | 153 ◀ Weihe der katholischen Kirche Heilige Dreifaltigkeit am 23.7.2000. Chronik katholische Kirche

während ihres Badeaufenthaltes, von geistlichem Beistand in Notfällen kann unter diesen Umständen gar keine Rede sein. Die Folge davon ist, dass sehr viele katholische Familien aus Rheinland und Westfalen, die gern nach Brunshaupten zur Kur kamen, an andere Orte gehen, wo in religiöser Hinsicht von den Badeverwaltungen besser gesorgt ist. Viele Beispiele dafür wurden in einer Besprechung katholischer Kurgäste in Brunshaupten mitgeteilt. Anderseits läßt sich statistisch nachweisen, dass vielerorts die Einrichtung eines regelmäßigen und täglichen katholischen Gottesdienstes den Zuzug der Badegäste aus Rheinland und Westfalen, auf die ja allgemein von den Badeorten großer Wert gelegt wird, in ganz besonderer Weise gefördert hat. Ferner sind in Brunshaupten und Arendsee in den Kinderheimen meist eine große Anzahl katholischer Kinder. Alle diese Kinder haben während ihres Kuraufenthalts nur selten Gelegenheit, einem katholischen Gottesdienst beizuwohnen, ein Grund beständiger Sorge für die katholischen Eltern.

▲ Ankündigung der Gottedienste.

„In Brunshaupten sind ständig eine sehr große Anzahl von Kurgästen aus Rheinland und Westfalen. Sie beträgt zumal in der zweiten Hälfte der Saison ungefähr 60-70 % der Badegäste überhaupt. Unter diesen sind die Katholiken weitaus in der Überzahl. Nach vorsichtiger Schätzung (Zählung beim Gottesdienst usw.) beträgt die Zahl der jeweils anwesenden Katholiken mindestens 500600 Personen. Den religiösen Bedürfnissen dieser großen Zahl von Katholiken entspricht die bisherige Regelung in keiner Weise. Der Tanzsaal, der hier am Ort zur Verfügung steht, genügt schon räumlich nicht. Die Kapelle in Heiligendamm faßt kaum 50 Personen und kommt wegen der Entfernung und der schlechten Verbindung für die katholischen Kurgäste von Brunshaupten gar nicht in Frage. Von einer Pastorisierung der Katholiken

Aus vorstehenden Gründen bitten die katholischen Kurgäste von Brunshaupten die Gemeindeund Badeverwaltung, die Abhaltung eines regelmäßigen katholischen Gottesdienstes, der sich auch auf die Wochentage erstreckt, für die Badezeit in Brunshaupten zu ermöglichen durch die Errichtung einer allen liturgischen Ansprüchen genügenden Notkirche. Eine entsprechende Notiz in den Badeberichten der rheinisch-westfälischen Presse, die den Bau einer solchen katholischen Notkirche bekannt macht, würde von größtem Einfluß sein auf den Zustrom der Badegäste aus Rheinland und Westfalen. Die Unterzeichneten haben das zuständige katholische Pfarramt in Rostock von dieser Eingabe unterrichtet und bitten die Gemeinde- und Badeverwaltung, die Antwort dorthin zu richten.“186 186 Akte 2.S.3.a.243. Archiv des Lk. Rostock


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Die Gemeindevertretungen der beiden Ostseebäder waren grundsätzlich bereit, dieses Problem zu lösen und führten nach Aktenlage 1926 mit dem Pfarrer der Christuskirche Rostock über die Seelsorge für katholische Christen in der Badesaison und über den Bau einer Kirche intensive Verhandlungen. Sie ließen sich im Jahr 1926 bereits Angebote für die Errichtung einer Kirche machen. So schlugen z. B. die Kölner Holzbau-Werke am 12. Oktober 1926 dem Brunshauptener Obervorsteher Dr. Neese den Bau einer Holzkirche mit allem Komfort für 22.535 M. für die Seelsorge der katholischen Badegäste vor. Auch die Firma Furtwängler & Hammer aus Hannover unterbreitete am 11. Dezember 1926 dem Gemeinderat einen Vorschlag für die Errichtung einer Kirche. In einem Schreiben der Gemeindeverwaltung Bruns­ haupten vom 23. August 1926 teilte sie dem verantwortlichen Pfarrer Leffers in Rostock mit, dass sich die Gemeinde grundsätzlich bereit erklärt, einen geeigneten Bauplatz zur Errichtung einer katholischen Kapelle kostenlos zur Verfügung zu stellen und zur Verzinsung und Amortisation der Baukosten sowie zum Unterhalt eines Geistlichen einen jährlichen Zuschuss von 2.000 M. für eine noch zu bestimmende Zeitdauer zu entrichten, so lange, bis in Brunshaupten oder Arendsee eine selbständige Pfarrstelle eingerichtet sei. Die bischöfliche Behörde stimmte diesem Angebot zu, vorausgesetzt, der vorgesehene Bauplatz faßt Kirche, Pfarrhaus und Garten. Favorisiert wurde der Eckplatz Hirsch- Langenschneese von der Größe 40x80 m. Laut Protokoll vom 14. Januar 1927 lehnte die Gemeindeversammlung von Brunshaupten den Ankauf dieses Bauplatzes im Stadtwald für die Errichtung einer katholischen Kirche ab. In der Begründung vom 31. Januar 1927 heißt es dazu: „Der mitten im Ort gelegene Wald bildet den

▲ Vertrag zur Einrichtung einer Kapelle. Akte 2.S.3.a.229. Archiv des Lk. Rostock. Siehe auch Seite 216 & 217.

Hauptanziehungspunkt für die Brunhaupten besuchenden Kurgäste. Er ist es, dem Brunshaupten seine schnelle Entwicklung als Badeort in erster Linie verdankt. Bei dem immer schärfer werdenden Konkurrenzkampf mit den nicht


Aus der Geschichte der katholischen Gemeinde Kühlungsborn | 155

mecklenburgischen Seebädern ist zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz des Ortes und seiner Einwohner unbedingt erforderlich, dass der Staatsforst Brunshaupten in dem jetzigen Zustand unverändert erhalten bleibt. Wir verkennen keineswegs den Nutzen, den eine katholische Kirche unserem Orte in Anbetracht der zahlreichen katholischen Kurgäste bringen würde; jeder Kenner der hiesigen Verhältnisse aber weiß, dass die Errichtung einer solchen Kirche im Walde dem Ort mehr Schaden als Nutzen bringt.“187

dienste der katholischen Badegäste in den Monaten Juli und August im Kurhaus189 stattfinden, und zwar sonntags um 8.00 Uhr und um 10.00 Uhr und werktags um 8.00 Uhr. Dafür stellte die Badeverwaltung 600 RM zur Verfügung. Vom 10. Juni 1933 liegt eine Aufstellung der Kosten des Kurhauses Brunshaupten an den Bürgermeister vor, in der für die katholischen Gottesdienste in den Monaten Juli und August des Jahres für Raummiete und Unterkunft sowie Verpflegung des Seelsorgers ein Betrag von insgesamt 763 RM erhoben wurde.

Daraufhin wurde der katholischen Kirche ein unmittelbar am Wald an der Neuen Reihe gelegenes Grundstück angeboten, was sie aber ablehnte. Am 16. Juni 1928 unterzeichnete der Gemeindevorstand zwar einen Vertrag mit dem Kirchenvorstand der Christuskirche Rostock über den Bau einer Kapelle und die Leistungen der beiden Gemeinden Brunshaupten und Arendsee. Im Paragraph 3 wurde festgelegt: „Als Bauplatz stellt die Gemeindeverwaltung das Keilgrundstück, das von der Neuen Reihe und dem Forstgelände ‚Dachskopf‘ begrenzt wird, nebst der angrenzenden Parzelle unentgeltlich zur Verfügung. Sollte es jedoch dem Kirchenvorstande gelingen, ein geeigneteres Grundstück käuflich zu erwerben, so soll er das Recht haben, das vorbezeichnete Terrain als Hausplätze zu veräußern und den Erlös zu dem Kaufpreis des neuen Grundstücks zu verwenden. Aus diesen Verkäufen dürfen der Gemeinde aber keine baren Auslagen erwachsen.“188 So wurden die katholischen Gottesdienste in altgewohnter Weise in der Badesaison (Juli, August) in Hotels durchgeführt. Über den Bau einer Kirche ließen sich bis 1938 keine Hinweise finden. In einem Schreiben vom 20. Juli 1931 teilt die Badeverwaltung von Brunshaupten dem Verband deutscher Ostseebäder e.V. mit, dass die Gottes187 ebenda 188 ebenda

▲ Kostenvoranschlag für die Durchführung der katholischen Gottesdienste. Akte 2.S.3.a.242. Archiv des Lk. Rostock. Siehe auch Seite 218 & 219.

189 abgerissen, heute Hotel Upstalsboom


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Der Bürgermeister der Gemeinde Brunshaupten wurde im Juli 1935 vom Mecklenburgischen Landrat aufgefordert, die Zusammenkünfte der katholischen Badegäste im Kurhaus unauffällig zu überwachen und anschließend zu berichten, welchen Verlauf sie genommen haben.190“ Nachweislich fanden sonntägliche Gottesdienste 1937 während der Kurzeit nunmehr im Kino statt und an Werktagen in einem abgeteilten Saal des Zentralhotels. Aus einem Schreiben des Kreisleiters der NSDAP vom 21. November 1938 wird ersichtlich, dass angeblich zu einem nicht genannten Zeitpunkt ein Vertrag über die Übereignung eines Bauplatzes für die Errichtung einer katholischen Kirche zwischen der Gemeinde Brunshaupten und dem Kirchenvorstand der Christuskirche Rostock geschlossen worden sei. Da er jedoch noch nicht notariell beglaubigt war, fühlte sich der Kühlungsborner Bürgermeister Rychlik nicht an den Vertrag gebunden. Er schreibt an den Kreisleiter der NSDAP Sievert am 30. November 1938: „Im Übrigen ist der Bauplatz nicht grundbuchamtlich eingetragen, so das uns die Kirche gar nichts kann.“191 Nach einer handschriftlichen Aufstellung aus dem Jahre 1937 zählten 65 Bürger aus Brunshaupten und 71 Bürger aus Arendsee zur katholischen Kirche. Diese Christen besaßen nach wie vor kein Kirchengebäude oder eine entsprechende Begegnungsstätte. Die Zahl der katholischen Christen in Kühlungsborn erhöhte sich im Vorfeld des Zweiten Weltkrieges mit der Unterbringung von Deutschen aus den Baltischen Republiken sprunghaft. Ihre Zahl stieg während des Krieges noch einmal an, weil Bombengeschädigte aus den deutschen Großstädten auch nach Kühlungsborn evakuiert und 190 Akte 2.S.3.a.242. Archiv des Lk. Rostock 191 ebenda

▲ Schreiben des Bürgermeisters an den Kreisleiter der NSDAP. Akte 2.S.3.a.242. Archiv des Lk. Rostock. Siehe auch Seite 220 & 221.

hier untergebracht wurden. Nach der Zwangsaussiedlung der deutschen Bürger entsprechend dem Potsdamer Abkommen aus der Tschechisch-Slowakischen Republik, aus Ungarn, Rumänien und


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den ehemaligen deutschen Ostgebieten erhöhte sich ihre Zahl noch einmal deutlich, doch genaue Angaben liegen leider nicht vor. Im Schematismus des Bistums Osnabrück wurden 2.200 Katholiken für das Jahr 1951 angegeben. Die Aufzeichnungen und Schriftstücke der katholischen Christen in Kühlungsborn aus dieser bewegten Zeit sind nicht sehr umfangreich. In der Chronik der Kirchgemeinde heißt es, dass Gläubige zur Heiligen Messe nach Rostock fuhren, dass einmal monatlich in Kühlungsborn Gottesdienst abgehalten wurde, und zwar zunächst abwechselnd in den Wohnungen der katholischen Familien. Die seelsorgliche Betreuung und auch ein vierzehntägiger Religionsunterricht erfolgten durch Seelsorger der Christuskirche in Rostock; letzteren erteilte die Ordensschwester Maria Rothscheroth. Berichtet wird in der Chronik, dass die letzte Erstkommunion in Kühlungsborn vor Kriegsende am 12. Februar 1945 für 25 Kinder von deutschen Eltern aus Rumänien, Litauen und Jugoslawien stattfand. Von Ostern 1946 bis 1951 erfolgten endlich regelmäßige Gottesdienste im angemieteten Tanzsaal des Hotels „Deutsches Haus“ in der Neuen Reihe. Die Bühne des Saals wurde zum Altarraum umfunktioniert. Das Pfarramt hatte seinen Sitz in der „Villa Rusch“ in der Strandstraße 4, wo auch Maria Dugnowski, die Küsterin, Pfarrhelferin und Haushälterin wohnte. Sonntags fanden zwei Messen statt, abends noch einmal eine Segensandacht. Auch an Werktagen traf man sich zum Gottesdienst. Religionsunterricht für Kinder wurde in Kühlungsborn sowie in den Gemeinden Bastorf und Heiligendamm erteilt. Am 1. August 1947 wurde in Kühlungsborn eine Seelsorgestelle der Missionspfarrei Rostock eingerichtet. Erster ortsansässiger Geistlicher wurde Pater Joseph Riepe. Er gehörte dem Orden der

▲ Heilige Messe im Saal des ehemaligen Deutschen Hauses. Foto: Klaus Dittmann

Steyler Missionare an. Die Gottesdienste fanden nach wie vor im Saal des „Deutschen Hauses“ in der Neuen Reihe statt. Diesen Raum nutzten die Gläubigen der Katholischen Kirche und der Neuapostolischen Kirche für ihre Gottesdienste und Zusammenkünfte gemeinsam. Nachdem im Jahr 1951 das „Waldhotel“ in der Neuen Reihe 17 von der Kirchgemeinde käuflich erworben worden war, erfolgte nach dem Umbau des Saals die Einweihung dieser neuen Kirche – St. Trinitatis (Hl. Dreifaltigkeit) durch den Bischöflichen Kommissar Prälat Dr. Bernhard Schräder am 23. Dezember 1951.

▲ Einzug in die neue Kirche 23.2.1951. Foto: Klaus Dittmann


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Pater Riepe organisierte zu seiner Dienstzeit ein vielfältiges Leben der Kirchgemeinde. Noch 1948 gestattete er seiner Gemeinde jedoch immer noch nicht den Besuch religiöser Veranstaltungen Andersgläubiger. In all den Jahren des Bestehens der Kirchgemeinde fanden sich oft unter den Gästen auch Musiker, die gern bereit waren, die kleine Orgel in den Gottesdiensten zu spielen. Die Teilnehmer an der Erstkommunion im Zeitraum von 1948 bis 1958 sind ein Kennzeichen für die Größe der Gemeinde: 1948 1949 1950 1951 1952 1953 1955 1956 1958

52 Kinder 55 Kinder 72 Kinder 57 Kinder 60 Kinder 24 Kinder 21 Kinder 21 Kinder 17 Kinder

1972 wurde Kühlungsborn zur selbstständigen Kirchgemeinde ernannt und ein eigener Kirchenvorstand gewählt. Die Zählung der Kirchgänger ergab am 11. März 1979 220 Personen, am 16. September 1979 262 Personen, am 9. März 1980 178 Personen, am 21. September 1980 259 Personen am 18. April 1984 158 Personen. Pfarrer Ulrich Karsten (von 1985 bis 1993 in Kühlungsborn) führte die Traditionen der Gemeinde mit großer Einfühlsamkeit fort. Dazu gehörten solche Veranstaltungen wie Kinderwoche, Nikolausfeier, Seniorenkaffee, Fronleichnamsprozession, Gemeindefest, Martinsumzug, Gräbersegnung zu Allerseelen, Fasching für Kinder und Gemeinde. Ihm verdankt die Kirchgemeinde die Fortführung vieler ökumenischer Aktivitäten mit der Evangelisch-Lutherischen und der Evangelisch-Methodistischen Kirchgemeinde wie gemeinsame Gottesdienste sowohl in der katholischen als auch evangelischen Kirche, Begegnungsabende, Bibelwochen, Vorträge, Weltgebetsoktaven192. Am jährlichen Buß- und Bettag können Christen seit dem 14. November 1993 einen ökumenischen Gottesdienst abwechselnd in der katholischen und evangelisch-lutherischen Kirche feiern.

▲ Erste Heilige Kommunion 1950er- Jahre. Kirchenchronik

Pfarrer Heinrich Bengsch, der die Gemeinde von 1969 bis 1979 führte, arbeitete mit dem evangelisch-lutherischen Pastor Hachtmann eng zusammen. Beide luden in den 1970er-Jahren zu gemeinsamen Veranstaltungen ein. „Sie brachten die Ökumene auf den Weg“, heißt es in der Kirchenchronik. Am 26. Oktober 1969 wählten die Katholiken zum ersten Mal ihren Pfarrgemeinderat. Am 1. März

Am 15. September 1986 fand in der katholischen Kapelle in Heiligendamm der letzte regelmäßige Gottesdienst statt. Ein Kirchenneubau machte sich Ende der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts erforderlich, weil die Gemeinde inzwischen etwa 500 Mitglieder zählte, sich die alte Begegnungsstätte mit der Teilnahme von Touristen katholischen Glaubens an den Gottesdiensten als zu klein erwies und sie dringend sanierungsbedürftig war. Pfarrer Ulrich Karsten gilt als Initiator des Kirchenbaus in Küh192 Katholische Feiern


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lungsborn. Die katholische Kirche erwarb von der Stadt ein 1.600 Quadratmeter großes Grundstück in Strandnähe für den Kirchenneubau mit Gemeinde- und Jugendraum, Pfarrbüro, Wohnung für die Gemeindereferentin sowie eine Gästewohnung für den Pfarrer. 1993 wurde Ulrich Karsten nach Rostock, St. Thomas-Morus berufen und Pfarrer Nikolaus Siemetzki trat an seine Stelle. Inzwischen nahm der Kirchenbau Gestalt an. Der erste Spatenstich erfolgte am 4. Juli 1999 und die Grundsteinlegung am 17. September des gleichen Jahres. Der letzte Gottesdienst in der alten Kirche hatte am 16. Juli 2000 stattgefunden, und zwei Tage später segnete Weihbischof Norbert Werbs zwei Glocken für das neue Gotteshaus. Nach kurzer Bauzeit wurde die Kirche „Heilige Dreifaltigkeit“ am 23. Juli 2000 von Weihbischof Norbert Werbs geweiht.

Am ersten August 2006 wurde die Pfarrei Kühlungsborn aufgehoben und in die Pfarrei St. Marien/St. Bernhard in Bad Doberan eingepfarrt. Am 30. Oktober 2016 wurden fünf Pfarreien aus Rostock und dem Umland zur Pfarrei „Herz Jesu“ zusammengefasst. Hierzu gehören nun die Katholiken aus Kühlungsborn. Als Seelsorger Tätige in Kühlungsborn: Pater Willi Strommel SJ, Rostock Pfarrer Huber, Militärpfarrer Vikar Kruse, Rostock Pater Riethmeier SJ, Rostock

Leitende Geistliche Pater Joseph Riepe SVD (1947–1969) Pfarrer Heinrich Bengsch (1969–1979) Pater Josef Menzel SJ (1979–1984) Pfarrer Franz Langhans (1984–1985), Pfarradministrator und Pfarrer von Neubukow Pfarrer Ulrich Karsten (1985–1993), Pfarradministrator und Pfarrer von Bad Doberan Pfarrer Nikolaus Siemetzki (1993–2004), Pfarrer von Bad Doberan und Kühlungsborn Pfarrer Ulrich Karsten (2004–2006), Pfarradministrator und Pfarrer von Rostock, St. Thomas-Morus Ab 2006 keine eigene Pfarrei mehr,

▲ Katholische Kirche. Foto: Jürgen Jahncke

Alle zwei Jahre traf sich die ehemalige „Gemeindejugend“ der Nachkriegszeit zu einem „Klassentreffen“. Am 1. Dezember 2001 wurde die Kirchgemeinde zur Pfarrei erhoben. Im Jahr 2004 trat Pfarrer Siemetzki in den Ruhestand, und Pfarrer Karsten, St. Thomas-Morus, wurde zum Pfarradministrator ernannt.

verantwortliche Seelsorger sind: Pfarrer Andreas Kuntsche (2006–2009) Pfarrer von Bad Doberan Pfarrer Ulrich Karsten (2009–2017) Pfarradministrator und Pfarrer von Rostock, St.-Thomas-Morus, ab 2016 Pfarrer der Pfarrei „Herz Jesu“ Pfarrer Dietmar Wellenbrock (ab 2017) Pfarrer der Pfarrei „Herz Jesu“ Rostock


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Jürgen Jahncke; Rainer Karl: Die Katholische Kirche im Visier der Gestapo193 Der Bund Deutscher Verkehrsverbände und Bäder e. V. vertrat 1935 die Auffassung, dass die Verwaltungen der Bäder allen Kurgästen eine regelmäßige Seelsorge der beiden christlichen Konfessionen ermöglichen sollten. In den Kurorten, in denen ein Gotteshaus für eine der Konfessionen nicht zur Verfügung stand, bat er die Verwaltungen um Bereitstellung entsprechender Räumlichkeiten. Das traf auch für Gäste katholischen Glaubens im Ostseebad Brunshaupten zu. So fanden in den Sommermonaten Juli und August die Heiligen Messen im Kurhaus des Ortes statt. Laut einer Rechnung vom 10. Juli 1933 stellte dieses Hotel einen Kapellenraum für den täglichen Gottesdienst und den großen Saal für die sonntäglichen Messen über 9 Wochen hierfür zur Verfügung. Unter dem Aktenzeichen 15 betr. Pol. Angelegenheiten liegt ein Schreiben vom 16. Juli 1935 vor, in dem die Stadtverwaltung ersucht wird, die Zusammenkünfte der katholischen Badegäste bisweilen unauffällig zu überwachen und über ihren Verlauf zu berichten. Wörtlich heißt es: „Es empfiehlt sich, zuverlässige Nationalsozialisten, die katholisch sind, an diesen Veranstaltungen teilnehmen zu lassen.“

Am 16. Juli 1936 wurden die Bürgermeister des Kreises Rostock aufgefordert, zu ermitteln, ob in ihrem Zuständigkeitsbereich eine katholische Vereinigung mit der Bezeichnung „Die neuen Kreuzfahrer“ existiere und wenn sie vorhanden wäre, sei sie sofort aufzulösen und zu verbieten. Nach der Besetzung Polens durch die Wehrmacht zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden auch in Mecklenburg polnische Kriegsgefangene zur Arbeit eingesetzt. In verschiedenen Orten nahmen sie an katholischen Gottesdiensten der Gemeinden teil. Das wurde umgehend von der Gestapo verboten. Gottesdienste für polnische Kriegsgefangene waren nur für sie allein in polnischer Sprache, nur am Ort ihrer Unterbringung und durch Pfarrer, die von der deutschen Kommandantur hierfür auserwählt worden waren, gestattet. Diese Pfarrer hatten ihre Predigt vorher zur Bewilligung der zuständigen Kommandantur einzureichen. Das

Reichssicherheitshauptamt194

untersagte durch ein Schreiben vom 16. April 1943 katholischen Geistlichen sogar den Einsatz von deutschen Jugendlichen als Messdiener bei Gottesdiensten mit Zivilpolen. Am 3. Juni 1941 erteilte die Gestapo des Landes Mecklenburg allen Polizeidienststellen und den Landräten der Kreise mit, wie der Besuch der Teilnehmer an einer Glaubensfeier der katholischen Jugend am 8. Juni 1941 „abzuschwächen“ sei. Nach Vorgabe des Reichssicherheitshauptamtes wurde an diesem Tag für die Hitlerjugend und dem Bund Deutscher Mädchen umfangreicher Dienst angesetzt. Hitlerjugend und Deutsches

▲ Gestaposchreiben. Akte 2.S.3a.242. Archiv des Lk. Rostock. Siehe auch Seite 219. 193 Akte 2.S.3.a.242. Archiv des Lk. Rostock

194 Das Reichssicherheitshauptamt umfasste alle „sicherheitspolitischen und nachrichtendienstlichen Belange des nationalsozialistischen Gewaltapparats“.


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Jungvolk (10-14 Jahre) hatten an diesem Tag noch ausstehende Übungen für das Leistungsabzeichen (Schießen, Geländedienst, Marschübungen) zu absolvieren. Außerdem galt es weiterhin, die Veranstaltungen der katholischen Kirche zu überwachen und über etwaige Vorkommnisse zu berichten.

einer Kirche geschlossen, der aber nicht notariell beglaubigt worden war. Sowohl Gemeindeverwaltung als auch Kreisleitung der NSDAP waren an der Realisierung dieses Vorhabens keineswegs interessiert. Der Bürgermeister von Kühlungsborn, Rychlick, schrieb am 30. November 1938 in einem Brief an den Kreisleiter der NSDAP: „Da die katholischen Gäste in der 2. Hälfte des Juli und im August das Gros unserer Kurgäste stellen, werden wir wohl einstweilen nichts weiter unternehmen, da die katholische Kirche sonst fürchterlich gegen uns agitieren würde, und wir große Sorge haben, im nächsten Jahr sehr abzufallen.“195

Reichsstatthalter Hildebrandt erteilte am 15. Juli 1941 an alle Polizeidienststellen des Gaus Mecklenburg die Anweisung, eine Abmeldung von katholischen Jugendlichen vom Ernteeinsatz wegen ihrer Vorbereitung auf die Kommunion für einige Wochen zu unterbinden. In seinem Schreiben begründete er diese Anweisung wie folgt: „Es kann nicht angehen, daß dem Arbeitsmarkt in solchem erheblichen Umfange Arbeitskräfte entzogen werden. In der Landwirtschaft, besonders bei den Siedlern, bedeuten die 14- und 15-jährigen Mädchen und Jungen schon fast die ausschließliche Arbeitskraft in der Erntezeit. Ich bemerke, daß die Partei Anweisung erteilt hat, daß alle Tagungen und Besprechungen bis zum 1. Oktober dieses Jahres ausgesetzt werden, um alle Arbeitskräfte möglichst in der Erntezeit zu belassen. Die katholische Kirche kann aber nicht das, was für die Partei und alle Organisationen des Staates untersagt ist, ihrerseits durchführen.“ Nach 1936 hatten die Gemeinde Brunshaupten und der Kirchenvorstand der katholischen Christuskirche in Rostock einen Vertrag über die Übereignung eines Grundstücks zum Errichten

195 ebenda


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KIRCHENMUSIK – EIN FESTER BESTANDTEIL DES GEISTLICHEN UND KULTURELLEN LEBENS Jürgen Jahncke, Uwe Pilgrim

Kirchenmusik versteht sich immer als Musizieren aus dem biblischen Auftrag heraus, die Psalmen, das Evangelium, Texte des Glaubens und der Anbetung mit Tönen zu befüllen. Aus dem einstimmigen Singen des 7. Jahrhunderts entwickelte sich im späten Mittelalter das begleitete Singen, so auch in unserer Kirche. 1710 bekam die Kirche zu Brunshaupten ihre erste Orgel, erbaut von Johann Engelbrecht Gerhardt zu Rostock. Sie stand oben auf der Empore vorn in der Mitte direkt an der Brüstung, das geschnitzte Gehäuse muss ein wahres barockes Kunstwerk gewesen sein. Eine Darstellung der Orgel ist als Zeichnung erhalten geblieben. Am 19.Mai 1710 schrieb der damalige Pastor Johann Georg Hünefeld an den Herzog Friedrich Wilhelm:

„Gestern als Dom.Cantate ist das Orgelwerklein zum ersten Mal und mit herzlicher Freude in Gott, und jedermanns auch fremder Leute Vergnügen probieret und gespielt worden, und wird nun vollends nachgestimmt und auspolieret, daß am Himmelfahrtstage gel. Gott! es könne geliefert und mit einer eigenen Predigt und Gebet nach altem Hochfürstlichem Gebrauch eingeweihet werden.“ 1843/44 erhielt die Kirche eine neue, die zweite Orgel, erbaut von Orgelbauer Heinrich Rasche zu Rostock. Es ist anzunehmen, dass dieses Instrument wie viele aus dieser Zeit von mangelnder Qualität war und deswegen nach 120 Jahren ein Neubau nötig wurde. 1963 kam die neue, die dritte Orgel mit 724 Pfeifen in diese Kirche, erbaut von der „Orgelbauan-


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stalt Hermann Eule“ zu Bautzen, die einzige Orgelbaufirma in der DDR, die den Gründernamen im „Volkseigenen Betrieb“ auch nach der Wende behalten durfte. Die Orgel hat 11 Register (Klangfarben) auf 2 Manualen196 und 3 Koppeln197, mit denen man unterschiedliche Register kombinieren kann. Zunächst wurde die Orgel auf der südlichen Seitenempore erstellt. Leider gaben dort das kalte Mauerwerk und das undichte Fenster so viel Feuchtigkeit ab, dass das Holz in der Orgel zu schimmeln begann und die empfindlichen Windladen, auf denen die Pfeifen stehen, undicht wurden und es somit „aus allen Fugen Töne gab, ohne dass der Organist spielte“. Im Jahr 1981 wurde nach vielem Hin und Her entschieden, die Orgel auf die Mittelempore zu setzen. Damit stand sie allerdings fast in einer Nische hinter dem tief hängenden Gewölbebogen. So verlor der imposante Klang der hohen Register leider an Stärke und nur für den Organisten selbst kam die Orgel zu ihrer vollen Strahlkraft. Ein glücklicher Nebeneffekt, die Kosten einer jeden Reparatur zu minimieren war es, den Orgelbauern der Firma EULE das hintere Scheunengebäude der Pfarre als Urlaubsquartier zur Verfügung zu stellen. Im Zuge der Kirchenrestaurierung im Jahr 2011 wurde die „Königin der Instrumente“ von der Fa. Mecklenburger Orgelbau Plau komplett gereinigt, der Holzwurm bekämpft, überholt und wieder an ihren ursprünglichen Platz gestellt, von dem sie nun den ganze Kirchenraum mit Tönen erfüllt. Eine Orgel liturgisch und künstlerisch zu spielen und das Singen in der Gemeinde zu pflegen und anzuregen, dafür braucht es gut ausgebildete 196 Eine handbetätigte Klaviatur bei Musikinstrumenten 197 Koppeln sind Spielhilfen eines Orgel-Instruments. Sie stellen eine Verbindung zwischen Tasten, zwischen Manualen und zwischen Manualen und Pedalen her und ermöglichen so z. B. das Spielen auf allen Werken gleichzeitig

Musiker-/innen. Dazu kommt die Leidenschaft, Menschen in Chören zu begeistern und mit ihnen gemeinsam, für sich und die Zuhörer die Herzen für die geistliche Musik zu öffnen. All dies sind Voraussetzungen für den Kirchenmusikerberuf. Schon vor dem Ersten Weltkrieg war es der Lehrer und Kantor A. Heine und nach 1945 Frau Strehlau, die sich dem verpflichtet sahen. Eintragungen in den Chornoten zeugen von einer intensiven Chorarbeit. Mit der Neugründung des Posaunenchores 1948 durch den Arzt Dr. Hoffmann in der Dünenstr. 19 (Die Wohnung wurde als Probenraum genutzt.) entstand nun neben der Chorarbeit eine stabile musikalische Säule aus Bläsern, deren Aufgabe zunächst im so genannten „missionarischen Blasen“198 bestand. Bis heute finden wir Hörzeugen, die entweder selbst noch als Bläser aktiv sind oder von den vielfachen Bläsereinsätzen dieser Zeit berichten. Mit dem zunehmenden Touristenstrom der 1970er Jahre und den damit steigenden Besucherzahlen in Gottesdienst und Konzert wurde es der Kirchgemeinde durch das Bemühen des Pastors Folker Hachtmann ermöglicht, eine hauptberufliche Teilzeit-Kirchenmusikerstelle einzurichten, auf der seit dem Frühjahr 1978 der Kirchenmusiker Karl Scharnweber seinen Dienst versah. In zahlreichen musikalischen Veranstaltungen, Konzerten, Kinderchoraufführungen und „Ökumenischen Wochen“ traten singende und musizierende Erwachsene und Kinder auf. Höhepunkt dieser Arbeit war 1984 ein im ZDF ausgestrahlter Fernsehgottesdienst, an dem alle musikalischen Gruppen beteiligt waren. Mit Weggang von Kantor Scharnweber im Frühjahr 1984 und der Anstellung von Uwe Pilgrim erreichte die Kirchenmusik einen festen Bestandteil des kulturellen Lebens der Kirchgemeinde, der Stadt und ihrer Gäste. 198 Eine lange Tradition in der Evangelischen Kirche, zur Ehre Gottes und zur Freude der Mitmenschen zu musizieren.


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währt, weil das Wochenende meist durch städtische Veranstaltungen besetzt war. Kantor Uwe Pilgrim und seinem Vorgänger Karl Scharnweber ist diese Tatsache zu verdanken, die die Konzerte stets langfristig planten und abwechslungsreich gestalteten. Als hervorragende Kenner ihres Faches pflegten sie gute Kontakte zu Instrumentalsolisten wie z. B. zu dem bekannten Leipziger Organisten Andreas Kronfeld, zu Solaris, der Band der Offenbarungsgemeinde Berlin, zu dem Hallenser Gesangsquartett CANTIONES oder zu Choraphon Dresden.

Anspruchsvolle Konzerte waren besonders in den Sommermonaten ein unverzichtbarer Anziehungspunkt. Zwischen 10 und 12 Veranstaltungen fanden jährlich von Mai bis September statt, dazu zwei bis drei Adventskonzerte mit Chor und Bläsern. Namhafte Künstler, Chöre, Bands und Instrumentalgruppen sowie Studenten von Musikhochschulen zeigten in der St.-Johannis-Kirche zur großen Freude der Zuhörer ihr Können. Die Beliebtheit dieser Konzerte fand ihren Ausdruck in einer hohen Besucherzahl, die im Durchschnitt bei etwa 120 Personen pro Veranstaltung liegt. Der Donnerstag hatte sich als Konzerttag be-

Allerdings war es nicht immer möglich, dem Wunsch von Künstlern nachzukommen, in den Sommermonaten in der Kühlungsborner Kirche musizieren zu können. Das Ostseebad galt auch für Kirchenmusiker stets als ein attraktiver Ferienort. Die Kirche bot ihnen die Gelegenheit zu


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die Vorsaison oder Nachsaison, also Mitte Juni und Mitte September besser realisierbar. Bitte fragen Sie auch in Orten weiter im Landesinnern z. B. Pfarre Alt Bukow, Pfarre Grabow bei Ludwigslust …Von diesen weiß ich, dass sie an Bläsermusik sehr interessiert sind.“

konzertieren und zumeist auch eine bescheidene Unterkunft, denn sie verfügte über einige Gästezimmer im Gemeindehaus Kühlungsborn-West und im Pfarrhaus. Kantor Uwe Pilgrim schrieb am 28. Januar 1998 über diese immer wiederkehrende Situation: „Sehr schwer durchführbar ist auch die Unterbringung von 15 Personen….geht es nur mit ‚Notlösungen‘, aber auch nicht für 15 Leute. Der Andrang auf die Ostsee im Sommer ist übergroß! Sie werden verstehen, dass ich Ihnen nicht zusagen kann. Wenn Sie für ein späteres Jahr Interesse haben, wäre wegen der Unterbringung

Die Gage der Musiker ist bis heute bescheiden. Sie bestand vielfach aus der Kollekte, einem kleinen Imbiss und der Beherbergung oder aus einer Aufwandsentschädigung. Chöre und Gesangsgruppen schliefen oft auf ihren mitgebrachten Luftmatratzen und in eigenen Schlafsäcken. Zur Deckung der Unkosten wurde stets am Ausgang eine Kollekte erbeten, die der Arbeit der Kirchenmusik in der Gemeinde dient und den freien Eintritt auch weiterhin ermöglich sollte. So begnügte sich das Hallenser Gesangsquartett CANTIONES z. B. mit einem Honorar aus den Einnahmen der Kollekte, einem Abendbrot und der Unterkunft in Kühlungsborn oder in den umliegenden Dörfern. Das Quartett begab sich von hier aus auf eine „Ostseetournee“, wie aus ihrem Programm des Jahres 1986 ersichtlich wird: 31.07. Kühlungsborn, 01.08. Kirch Mulsow, 02.08. Lambrechtshagen, 03.08. Satow, 03.08. Parkentin, 04.08. Graal-Müritz, 05.08. Steffenshagen, 06.08. Kröpelin, 07.08. Rethwisch. Andere Kirchenmusiker handelten ebenso. Kantoren aus den Bezirken der DDR boten sich in der Sommerzeit als Kurkantor in Kühlungsborn an.


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Anlässlich des 50-jährigen Stadtjubiläums fand 1988 ein Konzert mit dem schon damals international bekannten Rostocker Motettenchor unter Leitung von Kirchenmusikdirektor Hartwig Eschenburg statt. Zum ersten Mal saßen als Zuhörer auch Vertreter des Rates der Stadt in den Kirchenbänken, die der Einladung der Kirchgemeinde gefolgt waren. In einem Brief von Kantor Pilgrim an Johannes Hamann, Mitglied des Ensembles „flauti e corde“ beschrieb er die Situation der Kirchenmusikkasse so: „Die finanzielle Situation ist ausgesprochen prekär, nachdem die Stadt 1991 sämtliche Unterstützung gestrichen hat und der Kreis nur dann Fördermittel gibt, wenn auch die Stadt hilft. Im letzten Jahr haben wir mit allen zweiköpfigen Ensembles, die auch noch anderswo in Mecklenburg spielten, es so vereinbart: Garantiesumme 250 DM. Wenn die Kollekte höher ist, dann die gesamte Kollekte, Verpflegungs- und Übernachtungskosten gehen zu unseren Lasten. Mit dieser Vereinbarung sind die meisten Musiker zufrieden, weil die Kollekten in der Regel höher lagen. Eintritt nehmen wir trotz heftiger Diskussion in vielen kirchennahen und -fernen Gremien nach wie vor nicht, das betrifft auch die meisten Kirchen in der Umgebung.“ Unabhängig vom Einkommen einer Familie sollte somit jeder interessierte Musikfreund die Möglichkeit haben, ein anspruchsvolles Konzert zu besuchen. Die Kollekten und die Honorarausgaben waren in den letzten Jahren leicht gestiegen. Beispiele aus den Jahresberichten Kirchenmusik vergangener Jahre veranschaulichen die Situation: Kollekten 2003 2004 2010 2011 2013 2014

4.233 € 4.326 € 5.192 € 5.411 € 6.738 € 5.700 €

Honorare 3.538 € Honorare 3.876 € Honorare 4.331 € Honorare 6.773 € Honorare 6.324 € Honorare 5.931 €

Kantor Pilgrim war ab Juni 1989 vom Oberkirchenrat verpflichtet worden, von jedem Konzert drei Programme an das Kirchenmusikwerk zu senden. Das ist bis heute erforderlich, um die Aufführungsrechte von Musik zu prüfen und zu wahren. Hierfür zahlt die Evangelische Kirche in Deutschland an die AWA199 (heute GEMA) jährlich einen Pauschalbetrag in Millionenhöhe. Als Kantor Pilgrim das Barocktrio des Hamburger Bachorchesters zu einem Konzert am 16. Juli 1989 einlud, erhielt er für die Musiker eine Auftrittsgenehmigung des Rates des Kreises, nachdem er bereits im März des gleichen Jahres die Unterlagen einzureichen hatte. Aus dem Jahr 1990 liegen in der Chronik der Kirchenmusik erste Anfragen von Musikern aus den alten Bundesländern vor, in der St.-Johannis-Kirche musizieren zu wollen. Immer wieder wurde die Finanzierung der Kirchenmusikerstelle durch die finanzschwache Landeskirche in Frage gestellt, da mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten 1990 und der Einführung der Kirchensteuer so manches Gemeindemitglied „sein Verhältnis zur Kirche neu ordnet“. Vorsichtshalber schlug die Landeskirche einigen betroffenen Kirchenmusikern „alternative Berufe“ wie Religions- oder Musiklehrer vor.

▲ Kantor Uwe Pilgim. Foto: Jürgen Jahncke 199 Anstalt zur Wahrung der Aufführungs- und Vervielfältigungsrechte auf dem Gebiet der Musik


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Es ist der Beharrlichkeit und der Liebe zur Kirchenmusik des damals amtierenden Pastors Matthias Burkhardt und seinem Kirchgemeinderat zu verdanken, dass dieser Kelch an der Kühlungsborner Kirchgemeinde vorbei gegangen ist und eine Kirchenmusikerstelle erhalten blieb. Die Kurverwaltung des Ostseebades wandte sich im März 1992 an Pastor Burkhardt mit der Bitte, ihr die kirchlichen Veranstaltungen wie Gottesdienste und Konzerte mitzuteilen, um sie in den Veranstaltungsplan des Ortes aufzunehmen. Das ist heute selbstverständlich. Mit der Öffnung der Grenzen in Europa entstand seitens der Chöre eine rege Reisetätigkeit. Zum ersten Mal war die Kantorei aus der Partnergemeinde Tiel (Niederlande) zu Gast in der St.-Johannis-Kirche, und der ebenfalls aus Tiel stammende Organist Ben Middeldorp gibt in Kühlungsborn regelmäßig Konzerte. Ein Chor aus dem schwedischen Värmland begeisterte die Zuhörer mit seiner „Tanzmesse“ im Gottesdienst. Im Gegenzug fuhr der von Kantor Pilgrim gegründete Ökumenische Singkreis, der unterdessen 40 engagierte Sängerinnen und Sänger zählte, nach Schweden und in das niederländische Tiel und gab dort mehrere Chorkonzerte, gemeinsam mit Studierenden der Hochschule für Musik und Theater in Rostock. Der Organist Frantisek Vanicek (Tschechien), der Gitarrist Peter Griggs aus New York, das Angelicus Ensemble (Bulgarien) und Sinfonietta Bulgaria (Bulgarien) musizierten in der St.-Johannis-Kirche. Zu Beginn einer jeden Konzertsaison um den Johannistag (24.6.) sang der Ökumenische Singkreis ein Konzert in der Kirche. Das anschließende „Johannisfeuer mit Umtrunk auf dem Pfarrhof“ – vom Küster Udo Niemann vorbereitet – führte Kühlungsborner Zuhörer, Musizierende, Urlauber und Touristen zusammen und ist ein jährlicher Höhepunkt im Leben der Gemeinde.


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Im Zuge ökumenischer Annäherung wurden ab 2012 die Sommerkonzerte in der Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde und der katholischen Kirchgemeinde gemeinsam geplant. So entstand ein vielfältiges Konzertangebot für Gäste und Einheimische in ganz unterschiedlich klingenden Kirchenräumen. Im Februar 2016 beendete Kantor Pilgrim seinen Dienst. Sein Nachfolger ab Herbst 2016 war David Suchanek, der wie seine beiden Vorgänger Absolvent der Hochschule für Kirchenmusik in Halle (Saale) ist. Er gab erste Anregungen für die Erneuerung oder Anschaffung einer neuen Orgel. Kühlungsborn war seine erste Stelle, die er jedoch zum Herbst 2017 in Richtung Hamburg bereits wieder verließ. Erneut half nun hier im Ruhestand lebende Kantor Wolfgang Neumann (ehemals Heidelberg) aus und versah dankenswerterweise seinen Dienst im Orgelspiel, in der Organisation der Abendmusiken und er übernahm die Leitung des Ökumenischen Singkreises bishin zur Aufführung zweier Bachkantaten und einigen Solokonzerten, um auf diese Weise die Vakanzzeit in der Kirchenmusik zu überbrücken. Seit Juli 2018 übt die Kantorin Sophie Feine das Amt der Kirchenmusikerin aus. Sie hat in Greifswald studiert und führt nun mit großem Einsatz die Chorarbeit, die Blockflötengruppe, eine Kurrende und den Bläserchor weiter. Außerdem erteilt sie Instrumentalunterricht für Flöte, Flügelhorn und Orgel.

▲ Kantorin Sophie Feine.


Internationale Partnerschaften | 169

INTERNATIONALE PARTNERSCHAFTEN Partnerschaften der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Kühlungsborn Tiel (Niederlande) Seit 1989 besteht zwischen den Kirchgemeinden eine enge Partnerschaft. Sie reicht von gemeinsam durchgeführten Sommerfreizeiten, Besuchswochenenden und Treffen von Jugendlichen bis zu persönlichen Freundschaften. ▲ 30 Jahre Kirchenpartnerschaft. Foto: Elfriede Pilgrim

Makanya (Tansania) Seit 2012 unterstützen die Rotary-Clubs Kühlungsborn-Bad Doberan und Neustadt-Ostsee, der Kirchenkreis Mecklenburg, das örtliche Schulzentrum und die Kirchengemeinde die Bewohner von Ruvu Tifu Tifu in der Massai-Steppe finanziell beim Aufbau eines Trinkwasserprojekts. Der Partnerschaftskreis der hiesigen Kirchengemeinde half der Kirchengemeinde Makanya beim Einrichten eines schulischen Computerkabinetts, beim Bau einer Wasserzisterne und von Toiletten für den Kindergarten. Er unterstützt mit einem Geldbetrag die monatlichen Gehaltzahlungen für zwei Kindergärtnerinnen.

▲ Bohrung nach Trinkwasser. Kirchenchronik Kühlungsborn


170 | 800 Jahre Kirche

Elfride Pilgrim: Partnerschaft zwischen den Kirchengemeinden Tiel und Kühlungsborn wird 30 Jahre „Seit dem 9. November 1989 gibt es Kontakte zwischen den evangelischen Gemeinden in Tiel und unserer Kirchengemeinde. Viele gute Erlebnisse liegen hinter uns. In den letzten 10 Jahren wurden die Begegnungen leider immer weniger, schließlich nur noch auf privater Basis.

Es waren tolle Stunden in Tiel, die Gastfreundschaft übertraf alle Erwartungen. Jetzt ist es an uns, dass wir mit den Impulsen, die wir aus der Begegnung mitbekamen, etwas für unsere Gemeinde machen.

Auf Einladung der Tieler machten wir uns auf den Weg, um wieder ins Gespräch miteinander zu kommen. Jur hatte den Gesprächsfaden mit Fotos aus der Vergangenheit begonnen. Ereignisse, die wir schon fast vergessen hatten, kamen in Erinnerung.

Partnerschaften der Stadt Ostseebad Kühlungsborn Die Stadt Ostseebad Kühlungsborn unterhält Partnerschaften mit dem Nordsee-Heilbad Büsum (6. Februar 1991), dem Ostseebad Grömitz (31. März 1990) und dem russischen Ostseebad Selenogradsk (ehemals Cranz in Ostpreußen) (12. Juli 2005)

Wichtig war eine Präsentation der Tieler, die ihre letzten 10 Jahre reflektierten: vier Gemeinden wurden zusammengelegt, die Pastorenstellen von fünf auf zwei reduziert, von den Gebäuden ein Gemeindezentrum zum Verkauf freigegeben, das Inloophuis, eine soziale Begegnungseinrichtung, musste umziehen. Die größte Kirche wird nur noch 10x im Jahr zum Gottesdienst genutzt, um Kosten zu sparen. Noch nicht alle Pläne ließen sich umsetzen, nicht immer lief alles voller christlicher Nächstenliebe. Dennoch ist es für uns beeindruckend, wieviel Kreativität für Neues in der Gemeinde zu finden ist. Wir reflektierten auch unsere Gemeindesituation und tauschten uns darüber aus, dass immer weniger Ehrenamtliche bereit sind, über einen längeren Zeitraum Verantwortung zu übernehmen. Auch das Thema der zurückgehenden Jugendarbeit wurde diskutiert, aber wir lernten auch neue Ansätze kennen. Schließlich gab es einige Verabredungen zwischen uns: Die Tieler laden den Kühlungsborner Gospelchor ein. Zur 800-Jahrfeier unserer Kirche kommen Gäste aus Tiel und bieten ihre Unterstützung an. Zu unserer Krippenausstellung bekamen wir eine selbstgemachte Krippe als Leihgabe mit.

Hans-Joachim und Karin Dittmann, Udo Niemann, Elfriede Pilgrim im Namen des Tieler Partnerschafts-Kreises.“

◀ Wappen Büsüm

Wappen Grömitz ▶

◀ Wappen Selenogradsk


Die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Kühlungsborn heute | 171

DIE EVANGELISCH-LUTHERISCHE KIRCHENGEMEINDE KÜHLUNGSBORN HEUTE Matthias Borchert

Hinweis zur Kirche Unmittelbar nach Antritt seines Amtes in Kühlungsborn gelang es Pastor Borchert nach Verhandlungen mit den Verantwortlichen des Landkreises und der Stadt Kühlungsborn, an den Straßen Hinweisschilder zur Evangelischen Kirche anzubringen. Dadurch wurden auch Gäste der Stadt auf die Kirche aufmerksam gemacht und konnten sie nun leichter finden. Erster großer Seebrückengottesdienst mit Taufen Der erste große Seebrückengottesdienst wurde auf dem Seebrückenvorplatz am Sonntag, 6. Juli 2008 gefeiert. Der Kirchengemeinderat rechnete mit 300 Besuchern. Der Bauhof der Stadt stellte eine fahrbare Bühne auf den Platz. 40 Bänke sollten für ältere Gemeindeglieder bereit stehen. Insgesamt 8 Tische der Biertischgarnituren dien-

ten dem Büchertisch, dem Kuchenbasar (viele Gemeindeglieder spendeten einen Kuchen) und den einzelnen Gemeindekreisen, die den Einheimischen und Urlaubern von ihrer Arbeit erzählten und gleichzeitig zu Kaffee und Kuchen einluden. Bürgermeister Rainer Karl, der ein Grußwort sprach, und der Veranstalter waren überrascht, als sich der Brückenvorplatz immer mehr füllte. Am Ende zählte man über 1200 Besucher. Das war ein toller erster Erfolg. Inzwischen finden in jedem Jahr am ersten Sonntag im Juli entlang der mecklenburgisch-vorpommerschen Ostseeküste Seebrückengottesdienste statt. Die Besucherzahlen schwanken in Kühlungsborn zwischen 700–900 Personen. Große Unterstützung erhält die Kirchengemeinde bei dieser Veranstaltung durch den Bauhof der Stadt, der sowohl weiterhin eine Bühne aufbaut


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als auch eine große Anzahl von Bänken für diesen Gottesdienst bereitstellt, und der TFK (Tourismus, Freizeit & Kultur GmbH Kühlungsborn), die seit 2018 auch die Herstellung der Banner übernimmt, die an den Einfahrtsstraßen nach Kühlungsborn auf das Ereignis hinweisen. Immer wieder melden sich aus Kühlungsborn und aus ganz Deutschland Familien an, die ihr Kind an diesem Tag mit Seewasser taufen lassen wollen. Das Wasser wird von den Kindern während des Gottesdienstes aus der Ostsee geschöpft und danach in die Taufschale gegossen. Später werden die Kinder zu ihrem eigenen Kindergottesdienst an den Strand eingeladen.

▲ oben: Teilnahme am Seebrückengottesdienst im Jahr 2008. unten: Taufe beim Seebrückengottesdienst. Kirchenchronik Kühlungsborn

Verkauf des Gemeindehauses der Evangelischen Kirche in Kühlungsborn-West und die Restaurierung der Evangelischen Kirche Viele Jahrzehnte lang befanden sich im Evangelischen Gemeindehaus in Kühlungsborn-West in der Neuen Reihe Nr. 128 kleine Gruppenräume für die Zusammenkunft von Gemeindekreisen und der Jungen Gemeinde. Ein großer Saal diente

als Gottesdienstraum. Diese Räume waren notwendig, damit man den Christen in Kühlungsborn-West vor Ort kirchliche Angebote machen konnte. Nach und nach wurden aber die sonntäglichen Gottesdienste in diesem Haus weniger besucht (Es fanden eine Zeit lang zwei Gottesdienste in Kühlungsborn statt.). Da sich auch die Zahl der Besucher verringerte, musste man sich Gedanken machen, wie das Gebäude, auch in der Bausubstanz, erhalten werden konnte. Die Mieteinnahmen deckten keinesfalls die Unterhaltungskosten. War es Zufall oder ein Wunder? Der Pastor saß mit führenden Vertretern des Oberkirchenrats in seiner Amtsstube zusammen. Die Problematik fand Gehör. Das Ergebnis des Gespräches war, dass die Landeskirche Haus und Grundstück erwarben. 100% des Kaufpreises, den die Landeskirche dafür bezahlte, durfte für die Restaurierung der St.-Johannis – Kirche genutzt werden. Denn eine Voraussetzung für die Abgabe des Gemeindehauses war, dass die altehrwürdige, etwa 800 Jahre alte Kirche ganzjährig nutzbar sein sollte. Ein Architekt ließ daraufhin dieses Gemeindehaus entkernen und sehr schöne große und kleinere Mietwohnungen errichten. Bis heute hat die Kirchengemeinde dort einen kleinen Versammlungsraum mit Küche und Bad angemietet. In einem kleinen Heftchen „Sonderausgabe (März 2012) zur Wiederingebrauchnahme der St.-Johannis-Kirche finden wir namentlich die zahlreichen Firmen aufgeführt, die an ihrer Restaurierung beteiligt waren. Am 4. Februar 2012 wurde nach achtmonatiger Arbeitszeit die Kirche durch den Landesbischof Dr. Andreas von Maltzahn wieder in Betrieb genommen. Gleichzeitig fand die Weihe des neuen Altars statt. Ziel war es, einen Altartisch und ein Lesepult aus modernen Materialien so zu gestalten, dass beide mit den wunderbaren Barockfiguren der Apsis eine Einheit bilden. Den Zuschlag erhielt der Neubrandenburger Künstler Gerd Frick. Die Vorentscheidung fällte ein Altarausschuss,


Die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Kühlungsborn heute | 173

der sich aus Mitgliedern des Kirchengemeinderates, des Bauausschusses und aus fachkundigen Gemeindegliedern zusammensetzte.

▲ Gerd Frick bei der Arbeit am Altartisch. Kirchenchronik Kühlungsborn

Der Bauausschuss sowie der Kirchgemeinderat nahm sich für manche wichtige Entscheidung viel Zeit. So auch bei der Suche nach einem für den Kirchenraum geeigneten Heizsystem. Letztendlich entschloss man sich für eine Sockelheizung, die den Vorteil hat, dass kein Schwitzwasser an der Verglasung des Kirchenraumes entstehen kann. Weiterhin wurde festgelegt, dass der Innenraum auch im Winter 10 Grad Celsius betragen sollte und auf höchstens 16 Grad Celsius erwärmt werden darf, um die Innenausstattung nicht zu großen Temperaturschwankungen auszusetzen. Während der gesamten achtmonatigen Bauzeit konnte die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde in der Katholischen Kirche von Kühlungsborn (Ostseeallee 1b) ihre Gottesdienste feiern. Viele Besucher sind angetan von dem hellen und freundlichen Kirchenraum.

Erster Ökumenischer Erntedankgottesdienst Am 25. September 2011 fand der erste ökumenische Erntedankgottesdienst am Sonntagnachmittag in Kühlungsborn statt. Ab 2014 genehmigte der Erzbischof nach Anfrage von Prälat Joachim Robrahn, dass einWortgottesdienst am Sonntagvormittag anlässlich des Erntedankfestes von nun angefeiert werden durfte. Zu jedem Erntedankfest tagt einige Monate vorher ein Vorbereitungskomitee aus katholischen und evangelischen Schwestern und Brüdern. Die Erntedankkrone wird seit Jahren von den Mitgliedern des Taufelternkreises der evangelischen Gemeinde gebunden.

▲ Umzug anlässlich des Erntedankfestes. Kirchenchronik Kühlungsborn

Ein weiterer ökumenischer Gottesdienst wird am Buß- und Bettag abends gefeiert. Die Andacht bei der Adventsfeier der Stadt im Hotel „Morada“ wird ebenfalls abwechselnd ökumenisch gestaltet. Auch die Weltgebetstagsgottesdienste werden von einem ökumenischen Vorbereitungskreis verantwortet. ▲ Kirchenschiff. Foto: Bernd Lasdin


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Kooperationsvereinbarungen mit den Schulen in Kühlungsborn Kooperationsverträge mit dem Schulzentrum (2013) und der Fritz-Reuter-Grundschule erleichtern die Zusammenarbeit auf vielen Gebieten zwischen der Kirchengemeinde und dem Schulträger. Musikalische wie auch gemeindepädagogische Angebote der Kirchengemeinde durch die Kantorin, Gemeindepädagogin oder die Pastorin können unkompliziert umgesetzt werden. Es wird sich gegenseitig geholfen, gemeinsam gefeiert, und es werden ganz unterschiedliche Projekte durchgeführt. 2018 wurde die Vereinbarung mit dem Schulzentrum Kühlungsborn bis 2023 verlängert. Erweiterung der Pfarrstelle mit einer Projektstelle Mit seinen 2,5 Millionen Übernachtungen im Jahr gehört das Ostseebad Kühlungsborn zu den größten Badeorten an der deutschen Ostseeküste. Dies bewog den Pastor, über eine Urlauberseelsorgestelle vor Ort nachzudenken. Mit Hilfe des in der Nordkirche aufgelegten Tourismusfonds, des Kirchenkreises und der veränderten Personaldecke in der Kirchengemeinde konnte am 1. August 2016 die Urlauberseelsorge mit der Installation einer Urlauberseelsorgestelle (50%) ihre Arbeit aufnehmen. Unterstützung erhält sie u.a. durch die Kooperation mit „Kirche unterwegs“ und „Kirche am Urlaubsort“. Die Projektstelle wurde bis 2021 verlängert. Ab 1.August 2016 wurden 50% der Pastorenstelle für die Gemeindearbeit von Pastorin Maren Borchert besetzt. Sie ist u.a. für die Kinder- und Familienarbeit der Gemeinde verantwortlich. Verbindung zur Reriker Kirchengemeinde Während des Prozesses der Gründung der Nordkirche dachte man bei der Bildung der Regionen über neue Möglichkeiten in der Zusammenarbeit mit den Nachbargemeinden nach. Eine Op-

▲ Treff am Kirchenstrandkorb. Kirchenchronik Kühlungsborn

tion war, dass die Reriker Kirchengemeinde zur Region Bad Doberan dazukommt oder die Kirchengemeinde Kühlungsborn schließt sich der Region Wismar an. Letztendlich ist alles beim Alten geblieben. Seit fünf Jahren feiern die beiden Kirchengemeinden den Himmelfahrtstag am Kägsdorfer Strand oder am Bastorfer Leuchtturm zusammen.

▲ Feier am Himmelsfahrtstag am Strand. Kirchenchronik Kühlungsborn

Im Jahr 2014 wurde ein Lesestübchen im Pfarrhaus eingerichtet, in dem nach dem Gottesdienst in den Monaten von September bis Juni ein Kirchenkaffeeteam die Gottesdienstbesucher nach dem Gottesdienst zu einer Tasse Tee oder Kaffee einlädt. Urlauber und Einheimische können sich dort Bücher ausleihen. Einige Jahre lang wurde auch von einem Gemeindeglied ehrenamtlich ein Eine-Welt-Laden im Lesestübchen betrieben. „Nach dem Gottesdienst laden wir Sie ganz herzlich zu unserem Büchertisch in die Sakristei ein.“ Diesen Satz hörte man über 25 Jahre bei den


Die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Kühlungsborn heute | 175

Abkündigungen im Gottesdienst. Viele Gemeindeglieder aus der Ferne, die hier bei uns den Gottesdienst besuchten, wurden ein wenig neidisch, als sie den Büchertisch in der Sakristei sahen. Für uns war es schon zur Selbstverständlichkeit geworden. Petra Niemann betreute ihn mit großer Leidenschaft. Nach einem Gospelworkshop-Wochenende im April 2016 kam es zur Gründung eines Gospelchores in der Kirchengemeinde. Heute gehören dem Kühlungsborner Gospelchor 32 Sänger an.

▲ Gospelchor. Kirchenchronik Kühlungsborn

Gottesdienste und Andachten Die Nachfrage nach christlichen Angeboten steigt weiter. Der Träger kann konfessionell gebunden sein oder auch nicht. In folgenden Einrichtungen werden regelmäßig Andachten und Gottesdienste angeboten: Amalie-Sieveking-Haus (Neue Reihe), Betreutes Wohnen der Volkssolidarität (Poststraße), Pflegewohnpark Kühlungsborn (Wittholz-Ring). Ein weiteres noch im Bau befindliches Altersheim wird dazu kommen. Das Hotel „Morada“ freut sich über eine Christvesper (erstmalig 2018). Kantorin Sophie Feine leitet zwei Kinderchöre und Projekte an der Fritz-Reuter-Grundschule. Außerdem hat sie Chöre ins Leben gerufen, um vielen Menschen das Singen in Gruppen zu ermöglichen.

Gemeindepädagogen Diakon Thomas Kleiminger wurde 2010 aus seinem Dienst verabschiedet.

▲ Feier anlässlich der Verabschiedung von Diakon Kleiminger. Foto: Thomas Kleiminger

Er leitet heute die Fröhliche Runde. Frau Jennifer Lohse, Gemeindediakon, wurde im Jahr 2015 verabschiedet. Pastorin Maren Borchert führt seit 2015 mit 25% Anteil die gemeindepädagogische Arbeit weiter. Neben der Durchführung von Projekten in der Fritz-Reuter-Grundschule, jährlichen Musicalprojekten, Bastelangeboten für die ganze Familie, Familienfreizeiten und familienfreundlichen Gottesdiensten werden wöchentliche Kinder-Kirchen-Nachmittage in der Pfarrscheune angeboten. Ein sichtbares Ergebnis dieser Arbeit ist der Kinderkirchenführer. Er wurde von Kindern für Kinder und Erwachsene geschrieben. Es gibt eine gute Zusammenarbeit mit der KiTa Arche Noah. Die Vorschulgruppe ist einmal im Monat zu Gast in Pfarrscheune und Kirche. Außerdem führen die Kinder jedes Jahr ein Weihnachtsmusical auf und feiern den Martinstag mit der Gemeinde.

▲ Mitarbeiterbild Pastor Matthias Borchert, Kantorin Sophie Feine, Küster und Friedhofsmitarbeiter Udo Niemann, Pastorin Maren Borchert, Mitarbeiterin Marita Petschow. Kirchenchronik Kühlungsborn


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Die Junge Gemeinde und ihr Diakon Thomas Kleiminger Anlässlich seiner Pensionierung fanden zahlreiche Jugendliche für ihren Diakon Thomas Kleiminger anerkennende Worte, die seine langjährigen Betreuung und Freundschaft betreffen. Hier einige Ausschnitte aus den Wertschätzungen der dankbaren Jugendlichen: „Lieber Thomas, viele Jahre hast du mein Leben in der Christenlehre und der Jungen Gemeinde begleitet, in den wichtigsten Phasen meines Lebens. Immer hattest du ein offenes Ohr, einen guten Rat, oder ein witziges Wort parat. Abende und Zeiten mit dir waren immer gewinnbringend! Für diese Begleitung danke ich dir von Herzen. Ebenso von Herzen wünsche ich dir nun auch gewinnbringende Zeiten für dich selbst, in denen du zurückbekommen kannst, was du so lange für andere gegeben hast. Alles Liebe und DANKE! Rh.“

wichtigsten Begleiter auf dem Weg ins Leben, und dafür möchte ich dir danken. Doch auch für dich kommt jetzt endlich die Zeit, nur an dich zu denken, genieße die kommenden Jahre ohne Arbeit, ruh dich aus und lass die Seele baumeln. Kaum einer hat es mehr verdient als du. Danke! Ti.“ „Lieber Thomas, auf meinem persönlichen Weg zu Gott warst du einer der wichtigsten Menschen, und dafür möchte ich dir DANKE sagen. Du warst immer zu jedem sehr freundlich und hilfsbereit und hast uns allen gezeigt, was es heißt, Nächstenliebe zu leben. Danke für deinen Humor, Thomas, mit dir etwas zu erleben und zu feiern, hat allzeit viel Spaß gemacht! Das soll auch lange nicht vorbei sein – doch es ist Zeit, dass du dich mehr um dich als um andere kümmerst, den lieben Gott mal einen guten Mann sein lässt, ein Päuschen machst und unsere schöne Umgebung genießt. Du hast es einfach verdient! T.“

▲ Junge Gemeinde. Foto: Thomas Kleiminger ▲ Junge Gemeinde. Foto: Thomas Kleiminger

„Lieber Thomas, wir kennen uns seit vielen Jahren. Du hast mich auf meinem Weg zu Gott begleitet und geführt. Du hast mir gezeigt, dass der Glaube unerschütterlich sein kann. Du bist ein Vorbild, wenn es um Nächstenliebe, Verständnis und Fürsorge geht. Selbstlos hast du jedem geholfen, obwohl du selbst ein offenes Ohr gebraucht hättest. Durch dich habe ich gelernt, wie viel man daraus mitnehmen kann, wenn man für andere da ist. Du warst einer meiner

So schätzen Mitglieder der Jungen Gemeinde ihren langjährigen Diakon Thomas Kleiminger und seine Tätigkeit ein. Jeder Jugendliche war ihm willkommen, jeder fand bei ihm ein offenes Ohr. Niveauvolle Freizeitgestaltung, kreatives Ausprobieren, gemeinsame Erlebnisse standen im Mittelpunkt der regelmäßigen Treffs der Jungen Gemeinde. Kleiminger war in den vielen offenen Gesprächen über Gott, Religion, Glauben, Christ-


Die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Kühlungsborn heute | 177

sein und Lebensgestaltung ihr vertrauensvoller Berater, Begleiter, Impulsgeber und Seelsorger. Die Fröhliche Runde der Senioren Jeden zweiten Mittwoch im Monat trifft sich seit vielen Jahrzehnten die „Fröhliche Runde“ in der Pfarrscheune unter Leitung des pensionierten Diakons Thomas Kleiminger. Jeder Senior ist willkommen. Die Teilnehmerzahl schwankt zwischen 40 bis 60 Personen. Ein Fahrdienst wird stets eingerichtet. Gemeinsames Singen, Gebet und Andacht sowie die Kaffeetafel stehen im Mittelpunkt des kurzweiligen Nachmittags. Vorträge, Buchlesungen, Raterunden und Diskussionen über ein Thema gehören ebenfalls zum festen Programm. Zum gewünschten Themenkreis der Veranstaltungen zählen z. B. Gespräche über Glück, Trost, Vertrauen, Zweifel, Glaube, Dankbarkeit, Gebet, Wunder und Feste des Kirchenjahres.

▲ Diakon Kleiminger im Gespräch mit Jugendlichen. Foto: Thomas Kleiminger

▲ Fröhliche Runde. Foto: Thomas Kleiminger

▲ Diakon Thomas Kleiminger. Foto: Thomas Kleiminger

▲ Gemeindediakonin Jennifer Lohse. Kirchenchronik Kühlungsborn


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ZEITTAFEL 1260–1272 Heinrichs von Brunshauptens [Bruneshouede] Frau zu Wismar findet die mit ihm erzeugten Kinder ab.200 1. Juni 1260 Rudolf, Bischof von Schwerin, erwirbt von dem Kloster Neukloster einen Teil des Wariner Sees für den Zehnten aus Arendsee und bewilligt dem Kloster die Erwerbung des halben Zehnten aus Kl. Warin von den Schweriner Domherren.201 1272 Mechthild von Brunshaupten [Bruneshouede] gibt ihre Tochter in das Haus zum Heiligen Geist zu Wismar.202

200 Mecklenburgisches Urkundenbuch. Herausgegeben von dem Verein für Mecklenburgische Geschichte und Alterthumskunde. Band 2. 1251–1280. Schwerin 1864 201 ebenda 202 ebenda

25. November 1280 „Johann, Propst von Sonnenkamp (Neukloster), bestimmt die Verwendung der Aufkünfte aus dem Gute Nepersmühlen mit Mühle, Waldung und Fischerei, aus zwei Hufen in Reinsdorf und aus der obern Mühle zu Brunshaupten, welche Güter er vor seiner Berufung zur Propstei aus eigenen Mitteln gekauft und dem Kloster geschenkt hat.“203 1524 Auf Befehl des Herzogs wurden 150 Schweine von den Bauern aus Brunshaupten und Arendsee angekauft und nach Gadebusch geschickt. Aus Brunshaupten verkauften 18 Bauern insgesamt 47 Schweine, 8 Bauern aus Arendsee verkauften 13 Schweine.204 Namen der Verkäufer aus Brunshaupten: Claws Grammendorp, Hans Hillebarth, Claws Matheus, Harig Schulten, Dicke Sassen, Drebes Vithman, Peter Gorden, Jochym 203 ebenda 204 Mecklenburgische Bauernlisten des 15. und 16. Jahrhunderts. Heft 2. Das Amt Bukow mit dem Lande Poel. Schwerin 1938, S. 15


Zeittafel | 179

Schulenburg, Claws Wylde, Bertelt Everth, Gerk Schmadebeck, Claws Moller, Jorges Stosselaf, Claws Pording, Peter Lintman, Hans Strues, Corth Schmadebeck. Namen der Verkäufer aus Arendsee: Hans Moller, Jochym Moller, Jasper Dode, Hans Kroger, Honis Westval, Jochym Vithmann, Bertelt Gref, Bernekaw 1552 Kerspel Brunshovede 10 hoven, de fursten dat hogeste 10 hoven, 11 katen, 3 linnenweber, 1 kroch, 1 smede, 1 molle Abgabenpflichtige: 30 Arentsee geven na rodentalle 9

▲ Deckblatt Reformation- und Hoffgerichts Ordnung.

▲ Tileman Stella-Karte 1552. In Crull, Richard: Mecklenburg. Bielefeld, Leipzig 1938

1553 „Februar 09. Schlichtung zwischen Achim Moller, Strandvogt thom Arendßehe und einem Nachbar Hans Mattheus. KM: Jacob Ratke. Z: Arendtßehe: Achim Ortman (Schulze), Brunßhoveden: Achim Vicken (Schulze).“205

1578 „April, 21. Die Stiefmutter des Claws Mattewes, Schulzen zu Brunshoveden, Katarine Drewes heiratet einen Bauern zu Stienbeke im Amt Dobbran. Sie wird vom Amt freigegeben unter der Bedingung, daß ihre 3 Töchter Ilse, Anna und Katrina, wenn sie erwachsen sind, „disem Ampt Buckow unterworfen sein sollen“, und daß der Hauptmann zu Dobbran, Bastian Berner, eine andere gutwillig losgibt. Amtmann: Dietrich v. Zahrenhausen. KM: Jochim Zachow.“206

1568 Reformation und Hoffgerichts Ordnung unser von Gotts gnaden Johan Albrechten und Ulrichengebrüdern/Herzogen zu Meckelnburg/Fürsten zu Wenden/Grauen zu Schwerin/ der Lande Rostock und Stargart Herrn MDLXVIII

1582 „Februar, 19. Marquardt Lange, Schulze zum Arentsehe, findet nach dem Tode seiner Ehefrau, geb. Moller, seinen einzigen Miterben, ihren Neffen Claus Moller, Claus Moller zu Rostock unmündigen Sohn, ab und behält die Stelle. HM. Zum Newen Kloster: Jochim Sperling. KM. Zu Newen Buckow: Jochim Zachow. Z.: Arentsehe: Chim Kruger, Brannanies Finckenwerder.“207

205 ebenda, S. 324

206 ebenda, S. 330 207 ebenda, S. 331


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1583 „Februar, 6. Claus Grammendorf nimmt das bisher für Peter Schrivers Sohn bestimmt wüste Erbe Achim Schwiegers zum Brunshoveden an. Z: Brunshoveden: Peter Schriver, Claus Mattewes, Tewes Hase, Bastorf: Frentz Vicke, Arentßehe Brannanies Finckenwerder.“208 1583 „Juni 23. Berndt Utheschers Wittwe Margarete verkauft das von ihrem verstorbenen Mann erst im abgelaufenen Jahr gekaufte Schmiedehaus zum Brunshoveden an Jasper Timmermahn, Sohn des Tewes T. Ihr Stiefsohn Marcus Tessenow wird abgefunden. KM: Jochim Zachoe, Z: Dobbran: Georges Lupelow (Hausvogt) Brunshoveden: Claus Mattewes (Schulz), Bastorf: Hanß Vicke.“209 1593 „Februar, 08. Marquart Lange zum Arentsee hatte am 5.12.1592 in seinem Testamente seine Ehefrau Anna Banrings, seine Stieftochter Margaretha (des Bukower Bürgers Cersten Schwackebeins Frau) seinen Bruder Claus Lange (Bürger zu Wismar) und seine Schwester Chatarina (Chim Vicken zu Keßdorf Ehefrau) zu Erben eingesetzt. Nach seinem Tode nehmen die Erben das Testament an. HM: Dieterich Lutzow, KM: Wolf Biegher. Z: Brunshöveden: Paul Moller (Pastor), Chim Hagemeister (Hofmeister), Cyriacus Haveman (Küster), Arentsee: Tebes Wick (Schulze), Chim Westendorf, Aßmus Finck, Chim Ricke, Jacob Höppener.“210

1622

▲ Lauremberg-Karte von 1622. In: Crull, Richard Mecklenburg. Bielefeld, Leipzig 1938

1674/75

▲ Aus dem Kirchenbuch 1674/75. Landeskirchliches Archiv Schwerin. Siehe auch Seite 223.

▲ Aus dem Kirchenbuch 1677/78. Landeskirchliches Archiv Schwerin. Siehe auch Seite 223.

208 ebenda, S. 332 209 ebenda, S. 332 210 ebenda, S. 334

Trauungen Kirchenbuch 1683. Landeskirchliches Archiv Schwerin. Siehe auch Seite 224. ▶


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1755 Aus dem Herzoglich-Mecklenburgische Grundgesetze oder Landes-Grund-Gesetzlicher Erb-Vergleich 1755: „Zum Andern, verpflichten Wir Uns auch, in allen und jeden Kirchen und Schulen (keine, ohm allein unser Herzog Hans Albrecht Schloßkirchen nachgesetzter massen außgenommen) auch in der Universitet zu Rostock, keine andere, als obberührter Augsburgische Confession und Lutherschen Religion verwandte und zugethane Prediger, Professores, Lehrer und Schuldiener, zu instituiren, anzunehmen oder zu dulden.“211 „Zum Sechsten, sol das Consistorium (Verwaltung), mit keinen andern, als der oberwehneten unverenderten Augsburgischen Confession, und Lutherschen Religion zugethanen Personen besetzt werden.“212 „Zum Dreyzehenden, sol das Hoffgericht, nach wie vor gemein bleiben, und mit keinen andern, als der offtberührten Augsburgischen Confession, und Lutherschen Religion verwandten Personen, nach ausweiß des assecuration Revers de Anno 1572 besetzt, und von einem jeden unter uns zwo Personen, deren einer des Landrichters, der ander des Vice-Landrichters officium verwalten sol, continuirlich gehalten werden, Und wollen Wir Uns, mit Zuziehung unser getreuen Ritter- und Landschafft, wegen Reformir- und Verbesserung desselben, fordersambst vergleichen und vereinbaren.“213

Aus den Kirchenbüchern Brunshaupten: Anzahl der Taufen aus dem Zeitraum 1683 – 1716 1683 11 1684 7 1685 13 1690 10 1695 11 1700 12 1701 15 1702 10 1703 15 1705 8 1707 9 1709 6 1710 8 1716 12 Anzahl der Beerdigungen aus dem Zeitraum 1676 – 1706 1676 21 1701 12 1702 9 1703 5 1704 5 1705 5 1706 5 Anzahl der Trauungen aus dem Zeitraum 1792 – 1819 1792 0 1793 0 1797 2 1798 2 1801 2 1807 6 1809 8 1810 6 1819 8 1776

1796 4 1800 3 1808 3 1811 5

Aus dem Mecklenburg-Schwerinschen Staatskalender 1776 „25. Juni 1774 Die Feier der Aposteltage, dann des dritten Festtages in Weihnachten, Ostern und Pfingsten, des heil Drey-Königs-, des Marien-Reinigungs-, des Johannis-, des Marien-Heimsuchungs- und des Michaelis-Tages wird gänzlich abgeschafft, Marien-Verkündigung aber auf den Palmsonntag verlegt.“

1769/73 ◀ Assecuration und andere Reserve von den Herzogen zu Mecklenburg.

▲ Glockengeld für Beerdigungen 1769 und 1773. Landeskirchliches Archiv Schwerin

211 Herzoglich-Mecklenburgische Grundgesetze oder Landes-Grund-Gesetzlicher Erb-Vergleich 1755. S. 30 212 ebenda, S. 32 213 ebenda, S. 36


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1777 8. Januar 1777 Das Herzogl. Consistorium zu Rostock hat, ausser dem, unterm 20sten Juni 1776 seiner Cognition privative angewiesenen Sachen, auch in Ansehung gesammter übrigen Landes-Einwohner: 1) alle grobe Skandale und ärgerliche Ausbrüche der Laster, 2) alle Irreligieusität und strafbare Verachtung der Gnadenmittel, 3) alles was in geistlichen und kirchlichen Sachen gegen die Vorschrift der Kirchen-Ordnung vorgeht, zu rügen, und solche Rüge an die Herzogliche Regierung einzusenden, damit daraus, nach höchstem Gutbefinden, die Sache zur weiteren Conoscirung an eines der Herzoglichen Landes-Gerichte hingewiesen werde. … einer Herzoglichen Circular-Verordnung vom 14. October 1777 auf dem Stadtmarkte, unter dem Rathause, und selbst in der Nähe der Kirchen allhier Handel und Wandel, die nachher unterm 1. May 1777 näher erläutert ist, sollen sämtliche Prediger aller drei Religions Partheien in den Herzoglich-Mecklenburg-Schwerinschen Landen am Schlusse eines jeden Kirchen-Jahres ein genaues Verzeichniß der Gebohrnen, Gestorbenen und Copulirten in ihrer Gemeinde an den competirenden Präpositus einsenden, der solche weiter an den ihm vorgesetzten Superintendenten zu befördern hat da müssen alle noch vor Weihnachten jedes Jahres in der Herzoglichen Regierung eingereicht seyn.

20. Juni 1778: „Das Herzogl. Consistorium zu Rostock hat die private Cognition und Dessision in allen, die Lehre und den Lebenswandel der Prediger und Kirchendiener der Herzogthümer Mecklenburg betreffenden Sachen, wie auch in allen, keines proceßmäßigen Verfahrens fähigen Doctrinalibus, Caerimonialibus und Disciplinarius, wogegen alle andre Civil- und Proceßsachen den Landes-Gerichten vorbehalten bleiben. 1786 Aus dem Mecklenburg-Schwerinschen Staatskalender: 29.12.1786 Die jährlichen Geburts-Copulations-und TodtenListen der Prediger sollen von den Präpositen, nicht erst durch die Superintendenten, sondern unmittelbar, so wie sie eingesammelt sind, ohne Aufenthalt nach den rückständigen, sofort an die herzogl. Regierung abgesandt, gegen die Säumigen aber unnachlässige Geldbusen erkannt werden. (Circular an die Geistlichkeit) 16.05.1794 Die Präpositi sollen, bei jährlicher Einreichung der SynodalVerhandlungen, von jedem Prediger, Schullehrer und Candidaten der Theologie in ihrer Präpositur namentlich anzeigen, was ihnen von dessen Lehre, Amtsausführung und Wandel gutes oder böses bekannt ist; von welchen Anzeigen kein öffentlicher Gebrauch gemacht werden soll. (CircularVerordnung)

1778 ◀ Herzoglich-Mecklenb. Grundgesetze oder Landes-Grund-Gesetzlicher Erb-Vergleich.

24.09.1794 Die PassionsPredigten sollen in allen Kirchen auf dem Lande an 5 jährlichen FastenSonntagen, anstatt der gewöhnlichen Evangelien, Vormittags gehalten werden, die bisher gesetzlichen NachmittagsPredigten hingegen entweder ganz wegfallen, oder bei gehörig zahlreichem Besuch der Zuhörer, für die LeidensGeschichte fernerhin bestimmt bleiben. (Circular an die Superintendenten)


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11.06.1795 Wegen des Ablebens des wail. regiernden Herzogs Adolf Friedrich des IV. zu Mecklenburg-Strelitz, wird ein allgemeines TrauerGeläut in gesammten Kirchen auf 14 Tage, (vom 22. Juni bis 6. Jul.) mit einstweiliger Einstellung des Orgelspiels und der Musik verfüget. 05.02.1797 Kein Candidat der Theologie soll künftig ins Pfarr­ Amt kommen, bevor er das 25. Jahr seines Alters zurückgeleget hat. 29.05.1797 Kein Prediger soll bei Vermeidung schwerer Ahndung, fremde, zu seiner Gemeinde nicht gehörende Personen, selbst nicht auf erhaltene landesherrliche Dispensation, copuliren, bevor die Berichtigung der CopulationsGebühren an den competirenden Prediger bescheiniget worden. 28.09.1797 Ausser den vier Superintendenten, soll künftig keinem Prediger ein Collaborator zugestanden, sondern jedem zur eignen Amtsführung unfähigen Prediger sofort ein Adjunctus. Auf dem bei der Gemeinde statthabenden observanzmässigen Wege zugeordnet werden. (Circular an die Geistlichkeit) 06.10.1797 Prediger sollen ihre BeichtKinder zu gehörigen Zeit von Eheberedungen in solchen verbotenen Graden, von welchen nicht leicht oder gar nicht dispensirt wird, dringend abzumahnen suchen. 15.10.1797 Das neue Mecklenburgische Gesangbuch soll keiner Gemeinde, ohne vorhergehende Anfrage des competirenden Superintendenten bei der LandesRegierung eingeführet werden. (Circular an die Geistlichkeit)

25.01.1799 CircularVerordnung an die Superintendenten gegen das vernachlässigte Memoriren und gemächlichere Ablesen der Predigten, besonders in Rücksicht auf die künftige Beförderung der dawider handelnden Candidaten zum PredigerAmt. Desgleichen, wegen unerläslicher und unnachsichtlicher Prüfung der Candidaten in den Grundsprachen, und gewissenhaftester Attestirung ihrer darin erlangten gründlichen Kenntnisse. 1800 Aus dem Mecklenburgischen Staatskalender 1800: 11. April 1800 „Wegen der grossen Theurung und des anhaltenden Frostes, werden die beurlaubten Soldaten zu den Regimentern nicht einberufen, auch die diesjährigen (57) Recruten aus den DomanialAemtern wieder zu Hause geschickt, daher im künftigen Frühjahr keine neuen geliefert werden dürfen, hingegen die BauernSöhne ein Jahr länger dienen müssen.“214 30. Mai 1800 „Alle Gutsbesitzer, Pächter und Landleute werden aufgefordert: wegen der vorigjährigen schlechten Ernte, der verbotenen KornAusfuhr in mehreren an der OstSee belegenen Ländern, des hohen Korn-, besonders RockenPreises und der ungünstigen Witterung dieses Frühjahres, daher besorglich verspäteten diesjährigen Ernte, solche Vorsicht zu gebrauchen, daß es an den KornBedürfnissen, besonders an Rocken, bis zur Ernte ihnen und ihren Hintersassen nicht fehle, dabei aber auch auf die Bedürfnisse der Einwohner in den Städten Rücksicht zu nehmen.“215

214 Mecklenburgischer Staatskalender 1800. S. 174 215 ebenda, S. 175


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1803

1817 ◀ Mecklenburgisches Kirchengesangbuch 1803. Sammlung: Landeskirchenarchiv Schwerin

12.11.1804 CircularVerordnung an die Superintendenten und Instrcution für den Inspector des theologischen Seminariums zu Rostock, wegen der bei der Prüfung sowohl, als bei der Zubereitung künftiger evangelischer Lehrer und Prediger, zu beobachtenden Sorgfalt, gegen die Einflüsse der kritischen Philosophie auf das Studium der Gottesgelehrtheit und gegen die Verbreitung des theologischen Rationalismus in den KanzelVorträgen, zu desto ausschlieslicher Festhaltung an die Sprache und Grundsätze der Heiligen Schrift.216 1811 ◀ Verhütung der Störung des öffentlichen Gottesdienstes. Siehe auch Seite 222.

216 Aus dem Mecklenburg-Schwerinschen Staatskalender, Neue vollständige Gesetz-Sammlung für die Mecklenburg-Schwerinschen Lande: vom Anbeginn der Thätigkeit der Gesetzgebung bis zum Anfange der 19ten Jahrhunderts, in fünf Bänden. Parchim 1835

01.09.1817 Friedrich Franz, Großherzog zu Mecklenburg u. Wohlgelahrten. Wir haben seit einiger Zeit mißfällig bemerken müssen, daß an Sonn- und Festtagen, selbst während der Hauptpredigt in Unserer Hiesigen Domkirche, bei den Schlächtern, den Bäckern, in den Kaufläden und von den Hökern auf dem Stadtmarkte, unter dem Rathause, und selbst in der Nähe der Kirchen allhier Handel und Wandel getrieben wird. Die Contravenienten habet ihr das erstemal ernstlich zu verwarnen, das anderemal aber in eine angemessene Geld- oder Gefängnißstrafe zu verurtheilen und, insoferne sie nicht unter eurer Jurisdiction stehen sollten, solche Strafe durch Requisition bei ihrer competenten Obrigkeit zur Vollstreckung zu bringen. 1821 21.07.1821 Über die Einrichtung des Landschulwesens Paragraph 11 In den Kirch- und Pfarrdörfern ist in der Regel der jedesmalige Küster auch Schullehrer, indessen bleibt die Anstellung eines anderweitigen Schullehrers unbenommen, in so ferne nicht bereits begründete Rechte verletzt werden. Aus Paragraph 12 Die Einführung und Anweisung der Schullehrer geschieht, nach zuvorigem Auftrage der Ortsobrigkeit durch den competirenden Prediger. Aus dem Paragraph 22 Den Predigern aber liegt es, … , als Theil ihrer Amtspflichten ob, die Schulen in ihren Gemeinden fleißig und mindestens alle Monate zu besuchen und den Schulmeisters Anleitung zu geben, wie sie die Kinder unterrichten sollen, auch selbige bei dieser Gelegenheit zu prüfen, um ihre Fortschritte im Unterricht wahrnehmen zu können. Die Unterlassung dieser regelmäßigen Schul-Visitationen,


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von Seiten der Prediger, soll auf das nachdrücklichste geahndet, und den Präpositen hiedurch aufgeben seyn, darauf daß selbige vorschriftsmäßig geschehen, ein wachsames Auge zu haben. 1838 Besuche der Katechisationen217 Anordnung des Herzogs Paul Friedrich vom 1. Dezember 1838:218 „Wenn Uns verschiedentlich die Anzeige gemacht worden ist, daß die kirchlichen Katechisationen während des Sommers auf dem Lande nicht regelmäßig von den dazu verpflichteten Kindern besucht werden, so erneuern Wir, in Erwägung, daß die Theilnahme an diesen Katechisationen für die Förderung der Erkenntniß christlicher Wahrheit und für die Belebung des christlichen Sinnes in der Jugend von jeher als überaus heilsam sich bewährt haben, die deßfallsigen älteren Verordnungen in folgenden Bestimmungen: 1. An diesen kirchlichen Katechisationen sollen nicht nur die confirmirten Kinder während des nächsten Jahres nach ihrer Confirmation, sondern alle Kinder vom vollendeten 12ten Jahre an Theil nehmen. 2. Wenn Eltern ein Kind in Dienst geben, so darf der Dienstcontract von beiden Theilen nur unter der Bedingung geschlossen werden, daß dem Kinde der regelmäßige Besuch der Katechisation verstattet und es vom Dienstherrn dazu angehalten werde. 3. Die Küster und Schullehrer sollen, wie dies schon die Verordnung vom 1ten Dezember 1768 vorschreibt, die zur Theilnahme an diesen Katechisationen verpflichteten Kinder aus ihren Ortschaften zur Kirche begleiten.

ihren Gemeinden diese Verordnung beobachtet wird, auch dieselbe jährlich am Sonntag vor Palmarum von der Kanzel zu verlesen.“219 Der Beginn des Konfirmandenunterrichts auf dem Lande war gewöhnlich gleichzeitig der Beginn der Winterschule oder er richtete sich nach den langjährlichen Gepflogenheiten der einzelnen Gemeinden, aber wenigstens sollte er ein volles Vierteljahr vor der Konfirmation einsetzen. Der Unterricht hatte während dieser Zeit zweimal wöchentlich in zwei aufeinander folgenden Stunden stattzufinden, wenn die Kinder nur „übers Feld gehen müssen“ oder viermal wöchentlich in vier einzelnen Stunden. War der Weg der Konfirmanden länger als eine Meile bis zum Pfarrort, dann durften die vier Stunden auf einen Tag gelegt werden, davon zwei am Vormittag und zwei am Nachmittag. Wünschenswert war, die Stunden des Konfirmandenunterrichts nicht während der gewöhnlichen Schulzeit bis 11.00 Uhr abzuhalten.

Die betreffenden Prediger haben in ihren abzustattenden Synodalberichten zu bemerken, wie in 217 Religionsunterricht 218 Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinsches officielles Wochenblatt 1838. S. 282

219 Landesherrliche Empfehlungen zum Konfirmationsunterricht (1838). In: Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinsches officielles Wochenblatt 1838


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Nach den gesetzlichen Bestimmungen sollte der Konfirmandenunterricht im Pfarrhaus erteilt werden und nicht in den Schulstuben oder in der Kirche, weil die Erteilung desselben in der Schule den Unterricht der übrigen Schüler stört, „in der Kirche aber, abgesehen von etwaigen Nachteilen für die Gesundheit der Konfirmanden, dem Prediger es unmöglich wird, die Aufmerksamkeit der Kinder im kalten Lokal rege zu erhalten.“220 Zur Konfirmation wurden nur solche Kinder zugelassen, die fertig lesen konnten, „was für Kinder der unteren Stände nur durch regelmäßigen Schulbesuch erreichbar ist.“221 Die Prediger waren verpflichtet, keine Kinder in den Konfirmandenunterricht aufzunehmen, „welche es noch nicht zum fertigen Lesen gebracht haben und denen wegen unregelmäßigen Schulbesuches es an einer gedeihlichen Teilnahme am Konfirmandenunterrichte notwendigen Kenntnis der christlichen Religionswahrheiten gebricht.“222 Küster und Lehrer wurden angehalten, wie schon in der ersten Verordnung vom 1. Dezember 1768 festgelegt, die Kinder aus ihren Ortschaften zur Kirche zu begleiten.223 1838 Verhütung der Störung des öffentlichen Gottesdienstes in den Städten224 1840225 Bestellung eines Landesrabbiners. ▶

220 Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinsches officielles Wochenblatt 1838 Vierundvierzigstes Stück. S. 276 221 Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinsches officielles Wochenblatt 1840. S. 134 222 ebenda, S. 134 223 ebenda 224 ebenda, S. 136 225 ebenda, S. 132

1856

▲ Aus dem Kirchenbuch des Jahres 1855 und 1856. Landeskirchliches Archiv Schwerin

1878 Ostsee-Bote, 2.05.1888 Kröpelin. In der am Sonntag zu Brunshaupten stattgefundenen Predigerwahl wurde Rektor Klingenberg-Malchin mit 114 Stimmen zum Pastor gewählt und sofort in sein neues Amt eingeführt. Außer dem Erwählten waren die Rektoren Schmidt-Sülze und Romberg-Stavenhagen aufgestellt. (M.Z.) 1902 Austausch von Flächen Thun kund und geben hiermit zu wissen, daß Wir den zwischen Unserem Amte in Doberan und dem Pastor Klingenberg zu Brunshaupten unter dem 7./9. Juli 1902 abgeschlossenem, hier angehefteten Vertrag über den Austausch einer Fläche des Küsterackers zu Brunshaupten mit einer Fläche der Erbpachthufe Nr. 5 daselbst in einem §§ 1-4 allen Inhalt Landesherrlich genehmigt haben und Kraft dieses bestätigen. Urkundlich unter Unserer Unterschrift und beigedrucktem Siegel. Gegeben durch Unser Finanzministerium, Abteilung für Domainen und Forsten. Schwerin, den 8. September 1902 Friedrich Franz“


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1905

▲ Antrag auf Überlassung eines Kirchenstuhls. Kirchenchronik Kühlungsborn

1907 Wahl der Gemeindevertretung in Brunshaupten 1907. Nach der Gemeindesatzung für die Gemeinde Brunshaupten-Fulgen vom 1. März 1907, Paragraph 13 haben Sitz und Stimme in der Gemeindeversammlung die nachfolgenden 20 Personen: 1. Die Mitglieder des Gemeindevorstandes, 2. Der Ortsgeistliche, 3. 16 gewählte Vertreter der in Gemeindebezirke beheimateten und zugleich selbständig wohnhaften Besitzer der zum Gemeindebezirke gehörigen Grundstücke … 226

1910 Aus Krauses Fundchronik, Rostocker Anzeiger, 26.10.1910 „Der Name des Pastors Franz Niemann in GroßUpahl ist dauernd mit der Geschichte der Ostseebäder Brunshaupten und Arendsee verbunden. Denn Pastor Niemann war es, der während seiner pfarramtlichen Tätigkeit von 1877 bis 1888 mit Herrn Obervorsteher Risch gemeinsam den Grund zu diesem Ostseebade legte. Der Bemühungen der beiden, für die Schönheit dieser Gegend begeisterten Herren gelang es, die Erlaubnis zu erwirken, dass durch den Wald ein Steg angelegt wurde und am Rande Badehütten einfachster Art errichtet wurden. Beide Herren leiteten den Badeverein und suchten mehr und mehr Gäste hierher zu ziehen. Dem heimgegangenen Pastor Niemann zu Ehren führt einer der schönsten Waldstege den Namen Niemannsteig.“

▲ Einwohnerzahl der beiden Gemeinden Brunshaupten und Arendsee von 1899 – 1910. Kirchenchronik Kühlungsborn Siehe auch Seite 224.

1912

▲ Grundriss des Küsterhauses zu Brunshaupten. Akte 2.S.3.a.223. Archiv des Lk. Rostock 226 Sammlung: Kirchenchronik

▲ Ankündigungen für das Kirchenjahr. Kirchenchronik Kühlungsborn


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1914 Die beiden Ortsvorsteher wurden vom Amt Doberan am 11. März 1914 aufgefordert, in den beiden Gemeindevertretungen einen Beschluss über die Ablösung der niederen Küsterdienste fassen zu lassen. Dabei handelte es sich um die Reinigung der Kirche, um das Beiern227 und Läuten an Sonn- und Feiertagen und das Aufziehen der Turmuhr. Dafür sollten von der Kirchgemeinde 140 Mark jährlich aufgebracht werden, und zwar nach dem Steueranteil Brunshaupten 104,40 Mark und Arendsee 38,60 Mark.

◀ Pastor Heinrich Schreibers Ausweiskarte für den Besuch der Ostseebäder. Kirchenchronik Kühlungsborn

1923 ◀ Konfirmandenliste. Kirchenchronik Kühlungsborn

1926 ▲ Postkarte „Mit Hurra in den Krieg!“. Sammlung: Jürgen Jahncke. Siehe auch Seite 225.

1917

▲ Gemischter Kirchenchor vor der Kirche, Chorleiter Strauß. Kirchenchronik Kühlungsborn

1927 ▲ Abmeldeschein für Lebensmittel- und Seifenkarten. Kirchenchronik Kühlungsborn

227 Manuelles Anschlagen von Kirchenglocken. Dabei werdend die Klöppel über Seilzüge per Hand oder Fuß an die dickste Stelle der Glocke geschlagen.

▲ Posaunenchor der Kirche, rechts: Heinrich Scharffenberg. Kirchenchronik Kühlungsborn


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Pastor Schreiber an die Gemeindevorstände am 5.10.1927: „Die Orgel in unserer Kirche ist so schlecht, daß der Organist Jahn-Rostock schon vor einigen Jahren erklärte, er könne zu einem Kirchenkonzert nicht hierher kommen, bevor nicht das Klappern bei ihr beseitigt sei. Das lässt sich aber nur durch den Umbau des Unterwerks machen, was nach Angabe des Orgelbauers einen Kostenaufwand von 2.000 Mark verursachen würde. Schon aus Rücksicht auf unsere Gemeinde, aus Rücksicht aber auch auf unsere Kurgäste, empfiehlt sich dringend der Umbau. Da ich 400 Mark schon zu diesem Zweck zur Verfügung habe, bitte ich die verehrlichen Gemeindevorstände die fehlenden 1.600 Mark für diese Arbeit zu bewilligen zu wollen. Die Zahlung könnte im nächsten Frühjahr geschehen. Ergebenst Pastor Schreiber“228 Bereits am 25. Oktober 1927 bewilligte die Gemeindevertretung von Brunshaupten das erforderliche Geld unter der Voraussetzung, dass Arendsee anteilig die Kosten mitübernimmt. Im Protokoll der Pfarrbaukonferenz vom 9. August 1929 befindet sich die nachfolgende Aussage zur Instandsetzung der Orgel: „Ferner soll ein Angebot über die Instandsetzung der Orgel eingeholt werden. Auf Grund dieses Angebots soll der Zuschuss des Patronats festgestellt werden und danach schriftlich über die Ausführung mit den Gemeinden verhandelt werden.“229 Nachdem das Hochbauamt einen Kostenanschlag von 2.193 RM errechnet hatte, war das Mecklenburg-Schwerinsche Amt Rostock bereit, eine Kostenbeihilfe in Höhe von 635 RM zu geben, wenn die Arbeiten bis zum 31. März 1930 abgeschlossen werden. Die restlichen 1.558 RM sollten die Eingepfarrten Landgemeinden Brunshaupten und Arendsee aufbringen. Doch die Gemeindeversammlung Arendsees lehnt am 17. Januar 1930 den anteiligen Instandsetzungszuschuss für die Orgel mit der Begründung ab, dass die Notwendigkeit nicht anerkannt werden könne. 228 Akte 2.S.3.a.276. Archiv des LK. Rostock 229 ebenda

1928 Aus dem Bericht über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten der Gemeinde Ostseebad Arendsee im Kalenderjahr: Kirche „Für die evangelische Kirche in Brunshaupten wurden im Rechnungsjahr 1927 491,16 RM gezahlt, einschließlich Messkorn und Küsterei. Durch Schaffung der Wandelhalle auf dem Konzertplatz war es möglich, die evangelischen Gottesdienste den ganzen Sommer hindurch auch bei weniger günstigem Wetter, auf dem Konzertplatz abzuhalten. Für den evangelischen Gottesdienst waren nur ganz geringe Ausgaben zu leisten, während uns die Abhaltung des katholischen Gottesdienstes in Brunshaupten 438,20 RM gekostet hat.“230 1934 Über die konfessionelle Gliederung der Mecklenburger Bevölkerung veröffentlichte das Statistische Reichsamt nachfolgende Ergebnisse: 764.794 Evangelische, 31.831 Römisch-Katholische, 69 Angehörige anderer christlicher Bekenntnisse (Orthodoxe und andere morgenländische Christen, Altkatholiken und verwandte Christen), außerdem 1003 Israeliten, 7.516 Angehörige anderer Gruppen. Von den 1.000 Pastoren gehörten in Mecklenburg 949 der Evangelischen und 39 der Römisch-Katholischen Kirche an. 1935 Der Haushaltsplan der Gemeinde Arendsee sah für die Gottesdienste der Kurgäste das Jahr 1933 eine Summe von 400 RM, 1934 insgesamt 300 RM und ein Jahr später 600 RM vor. Der Anteil der Badeverwaltung Arendsee an den Kosten des katholischen Gottesdienstes betrug laut Haushaltsplan der Landgemeinde Brunshaupten 1934/35

230 Kirchenchronik


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und ein Jahr später jeweils 270 RM.231 Brunshauptens Badeverwaltung gab im gleichen Zeitraum für die katholischen Gottesdienste (1934/35) 770 RM und (1935/36) 750 RM aus.232 Nach dem Erlass über die Kirchenbeflaggung vom 4. Oktober 1935: „An einem Tage, an dem nach staatlicher Anordnung die öffentlichen Gebäude allgemein flaggen, ist an den Kirchengebäuden und kirchlichen Dienstgebäuden nur die Reichsund Nationalflagge zu setzen. Das gilt auch dann, wenn der Tag zugleich besondere kirchliche Bedeutung hat. Die Bestimmung, dass die Kirchen, wenn sie aus anderem Anlass flaggen wollen, die Kirchenfahnen zeigen können, enthält kein Verbot, in solchen Fällen daneben oder allein die Reichsund Nationalflagge zu setzen … Wird neben der Reichs- und Nationalflagge die Kirchenfahne gezeigt, so gebührt der Reichs- und Nationalflagge die bevorzugte Stelle.“233 1936 Am 8. September tritt Vikar Hermann Drefers seine Pastorenstelle im Auftrag des Bruderrates der Bekennenden Kirche in Brunshaupten-Arendsee an. Aus der Kirchenchronik Schreiben Drefers an Paul: „Entsprechend dem Wunsche bekenntnistreuer Glieder der Kirchgemeinde Brunshaupten und aus der tiefen Sorge heraus, daß Sie durch Ihre Unterstellung unter den derzeitigen meckl. OKR dessen national-kirchliche Bestrebungen fördern und damit zur Zerstörung der Ev.-Luth. Kirche beitragen, hat der Landesbruderrat mich mit der Verwaltung berufen [beauftragt]… Um der Wahrhaftigkeit willen und aus der großen Verantwortung gegenüber meinem Heiland und Richter und 231 Wöhl, Kurt: Die mecklenburgischen Ostseebäder und ihre Bedeutung für das Wirtschaftsleben der Ostseeküste. Rostock 1937. S. 127 232 ebenda, S. 130 233 Akte 2.S.3.a.238. Archiv des Lk. Rostock

der mir anvertrauten Gemeinde teile ich Ihnen dies mit in der Erwartung, daß Sie den Kampf, der uns somit verordnet ist, ritterlich kämpfen, und meine Offenheit Ihnen gegenüber mit gleicher Offenheit begegnen werden. – Ich setze Sie davon in Kenntnis, daß der zuständige Superintendent, der Reichskirchenausschuss wie das Reichskirchenministerium von meiner Berufung zur Verwaltung der Pfarre Brunshaupten durch den Bruderrat der meckl. Landeskirche unterrichtet sind.‘“ Übertragung des Patronatsrechtes 1937 Da ein Teil der Bürgermeister keiner Glaubensgemeinschaft angehörte, galt es, entsprechend dieses Umstandes, die Stellung des Bürgermeisters als Patron einer Kirche neu zu regeln. Das geschah auf dem Deutschen Gemeindetag 1937 in Berlin. Das Patronatsrecht, gebunden an die Mitgliedschaft in einer Kirche, wurde in solchen Fällen an einen kirchlich gebundenen Bevollmächtigten der Stadt- oder Gemeindeverwaltung übertragen, der nun als Patronatsbesitzer die Aufgaben für die Bürgermeister übernahm. Am 3. Februar 1937 richtet die Landesdienststelle Mecklenburg-Lübeck des Deutschen Gemeindetages ein Schreiben an die Bürgermeister der Städte, Flecken und Ostseebäder, in dem nicht nur die Eigentumsverhältnisse der Friedhöfe dargelegt werden mussten, sondern auch die Frage beantwortet werden sollte, ob die dortigen Judenfriedhöfe geschlossen bzw. eingeebnet worden seien.234 1938 Mit der Stadtrechtverleihung am 1. April 1938 entfiel die Verpflichtung zur Stellung von Dienstwohnungen an die Lehrer und die Zahlung eines Zusatzbetrages von jährlich 220 Mark für die Küsterwohnung. Nach Angaben des Bürgermeisters sollte ein Teil von ihr nun der Vergrößerung des Hitler-Jugend-Heims dienen, welches sich im Küsterhaus befand. 234 Akte 2.S.3.a.276. Archiv des Lk. Rostock


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Nach dem Küsterschulgesetz vom 27. März 1929, § 10 Absatz 3, Rbl. Seite 85 wurde das Vermögen auf Kirche und Stadt geteilt.

in den Lesezimmern der Kurverwaltungen „im Interesse der vordringlichen Erholung und Entspannung des Gastes zu unterbleiben“ sei.235

So weit wie möglich wurde der Kontakt zwischen der Gemeinde der Bekennenden Kirche und den zum Kriegsdienst eingezogenen Gliedern aufrechterhalten.

1940/1945 Pastor Drefers sendete an die Gemeinde der Bekennenden Kirche Kühlungsborn während des Krieges Frontgrüße, um den Kontakt zu halten.

1939

2. Juli 1945 Stadtverwaltung an Pastor Drefers: „Wie Ihnen bereits bekannt geworden ist, hat der Herr Stadtkommandant angeordnet, dass die Kirchen weiterhin bestehen bleiben und Sie die Seelsorge durchführen können. Der Herr Stadtkommandant weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass Sie sich bei der Ausübung Ihrer Tätigkeit von jeden politischen Erörterungen und von jeder Agitation fernzuhalten haben. Ich gebe Ihnen dies der Ordnung halber nochmals ausdrücklich bekannt. Der Bürgermeister Franz Herm“

▲ Flaggensetzung der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften. RdErl. d. RMdI v.3.3.1939

1940 Konsistorialrat Hans-Adolf Kruse aus Schwerin übernimmt für den kriegsdienstverpflichteten Pastor Paul die Verwaltung der Pfarre im Zeitraum vom 20. Juni 1940 bis 15. Juni 1941. In seiner kurzen Chronik führt er den Gästemangel aufgrund der schlechten Versorgungslage an und ist erschüttert über den heimtückschen Mord an einem Kurgast und einer Verkäuferin auf dem Spaziergang von Fulgen nach Heiligendamm. Beide wurden von einem Unbekannten erschossen. Ferner beklagt er sich über die geringe Zahl derjenigen, die am Abendmahl teilnehmen. Der Landesfremdenverband Mecklenburg e.  V. teilte in einem Rundschreiben vom 4.12.1942 mit, dass die Auslage kirchenpolitischen Schrifttums

▲ Nachlasspflegeschaft für Marie Schreiber. Akte 2.S.3.a.60. Archiv des Lk. Rostock

1946 Drefers Kirchenchronik: „Die Bevölkerung hatte sich aufgrund des Flüchtlingsstroms mehr als verdoppelt und betrug jetzt über 14.000. 235 Akte 2.S.3.a.436. Archiv des Lk. Rostock


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Die Hinzugekommenen waren notdürftig in den leichtgebauten Hotels untergebracht, die weithin ohne Heizungsmöglichkeiten waren. – Unter den Alten setzte infolge Hungers und Unterernährung ein großes Sterben ein. So hatte der Pastor an einem Tage acht Beisetzungen und in einer Woche 40 Beerdigungen! Das Altenheim West, jetziges Rostocker Feierabendhaus, wurde in wenigen Wochen durch den Tod völlig entleert. – Viele Kinder, vor allem Schulkinder, trugen Hungerödeme an ihrem Leibe. Infolge der vielen Beerdigungen war der kirchliche Friedhof so überfüllt, daß bereits 24 Massengräber hatten angelegt werden müssen, in denen 6 bis 12 Verstorbene lagen. Daher trat der Pastor an die Stadt heran zwecks Erweiterung des Friedhofs. Die Verhandlungen darüber aber zogen sich bis ins Jahr 1947 hinein und endeten damit, daß die Stadt selber einen Kommunalfriedhof an der Straße nach Heiligendamm anlegte, wohl in der Annahme, ein Friedhof sei eine gute Einnahmequelle.“

▲ Grabaushebungen im Winter 1946/47. Sammlung: Manfred Bünger

1947 Am Kindesgottesdienstfest nahmen über 500 Kinder teil.236 Die Schar der Konfirmanden war so groß, dass sie geteilt werden musste. Kirchenrat Timm übernahm die in Kühlungsborn-West wohnenden Kinder, Pastor Drefers die in Kühlungsborn-Ost wohnenden.237 236 Kirchenchronik, S. 71 237 ebenda, S. 73

Aus der Kirchenchronik 1947 „Je heller und klarer es aber in der Gemeinde wurde, umso mehr mussten auch die Schattenseiten ans Licht kommen. Spiritismus, Okkultismus und Aberglauben belasteten mehr Glieder, als auf den ersten Blick anzunehmen war. Aufgrund der Verkündigung, vor allem durch die Evangelisation und Bibelwochen, wurden so viel Bindungen offenbar, daß der Pastor einmal ausrief: ,Es scheint in Kühlungsborn jedes dritte Haus besprochen zu sein!‘238 11.04.1948 „Ein Ergebnis dieses Tages war der Name ,Junge Gemeinde‘ für alle Konfirmierten. Die Nichtkonfirmierten wurden fortan als Jungscharen geführt und gliederten sich seitdem in einen Johanneskreis (11–14-jährige) und Timotheuskreis (9–10-jährige), die Mädels bildeten in Ost den „Lichterkreis“ und in West den ,Freudenskreis‘.“ In den drei Kinderheimen Luisenhof, Jacobi und Rafoth fanden regelmäßig wöchentlich bis zu ihrem Verbot 1953 Kindergottesdienste statt. Ausschusssitzung der Volkssolidarität am 20. Januar: „Herr Pastor Drefers schneidet die Frage der Versorgung seiner Konfirmanden durch Bezugscheine an und möchte gern die gedachte Handhabe für dieses Jahr erfahren. Die Diskussion ergibt den Vorschlag, dass Herr Pastor Drefers die Konfirmanden namentlich einreicht, damit diese Liste von zuständiger Stelle zur weiteren Erledigung nach Rostock geleitet wird. Die Anzüge sollen bei einem Schneider gearbeitet werden, da die Schneider teilweise Löhne nehmen, die zu der z. T. herrschenden Notlage der Konfirmandeneltern in keinem Verhältnis stehen.“239 Neuapostolische Kirche in Kühlungsborn In den Jahren 1945 und 1946 nahm die Zahl der neuapostolischen Christen in Kühlungsborn zu. 238 Drefers, Hermann: Kirchenchronik, S. 72 239 Akte 2.3.b.308. Archiv des Lk. Rostock


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Sie waren Flüchtlinge und Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und aus der Tschechoslowakei sowie Ungarn. Ab April 1948 trifft sich die Gemeinde im Saal der ehmaligen Pension „Koralle“ in der Hermann-Häcker-Straße zu Andachten und Gottesdiensten. Das Grundstück mit der heutigen Kirche erwarb die Gemeinde 1962.

▲ Die Neuapostolische Kirche in Kühlungsborn. Foto: Jürgen Jahncke

1949 Frauen der Kirchgemeinde richteten eine Nähstube ein und schneiderten aus alten Kleidern für Bedürftige neue. Am 11. April gründete Herr Sanitätsrat Dr. Hoffmann, aus der Kriegsgefangenschaft entlassen, wieder einen Posaunenchor.240 Erstes Grollen eines politisch nahenden Gewitters „Denn es war so: Die Kirchgemeinde war durch ihre lebendige Tätigkeit und ihres rührigen Pastors, der s. Z. den Kulturbund hier gegründet hatte, ihn aber dann verließ, als er politisch gelenkt werden sollte, und auch in den ersten Jahren Mitglied der Volkssolidarität gewesen war, bis er Unregelmäßigkeiten entdeckte und es zum öffentlichen Kladderadatsch kam – die Kirchgemeinde war durch all dies ein im öffentlichen Leben nicht mehr zu übersehender Faktor geworden. Das hatte zunächst zur Folge, daß die Stadt und die politischen Organisationen betont Wert 240 Kirchenchronik, S. 81

auf ein gutes Einvernehmen mit der Kirchgemeinde legten. So z. B. geschah es – was wohl einmalig sein dürfte – daß beim Wechsel eines Bürgermeisters oder Jungpionierleiters der Neue wie ‚selbstverständlich‘ seinen Antrittsbesuch beim Pastor machte, oder daß die politischen Organisationen es nicht wagten, ihre Veranstaltungen zum Zeitpunkt von Gemeindeveranstaltungen zu legen. Politisch gesehen waren natürlich solche Vorgänge auf die Dauer unmöglich. Das wußte auch der Pastor mit seinen Mitarbeitern. Sie ahnten auch, wo es mit Sicherheit zum ersten Zusammenstoß kommen würde: bei der Jugendarbeit. Sie war der politischen Öffentlichkeit wegen ihrer unbeschwerten Lebendigkeit längst ein Dorn im Auge, vor allem aber aus dem Grunde: Diese Jugend fühlte sich mehr zur Kirche als zur Politik hingezogen und lehnte eine Vermengung von beidem kompromißlos ab.“241 1950 Aus dem Jahresbericht 1950 (Kirchenchronik) „Der Dienst in den Altersheimen hat sich so gestaltet, daß ich regelmäßig wöchentlich in ‚Iduna‘ eine Bibelstunde halte. Rund 30 Männer und Frauen kommen. Es ist erquickend, wie die Alten das Wort abnehmen. Einige von ihnen haben sich eine Bibel gekauft und auch das Losungsbuch und üben sich nun im täglichen Bibellesen. In ‚Waldmeister‘ ist es genauso. Dort gehe ich meistens nachmittags hin. Hunger nach dem Wort ist auch da. Das dritte Altersheim kann in dieser Weise bisher noch nicht versorgt werden, aber der Herr kann´s schenken. Im Krankenhaus haben wir offene Türen. Es ist rührend und beschämend, wie dankbar die Kranken sind. Viele kennen mich schon durch längere Krankheit, und so ist das Gespräch schnell da.“242

241 Kirchenchronik, S. 82 242 ebenda, S. 97


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1952 Aufgrund der ausgebrochenen Maul- und Klauenseuche auf dem Bauernhof Priester wurden Kirche und Pfarrhaus für den öffentlichen Verkehr sechs Wochen lang gesperrt. Für die Monate Juni bis einschließlich August stellte der Oberkirchenrat dem Ortsgeistlichen drei Kurprediger zur Seite, die mit ihren Familien im Pfarrhaus wohnten. 1953 15.12.1953: Der jahrzehntelange Küster und Friedhofswärter Ludwig Bünger ging in den Ruhestand, erfreulicherweise wurde sein Sohn Willy sein Nachfolger. 1954–1956 Die Gottesdienste im Krankenhaus wurden untersagt, nicht aber die Tätigkeit des Kirchen- und Posaunenchors während der Festtage. Aus dem Jahresbericht 1956 (Frl. Vichel) Besondere Veranstaltungen: 13.–14. Februar: Diakonische Rüstzeit der Helferschaft 28. April: Das Ministerium des Innern der DDR bezeichnet die „Junge Gemeinde“ als illegal 28.–29. April: Berufstätigenrüste 10. Mai: Fahrt nach Werle 2.–5. Juli: Bibelwochenvorbereitung 15. Juli: Missionsfest 29. Juli: Teilnahme am Missionsfest in Graal-Müritz 8.–12. August: Evangelischer Kirchentag in Frankfurt/M. (6 Teilnehmer aus der Gemeinde) 15.–16. September: Berufstätigenrüste 30. September: Jugendtag, Erntedankfest 5. Oktober: Propsteikatechetentag 29. Oktober: Rüsttag für die Helferschaft 13. Oktober: Schulanfängergottesdienst 3.–4. November: Berufstätigenrüste 25. November–1. Dezember: Bibelwoche 23. Dezember: Weihnachtsfeiern

1960 Der Lindenhof wird Familienerholungsheim für 50 Erwachsene und 20 Kinder. Das ist eine Entlastung des „Haus am Meer“ mit seinen 40 Betten. 1962 Ein Gast, der an der Jugendrüste vom 2. bis 4. Februar 1962 teilnahm, schenkte der Jungen Gemeinde ein Lied, das von allen Arbeitskreisen der Kirchgemeinde übernommen wurde. Es lautet: „Unsere Herzen brennen von Dir. Herr Jesu Christ. Lass uns klar bekennen, dass Du die Mitte bist. Mitte aller Zeiten – hast Du uns, Herr der Welt, erwählt in Ewigkeiten, zu Deinem Ruhm bestellt. Lasst uns vertrauen und Deiner Liebesmacht, lasst uns Wunder schauen inmitten unserer Nacht! Gib uns Deine Zeichen, dass Du die Nacht besiegt. Lass das Dunkel weichen. Wir preisen, Herr, Dein Licht.“ Die Christenlehre ist weiterhin rückläufig 1960 – 210, 1961 – 192, 1962 – 151 Kinder. In monatelangen Einsätzen wurde der Soldatenfriedhof von der Kirchgemeinde neu angelegt. 1966 Die Wasserleitung auf dem Friedhof war völlig defekt. Erfreulicherweise konnte die Gemeinde 80m Rohr beschaffen. Kirchenälteste, willige Gemeindeglieder und Pastor verlegten die Leitung unter Anleitung eines Schmiedes neu. 1967 bis 1969 Vor allem aber wurden aufgrund der Seelsorge entsetzliche Dinge auf dem Gebiet des Okkultismus offenbar. Das führte zu einer Zurüstung unter dem Thema „Im Banne okkulter Mächte“. Aus der Fülle wurden vor allem die drei Hauptgebiete herausgegriffen, auf die die Seelsorge immer stieß: Mantik (Wahrsagekunst), Magie (Schwarze oder Teufelskunst) und Spiritismus (Toten-oder Geisterverkehr).


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Aufgrund der Erfahrungen beim zusätzlichen Dienst auswärts in Städten und Dörfern kann ganz allgemein gesagt werden: Spiritismus wird hauptsächlich in Städten, Magie auf dem Lande und Wahrsagerei sowohl in Stadt als auf dem Land betrieben. Wer sich aber damit abgibt, gerät leicht in den Bann und wird damit zum Werkzeug der finsteren Mächte. Solche „harmlosen“ Bindungen etwa: Maskottchen im Auto, Hufeisen am Eingang, dreimaliges Klopfen: Unverrufen! Püsterei, Pendeln, schwarze Katze, keine Reisen am Freitag, die Zahl 13, die es z. B. in keinem Kühlungsborner Hotel gibt, Vorfall bei einer Beerdigung, Hexenverbrennung 1961 (!) in Lüneburg, Spuk-Erscheinungen, Frau Düse – als Bezirksmagierin in Kühlungsborn usw. – sind lauter Dinge, die mitten in unserer Gemeinde, resp. in unserem ,aufgeklärten‘ und doch so ahnungslosen Zeitalter getrieben wurden. Das alles weist hin auf ein organisiertes Reich der Dämonie: Eph. 6 12f243…

1970 Für das Gemeindeleben bedeuteten der Kälteeinbruch und Kohlenmangel einen tiefen Einschnitt, weil die regelmäßigen Zusammenkünfte wie Bibelstunden, Bibelwoche, Ehepaar- und Mütterabende, Konfirmandenunterricht usw. bis auf weiteres eingestellt werden mussten.

Diese Zurüstung rief eine große tiefe Bewegung in der Gemeinde hervor und führte zur Lösung von mancherlei Bindungen.“244 1968 ◀ Kirche um 1968. Sammlung: Manfred Bünger

243 „Denn wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen Mächte und Gewalten, gegen die Weltherrscher der Finsternis, gegen die bösen Geister in den himmlischen Bereichen.“ 244 Drefers, Hermann: Kirchenchronik, S.187

▲ Erntedankfest um 1975. Foto: Manfred Bünger

1975 1987 In der Kirchgemeinde bestanden die folgenden Gemeindekreise: Frauenkreis, geleitet von Karin Degner Ehepaarkreis, geleitet von Diakon Thomas Kleiminger Zwei Jugendkreise, geleitet von Diakon Thomas Kleiminger Kirchenchor, Kurrende, Posaunenkreis, geleitet von Kantor Uwe Pilgrim Gesprächskreis für Suchtgefährdete, geleitet von Mitarbeitern der Rostocker Stadtmission Seniorenkreis „Fröhliche Runde“, geleitet von


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Karin Degner Bibelstundenkreis, geleitet von Pastor Matthias Burkhardt Taufelternkreis, geleitet von Elfriede Pilgrim Angestellte und Mitarbeiter der Pfarre Kühlungsborn 1987: Pastor Matthias Burkhardt, Kantor Uwe Pilgrim, Diakon Thomas Kleiminger, Küster und Friedhofswärter Adolf Strupp (nur zu 20% der Arbeitszeit). Notwendige Friedhofsarbeiten werden bei regelmäßigen Arbeitseinsätzen an Sonnabenden von Gemeindegliedern ausgeführt. Sie übernehmen auch die Grabpflege ehrenamtlich. 1988 Brief aus der Kirchenchronik „Christlich-Demokratische Union Ortsgruppe Kühlungsborn Strandstraße 40 z. Hd. Herrn Vorsitzender Sehr geehrter Herr Vorsitzender!

14.3.88

In der letzten Woche erreichte mich in einem Telefonat die Bitte nach musikalischer Ausgestattung der Jahreshauptversammlung der CDU. Ich möchte Ihnen in Abstimmung mit kirchlichen Stellen nun mitteilen, dass ein Auftreten kirchlicher Musiker bei Parteiversammlungen nicht üblich ist. Sehen Sie bitte meine zunächst gegebene Zusage als gegenstandslos an. Vielleicht können Sie sich in dieser Angelegenheit an das Kulturkabinett (Musikschule) Doberan wenden.

▲ Briefauszug des Bürgermeisters Peter Moeck an Pastor Burkhardt. Kirchenchronik Kühlungsborn

1989 Kantor Uwe Pilgrim lud das Barocktrio des Hamburger Bachorchesters zu einem Konzert in die St.-Johannis-Kirche ein. Die Auftrittsgenehmigung hierfür erteilte der Rat des Kreises Bad Doberan. Welche Datenerhebung für die Einreise in die DDR notwendig waren, geht aus dem nachfolgenden Handzettel hervor. Im Herbst 1989 forderten auch die Demons­ trierenden in Kühlungsborn Veränderungen im Schulwesen wie die Abschaffung des Wehrunterrichts. Die schroffe Trennung von Schule und Kirche wurde allmählich aufgehoben. Pastor und Diakon diskutierten mit Lehrern und gestalteten sogar Unterrichtseinheiten zur Thematik „Naturwissenschaft und Schöpfungsglaube“.

Mit freundlichem Gruß“ Am 28. April 1988 veranstalteten die Katholische, Evangelisch-Lutherische und Evangelisch-Methodistische Gemeinde einen Ökumenischen Gemeindeabend in der Christuskirche im Fischsteig. Dieser ökumenische Prozess wurde als unumkehrbar von allen Beteiligten eingeschätzt. ▲ Datenerhebung für die Einreisegenehmigung in die DDR. Kirchenchronik Kühlungsborn


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che ist wieder gefragt. Noch vor kurzem waren die jungen Leute Außenseiter der Gesellschaft, die ganz bewusst auf Jugendweihe und FDJ verzichteten oder gar den Wehrdienst verweigerten. Nun endlich werden Gewissensentscheidungen respektiert und wird kein schlimmer Druck mehr ausgeübt. Werden die Zahlen der Taufen, Konfirmationen und Kircheneintritte steigen? Wir wissen es nicht.

▲ Auftrittsgenehmigung für das Barocktrios des Hamburger Bachorchesters. Kirchenchronik Kühlungsborn

1990 Zum 6. März 1990 lud das NEUE FORUM zu einem Forum über eine Schulreform ein. An dieser Veranstaltung, die Pastor Burkhardt leitete, nahmen Vertreter des NF, der SPD und der Initiativgruppe Bildung teil. „Gemeindebrief der evang.-luth. Kirchgemeinde Ostseebad Kühlungsborn (März bis Mai 1990) Liebe Glieder unserer Gemeinde! Es ist schon eine etwas verrückte Zeit, die wir jetzt miteinander erleben. Fast jeder Tag ist für eine Überraschung gut. Wir konzentrieren uns schon auf die erste wirklich freie Wahl, die es in unserem Land je gegeben hat. Die Einheit Deutschlands scheint nun fast greifbar nahegerückt. Wer hätte das alles vor einem halben Jahr zu hoffen gewagt? Auch die Stellung unserer Kirche ist eine ganz andere geworden, denn in unseren Kirchen begann der Aufbruch des Neuen. Das Wort der Kir-

Wir wollen auf keinen Fall hinter äußerem Glanz und politischem Einfluss herlaufen. Unsere Aufgabe als Kirche besteht vielmehr darin, möglichst vielen Menschen durch den Glauben an Gott und durch die befreiende Botschaft von Jesus Christus einen festen inneren Halt zu geben. Diesen Halt brauchen wir in dieser bewegten Zeit umso mehr, damit wir nicht in Orientierungslosigkeit verfallen und vor lauter materiellen Bestrebungen Schaden nehmen an unserer Seele. Jesus sagte einmal: ‚Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme Schaden an seiner Seele.‘ (Markus 8,36) Dieser erste gedruckte Gemeindebrief bietet Ihnen eine Reihe von Möglichkeiten an, Orientierung für Ihren Glauben und ihr Leben zu suchen und zu finden. Nutzen Sie diese Angebote. Im Namen des Kirchgemeinderates und aller Mitarbeiter grüßt Sie herzlich Ihr Pastor Burkhardt“ Am 10. Dezember diskutiert der Kirchgemeinderat über die Übernahme des Kindergartens „Flax und Krümel“ in kirchliche Trägerschaft. 1991 3. Oktober: Am ersten Jahrestag der Wiedervereinigung Deutschlands wird die neugebaute Seebrücke in Kühlungsborn (erste in Mecklenburg-Vorpommern nach der Wiedervereinigung)


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feierlich eingeweiht. Anlässlich dieses Ereignisses hält Pastor Burkhardt eine Ansprache, Pastor Steinbacher sprach das Gebet und erteilt anschließend den Segen. Zu Weihnachten packte die Kirchgemeinde Päckchen für die sowjetischen Soldaten und ihre Angehörigen auf der Halbinsel Wustrow, die der Garnison übergeben wurden. 1992 Am 21. Januar war das Anlegen von zwei Minensuchbooten der Bundesmarine geplant. Gemeindeglieder der Kirche protestierten gegen den Besuch, verteilten Flugblätter, um den Besuch abzuwenden, denn die neue Seebrücke galt als Symbol des Friedens und der Völkerverständigung. Seit Januar befindet sich der Kindergarten „Flax und Krümel“ in der Trägerschaft der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Kühlungsborn. Alle 17 Mitarbeiter der Einrichtung wurden übernommen. Am 24. August 1992 erhielt die Realschule am Karpfenteich offiziell den Namen Heinrich-SchreiberSchule. Nach den ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen im August 1992 besuchen engagierte Glieder der Kirchgemeinde das Wohnheim für Asylbewerber (ehemals „Waterkant“ am Grünen Weg) und Aussiedler aus Russland in dem Ferienheim Neue Reihe 19. Sie bemühen sich, einen guten Kontakt zu ihnen aufzubauen. 1993 In der Zeit vom 17. bis 19. Mai wurden zum ersten Mal in Kühlungsborn Ökumenische Gebets­ andachten gehalten, am 17. Mai in der Evangelisch-Lutherischen Kirche, am 18. Mai in der Katholischen Kirche und am 19. Mai in der Evangelisch-Methodistischen Kirche.

1994 Am 31. März 1994 hielt die Evangelisch-Methodistische Kirchgemeinde ihren letzten Gottesdienst in ihrer Kirche am Fischersteig. Wegen Rückführungsansprüchen musste das Gebäude geräumt werden. Daraufhin fanden die Gottesdienste der Gemeinde im Seniorentreff der Arbeiterwohlfahrt statt. Pastor Thomas Steinbacher wurde nach Cottbus berufen, die Gemeinde verlor ihre Selbstständigkeit und wurde mit der Rostocker Gemeinde vereinigt. Im Aussiedlerheim am Grünen Weg wohnen einige Familien aus Armenien. Einige von ihnen nehmen am evangelischen Gottesdienst teil, was mit erheblichen Sprachproblemen verbunden ist. Die Eltern legen großen Wert darauf, dass ihre Kinder den Segen empfangen. Im August kam extra aus Köln ein Priester, der einen Gottesdienst in unserer Kirche nach dem armenischen Ritus für sie hielt. 1996 Die Aktion „Bäume für die Wüste“ wurde am 28. Januar 1996 beendet. Sie erbrachte eine Spendensumme von 15.200 DM und wurde dem Direktor des Jüdischen Nationalfonds im Gottesdienst feierlich übergeben. Mit dieser Summe konnten 1000 Bäume im „Wald deutscher Länder“ in Israel gepflanzt werden. „Eine Serie von Einbrüchen und Vandalismus betraf zwischen Mai 1995 und Februar 1996 unsere Kirche. In der Nacht vom 13. zum 14.05.95 wurde ein Kirchenfenster aufgebrochen und der eiserne Opferstock zerstört. Gesamtschaden ca. 500 DM. Jugendliche Täter werden vermutet. Schwerwiegender ist ein Einbruch in der Nacht vom 30.06. zum 01.07.95, bei dem 2 Kirchentüren ausgehebelt und zwei Kunstwerke geraubt wurden, ein barocker Putto (1707) und ein Ölgemälde von E. Toryler (1837) „Christus übergibt im Kreise


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seiner Jünger an Petrus den Schlüssel“. Dieser Einbruch scheint auftragsgemäß erfolgt zu sein. Die polizeiliche Fahndung geschieht europaweit, leider ohne Erfolg. Die Versicherung reguliert den Schaden durch Zahlung von 7.690 DM.

triebe, der Stadt, der Partnergemeinde, der Presse und des Fernsehens.

Ein dritter Einbruch passiert vom 30. zum 31.1.1995 in der Kirche. Wieder wird die Kirchentür aufgehebelt und der gepanzerte Opferstock geplündert. Daraufhin wurde aufgrund eines polizeilichen Gutachtens die Sicherheit der Kirche wesentlich verbessert.“ Am 11. Mai 1996 erhielt die Evangelische Kita245 den Namen „Villa Regenbogen“.246 1999 Am 17. September fand die Grundsteinlegung der katholischen Kirche statt. Im Mittelpunkt von Diskussionen standen am 6. November das sogenannte „Scheunenprojekt“, der Ausbau des Pfarrstalls und sein Nutzungskonzept. 2000 Am 23. Juli 2000 wurde die Dreifaltigkeitskirche der Katholischen Kirchgemeinde durch Weihbischof Norbert Werbs geweiht. 2001 Die Baugenehmigung für die Pfarrscheune wurde am 17. Juli erteilt. Die Kirchgemeinde versuchte durch Eigenleistungen, den größten Teil der Kosten zu tragen. ABM-Stellen bewilligte das Arbeitsamt. Am Ende des Jahres war die Pfarrscheune rohbaufertig. 2003 Am 4. Oktober wurde das untere Geschoss der Pfarrscheune feierlich eingeweiht. Eingeladen waren u.a. Vertreter der Landeskirche, der Baube245 Kindertagesstätte 246 Burkhardt, Matthias: Kirchenchronik, S. 111

▲ Älteste biblische Schätze von Gliedern der Evangelisch-Lutherischen und Katholischen Kirchengemeinden. Sammlung: Chronik der Katholischen Kirchgemeinde

2006 Neben der Friedhofkapelle wurde am 14. April ein Gedenkstein für die verhungerten und an ansteckenden Krankheiten 221 Verstorbenen, die in 22 Massengräbern beigesetzt worden waren, aufgestellt. 2007 Die Diskussion über das Altarbild spitzte sich zu und wurde kontrovers geführt. Am 7. Juli 2007 fand erstmalig ein Gottesdienst ohne das Altarbild statt.


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Lebendige Kirche. Kirchenchronik KĂźhlungsborn


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Quellen [1.] Amtsblatt der Evangelischen Landeskirche Greifswald 1984, Nr. 5/6 [2.] Archiv des Landkreises Rostock [3.] Beltz, Johannes, Romberg, Bruno, Siegert, Astrid: Die Pfarren des Kirchenkreises Rostock-Land von 1933 bis 1980 [4.] Beyer, C.: Kulturgeschichtliche Bilder aus Mecklenburg. Berlin 1903 [5.] Brunshauptener Zeitung [6.] Burkhardt, Matthias: Die Tradition des Sankt-Urbantages. In: Kühlungsborner Jahrbuch 2010 [7.] Crull, Friedrich: Die Kirche zu Brunshaupten. In: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Band 27 (1862) [8.] Dieckmann, B. Krellenberg, W.: Landschulen in Mecklenburg-Schwerin – herausgegeben vom Landeslehrerverein in Mecklenburg-Schwerin, Ausschuß für Schulzählungen. Wismar 1926 [9.] Ehlers, Ingrid: Der Fall Anna Gribbenis – Ein mecklenburgischer Hexenprozess aus dem Jahre 1667. In: 777 Jahre Rostock. Neue Beiträge zur Stadtgeschichte. Herausgegeben von Ortwin Pelc, Konrad Reich Verlag 1995 [10.] Engel, Franz: Die Urformen des Niedersachsenhauses in Mecklenburg. In: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Alterkunde. Band 104 (1940)

[11.] Frahm: Gesetze betreffend das gesamte Volksschulwesens in Meckl. Schwerin. Parchim 1884 [12.] Franck, Herbert, Jahncke, Jürgen: Eßer und der Klassenkampf in den Anfangsjahren der Goethe-Oberschule. In: Kühlungsborner Jahrbuch 2014 [13.] Francke, Joachim H.: Die Verbindlichkeit der Eingepfarrten zum Bau und Unterhaltung der Kirchen-, Pfarr- und Küstergebäude, besonders bei dem Unvermögen der Kirchen-Aerarien beizutragen. Schwerin, Wismar 1806 [14.] Glöckler, Albrecht Friedrich Wilhelm: Über weltliche Geschäfte in den Kirchen und auf den Friedhöfen in Norddeutschland. Besonders in Mecklenburg (Gesetzpublikationen, Handelsverkehr, Rechtsgeschäfte) In: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Band 13 (1848) [15.] Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinsches officielles Wochenblatt [16.] Herzoglich-Mecklenburgische Grundgesetze oder Landes-Grund-Gesetzlicher Erb-Vergleich 1755 [17.] Herzoglich Mecklenburg-Schwerinscher Staatskalender [18.] Jahncke, Jürgen: In: Die Kühlungsborner St.-Johannis-Kirche wurde saniert. In: Kühlungsborner Jahrbuch 2013 [19.] Jahncke, Jürgen: Kirche hilft in der Not. Schwere Zeit. 2018


Quellen & Nachweise | 227

[20.] Jahrbuch der Volksschullehrer in Mecklenburg-Schwerin. Herausgegeben vom Landes-Lehrer-Verein in Mecklenburg-Schwerin 1912 [21.] Kerbach, Karl: Das Unterrichtswesen der Großherzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Strelitz. Band 1: Urkunden und Akten zur Geschichte des mecklenburgischen Unterrichtswesens. Berlin 1907 [22.] Kirchenchronik Kühlungsborn (Heinrich Schreiber, Hermann Drefers, Matthias Burkhardt, Matthias Borchert) [23.] Kirchenchroniken der Pfarre Brunshaupten. Landeskirchliches Archiv Schwerin [24.] Kirchenordnung Im Herzogthumb zu Mecklenburg. Wittenberg 1552 [25.] Kröpelin-Neubukower Anzeiger [26.] Lachs, Johannes: Die „Affäre Golchen, Kraaz und Necheln“ In: Jahrbuch für Erziehungsund Schulgeschichte 2 1962 [27.] Landeskirchliches Archiv Schwerin [28.] Landesständische Verfassung des mecklenburgischen Staates von 1755 [29.] Lexikus: Landschulwesen in Mecklenburg-Schwerin – Einleitung allgemeine Verhältnisse [30.] Lisch, Georg Christian Friedrich: Geschichte der Besitzungen auswärtiger Klöster in Meklenburg: Geschichte der Besitzungen des Klosters Arendsee; das Dorf Wargentin; das Dorf Rögelin. In: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Band 15 (1850)

[31.] Lisch, Georg Christian Friedrich: Neukloster, Parkow und Sonnenkamp mit einem Anhange über den Tepnitz-Fluß. In: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Band 33 (1868) [32.] Luther, Martin: Vorrede zur deutschen Messe 1526 [33.] Mecklenburgische Bauernlisten im 15. und 16. Jahrhundert. Heft 2. Das Amt Bukow mit dem Lande Poel. Schwerin 1938 [34.] Mecklenburgische Schulzeitung 1909. Beilage zu Nr. 43. Wismar, den 28. Okt. 1909 [35.] Mecklenburgische Schulzeitung 1909. Beilage zu Nr.43. Wismar, den 28. Okt. [36.] Mecklenburg-Schwerinschen Staatskalender. Neue vollständige Gesetz-Sammlung für die Mecklenburg-Schwerinschen Lande: vom Anbeginn der Thätigkeit der Gesetzgebung bis zum Anfange der 19ten Jahrhunderts, in fünf Bänden. Parchim 1835 [37.] Mecklenburgisches Urkundenbuch 225 (UBNkL. II) [38.] Meier, Hans: Verantwortung für die Kirche. Band 2. Herbst 1935 bis Frühjahr 1937 [39.] Monumenta Germaniae paedagogica: Das Unterrichtswesen der Großherzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Strelitz. Band 3: Urkunden und Akten nebst einem Überblick über seine geschichtliche Entwicklung. Berlin 1909 [40.] Mussäus, Johann Jakob Nathanael: Über die niederen Stände auf dem flachen Lande in Mecklenburg-Schwerin.


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In: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Band 2 (1837)

[52.] Volkmann, Albrecht: Kloster Sonnenkamp in Neukloster. In: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Alterumskunde. Band 102 (1938)

[41.] Ostsee-Bote [42.] Rütz, A.: Neukloster in der Geschichte. Mecklenburgische Monatshefte. Rostock 1931 [43.] Sammlung aller für das Großherzogthum Mecklenburg-Schwerin gültigen Landesgesetze von den ältesten Zeiten bis zum Ende des Jahres 1834. Vierter Band: Kirchen- und Schulgesetze. Wismar 1836 [44.] Schöfbeck, Sabine; Schöfbeck, Tilo; Witt, Detleff: Kloster Sonnenkamp in Neukloster. Petersberg 2009

[53.] Westphalen: Monumenta inedita IV, S. 765 (cap. CXXI), siehe Lisch, Georg: In Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde. Band 33 [54.] Willgeroth, Gustav: Die Mecklenburg-Schwerinschen Pfarren seit dem dreißigjährigen Kriege. Wismar 1924 [55.] Witte, H.: Jegorows Kolonisation Mecklenburgs im 13. Jahrhundert. Breslau 1932 [56.] Wöhl, Kurt: Die mecklenburgischen Ostseebäder und ihre Bedeutung für das Wirtschaftsleben der Ostseeküste. Rostock 1937

[45.] Spree, Wolfgang: Kirchensteuern und die finanziellen Angelegenheiten der Kirche. Studienarbeit Stichwortverzeichnis [46.] Traeger, Josef: St. Maria im Sonnenkamp. Leipzig [47.] Schreiber, Heinrich: Auf der Heimatflur. In: Ostsee-Bote, 13.12.1905 [48.] Schreiber, Heinrich: Kurzer Auszug aus der inhaltsreichen Geschichte Brunshauptens

A Altar

B Badeverwaltung 112, 153, 155, 189f. Bauer, Bauernhof, Bauernstelle, Bauernliste 10, 14ff., 25, 44, 46ff., 60f., 67,

[49.] Schreiber, Heinrich: 50 Jahre Arendsee [50.] Schreiber, Maria: 50 Jahre Ostseebad Brunshaupten [51.] Vertrag zwischen dem Land MecklenburgVorpommern und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs und der Pommerschen Evangelischen Kirche vom 20. Januar 1994

24, 28f.

105, 112, 116, 125, 145, 179, 183, 194

Borchert, Maren Borchert, Matthias Büdner Bülow von Burkhardt, Matthias

D DDR

32f. 174f. 32f. 43, 170 63ff., 98, 105, 113, 117 25, 102, 104, 113 32f., 43, 46, 101, 135, 141ff., 166, 196ff.

43, 61, 95f., 138, 140, 142ff., 163, 165, 194, 196


Stichwortverzeichnis | 229

Doberan

7, 9, 10f., 25, 34, 36, 38,

42, 63,f., 69ff., 77, 83, 102ff., 112ff.,

117, 141ff., 159, 169, 174, 186, 188, 196

Drefers, Heinrich

Küster, Küsterschulstelle, Küsteracker, Küsterdienst

19,24f., 68, 70,

72, 76f., 101, 167, 180, 184,ff., 188, 194, 196

32f., 36, 38, 42, 89, 101, 121, 125f., 129, 132ff., 147., 190f., 195

E Erbpächter Erster Weltkrieg

26, 64ff., 69, 71, 102, 106f., 117

L Landrat des Kreises Lehrer

58, 137 66f., 69ff. 119, 133, 138, 163,

181, 184, 186, 190

79, 84f., 89, 114, 163

M Messkorn

F Friedhof

25, 188

44f., 94, 96, 99f., 192, 194

G Gemeindeverwaltung Gestapo Gottesdienst

47, 100, 154f. 161, 190 133, 160 17, 27, 45, 48f. 77, 86, 117,

119, 132ff., 152f., 157f., 163, 167,

170, 172ff., 189, 190

Großherzog Friedrich Franz I. 184 Großherzog Friedrich Franz IV. 26, 70, 98, 113 Glocke 23, 86f. 89f. 97, 114, 188 H Hachtmann, Folker Hexen, Hexenprozess, Hexenverfolgung J Junge Gemeinde

32f., 36, 38, 158, 163 50ff., 110, 112, 195

43, 100, 138f., 176, 192, 194

N Neubukow 8, 50, 52, 111f., 117, 159 Neues Forum 145 Neukloster 7ff., 30, 111f. 116, 178 Niemann, Heinrich-Franz 32, 102ff., 113, 187 Nonnenkloster 6ff., 111 O Oberkirchenrat

92, 94, 97, 100, 120, 122, 125, 135, 139,

141, 163, 166ff., 188, 190. 193ff. 197ff.

Kirchgemeinderat, Kirchengemeinderat 96f., 142, 144, 167, 174, 198 Kirchenkampf 126, 134f. Kirchenmusik 162f., 165f. Kirchspiel 12, 32, 48, 62ff., 95 Klingenberg, Paul Friedrich 32, 47, 49, 70, 186 Kloster 6ff., 17, 25, 112, 116, 178

132ff., 166, 194

Obervorsteher P Paul, Wilhelm Parchow Parkow Pfarre

Pilgrim, Uwe K Katholische Kirchgemeinde 157ff. Kirchgemeinde 27f., 47, 49, 59, 86, 89,

36f., 90, 96, 100, 123,

90, 114f., 154, 187 32f, 36f., 42, 73, 123, 129, 132ff., 190f. 6f., 9, 12, 25, 111f., 116 7, 9ff., 111 25f., 31, 34f., 37f., 42, 47, 65, 92, 95, 97, 100, 111ff., 133f., 163, 165, 190f., 196 43, 142f., 162f., 165f., 168, 170, 195f.

R Rat des Kreises Bad Doberan Risch, Carl Rychlik S Schreiber, Heinrich

142, 196 104, 107, 113ff., 187 136f., 156

22, 26, 32f., 47f., 68, 90, 102,115, 188f.

Schreiber, Marie 84, 89ff., 115 Schule 26, 63ff., 67f., 70ff., 127, 136ff., 186, 197f. SED

138, 144, 146


230 | 800 Jahre Kirche

Sonnenkamp Stasi

6ff., 30, 111f, 116, 128 142f., 145

Stadtverwaltung T Timm, Karl

W Westenbrügge

7, 9f., 111

124, 136, 160, 191

32f., 38, 123f., 132ff., 192

Foto- und Dokumentennachweis: Anzeiger für Brunshaupten, Arendsee und Umgegend; Archiv der Landkreises Rostock; Baade, Wolfgang; Bartelmann, Rudolf; Baumgarten, Gerd; Bünger, Manfred; Burkhardt, Matthias; Chronik der katholischen Kirche; Dittmann, Klaus; Feine, Sophie; Freyler, Antje; Granitza, Fred; Hachtmann, Folker; Jahncke, Jürgen; Landeskirchliches Archiv Schwerin, Lasdin, Bernd; Latteck, Ralph; Latteck, Johanna; Kirchenchronik Kühlungsborn; Kleiminger, Thomas; Krüger, Gertrud; Petersen, Günter; Pilgrim, Elfriede; Pilgrim, Uwe; Praefcke, Klaus; Schacht, Alexander; Scharffenberg, Heinrich; Schoof, Ingrid; Staatliches Amt für Landwirtschaft und Umwelt; Steinbacher, Thomas; Stoy, Walter; Westphal, Ursula; Wiek, Sarah Weitere Fotos: Tourismus, Freizeit & Kultur GmbH Kühlungsborn (S. 4–5, 28, 29, 55, 92, 147, 178), Wolfgang Baade (S. 2, 6, 22, 31), Manfred Bünger (S. 3, 99), Uwe Pilgrim (S. 3), Bernd Lasdin (S. 3, 173), Gerd Baumgarten (S. 39), Günter Petersen (S. 66), Alexander Schacht (S. 98), Gertrud Krüger (S. 102), Jürgen Jahncke (S. 84, 120), Wolfgang Aßmann (S. 122), Christian Drefers (S. 126), Kirchenchronik (S. 45, 85, 171), S. 14 Mecklenburgische Bauernlisten im 15. und 16. Jhd. S. 46 aus einem Gemeindebrief S. 140, 141 Quelle unbekannt S. 153 aus einem Prospekt von 19? Danksagung: Hiermit möchten wir uns bei all jenen bedanken, die uns mit ihrem Wissen unterstützt haben und uns Dokumente und Bilder zur Verfügung gestellt haben. Ohne ihre Hilfe wäre dieses Sachbuch nicht zustande gekommen. Unser besonderer Dank gilt Maren Borchert, Matthias Borchert und Michael Wohlschlegel, den Archivaren des

Z Zisterzienser 6f. Zweiter Weltkrieg 32, 122

Landkreises Rostock und der Evangelischen Landeskirche sowie Frau Meike Scharfenberg, Frau Franziska Borchert und Herrn Matthias Burkhardt für die wertvollen Hinweise, Impulse und Korrekturen. Gleiches gilt für Herrn Wolfgang Baade, der den größten Teil der Bilder bereitgestellt hat. Herausgeber: Tourismus, Freizeit & Kultur GmbH Kühlungsborn, Ostseeallee 19, 18225 Ostseebad Kühlungsborn, Telefon: 038293/849‑0, Telefax: 038293/849-30, www.kühlungsborn.de, info@kuehlungsborn.de, Ust-IdNr.: DE 21 8957 105, Registernr.: HRB 89 24, Registergericht: Amtsgericht Rostock Kirchengemeinderat der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Kühlungsborn, Schloßstr. 19, 18225 Ostseebad Kühlungsborn, Amtierender Vorsitzender des Kirchengemeinderats: Pastor Matthias Borchert Gestaltung: Anne Schröder, grafik@kuehlungsborn.de, Tourismus, Freizeit & Kultur GmbH Kühlungsborn DRUCK: WIRmachenDRUCK GmbH, Mühlbachstr. 7, 71522 Backnang Tel +49 (0) 711 995 982/20, info@wir-machen-druck.de Rechte: Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos usw. wird keine Haftung übernommen. Das Recht der Veröffentlichung wird prinzipiell vorausgesetzt. Alle in diesem Buch veröffentlichte Beiträge und Fotos sind urheberrechtlich geschützt und dürfen nur mit der vorherigen Einwillgung des Herausgebers nachgedruckt werden. Es gelten unsere AGBs vom 19.12.2016. Wir übernehmen keine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben. Änderungen vorbehalten.




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