FSJ-Projekt 2017/2018 - Persönlicher Rückblick auf »Kunststoff«

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Ein persönlicher Rückblick auf das Projekt »Kunststoff« von Marius Herrmann, FSJ Kultur 201 7/201 8



Vorwort »Kunststoff« war ein Projekt des Kulturamt Konstanz, das vom 1 9.02.201 8 bis zum 1 2.04.201 8 im Konstanzer öffentlichen Raum gezeigt wurde. Das Ziel der Aktion folgte dem Motto: »Aus den Augen, in den Sinn« und sollte BürgerInnen auf unsere zahlreichen Kunstwerke im öffentlichen Raum aufmerksam machen. Dazu wurden zwölf ausgewählte Kunstwerke und ein Fake-Objekt mit einem pinken, widerstandsfähigen Stoff komplett verhüllt und sollten so wieder in den Fokus der Wahrnehmung rücken. Diese digitale Broschüre ist mein persönlicher Rückblick auf das Projekt und damit eine Art Nachbericht und Abschluss von »Kunststoff«. Jedes der zwölf verhüllten Kunstwerke wurde mit einem eigenen, meist fiktiven Text versehen. Die Besonderheit liegt dabei in der unterschiedlichen Schreibart - abhängig vom jeweiligen, von mir wahrgenommenen Charakter des Kunstwerks. So entsteht ein fiktiver Rundgang entlang der zwölf Kunstwerke. Begleiten Sie mich auf diese Reise! Marius Herrmann FSJ Kultur 201 7/201 8 Kulturamt Konstanz




1 . Station: Gondelhafen - Graf Zeppelin-Denkmal Es geht los! Meine erste Station liegt im Gondelhafen vor dem geschichtsträchtigen Konzilgebäude. Von dort aus bewacht das Zeppelin-Denkmal den Hafen und behält auf seiner hohen Säule den Überblick über die Stadt. Doch abgebildet ist nicht Graf Zeppelin, sondern der nordische Sagenschmied Wieland, der mit geschmiedeten Flügeln aus einer Gefangenschaft entkommen konnte. Ich geh zu ihm hin und er nimmt mich mit auf einen Flug über KonstanzN "Wiiinnnd, Wiiinnnd. Ein Wort der NachahmungO das Rauschen des Windes gefangen in diesem einen WortOmal langgezogen, mal kurz gehaltenO das Geräusch, wenn der Wind pfeift und einfährtO WiiinnndO Seit 1920 stehe ich, der große Schmied Wieland, an diesem Ort. Erbaut bin ich von Karl Albiker, mitten im Hafen der Stadt Konstanz. Mit meinem rechten Flügel fange ich Luftströme ein und leite sie wieder raus. Das erzeugt ein schönes GeräuschOWiiinnndO Doch es ist Zeit loszufliegen, Zeit mich wieder zu erheben und ich nehme dich mit, ich zeige dir einmal Konstanz von oben." Auf einmal sitze ich auf Wielands Rücken und wir springen die Säule hinab, einen Bruchteil einer Sekunde vor dem Aufschlag spannt Wieland seine Flügel auf und wir gleiten über dem Boden. Puh, das war knapp! Auf einmal reißt es uns nach oben und wir befinden uns in weitem Abstand zum Boden. Die Kinnlade klappt mir herunter als ich diese wahnsinnige Aussicht realisiere. Mein Blick erstreckt sich über den kompletten Bodensee, Weiten von blauem See, ein tiefer Blick in die Schweiz hinein, die Blumeninsel Mainau, der Untersee, die schneebedeckten Bergspitzen des atemberaubenden Alpenpanoramas und selbst die Weinberge auf der anderen Seeseite sind hier gut sichtbar. Ich komme gar nicht mehr dazu zu blinzeln, so viele Eindrücke gibt es zu verarbeiten, so viele Dinge zu entdecken.


Als wir uns der Spitze des Münsters nähern bin ich aber doch erstmal froh, dass wir eine kleine Verschnaufpause einlegen können. Doch auch hier komme ich nicht aus dem Staunen heraus. Von den 78 Metern Höhe des Konstanzer Münsters sieht die Welt so klein aus. Ich nehme Abstand davon und fühle mich einfach nur frei. Ich verstehe jetzt erst wirklich, warum das Fliegen einer der ältesten Menschheitsträume ist. Nach der kleinen Verschnaufspause geht unser Flug weiter. Wieland und ich überfliegen das ehemalige Dominikanerkloster, das heutige Steigenberger Inselhotel. In einem weiteren Sturzflug sausen wir unter der alten Rheinbrücke hindurch und am Pulverturm wieder hoch. Im Höchsttempo schießen wir nun einige Meter über dem Straßenverlauf der Laube, hinweg über Blechlawinen. Der Blitzer wird ausgelöst als wir vorbeidüsen, aber ich verdränge den Gedanken, wer denn nun die Strafe dafür bezahlen muss. Nach einem kurzen Abstecher in die Schweiz entscheiden wir uns für den Rückflug. Nach einer turbulenten Umkurvung des Einkaufszentrums Lago gleiten wir nun Richtung Hafenanlage und landen am Anfang unserer Flugreise.

Leicht schwankend müssen wir uns erst wieder an den stabilen Grund unter unseren Füßen gewöhnen. Ich strecke zur Erholung kurz meine Füße ins Wasser und gehe dann weiter.


Station 2: Das Fischweib Weiter gehe ich nun zu Fuß, doch nur ein kurzes Stück, denn gleich hinter dem Bahnübergang wartet schon eine 61 -jährige Fischerin auf mich. Versteckt hinter Motorrädern und unbeachtet von den meisten Menschen steht sie und singt ihr Lied. Ich halte inne und lausche... "Die Fischerin vom Bodensee ist eine schöne Maid, juchhee; eine schöne Maid juchhee, die Fischerin vom Bodensee; und fährt sie auf den See hinaus, dann legt sie ihre Netze aus, schon ist ein junges Fischlein drin, im Netz der Fischerin. Da kommt ein alter Hecht daher, wohl über's große Schwabenmeer; über's große Schwabenmeer, da kommt ein alter Hecht daher; der möcht doch noch ins Netz hinein, bei der Maid gefangen sein, da zieht die Fischerin im nu das Netz schon wieder zu. Die Sonne sendet ihre Strahlen bis auf den tiefen Teichesgrund, die Fische fangen an zu schwitzen; du liebe Sonne, treib es nicht zu bunt. Die Fischerin vom Bodensee ist eine schöne Maid, juchhee; eine schöne Maid juchhee, die Fischerin vom Bodensee; und fährt sie auf den See hinaus, dann legt sie ihre Netze aus, schon ist ein junges Fischlein drin, im Netz der Fischerin.


Ein weißer Schwan, ziehet den Kahn; mit der schönen Fischerin, auf dem blauen See dahin. Im Abendrot, schimmert das Boot. Lieder klingen von der Höh, am schönen Bodensee. Die Fischerin vom Bodensee ist eine schöne Maid, juchhee; eine schöne Maid juchhee, die Fischerin vom Bodensee; und fährt sie auf den See hinaus, dann legt sie ihre Netze aus, schon ist ein junges Fischlein drin, im Netz der Fischerin. Und wenn vom Schilf die Nebel steigen, die Nixen tanzen frohen reigen, die Frösche machen die Musik dazu, die Wellen flüstern sich ganz heimlich zu. Ein weißer Schwan, ziehet den Kahn; mit der schönen Fischerin, auf dem blauen See dahin. Im Abendrot, schimmert das Boot. Lieder klingen von der Höh, am schönen Bodensee. Die Fischerin vom Bodensee ist eine schöne Maid, juchhee; eine schöne Maid juchhee, die Fischerin vom Bodensee; und fährt sie auf den See hinaus, dann legt sie ihre Netze aus, schon ist ein junges Fischlein drin, im Netz der Fischerin. "

Noch mit der Melodie im Ohr gehe ich wieder zurück über den Bahnübergang und rein in den Stadtgarten.


Station 3: Handloser Der Stadtgarten lädt zu einem ruhigen Spaziergang und zu meiner ersten kleinen Pause ein. Ich setze mich auf einen der Stühle vor der Konzertmuschel und lausche den Worten von Konstantin Handloser, dessen Denkmal sich hinter meinem Rücken befindetN "Ach Sommer, wo bleibst du denn?! Ich will, dass es um mich herum blüht, dass es wächst, dass es lebt! Der kalte Seewind lässt mich frieren, zittern und die Blätter der Bäume können mir auch keine Wärme spenden... Im Sommer, ja, da ist es schön! Sonnenlicht, spielende Kinder, Spaziergänger, Fahrradfahrer, Eis essen, baden und lächeln. Und erst die Konzerte in der KonzertmuschelO mhhhh SommerO Schöne Klänge, tanzende Menschen, lachende Musiker, begnadete Künstler und selbstgeschriebene Musik. Ah, da fühle ich mich gleich wieder so frisch wie früher, als ich noch Musikdirektor war. Die Begeisterung an der Musik hat sich zum Glück nicht verändert! Ich bin stolz. Stolz darauf, als Denkmal Teil dieser wunderbaren Stadt zu sein. Stolz darauf, dass die Konzertmuschel 1905 zu meinem Gedenken erbaut wurde. Stolz darauf, dass die Kultur in Konstanz weiterlebt. Die Leute mögen oft blind an mir vorbeilaufen und mich nicht beachten, mich nicht sehen können, mich nicht sehen wollen. Doch ich bin dankbar! Ich habe einen der schönsten Teile von Konstanz im Blick und sehe so viel Lebensfreude.


Ich wünsche mir nur, dass der Sommer nun endlich beginnen mag und neues Leben in den Stadtgarten kommt. Vielleicht werde ich durch meine Verhüllung nun ja auch etwas stärker wahrgenommenO Oh Konstanz, Oh Sommer! Oh du schönste Musik!“

Noch während er spricht wünsche ich mir sehnlichst den Sommer herbei und träume leise vor mich hinN Nach dieser kurzen Pause setze ich meinen Spaziergang im Stadtgarten fort und laufe am Inselhotel vorbei. Nach einem langen, weiten Blick auf den Bodensee und die schneebedeckten Berge, begebe ich mich zum Rheintorturm.


Station 4: Rheinsteigfiguren Vom Rheintorturm aus lasse ich meinen Blick über den Rhein schweifen. Ich befinde mich an dem Ort, an dem von etwa 1 200 bis 1 856 eine hölzerne Brücke über den Seerhein verlief. Links neben mir kann ich zudem vier steinerne Statuen bestaunen, es handelt sich hierbei um die Standbilder Rheinsteig. Geschaffen für die neue Eisenbahnbrücke wurden sie 1 861 auf den Brückenpfeilern aufgestellt, bis sie 1 938 den Weg an die Ufermauern fanden. Mit dem Rheintorturm, den Statuen und dem wunderschönen Blick auf den Seerhein, gleite ich ein in eine gedankliche Reise durch das mittelalterliche Konstanzer KonzilN ONach langem Fußmarsch ist es endlich soweit: meine Pilgergruppe und ich haben Konstanz erreicht! Dieses große Machtzentrum und wir als Zeugen eines der wichtigsten Ereignisse der Kirche: der ersten Papstwahl nördlich der Alpen. Ich stehe mit meinem Pilgerfreund Jacob vor dem Konstanzer Rathaus. Ein reges Drängen herrscht, es wird geschuppst und laute Stimmen dringen zu uns durchO „Sie brauchen frisches Wild und Geflügel, dann kommen Sie her zu mir!“ „Frisch gefangen, beste Bodensee-Fische nur hier!“ „Froschschenkel, beste französische Froschschenkel“ . „Ich hab mal aufgeschnappt, dass auf 6.000 Konstanzer Einwohner nun 70.000 Konzil-Besucher kommen. Die Stadt scheint mir wirklich restlos überfüllt zu sein.“ „Ein großer Vorteil für die Händler und Gilden, wie mir scheint“, erwidere ich und blicke auf die exotischen Waren und vorbeilaufenden Menschen, die ihren Reichtum sichtbar zur Schau stellen. Bunte, stark gefärbte Gewänder und goldener Schmuck lassen einen schnell den jeweiligen Stand der Menschen erkennen. Wir setzen unseren Spaziergang durch die Konstanzer Straßen Richtung Münster fort. Auf einmal steigt mir ein verlockend leckerer Duft in die Nase, der intensiver wird, je näher wir zum Münsterplatz kommen.


Ein Stück vor dem Münster schweift mein Blick auf eine große Gruppe von Leuten, die um einen Verkäufer gedrängt stehen. „Jacob, schau mal dort rechts, was ist das denn?!“ „Ein Holzkarren mit einem darauf befestigten Ofen? Wer kommt denn auf solch verrückte Ideen?“ Wir gehen etwas näher heran und schauen uns die Sache genauer an. „Eindeutig Brezeln“, meint Jacob „aber was soll das da sein?“ und deutet auf eine oval geformte Backware. „Buon giorno, Ihr müsst neu hier sein, werte Herren. Das sind die feinsten Dünnele der ganzen Stadt. Eine köstliche Mischung aus frisch gebackenem Sauerteig mit Schmand, Speck, Zwiebeln und Käse. Hier sind zwei Stück für euch, als Unterstützung für Eure Pilgerfahrt, greifen Sie zu, buon appetito!“ Jacob und ich bedanken uns und genießen die leckere Kost vor dem Eingang zum Münster. Zutiefst ergriffen und beeindruckt durch die Größe und die Macht dieses eindrucksvollen Gebäudes kommen wir ins Gespräch über unsere weitere Pilgerreise. „Diese Kraft, die dieses Bauwerk ausstrahlt, das muss Gottes Größe sein, die wir wohl nur so erahnen können.“ „Wirklich beeindruckend! Aber bevor wir es uns in Konstanz zu gemütlich machen: Spätestens zum Heilig-Blut-Fest sollten wir auf jeden Fall auf der Klosterinsel Reichenau sein. Dieses soll das wichtigste ihrer Feste sein.“ „Von diesem Fest und der Heilig-Blut-Reliquie habe ich auch schon gehört. So ein wichtiges Pilgerziel wie die Insel Reichenau dürfen wir uns nicht entgehen lassen.“


Als wir fertig gegessen haben setzen wir zu einem kleinen Spaziergang durch die Niederburg in Richtung Rhein an. Verwinkelte Gassen, aus allen Nähten platzende Unterkünfte und eine Mischung aus Gebrüll und Minnegesang aus zahlreichen Weinstuben gibt es hier zu sehen und hören. Auf halber Strecke zum Rheintorturm spricht uns eine junge Dame an und zieht Jacob in eine kleine Gasse zu sich. Mir entgeht dabei nicht, dass sie ein gelbes Band um ihren Arm trägt. Schnell flüstere ich Jacob zu: „Achtung Jacob, das ist eine Hübschlerin. Vergiss nicht deine guten Sitten und dass wir auf Pilgerreise sind. Lass uns weiter gehen.“ „Also gut“, antwortet Jacob etwas grummelig und folgt mir wieder durch die Gassen. Nach ein paar weiteren Minuten Fußweg stehen wir auf der hölzernen Brücke, unter der der Rhein seinen Ursprung nimmt. Ganz verzaubert betrachten wir die tolle Aussicht auf den See und auf die Berge. So schön ist Konstanz, denke ich mir, und träume von einem entspannten Leben am BodenseeO

Auch ich setze meine Reise nun rheinabwärts fort. Einen weiteren Turm lasse ich auf dem Weg rechts liegen. Es handelt sich um den Pulverturm, in den König Sigismund nach Ende des Konzils die Konstanzer Juden einsperrte und nur gegen Auslösesummen wieder entließ. Damit wurden die Konzilschulden des Königs getilgt. Einige Meter weiter am Rhein entlang bleibe ich am Eingang der Hochschule Konstanz für Technik, Wirtschaft und Gestaltung, kurz HTWG, stehen. Das nächste Kunstwerk meiner Reise gibt es hier zu finden.


Station 5: Prometheus

Mein Blick wandert an der Fassade des HTWG-Gebäudes hoch. Ich betrachte eine Skulptur von Werner Gürtner aus dem Jahr 1 959, es handelt sich um Prometheus, den Feuerüberbringer. Ein leicht umgewandeltes Gedicht von Goethe schießt mir in den KopfN Bedecke deinen Himmel, Zeus! Hier verkümmert dein Widersacher Prometheus. Einst brachte ich den Menschen das Flammen-Feuer in ihre eisig kalten Gemäuer. Gab ihnen Technik, gab ihnen Leben, ich war der Held der Menschen und von idealem Bestreben. Doch gewandelt haben sich die Zeiten, ich konnte mich nicht auf Änderungen vorbereiten. Einst hing ich am steinigen Felsen im Kaukasus, nun häng ich an einer tristen Wand neben einem Fluss. Früher entzündete ich einen Stengel am Sonnengottwagen, bekam von dir die härtesten Anklagen. Heute schreck ich höchstens noch ein paar Studenten auf, die Zeit des Vergessens nimmt ihren Lauf. Verehrt nur noch von Grillmeistern, wir Götter sind nicht mehr modern. Vergessen meine Aufopferung, würde ich fallen, gäb es nur eine Straßenabsperrung. Ich bin Kunst im öffentlichen Raum, beachte mich, du setzt meinem Herzen sonst einen eiskalten Stich.

Nach dem Klagegedicht des Prometheus führt mich mein Weg Richtung Altstadt. Die nächste Station befindet sich rechts neben dem Münster, auf einer der sonnigen Bänke. Ich nehme Platz und genieße die Sonnenstrahlen.


Station 6: Münster Während ich die Sonne auf meinem Gesicht genieße, sehe ich mich auf dem kleinen Platz um. Links neben uns entdecke ich eine Skulptur, die die heilige Familie abbildet. Während ich sie betrachte, fängt ein in der Nähe stehender Mülleimer zu sprechen anN Mülleimer: „Einst war ich ein Mülleimer, nun bin ich ein Kunstobjekt. Dank der Kunstverhüllungsaktion KUNSTSTOFF wurde ich endlich zu dem Kunstwerk, das ich schon lange sein will. Pink und mit einer eigenen Puppe versehen." Heilige Familie: „Du? Kunst? Du bist nur ein Eimer, der mit Müll gefüllt ist. Du bist keine Kunst. Du bist ein Arbeitsgegenstand!“ Mülleimer: „Und du willst entscheiden dürfen, was Kunst ist und was nicht? Kann Kunst nicht einfach das sein, was von einer Person als Kunst gesehen wird? Ein talentierter Künstler hat meine Schönheit und mein Potential erkannt und mir kommt durch die pinke Verhüllung die Aufmerksamkeit zugute, die ich auch verdiene.“ Heilige Familie: „Nicht mehr als ein falsches Spaßobjekt warst du! Du solltest Betrachter doch nur zum Rätseln bringen, was dort einst stand. Du kannst dir einreden was du willst. Ich kenne keinen außer dir, der in dir irgendwelche Kunst sieht. Und um ehrlich zu sein war ich auch nicht traurig als man dir deine Verkleidung geklaut hat. Ich habe zwar alles gesehen doch habe den Täter nicht verraten, obwohl das Kulturamt-Team lange nach dem fehlenden Stoff gesucht hatO“ Mülleimer: „Pah! Jeder hat das Recht darauf, ein eigenes Verständnis von Kunst zu haben. So war ich zumindest im Zeitraum der Verhüllung auch ein Kunstwerk! Was unterscheidet dich denn überhaupt von mir?“


Heilige Familie: „Damit könntest du vielleicht wirklich Recht haben, denn in dem Zeitraum hattest du nämlich nicht mehr die Funktion als Mülleimer. Ich aber wurde 1928 von Jakob Wilhelm Fehrle geschaffen. Einen bestimmten praktischen Zweck hatte ich nie, ich sollte immer schon ein Kunstwerk sein und werde auch als ein solches angesehen. Ich bin das Ergebnis des kreativen Gedankenprozesses meines Schöpfers.“ Mülleimer: „Und doch setzten dir das Wetter und die Witterungsverhältnisse deutlich zu! Deine Oberfläche ist auch nicht mehr so schön wie sie mal war, alt bist du geworden.“ Heilige Familie: „Dieses Phänomen lag genau im Interesse des Künstlers. Ich entwickele mich weiter und passe mich immer besser meiner Umgebung an. Ich bin nicht nur ein Betonklotz, ich bin ein lebendiges Kunstwerk!“ Mülleimer: „Na wer so gehoben redet muss natürlich Ahnung haben von KunstO Lass uns einig darin sein, dass wir uns nicht einig sein können.“

Nach der kleinen Sonnenpause mache ich mich wieder weiter auf meinen Rundgang. Die nächste Station ist nicht weit weg und befindet sich unter ein paar Bäumen an einem schattigen Plätzchen.


Station 7: Karl Steuer Vor mir steht nun der Karl Steuer Brunnen. Eingeweiht am 5. September 1 998 von Kurt Grabert, gedenkt er des bekannten Fasnachters Karl Steuer. Ich stelle Mario Böhler, dem Präsidenten der Narrengesellschaft Niederburg einige Fragen zur Person Karl Steuer und der Konstanzer Fasnacht.

Am 1 2. Mai wäre der Konstanzer Fasnachter Karl Steuer 1 09 Jahre alt geworden. Ist er zumindest noch spirituell in den Narrengesellschaften aktiv?

Karl Steuer hatte eine ganz besondere Art Fasnacht zu feiern: So wie er auch auf „seinem“ Brunnen dargestellt ist, so war er auch auf der Bühne. Abgewetzter Mantel, die verstaubte Melone schief auf dem Kopf. Er konnte deftig, narrenlaut und von plötzlichen Einfällen begeistert sein. Dabei prägte ihn auch eine schwermütige Empfindsamkeit. Sein Lied „De Lampema“ bringt die beiden Seiten sehr gut zur Geltung. Er konnte nicht ohne sein Konstanz sein – ohne seinen See! Was er auch unternahm, schrieb, sang, darstellte oder karikierte hatte die Weisheit und den Witz dessen, was ganz im Volkstum seiner Landschaft wurzelt. Es ist die Kraft, die die Fasnacht bis heute in ihrer Lebendigkeit erhält und viele Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt anzieht. Somit kann man sicherlich davon sprechen, dass Karl Steuer noch heute aktiv in den Köpfen der Menschen hier ist.

Welches Vermächtnis hat uns der Steuer Karle hinterlassen und wie wird es heutzutage noch gepflegt?

Karl Steuer hat ein reiches Erbe hinterlassen. Vor allem seine Lieder wie etwa „Das Gundelelied“, „Bitte gib mir doch e Ahle“ oder „I hon des Münsterturm heut Obed wackle sehe“ werden bis heute an der Fasnacht gerne gesungen. Sie sind sicherlich sogenannte Evergreens und bereichern das närrische Treiben.


Was war die schönste oder auch spannendste Erfahrung, die Sie im Umgang mit der Konstanzer Fasnacht erlebt haben? Die schönste Erfahrung war für mich die erste Teilnahme beim Fasnachtsauftakt der Niederburg vor etwas weniger als 20 Jahren. Die Warmherzigkeit aller Akteure, die natürlich alle mit ihrem Lampenfieber kämpfen. Die heimelige Atmosphäre im Unteren Konzilsaal. Das Konstanzer Publikum, das sehnsüchtig diesem Abend entgegenfiebert. Die Mischung kann man gar nicht richtig beschreiben, man muss sie erleben, denn ich würde sogar behaupten, dass es an diesem Abend einen fasnächtlichen Geruch gibt. Hier wurde ich mit dem Narrenvirus infiziert und diesem Fieber bin ich bis heute erlegen.

Wie würden Sie die Konstanzer Fasnacht in drei Wörtern beschreiben? lebendig – cool – ansteckend

Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen! Nach diesem Gespräch begebe ich mich in Richtung des Rathauses. Ich laufe durch den wunderschönen Innenhof, vorbei am Konstanzer Standesamt, wo bereits sehnsüchtig der Rathaushofhund Bello auf mich wartet.


Station 8: Bello Am kleinen Ausgang vom Rathaus zum Blätzleplatz bewacht ein treuer Hund den Innenhof. An diesem wunderschönen, kleinen und versteckten Ort setze ich mich auf eine Bank in der Sonne und komme mit dem Kunstwerk ins Gespräch. Ich: „Hallo Bello, wirklich schön hast du es hier!“ Bello: „Nicht weniger erwarte ich. Ich stamme schließlich von den treuen Jagdhunden der Göttin Diana aus dem Garten des Château de Fontainebleau ab. Auch wenn es meine Verwandten dort gut haben, habe ich es hier besser!“ Ich: „Aber die meisten Konstanzer sehen dich doch nicht, ob du nun verhüllt bist oder nicht. Du bist ja ein wenig versteckt hier.“ Bello: „Viele, die in Konstanz geheiratet haben, werden mich nicht vergessen! Genau gegenüber von mir ist das Standesamt, in dem viele schöne Eheschließungen stattfinden. Ich habe schon die schönsten und verrücktesten Hochzeiten mitbekommen, manchmal hatte ich sogar Freudentränen in den AugenO Diese schönen Tage wollen die meisten nie vergessen und so erinnern sie sich auch an mich. " Ich: „Du musst wohl schon lange hier sein, so gut wie du dich hier im Rathaus schon eingelebt hast, oder?“ Bello: „Eigentlich bin ich erst seit 2010 hier, aber ich habe schon so viel Unterschiedliches erlebt, dass ich mit Konstanz stark verbunden bin.“ Ich: „Stark verbunden? Ich habe oft das Gefühl, ich bin der Einzige der dich wahrnimmt und dich besuchtO“ Bello: „Ach Quatsch! Ich bin als Zeichen der Freundschaft zwischen Konstanz und Fontainebleau hierhergekommen und ich werde gut behandelt. Die wichtigsten Persönlichkeiten des Konstanzer Rathauses laufen täglich an mir vorbei. Selbst der Oberbürgermeister hat mir schon den Kopf gestreichelt. Ich bin der treue Konstanzer Wachhund.“


Ich: „Du kommst also eigentlich auch aus Fontainebleau? Wie hast du denn dann den Weg nach Konstanz gefunden?“ Bello: „Ja richtig, ich bin Franzose! Im Mai 2010 wurde ich anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft zwischen Fontainebleau und Konstanz als Geschenk übergeben. Ich bin als Zeichen der Verbundenheit, Freundschaft und Treue hierhergekommen.“ Ich: „Das ist ja schön! Ich habe auch schon von der tollen Städtepartnerschaft profitiert. In meiner Schulzeit habe ich einen sehr schönen 10-tägigen Austausch nach Fontainebleau machen dürfen. Nur schade, dass ich wieder so viel der Sprache verlernt habeO Dort habe ich aber auch deine Verwandten im Schlosspark getroffen. Vermisst du sie nicht manchmal?“ Bello: „Nur ein kleines bisschen. Alle 5 Jahre findet ein großes Städtepartnerschaftsfest statt, da sehe ich viele bekannte Gesichter aus der Heimat wieder. Während den Feierlichkeiten bin ich immer ganz stolz, ein Teil einer solch tollen Freundschaft zu sein. Das nächste Fest wird im Jahr 2020 stattfinden, vielleicht bekomme ich ja dann einen Spielkameraden geschenkt.“ Ich: „Ich wünsche es dir! Durch die KUNSTSTOFF-Aktion wirst du aber sicher auch mehr Leute haben, die zu dir kommen werden und dich beachten!“

Gerade als ein paar Mitarbeiter des Rathauses ihr Büro verlassen und zu Bello kommen, lasse ich ihn wieder alleine und gehe weiter in Richtung Laube.


Station 9: Berlinstein Nach dem Schlenker durch den Rathaushof, begebe ich mich nun auf einen kurzen Ausflug auf die stark befahrene Laube. Inmitten der vorbeirasenden Autos bewacht der Berlinstein den Grenzübergang zwischen Obere und Untere Laube. 1 977 wurde hier der Berlinstein als Symbol der Verbundenheit zu Berlin in Zeiten des Kalten Krieges erbaut und bewacht inmitten vorbei rasender Autos den Grenzübergang zwischen Obere und Untere Laube. Apropos Grenze... Wer kennt eigentlich Kreuzlingen? Ich auf jeden Fall nicht wirklich und das obwohl ich nebenan in Konstanz geboren und aufgewachsen bin. Also mach ich jetzt eine Entdeckungsreise!

Klosterkirche St. Ulrich

Ein Besuch der Klosterkirche St. Ulrich lohnt sich nicht nur wegen der Rokokodekorationen und des Chorgitters von Jakob Hoffner, sondern auch wegen der Ölbergkapelle. Darin wird unter dem lebensgroßen Kruzifix mit etwa 250 Arven-Holzstatuen die Passion Christi nachgestellt. Das Kloster Kreuzlingen wurde 1125 vom Konstanzer Bischof Ulrich I. vor den Konstanzer Stadtmauern als Augustiner-Chorherrenstift gegründet.

Seeburgpark

Die 2,5 km lange Seeuferanlage in Kreuzlingen ist der größte öffentliche Erholungs- und Erlebnispark am Bodensee und beinhaltet lauschige ruhige Plätze, einen großen Kinderspielplatz und einen Tierpark. Der Tierpark in der Seeuferanlage beherbergt insbesondere alte, vom Aussterben bedrohte Haustierrassen. Zudem laden der urbane Hafen und das Schloss Seeburg zu einem Besuch ein. Eine kleine Besonderheit bildet der Heil- und Gewürzpflanzengarten.


Seemuseum

Das Seemuseum Kreuzlingen beheimatet das einzige Schifffahrtsund Fischereimuseum im Bodenseeraum. Es hat seinen Platz in der ehemaligen Kornschütte des Augustinerchorherrenstiftes aus dem 17. Jahrhundert. Große und kleine Seefahrer können sich auf rund 1.500 Quadratmeter Ausstellungsfläche von detailgetreuen Schiffsmodellen und Segelbooten bezaubern lassen. Einblicke in den entbehrungsreichen Alltag der Bodenseefischerei erhält man in der Fischereiabteilung, in der Fischereihandwerk lebensecht präsentiert wird.

Museum Rosenegg

Das Museum Rosenegg ist in einem stattlichen Bürgerhaus, welches 1774 im Louis-XVI-Stil erbaut wurde, untergebracht. Es zeigt in vier Dauerausstellungen Kreuzlinger Persönlichkeiten, das Leben an der Grenze "Hüben und Drüben", Maß und Gewicht und gibt einen Einblick in die Wohnkultur des 18. und 19. Jahrhunderts. Ein besonderes Juwel in der Rosenegg ist der Stucksaal. Die Stuckdecke von Lorenz Schmidt stellt die damals bekannten vier Erdteile dar.

Festungsgürtel Kreuzlingen

Der Festungsgürtel Kreuzlingen war ein Ring von Festungsanlagen um die Stadt Kreuzlingen. Er wurde im Zeitraum von 1935 bis 1937 erbaut und umfasste eine Länge von 11,5 km. 79 zum Teil getarnte Bunker und weitere Hindernisse zur Abwehr von Panzern und anderen schweren Fahrzeugen. Die Anlage wurde bis 1999 genutzt und dann weitestgehend aufgegeben. Der Kanton Thurgau übernahm daraufhin einen Teil der Befestigung als Denkmal. Die Linie der Befestigung ist noch weitgehend erhalten und kann besichtigt werden.

Nun begebe ich mich als nächste Station neben den Karstadt, dort wartet eine kunstvoll gestaltete Verkehrssäule auf mich.


Station 1 0: Verkehrssäule Ich biege in die Neugasse ein und erblicke recht schnell eine einzigartige Verkehrssäule. Es handelt sich hierbei um das einzige Verkehrszeichen, das von der Aktion „Verkehrszeichen-Kunstwerke“ umgesetzt wurde. Ebenso wie bei diesem Kunstwerk, gab es auch bei der Verhüllungsaktion KUNSSTOFF zahlreiche auch heftige Reaktionen, wie gestohlener oder zerstörter Stoff und wüste Beschimpfungen. Im Folgenden gibt es eine Auswahl von Antworten aus einer durchgeführten Online-Umfrage...

1 . Wie waren Ihre ersten Reaktionen und Emotionen, als Sie die verhüllten Kunstwerke gesehen haben?

- Was geht jetzt ab?, Hat das irgendeinen Hintergrund? - Klasse Aktion, tolle Farbe, springt ins Auge. - Verwunderung, Aufmerksamkeit, Interesse. - Der Kitschstoff sah lustig aus, es hat Spaß gemacht, die verhüllten Kunstwerke zu "finden". - Ich fand alleine den Namen "Kunststoff" schon sehr kreativ! Und die Idee hinter der Aktion ist sehr gut, schließlich ist es wirklich so, dass man oft blind durch die Stadt läuft und gar nicht wahrnimmt, was da eigentlich Tolles steht.

2. Was haben Sie gedacht sei der Grund für die Verhüllung?

- Als erstes: ein Streich. Dann recht schnell: Kunstaktion. - Zuerst dachte ich, dass es eine Aktion vom Theater sei. Daraufhin hab ich aber das Schild gesehen und schnell war alles klar. - Aufmerksamkeit erregen, überlegen - Da ich schon vorher darüber gelesen hatte, hatte ich einfach nur diesen "Wiedererkennungsgedanken".


3. Wie sind Sie vor der Aktion mit Kunst im öffentlichen Raum umgegangen?

- Mal bemerkt, mal nicht. Oft um- und vorbei(ge)gangen, ohne Aufmerksamkeit auf die Kunst zu richten. - Ich wusste, dass sie da ist, aber nicht wie die Statue aussah. Viele der Statuen verbinde ich mit Kindheitserinnerungen. Ein paar (bspw. der Mülleimer) haben mich aber auch verwirrt. - Kunst im öffentlichen Raum, darauf werfe ich immer einen Blick, wenn ich die Möglichkeit dazu habe. Es ist interessant und richtig wenn Kunst für alle zugänglich ist. Außerdem könnte es ein Anstoß sein, um auf neue Gedanken zu kommen oder Gefühle zu erwecken. - Manchmal beachtet, näher betrachtet. Oft aber auch nicht.

4. Wie wollen Sie in Zukunft mit Kunst im öffentlichen Raum interagieren? Hat sich Ihre Sicht geändert?

- Ich hoffe, ich habe Kunst im öffentlichen Raum auch schon zuvor Aufmerksamkeit geschenkt - aber so wurde ganz definitiv die Aufmerksamkeit noch deutlicher gelenkt. Wir brauchen definitiv mehr solcher Aktionen! - Nein. Jeder, mit dem ich drüber gesprochen habe, fand es völlig verblödet. Dass am Rheinsteig, wo derzeit keine Fußgänger erlaubt sind, auch noch Flyer ausgelegt waren, war auch sehr dumm. Typisch für Stadtangestellte. Dumm wie Toastbrot. - Verändern tut sich bei mir wahrscheinlich nicht wirklich was. Außer das, was die Aktion ja sicher auch bewirken soll: Man läuft vielleicht wieder mit offeneren Augen durch unsere facettenreiche Stadt... - Interessierte schauen hin, andere nicht. Daran wird auch diese Aktion nichts ändern. - Ich möchte noch genauer hinschauen - und auch mehr über die Kunstwerke wissen.

Der Kopf schwirrt mir noch von all den Rückmeldungen, also gehe ich lieber schnell weiter zur nächsten Station.


Station 11 : Metzgerlebrunnen Auf dem Bodanplatz treffe ich auf einen weiteren Brunnen. Durch ein Meer aus Fahrrädern bahne ich mir meinen Weg zu ihm durch. Der Metzgerle Brunnen markiert den Konstanzer Ort, an dem einst der Rinder- und Fleischmarkt stattfand. Als wir bei ihm ankommen liegt er mir gleich schon mit seinen Beschwerden in den OhrenN "Sehr geehrte Menschen der Stadt Konstanz, ich bin ein großer Anhänger der Konstanzer Straßenfasnacht. Doch dieses Jahr habe ich ein Andenken bekommen, das mich extrem beleidigt und gedemütigt hat. Ein nicht tragbares Ereignis, das ich so ohne weiteres nicht hinnehmen kann! An einem kühlen, späten Abend der Fasnacht wurde mir ein Fahrrad über meinen hübschen Kopf gestülpt. Das ist kein schlechter Scherz, so absurd es auch klingen magO Während einer kurzen Unaufmerksamkeit konnte ich mich nicht gegen den neuen, seltsamen Kopfschmuck wehrenO Das ist keine Kunst, kein Modetrend und auch kein sicherer Kopfschutz. Ich will das nicht! Die traurige Höhe dieser Tat ist, dass sich offensichtlich kein Konstanzer, weder die Bürger noch die Verwaltung, dazu beauftragt gesehen hat, mir zu helfen. Seit 1980 bin ich in dieser schönen Stadt, mein Vorbild, nach dem ich geschaffen wurde, stammt sogar aus dem Jahr 1599. Ich bin ein fester, beständiger Teil der Konstanzer Kulturszene. ICH bin die Figur des Fleischhandels in Konstanz. Ich bin Metzgersymbol, Brunnen und Kunstwerk zugleich! Wie Atlas die Last der Welt tragen muss, musste ich die Last des Fahrrads erdulden. Euer Verhalten ist Ignoranz pur und ich spiele mit dem Gedanken euch alle wegen unterlassener Hilfeleistung anzuzeigen!


Liebe Stadt Konstanz, ich bin fassungslos und einfach nur enttäuscht. Zugeparkt von Massen an Fahrrädern schenkt man mir nicht die Beachtung und Hilfe, die ich verdiene. Wo soll das noch hinführen? OParkt das nächste Mal ein Auto auf mir, wegen Parkplatzmangel?! Doch es gibt Hoffnung: die mutigen Akteure der KUNSTSTOFFAktion sahen meine Not und mein Elend. Sie befreiten mich von der Last des Fahrrads und ich war frei. Doch das sollte noch nicht genug sein. Sie erkannten zudem mein wahres Potential und machten mich zu einem Teil ihrer großartigen Verhüllungsaktion. Danke liebes Kulturamt-Team! Achtung Konstanz, ihr erhaltet nun nochmal die Chance mich und alle anderen Konstanzer Kunstwerke im öffentlichen Raum richtig zu beachten und wahrzunehmen. Wir Kunstwerke wollen nur, dass ihr die normalen und anerkannten Regeln des Zusammenlebens auch bei uns einhaltet: Keinen Müll bei uns hinterlassen, keine Gewalttaten oder Verschmutzgen gegen uns, ein respektvoller Umgang miteinander, Rücksicht und *Es war dein Fahrrad? Wertschätzung und natürlich bitte keine Melde dich doch im Fahrräder auf uns abstellen!"

Konstanzer Fundbüro!*

Nachdem ich dem Metzgerle Brunnen hoch und heilig verspreche, dass ich nun regelmäßig bei ihm vorbeischauen und auf ihn achten werde, gehe ich weiter zu meiner letzten Station: dem Kaiserbrunnen auf der Marktstätte.


Station 1 2: Kaiserbrunnen Meine Tour neigt sich dem Ende zu, ich bin nämlich nun an der letzten Station angekommen: dem Kaiserbrunnen auf der Marktstätte! Doch Achtung, denn hier gibt es viel zu entdecken und vieles, das man schnell übersehen kann. Deshalb schaue ich mich jetzt ganz genau um. Am Anfang waren zwei Brunnen. Der „Obere Brunnen“ und der „Untere Brunnen“ beherrschten die Marktstätte vom 15.-18. Jahrhundert. 1897 musste der „Obere Brunnen“ dem neuen Kaiserbrunnen Platz machen, der die vier deutschen Kaiser: Heinrich III., Friedrich I. Barbarossa, Maximilian I., Wilhelm I. zeigt. Als Anfang der 90er Jahre die komplette Marktstätte umgebaut wurde, erhielt das Ehepaar Rumpf die schwierige Aufgabe den Kaiserbrunnen zeitgemäß zu erneuern. Die typischen Kaiserfiguren sollten dabei erhalten bleiben, jedoch nicht mehr isoliert und nicht mehr verherrlichend dargestellt werden. 1. Die erste Kaiserfigur repräsentiert Otto den I. (912 – 973). Neben der Tür auf der rechten Seite ist er zu finden. Als König und Kaiser war er im August 972, nach einem 6-jährigen Italienaufenthalt, in Konstanz eingetroffen. Er blieb bis zum 28. August, der Tag des Märtyrers Pelagius, Konstanzer Bistums- und Stadtpatron. Der Vogel auf seiner linken Schulter stellt seine Gemahlin Adelheid von Burgund dar, die er 951 in Italien geheiratet hat, nachdem sie nach abenteuerlicher Flucht vor einer ungewollten Heirat, Schutz bei König Otto I. fand.


2. Ich gehe nun auf die Seite rechts von Otto I. und stehe vor der zweiten Kaiserfigur: der deutsche König und Kaiser Friedrich I., genannt Barbarossa (1122-1190). Verbunden mit der Stadt Konstanz ist er vor allem dadurch, dass er mehrfach Gebrauch von der Konstanzer Gastfreundlichkeit machte. 1153 verhandelte er hier mit Papst Eugen über Römerzug und Kaiserkrönung und schloss mit ihm den „Konstanzer Vertrag“. Nachdem er im Juni 1155 in Rom zum Kaiser gekrönt wurde, kam er im November erneut nach Konstanz und erteilte der Stadt wichtige Privilegien über Rechte, Besitzungen und Grenzen. Danach folgten weitere Besuche mit Reichstagen, kaiserlichen Hoflagern. Einer der wichtigsten Besuche war definitiv der Aufenthalt im Juni 1183, als er den abgelaufenen italienischen Waffenstillstand neu verhandelte und schließlich Frieden mit dem Lombardenbund schloss. Die lateinische Urkunde dieses Friedens findet sich unterhalb von Friedrich I. am Brunnen. Ebenfalls ein Wahrzeichen am Kaiserbrunnen ist das lebensgroße Bronzepferd. Diese Skulptur erinnert auch daran, dass Kaiser Friedrich II. hier im Jahre 1212 während seiner Rückreise von Italien Rast machte. Da er es sehr eilig hatte in den Norden zu gelangen, erhielt das kaiserliche Bronzepferd acht anstatt vier Füße. 3. Ich drehe mich eine Kaiserfigur weiter um den Kaiserbrunnen und lande bei Maximilian I., römisch-deutscher Kaiser (1459-1519). Im Juli 1499 kam er erstmals mit großem Gefolge wegen des Kampfes des Reiches gegen die Eidgenossen nach Konstanz. In folgenden Besuchen verhandelte Maximilian I. mehrfach über Unruhen in der Stadt und Abtei Konstanz und der Region und hielt 1507 vom 30. April bis zum 26. Juli einen großen, feierlichen Reichstag in der beinahe abgefallenen Stadt Konstanz. Ähnlich wie in den Jahren des Konzils hinterließ auch diesmal der König hohe unbezahlte Schulden, weshalb es bei folgenden Besuchen in Konstanz zu hitzigen Treffen und Verhandlungen kam.


Maximilian I. zeigt mit seiner Hand auf eine Büste am Brunnenrand unter sich. Dies ist seine zweite Ehefrau Bianca Maria Sforza, mit der er die Ehe aus politischen Gründen einging. Rechts unter der Büste ist ein Hase angebracht, dieser ist ein Verweis aufAlbrecht Dürer. Dieser war ab 1512 Künstler in den Diensten von Maximilian I. und hatte die Natur und Tierwelt als entscheidendes Element. 4. Ich umkreise den Kaiserbrunnen eine Ecke weiter, um auch die letzte Kaiserfigur zu entdecken. „Hä, was macht eine Tür denn da?“ – Eine gute Frage! Die ursprünglich geplante vierte Kaiserfigur wurde gegen eine leicht geöffnete, mysteriöse Tür getauscht. Sie steht dafür, dass Geschichte auch immer Geheimnis bedeutet, dass vieles im Verborgenen bleiben muss. Die Symbolik der Tür steht für das Verborgene der Vergangenheit und die Ungewissheit der Zukunft. Eine der weiteren Bronzefiguren ist der Pfau am Brunnenrand. Die drei Köpfe mit ausgebildeten Mitren stellen eine Anspielung auf das große abendländische Schisma mit drei Päpsten dar, das durch das Konstanzer Konzil (1414-1418) beendet wurde. Zusätzlich zu entdecken sind der Vogel mit Kaiserkrone und der Vogel mit Mitra. Die Vögel sind Repräsentanten der weltlichen und geistlichen Macht. Sie spielen auf den ständigen Machtkampf um Autorität und Legitimation zwischen Kaiser und Papst an – die Machtfrage, die die Welt vom Mittelalter bis zur Neuzeit bewegte und Kriege entfachte. Wie am damaligen Anfang gibt es auch in der heutigen Zeit zwei Brunnen, auch wenn der zweite deutlich kleiner ist als der große Kaiserbrunnen. Der kleine Brunnen liegt zu Füßen des Kaiserbrunnens und an ihm sind vier Seehasen montiert.


Nach der Aufdeckung der zahlreichen Botschaften und Bedeutungen der Figuren des Kaiserbrunnens bin ich nun am Ende meiner Reise angelangt. Zum entspannten Abschluss meines Rundgangs kaufe ich mir eine Kugel Eis, setze mich in den Stadtgarten und genieĂ&#x;e die warme Sonne und den schĂśnen Tag.


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Impressum: Kulturamt Konstanz Ein Projekt des FSJ Kultur 201 7/201 8 im Kulturamt Autor, Gestaltung und Konzeption: Marius Herrmann MediaPrint, Stadt Konstanz

Fotos:

Š Kulturamt Konstanz / Fotograf: Michael Schrodt Kontakt: Kulturamt Stadt Konstanz WessenbergstraĂ&#x;e 39 78462 Konstanz Telefon: 07531 /900 900 E-Mail: kulturamt@konstanz.de



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