Eva Kimminich, Citoyen oder Fremder? Ausgrenzung und kulturelle Autonomie in der französischen banlieue Die Begriffe Immigration und Integration bergen eine Problematik, die in Frankreich erst seit den 1960er Jahren aufgearbeitet wird. Sie gründet auf dem Erbe der Aufklärung und auf den durch die Revolution von 1789 verkündeten Menschen- und Bürgerrechten. Eng mit den Werten von Republik und Demokratie verbunden, wurde daraus ein Selbstverständnis der Nation entfaltet, das die Grundlagen ihrer Integrationspolitik der 3. Republik bildete. In den 1970er Jahren des 19. Jahrhunderts stieg mit gleichzeitigem Einsetzen der durch die beginnende Desindustrialisierung ausgelösten Arbeitslosigkeit die Zahl der Einwanderer, was in den 1980er Jahren zu Wohnungsmangel, Verarmung sowie Anstieg von Kriminalität und Gewalt führte; ein Bündel von Problemen, das vor allem die in Frankreich geborenen Nachkommen immigrierter Familien betraf und Alltagsdiskriminierungen wie politischen Rassismus ansteigen ließ. Dagegen kamen weder die Maßnahmen einer Wohnungsbaupolitik an, die sich durch Quoten darum bemühte, ethnische Konzentrationen in einzelnen cités zu vermeiden, noch die zahlreichen sozialen Präventions- und Kulturprogramme, mit denen die Regierung dem verheerenden Ausmaß der Jugendarbeitslosigkeit und -kriminalität zu begegnen versuchte. Franzosen mit dunkler Hautfarbe leben aber nicht nur in einem geographischen, kulturellen und ökonomischem ‚Abseits’ der Gesellschaft, sondern auch in einem mentalen Ghetto kulturhegemonialer Phantombilder. So wurden die Vorstädte bald als ‚rechtlose Zonen’ wahrgenommen, in denen ‚gefährliche Fremde’ lebten, denen trotz französischem Pass nicht nur die citoyennété, sondern auch die über die Kolonialgeschichte daran geknüpfte civilté abgesprochen wurde. Durch die mediale Berichterstattung unterstützt, wurde der banlieusard so zum postmodernen ‚Barbaren’ stigmatisiert. Das verschärfte Rassismus und Diskriminierung einerseits, Gewaltbereitschaft und Ethnizität andererseits. In den 1980er Jahren entwickelte sich im Schatten einer favorablen Kulturpolitik in der banlieue aber auch eine Jugendbewegung (Hip-Hop), die den vernichtenden Phantombildern der Frankofranzosen wortstark entgegentrat. Ihre verbale Komponente, der Rap, gibt nicht nur Einblick in Wirkung und Ursachen kulturhegemonialer Projektionen, sondern erweist sich darüber hinaus als wirksame Selbsttherapie. Die Analyse zahlreicher Rap-Lyrics macht deutlich, dass das Integrationsmodell aus Franzosen dunkler Hautfarbe politisch aktive Staatsbürger gemacht hat, die die republikanischen Werte beim Wort nehmen und die Verwirklichung einer demokratischen Demokratie anmahnen. In diesem ‚ur’französischen, sich auf das Konzept der citoyennété berufendem Streben haben sich die in ihrer Vorbildfunktion einflussreichen banlieue-Intellektuellen in jüngster Zeit dem Islam