„Flamenco ist die Kunst, Feuer aus dem Mund zu speien und mit den Füßen auszulöschen.“
Jean Cocteau
El Arte Flamenco
Die Grundlagen für Liebhaber
Danken möchte ich Jörg Exner, der mir am Anfang den Auftrag für das Buch eingebrockt und mir am Ende beim Auslöffeln geholfen hat, Pia Dasbach für ihre Korrekturen, Oliver Farke von der Flamenco-Zeitschrift ¡anda!, meinen Eltern, meinen Schülern, meinem Gitarristen Jens Nebel, mit dem ich einige Jahre die Einheit von Tanz, Gitarre und Gesang leben durfte, meinen vielen Flamencolehrern, Carmen Flechtner für einen guten Start und für viele Workshops mit großartigen Tänzern aus Spanien, hervorheben möchte ich Joaquín Ruiz; danken möchte ich auch allen Flamencoschulen, die hochkarätige Workshops organisieren, vor allem Carma Leyds vom Ballettverein Ulm, den Künstlern von azabache Flamenco für Kurse und Auftritte, besonders Luis Monje Vargas für seinen warmherzigen Gesangsunterricht, Fernando Galán, der extra für meine Illustrationen Modell tanzte, und vor allem meiner seit 1992 liebsten Lehrerin La Mona.
Einführung: Kunst und Folklore, Internationale Verbreitung ...................... 9
Die Entstehungsgeschichte: Gitanos in Andalusien, Eine neue spanische Nationalkultur, „La Edad de Oro“ das Goldene Zeitalter .................. 12
Die Grundelemente des Flamenco ................................................... 19
Cante, der Gesang ............................................................................... 21
Palmas, das rhythmische Händeklatschen................................... 29
Baile, der Tanz ...................................................................................... 31
Toque, das Gitarrenspiel .................................................................... 46
Compás, der Rhythmus ...................................................................... 51
Harmonien des Flamenco ................................................................. 58
Die Stile, das Rückgrat des Flamenco ............................................. 63
Flamencostile im Überblick .............................................................. 69 Die Palos des Flamenco ...................................................................... 71
Das Zusammenspiel in der Gruppe ..................................................... 161
Strukturen und Zeichen ................................................................... 163
Exemplarischer Ablauf einer Soleá ............................................... 167
Flamenco im Wandel der Zeit: Unterhaltung für die Massen, Erhaltung des Erbes, Bunte Blüten aus alten Wurzeln .................................... 175
Die Wurzeln des Flamenco liegen in einem kleinen Gebiet Andalusiens, das vor allem die Provinzen Cádiz und Sevilla umfasst. Die mythischen Viertel der Zigeuner, wie die Barrios Santiago und San Miguel in Jerez oder Triana in Sevilla, gelten als seine Wiege. In einem Leben voller Leid und Ungerechtigkeit formten Bettler und Tagelöhner den befreienden Schrei zur Kultur. Flamenco ist in der ersten Person gelebte und erzählte Geschichte. Ähnlich wie der etwa zur selben Zeit in Amerika entstandene Blues der Schwarzen oder der Tango Argentino ist auch der Flamenco Ausdruck einer rechtlosen, heimatlosen Minderheit. Die Erinnerung daran prägt die Kunst der Flamencos, die sich dem unabwendbaren Schicksal mit geballter Lebenslust entgegenwerfen. „Es ist nötig zu dichten, zu singen und zu tanzen, damit die Lebenskraft in der Asche blüht. Mach dich hörbar, damit die Kraft der Seele in deinem Körper glüht“, sagt der namenlose Dichter.
Gitanos in Andalusien
Die Entstehung dieser Kunst ist geprägt von den seit dem 15. Jahrhundert nach Spanien eingewanderten Zigeunern. Nach persischen Quellen entsandte Anfang des 5. Jahrhunderts ein nordindischer Herrscher zwölftausend Musiker zu seinem Schwiegersohn nach Persien, dessen Untertanen wie die Reichen zu feiern verlangten. Noch heute ziehen nomadisierende Musikerclans mit ihren Tieren durch die Wüsten Rajasthans und musizieren auf religiösen wie weltlichen Festen. Auf ihrer jahrhundertelangen Wanderschaft durch Orient und Okzident übernahmen und beeinflussten die Zigeuner die Kultur ihrer Gastgeberländer. Überall sind sie als bezahlte Musiker und Tänzer dokumentiert. Im multikulturellen Andalusien konnten sie sich besser einfügen als anderswo. Wesenszüge und Lebensanschauung von Gitanos und überwiegend sehr armer einheimischer Bevölkerung sind sich ähnlich, was sicher ein Grund für deren bevorzugte Ansiedlung im südlichen Andalusien ist. Zur Zeit ihrer Ankunft war man zudem noch mit der Vertreibung von Juden und Mauren beschäftigt. Arbeitskräfte konnte das Land also brauchen. Der gesellschaftliche Wert ihrer traditionellen Berufe, wie das Schmiedehandwerk und der fahrende Handel, aber auch ihr Talent im Umgang mit Pferden und für die Musik wurden in Andalusien von manchen geschätzt.
Zigeunergesetze
Die katholischen Herrscher Spaniens begannen allerdings bald, die Zigeuner als Diebe und Hexen anzuklagen. Doch einzelne Familien kamen immer wieder in den Genuss von Privilegien, die sie vor den harten Zigeunergesetzen schützten. Einem solchen Fall verdankt der Flamenco vermutlich auch seinen merkwürdigen Namen: „Flamencos“ bedeutet eigentlich „die Flandrischen“. Die Region Flandern stand damals unter spanischer Herrschaft. Zigeunerfamilien, deren Angehörige sich in der flandrischen Armee besondere Verdienste
Flamencos die Flandrischen flamenco flämisch Die Entstehungsgeschichte
Gitano spanischer Roma
Die Entstehungsgeschichte
In einer Sevillaner Zeitung von 1858 wird ein Tanz namens „Jaleo Flamenco“ erwähnt. Das lässt darauf schließen, dass der Begriff Flamenco zur Betonung des Zigeunercharakters in Gebrauch gekommen ist. Nachdem er sich anfangs nur auf die Tänze bezog, wurden die Tänzerinnen, die sich mit ihrem Gesang begleiteten, um 1860 dann schon als Flamencosängerinnen bezeichnet.
„La Edad de Oro“ das Goldene Zeitalter
Mit dem steigenden Interesse am Flamenco begann auch seine Vermarktung. Weinhandlungen steigerten ihren Absatz durch das Engagement von Flamencogruppen, die ihre Häuser füllten. Ab 1860 setzten sich die Cafés Cantantes als öffentliche Auftrittsorte der Flamencos durch. Der in Europa verbreitete Trend zu Konzertcafés hatte Spanien schon einige Zeit früher erreicht: Das erste Konzertcafé in Sevilla wurde 1847 eröffnet. Dort traf sich hauptsächlich die elegante und aristokratische Oberschicht zum Gespräch bei gepflegter Klaviermusik. Daneben gab es aber auch andere, wie das Café de Cagajones, wo schon frühe Meister der Flamencogitarre wie José Patiño und Antonio Pérez auftraten. Die neuen Cafés Cantantes orientierten sich an den Salones und verbanden Flamencovorstellungen und Gastronomie. Die erhöhte Bühne wurde „Tablao“ genannt, in Erinnerung an die großen Eichentische, auf denen die Tänzerinnen in den Tavernen nicht selten getanzt hatten.
Zum ersten Mal boten sich den Flamencokünstlern Arbeitsverträge mit fester Gage. Die Professionalisierung und auch die Konkurrenz untereinander beflügelte die Kreativität und eine Vielzahl neuer Cantes und persönlicher Varianten wurden geschaffen. Die professionellen Bühnen zogen auch immer mehr Payos an. Diese taten sich besonders in der Schaffung neuer, von der Folklore beeinflusster Stile hervor. Es war die Epoche der größten Aktivität in der Entwicklung des Flamenco. Sie wird deshalb als das „Goldene Zeitalter“ bezeichnet.
Café Cantante Konzertcafé
Tablao Flamencobühne
Payo Nichtzigeuner
Die Grundelemente des Flamenco
Für die weitere Entwicklung des Flamenco ist das Zusammenspiel der drei Elemente Cante (Gesang), Baile (Tanz) und Toque (Gitarre) bestimmend. Seit der Einführung der Cafés Cantantes besteht ein professionelles „cuadro flamenco“ also mindestens aus je einem Cantaor, Bailaor und Tocaor. Wichtig ist auch ein Palmero, der sie mit rhythmisch perfektioniertem Händeklatschen unterstützt.
Cante Flamenco
Ablauf
Temple wortlose Einstimmung
Salida, Entrada Einleitung
Tercio grande Hauptteil
Tercio de Alivio erholsames Drittel
Tercio valiente mutiges Drittel
Cambio Wechsel
Remate Abschluss
Macho Abgesang
Aussage des Interpreten. Dieser dichtet, variiert und kombiniert seine Letras nicht selten spontan aus der momentanen Stimmung heraus.
Trotz des orientalisch geprägten Gesangs richten sich die Coplas nach dem in Spanien üblichen Versmaß mit acht Silben und der Assonanz, einem Reim nur auf die Vokale der letzten zwei Silben. Eine traditionelle Flamenco-Copla ist mit ihren meist drei oder vier Zeilen abgeschlossen und kann beliebig mit anderen aneinandergereiht werden. Manche Letras sind auf einen bestimmten Stil festgelegt, viele tauchen aber in verschiedenen Palos auf. Erst als man begann, die Werke bekannter Dichter zu singen, ging man von der improvisierten Kombination einzelner Letras zu durchkomponierten Stücken über. Längere, zusammenhängende Geschichten zu singen, war allerdings auch in der Frühzeit des Flamenco üblich, etwa bei den Romanzen.
Klassischer Ablauf eines Cante
Wie viele Letras ein Solist singt, hängt von seiner Inspiration und seinem Einfallsreichtum ab. Dabei spielt es auch eine Rolle, wie gut er sich mit seinem Gitarristen versteht, der ihm in den Verschnaufpausen mit Melodien, den Falsetas, antwortet und ihn inspiriert. So kann es bis zu einer Viertelstunde gehen, bis sich ein Cante zu seinem abschließenden Höhepunkt steigert.
Der klassische Ablauf der meisten Cantes beginnt mit dem „Temple“, der Einstimmung. Es kann aber auch eine poetische Einleitung sein, Salida oder Entrada genannt. Das anschließende Tercio grande zeigt das überlieferte Mark, das Herz dieses Stils. Im Tercio de Alivio kann der Cantaor Kraft schöpfen für den schwierigsten Teil, den Tercio valiente. Im „mutigen Drittel“ wagt der Cantaor eigene Kreationen und Variationen und steigert sich zum emotionalen Höhepunkt seines Cante. Im abschließenden „Cambio“, auch „Remate“ oder „Macho“, wird häufig die Tonart zu Dur gewechselt. Zur rhythmischen
Palo Flamencostil
Steigerung im Schlussteil seines Gesanges geht der Cantaor auch oft in einen turbulenteren, verwandten Stil über, z. B. von Tiento in Tango oder von Soleá in Bulería. Mit diesem fulminanten Abschluss seiner Darbietung zerstört er die tragische Stimmung eines Cante jondo und die Juerga kann weitergehen.
Der Duende
Der Flamenco legt keinen Wert auf den schönen Schein. Der Mut zur Wahrhaftigkeit ist die Voraussetzung für das Erscheinen des Duende. Im Flamenco kommt immer wieder dieses geheimnisvolle Phänomen zur Sprache, für das es keine rationale Erklärung gibt. Nach altem Zigeunerglauben ist der Duende ein Dämon. Vom Künstler geweckt, bemächtigt er sich der Herzen der Anwesenden und lässt sie im Gleichklang schlagen.
Es ist das seltene Wunder des absoluten gegenseitigen Verstehens. Die Fälle gemeinsamer, befreiender Ekstase, die so weit gehen können, dass die Menschen sich die Kleider zerreißen, lassen in der Tat einen Zauber vermuten. Der von vielen Cantaores zitierte Dichter Federico Garcia Lorca hat in seinem Aufsatz „La teoria y el juego del duende“ dem Wesen dieses Dämons nachgespürt. „… der Duende liebt den Abgrund, die Wunde, und er nähert sich den Stellen, wo sich die äußeren Formen in einer Sehnsucht auflösen, die über den sichtbaren Ausdruck hinausgeht.“
Jaléos, die Anfeuerungsrufe
Im Flamenco war es bestimmt von Anfang an üblich, die Akteure mit Zwischenrufen anzufeuern. Die Jaléos sind für den Künstler eine wichtige Bestätigung, dass er von den Umstehenden verstanden wird, sie mit ihm atmen und fühlen. Es gibt die Momente, wo sie den Atem anhalten, um danach mit einem kräftigen Jaléo wieder Luft zu schöpfen.
Baile Flamenco
Der Mann versucht dagegen, durch Kraft und gerade noch im Zaum gehaltene Triebe zu überzeugen. Vor allem manche der jungen Bailaores tanzen „wie ein wilder Stier“. Männer arbeiten mehr von der Taille abwärts, mit eleganter Beinführung und kraftvollen Zapateados. Sie sind oft schneller, vor allem in den Drehungen. Die klaren und linearen Bewegungen bleiben mehr in der Vertikalen. Auch die Armführung der Männer ist strenger und geradliniger. Die Hände drehen sich von der flachen Hand zur Faust, wobei die Finger meist geschlossen bleiben.
In erster Linie geht es um die Ausprägung des eigenen Charakters im Tanz. Genauso wie Frauen eine herrische Wildheit auf den Tanzboden donnern, haben Männer inzwischen den Mut, ihre weiche Sinnlichkeit zu zeigen. Ganz wichtig sind die Momente des spannungsgeladenen Innehaltens, dem geradezu explosionsartige Ausbrüche rasanter Zapateados und kraftvoller Bewegungen gegenüberstehen. Grundsätzlich wird der Ausdruck natürlich von den sehr unterschiedlichen emotionalen Inhalten der Cantes geprägt.
Der Baile ist ein Tanz voller Gegensätze, bei dem es viel mehr um Emotionen als um vordergründige Schönheit geht. Dieser ekstatische Charakter, der wohl vor allem auf den Einfluss der Zigeunerkultur zurückgeht, macht den Baile zu etwas ganz Besonderem – die unvergesslichen Momente, wenn alle Dämme brechen und das Gefühl über die Postura triumphiert, wenn der Duende das Publikum in einen kollektiven Rausch stürzt. Im Flamenco zählen vor allem Temperament und Persönlichkeit. Viele junge Tänzer vollführen eine Art Hochleistungssport mit ihren Füßen. Die Armbewegungen manch zarten Mädchens erinnern mehr an Karate als an Tanz – womöglich empfindet sie das Leben mehr als Kampf denn als Verführung. Doch die beste Technik, die perfekteste Bewegung kann nie so berühren wie die Wahrhaftigkeit eines Menschen. Der legendäre Bailaor „El Farruco“, Patriarch der Gitanos von Sevilla, sagte: „Du musst zeigen, wer du bist.“ Und auch: „Mit einer einzigen Bewegung meiner Arme sage ich mehr als andere in einer ganzen Choreografie.“
Die Flamencostile
Klassifizierung
ganzen Wucht, mit der etwa Carmen Amaya die Alegría tanzte, wird aus dem Cante chico ein Baile grande und jondo. Nicht zuletzt spielt die Herkunft eines Stückes eine Rolle. Das Aire, die Atmosphäre jeder wichtigen Stadt des Flamenco, ist anders. Zum Beispiel nehmen die Menschen in Cádiz alles leichter, und sind berühmt für ihren politischen Karneval, während in Córdoba jeder Satz einen tiefen, ernsthaften Sinn hat, wie bei Seneca. So sind die Alegrías de Cádiz ein rasantes Spiel mit dem Rhythmus, wogegen eine Alegría aus Córdoba recht gesetzt wirkt.
Manche Künstler experimentieren mit Mischungen verschiedener Stile in einem Stück. Vor allem Tänzer wollen so für Abwechslung sorgen und etwas Neues schaffen. Letzteres Bestreben treibt die Entwicklung jeder Kunst voran. Im Flamenco wird es den Akteuren manchmal schwer gemacht, weil schnell der Ruf nach dem Respekt vor den Wurzeln laut wird.
Es gibt noch diverse andere Klassifizierungen und Versuche, Entwicklung und Zusammenhänge der Stile in Stammbäumen aufzuzeichnen. Wir lehnen uns in der folgenden Zuordnung in etwa an die von Molina und Mairena in ihrem Buch „Mundo y Formas del Cante flamenco“ aufgestellten Kriterien an. Sie richten sich nach Ursprung und Verwandtschaft der Stile, die allerdings auch nicht in jedem Fall zweifelsfrei nachgewiesen sind.
Die aus unzähligen Quellen stammenden Liedtexte sind oft so ähnlich aufgeschrieben, wie man sie singt. Sprachliche und grammatikalische Korrektheit darf man hier nicht erwarten. Oft mündlich weitergegeben, sind verschiedene Abwandlungen eines Textes entstanden. Es kommt auch durchaus vor, dass dieselbe Letra in verschiedenen Palos verwendet wird.
Meine Übersetzungen können nur möglichst nahe an den Worten mitteilen, was da steht. Die Poesie der Cantes zu übersetzen wäre eine Aufgabe für sich und man würde Gefahr laufen, etwas Eigenes daraus zu machen. Ich versuche auch nicht, den tieferen Sinn der Lieder auf Deutsch wiederzugeben. Die Worte lassen manchmal viel Raum zur Interpretation. Meiner Ansicht nach muss jeder für sich selbst den Sinn darin finden, egal ob im Original oder in der Übersetzung. Die deutschen Worte dürfen genauso rätselhaft bleiben wie die spanischen.
Cantes a palo seco
Diese ursprünglich und zum größten Teil auch heute noch ohne Gitarrenbegleitung gesungenen Stile bilden die Basis des Cante jondo. Die Bezeichnung Flamenco für eine neue Kunstform tauchte zwar erst um 1860 auf, beginnend mit den Tänzen der „Flamencas“ und nach der Einführung der Gitarrenbegleitung. Doch die Kunst, mit den Modulationen der Stimme tiefe Gefühle auszudrücken, war in Jahrhunderten gereift.
In die auch „Cantes sin Guitarra“ genannte Gruppe ordnen wir unter anderem der andalusischen Volksmusik entstammende Stile ein, die zwar in der Entstehungsphase des Flamenco eine Rolle spielten, dann aber kaum „flamencisiert“ wurden und selten zu hören sind. Wie zum Beispiel der Pregón, ein monotoner Cantes sin Guitarra ohne Gitarrenbegleitung
Pregón öffentliches Ausrufen
Cantes Flamencos básicos II
Petenera corta
En la provincia de Cádiz ha nacío la Petenera, en un pueblo que le dicen Paterna de la Rivera.
In der Provinz Cádiz ist geboren die Petenera, in einem Dorf, das sie nennen Paterna de la Rivera.
Cantes Flamencos básicos II
Cantiñas
Cantiña
Die Gruppe der Cantiñas hat ihren Ursprung in der Küstenregion um Cádiz, zwischen der Halbinsel San Fernando und Sanlúcar de Barrameda an der Mündung des Guadalquivir. An der Costa de la Luz nimmt man das Leben traditionell leichter als anderswo in Andalusien. In der Kolonialzeit war Cádiz die prächtigste Handelsstadt des Reiches. „La tacita de plata“ (Silbertässchen) nennen die Bewohner sie auch liebevoll und besingen vergnügt die Schönheit ihrer Stadt und das Meer. In den Cantiñas drückt sich ihre ganze Gracia aus – ein Wort, das zu übersetzen man schon mehrere Wörter braucht, denn es gehören Anmut, Witz und Stolz dazu.
Die Cantiñas entstanden nicht im Milieu der Flamencos, sondern waren populäre Folklorelieder und -tänze. Schon seit zweihundert Jahren dürfen sie in dieser Gegend auf keiner Fiesta fehlen. Frühe Quellen erwähnen sie im Zusammenhang mit den „Juguetillos“, Gesängen, die den Remates einiger Cantiñas sehr ähnlich sind. Cantaores des aufkeimenden Flamenco griffen die ursprünglichen Lieder auf und passten sie der neuen Kunstform an. Dazu übernahmen sie den Compás der Soleá, der aber schneller gespielt wird und sehr fröhlich und beschwingt wirkt.
Der Begriff Cantiñas bezeichnet sowohl eine Gruppe verwandter Stile als auch einen eigenen Stil mit persönlichen und örtlichen Varianten. Daneben sind die wichtigsten Stile in der Gruppe der Cantiñas in erste Linie die Alegrías, dann die Caracoles, die Mirabrás und die Romeras.
Die Namen von weiteren Cantiñas wie La Rosa, La Contrabandista oder Cante de las Mirris beziehen sich auf die Themen der Stücke, von denen heute nur je eine Version bekannt ist. Die Mirris waren zwei „venusgleiche“ Bailaoras – Gitanas, die auf der Landstraße von Sanlúcar nach Puerto Schnecken verkauften.
Cantina Weinkeller
Escala Mayor/Menor 12er-Compás
Gracia Anmut, Witz und Stolz
La Rosa Lied der Rose
La Contrabandista
Lied der Schmuggler
Cante de las Mirris Lied zweier Zigeunerinnen
Palos
Cantes aflamencados III
Cantes de Ida y Vuelta
4
1 2 3 4
Colombiana
Quisiera, cariño mio, que tú nunca me olviaras, que tus labios con los míos en un beso se juntaran y no hubiera en el mundo nadie que nos separara. Colombiana
Die Colombiana ist eine um 1930 entstandene Neuschöpfung im Stil der Cantes de Ida y Vuelta, in der sich der Einfluss der kubanischen Habanera bemerkbar macht. Der Name kam vermutlich durch die Inspiration mit kolumbianischer Folklore zustande. Die Colombiana wird im allgemeinen Pepe Marchena zugeschrieben, der jedenfalls ihr bedeutendster Interpret und sehr populär mit süßlichen Liebesliedern war. Die Colombiana wird im Compás einer sanften Rumba gespielt, aber ihre Melodie erinnert an die Guajira.
Ich wünschte mir, meine Liebste, dass du mich nie vergisst, dass deine Lippen mit meinen sich in einem Kuss vereinen und dass es niemanden gibt auf der Welt, der uns trennen kann.
Das Zusammenspiel in der Gruppe
Beginnend mit den ersten öffentlichen Vorstellungen von Tänzen der Flamencas Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Wegbereiter des Gitarrenspiels Ramón Montoya in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die künstlerische Einheit von Gesang, Tanz und Gitarre. Es bildeten sich allgemeingültige Strukturen und Zeichen heraus, die ein Zusammenspiel auch ohne vorherige Proben ermöglichen.
Zusammenspiel
Im Flamenco kann man zwar wundervolle Solostücke machen, bei denen die Gitarre, der Gesang und sogar der Tanz ohne jede Begleitung brillieren. Diese Kunst lebt aber in erster Linie von der Kommunikation miteinander.
Kommunikation
In unserer Zeit bringen immer mehr Kompanien bis ins letzte Detail ausgefeilte Produktionen auf die großen Bühnen. Der inzwischen extrem hohe Anspruch der Künstler an das technische und musikalische Niveau lässt sich fast nur noch durch intensives, gemeinsames Arbeiten erfüllen. Jeder Ton, jeder Akzent der Musik spiegelt sich im Tanz. Was Tänzer heute rhythmisch machen, ist oft so kompliziert, dass die Gruppe den Tanz schon gut kennen muss, um ihn mit der entsprechenden Energie begleiten zu können.
Oder die Musik kommt gar vom Band. Dann wird der Tanz perfekt darauf zugeschnitten und die Tänzer können sicher sein, dass alles genau so passiert wie geplant. Allerdings müssen sie dann mit dem Ohr an der Musik kleben. Sie können nicht mit ihrer eigenen Energie die Dynamik und das Tempo bestimmen oder einen Moment der Inspiration auskosten. Gerade das macht aber den Flamenco so großartig.
Wenn man dem Tanz die Kommunikation mit den Musikern wegnimmt und auf Konservenmusik choreografiert, zeigt sich auch, dass das traditionelle Bewegungsrepertoire des Flamenco vergleichsweise arm ist. Um das Publikum bei einer großen Bühne auch aus der Ferne noch zu erreichen, greifen solche Produktionen gerne raumgreifende Bewegungen anderer Tanzformen auf. Große Künstler erschaffen zweifellos auch ohne Livemusik hin und wieder wundervolle Stücke. Mit Bühnenbild, Licht und Kostümen entstehen sehr überzeugende Gesamtkunstwerke. Sie können vom Gefühl her durchaus ganz und gar Flamenco sein, obwohl vieles darin nicht mehr den Regeln des Flamenco entspricht. Es ist nicht nötig zu definieren, was noch als Flamenco gel-
ten darf und was nicht mehr. Doch das eigentliche Wesen des Flamenco ist die Kommunikation zwischen individuellen Persönlichkeiten, die – jede auf ihre Art – in einem gemeinsamen Gefühl und mit einer gemeinsamen Energie über sich hinauswachsen.
Es erfordert viel Einfühlungsvermögen, die unterschiedlichen musikalischen Vorstellungen der Individuen zu einer sich gegenseitig steigernden Einheit zu verschmelzen. Wenn das im spontanen Zusammenspiel gelingt, schwingt eine gewisse Magie mit, der geheimnisvolle Duende.
Strukturen und Zeichen
Die Schlüssel zum tieferen Verständnis des Flamenco, egal ob für den Zuschauer oder für den Lernenden, sind neben der Kenntnis der Stile die Regeln und Zeichen, mit denen die Kommunikation funktioniert. Es ist wie eine Sprache, die aus Ton, Rhythmus und Bewegung besteht. Am besten ist es natürlich, man lernt sie wie die Muttersprache. Die Kinder aus dem Milieu der Flamencos brauchen darüber nicht nachzudenken. Alle anderen müssen ganz viel hören und sehen, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, was gerade passiert und wo es hingehen soll.
Im Flamenco ist weniges wirklich festgelegt. Es gibt keine Instanz, die vorschreibt, wie ein Element heißt und auf welche Art es ausgeführt werden muss. Nicht einmal über die Begriffe sind sich die Flamencos einig. Dasselbe Wort bedeutet oft in Bezug auf Gesang, Gitarre oder Tanz etwas Unterschiedliches. Lehrer erfinden auch eigene Bezeichnungen für die Verständigung mit ihren Schülern, die diese dann weitergeben. Es haben sich aber gewisse Schemen etabliert, die eine sichere Basis für das Zusammenspiel bilden. Wenn Künstler aufeinandertreffen, die nicht zusammen proben können, genügen ein paar Absprachen, bevor man auf die Bühne geht. Es kommt vor, dass erst direkt vor dem Auftritt ausgemacht wird, wer welchen Stil interpretieren wird.
Zusammenspiel
Strukturen und Zeichen
Flamenco im Wandel der Zeit
Gitano-Pop
In den 80er-Jahren war in Paris nichts so schick wie „La movida“, die spanische Szene. Gitano-Popgruppen hatten international ihre größten Erfolge mit Rumbas Flamencas, die viele Flamencologen jedoch nicht zum Flamenco zählen. In deutschen Plattenläden stehen unter der Sparte Flamenco aber gerade diese kommerziell erfolgreichen Scheiben. So glauben viele Leute, Flamenco zu hören, wenn es eigentlich nur vom Flamenco gefärbte Salsa, Rumba, Rockoder Popmusik ist. Zuschauer wundern sich dann über avantgardistische Tanzkunst, hatten sie sich doch auf Animiermädchen gefreut, die zur Musik im Stil der Gypsy Kings mit den Röcken wedeln.
Erwartung und Wirklichkeit
Dem Wort „Flamenco“ scheint ein besonderer Reiz anzuhaften. Es gibt sogar schon Staubsauger, die so heißen. Was den Zuschauer bei einer angekündigten Flamencoveranstaltung erwartet, ist schwer vorauszusehen. Vielleicht tanzen die Damen des spanischen Vereins Sevillanas und Fandangos in mit Rüschen überladenen Feriakleidern.
In den großen Sälen gastieren die bedeutenden Kompanien, wie das Ballet Nacional de España. Doch die musikalisch und tänzerisch perfekt ausgefeilten Großproduktionen präsentieren meist eine Art spanisches Tanztheater. Bühnenwirksame, mal vom Clasico español, mal vom Contemporanéo geprägte Gruppenchoreografien geben der eigentlichen Flamencokunst wenig Raum zur Entfaltung, wenn das Individuum in der Dichte kaum noch auszumachen ist und der festgelegte Ablauf keine Freiheit lässt für die Magie des Augenblicks.
Es kann aber auch passieren, dass man auf einem Flamencofestival in ein Stück moderner Tanzkunst gerät. In seinem zutiefst berührenden, sich ins Gedächtnis brennenden Solo „Guerrero“ durchleidet der grandiose Tänzer und Dar-
Flamenco im Wandel
steller Juan Carlos Lérida die ganze Wahrheit eines Soldaten im Krieg. Eine derartige Tanzperformance spaltet das Publikum. Sie verschafft dem Flamenco aber einen Platz an der Spitze internationaler Tanzkunst.
Die Tabulosen
Israel Galván ist der am meisten verehrte und gefürchtete Tänzer des aktuellen Flamenco. Von Geburt an fest im Flamenco verwurzelt, verfügt er über ein tänzerisches Können, das über jeden Zweifel erhaben ist. Er nutzt es seit Jahren, um mit spektakulären Inszenierungen kompromisslos sämtliche Tabus niederzureißen. Das Publikum erliegt dem Genie in einer Mischung aus Faszination und Abscheu. Künstler wie er erweitern die Möglichkeiten des Flamenco enorm, obwohl er selber behauptet, nichts anderes zu machen als die Alten, an die sich nur niemand mehr erinnert.
Zu den schillernden Figuren des Gegenwartsflamencos gehört auch die Bailaora Rocío Molina, die vom spanischen Kultusministerium unter anderem für ihre Verdienste um die Erneuerung des Flamenco mit dem Premio Nacional de Danza 2010 ausgezeichnet wurde. Andererseits fragten Kritiker nach ihrem Auftritt auf der 16. Bienal de Flamenco, was so ein Stück, das so wenig Flamenco sei, auf diesem Festival zu suchen habe. Rocío Molina tanzte mal barfuß, mal im Bikini oder in Hosen, wobei sie ein Zigarillo rauchte. Doch sie sagte, sie habe ihr ganzes Leben lang nur Flamenco getanzt.
Die Vorstellungen davon, was Flamenco ist, gehen eben sehr weit auseinander. Doch man sollte bedenken, dass der Flamenco seit jeher eine Kunst ist, die durch fremde Einflüsse gewachsen ist und sich ständig erneuert hat. Bei Fusionen entstehen neben oberflächlichen Hits – vorübergehenden Modeerscheinungen – immer auch Werke von jener tiefen Emotionalität, die den Flamenco ausmacht. Manche befürchten zwar, dass der Flamenco sich verwässert
lamenco bedeutet:
sich dem Schicksal mit geballter Lebenslust entgegenwerfen.
Ob Tanz, Gitarrenspiel oder Gesang: Fundiert und übersichtlich werden in diesem Buch die wesentlichen theoretischen Grundlagen des Flamenco vermittelt.
Dazu gehören seine geschichtlichen Wurzeln ebenso wie die zahlreichen
Stile und das Zusammenspiel in der Gruppe. Nebenbei wird mit so manchem gängigen Klischee aufgeräumt.
Lernenden wie Zuschauern eröffnet das Buch ein tieferes Verständnis dieser faszinierenden Kunst und möchte ihnen den Weg zum Aficionado, zum wissenden Liebhaber, ebnen.
Dieses Buch ist aus der Erfahrung im Unterricht und auf der Bühne entstanden. Die Autorin arbeitete dabei eng mit ihrer wichtigsten Lehrerin, der erfahrenen Bailaora La Mona, zusammen.
80 Illustrationen vermitteln einen lebendigen Eindruck von der Vielfalt des Flamenco.