Über dieses Buch Feengestalten finden sich in den Märchen aller Völker, viele Regionen und Länder haben ihre eigenen Feenwesen, wie die Sidhe oder »das gute Volk« in Irland, die Huldren in Island oder die Vilen auf dem Balkan. Dennoch weisen diese Gestalten viele Gemeinsamkeiten auf, die es erlauben, sie alle unter dem Sammelbegriff Feen zusammenzufassen. Die vorliegende Sammlung zeigt anhand verschiedener europäischer Märchen typische Motive der Feenmärchen und des Feenglaubens. Was aber sind Feen? In der Regel sind Feen keine »harmlosen«, niedlichen, süßen Figürchen, sondern mächtige Wesen, mit denen nicht zu spaßen ist und die nach ihren eigenen Maßstäben leben. Außerdem zeigen die Märchen, dass Feen keine kleinen geflügelten Elflein sind, die durch die Luft schwirren, wie es in vielen Abbildungen gerne dargestellt wird. Kein einziger Märchentext beschreibt Feen in diesem Sinne. Feen sind mächtig, sie verfügen über magische Kräfte und brauchen die ihnen immer wieder angedichteten Flügel keineswegs, egal ob sie nun klein oder groß in Erscheinung treten ...
Über die Herausgeberin Sabine Lutkat, geb. 1970 in Karlsruhe. Studium der Erziehungswissenschaft, Germanistik und Psychologie an der Freien Universität Berlin. Freiberuflich tätig in der Erwachsenenbildung mit Vorträgen und Seminaren zu Märchenthemen, als Märchenerzählerin sowie als Reiseleiterin in Irland. Seit 2004 Präsidiumsmitglied der Europäischen Märchengesellschaft (EMG), www.maerchen-emg.de.
Feen-Märchen zum Erzählen und Vorlesen
Herausgegeben von Sabine Lutkat
Königsfurt
Ungekürzte Sonderausgabe
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Sonderausgabe Krummwisch bei Kiel 2007 © 2007 by Königsfurt Verlag D-24796 Krummwisch www.koenigsfurt.com Umschlaggestaltung: Stefan Hose, Götheby-Holm, unter Verwendung eines Motivs von Lo Scarabeo, Turin Satz: Noch & Noch, Balve Druck und Bindung: cpi-Moravia Printed in EU ISBN 978-3-89875-191-9
Inhaltsverzeichnis
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Feen in dieser Sammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Feen als Schicksalsfrauen Der Prinz und die drei Feen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neid zwischen zwei Schwestern . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Hilfreiche, dankbare und bestrafende Feen Die schwarzbraune Kuh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das vergessene Kind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Onkel aus der Feenwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Una, das Elbenmädchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Schweineberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Fahrt im Huldrenboot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Becher der Elfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Ernteknecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . O’Donoghue’s Dudelsack . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die verwunschene Fee vom Rosenberg . . . . . . . . . . . . . .
28 33 35 37 40 50 52 63 67 73
Die Feen und die Liebe Die Elbenkönigin Hild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vila bleibt Vila . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Hirt und die drei Samovilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Mädchen von der Alm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
76 83 92 98
Der Elbenkönig auf Selö . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Mundharmonika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die schöne Waldfee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die weiße Alpenrose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
103 108 112 117
Die Welt der Feen Der Elfenring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Feen-Handtuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eine Nacht in der Elfenwohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Des Nebelberges König . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
136 138 140 166
Feen-Geschichten – einmal anders Von den Laumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Feen-Ammen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
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Einführung Elfenlied Um Mitternacht, wenn die Menschen erst schlafen, Dann scheint uns der Mond, Dann leuchtet uns der Stern; Wir wandeln und singen Und tanzen erst gern. Um Mitternacht, wenn die Menschen erst schlafen, Auf Wiesen, an den Erlen Wir suchen unsern Raum Und wandeln und singen Und tanzen einen Traum. Johann Wolfgang von Goethe
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eengestalten finden sich in den Märchen aller Völker, viele Regionen und Länder haben ihre eigenen Feenwesen, wie die Sidhe oder »das gute Volk« in Irland, die Huldren in Island oder die Vilen auf dem Balkan. Dennoch weisen diese Gestalten viele Gemeinsamkeiten auf, die es erlauben, sie alle unter dem Sammelbegriff Feen zusammenzufassen. Die vorliegende Sammlung zeigt anhand verschiedener europäischer Märchen einige typische Motive der Feenmärchen und des Feenglaubens. Nicht mit aufgenommen wurden Kunstmärchen mit Feen aus dem Frankreich des 18./19. Jahrhunderts, als es dort eine wahre Flut von Feenmärchen gab. Jedoch sind nicht alle enthaltenen Texte reine Volksmärchen im engeren Sinn. Einige Texte aus der 7
Sammlung von Villamaria (siehe Quellenverzeichnis) sind stark literarisch bearbeitet und deutlich dem Geschmack der Zeit angepasst, aber sie enthalten doch wichtige Motive im Zusammenhang mit dem Thema, so im Märchen Die weiße Alpenrose der Brauch, beim ersten Almaufstieg den Feen einen Stein zu opfern und sich so mit ihnen auf guten Fuß zu stellen, um nur ein Beispiel zu nennen. Was aber sind Feen? In der Regel kann man davon ausgehen, dass Feen keine »harmlosen«, niedlichen, süßen Figürchen sind, sondern mächtige Wesen, mit denen nicht zu spaßen ist, und die nach ihren eigenen Maßstäben leben. Vom Sprachgebrauch her werden heutzutage die Worte »Fee« und »Elfe« beliebig austauschbar benutzt, hinzukommen seit Tolkiens Herr der Ringe auch die »Elben«. In der Fachliteratur werden die Feen als Naturgeister im weitesten Sinne eingestuft, und die Bandbreite der ihnen zugeordneten Gestalten aus Märchen, Sagen, Aberglaube und Brauchtum reicht von den Feen und Elfen selbst über Waldweiblein, Nixen bis hin zu den Perchta und Frau Holle. Alle diese Erscheinungsformen der Feen auch nur in Ansätzen darzustellen, würde hier den Rahmen sprengen. Es muss der Hinweis genügen, dass sich die Feengestalten keiner einheitlichen Überlieferung zuordnen lassen, sondern dass sich hier vielfältige Vorstellungen miteinander vermischt haben, die von den Elementargeistern über die keltischen Andersweltvorstellungen bis hin zu den Schicksalsgöttinnen reichen. Festzuhalten bleibt aber, dass all diesen unterschiedlichen Gestalten einige Motive und Verhaltensweisen eigen sind, die immer wieder auftauchen und die es erlauben, sie gemeinsam in eine Gruppe einzuordnen. Die aufgenommenen Märchentexte zeigen deutlich, dass Feen nicht wie beispielsweise die Götter der Menschenwelt völlig enthobenen sind. Nein, die Welt der Menschen und die Welt der Feen existiert neben- und miteinander, beide Welten stehen 8
in einer wechselseitigen Beziehung, wenn nicht sogar Abhängigkeit. Des weiteren zeigen die Märchen, dass Feen keine kleinen geflügelten Elflein sind, die durch die Luft schwirren, wie es in vielen Abbildungen gerne dargestellt wird. Kein einziger Märchentext beschreibt Feen in diesem Sinne. Feen sind mächtig, sie verfügen über magische Kräfte und brauchen die ihnen in vielen bildlichen Darstellungen immer wieder angedichteten Flügel keineswegs, egal ob sie nun klein oder groß erscheinen. Das ist ein weiterer Wesenszug, der in jeder Sammlung mit Feenmärchen deutlich wird: sie haben keine fest bestimmbare Gestalt: sie werden ebenso oft als groß, edel und wunderschön beschrieben, wie als »kleines Volk«, d.h. kleine, manchmal sogar koboldartige Wesen. An ihrer Macht und ihrem Einfluss ändert das Äußerliche allerdings nichts – und vielleicht ist es ja so, dass sie sich von den Menschen nur in der Form wahrnehmen lassen, wie sie jeweils gesehen werden wollen. Aufgrund der wechselseitigen Verbundenheit von Menschenund Feenwelt liegt der Schwerpunkt in den überlieferten Erzählungen auf eben den Begegnungen zwischen Feen, also den Anderswelt-Wesen auf der einen Seite und den Menschen auf der anderen Seite. Die Menschen haben zu allen Zeiten und in allen Kulturen gewusst, dass es da noch eine andere Welt als die der Menschen gibt, eine »Anderswelt«, bevölkert von den »anderen Wesen«. Die Bewohner der Anderswelt wollen mit Respekt behandelt werden, dann kann die Begegnung mit ihnen zum Glück ausschlagen. Bei respektloser Behandlung allerdings werden die Menschen hart, manchmal sogar mit Krankheit und Tod »bestraft«. Dennoch kann man sagen, dass die Feen nicht Böses um des Bösen willen tun, eigentlich sind sie den Menschen eher gut gesinnt; man hat den Einruck, dass sie über den menschlichen Kategorien von Gut und Böse stehen und nach ihren eigenen 9
Gesetzen leben. Sie tun den Menschen nichts Übles per se, sondern was dem Menschen als »schlecht« erscheint, sind in der Regel Folgen der bösen Handlungen des Menschen selbst, Folgen der Respektlosigkeit gegenüber den Feen und ihrer Missachtung. In manchen Geschichten erscheinen die Feen jedoch »dämonisiert«, sie werden den Hexen gleichgesetzt. Es gibt Märchen, in denen in der einen Variante die Hexen, in der anderen Variante die Feen die Rolle des Bösen und Unheimlichen innehaben. Dies ist vermutlich eine jüngere Erscheinung, denn nicht nur die Hexen, auch die Feen wurden durch das Christentum der Ebene des Unheimlichen und des zu Vermeidenden zugeordnet. Dabei entstammen Feen und Hexen nicht der gleichen Ebene. Feen sind Wesenheiten, Naturgeister, und Hexen sind Menschen, die mit diesen Wesen Kontakt aufnehmen und von ihnen lernen können, sei es das Wissen über Heilpflanzen, Zaubersprüche oder andere Dinge. Eine besonders reiche Tradition des Feenglaubens hat in Gegenden wie Irland und Island überlebt, und aus diesen beiden Ländern stammen viele Märchen der vorliegenden Sammlung. Aber nicht ausschließlich, auch andere europäische Länder reihen sich in den Feenreigen ein.
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Die Feen in dieser Sammlung Feen als Schicksalsfrauen Die ersten beiden Märchen thematisieren ein weit verbreitetes und wohlbekanntes Motiv. Es handelt sich um die Vorstellung von Feen als Schicksalsfrauen, die einem Kind bei der Geburt sein Schicksal zuweisen, aus der Sammlung der Brüder Grimm wohl bekannt aus Dornröschen. In dem rumänischen Märchen Der Prinz und die drei Feen bemessen die Feen dem Prinzen bei der Geburt seine Lebenszeit, und diese kann nur verlängert werden, indem seine Gattin ihm Jahre von sich selbst abgibt. Die Feen als Schicksalsfrauen erinnern in ihrer Funktion hier an die Moiren und Parzen, die Schicksalsgöttinnen Griechenlands und Roms, und an die germanischen Nornen. In dem Balkanmärchen Neid zwischen zwei Schwestern geben sie ebenfalls dem Neugeborenen gute Gaben mit auf den Weg, die der Märchenheldin nach viel Leid letztendlich zum vorhergesagten Glück und der Hochzeit mit dem Königssohn verhelfen.
Hilfreiche, dankbare und bestrafende Feen Darauf folgt eine große Gruppe von Märchen, in denen die Protagonisten von der Begegnung mit den Feen Nutzen oder Schaden davontragen. In dem irischen Märchen Die schwarzbraune Kuh, mit dem diese Gruppe beginnt, scheint der Protagonist Schemus der Gelackmeierte zu sein. Er fordert von den Feen seine Kuh 11
zurück, lehnt alles andere ab, aber ob das weise war? Denn als er die Kuh nach Hause bringt, fällt sie beim Aussprechen von Gottes Namen wie Asche in sich zusammen, und Schemus und seine Mutter gehen leer aus. Viel wohlwollender werden die Feen im nächsten Märchen dargestellt, am Ende wird die Fee sogar mit einer Göttin gleichgesetzt: Im lettischen Märchen Das vergessene Kind behütet eine Fee so lange das Kind einer Mutter, die es aus Versehen zurückgelassen hat, bis sie es wieder holt. Feen und Kinder haben seit jeher eine enge Beziehung, und Ludwig Tieck hat in einem seiner Kunstmärchen das Motiv ausführlich dargestellt, dass es gerade die Kinder sind, die den Feen noch nahe stehen, die die Feenwelt und das Feenhafte in unserer Welt im Gegensatz zu den Erwachsenen wahrnehmen und schätzen können, ein Motiv, was auch im letzten Märchen dieser Sammlung, Des Nebelberges König, anklingt. In Das vergessene Kind wie auch in dem darauf folgenden Märchen Der Onkel aus der Feenwelt, in dem der Onkel einer armen Familie nach seinem Tode anscheinend bei den Feen weiterlebt, helfen die Feen bzw. der Onkel völlig ohne Gegenleistung den Bedürftigen. Allerdings deutet das irische Märchen bereits darauf hin, dass es im Umgang mit hilfreichen Feen gewisse Tabus gibt, damit diese Hilfe weiterhin gewährt wird. Wird der Onkel angesprochen, so verschwindet er und mit ihm die Unterstützung für die arme Familie. Ein ähnliches Tabu wird in dem isländischen Märchen Una, das Elbenmädchen gebrochen. Das über Jahre hinweg hilfreich auf dem Hof arbeitende Mädchen wird von einem Knecht bei ihrem Gang in die Anderswelt, in das Feenreich verfolgt, und als sie das merkt, verschwindet sie für immer, zum Glück ohne Schaden für den Bauern, den Hof oder den Knecht. Auch in dem irischen, etwas skurrilen Märchen Der Schweineberg greifen die Feen letztendlich ungerufen hilfreich ein. Sie helfen einem Mann, der aufgrund heimtückischer Wesen, die nicht 12
näher im Märchen benannt werden, eine lange Leidenszeit hinter sich hat, unterstützen ihn, damit er sich ein neues Leben aufbauen kann und holen ihn nach seinem Tode zu sich in ihr Reich. Die Begegnung mit den Feen ist nicht immer ganz ungefährlich. Einem Mann, der mit den isländischen Feen, den Huldren, auf Fischfang geht, werfen sie, nachdem sie ihn wieder abgesetzt haben, sein Messer nach, das er vergessen hat, und verfehlen ihn dabei nur knapp. Es scheint so zu sein, dass der Mann sich bei den Feen nicht fürs Mitnehmen und den guten Fang bedankt hat. Aber er ist trotzdem noch einmal glimpflich davongekommen. Viel schlimmer geht es dem Sprössling aus dem Geschlecht Edenhalls in dem Märchen Der Becher der Elfe. Wenn es sich dabei auch um ein stark literarisch bearbeitetes Märchen handelt, so beinhaltet es doch typische Motive: Die Fee, die Elfe gibt einer Edelfrau aus Dankbarkeit einen Becher, der dafür sorgt, dass das sterbenskranke Kind der Edelfrau wieder gesund wird. Zugleich ist dieser Becher fortan aber auch der Garant für das Glück des Geschlechts der Edenhalls, vorausgesetzt, der Becher und somit auch die Fee werden in Ehren gehalten. Ebenso typisch ist es, dass der letzte Spross sein Glück herausfordert und den Becher verächtlich vernichtet. Damit aber verhöhnt er die Feen und ihren Einfluss und beschwört seinen eigenen Untergang herauf und auch den seines ganzen Geschlechts. Es vergeht kaum Zeit zwischen der Zerstörung des Elfenbechers und seinem eigenen Tod. Das Motiv der dankbaren Feen durchzieht auch die beiden nächsten Märchen, wobei im isländischen Der Ernteknecht wiederum das Motiv des Tabus in Verbindung mit der guten Gabe eine Rolle spielt. Das irische Märchen O’Donoghue’s Dudelsack beinhaltet zudem ebenfalls das Motiv des Wechselbalgs, wenn auch hier auf eine höchst amüsante Weise, sowie ein weiteres Motiv, das untrennbar mit den Feen verknüpft ist: Sie tanzen gerne und lieben die Musik, Musik und Tanz gehört mit zu den beliebtesten Beschäftigungen der Feen, und so finden sich 13
Beschreibungen dessen auch in anderen hier aufgenommenen Märchen, wie z. B. im Eine Nacht in der Elfenwohnung. Das letzte Märchen dieses Teils, Die verwunschene Fee vom Rosenberg aus dem Elsass enthält wiederum das Motiv einer erlösungsbedürftigen Fee, die ihren Erlöser dankbar reich beschenkt
Die Feen und die Liebe Auch das Thema Liebe ist bezogen auf die Feen ein wichtiges. Oft handeln die Märchen von Beziehungen zwischen Fee und Mensch, doch es gibt auch Märchen, die davon berichten, dass die Liebe im Feenvolk vorkommt, allerdings unerwünscht, und die Fee selbst muss durch einen Menschen erlöst werden, bevor sie sich mit ihrem geliebten Feenkönig wieder vereinen kann, so in dem Märchen Die Elbenkönigin Hild aus Island. In der Regel gehen die Beziehungen zwischen Feen und Menschen eher tragisch aus. Doch zwei Beispiele sind in diese Sammlung aufgenommen worden, in denen die Beziehung glücklich endet: Die beiden Balkanmärchen Vila bleibt Vila und Der Hirt und die drei Samovilen greifen das Motiv der Martenehe auf, indem der Held während des Zusammenlebens mit seiner Fee ein ihm auferlegtes Tabu bricht, sie daraufhin verschwindet und er sie in einer langen Suchwanderung wiedergewinnen muss. Beide Märchen enden glücklich, wobei bei letzterem das Zurückholen nur mit Hilfe ihrer beiden Schwestern gelingt, und zum Abschluss ausdrücklich betont wird, dass alle schönen Frauen von dieser Verbindung abstammen. Viele Märchen berichten aber davon, dass die Liebe zu einer Fee, einem Feenmann nicht unproblematisch ist, und für den Menschen zumeist tragisch endet, manchmal sogar für beide. In dem isländischen Märchen Das Mädchen von der Alm liebt ein Mädchen einen Huldrenmann, muss einen menschlichen Mann 14
heiraten, beim Wiedersehen sterben beide, das Mädchen und der Huldrenmann, an gebrochenem Herzen. Dies ist zudem ein schönes Beispiel dafür, dass Feen nicht immer weiblich sind. Die drei anderen Märchen, die hierher gehören, Der Elbenkönig auf Selö, Die Mundharmonika und Die schöne Waldfee handeln davon, dass Untreue zur Fee oder ihre Misshandlung tragisch bis tödlich für den menschlichen Märchenhelden ausgeht. Aus diesem Muster bricht das Tiroler Märchen Die weiße Alpenrose etwas aus. Es ist ebenfalls ein stark literarisch bearbeitetes Märchen, das aber wichtige Aspekte des Feenglaubens aufweist. Da ist zum einen die oben bereits erwähnte Ehrerbietung beim ersten Almaufstieg, die darauf hinweist, dass der Feenglaube auch in diesen Regionen stark im Brauchtum verwurzelt war. Aber hinzukommt, dass in diesem Märchen das Thema der unsterblichen Seele der Christen und der ewigen Verdammnis der Feen aufgenommen wird. In vielen Märchen fragen sich die Feen, ob sie am Jüngsten Tag das ewige Himmelreich erlangen können, sprich, ob sie eine Seele haben. Oft fällt die Antwort negativ aus, manchmal unbestimmt. In diesem Märchen aber kann die Fee eine unsterbliche Seele durch die eheliche Verbindung mit einem frommen, treuen und liebenden Christenmenschen erlangen. Und es gelingt in diesem Märchen, die Fee bekommt das Ersehnte und der Märchenheld seine geliebte Fee. Ein interessantes und schönes Märchen, auch wenn es etwas süßlich und kitschig ist, dem Geschmack der damaligen Zeit entsprechend.
Die Welt der Feen Die nächste Gruppe von Märchen soll ein bisschen Licht auf die Welt der Feen und die dort herrschenden Gesetzmäßigkeiten werfen, die über das bereits Gesagte hinausgehen. Es ist nicht un15
gefährlich, sich in die Welt der Feen zu verirren, manchmal kommt man dort hinein, ohne es zu merken, und dann ist guter Rat teuer. In dem irischen Märchen Der Elfenring reitet ein Bursche ohne es zu merken in einen Feenring, und erst auf das Zeichen der Freundschaft lassen sie ihn wieder hinaus. Glücklicherweise hat es ihm seine Mutter vorher verraten und glücklicherweise hat er ein kluges Mädchen hinter sich auf dem Esel. Die Frauen wissen um die Existenz der Feenwelt und wie man damit umzugehen hat. Weniger gut hat es der Mann in dem Märchen Das FeenHandtuch aus Irland, der von den Feen entführt wird, entkommen kann, aber bald darauf stirbt. Der Aufenthalt im Feenreich ist mit vielen Gefahren verbunden, nicht zuletzt deshalb, so wissen es viele Märchen, weil die Zeit dort anders geht als bei uns. Diese Erfahrung macht auch der junge Mann in Eine Nacht in der Elfenwohnung aus Schottland. Dieses Märchen beinhaltet unter der literarischen Überformung eine Menge an typischen Feen-Motiven: Sie leben unterirdisch, sie bitten ihn um die Verlegung des Stalles, da das Pferdegetrampel sie stört, und unterstützen ihn nach der Gewährung der Bitte. Als er unschuldigerweise des Mordes verdächtigt wird und hingerichtet werden soll, retten sie ihn vor dem Galgen. Er spielt für die Feen Musik in ihrem Reich, doch als er danach wieder zurückkehrt, ist in der einen Nacht im Feenreich in Wirklichkeit ein Jahrhundert im Menschenreich verflossen, und auch er wird zu Staub. Dieses Märchen zeigt deutlich, dass die Feen nach ihren eigenen Gesetzen leben, sie wollen ihm nichts Böses, ja sie retten ihn sogar, aber über die Zeitunterschiede denken sie nicht einmal nach. Das letzte Märchen dieser Sammlung, das estnische Märchen Des Nebelberges König, berichtet davon, dass ein Mädchen von den Feen gerettet wird und sie mit ihrem Kind glücklich bei den Feen lebt, während das Dorf verdorrt, weil die Feen wütend sind, dass sie ihrem Schützling etwas anhaben wollten. 16
Feen-Geschichten – einmal anders Den Feenreigen beenden einige Geschichten aus Litauen (von den Laumen) und aus Irland. In diesen kleinen Geschichten werden weitere Aspekte angesprochen, die für die Feenmärchen typisch sind: Die Vorliebe von Feen für menschliche Kinder und deren Vertauschung mit so genannten Wechselbälgen, das Verbinden von guten Gaben mit Tabus, das Belohnen von respektvollem und das Bestrafen von respektlosem Verhalten, usw. Aus Irland stammen die Berichte von den Feen-Ammen. Die Geschichten drehen sich um das Motiv, dass die Feenwelt sich menschlicher Ammen für ihre Kinder bedient. In diesen Geschichten wird ganz deutlich, dass es im Feenreich nicht nur weibliche Wesen gibt, es ist mehrfach vom Feenkönig und Feenmännern die Rede. Weit verbreitet, nicht nur in Irland, ist die Vorstellung, dass Feen im Wirbelwind reisen, wie es hier im letzten Teil angedeutet wird. Allerdings scheint der letzte Teil in Feen-Ammen auch darauf hinzuweisen, wie stark der Glaube an die Feen und an das Stehlen von Menschen durch die Feen verbreitet war, sogar in Fällen, wo unklar bleibt, ob die Feen nun etwas damit zu tun hatten oder nicht. Die ganze Bandbreite der Feen, ihrer Welt und ihres Wesens kann mit dieser kleinen Sammlung nur angedeutet werden, es gibt unzählige weitere Märchen und Sagen, die sich mit diesen Gestalten beschäftigen. Aber es bleibt zu hoffen, dass diese Sammlung eine Anregung gibt, sich in die Anderswelt zu begeben und sich auf die bereichernde und interessante Begegnung mit den Feen einzulassen. Sabine Lutkat
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Feen als Schicksalsfrauen
Der Prinz und die drei Feen
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s war einmal, was noch nicht da war. Es war einmal ein Kaiser, der immerfort zu Gott betete und zu ihm sprach: »Gib mir, oh Herr, gib auch mir einen Sohn! Gib, oh Herr, auch mir einen Sohn! Das ist mein einziges Sehnen!« Der Herrgott schenkte ihm einen Sohn, damit seine Qual gestillt werde. An drei Abenden kamen drei weise Frauen, um ihm in drei Nächten sein Schicksal zu bestimmen und es ihm bis zum Tode zu weissagen. Zuerst sprach die eine Fee: »Schwestern, ich finde es billig, dass wir ihm ein langes Leben schenken, denn er ist seiner Eltern Einundalles.« Da rief die mittlere Fee ihrerseits: »Mich dünkt es besser, dass wir ihm nur einige Tage schenken, damit ihn der Gedanke an den Tod nicht schmerze und erschrecke.« Die kleinste Fee aber schnitt ihm den Faden zu und rief: »Warum wünscht ihr ihm dies und das? Ich gewähre ihm ein Leben von einundzwanzig Jahren. Dann soll er sterben, beweint und betrauert von einer ganzen Welt, wie es dem Sohne eines großen Herrn zukommt.« So sprachen die Feen, brannten ihn an der Nase und verschwanden ungesehen und ungehört. Als der Prinz einundzwanzig Jahre vollendet hatte, vermählte ihn der Kaiser mit der Tochter eines anderen Kaisers, wie es der Brauch verlangte. Die einundzwanzig Jahre waren gerade voll, als er mit der Braut heimfuhr. Da kamen sie an einen Fluss, den sie überschreiten mussten. Alle kamen hinüber, ohne dass sich trotz der elenden Pferde etwas ereignete. Doch als der Prinz mit seinem Flügelross übersetzen wollte, da verschlang, als ob die Zeit es lenkte, die Erde das Pferd, so dass der Kaisersohn herabfiel und ertrank. Man eilte herbei, um ihn herauszuziehen, doch … 20