3 minute read

seRIe: geRmanIsches naTIOnalmuseum

Next Article
KuRTi / famIlIen

KuRTi / famIlIen

BLiCK iN dAS FOYER dES GNM RiChTUNG EiNGANG BLiCK iN diE STAhLKONSTRUKTiON dER BRüCKE, FOYER dES GNM

Advertisement

curt und das germanische nationalmuseum teil 4

HinTeR densTRassensCHildeRn

beginnT deR gaRTen TExT: MARIAN WILD, FOTOS: AxEL EISELE

Einen Erstkontakt mit der Straße der Menschenrechte, dem neuem „Kulturforum“ und dem dadurch vollzogenen postmodernem Umbau der Altstadt haben wir im ersten Teil dieser Kolumne aufgenommen, aber die Geschichte des neuen Haupteingangs ist noch lange nicht auserzählt. In der Fortsetzung geht es um das Innere des gewaltigen Raums, der neuen Piazza, in der die Wege der einzelnen Museumsbereiche zusammenlaufen und die Besucherströme sich aufspalten. Ruhig und leer liegt das Foyer frühmorgens vor der Kamera des Beobachters, die Sonne wirft harte Streifen durch das vollverglaste Tonnendach, dessen Verstrebungen eine irritierende Eigenlogik haben: Man kennt diesen Effekt aus manchen altniederländischen Kirchen, in Orten wie Haarlem, in denen die Kirchenhandwerker hauptberuflich große Schiffe gebaut haben. Da sind die Deckengewölbe mitunter wie Schiffsrümpfe konstruiert, was in der Bauaufgabe, dem Kirchenschiff, eine ganz eigene Logik hat: ein auf den Kopf gestelltes Segelschiff, das durch die religiösen Meere kreuzt. Und in der Tat scheint das Schiffsmotiv auch hier im Foyer weit zu tragen: Die Stahlbrücke mit angedeutetem Fischbauchträger erinnert an eine elegante Gangway, die Treppenanlage gleich am Eingang, mit der stilisiert-antiken Ruinenarchitektur, lässt sich auch als maritimer Deckaufbau lesen, das vorherrschende Weiß der Elemente findet sich so auch auf einem klassischen Kreuzfahrtschiff. Der Raum vexiert also zwischen antikem Marktplatz und Dampfer auf hoher See, es ist eine vielstimmig sprechende Architektur für ein Bauteil, das in erster Linie einer klaren Funktion, nämlich der Orientierung dient. Ist die Aufgabe also gelungen? Wenn man sich eines der räumlichen Grundprobleme des GNM vor Augen führt, nämlich die Tatsache, dass das Museum kein Einheitsbau, sondern ein über viele Jahrhunderte architektonisch gewachsener Organismus ist, ein eigener Stadtteil innerhalb der mittelalterlichen Mauern, war ein solches Eingangszentrum sicher nötig. Die Museumsquartiere der internationalen Hauptstädte gehen seit Jahrzehnten den gleichen Weg, schaut man in das zeitgenössische Foyer unter der Pariser Louvre-Pyramide von I. M. Pei oder auf David Chipperfields neues Eingangs- und Verteilergebäude für die Berliner Museumsinsel. Die Erschaffung dieses neuen Raums mitten in Nürnberg war in den 1990ern also folgerichtig und auch mutig, etwas gemein könnte man aber fragen: Hatten die Entscheider*innen für den Neubau mit der Tatsache Glück, dass in diesen Jahren die postmoderne Architektur den Höhepunkt ihres ästhetischen Einflusses in Deutschland hatte? Ja und nein, vermute ich mal ganz frech. Ein Gewinn für den Ort ist das vielperspektivische Denken des Entwurfs: Das Bauteil ist Marktplatz UND Schiff, Treffpunkt UND Fotomotiv, Whitecube UND architekturhistorische Wunderkammer. Der Raum bleibt dadurch im besten poetischen und antiautoritären Sinn mehrdeutig und asymmetrisch, er eignet sich nicht für konventionelle Machtgesten, was in Nürnberg ein Wert an sich ist.

st. katharina open air

Konzert-Sommer in der Katharinenruine Juni ––– Juli 22

© Studio plan x, plan-x.de

Katharinenruine, Am Katharinenkloster 6 / Programm, geltende Infektionsschutzbestimmungen und Tickets auf katharinenruine.de / 0911 231-4000

Ein Problem des Entwurfs scheint dagegen die postmoderne Konstruktion zu sein: Durch die systematische überdimensionierung der Bauteile, die durchweg massiver sind als statisch nötig, seien es Wände, Stützen, Stahlelemente oder Brüstungen, verliert der Raum viel von einer potenziellen Leichtigkeit, die erholsame, gedankliche Freiheit des Entwurfs kollidiert mit der schwerlastenden Materialästhetik. War dieser Konflikt womöglich explizit gewollt? Das ist schwer und nicht pauschal zu beantworten, jedenfalls fällt auf, dass die „Gags“ der historischen Architekturzitate und sich prominent in Szene setzenden Bauteile an vielen anderen „postmodernen“ Orten nicht optimal altern, wenn man z.B. anche Details der Stuttgarter Staatsgalerie betrachtet. Man lacht nicht mehr, die fröhliche Anekdote der bunten Rohre und nachgebauten griechischen Theater ist irgendwann auserzählt. An ihre Stelle tritt im glücklichsten Fall die originelle, skulpturale Qualität der Bauteile, die den Entwurf auffängt – bis die sicher irgendwann wiederkehrende, architektonische „Mode“ die postmoderne Erzählung der Bauteile irgendwann in ein paar Jahren oder Jahrzehnten vielleicht wieder verständlich und sogar pfiffig werden lässt.

geRmanIschesnaTIOnalmuseum Kartäusergasse 1, Nbg. Di-So 10-18, Mi 10-20:30 Uhr. www.gnm.de

This article is from: