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musIKInsTallaTIOn InTeRVIeW
LAURE M. hiENdL & BASTiAN ZiMMERMANN.
mUsik insTallaTionen nüRnbeRg
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4 tage experimentelle musik und performative raumkunst
das viertägige MUSiK iNSTALLATiONEN FESTiVAL verwandeltNürnberg ab dem 7. Juli zu einer hochburg zeitgenössischer experimenteller Musik und performativer Raumkunst. Ein mega spannendes neues Format, das man so nicht zuerst in Nürnberg verorten würde, auch, da die beiden Festivalleiter Laure M. Hiendl & Bastian Zimmermann in wien und München leben. Umso schöner, dass es doch so ist.
Für MUSiK iNSTALLATiONEN NüRNBERG habt ihr den Subtitel RaumZeitKörper-Musiken; das klingt verführerisch & spannend. Aber was bedeutet für euch performative Raumkunst? BZ: Musik muss nicht zwangsläufig nur auf Bühnen stattfinden. Klang entspinnt sich zuallererst im Raum, spielt mit der Architektur, reflektiert an den Wänden. Und Klang wird vor allem von Menschen kreiert. Eine mit Intention bewegte Materie ergibt Klang, ergibt Musik. Diese Aspekte, den Raum, den Mensch und auch die Zeit, also lange Dauern, wollen wir bei den MUSIK INSTALLATIONEN in den Mittelpunkt stellen. LH: Im Gegensatz zu Klanginstallationen, die ja mit klangproduzierenden Objekten operieren, wollen wir von Menschen produzierte Klänge in den Fokus rücken. So soll dann Musik vor allem als Raumkunst wahrgenommen werden, d.h. als etwas, das sich fast wie eine lebende Skulptur im Raum verhält. wie kam es zu dieser Festival-idee? Und warum in Nürnberg? LH: Es gibt schlichtweg noch kein Festival, das sich genau auf diesen Zwischenbereich von Musik, Performance und Installation bewegt. Es ist uns ein Anliegen, dieses Format zu etablieren und Künstler*innen, die sich darauf konzentrieren – und die auf anderen Musikfestivals diese Art von Arbeiten oft nur im Nebenprogramm zeigen können – eine Plattform zu bieten. Es ist eher der Bildende Kunst-Kontext, der bisher diese Art von Arbeiten prominent gefeatured hat. Diesen Strömungen auch im Musikbetrieb ein stärkeres Gewicht zu verleihen, war uns ein wichtiges Anliegen. BZ: Vor ein paar Jahren entstanden Arbeitsverbindungen nach Nürnberg. Insbesondere mit dem damals an der Akademie lehrenden Musiker Jan St. Werner und seinem damaligen Assistenten Michael Akstaller. Darüber lernten wir Stadt und Menschen kennen. Mit Hajo Wagner, der damals die Kulturhauptstadtbewerbung leitete und nun die Stabstelle für Kultur auf dem Ehemaligen Reichsparteitagsgelände innehat, fanden wir einen großen Unterstützer. Und letztlich waren es Menschen wie Wally Geyermann, unsere Produktionsleitung, die uns zeigte, dass solch ein großes Festival auch praktisch möglich ist. welche Künstler*innen sind geladen und wie habt ihr die Auswahl getroffen? BZ: Insgesamt haben wir acht Positionen eingeladen. Das sind Einzelpersonen, Duos und auch ein Kollektiv. Die Produktionszeit des Festivals ist als öffentlich gefördertes mit knappen Antragszeiten ebenso sehr kurz bemessen, daher haben wir für diese erste Ausgabe internationale Künstler*innen ausgewählt, mit denen wir in irgendeiner Form Arbeitserfahrung und somit ein Vertrauensverhältnis hatten. Das sind z.B. das in Nürnberg gegründete DAF-Kollektiv, das Musikperformance-Duo Benjamin van Bebber & Leo Hofmann, die Zusammenarbeit
von der Choreograph*in Heinrich Horwitz und dem Hamburger Decoder Ensemble, sowie dem japanisch-amerikanischen Raum- und Klangkünstler Nile Koetting. LH: Dazu haben wir noch die Performer*innen Göksu Kunak und Astrit Ismaili, den Komponisten Wojtek Blecharz und die Choreografin Vala T. Foltyn, den Komponisten und Improvisatoren Lester St. Louis aus New york, sowie Creamcake – eine interdisziplinäre Plattform aus Berlin – eingeladen. Die teilnehmenden Kunstschaffenden kommen aus den Sparten Musik, Tanz, bildende Kunst, Musiktheater und Schauspiel. Die musikalischen Genres reichen vom klassischen Instrumentarium bis hin zu Elektro- und Popmusik mit experimentellen Ansätzen. welche Performance-Künstler*innen erwartet uns? LH: Wojtek Blecharz und Vala T. Foltyn werden sich mit dem unerwünschten Erbe des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes auseinandersetzen. Sie stammen beide aus Polen und sind u.a. wegen ihrer queeren Identität mittlerweile im – man kann sagen – politischen Exil, in Berlin und Kopenhagen. Beide beschäftigen sich in ihrer künstlerischen Praxis mit Formen des Ritualhaften, in denen Partizipation des Publikums integraler Bestandteil ihrer ästhetischen Formensprache ist. Auf dem Gelände des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes werden sie eine Installation entwerfen, bei dem das Publikum verschiedene Orte des megalomanisch überdimensionierten Geländes besuchen kann und wo sie subtile queere Interventionen planen, die unsere Wahrnehmung dieses Ortes entscheidend verschieben. Lester St. Louis, als Improvisator und Komponist eng mit der Kunstszene in New york verbunden, wird einen – wie wir es nannten – “fluid space” entwickeln, in dem er verschiedene Gäste aus seinem internationalen Netzwerk einlädt, und die gemeinsam mit ihm den Raum improvisatorisch gestalten. Dabei geht es nicht nur um Musik. Musik ist eher nur eine der Modalitäten, über die improvisiert wird. So kommen neben den von ihm eingeladenen Musiker*innen auch einige Schriftsteller*innen, eine Choreografin, und ein paar bildende Künstler. Das Publikum ist dann eingeladen, sich in diesem sich ständig verändernden Raum aufzuhalten, mitzumachen, Gesprächen zu lauschen, Workshops zu machen, usw. Ziel ist es, einen Raum zu schaffen, bei dem wir nie genau wissen, woran wir sind: Ist es eine Performance? Eine Impro? Ein Interview? BZ: Ich würde die Arbeit von van Bebber und Hofmann erwähnen, die vorerst eine soziale Situation darstellt. Beide haben noch die drei weiteren Musiker*innen Jonathan Burrows, Matteo Fargion und Francesca Fargion mit eingeladen, wiederum das Publikum einzuladen, gemeinsam Zeit zu verbringen. Aus der Kommunikation und der Situation entstehen dann kleine musikalische Aufführungen oder Performances. Das Projekt von Nile Koetting wird so etwas wie eine Meta-Installation zum Festival. In dem in einer S-Bahn-Station gelegenen Raum, der SB – Space Between, wird er mit Hilfe vieler Gastkünstler*innen eine klangliche Wartesituation erstellen, die den Ablauf des Festivals, aber auch der An- und Abkunft der S-Bahn spiegelt. Zudem wird es möglich sein, dort ähnlich einem japanischen Capsule Hotel eine Nacht schlafend zu verbringen. Das muss man aber zuvor reservieren, da es leider nicht unendlich verfügbare Schlafplätze gibt. MUSIK INSTALLATIONEN findet an acht verschiedenen und auch sehr unterschiedlichen Spielstätten statt wie das Neue Museum, das Haus des Borgo Ensembles, der Z-Bau, das Ehemalige Reichsparteitagsgelände oder der SB – Space Between, wo das Publikum dazu eingeladen wird, sich frei und individuell zwischen den Installationen in der Stadt zu bewegen und sich auch teils kreativ zu beteiligen oder zu interagieren. werden alle Besucher*innen alles sehen können oder müssen sich die Gäste entscheiden, welche installation sie sehen und erleben wollen? BZ: Das Besondere an diesem Festival ist, dass das Publikum recht frei entscheiden kann, wann es sich was anschauen will. Im Programm wird angegeben sein, wann welche Räume wie lange aufhaben, das kann von zwei bis 24 Stunden gehen. Zwei Tage sollte man wohl einplanen, um wirklich alle acht Musikinstallationen mal betreten zu haben.
LH: Letztlich ist die “überforderung” vom Angebot zeitgleicher Performances von unserer Seite auch so geplant. Da diese Arbeiten nicht über lineare Dramaturgien funktionieren, kann man getrost während einer Performance die Installation betreten. Es gibt nicht wirklich einen “Anfang” und ein “Ende”. Es sind vielmehr Räume, die ab einer bestimmten Zeit offen sind und wieder schließen. Was dazwischen dort dann passiert, kann frei besucht werden. Wir möchten das Publikum vom Stress der Eventkultur befreien. Bringt Zeit mit, wenn ihr das Festival besucht! Ihr werdet es nicht bereuen. die unterschiedlichen Spielorte und Projekte haben auch sehr unterschiedliche Facetten, hintergründe und Aussagen und tasten verschieden Themen an, z.B. Antifaschismus, Queer Revolution oder ölpolitik. Gibt es einen bestimmtes Zielpublikum, oder kann sich jede*r für die sehr unterschiedlichen installationen begeistern? BZ: Mit dem Festival fokussieren wir ja so etwas wie ein Genre, die Musikinstallationen. Deshalb können die einzelnen Projekte thematisch sehr unterschiedlich ausfallen. Fast allen ist aber eigen, dass sie das Gastgeber*in-Sein thematisieren. Parallel zu den acht Musikinstallationen findet im Festivalzentrum ein diskursprogramm statt, das einen Rahmen bieten soll, um die ästhetiken der Produktionen und ihrer Formen/Formate zu diskutieren. LH: Das Festival möchte auch einen Gegenentwurf zur gängigen konsumorientierten Eventkultur vieler Festivals bieten, die sich mit der Anzahl der präsentieren Acts und Premieren überbieten wollen. Dies werden wir mit einem kleinen Diskursprogramm näher diskutieren. Dafür zugesagt haben mittlerweile die Künstler*innen und Theoretiker*innen Isabel Lewis, Christoph Haffter und Adham Hafez. Letzterer ist neben seiner künstlerischen Tätigkeit auch Doktorand an der New York University und forscht insbesondere über das Verhältnis von westlichen und nicht-westlichen ästhetischen Dramaturgien. Nürnberg ist nicht Paris, London oder eine andere international bekannte Kunstmetropole. habt ihr schon Feedback erhalten zu MUSiK iNSTALLATiONEN als ganz neues Format in nationaler oder internationaler Sicht? BZ: Ja, wir haben tolles Feedback bisher gekommen. Einerseits politisch seitens der Stadt Nürnberg, dem Land Bayern als auch unserem größten Förderer, der Kulturstiftung des Bundes mit Sitz in Halle. Zu den Metropolen sei gesagt: Es gibt ebenso eine Tradition von großen und traditionsreichen Kunst- oder Musikfestivals in kleineren Städten wie Donaueschingen, Darmstadt, Kassel, Münster, Witten… Wir hoffen, dass wir mit den MUSIK INSTALLATIONEN NüRNBERG solch eine neue Tradition gerade gründen! was wünscht ihr euch von dem Festival, den Gästen, von Nürnberg? BZ: Ein schönes Miteinander und eine offene Haltung den künstlerischen Arbeiten gegenüber – und gutes Wetter. LH: Ich wünsche mir vor allem, dass sich die Leute auf eine andere Zeitlichkeit einlassen. Lasst euch Zeit, wenn ihr das Festival besucht! Viele der Arbeiten entwickeln ihren dramaturgischen Bogen erst über eine längere Dauer. Die schönen Dinge passieren wie im Leben ja auch oft erst dann, wenn man mit Geduld durch die Oberfläche einer Situation hindurchdringt und sich auf die tieferen Bedeutungsebenen einlässt, die nicht schon beim ersten Anschauen offensichtlich werden. wird MUSiK iNSTALLATiONEN in anderen Städten wiederholt, oder kommt ihr mit neuen Projekten wieder hier nach Nürnberg? BZ: Unser Wunsch ist es, die MUSIK INSTALLATIONEN fest in Nürnberg zu verankern. Die Offenheit von Institutionen, die Verfügbarkeit von spannenden Räumen und vor allem das Miteinander der Menschen haben uns überzeugt. Interview: Cyrena Dunbar / Musikerin, DJ, Copywrighter
musIK InsTallaTIOnen nüRnbeRg – RaumZeitKörper-Musiken 7. bis 10. Juli, an acht verschiedene Orte in Nürnberg. www.musikinstallationen.com Medienpartner: curt