Gr체ne Mobilit채t Innovationstreiber
Gr체ne Mobilit채t ISBN-978-3-941343-30-6
Innovationstreiber
Gr체ne Mobilit채t
Innovationstreiber
Nachhaltige Mobilität braucht grüne Werkstoffe Ob in Peking, Mumbai oder Rio de Janeiro – kilometerlange Staus gehören in den Megacitys unserer Welt mittlerweile zur Tagesordnung. Und im Schnitt steht auch jeder Deutsche schon zweieinhalb Tage pro Jahr im Stau. Das kostet Nerven und Zeit – und schadet der Umwelt. Dem Trend zur Urbanisierung entsprechend werden in den nächsten 20 Jahren weltweit 1,4 Milliarden Menschen in die Städte ziehen, was das Problem sogar noch verschärfen wird. Gerade die wachsende Mittelschicht in Ländern wie China, Indien oder Brasilien setzt zunehmend aufs Auto – und wer will es ihnen verdenken? Wenn allerdings in Zukunft immer mehr Menschen Auto fahren und wenn auch immer mehr Güter mit Lastwagen transportiert werden, dann ist eines klar: Um zu vermeiden, dass die schädlichen Umweltfolgen des Verkehrs ebenso zunehmen wie der Verkehr selbst, muss die Mobilität der Zukunft nachhaltiger und ressourcenschonender werden, als sie es heute ist. Grundsätzlich gilt: Eine der dringendsten Zukunftsaufgaben ist es, sozusagen aus „weniger“ „mehr“ zu machen – und das notwendige Wachstum und steigende Verkehrsaufkommen möglichst vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Denn wenn der Ressourcenverbrauch unverän2
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dert weiter steigt, werden die Folgen für Klima und Umwelt auf der ganzen Welt dramatisch sein. Noch hängt die Mobilität weitgehend am Öl – und bis wir den Wechsel zu nachhaltigen Formen der Mobilität vollständig geschafft haben, werden noch viele Jahre vergehen. Der Anfang ist allerdings gemacht. Nahezu alle Automobilhersteller und verbundene Branchen forschen am „Antrieb der Zukunft“ oder haben bereits erste Modelle oder Technologien auf den Markt gebracht. Der Megatrend Mobilität ist also nicht nur eine wichtige Zukunftsaufgabe, was den Schutz der Umwelt und des Klimas betrifft – für Industrie und Wirtschaft bietet er auch enorme Chancen, gerade weil wir zurzeit am Anfang des vielleicht stärksten Umbruchs der Automobilindustrie und der Mobilität insgesamt stehen. Denn natürlich bietet der Paradigmenwechsel zu nachhaltigeren Formen der Mobilität viele Möglichkeiten für Innovationen, für spannende Produkte und neue Technologien: für Automobilunternehmen, für Zulieferer und viele weitere Branchen, die mit der Autoindustrie zusammenarbeiten. Und das gilt gerade auch für die Chemie. LANXESS ist dafür das beste Beispiel. Wir haben frühzeitig auf den Megatrend Mobilität gesetzt. Heute schon machen beispielsweise unsere High-
tech-Kunststoffe Fahrzeuge leichter, sicherer und komfortabler. Ein solcher technischer Kunststoff ist Durethan von LANXESS. Er wird als Verbundwerkstoff mit Stahl oder Aluminium verwendet. So entstehen Karosserieteile, die äußerst stabil sind – dabei aber bis zu 40 Prozent leichter und günstiger sind als herkömmliche Teile. Aber auch in der Peripherie wie etwa Ansaugtrakt, Kühlkreislauf oder Tanksystem finden sich reichlich Bauteile aus technischem Kunststoff. Schon heute steckt in jedem Auto ein Kunststoffanteil von bis zu 20 Prozent – Tendenz steigend. Ein weiteres Beispiel ist unser Produkt X-Lite®, mit dem hochwertige Ledersitzbezüge mit deutlich geringerem Gewicht hergestellt werden können. Zudem fördert LANXESS mit zukunftsweisenden Produkten wie Keltan® Eco, der weltweit ersten Form eines EPDM-Kautschuks auf biologischer Basis, die Entwicklung biobasierter Alternativen zu petrochemischen Materialien. Als weltgrößter Anbieter von synthetischen Kautschuken setzt LANXESS auf „Grüne Reifen“ und Leichtbaumaterialien. Bereits rund 70 Prozent der von LANXESS produzierten Hochleistungs kautschuke werden für rollwiderstandsarme Reifen verwendet. Hochleistungskautschuke und Additive erhöhendie Sicherheit, Langlebigkeit
und Effizienz moderner Reifen, was gleichzeitig hilft, Kraftstoff zu sparen und CO2-Emissionen zu verringern. Unsere Position ist klar: LANXESS wird seine führende Stellung weiter ausbauen und die Zukunft im Bereich „Grüne Mobilität“ aktiv mitgestalten. Herzlichst Ihr Dr. Axel C. Heitmann
GRUSSWORT
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Inhalt
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6 Geschichte der MOBILITÄT
Durch Fortbewegung hat die Menschheit ihr Überleben gesichert und die Welt erobert – zu Fuß, zu Pferd, mit dem Auto oder per Flugzeug. Heute ist nachhaltiger Verkehr gefragt.
14 INFO-ROOM
Mit einer informativen Anzeigenkampagne in Tageszeitungen und Fachzeitschriften klärt LANXESS die Öffentlichkeit über die neuen EU-Richtlinien zur Kennzeichnung von Autoreifen auf.
16 Vernetzte Mobilität
Elektrifizierung des Auto-Antriebs, mobile Telekommunikation und Informationstechnologie sowie zukunftsweisende Mobilitätskonzepte ermöglichen eine zunehmende und flexible Verknüpfung des öffentlichen und individuellen Verkehrs.
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INHALT
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25 Antriebskonzepte & StrateGien
Alle führenden Automobilhersteller arbeiten fieberhaft an der Verbrauchsoptimierung ihrer Produkte. Für den Weg zu einer emissionsarmen Mobilität sind die Weichen bereits gestellt. Der Wettlauf um die klimafreundlichsten Systeme hat gerade begonnen.
36 Innovationstreiber LANXESS
LANXESS ist führender Lieferant von synthetischen Kautschuken für die Reifenindustrie, von technischen Kautschuken für Schläuche, Riemen, Dichtungen und Dämpfer (S. 53), von Hightech-Kunststoffen und wertvollen Additiven.
64 Anti-Fouling-Produkte
Der Befall der äußeren Schiffshaut mit Muscheln, Algen und anderen Organismen kann mit LANXESS Produkten deutlich vermindert werden.
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Lederchemikalien
79 Prof. Horst Wildemann
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Eisenoxid-Pigmente
82 Reifentypologie
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„Grüne Reifen“
92 Prof. Ferdinand Dudenhöffer
Hochwertige Autositze für komfortables Reisen werden vorzugsweise mit feinem Leder bezogen. Die Produkte und Systeme für eine umweltverträgliche Lederherstellung liefert LANXESS. Warmes, wetterfestes Rot für Beton und Straßenbeläge hat meist seinen Ursprung in den Eisenoxid-Pigmenten der Marke Bayferrox® von LANXESS. Spritsparende Reifen sollen einen geringen Rollwiderstand und dennoch einen guten Grip haben. Gleichzeitig sollen sie leise und lange haltbar sein und nicht zuletzt zuverlässig auf trockener und nasser Straße bremsen.
Der Professor an der Technischen Universität München über die ökologischen und ökonomischen Wirkungen von EU-Verordnungen für die Reifenkennzeichnung. Für jeden Fahrzeugtyp, für unterschiedlichste Einsatzgebiete, Fahrsituationen und Wetterbedingungen liefert die Reifenindustrie den „maßgeschneiderten“ Pneu. Der Professor an der Universität Duisburg-Essen zu Fragen nach den Chancen von Elektroautos, einer vernetzten Mobilität und künftigen Verkehrskonzepten.
96 Impressum | Bildnachweis
INHALT
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Wege zur „Grünen Mobilität“
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RUBRIK
Trotz weiter rasant steigenden Individualund Warenverkehrs wird „Grüne Mobilität“ Wirklichkeit.
Consecte dolorti nciliquam, Mobilität von Menschen und Gütern ist Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand. quatue volut nulla feuisisl dolor sustrud ming et Neue Technologien für Fahrzeugbau, Antriebssysteme und Werkstoffe schonen die Umwelt trotz zunehmender Fahrleistung. nonsecte er si.
RUBRIK
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Meilensteine 1 Million v. Chr. – 800 v. Chr.
1 Million v. Chr.
Als vermutlich erste Hominiden durchstreifen Vertreter des Homo erectus im aufrechten Gang die Savannen Ostafrikas.
10000 v. Chr.
Die ersten Mobilitätshilfen des Menschen waren Schlitten, gezogen vom Besitzer oder von vierbeinigen Helfern.
3500 v. Chr.
Die ersten Räder rollten unter den Schlitten. Sie erleichterten Fortbewegung – und Kriegführung.
800 v. Chr.
Fahrzeug als Statussymbol: Schon die Pharaonen nutzten den Streitwagen, um Eindruck zu machen.
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MOBILITÄT
Als vor rund einer Million Jahren die ersten Primaten den aufrechten Gang übten, um im hohen Gras der ost afrikanischen Savannen Nahrung und Feinde besser ausspähen zu können, bedeutete diese Mutation einen wichtigen Sprung in der Evolution. Lucy, so nannten Anthropologendie Dame, anhand deren Knochen erst mals die Entwicklungsstufe des Homo erectus definiert werden konnte, verschaffte sich mit dem besseren Über blick auch Orientierung im weiten, von hohen Gräsern bedecktenGelände: Sie konnte sich, ein entferntes Ziel vor Augen, auf direktem Weg Nahrungsquellen oder einemZufluchtsort nähern und so ihren vierbeinigen Nahrungskonkurrenten und Feinden ein Schnippchen schlagen. Lucy machte mobil. Die Mobilität auf zwei Beinen ermöglichte knapp eine Million Jahre später, etwa um 100 000 vor Christus, den frühen Menschen, von Afrika aus zu schier endlosen Wanderungen in unterschiedliche Richtungen aufzu brechen und den Globus zu erobern. Knochenfunde des Homo sapiens in Australien werden auf ein Alter von 60.000 Jahren datiert.
Karawanen verbanden schon vor mehr als 2.000 Jahren Orient und Okzident.
Drang und Zwang zu Mobilität In Europa tauchte der Homo sapiens vermutlich vor etwas mehr als 30.000 Jahren auf – nachdem der Homo nean derthalensis schon Jahrtausende früher in ersten Aus wanderungswellen aus Afrika bis ins deutsche Rheinland und an die iberische Atlantikküste vorgedrungen war. Die Wissenschaft geht davon aus, dass die Menschheit rund 2.000 Generationen seit dem Aufbruch aus Afrika benötigte,um die Erde zu besiedeln. Das Bedürfnis nach Mobilität scheint bis heute nicht nach gelassen zu haben – im Gegenteil. Die Menschen haben sich Hilfsmittel geschaffen, die ihnen die Erdumrundung in weniger als 24 Stunden ermöglichen und sie auf den Mond befördern.Vom alltäglichen Verkehr zwischen Wohnung und Arbeitsplatz gar nicht zu reden. Allerdings: Während die Vorfahren auf ihren Wanderungen allenfalls Schweiß und sonstige natürliche Ausscheidungen als Folge der Anstren gung und der Energieaufnahme hinterließen, verbreiten die Verkehrsmittel des modernen Menschen Schadstoffe, die der Gesundheit der Lebewesen und der Umwelt schaden. Die Gefahren eines gefährlichen Klimawandels und die abseh
bare Erschöpfung der natürlichen Ressourcen sind die Fol gen. Wollen die Menschen ihre Umwelt schützen und bewah ren, ohne auf ihre Bewegungsfreiheit zu verzichten, müssen schadstoffarme, erneuerbare Energiequellen für den Antrieb von Fahrzeugen und die Produktion von elektrischem Strom die fossilen Energiequellen Öl, Erdgas und Kohle ersetzen. Mobilität bedeutet eben nicht nur Überlebensstrategie, wie dies bei den Urmenschen der Fall war. Mobilität bedeutet auch Lebensqualität und Freiheit – die Freiheit, den Standort zu wechseln: zum Wohnen, zum Arbeiten, zum Erholen, zum Lernen und Erforschen oder einfach zum Vergnügen. Um all dies zu erhalten, müssen wir unser Verhalten ändern. Vor allem aber sind neue Technologien notwendig, mit denen wir eine „Grüne Mobilität“ verwirklichen können.
Hilfsmittel für den langen Marsch Auch während der vergangenen Jahrtausende hat der Mensch seine Fortbewegungsmöglichkeiten weiterentwickelt – durch Innovationen und Einfallsreichtum. Machten sich Homo erectus vor mehr als einer Million Jahren, Homo sapiens neanderthalensis vor rund 200.000 Jahren und unseredirek
ten Vorfahren, die Gattung Homo sapiens, vor rund 140.000 Jahren auf den langen Marsch von Ostafrika in alle Teile der Welt per pedes auf, bedienten sich ihre Nachkommen um 10000 vor Christus erster Mobilitätshilfen, um mit Kind, Kegel und erstem Hausrat voranzukommen.Sie domestizierten und dressierten Pferde, Rinder, Esel, Elefanten,Hunde und Rentie re, um sich von ihnen tragen oder in Schlitten ziehen zu lassen. Sie bauten Kähne, Flöße und Schiffe für Reisen auf Flüssen, Seen und Meeren – und sie erfandendas Rad. Archäologische Ausgrabungen lassen daraufschließen, dass das Rad oft erfun den wurde: irgendwann um 3500 vor Christus von den Sume rern in Mesopotamien, später in Spanien, Skandinavien sowie in den italienischen, Schweizer und österreichischen Alpen. Die ersten „Wagen“ der Menschheit waren eigentlich Schlitten, unter die der Mensch Räder aus Baumstämmen oder Steinen montierte. Schon in den frühen Hochkulturen im 3. Jahrtausend vor Christus lernten Wagenbauer im Zweistromland und Ägypten, Scheibenräder aus mehreren Teilen zu fertigen und somit stabiler zu machen. Erste Speichenräder datieren Archäologen auf die Zeit um 2300 vor Christus. Aus den ursprünglichen Schlitten auf Rädern differenzierten sich im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Varianten – je nach Zweckbestimmung: für den Kriegseinsatz, für die Jagd, den Transport von Waren und Personen und zum Repräsentieren. Die Staatskarosse hat eine lange Geschichte.
Meilensteine 1420–1670
1420
Giovanni da Fontanas „Automobil“ mit Seilzugantrieb.
Bäuerliche Sesshaftigkeit Sein Bewegungsdrang, seine ständige Suche nach Nahrung, Wasser und Schutz vor Wetter und Feinden hat den Men schen freilich nicht davon abgehalten, sesshaft zu werden. Aber hat er mit der Agrarwirtschaft und der Urbanisierung seine Mobilität eingeschränkt? Schlagen wir bei Peter Sloterdijk nach. Der medienmächtige Philosoph hält „das bewe gungsfeindliche Experiment“, dem sich die Menschheit wäh rend der vergangenen 10.000 Jahre ausgesetzt habe und das den schönen Namen Sesshaftigkeit trage, „für das größ te Attentat auf die Beweglichkeit, das jemals unternommen wurde“. Die Scholle, so Sloterdijk weiter, habe den Menschen selbst in eine zweite Pflanze verwandelt. Aber der Philosoph schöpft Hoffnung. „Die Tiefentendenz des 20. Jahrhunderts bestand darin“, dozierte er, „das Weltalter der Sesshaftigkeit zu beenden und in den Menschen das kinetische Potenzial freizusetzen, das über 10.000 Jahre lang gebunden war.“ Ganz so bodenständig wurden die Menschen seit der Stein zeit aber nun doch nicht. Die ersten Städte erweiterten ihren Einflussbereich über ihr weiteres Umland und gründeten Staa ten. Die Menschen dieser Staaten, teils sesshaft, teils nomadi sierend, trieben Handel miteinander und transportierten Wa ren vom Land in die Stadt und umgekehrt. Dafür entwickelten sie ihre Transportmittel entsprechend den Bedürfnissen hin sichtlich der Güter und der topografischen Verhältnisse wei ter. Sie befestigten Wege und traten in Waren- und Kulturaus tausch mit anderen Staaten. In Karawanen zogen sie durch Wüsten und Steppen, beförderten Lebensmittel, Gold, Silber, Weihrauch, Myrrhe und Seide – und sie zogen mit hochgerüs teten Streitwagen in Kriege gegen Nachbarn und ferne Völker.
Um 1500
Das Universalgenie Leonardo da Vinci lieferte Fahrzeugideen, die sich Jahrhunderte später im Auto wiederfanden.
Um 1670
In den Niederlanden erfreuten sich Windkraftwagen bis ins 18. Jahrhundert hinein großer Beliebtheit.
MOBILITÄT
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Meilensteine 1685–1817
1685
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erfand der Uhrmacher Stephan Farffler einen Dreiradwagen für Behinderte.
Um 1750
Schon im 18. Jahrhundert konnten sich Individualreisende per Postkutsche nach festen Fahrplänen ihre Reiseroute auswählen.
1817
Vorboten der Moderne: Die Laufmaschine des Freiherrn Carl von Drais begeisterte Draufgänger.
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MOBILITÄT
Ob zu Fuß, hoch zu Ross, im Ochsenkarren oder per Schiff: Die Menschen blieben auch während der Sesshaftigkeit mobil – sei es aus Machtgier, Habgier, Neugier oder Not.
entleerung Bewegungskraft auf die Räder brachte. Herons Prinzip eines Gegengewichtsmotors erlebte Jahrhunderte später bei der mechanischen Uhr eine Neuauflage.
Frühe Fahrzeugingenieure
Genies der Renaissance
Und sie ließen sich einiges einfallen, um die Mobilität zu erleichtern und zu beschleunigen. Die Römer bauten erste befestigte Straßen, um ihre Legionen und die kaiserlichen Befehle schnell von einem Ende ihres damaligen Welt reichs zum anderen zu befördern. Griechische Ingenieure am Hofe von Demetrios I. von Makedonien(336 bis 283 vor Christus) entwickelten als erste „Fahrzeugtechniker“ selbstbewegliche Wagen, also Fahrzeuge, die nicht von Zugtieren, sondern dank aus geklügelter Mechanik in ihrem Innern von Menschenhand bewegt wurden. Dass es sich dabei um mobile Belage rungstürme handelte, hatte mit der Vorliebe Demetrios‘ I. zu tun, feindliche Städte zu erobern. Zum Fahrzeugpark des makedonischen Herrschers gehörte auch ein auto mobiles Fahrzeug, das in seinem Inneren zwei Personen mit unterschiedlichen Aufgaben Platz bot: Ein Mann be diente vorne die Lenkung, der zweite trieb mittels Pedale eine Art Schwungrad an, das die Bewegung auf die Hinterräder übertrug. Eine Abbildung von diesem Gefährt stammt aus dem Jahr 308 vor Christus. Im 2. Jahrhundert vor Christus experimentierte Heron von Alexandrien, der „Mechaniker“, mit allerlei Varianten selbst beweglicher Fahrzeuge. In einer seiner Kreationen instal lierte er einen mit Sand gefüllten Kasten, der durch Selbst
Der Traum von der Fortbewegung zu Lande ohne tierische Kraft erlebte zu Beginn der Neuzeit eine Renaissance. Bevor allerdings Namen wie Carl Friedrich Benz, Gottlieb Daimler, Armand Peugeot oder Rudolf Diesel zu Synonymen für Mo bilität werden konnten, leisteten Tüftler, Erfinder und Univer salgenies notwendige Vorarbeiten. So entwarf zum Beispiel ein italienischer Physiker am französischen Königshof, Guido da Vigevano, im 14. Jahrhundert den vermutlich ersten Vierradantrieb. Wenn er denn je gebaut worden wäre, hätten ihn allerdings vier starke Männer per Handkurbeln in Bewegung setzen müssen. Sein Landsmann Giovanni da Fontana zeichnete gegen 1420 ein vierrädriges Fahrzeug, das den späteren Automobilen verblüffend ähnlich sieht: Der Fahrer saß bequem unter einem schützen den Dach und konnte sich seinen Fahrweg durch Fenster betrachten. Es fehlte nur der Motor. Stattdessen sollte der Fahrer sein Automobil mit Schnüren vorwärtsbewegen, die über zwei Rollen geführt wurden, die wiederum ein Zahnrad in Schwung setzten, das die Vorderräder antrieb. Auch Leonardo da Vinci beschäftigte sich mit automobilen Fahrzeugen, speziell mit einem Panzerwagenprojekt. Das Kriegsgerät sollte von Soldaten in seinem Inneren über ein Kurbelpaar und Zahnräder angetrieben werden. Visionä rer noch Leonardos Entwurf eines Blattfedermotors, der die
Seefahrer, Eroberer, Handelsreisende und Naturfor scher waren Vorboten der Globalisierung.
Geändert haben sich im Laufe der Jahrhunderte in Europa allerdings die Infrastruktur und die Organisation des Rei sens: Ein dichter werdendes Postnetz mit Raststationen für Mensch und Tier, ja sogar feste Fahrpläne sorgten für Ver bindungen. So konnten sich zumindest die höheren Stände und Kaufleute ihre ganz individuelle Reiseroute zusammen stellen. Johann Wolfgang von Goethes zweijährige Italien reise per Kutsche inspirierte bald darauf romantische Dich ter, Denker und Künstler auf der Suche nach der „blauen Blume“ zur Fahrt ins Blaue – ganz ohne Ziel und Zweck.
Meilensteine 1841–1888
Erste organisierte Pauschalreisen
durch Muskelkraft zugeführte Energie langsam wieder ab geben sollte. Dieses Gefährt zeigte bereits Elemente eines modernen Autos wie Rahmen, Übersetzung und Lenkung.
Doch die Zeiten des elitären Reisens neigten sich Mitte des 19. Jahrhunderts ihrem Ende zu. Eisenbahn, Dampfschiff fahrt und die ersten Reiseveranstalter leiteten eine schrittwei se Demokratisierung der Mobilität ein. Thomas Cook organi sierte 1841 in England erste Gruppenreisen – ursprünglich in der Absicht, Arbeiter aus den Kneipen ins Grüne zu locken und so vor der Alkoholsucht zu bewahren. Bald bot Cook auch preisgünstige Pauschalreisen an mit organisierter Fahrt zum Ferienziel, Hotel, Frühstück und Sightseeing. Damit konnten zwar noch nicht die Arbeiter, wohl aber breite Kreise des Bürgertums – und dank der Obhut von Reiseleitern – auch Frauen zu fernen Gestaden aufbrechen. Die neuen Möglichkeiten und Angebote heizten die Reise lust in einem bis dahin unvorstellbaren Ausmaß an. Schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sah sich Theo dor Fontane zur Klage veranlasst: „Zu den Eigentümlich keiten unserer Zeit gehört das Massenreisen. Alle Welt reist. Viele Menschen betrachten elf Monate im Jahr nur als eine Vorbereitung auf den zwölften.“
Wind als treibende Kraft
Mit dem Zweirad ins Grüne
Für seine ganz persönliche Mobilität sorgte der gehbehin derte Uhrmacher Stephan Farffler aus Altdorf bei Nürnberg. Um 1670 baute er einen Dreiradwagen, den er über ein Kurbelsystem am Vorderrad in Bewegung setzte. Doch bei aller frühen Ingenieurskunst: Den Fahrzeugen fehlte die eigene Kraftquelle. Noch immer waren Muskeln zur Fortbewegung unentbehrlich. Eine Ausnahme war die Windkraft, die für den Verkehr zu Wasser genutzt wurde. Vor allem die Seefahrer sorgten für die „Entdeckung“ der Welt, für den ersten globalen Handel, für die Besiedlung und Bewirtschaftung von Kolonien in Übersee. In ihrer Begleitung und auf ihren Spuren „erfuhren“ und erforschten Wissenschaftler wie Wilhelm von Humboldt oder Charles Darwin die Vielfalt von Flora und Fauna sowie deren Entstehung. Zu Lande blieb dem Wind der Durchbruch als Antriebskraft versagt. Zwar erfreuten sich Windkraftwagen – vor allem in den Niederlanden – im 17. und beginnenden 18. Jahrhun dert durchaus einiger Beliebtheit, sie überlebten aber nur als Sportgerät in Gestalt von Strandseglern. Trotz allen Erfindungsgeistes – bis zur fahrzeugtauglichen Dampfmaschine blieben Tiere als „Motor“ der Mobilität unersetzlich, wollte der Mensch nicht die eigene Kraft zur Fortbewegung nutzen.
Dabei hatte zu dieser Zeit die Mobilitätsrevolution durch den Individualverkehr noch gar nicht begonnen. Dessen Grund lage schufen Pioniere wie Carl Benz, Gottlieb Daimler, Wilhelm Maybach, Armand Peugeot – und natürlich Henry Ford. Doch bevor Fahrzeuge mit Benzin- oder Dieselmotor die Welt erobern konnten und Mobilität zu einer alltäglichen Selbstverständlichkeit machten, sorgte das Fahrrad dafür, dass auch breitere Bevölkerungsschichten in den Genuss größerer individueller Bewegungsfreiheit kamen. Es entwickelte sich aus der Laufma schine des Freiherrn Carl von Drais (1817). Die Tretkurbel erhielt das Zweirad vermutlich von den Pariser Mechanikern Pierre Lallement und Pierre Michaux – daher der franzö sische Name Velociped. Aber erst nachdem John Kemp Starley das Niederrad erfun den (1884/1885) und – neben weiteren Verbes serungen – der Arzt John Boyd Dunlop den mit Luft gefüllten Reifen aus Stoff
Organisierte Gruppenreisen ermöglichten es auch Frauen, sich die Welt unter der Obhut von Reiseleitern anzusehen.
1841
Der Engländer Thomas Cook organisierte die ersten Gruppenreisen zur Erholung und Erbauung.
1886
Carl Friedrich Benz präsentiert sein erstes funktionsfähiges, dreirädriges Automobil.
1888
Gottlieb Daimlers Motorkutsche mit Ein-ZylinderViertakt-Motor.
MOBILITÄT
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Meilensteine 1895–1908
1895
Eines der ersten serienmäßig produzierten Motorräder von Hildebrand & Wolfmüller.
und Gummi entwickelt hatte (1888), ermöglichte das Fahr rad die erste, praktisch für jedermann erreichbare „Massenmobilisierung“. Mehr noch: Erstmals durften auch Frauen an der individuellen Mobilität teilhaben. Dank eigens für das Fahrrad entwickelter „schicklicher“ Kleidung konnten sie mit Mann und Kindern zum Familienausflug aufbrechen, der zuvor nur kollektiv mit der Eisenbahn oder mit der Kutsche möglich war. Die individuelle Mobilität dank Fahrrad beeinflusste auch die Siedlungsstrukturen: Sie erlaubte Arbeitern und Angestell ten, aus der unmittelbaren Nähe zum Arbeitsplatz wegzuzie hen und sich in einem Radius von rund 30 Fahrradminuten niederzulassen – erste Ansätze zum Pendlerdasein. Noch vor dem 20. Jahrhundert erhielt das Fahrrad erste Motoren. Die Münchner Firma Hildebrand & Wolfmüller pro duzierte schon um 1895 jährlich bis zu 200 Exemplare der ersten Serienmotorräder. Mit dem Stahlrohrrahmen kam dann um die Jahrhundertwende der breite Durchbruch des motorisierten Zweirads.
Motorisiertes Benz-Dreirad
1908
Henry Fords T-Modell „mobilisierte“ dank preisgünstiger Fließbandproduktion ganz Nordamerika.
Consecte dolorti nciliquam, quatue volut nulla feuisisl dolor sustrud ming et nonsecte er si.
Der Volkswagen wurde in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zum Synonym für Massenmobilität.
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RUBRIK
Das Fahrrad war auch Voraussetzung für die Entwicklung des Automobils. Karl Benz ließ von Heinrich Kleyer, Gründer der Adlerwerke in Frankfurt am Main, ein Dreirad für seinen Motor bauen. Mit diesem am 12. September 1888 paten tierten „Motorwagen“ hatte Benz bereits am 3. Juli 1886 eine erste erfolgreiche Ausfahrt unternommen. Wenige Mo
nate später stellte Gottlieb Daimler seine von einem 0,8 PS starken Viertaktmotor angetriebene Motorkutsche vor. Sein eigenständiges Erscheinungsbild erhielt das Automo bil 1901 mit dem ersten Mercedes – ein Fahrzeug für eine kleine Minderheit, kosteten um die Jahrhundertwende zwei zylindrige Pkw doch mindestens 8.500 Mark, vierzylindrige gar 12.000 Mark und mehr. Für jedermann erschwinglich wurden Autos erst mit Henry Fords T-Modell ab 1908 und vor allem seit dessen Fließ bandproduktion ab Ende 1913. Bereits 1914 fertigte Ford 308.162 T-Modelle, in den 20er Jahren liefen jährlich mehr als eine Million Einheiten vom Band. Ford hatte seine Arbei ter als potenzielle Käufer entdeckt. Deshalb zahlte er ihnen Löhne, die etwa 15 Prozent über dem Durchschnitt lagen – und er senkte die Preise für seine Fahrzeuge. Das einfachs te T-Modell kostete 1924 nur 290 Dollar – ein Ford-Arbei ter musste bei einem Monatslohn von rund 130 Dollar also weniger als drei Monate für ein eigenes Auto arbeiten. Kein Wunder, dass die Massenmotorisierung in den USA Jahr zehnte früher einsetzte als in Europa, zumal die Neue Welt außerhalb der Ballungszentren dünn besiedelt war und so mit schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein erheblich größerer Bedarf an individueller Mobilität bestand. Die Motorisierung des Individualverkehrs in Europa erlebte zunächst in Form von Motorrädern größere Verbreitung. Autos waren für „Otto Normalverbraucher“ einfach noch zu teuer. Musste in Deutschland ein gelernter Arbeiter Mitte
Equatum delit
der 20er Jahre durchschnittlich rund 13 Monatslöhne für einen einfachen Pkw aufbringen, reichten für ein Motorrad vier Monatslöhne aus. Folge: 1932 fuhren in Deutschland weltweit die meisten Motorräder; DKW konnte sich schon 1928 als größter Motorradhersteller an die Weltspitze setzen.
Mobil im Kleinwagen Für eine schnellere und weitere Verbreitung des Automobils im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts fehlte es in Europa nicht nur an Geld. Auch die politische Entwicklung in den 30er Jahren, die schließlich in den Zweiten Weltkrieg mündete, verzögerte den Siegeszug des Pkw. Doch in den Jahren des Wiederaufbaus und des wirtschaftlichen Booms ab den 50er Jahren erfasste das Mobilitätsfieber auch die Menschen in Europa. Aus Deutschland trat der Käfer von Volkswagen seinen Siegeszug an, der ihn binnen 25 Jahren zum meistverkauften Auto der Welt machte. Noch allerdings fielen die Autos dieser Zeit eher klein und bescheiden aus: Von Frankreich aus eroberten der 2 CV und der 4 CV von Citroën, der R4 von Renault, von Italien aus der Fiat 500 und ab Ende der 50er Jahre der Mini aus Englanddie westeuropäischen Märkte. Den Kleinwagen markt belebten außerdem Kuriositäten wie der Kabinenroller des Flugzeugbauers Messerschmitt oder die als „Knutsch kugel“ bekannte Isetta von BMW und das Goggomobil sowie der „Leukoplastbomber“ Lloyd von Borgward. Wenn auch klein und schmalbrüstig – die europäischen Autos der Nachkriegszeit prägten mehr und mehr Lebens stil und Lebensgefühl: das Wohnen im Grünen, das Pendeln zwischen Wohnsitz und Arbeitsplatz über 20 und mehr Kilometer hinweg, die Urlaubsfahrt in die Alpen, an den Gardasee, an die Riviera oder an die Adria, aber auch an den Atlantik und an die Nordsee. Rekordumsätze und enorme Ausfuhren der Automobilindustrie trugen maßgeb lich zum Wachstum der Wirtschaftswunderjahre bei.
Pferdestärken für Milliarden Der Rest ist Gegenwart: Inzwischen liegt der Pkw-Bestand allein in Deutschland bei rund 46 Millionen Einheiten. Hinzu kommen 14 Millionen Motorräder, Nutzfahrzeuge und An hänger. Zusammen füllen mittlerweile also rund 60,5 Millio nen Fahrzeuge Deutschlands Straßen – von den zusätzlichen ausländischen Autos auf der Durchreise gar nicht zu reden. Die Vorlieben der Autofahrer gelten längst nicht mehr BonsaiAutos, sondern PS-starken, schnellen, komfortablen, großräu migen und womöglich noch von vier Rädern angetriebenen Prestigefahrzeugen, die voller Elektronik und sonstiger High tech stecken. Weltweit sorgen mehr als eine Milliarde motori sierte Gefährte, davon allein mehr als 600 Millionen Pkw, für Mobilität – jährlich produzieren die Automobilhersteller wei tere rund 60 Millionen Personen- und Lastwagen. Der Mensch reist und transportiert aber nicht nur zu Lande und zu Wasser. Das Flugzeug ist heute schon bei mittle ren Entfernungen kaum noch wegzudenken. Und ohne die Fernverbindungen rund um die Erde hätte sich wohl kaum die globalisierte Wirtschaft entwickeln können.
Shuttleverkehr zur Weltraumstation im Orbit.
Aufbruch in die „Grüne Mobilität“ Doch setzt sich die Dynamik der Mobilitätsentwicklung unver ändert fort? Wie sieht die Welt aus, wenn die Auto-Mobilisie rung in Ländern wie Indien und China eine ähnliche Dichte erreicht wie in den USA oder in Europa? Die derzeitige Dyna mik der individuellen Motorisierung in den großen Schwellen ländern spricht dafür, dass auch dort die Menschen nicht auf den Komfort eines eigenen Autos verzichten möchten. Nach derzeitigen Prognosen sollen im Jahr 2030 mehr als zwei Milliarden Pkw die Erde unter die Räder nehmen. Oder werden Energie- und Umweltprobleme der allgemei nen Mobilität ein jähes Ende setzen? Zwingt der Klimawan del zu einer völligen Kehrtwende? Immerhin ist der Stra ßenverkehr zurzeit weltweit für 18 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Öko-Apokalyptiker fordern bereits den allgemeinen Stillstand, um die Welt zu retten. Aber Prognosen, darüber spottete schon der Physiker Niels Bohr, sind immer dann schwierig, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen. Denn es gibt Alter nativen zur De-Mobilisierung: Klimafreundliche Technologien und regenerative Kraftstoffe, „grüner“ Strom aus Solarenergie und Windkraft für saubere Elektromobilität, Bio-Kraftstoffe aus Pflanzenresten und speziell gezüchteten Algen, Brennstoffzelle und Wasserstoff aus regenerativen und somit klimaneutralen Quellen, aber auch Leichtbauteile für Fahrzeuge aus Hochleistungskunststoffen, Kunststoffe aus nachwach senden Rohstoffen und nicht zuletzt Hightech-Autoreifen mit geringem Rollwiderstand und damit geringerem Treibstoff bedarf prägen schon heute die Schritte auf dem Weg in eine Ära der „Grünen Mobilität“. Dazu ermöglicht Elektronik im Auto und für intelligente Verkehrsleitsysteme einen effiziente ren Energieeinsatz durch besseren Verkehrsfluss. Vieles spricht also dafür, dass die Menschheit nicht wirklich „sesshaft“ werden muss, sondern sich dank Erfindergeist mit klimaneutralen Energiequellen, Kraftstoffen und neuen An triebssystemen auch künftig automotiv fortbewegen kann. Die Räder werden sich weiter drehen und Mobilität ermög lichen – und das auf Reifen mit „grünem“ Anspruch.
Per at wisit alismolorper sim duip et num quat, sim do odolore minis dionumsan erit, veliqui psusto od magna feumsandre consequ issequam quat luptatie
Meilensteine 2003–202x
2003
In der Formel 1 entscheiden auch die Pneus mit über Sieg und Niederlage.
2005
Hybridantriebe, also die Kombination von Verbrennungs- und Elektromotor, schonen die Umwelt.
202x
Wasserstoff und Brennstoffzelle gelten als das abgasfreie Antriebssystem der Zukunft.
MOBILITÄT
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Technologien, die Begeistern: Grüne Wie Innovationen von LANXESS nachhaltige Mobilität ermöglichen
KunststoffVERBUNDWERKSTOFFE Nicht nur für die Luftfahrt, auch für die Automobilindustrie stellen KunststoffVerbundwerkstoffe durch ihr geringes Gewicht und ihre hohe Belastbarkeit sehr zukunftsweisende Materialalter nativen dar. Dank kostenoptimierter Massenproduktion werden z. B. leicht gewichtige, durch Glasfaser verstärkte Polyamid-Verbundfolien immer wirt schaftlicher.
BATTERIEAbdeckungen Thermokunststoffe werden durch Me tallisierung oder Additivierung leitfähig und schwer entflammbar. Dadurch eignen sie sich optimal für Batterien von Elektro- und Hybridfahrzeugen. LANXESS vertreibt eine große Band breite spezieller Thermokunststoffe.
BioBasierte Kautschuke TreibstoffTANKs
Technischer Kautschuk aus organi schem Ethylen findet vor allem in der Automobilindustrie für Türdichtungen Verwendung, leistet aber auch in der Kunststoffmodifizierung und in der Ad ditivierung von Mineralstoffen wertvol le Dienste. Zu seinen überzeugenden Eigenschaften zählen niedrige Dichte, hohe Hitzebeständigkeit und eine gute Isolierung.
Polyamid ist ein besonders undurch lässiger Hightech-Kunststoff, der dazu beiträgt, die erhebliche Luftverschmut zung durch sogenannte „Permeation“ bei Treibstofftanks zu verhindern. Darunter versteht man das unerwünsch te Entweichen von Kohlenwasserstoff durch die Tankwände.
Grüne Reifen
Verstärkungen
Stahlersatz
Rund 70 % des von LANXESS produzierten Hochleistungs kautschuks wird für die Her stellung von rollwiderstandsar men Reifen verwendet. Wenn sämtliche Fahrzeuge in Euro pa mit solchen Reifen ausge rüstet wären, könnten jährlich mehrere Milliarden Liter Treib stoff eingespart werden.
Spritzgussgefertigte Struktur verstärkungen, die in die Karosserie eingebaut sind, können bei einem Unfall ei nen großen Teil der Energie des Aufpralls absorbieren. Dadurch ist die Fahrgastzelle deutlich widerstandsfähiger gegen Deformationen und In sassen sind besser geschützt.
Ein Pedalblock, verstärkt durch eine Rippenstruktur aus Polyamid, besitzt im Vergleich zur Vollstahlbauweise eine größere Tragfähigkeit und ist gleichzeitig 40 % leichter. Au ßerdem sind dort Funktionen wie Fußblech, Bremslichtaus löser sowie die Befes tigung der Pedalachse integriert.
Mobilität Von Lanxess Städte Im Wachstum Immer mehr der inzwischen über 7 Milliarden Men schen weltweit leben in Städten. Das bedeutet einen erheblichen Bedarf an zukunftsfähiger Infrastruktur, um das wachsende Bedürfnis nach Mobilität zu erfüllen. 1975
37,2 %
2005
48,7 %
2030
59,9 %
FahrzeugREIFEN Reifen müssen nicht nur bei jeder Temperatur die Kontrolle über das Fahrzeug gewährleisten, man erwartet von ihnen außerdem hohe Sicherheit, Belastbarkeit und Langlebigkeit. Aus diesem Grund verwenden namhafte Reifenhersteller synthetischen Hoch leistungskautschuk von LANXESS, der sich in seinen physikalischen Ei genschaften optimal austarieren lässt.
2030 leben fast zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten.
VERKEHR Im Blick
Staus kosten Zeit, Geld und belasten die Umwelt durch hohe CO2-Emissionen. Abhilfe leistet eine intelligente Verkehrssteuerung, die die Verkehrsteilnehmer auf Stö rungen aufmerksam macht und ihnen Alternativstre cken anbietet.
Jeder Deutsche steht pro Jahr ca. 2,4 Tage im Stau.
Mobilität im mIX MotorKomponenten
20 Prozent aller CO2-Emissionen in Deutschland sind auf den Verkehr zurückzuführen. Durch die optimale Nutzung verschiedener Transportmittel lässt sich Mobilität nachhaltiger und umweltfreundlicher gestalten.
Pseudoplastisches Polyamid findet bei blasgeformten Bauteilen in Mo torbelüftungssystemen Verwendung. Rohre aus diesem Material sind un empfindlich gegen Kälte und beson ders knick- und abriebfest. Außerdem sind sie sehr resistent gegen Sauer stoff und Ozon.
Ganze 1,5 Stunden ist jeder Bundesbürger täglich mit den unterschiedlichsten Verkehrsmitteln unterwegs.
Nachhaltig Unterwegs
Leichteres Leder
Hightech-Kunststoffe
Das spezielle X-Lite® Leather für anspruchsvolle Fahrzeug sitzbezüge bringt es auf eine Gewichtsersparnis von rund 1,5 kg pro Fahrzeug. Trotz die ser Leichtigkeit, verglichen mit normalem Leder, sind keiner lei Unter schiede hinsichtlich Optik, Haptik oder Abriebfes tigkeit wahrzunehmen.
Hightech-Kunststoffe und -Kautschuke von LANXESS sind trotz ihres geringen Ge wichts äußerst stabil und be sitzen exzellente mechanische Eigenschaften. Daher eignen sie sich hervorragend für die Konstruktion besonders leich ter Karosserien von emissions armen Fahrzeugen.
Fortbewegung findet in Deutschland primär auf der Straße statt und ist noch stark abhängig von fossilen Brennstoffen. Elektromobilität unter Nutzung erneuer barer Energien bringt uns unseren Klimazielen näher.
8 % Wind
5 % Bio
3 % Wasser
3 % Sonne
1 % Sonstige
2011 betrug der Anteil von Strom aus alternativen Energiequellen in Deutschland bereits 20 %.
INFO-ROOM
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Vernetzt, flexibel, sauber Erfolgsmodell
Das Carsharing-System car2go von Daimler ist in Europa und Nordamerika inzwischen in zehn Metropolen am Markt.
In San Diego (Kalifornien) und im niederländischen Amsterdam setzt Smart ausschließlich Elektrofahrzeuge ein.
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Wenn Dr. Weert Canzler vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Mitautor des Buches „Einfach aufladen: Mit Elektromobilität in eine saubere Zukunft“, nach seiner Vision von vernetzter Mobilität gefragt wird, hat er folgendes Szenarium parat: Öffentliche Elektroautos stehen wie Busse und Bahnen praktisch jedem zur Verfü gung, vorausgesetzt, er oder sie hat sich unter Nachweis einer allgemeinen Fahrerlaubnis einmal angemeldet. Die Fahrzeuge stehen auf frei zugänglichen Parkplätzen über all an den Knotenpunkten des öffentlichen Verkehrs bereit. Carsharing-Technologie erlaubt einen einfachen Zugang mit Handy oder Karte, die Autos können ohne Vorbuchung direkt genutzt und an jedem anderen freien Parkplatz wie der abgestellt werden. Ist der Ladezustand der Batterie kritisch, bleibt das Fahrzeug gesperrt, die maximale Bu chungszeit ist sowieso begrenzt. So ist eine breite Verfüg barkeit gegeben. Mit diesem Zukunftsbild steht der Wissenschaftler nicht allein. Seit die Automobilindustrie mit großem Aufwand die Entwicklung und Markteinführung von Hybrid- und Elektrofahrzeugen vorantreibt, seit führende Fahrzeug hersteller eigene Carsharing-Konzepte umsetzen, seit Smartphones mit mobilen Applikationen und Ortungs systemen den Zugang zu Mietfahrzeugen erleichtern und nicht zuletzt seit Fahrzeugbauer, öffentliche Verkehrsun ternehmen, Elektro-, IT- und Stromindustrie gemeinsam an vernetzten Verkehrssystemen arbeiten, eröffnen sich durchaus realistische Perspektiven für ein intermodales Verkehrsangebot, in dem das Elektroauto ein wichtiges Glied im Netzwerk darstellt.
VERNETZTE MOBILITÄT
In Wissenschaft und Wirtschaft herrscht durch die inten sivierte Beschäftigung mit dem Verkehr der Zukunft Auf bruchstimmung. Aufbruchstimmung, die ausgelöst wird durch den Klimawandel, Rohstoffverknappung und Raum probleme in städtischen Ballungsgebieten sowie von den staatlich verschärften Grenzwerten für gesundheits- und klimaschädliche Emissionen.
Anstöße aus der Politik Die vernetzte automobile Zukunft, so utopisch die Vorstellun gen darüber manchmal auch anmuten mögen, hat bereits begonnen – ausgelöst von politischen Vorgaben für umwelt freundlichere Antriebssysteme. Brüssel hat im Jahr 2007 die Grenzwerte für den CO2-Ausstoß von Personenwagen vorgegeben: Die durchschnittliche CO2-Emission aller Fahrzeugtypen eines Herstellers darf demnach ab 2012 120 Gramm pro Kilometer nicht übersteigen. Durch verbes serte Motorentechnik soll ein Rückgang auf 130 Gramm erreicht werden, die restlichen zehn Gramm Emissionsminderung sollen andere technische Entwicklungen wie rollwiderstandsoptimierte Reifen bringen. Überschreitet ein Hersteller mit seiner Produktpalette im Durchschnitt dieses Limit, muss er spätestens ab 2015 mit empfindlichen Geldstrafen rechnen. Je Gramm über dem Grenzwert soll die „Prämie“ 95 Euro kosten, multipliziert mit der Anzahl der von diesem Hersteller insgesamt produzierten Fahrzeuge. Alle Maßnahmen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes sol len nach Vorgaben der Brüsseler Kommission die Emissi onen des Klimagases in der EU bis 2020 um 20 Prozent
Mit vernetzten und flexiblen Carsharing-Angeboten erschlieĂ&#x;en sich Automobilhersteller neue Geschäftsfelder.
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Klimaschutz
gegenüber 1990 verringern. Nach der sogenannten „Road map for Moving to a Competitive Low Carbon Economy in 2050“ steht eine Reduktion der Kohlendioxid-Emissionen um 60 bis 90 Prozent gegenüber 1990 zur Diskussion.
Wettlauf um Vorreiterrolle
Die Grenzwerte der Europäischen Kommission für den C02-Ausstoß von Autos beflügeln Entwicklung und Bau von Elektrofahrzeugen.
Wenn die Elektroautos mit Strom aus regenerativer Energie wie Solarenergie oder Windkraft „betankt“ werden, fahren sie nahezu emissionsfrei.
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Die Bundesregierung hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, Deutschland als Vorreiter beim Klimaschutz und als „Leit markt und Leitanbieter“ von Elektromobilität zu etablieren. Mit einer Reihe von öffentlich geförderten Pilotprojekten und Mitteln für Forschung und Entwicklung auf den Gebie ten Elektro- und Hybridtechnologie will die deutsche Politik erreichen, dass bis zum Jahr 2020 in der Bundesrepublik eine Million, bis zum Jahr 2030 sogar sechs Millionen Elek troautos fahren. Bis zum Jahr 2050 soll der urbane Verkehr überwiegend mit Energie aus regenerativen Quellen wie Wind, Sonne und Wasserkraft oder aus Wasserstoff in Ver bindung mit der Brennstoffzelle gespeist werden. Mit seinen ehrgeizigen Zielen steht Deutschland allerdings nicht allein. Auch Frankreich möchte Vorreiter und Markt führer in Sachen Elektromobilität werden und subventio niert den Kauf von E-Autos. Chinas Regierung unterstützt
Käufer von Elektroautos sogar mit bis zu 60.000 Yuan (rund 6.400 Euro) – kein anderes Industrieland zahlt solch hohe Prämien für die E-Mobilität. Staatliches Ziel ist es, die Volksrepublik zum global führenden Hersteller von Elekt rofahrzeugen zu machen. Und die üppige Subvention ist wohl erst der Anfang. Laut Presseberichten will Chinas Re gierung zusätzlich zu den Käuferprämien ein 100 Milliar den Yuan (11,7 Milliarden Euro) schweres Investitionspro gramm auflegen, mit dem Forschung und Entwicklung von Elektroautos stimuliert werden sollen. Doch trotz aller Ankündigungen, Programme und finanziel len Anreize: Die Elektromobilität steckt bislang noch im Pio nierstadium. Bevor Elektroautos einen nennenswerten Anteil am Personenverkehr erreichen können, müssen zahlreiche Hürden genommen werden: Noch sind die Batterien sehr teuer, noch fehlt ein flächendeckendes „Tank“-Netz, noch lässt die Reichweite im Vergleich zu Benzin- und Dieselfahr zeugen zu wünschen übrig. Deshalb fehlt auch bislang die breite Akzeptanz in der Bevölkerung. Zwar ist das Angebot an serienreifen Elektro-Pkw wie dem Mitsubishi i-MiEV noch sehr limitiert, die geringe Nachfrage in Deutschland zeigt dennoch, wie zurückhaltend die potenziellen Kunden auf
Wenn die Batterien eines E-Autos wie des Mitsubishi i-MiEV nachts aufgeladen werden, können sie auch als Speicher im Smart Grid dienen.
dem größten europäischen Automarkt nach wie vor sind. Trotz der zunehmenden Zahl von regionalen Testflotten wur den nach Berechnungen des Auto-Experten Prof. Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research der Universi tät Duisburg-Essen (siehe auch S. 92) in den ersten elf Mo naten des Jahres 2011 in Deutschland ganze 1.808 Elek troautos angemeldet. Der Großteil der Zulassungen entfiel auf Showfahrzeuge von Autohändlern, auf Umweltorganisa tionen und Stromerzeuger für Demonstrationszwecke sowie regionale Testflotten. Nur 101 Elektroautos wurden von Pri vatpersonen gekauft.
Zukunftsmarkt Ballungsräume Das Geschäft mit Privatkunden, davon sind die meisten Ex perten überzeugt, wird auch in absehbarer Zukunft nicht die Masse bringen. Fahrzeuge, die ausschließlich von einer Bat terie mit Strom versorgt werden, eignen sich wegen ihrer li mitierten Reichweite und ihrer langen Ladezeiten bislang nur für den Verkehr in Großstädten und Ballungsräumen. Deshalb kommt den Stromern im privaten Haushalt wohl auf längere Zeit allenfalls die Rolle als trendige Zweitwagen zu. Im gewerblichen und öffentlichen Flottenverkehr, etwa als Zustellfahrzeug von Postdiensten, als Kundendienstfahr zeug oder im Bereich des Carsharings, sehen Hersteller und wissenschaftliche Experten wie Canzler dagegen für E-Autos ein wirtschaftlich durchaus vielversprechendes Potenzial. Nicht zuletzt deshalb haben Automobilherstel ler wie Daimler und BMW in jüngster Vergangenheit die gar nicht so neue Idee des Carsharings aufgegriffen und in Verbindung mit moderner Kommunikationstechnologie zu einem interessanten Geschäftsmodell weiterentwickelt.
Auch die Deutsche Bahn integriert das kurzzeitige Vermie ten von Autos ihrer Tochtergesellschaft Flinkster in ihr regi onales Mobilitätsangebot. Die neuen Carsharing-Modelle verbreiten sich schnell von einzelnen urbanen Zentren aus über Grenzen und Konti nente hinweg. Daimlers Tochtergesellschaft car2go, die 2008 die erste Flotte von 50 Smart-Fahrzeugen in Ulm auf die Straße brachte, operiert demnächst auch in Washing ton D.C. Die US-Hauptstadt wird damit die dritte „Operating Area“ in den Vereinigten Staaten neben Austin (Texas) und San Diego (Kalifornien); dazu kommt in Nordamerika noch das kanadische Vancouver. In Europa gibt es car2go ne ben Ulm inzwischen auch in Hamburg, Düsseldorf, Ams terdam, Lyon und Wien. In Amsterdam und in San Diego setzt car2go ausschließ lich Elektro-Smarts ein – zurzeit je 300. Sie werden an den bereits zahlreichen Ladestationen – seit 2012 sind 1.200 in Betrieb – ausschließlich mit regenerativ erzeugtem Strom gespeist. In Amsterdam wurde bis Ende 2011 ein Netz von 300 Ladestationen aufgebaut, seit Jahresende 2012 sind 1.000 in Betrieb, um ein ausreichend dichtes Stationsnetz anzubieten. Dass car2go auch in Deutschland rein elektrisch funktionie ren kann, soll sich in Stuttgart zeigen. Dort will Daimler ge meinsam mit zahlreichen Partnern 500 batteriebetriebene Spontan-Mietwagen auf die Straße bringen. Für das E-Car sharing werden dort neue Kombi-Pakete mit dem öffentli chen Nahverkehr geschnürt, spezielle Parkplätze im Stadtge biet ausgewiesen und rund 500 Ladesäulen aufgestellt, an denen ausschließlich Ökostrom gezapft wird.
Vernetzt mobil
Wer das nächste Fahrzeug von DriveNow sucht, kann in einer App den Standort finden.
Nach Eingabe der persönlichen BMW DriveNow PIN kann die Fahrt im vernetzten Leihwagen losgehen.
VERNETZTE MOBILITÄT
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Fragen zur Nutzerfreundlichkeit und AkzeptAnz Die integrierte Mobilität der Zukunft baut auf neue Antriebe, neue Verkehrsmittel, neue Nutzungskonzepte ebenso wie auf eine bessere Kombination der Verkehrsmittel. Mit den neuen Möglichkeiten und Konzepten kann sich u nser Mobilitätsverhalten deutlich verändern. So impliziert zum Beispiel Elektromobilität nicht nur das Fahren mit einem anderen Motor, sondern auch eine ver änderte Bedienung des Fahr zeugs mit neuartigen Anzeigen, wie etwa dem Ladestand der Batterie, sowie neuen Gewohnheiten, zum Beispiel dem Laden des Fahrzeugs über Nacht. Die Akzeptanz des Nutzers für diese Veränderungen ist eine zentrale Voraussetzung dafür, dass sich die entsprechenden Technologien, Fahrzeuge und Angebote auf dem Markt durchsetzen können. Mit
Neue Technologien werden akzeptiert, wenn sie überzeugenden Nutzen bringen. „Nutzerakzeptanz“ wird die Bereitschaft des Nutzers beschrieben, eine Idee, eine Verhaltensweise oder ein Produkt bereitwillig anzunehmen. Akzeptanz wird durch viele Faktoren beeinflusst. Dazu gehören Einstellungen (Was denken ich und andere über Carsharing?), soziale Normen
(Gelten elektromobile Personen als innovativ und zukunftsgewandt?), persönliche Werte (Möchte ich die Umwelt schützen und zur Nachhaltigkeit beitragen, indem ich meine Mobilität verändere?), persönliche Erfahrungen (Habe ich bisher immer ein Auto besessen oder flexibel Verkehrs mittel genutzt? Wie ist es mir mit anderen neuen Techno logien ergangen?), die wahr genommene Nützlichkeit (Kann ich mit einem E-Fahrzeug/Carsharing-Fahrzeug meine Mobilitätsbedürfnisse erfüllen?) sowie Rahmenbe dingungen und Fördermaß nahmen (Welche finanziellen Anreizegibt es? Gibt es attraktive Angebote und Konzepte, die ich unverbindlich testen kann?).
Quelle: Fraunhofer ISI
biet bereit. Ein zügiger Ausbau ist vorgesehen. Außerdem testet Volkswagen mit einer breiten Fahrzeugpalette – vom kleinen Up bis zu Transportern – längere Mietzeiten von mindestens zehn Stunden („Quicar Plus“). Im Carsharing sieht Volkswagen auch einen Schrittmacher für die spätere Nutzung von Elektroautos, deren Verkauf wegen der noch hohen Kosten lange limitiert bleiben dürfte. Sowohl BMW als auch VW bedienen sich wie Daimler einerChipkarte für die registrierten Kunden sowie der Ortungund Reservierung über Smartphone und App. Volkswagen hat in die interaktive Kommunikation auch sozialeNetzwerke eingebunden, um Empfehlungen und Sehenswürdigkeiten in der Stadt zu verbreiten. Insgesamt gesehen liegt die Auslastung der modernen Carsharing-Angebote mehr als doppelt so hoch wie im konventionellen Carsharing, bei dem das Auto immer an die Ausleihstation zurückgebracht werden und das Ende der Leihzeit vorher angegeben werden muss. „Offenbar“, so schlussfolgert der Verkehrswissenschaftler Weert Canzler, „steigern Open Access, Open End und One-wayFähigkeit die Attraktivität des Carsharings erheblich.“
Vernetzung mit dem ÖPNV
Quicar
In Hannover startete auch Volkswagen mit Quicar ein eigenes CarsharingAngebot.
Ladestation
An der Ladesäule Charge CP500A von Siemens lassen sich zwei Elektrofahrzeuge gleichzeitig mit Strom versorgen.
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Nutzerfreundlichkeit als Erfolgsfaktor Die Nutzung der Fahrzeuge ist denkbar einfach. Nach der Registrierung erhält der Teilnehmer einen Chip auf seinem Führerschein, mit dem sich ein am Straßenrand abgestell ter Smart über ein Lesegerät hinter der Windschutzschei be öffnen und nach Eingabe einer PIN in Betrieb setzen lässt. Wo genau ein Fahrzeug steht, kann man auf einer speziellen Smartphone-App sehen. Die Abrechnung der genutzten Minuten erfolgt monatlich oder wöchentlich. Was car2go zusätzlich interessant macht, ist das Verspre chen, „auf allen öffentlichen Parkplätzen im Geschäftsge biet parken“ zu dürfen. Auch gebührenpflichtige Parkplät ze können genutzt werden, die Rechnung übernimmt der Vermieter. Noch müssen sich car2go-Nutzer in jeder Stadt, in der sie den Service nutzen wollen, separat anmelden. Doch auch das soll sich im Rahmen einer vernetzten Mobilität ändern: Letzte steuerliche, versicherungsrechtliche und buchhalterische Hürden für ein internationales Roaming müssen noch aus dem Weg geräumt werden. Der Nutzer aus Düsseldorf kann also mit seinem heimatlichen Chip auch in San Diego ohne bürokratischen Vorlauf im E-Smart zum Strand fahren. BMW hat sich für das Carsharing unter dem Namen DriveNow mit dem Autovermieter Sixt verbündet. Inzwischen sind die Fahrzeuge der Typen BMW 1, X1 sowie Mini und Mini Clubman in den Städten Berlin, München und Düssel dorf einsatzbereit. Volkswagen hat im November 2011 eine eigene KurzzeitVermietung gestartet. In Hannover will VW mit „Quicar“ das Marktpotenzial testen. Dafür standen zum Start zu nächst 200 Golf BlueMotion an 50 Standorten im Stadtge
VERNETZTE MOBILITÄT
In einer wirklich vernetzten Mobilität bildet Carsharing aber nur einen Baustein von vielen. Um die städtischen Bal lungsgebiete und Megacitys von wucherndem Individu alverkehr zu entlasten, die gesundheits- und klimaschäd lichen Emissionen zu mindern, die Lärmpegel zu senken und insgesamt die Lebensqualität zu erhöhen, so haben Verkehrsexperten erkannt, müssen die einzelnen Ver kehrssysteme eng miteinander verknüpft und auf die un terschiedlichen Bedürfnisse der Menschen zugeschnit ten werden. Das Verkehrsnetzwerk muss flächendeckend funktionieren, während die individuelle Flexibilität gewähr leistet bleiben muss. Dabei werden sich vor allem im Nah streckenverkehr die dafür zur Verfügung stehenden Ver kehrsmittel stärker als bisher differenzieren, müssen aber gleichzeitig eng zusammenwachsen, um einen problemlosen Umstieg von einem Verkehrsmittel auf ein anderes zu gewährleisten.
Zahlreiche Initiativen und Projekte Um solch komplexe Systeme zu entwickeln und im Be wusstsein der Nutzer zu verankern, entstanden in jüngster Zeit zahlreiche, meist staatlich geförderte Initiativen, getragen von öffentlichen und privaten Verkehrsanbietern, Behörden, Fahrzeugherstellern und der Wissenschaft. In Paris ließ sich die öffentliche Verwaltung vom Erfolg des Vélib-Systems, der Bereitstellung von 20.000 Fahrrä dern an 1.500 innerstädtischen Stationen, dazu ermun tern, auch „Autolib“ anzubieten, um die Pariser Innenstadt vom privaten Autoverkehr zu entlasten. Autolib bietet klei ne Elektrofahrzeuge, die Kunden des öffentlichen Nahver kehrs ebenso nutzen können wie die Fahrräder. Damit wer den öffentlicher Nahverkehr, Carsharing, E-Mobility und Fahrradverleih wirksam miteinander verknüpft. Bei den Elektroautos kommt der Stadtverwaltung zudem zugute,
dass Elektromobilität in Frankreich ein nationales industrie politisches Projekt ist und entsprechend gefördert wird. In Deutschland hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung (BMVBS) Anfang 2009 für das Förderprogramm „Modellregionen Elektromobilität“ 130 Millionen Euro Fördermittel bereitgestellt. 220 verschiede ne Projekte wurden in acht sogenannten Modellregionen gebündelt. Eine dieser Modellregionen ist Berlin/Potsdam mit dem Projekt „BeMobility – Berlin elektroMobil“, in dem integrative Mobilitätskonzepte unter Einbindung der Elek tromobilität als Bestandteil eines öffentlichen Verkehrsan gebots entwickelt wurden. Befragungen der Nutzer des multimodalen Angebots ergaben, dass die Kombination von Elektrofahrzeugen im Carsharing mit dem öffentlichen Verkehr sehr positiv wahrgenommen wird und so die urba ne Mobilität flexibel, ökologisch und bezahlbar organisiert werden kann. Knapp ein Drittel der Testnutzer hat das Mo bilitätsverhalten zumindest teilweise verändert. Die fast täg liche Nutzung des privaten Pkw ging von 15 Prozent auf fünf Prozent zurück. Die mehrfache Nutzung des Carsha rings im Monat konnte von zwölf Prozent auf 42 Prozent mehr als verdreifacht werden. Im Abschlussbericht des Projekts BeMobility heißt es wei ter: „Im Projektzeitraum legten die Elektro- und Hybrid fahrzeuge der Flinkster-Flotte knapp 200.000 Kilometer zurück und wurden fast 3.000 Mal gebucht... Die oft als Nutzungshürde angenommene Reichweitenbegrenzung erwies sich unter Einbeziehung von Bus, Bahn und Leihrad als unproblematisch.“
Standardisierte Schnittstellen Dies bestätigt auch eine repräsentative Umfrage des Markt forschungsinstituts Infas im Auftrag des Automobilzulieferers Continental unter 100 Personen im führerscheinberechtig ten Alter: Rund 90 Prozent der Pkw in privaten Haushalten in Deutschland legen weniger als 100 Kilometer am Tag zurück. Knapp 28 Prozent der Autos fahren sogar nur zwi schen zehn und 25 Kilometer am Tag. Gleichzeitig stört es 72 Prozent der in Deutschland befragten Menschen, wenn sie ihren Wagen alle 150 Kilometer an die Steckdose hän gen müssen. Dabei gäbe es dafür Zeit genug. Laut oben genannter Stu die stehen deutsche Autos meist nutzlos herum: tagsüber etwa durchschnittlich drei Stunden zu Hause (40 Prozent) oder im Schnitt sieben Stunden am Arbeitsplatz (14 Pro zent). Bei entsprechender Infrastruktur also genügend Zeit, um die Batterie des E-Fahrzeugs aufzuladen. In Berlin/Brandenburg stellte sich allerdings auch heraus, dass die Infrastruktur eines umfassenden Mobilitätssystems standardisierte Schnittstellen benötigt. Dafür müssen Ener gieversorger, Automobilhersteller, Parkraumbewirtschaf ter, Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sowie Bundesländer und Kommunen enger zusam menarbeiten, um den Nutzern komfortable und den Betrie ben kostendeckende Lösungen anzubieten. Inzwischen haben sich sechs Unternehmen aus der Auto mobilindustrie und der Energiewirtschaft zusammenge
schlossen, um zunächst einmal ein einheitliches Abrech nungssystem für das Laden von Elektroautos zu schaffen. Dafür gründen BMW, Bosch, Daimler, die Energieerzeuger EnBW und RWE sowie Siemens ein Gemeinschaftsunter nehmen. Bisher verfügen die Anbieter von öffentlichen Ladestationen über unterschiedliche Authentifizierungs- und Bezahlsysteme, die untereinander nicht kompatibel sind. Neben der Unterstützung unterschiedlicher Abrechnungs systeme soll die neue Plattform die Vernetzung von Zu gangs-, Lade- und Serviceprozessen sowie die Erweiterung des Produktangebotes und der Dienstleistungen rund um die Elektromobilität in den Fokus stellen, erklärten die betei ligten Unternehmen. Ziel sei eine Software-basierte, offene Plattform, die auch andere Anbieter nutzen können.
Vorbildfunktion
Paris stellt für den Stadtverkehr neben Fahrrädern auch Elektroautos bereit.
Integration ins Smart Grid Eine Vernetzung der Mobilität eröffnet auch die Möglichkeit, das Elektroauto in künftige „intelligente“ Stromnetze, soge nannte Smart Grids, zu integrieren. Damit können sie einen wichtigen Beitrag zur effizienten Nutzung von regenerativ erzeugtem Strom aus Windkraft und Solarenergie leisten: Weht nachts, wenn der Stromverbrauch gering ist, der Wind kräftig und erzeugt überschüssigen Strom, kann der in den Batterien von Elektrofahrzeugen gespeichert und später bei steigendem Strombedarf auch wieder entnommen werden. Nicht nur für den Aufbau der dafür erforderlichen Infra
Die französische Autoindustrie (hier der Citroën C-Zero) soll Vorreiter für E-Mobilität werden.
Mit Call a Bike bietet die Deutsche Bahn neben den Flinkster-Autos auch Fahrräder im Verleih.
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Schnellservice
Renault-Nissan ermöglicht seinen E-Kunden im „Better Place“ einen schnellen Akkuwechsel.
struktur arbeiten Automobilhersteller und Elektroindustrie eng zusammen. Der deutsche Konzern Siemens hat dafür seine Aktivitäten im Bereich Elektromobilität unter einem Dach zusammen gefasst und auch einen eigenen Flottenversuch gestartet, in dessen Rahmen Elektroautos von 100 Mitarbeitern im Alltagseinsatz getestet werden. Ziel ist es, das Zusammen spiel von Auto und Stromnetz zu optimieren und das Potenzial erneuerbarer Energie besser auszuschöpfen. Dabei gilt es auch, die zahlreichen bereits jetzt von Siemens für die elektromobile Zukunft bereitgehaltenen Komponenten zu einem Gesamtportfolio zu verknüpfen – vom intelligenten Stromnetz und von der Infrastruktur zum Stromtanken über Komponenten für das Elektroauto bis hin zu umfassenden und aufeinander abgestimmten Softwarepaketen.
Komplexes System Renault vermietet die Batterien seiner E-Fahrzeuge, um deren Anschaffung zu erleichtern.
Elektrofahrzeuge wie der Renault Kangoo Z.E. werden speziell für kurze Strecken entwickelt.
Bei einem batteriebetriebenen Elektroauto besteht der An trieb im Allgemeinen aus Elektromotor, Umrichter, Batterie und Ladegerät. Der Elektromotor benötigt für den Antrieb Wechselstrom, der vom Umrichter geliefert wird. Dieser wan delt hierzu den Gleichstrom der Batterie in Wechselstrom um. Er regelt auch die Geschwindigkeit, indem mehr Strom
durchfließt und so die Drehzahl des Motors erhöht, sobald der Fahrer „Gas“ gibt. Doch zuerst muss die Batterie aufge laden werden. Dafür benötigt die Elektromobilität ein eng maschiges Netz von „Stromtankstellen“, wobei vorrangig ein schnelles Laden notwendig ist, um eine breitere Akzeptanz von E-Autos zu erreichen. Vor allem dort, wo bevorzugt kurz geparkt wird, können Schnellladestationen ihre Stärken ausspielen. Ein Autofah rer kann hier zeitgleich zu seinem Einkauf oder Restaurantbe such seine Fahrzeugbatterien laden. Für Betreiber von Kurz zeitparkzonen sind Schnellladesysteme deshalb genauso die erste Wahl wie für Unternehmen mit Servicefahrzeugen. Eine Alternative zum Schnellladen ist der Austausch leerer Batteri en gegen aufgeladene in sogenannten „Swapping Stations“. Da hierbei alle elektrischen Elemente innerhalb eines ge schlossenen Prozesses oder Systems gehalten werden, er folgt der Austausch sicher, schnell und komfortabel – und er laubt hohe Reichweiten ohne lange Wartezeiten. Renault zum Beispiel bietet Käufern von E-Fahrzeugen eine günstige Miet batterie, die an speziellen Stationen schnell gegen eine frisch geladene ausgewechselt werden kann. Für das Laden im privaten Umfeld – etwa über Nacht in der Garage – hat Siemens die Wall Box konzipiert. Sie lässt sich platzsparend, einfach und schnell installieren. Das sogenannte induktive Laden ermöglicht es sogar, Elek trofahrzeuge gänzlich ohne Ladekabel und Ladesäule mit Strom zu versorgen. Eine vollständig im Boden versenkte Spule, die Primärspule, bildet dabei die Verbindung zum öffentlichen Energienetz. Startet der Fahrer den Ladevor gang, fließt Strom durch diese Primärspule. Als Folge baut sich ein Magnetfeld auf, das in der im Fahrzeug eingebau ten Sekundärspule einen elektrischen Strom anregt. Dieser induzierte Strom lädt die Batterie des Elektrofahrzeugs auf. Die Ladestationen können nahezu unsichtbar in jede Um gebung integriert werden. Das kontaktlose Ladeverfahren ist verschleißfrei, sicher vor Vandalismus und bietet sich als komfortable Alternative für Elektrofahrzeugflotten (beispiels weise Taxis) oder für zu Hause an. Ein von Siemens und BMW gemeinsam in Berlin laufender Feldtest untersucht die Leistungsfähigkeit der Systeme unter realen Bedingun gen, um die Tauglichkeit für die Integration in Serienfahr zeuge und notwendige Modifikationen zu ermitteln. Das Projekt wird vom Bundesumweltministerium gefördert.
Vision von kooperativen Systemen Auch das Zusammenspiel der bisher getrennten Subsyste me in Fahrzeugen, Straßeninfrastruktur und Verkehrszentra len kann nach Meinung der Verkehrsexperten von Siemens bald Realität werden. Intelligente Elektroauto-Software kann zusammen mit dem kommunikationstechnischen Ausbau der Elektromobilitätsinfrastruktur die sogenannte Car2X-Kom munikation erweitern. Dabei verständigen sich Autos ent weder mit anderen Fahrzeugen (Car2Car) oder mit der Ver kehrsinfrastruktur (Car2Infrastructure). Car2X macht Autos zu mobilen Sensoren für Verkehrsleitsysteme. Das heißt, das Leitsystem ermittelt aus Standort und Geschwindigkeit der vernetzten Autos das Entstehen von Staus und deren Län 22
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Schnurlos
Auf Parkplätzen, zum Beispiel von Einkaufszentren, können E-Autos künftig induktiv schnell aufgeladen werden.
ge. Dies ermöglicht bessere Umleitungsempfehlungen und macht den Verkehr sicherer und flüssiger, indem Daten über Verkehrsdichte, Straßenzustand oder Ampelschaltzeiten aus getauscht werden. In Texas haben die Mobilitätsexperten von Siemens eine intel ligente Ampelsteuerung implementiert, die erkennt, wie viele Fahrzeuge mit welcher Geschwindigkeit auf eine Kreuzung zufahren. Sie steuert die Ampelphasen so, dass immer die stärker befahrene Straße die längere Grünphase bekommt. Die neue Technik soll nicht nur den Verkehrsfluss verbessern, sondern auch dazu beitragen, dass Busfahrer ihre Fahrpläne einhalten. Die Infrastruktur erkennt, ob ein Bus Verspätung hat, und sorgt bei Bedarf für mehr grüne Ampeln und freie Fahrt, damit der Bus die verlorene Zeit wieder aufholen kann. „Intelligente“ Hard- und Software und ihre Vernetzung mit mobilen Informations-, Verkehrsleit- und Sicherheitssyste men tragen somit auch maßgeblich zu einem geringeren Kraftstoffverbrauch, geringerer Lärmemission und vermin dertem Schadstoffausstoß bei.
in der Industrie, die Sanierung von Gebäuden und für den millionenfachen Einsatz von klimaschonenden Kraftfahr zeugen ausgegeben werden. Die Investitionsquote der Unternehmen in der Europäischen Union müsste dafür von derzeit 19 Prozent auf 20,5 Prozent steigen. Der errechnete Investitionsbedarf entspricht laut EU-Kom mission rund 1,5 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleis tung der EU-Staaten. Den Ausgaben stehen nach Einschätzung der Brüsseler Experten allerdings auch zahlreiche positive Effekte gegen über: Neben deutlich geringerer Luftverschmutzung und 1,5 Millionen zusätzlichen Arbeitsplätzen nennt die EUKommission zum Beispiel auch geringere Brennstoffkosten von 175 bis 320 Milliarden Euro jährlich und niedrigere Ausgaben der Krankenkassen für die Behandlung von Atemwegserkrankungen.
Über Induktionsschleifen wie diese von Siemens lassen sich die Batterien von Elektrofahrzeugen ohne Kabel aufladen.
Werbeträger
Der Stromerzeuger RWE schickt einen auf Elektrobetrieb umgebauten Heinkel Kabinenroller auf die Straße.
Gewaltiger Investitionsbedarf Der Klimaschutz, zu dem letztlich auch die „grüne“ und vernetzte Mobilität beitragen soll, hat allerdings einen hohen Preis. Nach Berechnungen der Europäischen Kom mission müssen allein in Europa für das Ziel, bis 2050 den CO2-Ausstoß im Vergleich zum Jahr 1990 um 80 Prozent zu senken, jährlich 270 Milliarden Euro investiert werden. Binnen 40 Jahren wären das fast unvorstellbare 10,8 Billionen Euro. Das Geld müsste für Umstellungen
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Sportwagen mit den Verbrauchswerten eines Kleinwagens: Der BMW i8 Concept stellt die nächste Evolutionsstufe des Konzepts „BMW Vision EfficientDynamics“ dar.
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SOMMERREIFEN
Strategien für den Verkehr der Zukunft Steigende Rohölpreise und die absehbare Verknappung der endlichen Energiequellen Öl und Erdgas, Ängste vor den Aus wirkungen des drohenden Klimawandels, aber auch die dyna mische Zunahme sowohl des Personenkraftverkehrs als auch des Gütertransports per Lastkraftwagen als Folge der rasanten Entwicklung großer Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien oder Mexiko und nicht zuletzt das Anwachsen von Megacitys mit Einwohnerzahlen von deutlich mehr als zehn Millionen verlangen von den Automobilbauern und ihren Zulieferunter nehmen neue Mobilitätskonzepte. Dabei müssen sie die unterschiedlichsten Bedürfnisse ihrer heterogenen Kundschaft berücksichtigen, die Schadstoffemissionen minimieren bis hin zur Null-Emission und dafür ihre Motorentechnologien optimieren, neue Antriebskonzepte für neue Energieträger entwickeln und gleichzeitig die markenspezifischen Merk male ihrer Fahrzeuge aufrechterhalten. Die Herausforderungen sind umso größer, als in den neuen Wachstumsmärkten ehrgeizige Wettbewerber erstarken. Zudem erlassen Regierungen und Behörden immer stren gere Vorschriften und Auflagen, um umwelt- und gesund heitsschädliche Einflüsse des Kraftverkehrs – ob durch CO2-Emissionen, Rußpartikel und Feinstaub, Schwefel, Stickoxide oder durch Lärm – zurückzudrängen. Die Automobilindustrie stellt sich diesen Anforderungen – und nutzt sie zu Innovationen und Wettbewerbsvorteilen. Mancher technische Fortschritt der vergangenen Jahrzehnte hätte ohne „Druck von oben“ möglicherweise erst viel später oder gar nicht stattgefunden. Eines der frühen Beispiele dafür war die Einführung von Drei-Wege-Katalysatoren zur Abgasreinigung von Ottomotoren, die in der zweiten Hälfte der 80er Jahre zunächst auf heftigen Widerstand von Automobilherstellern stieß. Doch der Drei-Wege-Katalysator kam und siegte auf der ganzen Linie.
Jetzt und auch künftig stehen die Autobauer vor der Heraus forderung, die zunehmend strengen CO2-Werte einzuhalten, wie sie in den führenden Industrieländern gefordert werden. Anliegen dabei ist, die Emission des „Treibhausgases“ CO2 vor erst auf einen Wert von 120 Gramm je Liter Verbrauch zurück zuführen. Da dies als Durchschnittswert für die gesamte An gebotspalette eines Pkw-Herstellers gilt, müssen vor allem die Hersteller von Premium-Fahrzeugen mit starker Motorisierung als Ausgleich Fahrzeuge anbieten, deren CO2-Ausstoß deut lich unter dieser Marke liegt. Die Strategien der einzelnen Unternehmen setzen zwar unter schiedliche Schwerpunkte, der Strauß der Basistechnologien ist jedoch nicht so breit gefächert, wie das Differenzierungsbestreben der Wettbewerber. Sie können • verbrauchsgünstigere Verbrennungsmotoren entwickeln, • ihre Motoren auf Biokraftstoffe umrüsten, • Hybridtechnologien einsetzen, um den Kraftstoffverbrauch durch Stromeinsatz zu senken, • reine Elektrofahrzeuge – vor allem für den urbanen Verkehr – samt leistungsfähiger Batterietechnologie anbieten und • auf die Zukunft von Wasserstoff und Brennstoffzelle für den abgasfreien Elektroantrieb setzen. Die Fortschritte während der vergangenen Jahre auf allen Gebieten sind beeindruckend und die ersten Erfolgsmodelle rollen bereits auf unseren Straßen. In allernächster Zukunft wird sich das Angebot von „grünen“ Fahrzeugen deutlich erhöhen. So hat der französische Autobauer Renault an gekündigt, sich auf die Entwicklung reiner Elektrofahrzeuge zu konzentrieren und bringt seit Ende 2012 die ersten E-Modelle – zunächst für den innerstädtischen Verkehr von Handwerkern und Zustelldiensten – auf den Markt. Um das Angebot wirtschaftlich attraktiv zu machen, sollen die teuren Batterien gegen einen monatlichen Betrag von unter 100
Auszeichnung
Toyota Motor Europe hat beim Wettbewerb der „5th Annual Strategic Manufacturing Awards 2011“ den Green Manufacturing Award gewonnen.
NACHHALTIGKEITSSTRATEGIEN
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Hochtourig
Der BMW-Vier-ZylinderDieselmotor mit TwinPower Turbo verbraucht nur 5,7 Liter Treibstoff auf 100 Kilometern.
Euro an den Fahrzeugbesitzer vermietet werden. Der japani sche Marktführer in Sachen Hybridfahrzeuge, Toyota, erwei tert zügig sein Angebot an Vollhybriden. Der deutsche Pre miumhersteller Daimler mit seinen Marken Mercedes-Benz und smart positioniert sich als diversifizierter Anbieter für alle Antriebsvarianten. Für den europäischen Marktführer VW und seine Tochtergesellschaft Audi haben ihre effizienten Verbrennungsmotoren und deren weiteres Optimierungspo tenzial Priorität; beide arbeiten aber ebenfalls an der Hybrid-, Elektro- und Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie – um nur einige Beispiele zu erwähnen. Auf jeden Fall hat bei allen führenden Automobilherstellern das Thema „nachhaltige Mobilität“ höchsten Stellenwert.
BMW – EfficientDynamics Der deutsche Premiumhersteller BMW Group hat das Thema nachhaltige Mobilität konsequent in seine Gesamtstrategie ein gebettet. „Die BMW Group begreift sich als verantwortungsbe wussten Teil der Gesellschaft und verankert deshalb nachhal tiges Wirtschaften in der gesamten Wertschöpfungskette und den zugrunde liegenden Prozessen.“ Dabei setzt die BMW Group nachhaltiges Wirtschaften in al len drei Dimensionen um: Ökonomie, Ökologie, Soziales. Seit 2009 ist nachhaltiges Wirtschaften als Unternehmensziel auf Basis einer Balanced Scorecard (BSC) auf Konzernebene ver ankert, woraus sich detaillierte Vorgaben für die einzelnen Res sorts ableiten lassen. Welch großes Gewicht die BMW Group dem Thema Nachhal tigkeit beimisst, ist auch an der Nachhaltigkeitsorganisation in der BMW Group zu erkennen: Höchste Instanz im Unterneh men ist das Nachhaltigkeitsboard. Es besteht aus dem Ge
Der BMW i3 ist ein rein elektrisch angetriebenes Fahrzeug, das auf den urbanen Verkehr ausgelegt ist.
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samtvorstand und verantwortet die strategische Ausrichtung. Zur Schonung der Umwelt und der Ressourcen investiert die BMW Group in die Reduzierung der Umweltbelastung durch emissionsarme Produkte und in deren umweltverträg liche Herstellung. Nachhaltige Produktverantwortung be ginnt für BMW bereits im Entwicklungsstadium und endet erst mit der Wiederverwertung der eingesetzten Rohstoffe. Die Beteiligung der BMW Group am gesellschaftlichen Le ben ihrer Werksstandorte, aber auch über deren Grenzen hinaus ist Teil der umfassenden sozialen Verantwortung, die das Unternehmen gezielt wahrnimmt. Mit einem Maßnahmenpaket namens „EfficientDynamics“ senkt das Unternehmen Schritt für Schritt den Verbrauch und damit die klimaschädlichen CO2-Emissionen seiner Fahrzeuge in der gesamten Modellpalette. Dafür treibt der Premiumher steller für eine nachhaltige Mobilität ein ganzes Bündel von Technologien voran, um den Verbrauch fossiler Brennstoffe zu senken und längerfristig zur Null-Emission der Fahrzeuge zu kommen. Zu den tragenden Säulen der Strategie gehören die kontinuierliche Steigerung des Wirkungsgrades von Verbren nungsmotoren, die Weiterentwicklung der Hybridtechnologie (BMW ActiveHybrid), innovative Konzepte für die Elektromobi lität (BMW i) und die langfristige Nutzung regenerativ erzeug ten Wasserstoffs als Energieträger. Außerdem sollen Leicht bau und die Optimierung aerodynamischer Eigenschaften und elektronischer Systeme zur Effizienzsteigerung beitragen. Bei der Weiterentwicklung von Verbrennungsmotoren mit deutlich geringerem Verbrauch und CO2-Ausstoß arbeitet die BMW Group an einer neuen Motorenfamilie mit sechs, vier und drei Zylindern. Diese nutzt ein einheitliches Kon struktionsprinzip und eine deutlich gesteigerte Zahl ge meinsamer Komponenten sowohl für Otto- als auch für Dieselantriebe. Der neue Motorbaukasten basiert auf dem Technologiepaket BMW TwinPower Turbo, das bereits heute für Vier-Zylinder-Otto- und Sechs-Zylinder-Dieselmotoren ge nutzt wird. So verbrauchen die neuen Antriebsaggregate im BMW X1 xDrive 28i (Vier-Zylinder-Ottomotor) und im BMW 530d xDrive (Sechs-Zylinder-Diesel) im Vergleich zu den Vorgängermodellen jeweils rund 1,5 Liter beziehungsweise 16 Prozent weniger Treibstoff – auf 100 Kilometern im EU-Testzyklus durchschnittlich 7,9 Liter Super beziehungs weise 5,7 Liter Diesel. Neue Bestwerte bei der Reduzierung von Kraftstoffverbrauch und CO2-Emission erreicht vor allem der neue BMW 116d EfficientDynamics Edition. Das ab März 2012 verfügbare Modell erreicht mit einem 1,6-Liter-Vier-Zylinder-Diesel mit TwinPower-Turbo-Techno logie bei 100 kW/116 PS einen Durchschnittsverbrauch im EU-Testzyklus von 3,8 Litern je 100 Kilometer und einen CO2-Wert von 99 Gramm pro Kilometer. Die BMW Group nutzt außerdem elektronische Systeme zur Verbrauchsminderung – zum Beispiel Start-Stopp-Funktion, ECO-PRO-Modus für einen verbrauchsoptimierten Fahrstil und ein effizientes Energiemanagement für Klimatisierung, Sitz- und Außenspiegelbeheizung. Ein weiterer Fokus liegt auf Gewichtsminimierung durch konstruktive Optimierungen sowie durch leichte Materialien wie Aluminium und carbonfa serverstärkten Kunststoff (CFK).
Wasserstoff für Null-Emission Im Fokus der Clean Energy Partnership (CEP) steht die saubere Mobilität der Zukunft – geräusch- und emissionsarm. 15 Partner erproben die Systemfähigkeit von Wasserstoff im täglichen Einsatz. Dazu zählen nicht nur der kontinuierliche Betrieb leistungsfähiger Wasserstofffahrzeuge und deren schnelle und sichere Betankung. Die CEP kümmert sich ebenso um die saubere und nachhaltige Erzeugung von Wasserstoff, um den Wasserstofftransport und die Speicherung von H2 im flüssigen und im gasförmigen Zustand. Wasserstoff ist ein Energiespeicher, der seinen größtmög-
lichen Beitrag zum Klimaschutz leistet, wenn er nachhaltig produziert wird. Die zunehmende Einbindung erneuerbarer Energiequellen in die Wasserstoffproduktion ist ein klares Ziel der CEP. Hervorgegangen aus der „Verkehrswirtschaftlichen Energiestrategie“ (VES) wurde die CEP im Dezember 2002 als gemeinsame Initiative von Politik und Industrie unter Federführung des Bundesverkehrsministeriums etabliert. Die CEP ist das größte Demonstrationsprojekt für Wasserstoffmobilität in Europa und ein Leuchtturmprojekt des Nationalen Innovationsprogramms
Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) im Verkehrsbereich. Umgesetzt wird das NIP von der NOW GmbH (Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie). Partner der CEP sind Technologie-, Mineralöl- und Energiekonzerne sowie die Mehrzahl der größten Autohersteller und zwei führende Betriebe des öffentlichen Nahverkehrs. Als assoziierte Partner wirken zudem die Bundesländer Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen mit.
Klare Ansage
Neue Submarke BMW i
Forschung und Kooperationen
Parallel zur Effizienzsteigerung der Verbrennungsmotoren for ciert die BMW Group die Elektrifizierung durch die Weiterent wicklung von Elektroantrieben und Hybridtechnologie. Im Jahr 2011 bündelte das Münchner Unternehmen seine Aktivitäten im Bereich Elektromobilität und nachhaltige Automobile unter dem Dach einer neuen Submarke: BMW i. Zunächst wurden unter dieser Marke zwei Fahrzeuge vorge stellt: Der BMW i3 Concept ist als rein elektrisch angetriebe nes Serienfahrzeug gezielt auf die künftigen Mobilitätsanforde rungen im urbanen Umfeld ausgerichtet. Mit vier Sitzplätzen, gegenläufig und weit öffnenden Türen sowie einem Koffer raumvolumen von rund 200 Litern erweist sich der BMW i3 als uneingeschränkt alltagstauglich. Das zweite Fahrzeug ist der BMW i8 Concept, der als Sport wagen ausgelegt sein wird und als Plug-in-Hybrid seine Kraft aus einer Kombination von Verbrennungsmotor und Elektroan trieb schöpft. Während an der Vorderachse der für den BMW i8 modifizierte Elektroantrieb des BMW i3 arbeitet, treibt ein turboaufgeladener Drei-Zylinder-Benziner mit einer Leistung von 164 kW/223 PS die Hinterachse an. Den Verbrauch im europäischen Testzyklus gibt die BMW Group mit weniger als drei Litern an. Die Ladezeit der Lithium-Ionen-Batterien soll nur etwa zwei Stunden betragen. Ein weiteres besonderes Merkmal ist der an den Verbren nungsmotor angebundene Hochvoltgenerator, durch den über den Motor Strom zum Laden des Energiespeichers erzeugt wird, um die Reichweite während der Fahrt zu steigern. BMW i3 und BMW i8 sollen als Serienfahrzeuge ab Ende 2013 im Markt eingeführt werden. Mit mehr als 600 MINI E stellt die BMW Group seit 2008 be reits eine der größten Test-Flotten von Elektroautos. Hinzu kommen ab Ende 2011 mehr als 1.000 BMW ActiveE. Mit diesen Fahrzeugen will die BMW Group in Zusammenarbeit mit Partnern wie Energieerzeugern, Universitäten und Regie rungsstellen die Entwicklung der notwendigen Infrastruktur vo rantreiben und Erfahrungen über Kundenverhalten sowie All tagstauglichkeit der Komponenten sammeln.
Einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren für Elektromobilität ist die kontinuierliche Weiterentwicklung der Batterien. Parallel zu den bestehenden Strukturen haben daher die BMW Group und Toyota Anfang Dezember eine enge Zusammenarbeit bei der Forschung im Bereich Batterietechnik vereinbart, um die Weiterentwicklung zu beschleunigen und noch wirtschaftlicher zu gestalten. Vor allem bei der Weiterentwicklung der LithiumIonen-Technologie, die als wichtige Schlüsseltechnologie für die Elektromobilität gilt, wollen beide Unternehmen Wissen und Kräfte bündeln. Die Batterien sind sowohl für den reinen Elektroantrieb als auch für die Kopplung von Verbrennungsund E-Motoren in Hybridfahrzeugen ein entscheidendes Bauteil. Im Rahmen dieser Partnerschaft wird die BMW Group außerdem sparsame Dieselmotoren an Toyota liefern. Wasserstoff ist für die BMW Group eine langfristige Alternative, um emissionsfrei zu fahren. Die Forschungen konzentrieren sich dabei auf die noch offenen Fragestellungen im Bereich der Speicherung. Aber auch an der Brennstoffzelle wird bei der BMW Group gearbeitet. Die beim Hydrogen 7, einem BMW mit Wasserstoff-Verbrennungsmotor, eingesetzte Brenn stoffzelle diente noch der Versorgung des Bordstromnetzes. In einem modifizierten Versuchsfahrzeug auf Basis der BMW 1erReihe ist eine ähnlich dimensionierte Brennstoffzelle in Kom bination mit einem Elektromotor gemeinsam mit einem VierZylinder-Verbrennungsmotor verbaut. Der Benzinmotor kommt vor allem bei Überlandfahrten mit hohem Tempo zum Einsatz, die Brennstoffzelle arbeitet primär im städtischen Bereich und bei niedrigen Geschwindigkeiten. Der Verbrennungsmotor wirkt ausschließlich auf die Vorderräder, der Elektromotor treibt die Hinterräder an. Der mit diesem Konzept eingesparte Platz für die Kardanwelle wird für die Batterien genutzt. Die eingesetzte Brennstoffzelle kommt auf eine Lebensdauer von 5.000 Stunden, was im Stadtverkehr mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit
Auf dem Display des Toyota FCHV-adv kann sich der Fahrer über die aktuellen Daten seines Brennstoffzellenantriebs informieren.
Testfahrzeug In Berlin betreibt Toyota im Rahmen von CEP fünf Brennstoffzellen-Hybridfahrzeuge des Typs FCHVadv.
NACHHALTIGKEITSSTRATEGIEN
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Mit dem Lexus CT 200h brachte Toyota den ersten Vollhybrid im Segment der Premium-Kompaktklasse auf den Markt.
Ladezustand
von 30 km/h einer Fahrleistung von rund 150.000 Kilo metern entspricht. Auch die Nutzbarkeit im Winter konnte signifikant verbessert werden: Die Niedertemperatur-PEMBrennstoffzelle kann selbst nach längeren Standzeiten bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt gestartet werden.
Frühstarter Toyota
Im Lexus CT 200h informiert eine spezielle Anzeige über den Ladezustand der Batterie.
Im Jahr 2012 geht Toyota mit dem Toyota TS030 Hybrid in Le Mans erstmals mit einem Hybridfahrzeug ins Rennen.
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Die heutige Strategie von Toyota baut auf dem Drei-SäulenModell „Technology, Manufacturing, Social Contribution“ auf. Dieses Modell, das Toyota 2008 vorstellte, basiert auf der langjährigen Vision „Zeronize & Maximize“, wobei „Zeronize“ für die Minimierung der negativen Auswirkun gen von Fahrzeugen auf die Umwelt und „Maximize“ für deren positive Aspekte wie Nutzen, Komfort und Vergnü gen steht. Die Entwicklung umweltfreundlicher Fahrzeuge – im DreiSäulen-Modell unter „Technology“ zusammengefasst – brachte im Jahr 1997 als erstes Auto mit Vollhybrid technologie den Prius im Serienfahrzeugbau hervor. In zwischen bietet der japanische Automobilbauer diesen Antrieb in Fahrzeugen verschiedener Segmente und Leis tungsklassen an. Die Antriebsvarianten umfassen frontge triebene, heckgetriebene und allradgetriebene Fahrzeuge mit Systemleistungen von 100 kW (136 PS) beim Prius und bis 327 kW (445 PS) beim Lexus LS 600h. Nachdem Toyota die Modellpalette 2010 um den Kompaktwagen Auris Hybrid erweitert hatte, folgten 2012 der Kleinwagen Yaris Hybrid, der siebensitzige Hybrid-Van
NACHHALTIGKEITSSTRATEGIEN
Prius+ sowie eine Plug-in-Variante des Prius. Die Marke Lexus brachte im Frühjahr 2011 mit dem CT 200h den ersten Vollhybrid im Segment der kompakten PremiumFahrzeuge auf den Markt. Er ergänzt die Produktpalette an Lexus-Vollhybridfahrzeugen aus der Limousine LS 600h, dem Gran Turismo GS 450h und dem SUV RX 450h. Weltweit setzt Toyota bereits rund 600 Einheiten des Prius Plug-in Hybrid in Leasing-Programmen ein. Die Fahrzeuge sollen hinsichtlich einer künftigen Großserienproduktion unter normalen Alltagsbedingungen getestet werden. Gleichzeitig arbeitet Toyota auf dem Weg zum „Zero Emis sion Vehicle“ an der Weiterentwicklung des Brennstoff zellenantriebs. Im Rahmen der Clean Energy Partnership (CEP) soll dafür in den nächsten Jahren das WasserstoffTankstellennetz ausgebaut werden, um Brennstoffzellen fahrzeuge flächendeckend mit dem Treibstoff der Zukunft zu versorgen. Die Markteinführung seines BrennstoffzellenHybridfahrzeugs (FCHV) plant Toyota für das Jahr 2015. Schon seit März 2010 betreibt Toyota in Berlin im Rahmen von CEP fünf Brennstoffzellen-Hybridfahrzeuge des Typs FCHV-adv, um Erkenntnisse zur Weiterentwicklung zu ge winnen und die Akzeptanz von Wasserstoff als Treibstoff zu erhöhen. Rein elektrisch ist die auf dem Hybridsystem basierende Konzeptstudie FT-EV II unterwegs. Dabei handelt es sich um ein kompaktes, elektrisches Pendlerfahrzeug mit einer Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h und einer Reichwei te von mehr als 90 Kilometern.
Daimler stellt sich breit auf Die Daimler AG mit den Pkw-Marken Mercedes-Benz und smart ist außerdem weltweit größter Anbieter von Nutzfahrzeu gen und hat sich angesichts der dramatischen Veränderun gen der künftigen Mobilität dem „Leitbild der Nachhaltigkeit“ verpflichtet. Das Leitbild umfasst die Dimensionen Ökonomie, Innovation, Umweltschutz und Sicherheit sowie Mitarbeiter, Kunden und Gesellschaft. Für die Produktentwicklung bedeu tet das, Automobile so umweltfreundlich und sicher wie mög lich zu machen – ohne Komfort, Fahrfreude und bei den Nutz fahrzeugen die Wirtschaftlichkeit zu vernachlässigen. Nach Ansicht der Daimler-Experten wird es aber in Zukunft nicht die eine Technologie als Königsweg geben, wie es nahezu100 Jahre lang der Verbrennungsmotor war. Viel mehr sollen maßgeschneiderte Lösungen für die individuel len Kundenbedürfnisse und alle Anforderungen des Verkehrs mit den Notwendigkeiten einer nachhaltigen Mobilität in Ein klang gebracht werden. Das betrifft die individuelle Mobilität mit Pkw, den öffentlichenbeziehungsweise privaten Nah- u nd Fernverkehr mit Bussen, den Güterverkehr mit Transportern und Lkw sowie Spezialfahrzeuge für öffentliche Dienste, Kommunen und Industrie. Im Rahmen der Daimler-Initiativen „Der Weg zum emissions freien Fahren“ und „Shaping, Future and Transportation“ setzt das Unternehmen auf drei zentrale Entwicklungsschwerpunkte:
Der Fuso 6R10 von Daimler-Benz erfüllt dank BlueTEC-Technologie Japans strengste Abgasnorm JP09.
• die Optimierung von Fahrzeugen mit modernsten Verbren nungsmotoren, • die weitere Effizienzsteigerung durch maßgeschneiderte Hybridisierung sowie • das lokal emissionsfreie Fahren mit Elektrofahrzeugen mit Batterie oder Brennstoffzelle. Maßnahmen zur Kraftstoffeinsparung bei Benzin- und DieselPkw-Modellen fasst Daimler als sogenannte BlueEFFICIENCYPakete zusammen, die für weit über 100 Modelle von Merce des-Benz erhältlich sind. Die maßgeschneiderten Pakete ent halten je nach Baureihe unterschiedliche innermotorische Maßnahmen sowie eine Kombination verschiedener Techno logien zur Gewichtseinsparung im K arosseriebereich. Zum BlueEFFICIENCY-Paket gehören außerdem Leichtlaufreifen, Aerodynamik-Optimierungen und die Start-Stopp-Funktion als Vorstufe der Hybridisierung. Mit BlueTEC hat Daimler eine saubere Dieseltechnologie für Nutzfahrzeuge und Personenwagen entwickelt. Dank BlueTEC lässt sich der Verbrauch um 2 bis 5 Prozent senken – bei e inem Lkw also um bis zu 2.000 Liter weniger Diesel konsum im Jahr. Die BlueTEC-Abgastechnologie wird bereits seit m ehreren Jahren mit großem Erfolg bei den Mercedes- Benz-Nutzfahrzeugen eingesetzt, um Stickoxid, Partikel- und CO2-Emissionen erheblich zu reduzieren. Auch die neuesten Diesel-Pkw wurden dank neuester Technologien deutlich effi
Haltbarmacher
Das AntioxidationsmittelKonzentrat Baynox® kann uneingeschränkt zur Verbesserung der Haltbarkeit von reinem Biodiesel und der gesetzlich geforderten Beimischung zu Mineraldiesel eingesetzt werden. Das Produkt wurde von der Arbeitsgemeinschaft Qualitätsmanagement Biodiesel e.V. (AGQM) mit dem „no harm“-Zertifikat ausgezeichnet. Sein Wirkstoff BHT (Butylhydroxytoluol) enthält weder Schwefel noch Stickstoff und verbrennt vollständig und ohne Rückstände.
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F-CELL-Antrieb Mit der B-Klasse F-CELL brachte Mercedes-Benz sein erstes unter Serien bedingungen gefertigtes Elektrofahrzeug mit Brennstoffzellenantrieb auf die Straße. 1. Lithium-Ionen-Batterie 2. Wasserstofftanks 3. Brennstoffzellen-Stack 4. Wasserstoffmodul 5. Elektromotor 6. Luftmodul
Hybridantriebe
Im Mercedes-Benz S 400 HYBRID ist der scheibenförmige Elektromotor platzsparend zwischen Motor und Siebenstufenautomatikgetriebe eingebaut.
In Japan und in den USA fahren bereits tausende Nutzfahrzeuge aus dem Daimler-Konzern mit Hybridtechnologie. Oben der Motor des Fuso Hybrid.
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zienter. Das sparsamste Modell der C-Klasse, der C 220 CDI BlueEFFICIENCY mit manuellem Sechsganggetriebe und se rienmäßiger ECO-Start-Stopp-Funktion, verbraucht im Durch schnitt nur 4,4 Liter Diesel pro 100 km – 0,4 Liter weniger als bisher. Das entspricht 117 Gramm CO2 pro Kilometer. Auch in der Oberklasse konnte Mercedes-Benz den Verbrauch deut lich senken: Der S 250 CDI BlueEFFICIENCY verbraucht lediglich 5,7 Liter auf 100 Kilometern. Der neue CDI-Vier-Zylinder in der Mercedes-Benz E-Klasse leis tet 150 kW/204 PS, braucht aber nur 5,3 Liter je 100 Kilome ter. Im Vergleich mit dem Vorgänger bedeutet das 20 Prozent mehr Leistung und 24 Prozent weniger CO2-Emission. Die CDI-Technologie nutzt auch der kleinste Daimler: Der aktuelle smart fortwo cdi verbraucht kombiniert nur 3,3 Liter Diesel je 100 Kilometer, das entspricht einem CO2-Ausstoß von 86 Gramm pro Kilometer. Bei Benzinern bietet Daimler die neue BlueDIRECT-Motoren generation mit sechs und acht Zylindern an, die seit 2010 sukzessive in etlichen Baureihen eingeführt wurde. Mit diesen Aggregaten sinkt der Verbrauch um bis zu einem Viertel – bei höherer Leistung und gestiegenem Drehmoment. Damit rücken die modernen Direkteinspritzer in puncto Sparsamkeit ein weiteres Stück näher an den Dieselmotor heran. Daimler betrachtet auch die Erdgastechnologie (NGT) als ökologisch und ökonomisch sinnvolle Alternative zu her kömmlichen Antriebskonzepten. Im Vergleich zu konventio nellen Benzin- oder Dieselkraftstoffen liegen die Vorteile von Erdgas im geringeren Kohlenstoffgehalt und der emissionsar men Verbrennung. Zudem läuft der Erdgasmotor besonders leise und produziert – im Vergleich zu Dieselmotoren – weni ger CO2. Daher gehören Erdgas-Personenfahrzeuge wie der E 200 NGT sowie künftig eine entsprechende Variante der neuen B-Klasse zur Produktpalette von Mercedes-Benz. Umweltfreundliche Erdgasantriebe bietet Daimler auch in Bussen der Typen Citaro CNG und Lkw wie dem Typ Econic NGT an.
Bedarfsgerechte Hybridisierung Fahrzeugantriebe mit Hybridtechnologie, also der Kombinati on aus Verbrennungs- und Elektromotor, erfreuen sich in den letzten Jahren bei den Kunden wachsender Beliebtheit. In
NACHHALTIGKEITSSTRATEGIEN
zwischen treiben nahezu alle namhaften Automobilbauer die se kraftstoffsparende und umweltschonende Technologie vo ran und bieten erste Fahrzeuge aus der Serienproduktion an. Mercedes-Benz startete im Jahr 2009 mit dem S 400 Hybrid, der den 3,5-Liter-V6-Benzinmotor (279 PS) mit einem Elektromotor (15 kW/20 PS) kombiniert und einen Durchschnittsverbrauch von 7,9 Litern auf 100 Kilometern beziehungsweise einen Ausstoß von 186 Gramm CO2 je Kilometer ausweist. Der Elektromotor unterstützt das OttoTriebwerk in Situationen, die gemeinhin besonders viel Treib stoff kosten: beim Anfahren und Beschleunigen. In diesem Modell kam erstmals serienmäßig ein LithiumIonen-Akku als Speicher zum Einsatz. Zweiter Baustein ist das kompakte Hybridmodul mit seiner Leistung von 15 kW/20 PS. Der scheibenförmige Elektromotor ist platzsparend im Wand lergehäuse zwischen Motor und Siebenstufenautomatik ein gebaut. Das kompakte Bauteil arbeitet darüber hinaus auch als Anlasser in der ECO-Start-Stopp-Funktion und als Lichtma schine. Beim Bremsen arbeitet der Elektromotor als Generator und kann durch Rekuperation Bewegungsenergie zurückge winnen, die in der Lithium-Ionen-Hochvoltbatterie gespeichert wird. Dieser Akku hat unter normalen Einsatzbedingungen eine Lebenserwartung von mindestens zehn Jahren. Mit der Serienentwicklung eines Plug-in-Hybrids wird Mer cedes-Benz in naher Zukunft auch einen Hybrid anbieten, der wahlweise rein elektrisches Fahren über 30 Kilometer ermöglicht. Der Antrieb besteht im Konzeptfahrzeug aus drei Haupt komponenten: einem leistungsstarken V6-Benziner mit Direkteinspritzung, einem Hybridmodul mit circa 44 kW/ 60 PS Leistung sowie einer Lithium-Ionen-Batterie mit mehr als 10 kWh Speicherkapazität. Durch den effizienten An trieb und den CO2-Bonus im batterieelektrischen Fahrbe trieb erreicht der zertifizierte Verbrauch lediglich 3,2 Liter Benzin auf 100 Kilometern. Für die Kombination verschiedener Hybridmodule steht auch der Mercedes-Benz E 300 BlueTEC Hybrid. Das mit dem neuen Vier-Zylinder-Dieselmotor ausgerüstete Fahr zeug hat einen kombinierten Verbrauch von nur 4,2 Litern pro 100 Kilometer und ist damit das weltweit sparsamste Oberklasse-Modell. Auch bei Nutzfahrzeugen nehmen Hybridtechniken auf dem Weg zum Antrieb von morgen eine Schlüsselfunktion ein. Je nach Einsatzart sind Einsparungen beim Dieselkonsum von bis zu einem Drittel zu erwarten. Schon der seit Anfang 2011 für deutsche Kunden aus dem Bereich Verteilerverkehr verfügbare Atego BlueTEC Hybrid mit einem leichten Vier-Zylinder-Dieselmotor und einem wassergekühlten Elektromotor mit einer Spitzenleistung von 44 kW, der von einer Lithium-Ionen-Batterie mit Energie ver sorgt wird, verbraucht 15 Prozent weniger Kraftstoff und emittiert entsprechend weniger Abgase. In den USA und in Japan sind Omnibusse und Nutzfahrzeu ge der Daimler-Marken Orion, Freightliner und Mitsubishi Fuso mit Hybridtechnologie bereits vieltausendfach im Ein satz. Dazu kommen die erdgasbetriebenen Mercedes-Benz
Lkw, Omnibusse und Transporter in Europa, die zusammen genommen Daimler zum größten Anbieter alternativer An triebssysteme für Nutzfahrzeuge machen.
Mit „grünem“ Strom sauber unterwegs Aktuell größter Hoffnungsträger auf dem Weg in die „grü ne“ Mobilität ist der Elektroantrieb mit klimaneutral er zeugtem Strom. Dazu zählen auch Elektrofahrzeuge, die ihre Energie aus einer Brennstoffzelle beziehen, die mit Wasserstoff gespeist wird. Wird der Wasserstoff nicht, wie zurzeit noch weitgehend üblich, aus Erdgas oder Kohle, sondern aus regenerativen Quellen wie Biomasse, Glyze rin, durch Elektrolyse mithilfe von Windenergie oder So larstrom oder aus Algen gewonnen, wäre das Zeitalter der Null-Emission des Verkehrs erreicht. Die Technologien da für sind bekannt und weitgehend erprobt. Nun müssen noch wirtschaftlich gangbare Wege geebnet werden, um die Serientauglichkeit zu gewährleisten. Die Fortschritte auf diesem Weg sind deutlich sichtbar. Für alle Elektroantriebssysteme ist ein leistungsfähiger, siche rer und zuverlässiger Energiespeicher Grundvoraussetzung. Die Leistung der Batterie – angefangen bei ihrer Speicherka pazität über ihre Lebensdauer bis hin zu ihrer Crash-Sicher heit und ihrer Recyclingfähigkeit – bestimmt die Performance des gesamten Systems. Gute Voraussetzungen dafür bietet die Lithium-Ionen-Technologie, die sich inzwischen bereits bei Hybridanwendungen bewährt. Ihre Vorteile liegen ins
Der Sportwagen Mercedes SLS AMG E-CELL. Die vier Synchronmotoren leisten insgesamt 390 kW/532 PS.
besondere in ihren relativ kompakten Abmessungen, kom biniert mit einer deutlich höheren Leistungsfähigkeit im Ver gleich zu herkömmlichen Batterietechnologien. Daimler hat gemeinsam mit Partnern die Serienproduktion bereits ge startet und setzt Lithium-Ionen-Batterien daraus seit 2012 in seinen Fahrzeugen ein. Brennstoffzellenautos eignen sich dank ihrer größeren Reich weite und ihrer kurzen Betankungszeiten auch für Langstre cken, da sie den Fahrstrom aus Wasserstoff selbst an Bord erzeugen. Daimler erforscht den Einsatz der Brennstoffzel lentechnologie im Automobil seit 1994 und hat inzwischen 180 Patente im Bereich dieser Technologie angemeldet. Im Rahmen eines groß angelegten Praxistests mit Brennstoffzel lenfahrzeugen sind 100 Pkw, Busse und Transporter im All tagseinsatz bei Kunden unterwegs und haben bereits über 4,5 Millionen Kilometer zurückgelegt. Auf Basis der dadurch gewonnenen Erkenntnisse produziert Mercedes-Benz seit Ende 2009 mit dem Typ B-Klasse F-CELL sein erstes Brenn stoffzellen-Serienfahrzeug. Elektrofahrzeuge, die ihre Kraft ausschließlich aus einer Batte rie beziehen, hat Daimler vor allem für den Verkehr in Städten und Ballungszentren entwickelt: • Der smart fortwo electric drive wird von einem 55 kW starken Elektromotor angetrieben, der den Strom aus seiner LithiumIonen-Batterie im Unterboden des Fahrzeugs bezieht. Die stadtverkehrsgerechte Reichweite beträgt rund 140 Kilome ter. Die Serienproduktion ist bereits angelaufen.
Stark-Stromer
Die Batterie des SLS AMG E-CELL besteht aus 324 Lithium-Ionen-Polymerzellen mit einer Ladekapazität von 480 kW – Bestwert im Automobilbereich.
• Mit dem smart ebike bietet Daimler seit 2012 auch ein Fahrrad mit Elektro-Unterstützung anbieten. Als soge nanntes Pedelec ist das smart ebike genau genommen ein Hybrid: Der Elektromotor schaltet sich zu, sobald der Fahrer wie beim herkömmlichen Fahrrad in die Pedale tritt. Wie viel Leistung der 250 Watt starke Elektromotor zur Muskelkraft liefern soll, entscheidet der Fahrer selbst. Je nach Bedarf lassen sich vier Leistungsstufen abrufen. Abhängig von der gewählten Leistungsstufe und dem Fahrverhalten kann die Reichweite mit einer Batteriela dung über 100 Kilometer betragen. Mit einer Testflotte des Golf Blue-e-Motion bereitet sich VW auf die Markteinführung von reinen Elektrofahrzeugen vor.
Einsatzbereit
Mercedes-Benz-Techniker beim Temperaturtest einer Brennstoffzelle.
Stadt-Zwerg Mit dem Elektroauto NILS präsentiert Volkswagen die Studie eines Pendlerfahrzeugs im Kleinformat.
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• Die Mercedes-Benz A-Klasse E-CELL ist der erste in Serie gefertigte alltags- und familientaugliche Fünfsitzer mit batte rieelektrischem Antrieb. Die Lithium-Ionen-Batterien ermög lichen eine Reichweite von 255 Kilometern (NEFZ). Der Mo tor hat eine Leistung von 70 kW; die elektronisch begrenzte Höchstgeschwindigkeit beträgt 150 km/h. Seit Herbst 2010 wurden 500 Exemplare der A-Klasse E-CELL gebaut und ab 2011 an ausgewählte Flotten- und Privatkunden im Rahmen eines Mietmodells ausgeliefert. • Der Brennstoffzellen-Pkw B-Klasse F-CELL, das erste von Mercedes-Benz unter Serienbedingungen gebaute Fahr zeug dieser Art, hat eine Reichweite von rund 400 Kilome tern. Sein Elektromotor leistet 100 kW/136 PS und liegt damit auf dem Niveau eines Zwei-Liter-Benzinmotors. Die Spitzengeschwindigkeit liegt bei 170 km/h. Bis 2012 wur den 200 B-Klasse F-CELL in Deutschland und den USA an Kunden ausgeliefert. Mit dem kürzlich beendeten Mer cedes-Benz F-CELL World Drive, bei dem drei dieser Fahr zeuge mehr als 30.000 Kilometer weit einmal die Welt umrundeten, haben die Brennstoffzellen-Pkw den Reife grad dieser Technologie unter Beweis gestellt. Deshalb wird der Serienstart von Elektrofahrzeugen mit Brennstoff zelle um ein Jahr auf 2014 vorgezogen. •D er SLS AMG E-CELL, der Supersportler unter den Elek trofahrzeugen, wird ab 2013 in einer limitierten Stückzahl produziert. Das im Sommer 2010 vorgestellte Fahrzeug mit Flügeltüren verfügt über vier radnah angeordnete Elektromotoren mit einer Höchstleistung von zusammen 392 kW/533 PS. Der Energiegehalt der Lithium-IonenHochvoltbatterie beträgt 48 kWh. • Der Vito E-CELL eignet sich dank seines emissionsfreien Elektroantriebs und der maximalen Zuladung von 900 Kilogramm besonders für den innerstädtischen Ein satz sowie für besonders umweltsensible Gebiete. Sein Elektromotor verfügt über eine Maximalleistung von 70 kW/95 PS, die Reichweite beträgt rund 130 Kilo meter, die Höchstgeschwindigkeit ist auf 80 km/h ab gestimmt. 2010 wurden die ersten 100 Fahrzeuge an Kunden übergeben, weitere 2.000 folgen seit 2011.
NACHHALTIGKEITSSTRATEGIEN
Bei Volkswagen heißt grün „Blue“ Volkswagen verfolgt das Ziel, alle Fahrzeuge und Techno logien so zu entwickeln, dass sie bessere Umwelteigen schaften aufweisen als vergleichbare Modelle zuvor. Dafür schreibt Europas größter Automobilkonzern den Umwelt schutz bereits in der frühestmöglichen Phase der Produktentstehung, der Technischen Entwicklung (TE), ins Lasten heft. Um die selbst gestellten Anforderungen zu erfüllen, hat Volkswagen die Umweltziele der TE definiert, die kontinuier lich überarbeitet und den aktuellen Umweltgesetzen, -aufla gen und Selbstverpflichtungen angepasst werden. Der Wolfsburger Konzern will aktiv dazu beitragen, den glo balen Ausstoß von CO2 zu senken, lokale Emissionen wie Stickoxide oder Rußpartikel zu reduzieren und nicht zuletzt die Abhängigkeit vom Erdöl zu verringern. Dazu verfolgt der Automobilhersteller eine Antriebs- und Kraftstoffstrategie, die langfristig auf eine nachhaltige Mobilität abzielt. Neben der ständigen Verbesserung seiner Fahrzeuge von Modellgeneration zu Modellgeneration beschäftigt sich Volkswagen mit verschiedenen Technologien für nachhal tige Mobilität. Dazu gehören Otto- und Dieselmotoren (TSI und TDI) mit ihrem noch immer großen Optimierungspoten zial, Erdgasmotoren, Aggregate für Biokraftstoffe der zwei ten Generation wie SunFuel und SunEthanol sowie Antrie be mit einem aus TSI und TDI kombinierten Brennverfahren (Combined Combustion System – CCS). Volkswagen arbei tet außerdem an Hybridkonzepten und an Elektrofahrzeu gen mit Batterie- und Brennstoffzellentechnik.
Sparsamkeitssiegel BlueMotion Seit 2005 steht das Produktlabel BlueMotion bei Volkswa gen für die sparsamsten Modelle ihrer Klasse. BlueMotion bedeutet das Zusammenspiel von Motor, Motormanage ment, Getriebe, Aerodynamik und Reifen. Im Einzelnen wird die Verbrauchseinsparung erzielt durch • angepasstes Motormanagement mit modifizierter Software, • abgesenkte Leerlaufdrehzahl, • längere Übersetzung der oberen Getriebestufen, • Schaltempfehlung für die Wahl des effizientesten Ganges, • optimierte Aerodynamik für einen geringeren Luftwiderstand, • rollwiderstandsoptimierte Reifen, • tiefergelegte Karosserie, • Rekuperation der Bremsenergie und • ein Start-Stopp-System.
Im Fall des VW Polo BlueMotion verbraucht der neue 75 PS starke Diesel im Schnitt nur 3,3 Liter auf 100 Kilometern und emittiert lediglich 87 Gramm CO2 pro Kilometer – 20 Pro zent weniger als der Polo TDI. Der Golf BlueMotion mit seinem 1,6-Liter-Common-Rail-TDI und 105 PS Leistung verbraucht durchschnittlich 3,8 Liter Diesel; die CO2-Emission gibt VW mit 99 Gramm pro Kilometer an. Der VW Passat BlueMotion teilt sich mit dem Golf den 1,6-Liter-Common-Rail-TDI, der im größeren Fahrzeug 4,4 Liter Diesel auf 100 Kilometern ver braucht. Für den Passat bietet VW auch den SCR-Katalysator in Verbindung mit dem Additiv AdBlue (flüssiger Harnstoff) an, um die Stickoxide im Abgas signifikant zu senken. Das Kürzel SCR steht für die international übliche Bezeichnung „Selective Catalytic Reduction“. Der Katalysator wandelt Stick oxid in Stickstoff und Wasser um und verhindert damit die Ent stehung von bodennahem Ozon in heißen Sommermonaten. Als Vorreiter sieht sich Volkswagen mit der im Jahr 2011 ein geführten Zylinderabschaltung (ZAS) bei den neuen 1,4-TSIMotoren. Mit dieser Technologie werden bei niedriger und mittlerer Last zwei der vier Zylinder vorübergehend stillgelegt. Dies hat nach VW-Angaben einen um 0,4 Liter geringeren Verbrauch je 100 Kilometer zur Folge. Zusammen mit der Start-Stopp-Funktion, die den Motor im Leerlauf deaktiviert, ad diert sich der Einspareffekt auf rund 0,6 Liter je 100 Kilometer. Noch deutlicher schlägt sich die Abschalttechnologie im Stadt verkehr nieder: Bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h im drit ten oder vierten Gang ergaben Messungen einen verminder ten Benzinverbrauch von bis zu einem Liter je 100 Kilometer.
Mit der Hybridvariante Benzinmotor kombiniert mit Elektro antrieb startete VW im SUV VW Touareg.
Umweltziele von Volkswagen
Schritte in die Hybridtechnologie Mit einer Testflotte von 20 Golf Variant sammelt Volkswagen in Berlin zudem Praxiserfahrung mit Plug-in-Hybrid und Ran ge Extender. Die Testwagen mit dem Namen Golf Twin Drive ermöglichen in der Stadt ein emissionsfreies Fahren bei großer Reichweite. Im Elektrobetrieb saugt der Golf Variant seine Antriebsenergie aus einer Batterie. Ist der Akku leer oder erreicht man mehr als 120 km/h, schaltet sich der 85 kW/116 PS starke Verbrennungsmotor hinzu. Diese Technik ermöglicht es, im Stadtverkehr mehr als 50 Ki lometer in reinem E-Betrieb zurückzulegen. Der Benzinmotor bleibt ausgeschaltet, wenn der Fahrer es wünscht. Ist die Ener gie aus der Batterie verbraucht, fährt der Twin Drive mit sei nem Verbrennungsmotor weiter. Batterie und Tank zusammen reichen für ungefähr 900 Kilometer. Elektromotor und Ver brennungsmotor liefern gemeinsam eine Systemleistung von 120 kW/163 PS. Nach der für Plug-in-Hybridfahrzeuge gel tenden Richtlinie für die Verbrauchsermittlung ergibt sich für den Golf Twin Drive ein Wert von 2,1 Liter je 100 Kilometer, entsprechend 49 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer. Einen Verbrauch von 0,9 Liter auf 100 Kilometern und einen CO2-Ausstoß von 24 Gramm pro Kilometer verspricht Volks wagen beim Prototypen XL1. Dieses Ein-Liter-Fahrzeug ver eint Leichtbauweise, Aerodynamik, Plug-in-Hybridsystem aus einem Zwei-Zylinder-TDI-Motor (35 kW/48 PS) und E-Motor
Mit dem VW Tiguan HyMotion erprobt Volkswagen die Wasserstoffund Brennstoffzellentechnologie.
Klimaschutz: Reduzieren der Treibhausgas-Emissionen, Reduzieren des Verbrauchs im Fahrzyklus; Besetzen der Verbrauchsleader-Position in jeder Fahrzeugklasse; Unterstützen kraftstoffsparender Fahrweisen; Mitarbeit bei der Bewertung umweltschonender Verkehrslenkungsmaßnahmen. Ressourcenschonung: Verbessern der Ressourcen-Effizienz; Verfolgung der bestmöglichen Verwertungsfähigkeit und Kennzeichnung der verwendeten Werkstoffe; Einsetzen nachwachsender Rohstoffe und Rezyklatmaterialien; Entwickeln und Bereitstellen alternativer Antriebstechnologien; Nutzung alternativer Kraftstoffe ermöglichen. Gesundheitsschutz: Reduzieren limitierter und nichtlimitierter Emissionen; Vermeiden der Verwendung von Gefahr- und Schadstoffen; Minimieren der Innenraum-Emissionen inklusive Geruch; Erzielen bestmöglicher Außen- und Innengeräuschwerte.
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(20 kW/27 PS), Sieben-Gang-Doppelkupplungsgetriebe und Lithium-Ionen-Batterie. Der E-Motor unterstützt den TDI beim Beschleunigen, kann den Prototyp des XL1 aber auch allein über eine Distanz von bis zu 35 Kilometern antreiben. Die Li thium-Ionen-Batterie lässt sich an jeder Steckdose aufladen, außerdem lädt sich der Akku beim Bremsen auf – der Elektro motor fungiert in diesem Fall als Generator.
Elektrische Stadtautos Parallel zur kontinuierlichen Effizienzverbesserung treibt Volkswagen die Kommerzialisierung der Elektromobilität mit und ohne Brennstoffzelle voran. Volkswagen ist seit 2006 auch Mitglied der Clean Energy Partnership, die sich der Elektromobilität mit Wasserstoff und Brennstoffzelle ver schrieben hat. Die 15 Partner aus Mineralölindustrie, Automobilindustrie, Energieversorgung und Anlagenbau/Indus triegase wollen Brennstoffzellenfahrzeuge im kontinuierli chen Betrieb, deren Betankung mit Wasserstoff und dessen nachhaltige Erzeugung, Transport und Lagerung demonst rieren und zur Marktreife entwickeln. Im Volkswagen Tiguan HyMotion zum Beispiel wird der Was serstoff unter einem Druck von 700 bar gespeichert. Das Brennstoffzellensystem liefert 80 Kilowatt und wird bei Be darf von einer Traktionsbatterie unterstützt, um die Energie für den 100 Kilowatt starken Elektromotor bereitzustellen. Bei starken Beschleunigungsvorgängen bezieht der E-Motor zusätzlichen Strom aus der Batterie, die als Zwischenspei cher der elektrischen Energie zur Realisierung von Hybrid funktionen dient. So wird zum Beispiel die beim Bremsen
Anfang 2011 präsentierte Volkswagen das Ein-LiterAuto XL1, das nur 0,9 Liter Kraftstoff auf 100 Kilometern verbraucht.
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RUBRIK
zurückgewonnene Energie in die Batterie zurückgespeist. Neben zwei VW Tiguan HyMotion testet Volkswagen seit 2009 auch zwei Caddy Maxi HyMotion und zwei Audi Q5 HFC. In Berlin, Hannover und Wolfsburg erprobt VW seit März 2011 als Vorserienfahrzeuge eine Flotte des Elektro autos Golf Blue-e-Motion. Die Reichweite des ausschließlich von einer Batterie gespeisten Motors beträgt nach Werks angaben mindestens 150 Kilometer; er leistet 85 Kilowatt (115 PS). Das Auto soll im Jahr 2013 auf den Markt kom men. Im gleichen Jahr wird auch der Kleinwagen E-UP in Serie gehen und Ende 2013 auch noch der E-VW Jetta. Bis zum Jahr 2018 soll der Anteil der Elektrofahrzeuge bei VW drei Prozent der Gesamtproduktion pro Jahr und dann rund zehn Millionen Einheiten pro Jahr erreichen. Einige bereits vorgestellte Forschungsprojekte zeigen, an welchen Zukunftsfahrzeugen Volkswagen sonst noch arbeitet. Das Forschungsprojekt NILS ist ein einsitziges, 3,05 Meter langes Elektrofahrzeug, speziell für Pendler konzipiert. Der Fahrer sitzt in der Mitte, der Motor liegt hin ten, die 17-Zoll-Leichtmetallfelgen sind mit rollwiderstand soptimierten Reifen der Dimensionen 115/80 (vorn) und 125/80 (hinten) bestückt. Es soll eine Reichweite von 65 Kilometern haben und bis zu 130 Kilometer in der Stun de erreichen. Die Lithium-Ionen-Batterie mit einer Kapazität von 5,3 kWh soll innerhalb von maximal zwei Stunden an einer normalen Steckdose aufgeladen werden. Mit dem Forschungsfahrzeug eT! will Volkswagen zudem im Bereich der Zustellfahrzeuge einen neuen Akzent setzen. Der rein elektrisch angetriebene Transporter wird von zwei Rad
nabenelektromotoren mit einer Gesamtleistung von 70 kW an der Hinterachse angetrieben, die das Fahrzeug bis auf 110 Kilometer pro Stunde beschleunigen. Im Unterboden des eT! befindet sich eine Lithium-Ionen-Batterie mit einem Energiegehalt von 31,1 kWh. Die maximale Reichweite soll 100 Kilometer betragen.
Audi-Strategie auf vier Säulen Die VW-Konzerngesellschaft Audi AG stellt ihre Mobilitäts strategie auf vier Säulen: Audi will seine Stärken bei den er folgreichen TDI- und TFSI-Motoren (Verbindung von Direkt einspritzung und Aufladung) weiter ausbauen. Parallel dazu arbeiten die Ingenieure an einer nachhaltigen Kraftstoff strategie und an der Elektrifizierung des Antriebs, also an Hybrid- und Elektrofahrzeugen. Große Potenziale zur Verbrauchs- und Emissionsminderung sieht Audi im Downsizing der TDI- und TFSI-Motoren – also im Ersetzen von Hubraum durch Aufladung. Da die aufge ladenen Motoren ein hohes Drehmoment bereits bei niedri gen Drehzahlen offerieren, sind längere Getriebeübersetzun gen und damit verminderter Kraftstoffverbrauch ohne Verlust an Dynamik möglich. Für die Optimierung der bewährten TDI-Technologien setzt Audi zunehmend elektronische Steu erungen ein, zum Beispiel eine gezielte Abschaltung einzel ner Zylinder, wodurch je nach Anforderung das Aggregat als Vier- statt als Achtzylinder laufen kann. Hier sehen die AudiIngenieure noch beträchtliches Einsparpotenzial, ohne die typischen Charaktereigenschaften der Marke zu beeinträch tigen. Weitere elektronische Hilfen für den Fahrer sollen zu dem dessen Bewusstsein für effizientes Fahren unterstützen. Als dritte Säule der Effizienzsteigerung gilt bei Audi der zuneh mende Einsatz von Biokraftstoffen aus pflanzlichen Ausgangs materialien wie Stroh oder Holzabfällen, die nicht in Konkur renz zur Nahrungsmittelproduktion stehen. Die Elektrifizierung des Antriebsstrangs bildet die vierte Säule der Mobilitätsstrategie von Audi. Die Spannbreite in diesem Bereich reicht von Start-Stopp- und Rekuperations systemen (Mikro-Hybrid) über Mild- und Vollhybridantrieben in den höheren Fahrzeugklassen bis zu Plug-in-ElectricalVehicles, die Strom aus der Steckdose als Antriebsenergie nutzen. Solche Batterie-Elektrofahrzeuge mit einem Ver brennungsmotor als „Range Extender“ und Plug-in-Hybride sind als Alleskönner für Kurz- und Langstrecke geeignet.
Elektro-Offensive von Ford Bis Ende 2013 will Ford in Europa eine Palette von Elektro fahrzeugen auf die Straßen bringen. Sie umfasst nebenHy brid- und Plug-in-Hybrid-Modellen auch rein elektrisch ange triebene Automobile. Diese Offensive basiert auf der global ausgerichteten Produktstrategie ONE Ford, die auf ein weltweit einheitliches Modell-Portfolio abzielt. Diese Fahrzeuge der nächsten Generation von Ford profitie ren von den Erfahrungen, die das Unternehmen in Nord amerika unter anderem mit der Limousine Fusion Hybrid speziell im urbanen Umfeld gesammelt hat. Das Gleiche gilt für den Escape Hybrid, den Ford bereits 2004 als erstes SUV mit Hybridantrieb eingesetzt hat. Sowohl der Fusion
Der rein elektrisch angetriebene Ford Focus Electric soll 2012 auch in Europa auf den Markt kommen.
Hybrid als auch der Escape Hybrid zählen in ihren Segmen ten zu den kraftstoffeffizientesten Fahrzeugen Nordamerikas. Die Erfahrungen in puncto Elektrifizierung fließen auch in die Entwicklung weiterer Modelle ein. Hierzu zählen die Plug-inHybrid-Versuchsfahrzeuge auf Basis des Escape Hybrid, die Ford in Kooperation mit zehn US-amerikanischen Stromver sorgern, dem US-Energieministerium, dem staatlichen Ener gieforschungs- und Entwicklungszentrum in New York und dem Electric Power Research Institute einem aufwändigen Praxistest unterzieht. Sie haben bislang mehr als 560.000 Kilometer unter realen Bedingungen abgespult. Hybride und Plug-in-Hybride wie die neuen Modelle C-MAX Hybrid und C-MAX Energi, die Ford 2013 gemeinsam mit einer dritten, noch nicht näher genannten Fahrzeugvariante auch in Europa auf den Markt bringen wird, gelten als naheliegende Alternative zu Fahrzeugen mit konventionellen Verbrennungsmotoren. Sie zeichnen sich durch die Ford Powersplit-Technologie sowie moderne Lithium-IonenBatterien aus, die im Vergleich zu vorherigen Hybridmodel len nochmals leichter und kompakter ausgelegt wurden. Als erstes Serienmodell mit Plug-in-Hybridantrieb von Ford basiert der C-MAX Energi auf der fünfsitzigen Karosserie version der neuen Kompaktvan-Baureihe. Im kombinierten Elektro- und Verbrennungsmotor-Modus soll er eine Reich weite von mehr als 800 Kilometern ermöglichen. Noch vor den drei neuen Hybridmodellen werden zwei rein elektrisch angetriebene Fahrzeuge von Ford in Europa an den Start gehen: der Transit Connect Electric und die Strom variante der jüngsten Ford Focus-Generation. Der neue Ford Focus Electric basiert auf der dritten Genera tion dieses Modells.
Fernkontrolle
Für den Focus Electric hat Ford eine App entwickelt, die dem Fahrer ermöglicht, den Ladestand der Batterien zu kontrollieren, die Entfernung bis zur nächsten Stromtankstelle zu ermitteln und die verfügbare Reichweite zu erkennen.
NACHHALTIGKEITSSTRATEGIEN
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Innovationstreiber für „Grüne Mobilität“ Klimawandel, wachsende Weltbevölkerung, fortschreitende Industrialisierung in den großen Schwellenländern, das Anwachsen von Megacitys sowie die rasche Zunahme der Motorisierung in bevölkerungsreichen Ländern wie China, Indien oder Brasilien stellen die Anbieter von Mobilitätstechnologien vor gewaltige Herausforderungen. LANXESS trägt mit innovativen Produkten und Verfahren zu weniger CO2-Ausstoß, geringerem Verschleiß, zu Lärmschutz und Nachhaltigkeit bei.
Im Porsche 918 RSR Hybrid liefert ein elektrischer Schwungradspeicher die Energie f端r die Elektromotoren.
Fortschritte
Weltweit rollen nach unterschiedlichen Schätzungen zur zeit zwischen 600 Millionen und 900 Millionen Autos über Straßen und Pisten. Bis zum Jahr 2050 werden es zwischen 1,7 und 2,7 Milliarden sein. Dazu kommen jetzt schon rund 400 Millionen Nutzfahrzeuge – ebenfalls mit stark steigender Tendenz. Gleichzeitig droht infolge des gewaltigen Ausstoßes von CO2 und anderer schädlicher Gase eine beschleunigte Veränderung des Klimas mit einer möglicherweise katastrophalen Erderwärmung. Ge lingt es nicht, mit klimaneutralen Treibstoffen, innovativen Antriebstechnologien und konstruktiven Maßnahmen zur Gewichtsreduzierung der Fahrzeuge den Ausstoß klima schädlicher Abgase trotz Zunahme des Fahrzeugbestands drastisch zu senken, würde der motorisierte Straßenver kehr im Jahr 2050 unvorstellbare acht Gigatonnen CO2 emittieren. Das wären gerade einmal rund 25 Prozent des gesamten Kohlendioxidausstoßes weltweit. Den großen Rest setzen Industrie und Kraftwerke sowie private Haus halte frei. Wenn nichts dagegen unternommen wird! Denn obwohl sich die Regierungen dieser Welt trotz zahlreicher Klima konferenzen schwertun, verbindliche Grenzwerte und Ziele für die sogenannten Treibhausgase festzulegen, so gibt es doch zahlreiche einzelstaatliche und überregi
Handling 130 % Trockenbremsen
135 %
100 %
Nassbremsen
Rollwiderstand 130 %
Laufleistung
135 %
130 % Aquaplaning
130 % Reifen 1975 (= 100 %) Moderner Pkw (2005)
Mit kontinuierlichen Weiterentwicklungen von Technologien und Materialien haben die Reifenproduzenten seit 1975 alle Hauptparameter für Reifen um mindestens 25 Prozent optimiert.
onale Regelungen und Vorschriften, die durch strenge Grenzwerte eine Verminderung des CO2-Ausstoßes trotz steigenden Verkehrsaufkommens bewirken sollen. Die Automobilindustrie und ihre Zulieferer haben die Herausforderung angenommen und arbeiten an treibstoff sparenden Verbrennungsmotoren, an Hybridantrieben, an der Alltagstauglichkeit von Elektrofahrzeugen, an neu en, leichteren Werkstoffen, an der Herstellung unschäd licher Treibstoffe aus Biomasse sowie an der ressourcenund umweltschonenden Erzeugung von Wasserstoff zum Einsatz in Brennstoffzellen für den Elektroantrieb mit NullEmission.
Wichtiger Partner für „Grüne Mobilität“ Als der weltweit bedeutendste Hersteller von s ynthetischen Kautschuken und wichtiger Partner der internationalen Reifen- und Automobilindustrie sieht sich L ANXESS in besonderer Verantwortung, zu den Zielen des Klima schutzes und des schonenden Umgangs mit endlichen Ressourcen maßgeblich beizutragen. Das im Jahr 2005 aus dem B ayer Konzern hervorgegangene Unternehmen hat schließlich einer langen Tradition gerecht zu werden: Vor gut 100 Jahren erfanden Chemiker des Konzerns den synthetischen Kautschuk, ohne dessen vielfältige und
unserer 48 Standorte werden auch Produkte für „Gr ität“ hergestellt „Grüne Mobilität“ – Standorte 27 von 48 Produktionsstandorten bieten Lösungen für „Grüne Mobilität“
Brilon (DE) Dormagen (DE) Krefeld-Uerdingen (DE) Antwerpen (BE) Hamm-Uentrop (DE) Zwijndrecht (BE) Leverkusen (DE)
Sarnia (CA) Chardon (US)
Port Jérôme (FR)
Gastonia (US)
Baytown (US)
Lipezk (RU)
La Wantzenau (FR)
Little Rock (US)
• Bestehende Standorte • Eröffnung 2013
Bitterfeld (DE) Mannheim (DE)
Orange (US) Filago (IT)
Cabo de Santo Agostinho (BR)
Qingdao (CN) Wuxi (CN)
Toyohashi (JP)
Jhagadia (IN) Singapur (SG)
Porto Feliz (BR) Triunfo (BR) Burzaco (AR) Stand: April 2013
In Megacitys wie Tokio ist Klimaschutz durch „Grüne Mobilität“ von überlebenswichtiger Bedeutung.
vielseitige Weiterentwicklungen eine „Grüne M obilität“ kaum Wirklichkeit werden könnte. Mit bedeutenden Pro duktionsstätten in Europa, Südamerika, Nordamerika und Asien und einer breiten Produktpalette für die Reifen- und die Automobilindustrie sowie deren Lieferanten sieht sich LANXESS in einer Schlüsselrolle bei der Zusammenarbeit aller am Automobilbau beteiligten Industriezweige. Und dafür ist der Spezialchemie-Hersteller dank Innovations kraft, maßgeschneiderten Problemlösungen und HightechProdukten bestens gerüstet. Mit rund 17.200 Mitarbeitern in 31 Ländern erzielte LANXESS im Jahr 2012 einen Umsatz von rund 9,1 Mil liarden Euro und einen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) sowie vor Sondereinflüssen von rund 1,2 Milliarden. Im Jahr 2014 erwartet LANXESS ein EBITDA vor Sondereinflüssen von rund 1,4 Milliarden Euro. Regional sorgen die dynamisch wachsenden Schwellen länder Brasilien, Indien und vor allem China für eine anhal tend starke Nachfrage nach LANXESS Produkten. Schon im Jahr 2012 flossen mehr als ein Drittel der Investitionen von LANXESS nach Asien und Lateinamerika. Dieser Anteil lag im Jahr 2005 noch bei weniger als einem Fünftel. Dass diese Strategie aufgeht, zeigt nicht zuletzt die Umsatz entwicklung in den BRICS-Staaten: Gegenüber 2005 hat sich ihr prozentualer Anteil am Konzernumsatz mehr als ver doppelt. Als starker Wachstumsmotor im Konzern erweist sich dabei auch das Geschäft des Segments Performance Polymers mit Kautschuken und Kunststoffen.
Trendsetter
Megatrend Mobilität Die Verantwortung für das operative Geschäft hat das Managementvon LANXESS auf 14 marktorientierte Ge schäftsbereiche (Business Units) verteilt, die in den drei Segmenten– Performance Polymers, Advanced Interme diates und Performance Chemicals – zusammengefasst sind. Im Segment Performance Polymers sind alle polymer basierten Geschäfte gebündelt: die synthetischen Kaut schuke der Business Units Butyl Rubber (BTR), Perfor mance Butadiene Rubbers (PBR), Keltan Elastomers (KEL), High Performance Elastomers (HPE) sowie die Kunststoffe auf Basis von Polyamiden (PA) und Polybutyl enterephthalat (PBT) der Business Unit High Performance Materials (HPM). In dieser Business Unit werden auch das PA6-Vorprodukt Caprolactam sowie Glasfasern hergestellt. Wichtigste Kundengruppe von LANXESS ist die Reifenund Automobilindustrie. Dabei haben sich für „Grüne Rei fen“ maßgeschneiderte Hochleistungskautschuke wie Neodymium-Butadien- Kautschuk (Nd-BR) und LösungsStyrol-Butadien (S-SBR) mit einem jährlichen Wachstum von rund zehn Prozent zum dynamischsten Marktsegment entwickelt. Getrieben wird die steigende Nachfrage nach „Grünen Reifen“ vom Megatrend Mobilität. Nach aktuellen Progno sen werden im Jahr 2015 rund zwei Milliarden neue Reifenweltweit produziert. Heute sind es rund 1,6 Milliar den. Dies entspricht einer Steigerung von rund 25 Prozent für die gesamte Reifenindustrie.
Als einer der weltweit führenden Hersteller von synthetischen Kautschuken sieht sich LANXESS in besonderer Verantwortung für eine Mobilität ohne schädliche Auswirkungen auf das Klima.
Innovationstreiber
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Fritz Hofmann
Fritz Hofmann, der Erfinder der Kautschuksynthese. Sie gelang ihm 1909 und wurde noch im gleichen Jahr patentiert. Hofmann erhielt für seine wissenschaftlichen Leistungen zahlreiche Auszeichnungen, darunter die goldene Fischer-Medaille des Vereins deutscher Chemiker, die Ehrenplakette der deutschen Kautschukgesellschaft und die vergoldete Buna-Medaille der Pariser Weltausstellung.
Methylkautschuk
Diese Originalproben des Methylkautschuks aus Hofmanns Labor sind erhalten geblieben. Es war der erste synthetische Kautschuk, der zu Autoreifen verarbeitet wurde.
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Reifenproduktion vor dem Ersten Weltkrieg im Continental-Werk in Hannover-Vahrenwald.
LANXESS zählt außerdem zu den weltweit führenden Her stellern von hochwertigen Halobutyl-Kautschuken. Diese Kautschuksorte wird überwiegend für die sogenannten Innerliner schlauchloser Reifen verwendet, denn eine der wichtigsten Eigenschaften dieses Elastomers ist sei ne hohe Undurchlässigkeit für Feuchtigkeit und Luft. Die entsprechenden LANXESS Produkte schützen den Stahl cord im Reifen vor Feuchtigkeit und halten den Reifen druck länger konstant – ein wichtiger Faktor, um Treibstoff zu sparen. Die Palette an Butyl-Kautschuken von LANXESS setzt sich aus drei Produktfamilien zusammen: Regular Butyl, Bromobutyl- und Chlorobutyl-Kautschuk. Die beiden Letztgenannten werden auch als Halobutyl-Kautschuke bezeichnet, d eren Herstellung nur wenige Unternehmen beherrschen. Die Business Unit Performance Butadiene Rubbers (PBR) ist ein bedeutender Hersteller der Synthese-Kautschu ke Polybutadien (PBR) und Styrol-Butadien (SBR). Die se Elastomere werden unter den Markennamen Buna® CB, Buna® SE beziehungsweise Buna® VSL vertrieben. Die Bedeutung der Polybutadien-Kautschuke ist immens: Auf sie entfallen etwa ein Viertel des weltweit produzier ten S ynthesekautschuks. Davon werden rund 70 Prozent in Reifenmischungen eingesetzt und weitere 20 Prozent für die Herstellung von schlagzähen Kunststoffen (HIPS, m-ABS).
Nachfrageschub durch Kennzeichnung Zusätzliche Nachfrage nach synthetischen Kautschuken von LANXESS werden die rund um die Welt in Kraft tre tenden Kennzeichnungspflichten für Reifen generieren, die die Klassifizierung von Rollwiderstand und Nasshaftung des Reifens vorsehen. Bereits seit 2010 gibt es eine frei willige Reifenkennzeichnung in Japan; Südkorea ist – zunächst ebenfalls auf freiwilliger Basis – gefolgt. Eine
Innovationstreiber
v erpflichtende Kennzeichnung ist seit November 2012 eingeführt – dem Monat, ab dem auch in der EU eine Kennzeichnung aller Reifen vorgeschrieben ist. Länder wie Brasilien, die USA und China folgen. Eine Studie der Tech nischen Universität München ergab, dass der Marktanteil von „Grünen Reifen“ bis zum Jahr 2020 in Japan auf bis zu 80 Prozent und in Südkorea auf bis zu 90 Prozent des gesamten Reifenmarktes steigen wird.
Tradition verpflichtet Die Perspektiven für synthetische Kautschuke sehen somit dank der dynamischen Entwicklung auf den Fahrzeug- und Reifenmärkten und nicht zuletzt wegen der zunehmend strengen Vorschriften für Abgaswerte und der damit verbun denen Einsparung beim Kraftstoffverbrauch durchweg po sitiv aus. Und damit wird die Entwicklung des Werkstoffs Kautschuk auch künftig vor allem vom Bedarf der Reifenindustrie stimuliert. Das hat Tradition: Denn ohne den beispiellosen Siegeszug der Auto-Mobilität hätte die Erfindung des Chemikers Fritz Hofmann aus dem Jahr 1909 wohl kaum so große Furore machen können. Denn als Hofmann, leitender Chemiker in der Pharmaabtei lung der Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co., im Jahr 1906 mit der Entwicklung „eines Verfahrens zur Herstellung von Kautschuk oder eines vollwertigen Ersatzes“ begann, ahnte er nicht, auf welches Abenteuer er sich einließ. Aber immerhin winkten ihm persönlich 20.000 Mark Erfolgsprä mie, sollte ihm ein synthetischer Ersatz für den damals nur aus der Milch der Hevea brasiliensis, also des Kautschuk baums, gewonnenen Werkstoff Gummi bis zum Jahr 1909 gelingen. Nicht nur die Zeitspanne für die Forschungsarbeit war knapp bemessen, auch eine weitere Auflage musste erfüllt werden: „Der Einstandspreis“, so die Bedingung der Direktoren des Unternehmens, solle sich
„auf höchstens zehn Mark für prima Ware pro Kilo stellen“. Hofmann machte sich mit seinem Team an die Arbeit – und tatsächlich konnte er im August 1909 ein Produkt präsen tieren, das der damals führende Kautschukfachmann Carl Dietrich Harries, Professor in Kiel, als „veritablen“ Kaut schuk klassifizierte. Bereits im September 1909 erteilte das Kaiserliche Patentamt den Farbenfabriken das Patent Nr. 250 690 für das Verfahren zur Herstellung von künst lichem Kautschuk. Hofmann war es gelungen, reines Iso pren zu synthetisieren und zu polymerisieren. Auch Natur kautschuk besteht aus langen Ketten, in denen unzählige Isopren-Moleküle aneinandergereiht sind.
Auftakt mit Hindernissen Die nun schon mehr als 100 Jahre erfolgreiche Geschich te des synthetischen Kautschuks konnte beginnen – wenngleich mit Hindernissen und über manche Umwege. Denn trotz des ersten Entwicklungserfolgs musste auch Hofmann in seinen Erinnerungen eingestehen, dass sein künstliches Produkt noch nicht annähernd an die positiven Eigenschaften des natürlichen Vorbilds heranreichte. Vor allem aber: Es gelang den Kautschukchemikern nicht, das Isopren aus p-Kresol, einem Bestandteil des Kohlenteers, zu konkurrenzfähigen Kosten herzustellen. Im nächsten Entwicklungsschritt setzten Hofmann und seine Mitarbeiter auf das leichter zugängliche Dimethyl butadien – „Methylisopren“ –, dessen Polymerisat sie
„Methylkautschuk“ nannten. Zwar erwies sich das Produk tionsverfahren als wirtschaftlicher, war aber ebenfalls nur bedingt brauchbar. Denn die Polymerisation dauerte bis zu sechs Monate. Immerhin schaffte es der Methylkautschuk im Jahr 1910 bis zur Weiterverarbeitung in der Reifenproduktion. Die Continental Caoutchouc & Guttapercha Compagnie in Hannover presste den ersten synthetischen Kautschukautoreifen. Und 1912 präsentierte der große Mentor der Kautschukforschung bei Bayer, Carl Duisberg, auf dem Internationalen Kongress für Angewandte Chemie in New York zwei Autoreifen, mit denen er persönlich 4.000 Kilo meter pannenfrei gefahren war. Selbst Kaiser Wilhelm II. hatte seine Staatskarosse mit Reifen aus Methylkautschuk bestücken lassen und telegraphierte am 4. Juni 1912, er sei „höchst befriedigt“. Dennoch schaffte die Jahrhundert-Erfindung Hofmanns den großen Durchbruch erst Jahrzehnte und zahlreiche Weiterentwicklungen später. Seine Erfindung zeigte im all täglichen Dauereinsatz viele Schwachstellen – der Methyl kautschuk baute sich an der Luft relativ schnell ab und war kaum lagerfähig. Nach ersten Anwendungen des Methylkautschuks im deut schen U-Boot-Bau während des Ersten Weltkriegs musste die Produktion im Jahr 1919 eingestellt werden. Sogar die Entwicklungsarbeiten ruhten bis 1925. Fritz Hofmann, der nach dem Krieg an das Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohlen
Pioniere
Die Chemiker Walter Bock und Eduard Tschunkur (unten) entdeckten 1929 das ...
... Emulsions-Mischpolymerisat aus Butadien und Sty® rol, das Buna S.
Zeichnung des ersten deutschen Buna-Werks in Schkopau in der Nähe von Halle aus dem Jahr 1936.
Das Patent für den Synthesekautschuk Buna® erhielt die I.G. Farben am 21. Juni ® 1929. Buna ist noch heute Bestandteil von Reifen.
Carl Duisberg prägte von 1884 bis 1935 maßgeblich die Geschicke der deutschen Chemieindustrie.
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Wendemarken
forschung in Breslau gegangen war, kommentierte 1924: „Der synthetische Kautschuk ist tot. Es lebe der syntheti sche Kautschuk! Hoffen wir, dass eine glücklichere Genera tion unsere Pionierarbeit fortsetzen kann.“ Hofmann, der 90-jährig im Jahr 1956 starb, konnte noch einen Gutteil des Siegeszugs seiner Erfindung miterleben.
Die „Geburt“ von Buna®
Dicke Schlagzeilen für erste Autoreifen mit Buna® S Laufstreifen zur Autoschau 1936 in Berlin.
Nach dem Crash der New Yorker Börse 1929 stoppte die I.G. Farben den Bau einer Versuchsanlage für synthetischen Kautschuk.
Den Ausschlag für die Wiederaufnahme der Forschungsund Entwicklungsarbeiten gaben drei Faktoren: • Zum einen hatte der sprunghafte Anstieg des motorisier ten Verkehrs zu einer heftigen Nachfrage nach Kautschuk geführt. Trotz der inzwischen riesigen Plantagen in Südost asien konnten die Ursprungsländer den Bedarf mit Natur kautschuk kaum befriedigen. • Zweitens hatten schon 1910 Carl Dietrich Harries und unabhängig von ihm die Engländer Francis Edward Matthews und Edward Halford Strange entdeckt, dass Alkalimetalle eine schnelle Polymerisation des Buta diens bewirken. • Und drittens hatten Chemiker von Hoechst und der Badi schen Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen einen preis günstigen Weg zur Gewinnung von Butadien gefunden – das neue Schlüsselprodukt für den Synthesekautschuk. Auf Basis dieser drei Entwicklungen beschloss die Leitung der 1925 gegründeten I.G. Farben (BASF, Bayer, Agfa, Farbwerke Hoechst, Cassella Farbwerke Mainkur und die Chemische Fabrik Kalk), die Forschung über Synthesekaut schuk wieder aufzunehmen. Zunächst erprobte das Team um Eduard Tschunkur und Walter Bock in Leverkusen neue Katalysatoren zur Polyme risierung des Butadiens und fand schließlich ein sicher und glatt funktionierendes Verfahren, aus Butadien und Natrium einen synthetischen Kautschuk herzustellen. In einem wei teren Schritt, der vor allem auf eine Idee von Walter Bock
Kaiser Wilhelm II. zeigte sich nach der Erprobung der ersten luftgefüllten Autoreifen aus Methylkautschuk „höchst befriedigt“.
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RUBRIK
zurückging, gelang die Mischpolymerisation von Styrol und Butadien in wässriger Emulsion. Dadurch entstand ein Kautschuk, der sich sowohl für Reifen als auch für techni sche Gummiartikel eignete und dem Naturkautschuk in manchen Eigenschaften sogar überlegen war. Am 21. Juni 1929 erhielt die I.G. Farben das erste Patent auf die Erfindung der Butadien-Styrol-Copolymerisation – Buna® S war „geboren“. Der Name Buna setzt sich aus den jeweils beiden Anfangsbuchstaben von Butadien und Natrium zusammen. Am 5. Juni 1930 wurde Buna® beim Reichspatentamt für die I.G. Farbenindustrie als Waren zeichen eingetragen (die deutsche Registrierung erhielt Buna® 1938). Im Jahr 1930 entwickelte das Team um Erich Konrad und Eduard Tschunkur schließlich den quellbeständigen Acryl nitril-Butadien-Kautschuk (Buna® N, ab 1938 Perbunan® genannt) für die Fertigung von öl- und benzinbeständigen Gummiartikeln. Dank dieser Eigenschaften konnte sich der Nitrilkautschuk trotz seines hohen Preises einen ersten kom merziellen Erfolg sichern. Noch heute zählt das auf dieser Entwicklung basierende Produktsortiment zu den tragenden Säulen des Kautschukgeschäfts von LANXESS.
Neue Krise – neuer Aufbruch Doch bevor sich der wirtschaftliche Durchbruch festigen konnte, gab es einen erneuten Rückschlag. Die im Oktober 1929 durch den Zusammenbruch der New Yorker Börse ausgelöste Weltwirtschaftskrise erfasste Deutschland und veranlasste das Direktorium der I.G. Farben, den Bau einer bereits geplanten Versuchsanlage für synthetischen Kaut schuk in Knapsack bei Köln zu stoppen. Die gerade von ers ten großen Erfolgen gekrönten Arbeiten an Synthesekaut schuken wurden – wieder einmal – weitgehend eingestellt. Die erneute Wende bahnte sich allerdings bereits 1933 mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten an. Nun sollte Deutschland von importierten Rohstoffen weitgehend unabhängig werden. Damit bekam auch der Synthesekaut schuk eine weitere Chance, zumal ab Mitte der 30er J ahre neu entdeckte Kautschukhilfsprodukte wie Alterungs schutzmittel, Vulkanisationsbeschleuniger und Füllstoffe zur Verfügung standen. Auf Basis dieser zahlreichen Forschungsergebnisse konnte 1936 in Deutschland die großtechnische Produktion von Synthesekautschuk (Buna® S) beginnen. Dafür hatte die I.G. Farben in Schkopau bei Halle ein riesiges Werk errich tet, zwei weitere sollten folgen. Die ersten Pkw-Reifen mit einer Buna® S Lauffläche wurden 1936 zur Automobilausstellung in Berlin vorgestellt und lieferten dicke Schlagzeilen. Immerhin konnte man mit die sen Reifen 36.000 Kilometer fahren, während Naturgummi reifen nur 29.000 Kilometer hielten. Die ersten Pkw- und Lkw-Reifen der Welt auf Basis von 100 Prozent Buna® S wurden 1942 hergestellt. Vor Ende des Zweiten Weltkriegs verfügte die I.G. Farben theoretisch über eine Produktions kapazität von insgesamt 170.000 Jahrestonnen Synthese kautschuk, die Produktion kam kriegsbedingt aber in der Spitze über knapp 120.000 Tonnen nicht hinaus.
Werbung Mit dem beginnenden Wirtschaftswunder in Deutschland in den 50er Jahren erlebte die Automobilindustrie einen Wachstumsschub – und damit auch die Kautschukindustrie, die den Stoff für Reifen, Schläuche, Dichtungen und Dämpfer lieferte.
Nobelpreisträger
Massenhersteller USA Auch in den Vereinigten Staaten von Amerika entstan den während des Zweiten Weltkriegs riesige Kapazitä ten für die Produktion von Synthesekautschuk, nachdem Japan einen Großteil der südostasiatischen Anbaugebie te von Naturkautschuk besetzt und die USA 1941 nach dem Kriegseintritt im Pazifik von der Einfuhr abgeschnitten hatte. Der Kraftakt jenseits des Atlantiks war gewaltig: Mit einem Kostenaufwand von 750 Millionen Dollar stampf ten die Vereinigten Staaten regierungseigene Fabriken aus dem Boden, die 1945 rund 820.000 Tonnen produzier ten – sieben Mal so viel wie die der I.G. Farben. Indirekt beruhte das amerikanische Kautschukprogramm auf der Leverkusener Erfindung von Buna® S aus dem Jahr 1929 und brachte zweifellos den endgültigen Durch bruch des synthetischen Kautschuks als Massenrohstoff für die Reifenproduktion. Immerhin erhielt Walter Bock in der „Ruhmeshalle“ des Kautschukverarbeiters General Tire 1979 einen angemessenen Ehrenplatz.
Wieder einmal Neubeginn Nach dem Produktionsverbot als Folge des Zweiten Welt kriegs wurde die Herstellung von Synthesekautschuk in Deutschland erst 1952 mit 500 Tonnen im Monat erneut aufgenommen. Um international wieder Anschluss zu finden, mussten die bewährten Buna® Typen allerdings erneut in großen Mengen für die Kunden verfügbar gemacht werden. Dafür gründeten die Chemischen Werke Hüls, Bayer, BASF und Hoechst die Buna-Werke Hüls und errichteten in Marl, Kreis Recklinghausen, auf einem 147.000 Quadratmeter
großen Gelände 1956 das größte und modernste Werk für die Produktion synthetischen Kautschuks in Europa. Bereits 1952 hatte Bayer die Herstellung des Nitrilkaut schuks Perbunan® N wieder aufgenommen und bedien te damit vor allem die aufblühende deutsche Automobil industrie. Denn die benötigte nicht nur Reifen, sondern in zunehmendem Maße auch Schläuche, Dichtungen und Dämpfer aus elastischem Material, das bei Berührung mit Öl und Benzin beständig blieb und sich auch wenig tem peraturempfindlich zeigte. Ergänzt wurde das Produktprogramm des Leverkusener Konzerns durch die Weiterentwicklung des Polychloro pren-Kautschuks, der 1957 zunächst unter dem Handels namen Perbunan® C eingeführt und später als Baypren® produziert und vermarktet wurde. Diese Werkstoffklasse kommt dann zum Einsatz, wenn unter rauen Außenbe dingungen hohe Witterungs- und Ozonbeständigkeit bei gleichzeitiger Widerstandsfähigkeit gegen Alterungspro zesse sowie eine gute Brandwidrigkeit gefordert sind. Be stimmte Typen des Baypren® Sortiments bilden auch die Rohstoffbasis für Klebstoffe.
Neue Dimension durch Petrochemie
Karl Ziegler
leitete bis 1969 das MaxPlanck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim a. d. Ruhr. 1963 erhielt er den Nobelpreis für Chemie.
Giulio Natta
Der Siegeszug der synthetischen Kautschuke erhielt in den 60er Jahren zusätzlichen Schwung: Die Umstellung der chemischen Industrie von Kohle auf Erdöl sowie neuartige Katalysatoren verbesserten auch für die Kautschukindust rie die Rohstoffsituation deutlich. Ethylen, Propylen, Butadi en und andere Olefine wurden zu preiswerten Ausgangs produkten. Gleichzeitig eröffnete die Katalysatorforschung
Gemeinsam mit Ziegler wurde Natta für seine Arbeiten an der asymmetrischen Synthese optisch aktiver Polymere mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
Innovationstreiber
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hohe Witterungs-, Ozon- und Heißluftbeständigkeit prädestinieren Levapren® unter anderem für flamm- und korrosi onsbeständige Kabelummantelungen. Im Zusammenhang mit kommenden Normen für den Schienenverkehr gewinnt Levapren® zunehmend an Bedeutung für Kabel, Flooring und Profile in Zügen. Das jüngste Mitglied der Kategorie synthetischer Polyme re ist der Hochleistungskautschuk Therban®. Er entsteht durch Hydrierung von Nitrilkautschuk und bildet eine eige ne Qualitätsklasse: Therban® verbindet eine hervorragende Ölbeständigkeit bei Hitze und Kälte mit einer sehr hohen Verschleißfestigkeit. Damit erhält Therban® immer dann den Vorzug, wenn extrem hohe Beanspruchungen auftre ten, zum Beispiel im Motorraum eines Autos.
Kundenorientierte Innovationen
Henri Victor Regnault stellte zwar das erste PVC her, konnte seine Entdeckung aber selbst nicht verstehen.
Pioniergeist
Fritz Klatte präsentierte 1913 die technischen Grundlagen zur Herstellung von PVC für Filme, Kunstfäden, Lacke oder als Horn-Ersatz.
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– vor allem die Arbeiten der späteren Nobelpreisträger Karl Ziegler, Professor der Chemie und Leiter des Max-PlanckInstituts für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr, sowie Giulio Natta, Professor der Chemie am Polytechnikum in Mailand, völlig neue Möglichkeiten, synthetischem Kaut schuk ganz spezifische Eigenschaften einzuimpfen. Und das bei verhältnismäßig milden Reaktionsbedingungen. Mit diesen neuen Katalysatoren gelang nun problemlos zum Beispiel die Polymerisation von Butadien und Styrol, die 30 Jahre davor nur von mäßigem Erfolg gekrönt war. Gleichzeitig ließen sich die Eigenschaften des ButadienKautschuks entscheidend verbessern. Der seit Mitte der 60er Jahre in Dormagen und später auch im französi schen Port Jérôme produzierte Kautschuk Buna® CB zeichnet sich durch eine hervorragende Abriebfestigkeit aus, bei gleichzeitig stabilem Alterungsverhalten sowie ho her Elastizität auch bei tiefen Temperaturen – beste Voraus setzungen für den Einsatz in der Lauffläche von Autoreifen. Ein weiterer Innovationssprung gelang, als die Kautschukforscher entdeckten, dass sich die Vulkanisierung auch ohne Schwefel durch andere Arten der Vernetzung bewerkstelligen lässt. So entstand unter anderem das seit 1961 produzierte Levapren®, das sich leicht verarbeiten und mit Peroxiden oder durch UV-Bestrahlung vulkanisie ren lässt. Seine mechanischen Eigenschaften und seine
Innovationstreiber
Über die weitere Entwicklung des synthetischen Kaut schuks und seiner zahlreichen Varianten entscheiden letztlich der Markt und die Anforderungen der Kunden. Deshalb konzentriert sich LANXESS vor allem auf die Ent wicklung und Weiterentwicklung von Synthesekautschuk typen mit ganz speziellen Eigenschaften. Im Fokus stehen dabei die Bedürfnisse der Reifenindustrie und deren Auf gabe, möglichst rollwiderstandsarme Reifen für einen ver minderten CO2-Ausstoß der Fahrzeuge anzubieten. Darü ber hinaus zielen die Kautschukentwicklungen aber auch auf die Hersteller von Schläuchen, Dämpfern, Transport bändern und Leitungsisolierungen. Denn wenngleich die Reifenindustrie mit der Abnahme von rund 60 Prozent der weltweiten Produktion der weitaus größte Verbraucher von synthetischen Kautschuken ist, so wären doch zahllose technische Artikel ohne Hunderte oft maßgeschneiderte Kautschukvarianten kaum funktionsfähig.
Starke Kunststoffmarken „Grüne Mobilität“ zielt auf einen deutlich geringeren Ver brauch an Treibstoffen aus fossilen Energiequellen und auf eine damit verminderte Emission klimaschädlicher Abgase ab. Zu ihrer Verwirklichung müssen neben neuen Antriebstechnologien und dem Einsatz klimaneutraler Treibstoffe und rollwiderstandsarmer Reifen auch beson ders leichte, aber dennoch robuste Werkstoffe für den Fahrzeugbau beitragen. Genau diese Aufgaben erfüllen Hightech-Kunststoffe von LANXESS auf Basis von Polya miden (PA) und Polybutylenterephthalaten (PBT) bereits in unzähligen Bauteilen von Nutzfahrzeugen und Pkw. Die beiden Kunststoffproduktlinien werden unter den Namen Durethan® (PA6 und PA66) und Pocan® (PBT) vermarktet. Sie umfassen ausgesprochen vielseitige polymere Werk stoffe mit hohem Innovationspotenzial. Produkte aus Dure than® und Pocan® halten erheblichen mechanischen Belastungen stand und überzeugen durch ihre hohe Zu verlässigkeit im Dauereinsatz. Dank dieser Eigenschaften, gepaart mit guter Verarbeitbarkeit, Medienbeständigkeit, elektrischer Isolationsfähigkeit und Schlagzähigkeit, genie ßen sie in der Automobilindustrie und bei ihren Zulieferern, aber auch in der Elektro- und Elektronikindustrie,
bei Haushaltsgeräteherstellern sowie im Bauwesen, in der Medizin und in Sport und Freizeit hohe Wertschätzung.
Kunststoffe und ihre Erfinder Doch bis solche Hightech-Werkstoffe zur Verfügung stan den, hatten Wissenschaft und Forschung einen weiten Weg zu gehen. Die Ära der modernen Kunststoffe begann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Damals tüftel ten weltweit ganze Heerscharen von Chemikern an einem Ersatzstoff für Elfenbein, das als Material für Abermillionen von Billardkugeln diente. Erst mit der Erfindung des Zellu loids durch John Wesley Hyatt Mitte des 19. Jahrhunderts stand ein preisgünstiges Ersatzmaterial zur Verfügung. Diese Erfindung sollte sich als ein erster Meilenstein in der Historie der Kunststoffe erweisen. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts entwickelten der amerikanische Geistliche Hannibal Goodwin und die George Eastman Company – die heutige Kodak – Zelluloid als durchsichtigen Träger für fotografische Filme. Zudem kam es bald in zahllosen Kon sumprodukten zum Einsatz, da sich damit Luxusgüter etwa aus Elfenbein, Ebenholz oder Perlmutt fast perfekt imitie ren ließen. Ähnlich bahnbrechend war auch Bakelit, das Anfang des 20. Jahrhunderts der gebürtige Belgier Leo Hendrik Baekeland entwickelte. Bakelit war der erste vollsynthe tische Kunststoff auf Phenolbasis und erwies sich für die junge Elektro- und Telekommunikationsindustrie als ein ge radezu ideales Material: Der hitzebeständige, gut isolieren de Kunststoff war für Schalter, Telefone, Radios, Gehäuse sowie viele weitere technische Bauteile bald unverzichtbar. Nächste Meilensteine der Kunststoffentwicklung: Noch vor dem Ersten Weltkrieg legte Fritz Klatte die Grundlagen für die Polyvinylchlorid (PVC)-Herstellung, Hermann Staudin ger wiederum gilt als Begründer der Polymerchemie. In den 30er Jahren ersann Otto Röhm dann das Plexiglas und ermöglichte damit splittersichere Scheiben. Der rastlose Röhm experimentierte im Jahr 1933 wieder holt mit dem Ester der Methacrylsäure. Eines Tages ent stand dabei unversehens eine völlig neue Art von Glas. Das Material erwies sich als außergewöhnlich stoßfest, splitterte selbst bei harten Schlägen nicht und war zudem erstaunlich leicht. Röhm nannte diesen seltsam anmuten den, thermoplastischen Kunststoff zunächst Polymethyl methacrylat, kurz PMMA, gab seiner Schöpfung dann aber einen Namen, den jedermann leicht aussprechen konnte: Plexiglas. Das erste Perlon entstand aus einer Art Fernwettbewerb zwischen dem promovierten Chemiker Paul Schlack, der ab 1926 bei der Berliner Aceta GmbH als Leiter der For schungsabteilung arbeitete, sowie dem amerikanischen Chemiker Wallace Hume Carothers. Dessen Team war im Frühjahr 1930 die Herstellung von synthetischem Gum mi gelungen: Neopren. Später synthetisierte Carothers die ersten Polyester und 1934 entdeckte er schließlich das Nylon (Polyamid 66). Für Schlack war das ein Startsignal, sich seinerseits mit der Polyamid-Forschung zu beschäfti gen.
Als Schlüssel zum Erfolg sollte sich das Caprolactam er weisen, von dem Carothers behauptet hatte, es sei für die Polyamid-Herstellung völlig ungeeignet. Für Schlack war dies von größter Bedeutung, denn durch die Verwendung von Caprolactam geriet er nicht in Gefahr, die Rechte des US-amerikanischen Nylonherstellers DuPont zu verletzen. Schon wenige Monate nach dem Start der Versuchsreihen mit Caprolactam hielt Schlack ein extrem zähes Caprolac tam-Polymerisat in den Händen, aus dessen Schmelze sich reißfeste Endlosfäden ziehen ließen. Dies war gleichsam die Geburtsstunde der Kunststofffaser Perlon (Polyamid 6). Die große Stunde von Schlacks neuartiger Faser schlug allerdings erst in den 50er Jahren, nachdem das HoechstWerk in Bobingen die Perlonproduktion aufgenommen hatte. Damit begann auch der Siegeszug der Damenfein strümpfe aus Perlon und vieler anderer Produkte aus Poly amid 6. Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Siegeszug der Kunst stoffe nicht mehr aufzuhalten. Als Wegbereiter fungier ten Wissenschaftler wie etwa Fritz Stastny, Karl Ziegler, Hermann Schnell und viele andere. Sie entwickelten die Grundlagen für eine Vielzahl von Produkten, die aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken sind.
Perlon®/Nylon®
Paul Schlack ging bei seiner Erfindung von Polyamid 6 einen anderen Weg als sein Konkurrent Carothers mit Polyamid 66.
Wallace Hume Carothers, Erfinder des Nylons, musste sich von seinem ChemikerKollegen Paul Schlack das Perlon vorsetzen lassen.
Hermann Staudinger, Begründer der Polymerchemie, wurde 1953 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet.
Technologietreiber
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Für jeden Einsatz der richtige Kautschuk Material
Eigenschaften
Verwendung
Acrylat-Kautschuk ACM
Temperaturbereich: –25 °C bis 170 °C; gute Beständigkeit gegen Schweröle; gute Alterungs- und Ozonbeständigkeit
Ölschläuche, Dichtungen
Ethylen-AcrylatKautschuk AEM
Temperaturbereich: –30 °C bis 170 °C; gute Witterungs- und Ozonbeständigkeit; mittlere Beständigkeit gegen Mineralöle
Ölschläuche, Dichtungen, O-Ringe, Schuhe, Kabelmäntel
ChloroprenKautschuk CR
Temperaturbereich: –45 °C bis 110 °C; gute mechanische Eigenschaften; gute Ozon-, Witterungs-, Chemikalien- und Alterungsbeständigkeit; mittlere Öl- und Treibstoffbeständigkeit; hohe Flammwidrigkeit
Kabelmäntel, Schläuche, Dichtungen, Fenster- und Bauprofile, Antriebsriemen, Taucheranzüge
Chlorsulfoniertes Polyethylen CSM
Temperaturbereich: –20 °C bis 130 °C; gute Ozon-, Alterungs- und Witterungsbeständigkeit; gute Chemikalienbeständigkeit
Dichtungen, Membranen, Folien, Formartikel, Walzenbezüge, Kabelmäntel
Polybutadien BR
Temperaturbereich: –80 °C bis 90 °C; gute Festigkeit; hervorragende Abriebfestigkeit; Rissbeständigkeit
Automobilreifen, Transportbänder, Prallschutzplatten
EthylenoxidEpichlorhydrinKautschuk ECO
Temperaturbereich: –40 °C bis 100 °C; sehr öl- und kraftstoffbeständig; ozonbeständig; befriedigende mechanische Eigenschaften
Zwischen- und Außenschicht für Kraftstoffschläuche
Ethylen-PropylenDien-Kautschuk EPDM
Temperaturbereich: –50 °C bis 150 °C; sehr gute Alterungsbeständigkeit auch bei UVund Ozonbelastung; beständig gegen verdünnte Säuren und Bremsflüssigkeiten auf nicht mineralölhaltiger Basis; nicht beständig gegen Mineralölprodukte
Karosseriedichtungen im Automobilbau, Dach- und Teichfolien, Membranen, Dichtungen, Bauprofile, Schläuche, Bodenfliesen, Riemen und Gurte, Förderbänder, Walzenbezüge
EthylenvinylacetatKautschuk EVM/EVA
Temperaturbereich: –30 °C bis 170 °C; hohe Wärmebeständigkeit; gute elektrische Eigenschaften
Heißgut-Fördergurte, flammwidrige, halogenfreie Kabelisolierungen und Kabelmäntel, Folien, technische Artikel aller Art, Sportschuh-Zwischensohlen
Fluor-Kautschuk FKM
Temperaturbereich: –25 °C bis 200 °C; sehr hohe Beständigkeit gegen Ozon, Sauerstoff, Mineralöle, synthetische Hydraulikflüssigkeiten, Kraftstoffe, viele organische Lösungsmittel; geringe Gasdurchlässigkeit
Nutringe, Lippenringe, O-Ringe, Abstreifer, Vorspannelemente und Sonderdichtungen
Hydrierter Nitrilkautschuk HNBR
Temperaturbereich: –40 °C bis 150 °C; ausgezeichnete physikalische Eigenschaften; sehr guter Abriebwiderstand; hohe Ozon- und Heißluftbeständigkeit; gute Beständigkeit gegen chemisch aggressive Öle
Stark beanspruchte Gummiartikel, z. B. für die Ölindustrie und den Maschinenbau, wie Dichtungen, Schläuche, Statoren; Riemen für die Automobilindustrie, Kabelisolierung, Spezialkupplungen
Butylkautschuk IIR
Temperaturbereich: –40 °C bis 140 °C; gute Beständigkeit gegen Säuren, Heißwasser, Glykol; hohe Gasdichtigkeit; hohes Dämpfungsvermögen; ozonbeständig; mäßige mechanische Eigenschaften
Innenlagen für schlauchlose Reifen, Heizbälge für die Reifenherstellung, Dachbeschichtungen, Tunnelisolierungen, Heißwasserschläuche, Lagerelemente mit hoher Dämpfung, Luftschläuche für Reifen
Nitril-ButadienKautschuk, Acrylnitril-Butadien-Kautschuk NBR
Temperaturbereich: –40 °C bis 130 °C; mäßige Ozon- und Witterungsbeständigkeit; hohe Beständigkeit gegenüber Ölen, Fetten und Kohlenwasserstoffen; günstiges Alterungsverhalten; geringer Abrieb
Dichtungen, Schläuche für Hydraulik und Pneumatik; Gummihandschuhe, Gummifäden, Drucktücher und Walzen
Styrol-ButadienKautschuk SBR
Temperaturbereich: –50 °C bis 100 °C; mäßige Alterungs-, gute Abriebbeständigkeit; gute mechanische Eigenschaften
Laufflächen von Kfz-Reifen, technische Gummiartikel (Transportbänder, Dichtungen, Profile); Fußbodenbeläge; Schuhsohlen und Absätze Technischer Kautschuk
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Innovationstreiber
Kautschuk für die Reifenindustrie
Neue Verfahren und Produkte Schon als Nachwuchsforscher entwickelte Karl Ziegler eine Vorliebe für freie Radikale – äußerst reaktionsfreu dige Moleküle, die bei der Bildung von Kettenmolekülen eine wichtige Rolle spielen. Mit diesem Wissen machte er sich dann an unbekannte metallorganische und polyme re Verbindungen heran. Später wandte er sich lieber der Polymerisation zu. Seine Absicht war es letztlich, ein neu es, wirtschaftlich rentables Herstellungsverfahren für Po lyethylen zu entwickeln, bei dem weder extremer Druck noch hohe Temperaturen nötig sind. Den Schlüssel hier zu lieferten die von ihm und seinem Team entdeckten hochwirksamen Metallverbindungen. Im Grunde ließ sich die Polymerisation damit in einem Weckglas durchführen. Ende 1953 wurde das „Mülheimer Normaldruckverfah ren“ zum Patent angemeldet. Eine rein akademische Karriere hatte der 1902 in Frank furt am Main geborene Chemiker Otto Bayer wohl niemals im Sinn. Nach seiner Promotion 1924 an der Universität seiner Heimatstadt wechselte er 1933 nach mehreren be ruflichen Stationen zur damaligen I.G. Farben nach Lever kusen. Dort übernahm er die Leitung des wissenschaftli chen Hauptlabors. Bayer war fasziniert von der Idee, einen Rohstoff zu polymerisieren, der sich ähnlich wie Nylon zu Fäden verspinnen ließ. Dabei schwebte ihm ein neues Ver fahren für den Aufbau von Makromolekülen vor: Zwei nie dermolekulare Verbindungen sollten mittels Polyaddition miteinander reagieren, ohne dass sich dabei Reaktionspro dukte abspalteten. Seine beharrliche Laborarbeit sollte schließlich mit der Entdeckung des Polyurethans (PUR) belohnt werden. Doch erst viel später haben sich die Polyurethane im Markt durchgesetzt. Sie erweisen sich auch heute noch als aus gesprochen vielseitige Kunststoffe.
Für Extrusion und Spritzgießen Bruchfest, elastisch und trotzdem steif, aber auch wärme formbeständig, transparent, außerdem physiologisch un bedenklich – die Liste der Tugenden von Polycarbonat lie ße sich noch weiter fortsetzen. Zu verdanken ist all das dem 1916 im badischen Gaienhofen geborenen Hermann Schnell. Der Chemiker hatte 1944 in Freiburg promoviert. Sein Doktorvater war der Entdecker der Makromoleküle, Hermann Staudinger. Nachdem er 1953 vom Leverkusener Bayer-Hauptlabor ins Zweigwerk nach Uerdingen gewechselt war, machte er bald mit seltsam anmutenden Experimenten auf sich aufmerk sam. Schnell tüftelte mit Phosgen sowie den empfindlichen Kohlensäureestern und erhoffte sich, ausgerechnet mit die sen Stoffen eine Grundlage für stabile, schlagfeste Kunststof fe zu finden. Aus Dian, einem bereits bekannten Kondensa tionsprodukt von Phenol und Aceton, stellte er mit Phosgen schließlich sein erstes Polycarbonat her. Damit nicht genug. Es gelang ihm schließlich, das Poly carbonat in einen thermoplastischen Kunststoff zu verwan deln, der sich damit für die Extrusion und das Spritzgießen einsetzen ließ. Der Siegeszug des Materials war nicht mehr
HiAnt® – Innovation in Teamarbeit mit Kunden HiAnt® leitet sich von Hightech und Ant (englisch für Ameise) ab und steht für Effizienz, Fleiß und Teamarbeit.
Die Business Unit High Performance Materials gilt mit Durethan® und Pocan® weltweit als Premium-Anbieter von Hightech-Polyamiden und -Polybutylenterephthalaten für anspruchsvolle technische Anwendungen. Das Image beider Werkstoff-Familien ist untrennbar mit den umfassenden Serviceleistungen verbunden, die internationale Kunden bei der Entwicklung innovativer Systemlösungen weltweit erhalten. Die neue Marke steht für maßgeschneiderten
aufzuhalten. Ab 1958 wurde es unter dem Handelsnamen Makrolon® gar zum Renner unter den Bayer-Polymeren. Kein Wunder, denn die Einsatzmöglichkeiten des Kunst stoffs sind fast unbegrenzt.
Schöpfer des Styropors Auf der Kunststoffmesse 1952 in Düsseldorf präsen tierte die BASF zum ersten Mal geschäumtes Polystyrol (PS). Bei der BASF nannte man die „aufgeblasene“ PSVariante Styropor. Entwickelt hatte es der 1908 in Brünn (Brno) geborene Fritz Stastny. Der promovierte Chemi ker ging 1939 zur BASF und beschäftigte sich unter an derem mit neuen Produktionsverfahren für Schaumstof fe. Zehn lange Jahre sollte es noch dauern, bis ihm ein wichtiger Schritt zur Styroporherstellung gelang. Wie so oft mischte auch dabei der Zufall kräftig mit, als aus einer seiner Mixturen etwas völlig Überraschendes entstand: ein extrem leichtgewichtiger, starrer Schaumstoff, der aussah wie Bienenwaben. Heute gilt Styropor als Inbe griff für Wärmedämmung. Nicht mehr wegzudenken ist der Kunststoff auch als Verpackungsmaterial, vor allem für zerbrechliche Güter.
Leichtgewichtige Materialalternativen Während des vergangenen Jahrhunderts der Kunststof fe wurden zahlreiche weitere Produkte entwickelt, für die immer neue Einsatzgebiete gefunden werden. So er setzen zum Beispiel in der Automobilindustrie Pocan® und Durethan® als Gewicht sparende Alternativen zu nehmend Metalle vor allem unter der Motorhaube, wo die Materialien Hitze, aggressiven Medien und Dauerer schütterungen standhalten müssen. Zudem lassen sich mit den LANXESS Werkstoffen bei der Herstellung der Bauteile im Spritzgießprozess direkt zahlreiche Funktio nen wie Befestigungselemente, Führungen und Aufnah men anformen. Diese sogenannte Funktionsintegration verkürzt die Folgemontage, vereinfacht die Logistik und senkt die Fertigungskosten. Prominentes Beispiel für
Kundenservice und profundes Know-how in der Produkt-, Anwendungs-, Verfahrens- und Technologieentwicklung. Die Expertise hinter HiAnt® lässt sich an vielen Beispielen verdeutlichen. So ist die Business Unit führend in der Kunststoff-Metall-Verbundtechnologie (Hybridtechnik). HiAnt® steht zudem für eigene Weiterentwicklungen von Berechnungsmethoden zur Vorhersage des Bauteilverhaltens wie etwa der integrativen Simulation. Ein weiteres
Kompetenzelement ist die Bauteilprüfung. Beispielsweise wurde ein neues Shaker-Technikum für Vibrationsprüfungen unter anderem von Motorraum-Hohlkörpern aufgebaut.
Gefragte Kunststoffe
Von den Produktionsmengen her gesehen sind Polyamid 6 und 66 die wichtigsten Polyamide. PA66 und PA6 sind in ihrer chemischen Struktur und in ihren Eigenschaften sehr ähnlich.
das Innovationspotenzial von Durethan® beim automo bilen Leichtbau ist die von LANXESS und Partnern ent wickelte Kunststoff-Metall-Verbundtechnologie, die auch als Hybridtechnik bezeichnet wird. Die klassische Varian te dieser Hybridtechnik hat sich bereits millionenfach in hochbelasteten Automobil-Frontends bewährt. Aufgrund der kontinuierlichen Weiterentwicklung dieser Technolo gie steht ihr auch eine vielversprechende Zukunft bevor. Denn statt Stahl- und Aluminiumblechen können nun auch deutlich leichtere, sogenannte Organobleche ein gesetzt werden. Dahinter verbergen sich leichte und stei fe Plattenhalbzeuge aus einem Glasfasergewebe, das in eine Polyamid-Matrix eingebettet ist.
Im LANXESS Technikum in Dormagen entwickeln und testen Kunststoffexperten neue Anwendungen.
Hybridtechnik
Moderne Produktionsstätten in Europa Nicht zuletzt wegen der Wachstumspotenziale baut LANXESS seine Produktionskapazitäten für HightechKunststoffe kontinuierlich aus. Im Werk Uerdingen betreibt LANXESS dazu neben der Produktion von Poly amid 6 auch Compoundier-Anlagen für Durethan® und Pocan®. Im Werk Hamm-Uentrop – hier produziert LANXESS mit DuPont in einem Produktions-Joint-Ven ture PBT und PBT-basierte Compounds – wurde die Ka pazität für Compounds Anfang 2012 nahezu verdoppelt. Polyamid 6 und 66 zählen mengenmäßig im Weltmarkt für technische Kunststoffe zu den wichtigsten Polymeren. Sie haben einen Anteil von knapp 30 Prozent und ste hen damit hinter Polycarbonat (ca. 34 Prozent) an zwei ter Stelle. Derzeit werden nach Angaben des Marktfor schungsunternehmens PCI Nylon jährlich 6,8 Millionen Tonnen PA6 und PA66 umgesetzt. Dabei hat sich der globale Markt verschoben: Bereits jetzt gehen 30 Pro zent des weltweiten Bedarfs für Polyamide auf das Konto Chinas (38 Prozent bei PA6 und 15 Prozent bei PA66). Auch künftig erwartet PCI für den weltweiten Polyamid Markt Wachstumsraten von durchschnittlich jährlich 2,4 Prozent bis zum Jahr 2020. Auf die Auto- und Elek tro-/Elektronik-Branche entfallen zurzeit rund 44 Prozent
Durethan® Granulat von LANXESS zählt zu den begehrtesten und vielseitigsten Thermoplasten für technische Anwendungen.
Das Frontend des Audi A8 besteht aus einem Verbund von Aluminium, Organo blech und Durethan®.
Innovationstreiber
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Gewichtsparer
Die Nutzfahrzeughersteller Volvo und IVECO lassen Kühlergrills beziehungsweise Stoßfänger aus Kunststoff von LANXESS fertigen.
LANXESS produziert an seinem Standort in Antwerpen-Lillo Caprolactam, ein Vorprodukt für die Herstellung des HightechKunststoffs Durethan®.
beziehungsweise 27 Prozent des Absatzes. Im Automo bilbau wird PA zunehmend für Leichtbauelemente einge setzt. Weitere größere Abnehmer sind die Bauindustrie und die Hersteller von Verpackungen. Allerdings ist die Verfügbarkeit von PA6 von der Herstel lung des Vorprodukts Caprolactam abhängig. Während der amerikanische und der europäische Markt über aus balancierte Caprolactam-Kapazitäten verfügen, gibt es in Asien Engpässe, weil die PA6-Kapazitäten stärker ausge
baut wurden als die Caprolactam-Produktion. Rückwärts integrierte PA6-Hersteller wie LANXESS haben deshalb Vorteile in der Rohstoffversorgung und können sich als strategischer Partner entlang der PA6-Wertschöpfungs kette profilieren.
Vielseitig einsatzfähiges PBT Der Einsatz von PBT nimmt vor allem in der Elektro- und Elektronik-Branche stark zu. Entscheidend dafür sind un
Einsatzbereit Caprolactam – Basis für Hightech-Kunststoffe
Durethan®, das aus dem Vorprodukt Caprolactam hergestellt wird, dient unter anderem in der Autoindustrie als wichtiger Werkstoff. Caprolactam wird in flüssiger Form und trocken auch in Säcken transportiert.
Fast pünktlich zum Beginn des von LANXESS ausgerufenen „Jahres der Hightech-Kunststoffe“ produzierte der Leverkusener Spezialchemie-Konzern Anfang Februar 2011 in seinem Werk in Antwerpen die fünfmillionste Tonne Caprolactam. Diese Menge entspricht der Ladung von rund 250.000 Tanklastwagen. Derzeit wird rund die Hälfte des in Antwerpen hergestellten Caprolactams als Monomer für die Produktion von Polyamiden (PA6) der Durethan®-Produktfamilie weiterverarbeitet, die sich seit Jahren unter anderem in hochbeanspruchten Kunststoffbauteilen für den Einsatz in Automobilen bewähren. Die World-Scale-Anlage im
die zum Beispiel Cyclohexanon und Oleum – hochkonzentrierte Schwefel säure – sowie deren Vorprodukte für die Caprolactam-Herstellung bereitstellt. Auch die Kapazität einiger dieser Anlagenteile wird im Rahmen des Investi tionsprojektes gesteigert. Dass sich aus polymerisiertem Caprolactam feinste Fäden ziehen lassen, fand Paul Schlack mit seinem Team bei der I.G. Farben heraus, als er 1938 nach intensiver Forschungsarbeit den später Perlon genannten Kunstseidenfaden erfand. Die Abdeckung des Motors basiert letztlich auf dem Ausgangsstoff Caprolactam. Hafengebiet von Antwerpen startete die Produktion im Jahr 1967. Kürzlich wurden die dortigen Kapazitäten von 200.000 Jahrestonnen mit einer Investition in Höhe von 35 Millionen Euro um zehn Prozent erweitert.
Kapazitätsausbau
Ölwanne aus Durethan®.
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Innovationstreiber
Die Caprolactam-Fabrikation in Antwerpen ist Teil eines größeren Komplexes aus fünf Anlagen, die der Herstellung dieses wichtigen Rohprodukts dienen. Sie liegt am Ende einer Produktionskette,
Vielseitig einsetzbar Zunächst machte Polyamid 6 in Form von Strümpfen Karriere, bald entstanden daraus aber auch harte hitze- und medienbeständige Kunststoffe zum Beispiel der Marke Durethan® für die Herstellung von Formteilen – vor allem für die Automobilindustrie. Aber auch zu Teppichen, Verpackungsfolien, Bürsten und Pinseln sowie zu Fischernetzen wird Polyamid 6 verarbeitet. Dank seiner Vielseitigkeit sind die Einsatzmöglichkeiten dieses Thermoplasts noch längst nicht ausgeschöpft.
Die weite Welt der Additive LANXESS stellt nicht nur Kautschuke, Gummichemikalien, die Kunststoffe PA und PBT, deren Vorprodukte Caprolactam, Adipinsäure und Cyclohexanol sowie Glasfasern zur Kunststoffverstärkung her. Vielmehr produziert das Unternehmen auch eine Vielzahl von Additiven für unterschiedlichste Polymere. Die entsprechenden Produkte finden nur zu einem kleinen Teil in Kunststoffen von LANXESS Verwendung. Der Großteil wird an Hersteller anderer Kunststoffe geliefert. Die Aufgaben von Additiven sind vielfältig, ihre Anzahl ist entsprechend groß. Schon die Weiterverarbeitung beziehungsweise die Umformung etwa von thermoplastischen Kunststoffen durch Spritzguss und Extrusion verlangt nach Additiven, damit der Arbeitsprozess reibungslos funktioniert. Zum Beispiel
Additive von LANXESS verhelfen Kunststoffen zu vielfältigen und kundenspezifischen Eigenschaften. würden die Polymere ohne ein Entformungsmittel nach dem Spritzgießen im Werkzeug festkleben und das Bauteil würde sich nicht aus der Form entfernen lassen. Damit der heiße, zähflüssige Kunststoff möglichst schnell kristallisiert, werden ihm Nukleierungsmittel
ter anderem neben den exzellenten mechanischen Eigen schaften die gute Dimensionsstabilität, die hervorragen den elektrischen Eigenschaften und die durch Additive erzeugte flammhemmende Wirkung. Bei Elektrosteckern und Steckverbindern für Kabelbäume, bei Schaltern und Lampensockeln erweist sich Pocan® als ausgezeichneter Werkstoff. Dank seines ausgewogenen thermomechani schen Eigenschaftsprofils können mit PBT besonders klei ne, dünnwandige Bauteile gefertigt werden. PBT-Varianten mit besonders guter Fließfähigkeit erschlie ßen sich neue Märkte und tragen dazu bei, die Kosten beim Spritzgießen durch kürzere Zykluszeiten deutlich zu senken. Blends mit PBT haben auch bei der Produktion von Verklei dungs- und Anbauteilen für das Lkw-Führerhaus vielfältige Einsatzchancen – so etwa bei Kotflügeln, Windabweisern, A-Säulen, Einstiegen und Kühlergrills. Beispiel einer beste henden Serienanwendung ist der Stoßfänger für den Eurocargo von IVECO. Er besteht aus dem glasfaserverstärkten PBT+PET-Blend Pocan® TS3220. Wegen des Erfolges mit diesem Material hat LANXESS seine PBT-Blend-Palette für Lkw-Außenteile um Pocan® A3131 (glasfaserverstärktes PBT-ASA), C3230 XF (leichtfließendes und glasfaserver stärktes PBT-PC) und T3150 XF (leichtfließendes hochglasfasergefülltes PBT-PET) erweitert. Die drei Werkstoffe sind jeweils auf spezifische Stärken wie gute Lackierbarkeit, Verzugsarmut oder sehr hohe Steifigkeit hin optimiert. Die PBT-Blends der ECO-Reihe Pocan® ECO T 3220 (20 % GF) oder Pocan® ECO T 3240 (45 % GF) ent halten als Blendpartner ein speziell aufbereitetes PostConsumer-PET. Dies ermöglicht die Herstellung von Premium-Fertigteilen mit Eigenschaften und einer Qualität, die sehr nahe am Niveau von Primaware liegen.
zugesetzt. Dazu kommen Farbstoffe und Pigmente, die auch hohe Temperaturen aushalten müssen. Bladder wiederum werden bei der Herstellung von Reifen eingesetzt. Der unvulkanisierte Reifenrohling wird nach dem Schließen der Vulkanisationspresse über Innendruck gegen die formgebende Innenwand des Werkzeugs gepresst. Dafür wird ein Bladder aus Butylkautschuk unter hohem Druck und hohen Temperaturen aufgeblasen, um dem Reifen seine endgültige Form zu geben. Bladder der LANXESS Tochtergesellschaft Rhein Chemie Rheinau GmbH werden unter dem Markennamen Rhenoshape® vertrieben und an drei südamerikanischen Standorten produziert. Eine besonders wichtige Gruppe von Additiven sind Flammschutzmittel. Andere Alterungsschutzmittel tragen
dazu bei, die Fließfähigkeit von Kunststoffen zu verbessern, so dass die Wände zum Beispiel von Steckverbindern dünner konstruiert werden können. Von großer Bedeutung sind auch Additive zur Wärmestabilisierung, die ein früh zeitiges Verspröden von Kunststoffprodukten verhindern. Alterungsschutzmittel sorgen d afür, dass Kunststoffbauteile, die dem Sonnenlicht und UV-Strahlen ausgesetzt sind, ihre Farbe länger behalten und nicht binnen kurzer Zeit spröde und brüchig werden. LANXESS und Rhein Chemie liefern für viele Kunststoffvarianten und -anwendungen nicht nur die geeigneten Additive, um die Materialien ihren Aufgaben anzupassen, sondern helfen den Kunden in eigenen Test- und Laboranlagen auch, die richtige Mischung und die geeignete Technologie zu finden.
a llem in Asien forciert aus. Dabei sind China und Indien be vorzugte Investitionsstandorte, um die stark wachsenden Märkte in diesen Ländern, aber auch im asiatisch-pazifi schen Raum insgesamt kundennah bedienen zu können. Nach aktuellen Prognosen wird der Absatz dieser Kunst stoffe im Raum Asien/Pazifik jährlich um rund zehn Prozent wachsen, in China sogar um etwa 15 Prozent. An dieser Marktentwicklung konnte LANXESS in den vergangenen Jahren erfolgreich partizipieren: Entfielen auf den asiatisch-pazifischen Raum im Jahr 2005 lediglich zehn Prozent des globalen Absatzes von High-Tech Plastics, sind es inzwischen bereits deutlich mehr als 25 Prozent. Das ist vor allem auf den Auf- und Ausbau der Marketing-, Sales- und Produktionsaktivitäten in der Region zurückzuführen.
Leichtgewicht In der Karosserie des Citroën C4 sorgen neun Einlegeelemente – spritzgegossene Strukturinserts – mit glasfaserverstärktem Durethan® als Träger für eine deutliche Gewichtsreduktion und für höheren Insassenschutz.
Investitionen in Asien Als weltweit führender Anbieter von Polyamiden und Polybutylenterephthalat baut der SpezialchemieKonzern LANXESS seine Produktionskapazitäten vor
Innovationstreiber
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Durethan® und Pocan® – geschaffen für Innovationen
Leichtbauweise In modernen Automobilen dienen Polyamide und Poly butylenterephthalate als vielseitige Werkstoffe: für die Elektronik, für Luft- und Flüssigkeitsleitungen oder für Gewicht sparende Karosserieteile.
Ihren zunehmenden Erfolg verdanken Polyamid- und PBT-Kunststoffe ihren zahlreichen hochwertigen Eigenschaften, die in ihrer Kombination den Anforderungen vieler Industriezweige gerecht werden. Zudem lassen sich diese Eigenschaften präzise an unterschiedlichste Anwendungen anpassen. Das Ergebnis sind Bauteile, die komplexe Aufgaben erfüllen, leicht und robust im Einsatz sind und wirtschaftlich gefertigt werden können. Nicht zuletzt deshalb entwickelten sich die Automobilhersteller einschließlich ihrer Zulieferer zur größten Kundengruppe für die High-Tech Plastics Durethan® und Pocan®.
Erfolgreiche Hybridtechnik Hightech-Kunststoffe sind auch wesentlicher Bestandteil der Hybridtechnik, die die Stärken von Kunststoff und Metallen wie Stahl und Aluminium kombiniert. Als Kunststoffe finden vor allem glasfaserverstärkte Polyamid-650
Technologietreiber
Typen von Durethan® Verwendung, weil sie unter anderem dynamisch sehr fest und bei Hitze und Kälte schlagzäh sind. Mit der Hybridtechnik lassen sich tragende, hochbelastbare Bauteile herstellen, die im Vergleich zu ihren reinen Stahlpendants nicht nur leichter sind, sondern auch sicherer und häufig steifer. Die erste Großserienanwendung der Hybridtechnik waren Frontends. Inzwischen sind weit über 50 Millionen dieser Karosseriestrukturbauteile mit Durethan® BKV 30 H2.0 gefertigt worden.
Deutlich weniger Gewicht Anstelle von Stahlblech ist in Hybridfrontends auch Aluminium einsetzbar. Erstes Beispiel hierfür war der Audi TT. Die Ausführung des hochintegrierten Verbundbauteils mit Aluminium ermöglicht eine deutliche Gewichtseinsparung von rund 15 Prozent. Als Kunststoff diente wiederum Durethan® BKV 30 H2.0.
Enormes Potenzial Mittlerweile hat LANXESS als Pionier der Hybridtechnik deren Einsatzspektrum vergrößert. Neben Pedallagerböcken und Komponenten für Pkw-Dachrahmen werden inzwischen auch Bremspedale für Kleintransporter aus Durethan® BKV 30 H2.0 in dieser Leichtbauweise produziert. Verglichen mit einem reinen Stahlpendant ergeben sich eine um 60 Kilogramm höhere Belastbarkeit, eine Gewichtsreduzierung von rund 40 Prozent und Kosteneinsparungen in Höhe von etwa 20 Prozent. Vielversprechend sind Konzepte für Türen, Heckklappen und Hauben, wobei Seitentüren und Heckklappen wegen ihrer Komplexität und hohen Crash-Anforderungen zu sehr anspruchsvollen Hybridanwendungen zählen.
Neue Märkte
So beschäftigt der Leverkusener Konzern beispielsweise in der Produktion und Entwicklung von High-Tech Plastics am Standort Wuxi (China) inzwischen mehr als 150 Mitarbei ter. In Wuxi wurden bisher jährlich mehr als 40.000 Jah restonnen dieser Kunststoffe produziert; Mitte 2011 wurde dort die Kapazität durch eine weitere Compoundier-Anlage auf 60.000 Tonnen pro Jahr erweitert.
Wachstumsmarkt Indien Als weitere Wachstumsregion ist Indien auf dem Sprung, zu einem wichtigen Markt für High-Tech Plastics auf zusteigen. Dort bedient LANXESS neben der Automo bilindustrie und der Elektro-/Elektronik-Branche einen dritten großen Abnehmerbereich mit PA- und PBTKunststoffen: das große Netz an Firmen, die für die indi sche Eisenbahn produzieren. In Indien sind inzwischen fast alle global tätigen Auto mobilhersteller und Systemlieferanten sowie deren Zu lieferer mit eigenen Fabriken präsent oder bauen sie ge rade auf. Auch viele international tätige Hersteller von Elektro- und Elektronik-Artikeln haben den großen in dischen Markt entdeckt und eigene Produktionsstätten errichtet. LANXESS versorgt seine Kunden über kurze Wege mit erprobten Materialien und wirkt vor Ort auch an der Entwicklung maßgeschneiderter Kunststoffmate rialien für ihre Produkte mit. Der indische LANXESS Standort Jhagadia hat vor allem geografisch gesehen einen großen Vorteil: Er liegt im Bundesstaat Gujarat, der führenden Chemieregion In diens. Außerdem ist Jhagadia nicht weit von Thane bei Mumbai entfernt, also nahe am größten Zentrum der in dischen Automobilindustrie mit Werken zahlreicher in ternationaler Kunden. Der Bau der dortigen Produktionsanlage für High-Tech Plastics folgte dem Vorbild von Wuxi und nahm Anfang 2012 die reguläre Produktion auf. Im ersten Schritt gin gen Compoundier-Kapazitäten für die Produktion von 20.000 Jahrestonnen Durethan® und Pocan® in Be trieb. Die neue Produktionsanlage wird neben dem in dischen Markt auch andere asiatische Länder mit HighTech Plastics beliefern. Jhagadia wird zusammen mit Wuxi ein neues Produktionsnetzwerk für den asiatischpazifischen Markt bilden.
Im LANXESS Werk Jhagadia ging Anfang 2012 eine Compoundier-Anlage für Durethan® und Pocan® in Betrieb.
In Indien bilden die vielen Unternehmen, die für die Eisenbahn produzieren, ein großes Kundenpotenzial für PA- und PBTKunststoffe.
kationen stimuliert: von neuen Strukturbauteilen aus PBT und PA, der Ausstattung von Fahrzeugen mit elektrisch ge steuerten Komfortfunktionen, elektronischen Sicherheits funktionen und elektrifizierten Nebenaggregaten wie Ser volenkung oder Ölpumpen, Klimaanlagen, Steuergeräten, elektronischen Bremsregelungen (ABS), elektronischen Stabilitätsprogrammen (ESP), elektrischen Fensterhebern, Sitzsteuerungen oder Gehäuseteilen für Elektromotoren. Nicht zuletzt der Trend zur Elektromobilität birgt zusätzli ches Wachstumspotenzial. Durch die Substitution von Me tallen kommen neue Anwendungen hinzu – zum Beispiel Blenden für Frontscheinwerfer und Schiebedachrahmen. Mit seinem Kautschuk- und Kunststoffprogramm steht LANXESS als Global Player an zentraler Stelle im Geflecht der internationalen Autobranche. Der Spezialchemie-Kon zern setzt alles daran, mit stetigen Innovationen bei Roh stoffen, Werkstoffen, Verarbeitung und Endprodukten den Ausstoß klimaschädlicher Gase deutlich zu senken, um den Weg zur „Grünen Mobilität“ frei zu machen.
Starke Position
Vom Standort Wuxi aus hat sich LANXESS eine starke Position auf dem chinesischen Markt aufgebaut.
Enormer Nachfragesog Anlass der großen Investitionen von LANXESS in Asien war und ist das enorme Bedarfswachstum bei HighTech Plastics in dieser Region. Haupttreiber ist dabei der Boom in der Automobilindustrie. China ist mittlerweile der größte Automarkt der Welt. Die Zahl der dort pro duzierten Pkw lag nach einer Studie der Wirtschafts prüfungs- und Beratungsgesellschaft Oliver Wyman im Jahr 2011 bei 17 Millionen Einheiten. Im Jahr 2012 liefen mehr als die Hälfte aller weltweit hergestellten Kraftfahrzeuge in asiatischen Fabriken vom Band. Das überdurchschnittliche Wachstum von HightechKunststoffen im Automobilbau wird von zahlreichen Appli
LANXESS Pte. Ltd. in Singapur erfüllt eine wichtige Aufgabe als Handelsdrehscheibe für die gesamte Region Asien/Pazifik.
Innovationstreiber
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Brückenlager aus armiertem Kautschuk schützen vor zermürbenden Erschütterungen.
In Windkraftanlagen sorgt Levapren® für die dynamische Beständigkeit der Power-Trosse.
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SOMMERREIFEN
Mit Kautschuk beschichtete Förderbänder halten auch scharfkantigem Transportgut stand.
Unersetzliche Mobilitätshelfer Kaum eine Werkstoffgruppe hat sich seit ihrer Erfindung vor mehr als 100 Jahren als so vielseitig erwiesen wie technische Kautschuke. Daraus hergestellte Gummibau teile verrichten in Fahrzeugen unterschiedlicher Art, in Maschinen, Gebäuden und praktisch allen technischen Geräten unverzichtbare Dienste: Unauffällig, aber wirk sam fungieren sie als Dichtungen, dämpfen Erschüt terungen in Fahrzeugen ebenso wie in Häusern auf tektonisch unsicherem Untergrund oder in Brückenbau ten und transportieren in Form von Bändern, Riemen, Schläuchen oder Kabelummantelungen unterschied lichste Feststoffe, Flüssigkeiten und Energie. Um sich einen Überblick über die vielfältigen Einsatzge biete und Wirkungsweisen der zahlreichen synthetisch gefertigten Kautschuktypen mit ihren unterschiedlichs ten Eigenschaften zu verschaffen, hilft eine Einteilung nach den Aufgaben der aus einem oder mehreren Kau tschuktypen gefertigten Produkte: Sie dichten, dämpfen und transportieren, wobei Isoliermaterial für elektrische Leitungen oder für die Wärmedämmung von Rohren, die kalte bzw. heiße Medien führen, ebenfalls dem Bereich Transport zugeschlagen wird. Denn unter der Isolierung fließt schließlich etwas – Strom, Wasser, Dampf, Kraft stoff oder Kühlmittel. Mobilität wäre ohne den vielfältigen Einsatz technischer Hochleistungskautschuke nicht möglich – weder in Form von Individualverkehr per Pkw oder Warentransport per Lkw oder per Eisenbahn noch per Flugzeug und auch nicht per Schiff. Möglich ist motorisierte Mobilität nur, weil für die jeweilige Beanspruchung und Aufgabe ein passender synthetischer Werkstoff wie Keltan® EP, Baypren®, Therban®, Therban® AT, Buna® SE oder Krynol® zur Verfügung steht.
Zuverlässig dicht halten Das Abdichten von Maschinengehäusen, von Pumpen, Fenstern und Türen oder von Dächern stellte die Konstruk teure schon immer vor große Herausforderungen. Sie ver suchten es mit Leder oder Textilien, mit Pflanzenteilen, mit Harz oder Pech und Latex. Als dauerhaft zuverlässig erwies sich kein Material. Das änderte sich erst, als natürlicher, mehr noch synthetischer Kautschuk zugänglich wurde. Denn wenn Gummidichtungen unter härtesten Bedingun gen – in Hitze und Kälte, im Kontakt mit aggressiven Medien wie Öl, Benzin oder Bremsflüssigkeit, unter Ozoneinfluss und bei starker mechanischer Beanspruchung – zuverlässig ihre Aufgabe erfüllen sollen, dann führt kaum ein Weg an synthe tischen Werkstoffen vorbei. Hochleistungskautschuke von LANXESS bieten sich immer dort als Dichtungsmaterial an, wo höchste Zuverlässigkeit gefragt ist: Wenn zum Beispiel im Automobil neben Resistenz gegen Kraftstoff, Öl und Kühlwas ser auch eine hohe Hitzebeständigkeit gefordert ist, wie bei der Zylinderkopfdeckeldichtung eines Motors, sind vielfach Dichtungen aus HNBR- oder EVM-Kautschuk mit ihrer langen Lebensdauer Material der Wahl. Doch auch Stoßdämpfer und Gasdruckfedern im Auto kommen nicht ohne öl- und temperaturbeständige Kautschuk dichtungen aus. Oder: Achsmanschetten aus dem Polychloropren-Kautschuk Baypren® beziehungsweise aus Therban® dichten Antriebswellen ab. Dies nur als kleinen Einblick in die vielfältigen Einsatzgebiete von Dichtungen im Automobil – von offensichtlichen Tür- und Fensterdichtungen aus EPDM-Kautschuk wie Keltan® EP gar nicht zu reden.
Weltmarktführer
Der Spezialchemie-Hersteller LANXESS bietet ein breites Produktprogramm von synthetischen Kautschuken für „Grüne Mobilität“ an.
Einsatz unter der Motorhaube Ein wichtiger Entwicklungsschritt gelang LANXESS mit dem Nachweis einer kostengünstigen Fertigung aufwändiger Kunststoffbauteile, die aus einer harten und weichen Kom
Technische Kautschuke
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In städtischen Ballungsräumen (Bild: Taipeh) hat „Grüne Mobilität“ zum Schutz von Mensch und Umwelt Vorfahrt.
Sicherer Schutz
ponente bestehen. Um aus beiden Werkstoffen in einem Produktionsschritt eine Ölwanne mit integrierter Dichtung zu fertigen, werden die eingesetzten Rohstoffe gut aufeinan der abgestimmt. Dass dies gelungen ist, demonstrierten die Kautschuk- und Kunststoffexperten mit dem Polyamid Dure than® und einer speziellen Variante des HNBR-Kautschuks Therban® AT, die sich problemlos im Spritzgussverfahren verarbeiten lassen. Sollen flüssige oder gasförmige Stoffe sicher getrennt wer den, leisten Membranen hervorragende Dienste. Mit Perbunan® beschichtete Membranen sind zum Beispiel in Druck reglern eingebaut, die für ein hochpräzises Einspritzen des Kraftstoffs in Zylinder von Motoren sorgen.
Schutzkleidung für Arbeit und Sport Schutzbekleidung für den Umgang mit Gefahrgut enthält häufig elastomere Verbundstoffe.
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Wenn es um den Arbeitsschutz beim Umgang mit Öl, Kraft stoffen und anderen zersetzenden Substanzen geht, kommen die Hersteller von entsprechender Schutzkleidung wie Gum mistiefeln, Handschuhen und von technischen Textilien für Schutzanzüge nicht an zuverlässig ölbeständigen NBR-Kaut schuktypen wie Perbunan®, Krynac® und Baymod® N oder an SBR-Kautschuk wie Buna® SE beziehungsweise Krynol® vor bei. Die Sohlen von Feuerwehr-, Bau- und Sicherheitsstiefeln bestehen häufig aus SBR-Kautschuk beziehungsweise dem XNBR-Kautschuk Krynac® X, der öl-, säure- und laugenbestän dig, dazu auch noch rutschfest und abriebbeständig ist. Sport- und Berufstaucher wiederum schätzen thermische Schutzanzüge aus Chlorbutadien-Kautschuken (CR) wie Baypren® als Wärmeschutz in kaltem Wasser. Das ge-
Technische Kautschuke
schäumte Material enthält – gleichmäßig verteilt – viele kleine Luftbläschen, die ihm seine hervorragende thermische Isolier eigenschaft geben.
Wirksam dämpfen Was ginge nicht alles zu Bruch, wenn es nicht von elasti schen Materialien vor harten Stößen, hochfrequenten Vib rationen oder heftigen Drehschwingungen geschützt wäre! Ohne Dämpfer würden Automobilmotoren und Getriebe, Antriebswellen und Fahrzeugachsen, Lkw-Aufbauten, Brückenkonstruktionen und Gebäude in Erdbebengebieten nicht nur erschüttert, sondern oft sogar bersten. Auch beim Schutz vor Erschütterungen und Lärm durch den Verkehr können Gummipuffer einen wichtigen Bei trag leisten. So nutzte eine Berliner Wohnungsbaugesellschaft die Fläche über einem Autobahntunnel für den Bau eines Ge bäudekomplexes mit 1.215 Wohnungen. Um Erschütte rungen des Gebäudes und Lärmbelästigung für die Mieter auszuschließen, wurden die beiden Autobahntunnel un ter dem Wohnkomplex auf die im Kellerbereich der Wohn anlage gebauten Parkdecks gelegt und mit Gummilagern schwingungstechnisch isoliert. In Brückenbauten wiederum bieten bewehrte Gummilager, Topflager und Stoßdämpfer Schutz vor starken Erschütterungen durch die Fahrzeuge. Brückenlager bestehen oft aus Polychloropren-Kautschuk wie Baypren® oder aus einer Mischung auf Basis von Naturkautschuk, in die eine oder mehrere Bewehrungslagen aus Stahl eingebunden sind.
Komfortables und sicheres Reisen Die oszillierenden Kolben und die rotierende Kurbelwelle eines Automotors samt nachgeschaltetem Antriebsstrang er zeugen permanent Vibrationen. Würden diese Bewegungen nicht gedämpft und vom Fahrgestell sowie der Karosserie weitgehend isoliert, wäre eine komfortable Fahrt in Pkw, Bus oder Lkw nicht denkbar. Um die Schwingungen vom restlichen Fahrzeug und seinen Insassen abzukoppeln, erhält die Motor-Getriebe-Einheit kräftige Dämpfer aus Kautschuk, sogenannte Aggregatlager. Über sie werden Motorblock und Getriebe in der Fahrzeugkarosserie befestigt. Darüber hinaus haben Lager auch noch von Fahrbahnunebenheiten ausgelöste Stöße abzufangen, damit die MotorGetriebe-Einheit das Fahrzeug nicht in lästige Hubbewegun gen („Stuckern“) versetzt. Vor allem bei Fahrzeugen der Mittel- und Oberklasse bevorzu gen die Konstrukteure hydraulisch dämpfende Motorlager, da sie als abstimmbare Verbindung zwischen Antrieb und Chassis eine wirkungsvollere Dämpfung starker Schwingungen bewir ken als Gummi-Metall-Lager. Da solche Lager in einer heißen Umgebung arbeiten müssen, verarbeiten die Hersteller von Motorlagern häufig den Hochleistungskautschuk Therban®. Störende und schädliche Vibrationen treten auch an Wellen auf, wenn ihre Torsionsschwingungen nicht durch dämpfende Elemente gebändigt werden. Denn bei ungünstigen Betriebs bedingungen kann das gesamte Antriebssystem in Reso nanzschwingungen geraten. Lästiger Lärm und mechanische Schäden sind die Folge. Um diese Gefahr zu bannen, bestü cken die Automobilkonstrukteure die Kurbelwelle mit einem
Drehschwingungsdämpfer. Wesentliche Komponente des elastischen Innenlebens eines solchen Dämpfers ist oft das hitzebeständige Therban®.
Luftfedern
Auf Luft gebettet Luftfedern in Fahrzeugen aller Art gelten quasi als Synonym für Komfort und Anpassungsfähigkeit. Denn die luftgefüllten Gummibälge solcher Federungssysteme an Achsen oder an jedem einzelnen Rad fangen nicht nur Stöße von der Fahr bahn auf und bewahren das Fahrzeug bei Kurvenfahrt vor hef tigem Wanken, sondern ermöglichen es auch, das Fahrzeug auf unterschiedliche Höhen einzustellen und den Präferenzen des Fahrers anzupassen. Auch in Nutzfahrzeugen und Omni bussen haben sich Luftfederungen einen festen Platz erobert. In Reise- und Linienbussen zählen sie inzwischen sogar zur Standardausrüstung. Normalerweise werden an der Vorder achse zwei und an der Hinterachse vier Luftfedern eingesetzt. Bei modernen Bussen – vor allem für den Linienverkehr – ermöglichen die Luftfedern sogar ein noch bequemeres Ein- und Aussteigen, indem die Türseite des Busses pneu matisch abgesenkt wird (Kneeling). Die luftgefederten Ach sen von Nutzfahrzeugen wiederum tragen entscheidend zur Schonung von Straßen und Ladegut bei, da sich ihre Feder charakteristik auf den Beladezustand des Fahrzeugs einstellt. Auch die Fahrwerkstechnologie moderner Nah-, Fern- und Hochgeschwindigkeitszüge muss hohe Anforderungen an Komfort, Sicherheit und Geräuschentwicklung erfüllen. Dabei kommen weder die Primärfederung zwischen Radsätzen und Drehgestell noch die Sekundärfederung zwischen Drehgestell
In modernen Bussen sorgen Federsysteme an Achsen oder an jedem einzelnen Rad für eine sanfte Fahrt.
Luftfedern gehören in modernen Bussen für den Reise- und Linienverkehr inzwischen zur Standardausrüstung.
Technische Kautschuke
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In Ozeanriesen dämpfen mit dem Hochleistungskautschuk Therban® bestückte Wellenkupplungen Vibrationen des Dieselmotors.
Federsysteme
und Wagenkasten ohne Luftfederung und elastomere Federelemente aus. Die Primärfederung sorgt für eine sichere Radsatzführung, während die Sekundärfederung als elastische Lagerung des Waggonkastens dient.
Betriebssicherheit auf hoher See
Das System „Gigabox“ aus Radsatzlager und Hydrofeder mit integrierter Gummifeder sorgt für die hydraulische Dämpfung von Schienenfahrzeugen.
Um Sicherheit, Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit geht es beim Einsatz des Hochleistungskautschuks Therban® in Schiffskupplungen mit großem Ausmaß: Damit sich die Vib rationen des Schiffsdieselmotors nicht auf Antriebswelle und Schiffsschraube übertragen, wird zwischen Motor und An triebswelle eine Kupplung eingebaut, deren elastomeres In nenleben vibrationshemmend wirkt. Der Kupplungsherstel ler Vulkan Kupplungs- und Getriebebau GmbH & Co. KG im nordrhein-westfälischen Herne setzt dafür zylinderförmige Gummiteile aus dem hydrierten HNBR-Kautschuk Therban® zwischen die Kupplungsscheiben. Denn der eigens für die sen Zweck modifizierte hitze-, öl-, schmierstoff- und ozonbe ständige Hochleistungskautschuk trägt maßgeblich dazu bei, die Wartungsintervalle zu verlängern und dadurch teure Still standszeiten im Dock möglichst zu vermeiden.
Treibende Kräfte Für Transport sorgen Produkte aus Kautschuk auch in Form von Förderbändern und Antriebsriemen: Über und unter der Erde bewegen gummibeschichtete Gurte Erze und Kohle, Müll und Abraum, Sand und Steine, Pakete und Reisege päck. Aber auch Menschen lassen sich gern durch die 56
TECHNISCHE KAUTSCHUKE
langen Gänge von Flughäfen auf Bändern befördern, die entweder aus Metallteilen oder – wie die Handläufe – aus Gummi hergestellt sind. Antriebsriemen in ihren unterschiedlichen Ausführungen wie derum treiben zum Beispiel unter der Motorhaube von Auto mobilen, im Motorrad, in Druckmaschinen, in Bergwerken, im Karussell oder im Sägewerk Aggregate zur Fortbewegung, zur Erzeugung von Strom oder zum Transport von Werkstücken an. Als Treib-, Keil- oder Zahnriemen mit unterschiedlichen Querschnitten, Längen und aus unterschiedlichen Materialien übertragen sie Kräfte und steuern Betriebsgeschwindigkeiten.
Frequentierte Highways Flüssigkeiten wie Öl, Benzin und Dieselkraftstoff, Wasser, Bremsflüssigkeit, Zement, Löschschaum und Kältemittel, aber auch Luft und Gase haben ihre ganz speziellen „High ways“. Sie fließen unter Druck oder Sog durch Schläuche, Leitungen und Pipelines. Viele dieser Transportwege müssen Temperaturen zwischen minus 40 und mehr als plus 200 Grad Celsius schadlos überstehen, von aggressiven Flüssigkeiten und Gasen unbeeindruckt bleiben oder hohe physische Belastungen wie Reibung an hartem Gestein über längere Zeit aushalten. Nicht allen Belastungen müssen Leitungen und Schläuche gleichzeitig widerstehen. Für jede Umgebung, für jede Aufga be, für jedes zu transportierende Gut stehen geeignete Synthesekautschuke und Mischungen zur Verfügung. Nicht selten konkurrieren Kautschuktypen mit anderen Werkstoffen
wie Stahl und Kupfer oder mit Kunststoffen wie Duroplasten. Doch in den meisten Fällen erweist sich ein Kautschuk, der den speziellen Anforderungen angepasst ist, als leistungsfähiger, vor allem aber als umweltverträglicher, weil er in der Regel weder Weichmacher noch Schwermetalle enthält.
Selbstschutz vor Feuer Leitungen, Isolierungen, Bodenbeläge und Förderbänder auf Kautschukbasis genießen auch dort Vorrang, wo zusätzlich der Faktor Sicherheit, speziell Brandschutz, mit hoher Priorität zum Anforderungsprofil gehört. Denn halogenfreie Kautschu ke wie Levapren® vertragen nicht nur hohe Temperaturen, sie sind auch flammhemmend einstellbar. Das heißt, sie haben die Eigenschaft, im Zusammenspiel mit speziellen Füllstoffen selbstlöschend zu sein, und sie setzen praktisch keine giftigen Rauchgase frei. Denn wegen seiner geringen Viskosität ver trägt dieser EVM-Kautschuk einen hohen Anteil an halogen freien Flammschutzmitteln, ohne die gute Verarbeitbarkeit zu verlieren. Deshalb werden Schläuche, Kabelisolierungen oder Bodenbeläge in Flughäfen, Krankenhäusern und anderen stark frequentierten Gebäuden, aber auch in Eisenbahnzügen, Flugzeugen, auf Anlagen zur Erdöl- und Erdgasförderung häufig auf Levapren® Basis hergestellt. Bei entsprechender Compoundierung eignet sich Levapren® darüber hinaus als Isolierung – also als Schutzmantel – für
den gefahrlosen Transport von elektrischer Energie. Hier zählt vor allem die hohe Hitzebeständigkeit des Werkstoffs. Beim Thema „Transport“ dürfen aber auch Walzen und Rollen nicht unerwähnt bleiben. Ob im Frachtraum von Flugzeugen für die Beförderung von Frachtcontainern, ob in der Papierfer tigung oder der Stahlverarbeitung – mit Therban® beschichte te Walzen leisten zuverlässig Schwerstarbeit. Und zwar nicht nur wegen ihrer enormen Belastbarkeit, sondern auch hier wegen ihrer hohen Hitzebeständigkeit. Das ist vor allem wich tig, wenn schwere Lasten bei hoher Umdrehungszahl der Rollen und Walzen bewegt werden. Durch den starken Auf lagedruck baut sich Hitze auf, die gewöhnliche Kautschuke schnell altern lässt und sie dadurch zerstört.
Biegsam und anpassungsfähig
Hohe Ansprüche
In Automobilen sind Gummischläuche schwersten Belastungen ausgesetzt. Vor allem die steigenden Temperaturen unter der Motorhaube und aggressive Medien setzen den Werkstoffen zu.
Unterschiedlichsten Belastungen und teilweise aggressiven Stoffen müssen auch Schläuche standhalten. Ob im Auto oder in der Werkzeugmaschine, im hydrostatischen Antrieb oder im Flugzeug, im Garten oder bei der Feuerwehr, im Bergwerk oder auf der Bohrinsel, im Haushalt oder in der Betonpumpe – über all verrichten Schläuche oft unter sehr harten Bedingungen ih ren Dienst beim Transport von Medien: Die flexiblen Leitungen transportieren Wasser und Hydrauliköle, Benzin und Diesel, Chemikalien, Gase oder auch feste Stoffe. Ohne Schläuche aus Kautschuk und Kunststoffen in unterschiedlichsten
Lauf- und Förderbänder in stark frequentierten Gebäuden wie Flughäfen müssen widerstandsfähig und flammhemmend sein.
FORTSCHRITT DANK LEVAPREN® Im modernen Automobilbau ist der Einsatz hochbelastbarer Materialien wie des hitze- und medienbeständigen Levaprens® unverzichtbar. So verbergen sich zum Beispiel unter der Motorhaube und sogar im Motorgehäuse des Audi A8 4,2 TDI und des Audi A8 6.0 mit dem Zwölf-Zylinder-Aggregat Treibstoffschläuche, die mit Levapren® ummantelt sind, damit sie Dauertemperaturen von mehr als 160 Grad Celsius bei einem Druck von 4 bar standhalten und im Fall eines Brandes mindestens zwei Minuten lang den Flammen widerstehen können. Für ein Höchstmaß an Sicherheit sorgt Levapren® auch in den Kabelummantelungen der
Im Gehäuse des Zwölf-Zylinder-Motors von Audi trotzen mit Levapren® ummantelte Schläuche hohen Temperaturen.
Spritsparend
Moderne Motoren mit verbrauchsfreundlicher Turboaufladung entwickeln hohe Temperaturen, denen Schläuche aus Therban® problemlos standhalten.
Temperaturtest im Verbrennungsraum eines PorscheMotors.
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material, eine vom Automobilzulieferer SKF entwickelte Gummimischung auf Basis von Levapren®, hält auch Schmiermitteln, Verbrennungsgasen und Dämpfen stand.
Sichere Eisenbahnzüge
Der auf Basis von Levapren® hergestellte Spezialkautschuk LowSmoke® 33-4 wird im französischen TGV eingesetzt. Sensorleitungen von ABS-Bremssystemen. Aus gutem Grund: Diese Kabel verlaufen in unmittelbarer Nähe zu Motor, Rädern und heißen Bremsscheiben. Sie müssen Temperaturen von mehr als 160 Grad Celsius ebenso gewachsen sein wie klirrender Kälte von bis zu minus 40 Grad Celsius. Für den Einsatz von Levapren® in ABS-Sensorleitungen spricht auch seine hohe Festigkeit bei häufigen Biegewechseln. Levapren® eignet sich im Automobilbau auch als Kautschuk für Dichtungen. Prominentes Beispiel: der Zylinderkopfdeckel für das Zehn-Zylinder-Dieselaggregat, das die Audi AG in ihren Oberklassefahrzeugen einsetzt. Unter dieser Abdeckung herrschen nicht nur extrem hohe Temperaturen. Das Dichtungs-
Das Brandverhalten der eingesetzten Materialien erfordert hinsichtlich der passiven Sicherheit von Eisenbahnen und Bussen höchste Aufmerksamkeit. Deshalb stellen die Konstrukteure an Gummidichtungen (zum Beispiel für Maschinengehäuse), an Dämpfungselemente (für die federnde und sichere Lagerung von Generatoren und Aggregaten) sowie an Dämmmatten für Böden – um nur einige Anwendungen zu nennen – höchs-
Die äußere Isolationsschicht von Hochleistungskabeln in Windkraftanlagen besteht oft aus einer Levapren®-Variante.
Varianten würden Autos nicht umweltfreundlicher, Erdölla gerstätten nur unzureichend erschlossen, Roboterarme nicht bewegt und Gärten nicht bewässert werden. Thermoisolier schläuche wiederum verhindern den Verlust von Wärme be ziehungsweise Kälte in Leitungen und Röhren von Klimaan lagen und Heizungen oder beim Transport von Schmelzen im industriellen Bereich. Schon ein einfacher Gartenschlauch kann Hightech in sich haben: In der Regel setzt er sich aus drei Schichten zusam men – Decke, Einlage und Seele. Decke oder Außenschicht sowie die Seele oder Innenschicht bestehen meist aus PVC, die Einlage aus einem synthetischen Gewebe. Das ist der zeit der Normalfall – allerdings nicht das Optimum. Die öko logisch verträglichere Alternative sind Gartenschläuche aus Gummi – vorzugsweise aus Ethylen-Propylen-Dien-Kaut schuk (EPDM) wie Keltan® EP oder Chloropren-Kautschuk wie Baypren®. Diese Werkstoffe werden bei Kälte nicht hart und sie sind verwindungssteif, knickstabil sowie abriebfest; zudem zeigen sie sich unempfindlich gegen Sauerstoff und Ozon. Nicht zuletzt enthalten Schläuche aus solchem Mate rial deutlich weniger schädliche Stoffe und schonen damit die Umwelt – auch im Hinblick auf ihre Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten. Im Automobilbau haben Schlauchleitungen eine wichti ge Verteilerfunktion für Kraftstoffe, Kühler- und Ölkreisläufe, Heizungssysteme und Servolenkungen, für Brems-, hydrau lische Fahrwerk- (Active Body Control) und Turboladesyste me, für die automatische Reinigung von Rußpartikelfiltern und die Abgasreinigung SCR (Selective Catalytic Reduction) von Dieselmotoren.
Technische Kautschuke
te Ansprüche: Das Material darf im Brandfall praktisch keine toxischen Gase und nur eine sehr geringe Rauchgasdichte entwickeln, zudem soll es selbstverlöschend sein. All diese Eigenschaften erfüllt zum Beispiel der Spezialgummi LowSmoke® 33-4, den der französische Elastomer-Spezialist Interep auf Levapren® Basis herstellt und an den Eisenbahnbauer Alstom liefert.
Beispiel Windkraftanlagen Mit der weltweit zunehmenden Nutzung der Windenergie eröffnet sich für Levapren® ein weiterer dynamisch wachsender Markt. Denn der in der Gondel der Windkraftanlage produzierte Strom muss in einem Hochleistungskabel zum Sockel der Windkraftanlage transportiert und von dort weitergeleitet werden. Dieses Kabel hängt frei im Schaft des oft mehr als 100 Meter hohen Turms. Die Kabel, die unter Spannungen von bis zu 36.000 Volt stehen, müssen nicht nur feuerfest sein und Betriebstemperaturen von 90 Grad Celsius, im Fall eines Kurzschlusses sogar kurzfristig von 200 Grad Celsius, schadlos ertragen, sondern auch noch bei minus 40 Grad Celsius sicher einsatzfähig sein. Dass die Kabel diese extremen Anforderungen erfüllen, gewährleistet die äußere Isolationsschicht aus einer speziell für diese Zwecke entwickelten Levapren®-Variante.
Je mehr Schläuche im Auto verbaut werden, desto mehr achten die Automobilhersteller darauf, die Gewichtszunah me und die Kosten unter Kontrolle zu halten. Deshalb greifen sie zum Beispiel zunehmend auf Ölkühlerschläuche aus dem HNBR-Kautschuk Therban® zurück: Denn ein Schlauch aus diesem Kautschuk ist nicht nur temperaturbeständig und un empfindlich gegenüber Ozon. Bei seiner Herstellung kommt auch kein weiteres Material zum Einsatz, weshalb er dünner, leichter und kostengünstiger ist als ein Schlauch, der aus mehreren Lagen unterschiedlicher Werkstoffe aufgebaut ist.
Leistungsstarke Typen Der konstruktions- und leistungsbedingte Temperaturanstieg unter der Motorhaube von Automobilen setzt sich weiter fort. Inzwischen verzeichnen die Ingenieure am Antriebsaggregat schon Spitzentemperaturen um 170 Grad Celsius, während sich die permanenten Temperaturen unter der Haube der 150-Grad-Marke nähern. Die Lösung für die dadurch entste hende Belastung bei Schläuchen und Dichtungen sind spe zielle Antioxidantien und eine intelligente Chemie, die den HNBR-Kautschuk noch höheren Temperaturen trotzen lassen. Inzwischen liegt die thermische Dauereinsatzobergrenze des Spezialkautschuks Therban® HT bei 165 Grad Celsius. Auch nach „unten“ lässt sich die Arbeitstemperatur von Ther ban® ausdehnen, indem die LANXESS Chemiker in das Ket tenmolekül ab und an sperrige Molekülteile einbauen, die ver hindern, dass das Polymer zu früh kristallisiert, also hart wird. Der Produktname: Therban® LT. Eine weitere neue Spezialvariante – Therban® AT – zeichnet sich durch ein besonders gutes Fließverhalten aus und
entspricht deshalb in hohem Maße den Anforderungen an große Bauteile aus Gummi. Bei der Herstellung des Spezial kautschuks Therban® AT bedienen sich die Chemiker einer „Metathese“ genannten Reaktionsmethode für die Herstellung organischer Moleküle. Das so gewonnene Therban® AT eignet sich dank bester Abriebwerte gegenüber rauen, abrasi ven Schlämmen, hoher Beständigkeit gegenüber aggressiven Medien beziehungsweise Chemikalien, hoher Temperaturbe ständigkeit, geringer Quellneigung, höchster Belastbarkeit bei dynamischen Anwendungen und guter Haftung an Metall unter anderem für Dichtungen in Stator-Rotor-Systemen wie Exzenterschneckenpumpen und Bohrmotoren für die Erdölförderung.
Endloser Kreislauf Bei den Sortieranlagen in den Briefzentren der Deutschen Post hat der schnelle und zuverlässige Transport von stündlich zwischen 30.000 und 60.000 Briefen höchste Priorität. Die Umschläge werden auf Förderbändern mit einer Geschwin digkeit von rund vier Metern pro Sekunde an Scannern vorbei geführt und weiterverteilt. Dass auf diesen schnellen „Straßen“ kaum ein Brief verloren geht, gewährleisten unter anderem Maschinenbänder, die mit dem äußerst abriebfesten NBRKautschuk der Marke Krynac® X beschichtet sind und deren hydrophile (wasserfreundliche) Oberfläche gute Ablöse- und Mitnahmeeigenschaften mitbringt. Die speziell auf den Brief transport abgestimmte Kautschukfunktionsfläche schont zu dem empfindliche Oberflächen und ist den extremen dynami schen Belastungen an den Umlenkrollen gewachsen. Speziell für dieses Einsatzgebiet produziert LANXESS für die Forbo Siegling GmbH, einen Hersteller von Maschinenbändern, im Emulsionsverfahren Krynac® X 740. Der Kautschuk ist ein Terpolymer aus Acrylnitril, Butadien und einer ungesättigten Carbonsäure, die für die hydrophile Eigenschaft der Oberfläche sorgt. Dagegen ist bei Förderbändern für die Lebensmittelindustrie vorrangig eine gute Beständigkeit gegen heißes Wasser, Fett und Reinigungsmittel gefragt. Beim Transport von Steinen und Ziegeln wiederum muss das Material eine gute Weiterreißbeständigkeit zeigen, und im industriellen Umfeld steht oft eine besondere Robustheit gegenüber Ölen und Schmiermitteln im Vordergrund.
Brillanter Druck Eine eher verborgene Transportfunktion haben in OffsetDruckmaschinen neben Walzen und Rollen die Drucktücher. Sie übertragen nicht nur die Farbe von der Druckplatte auf das Papier, sondern sind auch für dessen millimetergenau en Transport zuständig. Die Deckschicht dieser komplexen, mehrlagigen Hightech-Produkte der ContiTech Elastomer Coatings besteht aus dem Nitrilkautschuk Perbunan® von LANXESS. Dieses chemikalien- und abriebbeständige Elastomer gibt den Drucktüchern die absolut homogene Oberfläche, die für eine hohe Punkt- und Konturenschärfe sowie für gute Volltonglätten erforderlich ist. Neben der guten Chemikalien- und Ölbeständigkeit, die vor allem für die Reinigung der Drucktücher wichtig ist, und den hervorragen
den Abriebwerten lässt sich Perbunan® zudem flexibel an die unterschiedlichen Anforderungen an die Oberflächenbeschaffenheit der Drucktücher beim Bogen-, Rollenoffsetund Zeitungsdruck anpassen.
Präzision
Sicherer Tritt Eine wesentliche Rolle für den Transport – ob zu Fuß oder auf Rädern – spielt der Bodenbelag. Besonders in stark beanspruchten Lagerhallen, in denen Gabelstapler unter wegs sind, aber auch in Krankenhäusern und Altenheimen, durch deren Gänge und Räume Betten und Rollstühle gefahren werden, und nicht zuletzt in stark frequentierten Gebäuden wie Flughäfen, Museen oder Bahnhöfen, zum Beispiel dem Stadtterminal der Magnetschwebebahn Transrapid in Shanghai, greifen Architekten und Bauherren gern auf Fußbodenbeläge auf Basis von Levapren® (EVM) oder auf Mischungen (Blends) aus Levapren® und Nitril kautschuk wie Perbunan® oder Krynac® zurück. Denn je nach Bedarf können diese Bodenbeläge zu ihrer starken Belastbarkeit und Pflegeleichtigkeit auch noch elektrosta tisch ableitend eingestellt werden. Sie sind zudem rutsch fest und bieten dank ihrer Elastizität besonderen Gehkom fort sowie eine hervorragende Trittschalldämpfung. Wenn es um Brandschutz, ungefährliche Rauchgase, antistatisches Verhalten und Resistenz gegen aggressive Medien wie Öl, Schmierstoffe und Salzwasser geht, be währt sich Krynac® selbst unter härtesten Bedingungen. Deshalb hat die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiff brüchiger (DGzRS) für ihren größten Seenotkreuzer „Hermann Marwede“ Bodenbeläge ausgewählt, die alle auf dem NBR-Kautschuk von LANXESS basieren.
Das Stadtterminal des Transrapid in Shanghai ist mit stark belastbaren Kautschukfußböden auf Basis von Levapren® ausgelegt.
Die Deckschicht von Drucktüchern aus Perbunan® von LANXESS sorgt für eine absolut homogene Oberfläche.
Die Förderbänder von Sortieranlagen der Post sind häufig mit dem NBR-Kautschuk Krynac® X beschichtet, der gute Ablöse- und Mitnahmeeigenschaften aufweist.
Transmission
Antriebsriemen übertragen Kräfte und setzen zum Beispiel Aggregate, Pumpen, Räder und Wellen in Bewegung.
Spritsparer
Die treibende Kraft Beim Antrieb von Aggregaten, Rädern, Pumpen, Lichtma schinen oder Wellen kommt Riemen eine Schlüsselrolle beim Übertragen von Kräften zu. Riemen aus Gummi mit Gewebeeinlage aus Kunststoff (Polyamid, Polyester oder Aramid) haften optimal und gleichmäßig auf der Antriebs scheibe und verbessern so die Kraftübertragung. Mit den Materialien änderten sich auch die Querschnitte und Oberflächen der Riemen: Keilriemen aus Gummi haben einen trapezförmigen Querschnitt und haften somit an zwei Seiten der V-förmigen Scheibe, wodurch die Kraft übertragung verbessert wird. Keilrippenriemen, eine Weiterentwicklung des Keilriemens, sind mit im Querschnitt keilförmigen Rippen bestückt, die in Längsrichtung verlaufen. Auf der Riemenscheibe korre spondieren diese Rippen mit entsprechenden Rillen. Dank dieser Konstruktion können Keilrippenriemen in sogenann ten Serpentinentrieben gleichzeitig ein halbes Dutzend Aggregate in Schwung halten. Zahnriemen arbeiten bevorzugt dort, wo kein Schlupf er laubt ist. Das gewährleisten sie im Zusammenspiel mit der Zahnscheibe, wobei beide genau aufeinander abgestimmt sein müssen. Mit Zahnriemen lassen sich auch größere Entfernungen von bis zu drei Metern überbrücken. Vor allem im Fahrzeugbau erobern Riemen aller Art neues Terrain. Dafür jedoch müssen die Materialien, aus denen die Riemen hergestellt werden, nicht nur für die Über tragung von Kräften sorgen, sondern auch in höchst un freundlichen Milieus dauerhaft überleben: Weder Hitze (bis 170 Grad Celsius) noch Kälte (bis minus 40 Grad Celsius), weder Öl noch Ozon, weder extreme dynamische Belastung noch abriebfördernde Betriebsbedingungen dürfen Hightech-Riemen beispielsweise im Auto etwas anhaben.
Motorradhersteller wie Harley-Davidson, BMW und Kawasaki ersetzen bei einigen ihrer Modelle (rechts die Harley-Davidson Nightster XL1200N) Ketten durch Zahnriemen zum Antrieb des Hinterrads. Dadurch sinkt auch der Kraftstoffverbrauch.
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Technische Kautschuke
Die Zähne von Hochleistungsriemen sind mit Aramidfasern verstärkt; der Zugstrang im Innern des Riemens besteht aus Glascord, der für eine hohe Biegewechselfestigkeit, Wasserbeständigkeit und Längenstabilität sorgt. Die kom pakte Bauweise moderner Pkw-Motoren verlangt von den Riemenspezialisten noch mehr: Um möglichst viele A ggregate gleichzeitig synchron antreiben zu können – das heißt, um Platz und Gewicht zu sparen –, wurden Zahnrie men entwickelt, die nicht nur auf ihrer Innen-, sondern auch auf ihrer Außenseite mit Zähnen bestückt sind. Motorradhersteller wie BMW, Harley-Davidson und Kawa saki rüsten auch einige ihrer Zweiräder mit Hochleistungs zahnriemen aus. Sie ersetzen die Stahlkette zum Antrieb des Hinterrads. Dadurch sparen sie Gewicht. Auch der Wartungsaufwand sinkt deutlich, weil der Antriebsriemen während seiner Lebensdauer von rund 40.000 Kilometern weder geschmiert noch gespannt werden muss. Antriebsriemen helfen auch, den Kraftstoffverbrauch und somit den CO2-Ausstoß von Kraftfahrzeugen zu senken. Die Continental AG bietet zum Beispiel einen Zahnriemen an, der als Alternative zu einem Kettentrieb auch in Ölum gebung läuft. Die Vorteile des ölresistenten Zahnriemens: Ein um etwa 30 Prozent geringerer Reibungsverlust im Vergleich zum Kettentrieb senkt den Spritverbrauch ‚um 0,1 bis 0,2 Liter auf 100 Kilometern mit entsprechend vermindertem CO2-Ausstoß.
Weitere elastomere Multitalente Aus der Business Unit High Performance Elastomers von LANXESS kommen auch die hochwertigen Nitrilkautschuke Perbunan® und Krynac® (NBR). Sie finden sich in vielen thermisch geringer belasteten Anwendungen wie Dichtun gen, Membranen und Innenseelen von Schläuchen. Krynac® und Perbunan® sind ölresistente Acrylnitril-Butadien-Kautschuke, die durch Emulsionspolymerisation her gestellt werden. Neben zahlreichen Einsatzgebieten wie Hydraulik-, Benzin- und Ölschläuchen oder Rollen für Transporttechnik werden sie auch in Sohlen für Sportund Sicherheitsschuhe verarbeitet. Der witterungsbeständige Polychloropren-Kautschuk Baypren® (CR) wiederum dient traditionell als Mantelma terial für Schläuche und Achsmanschetten. Wegen seiner guten dynamischen Eigenschaften wird er zum Beispiel auch für verfärbungsfreie Scheibenwischer eingesetzt. Wachsende Bedeutung hat Baypren® als Material für Luft federn – sei es für Pkw, Lkw, Busse oder Bahnen. Der Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk Keltan® EP (EPDM), der Business Unit Keltan Elastomers, ist ein Werkstoff, der aus dem Automobilbau nicht mehr wegzudenken ist. Als Tür-, Fenster- und Kofferraumabdichtung verhindert er das Eindringen von Luft und Regen. In Kühlerschläuchen hält er dem heißen Kühlwasser stand. Keilriemen aus EPDM treiben die Lichtmaschine, Wasserpumpe und andere Nebenaggregate an und in den Bremsschläuchen muss dieser Werkstoff hohen Drücken und Temperaturen widerstehen. EPDM wird auch für die Herstellung von Öl-Additiven eingesetzt.
Kautschuke mit hohem Zukunftspotenzial Hochwertige technische Kautschuke wie Therban® oder Levapren® haben dank ihrer Vielseitigkeit und Anpassungs fähigkeit ein breites Einsatzspektrum erobert – und noch ein weites Feld vor sich. Therban® erschließt sich dank seiner einzigartigen Eigenschaftskombination aus sehr guter Hitze- und Ölbeständigkeit, Kälteflexibilität und über ragender mechanischer Belastbarkeit unter anderem im Automobilbau weitere Bereiche. Der vermehrte Einsatz von Hybrid- und Elektroantrieben, aber auch zunehmend höhe re Temperaturen unter der Motorhaube infolge des Einsat zes kleinerer Turbomotoren lassen eine steigende Nach frage nach Hochleistungselastomeren erwarten. Ebenfalls im Trend liegen biobasierte Polymere. Für das künftige Geschäft von LANXESS spielen außerdem neue HNBR-Typen eine wichtige Rolle. Diese hydrierten Ac rylnitril-Butadien-Kautschuke zeichnen sich durch verbes serte Quelleigenschaften in Ölen aus und eröffnenden Ent wicklern von technischen Gummiartikeln neue Möglichkeiten – etwa im Hinblick auf den Kontakt mit alternativen Treibstoffen. Enormes Zukunftspotenzialhabentechnische Kautschuke auch in der alternativenEnergieerzeugung durch Windkraft und Sonnenenergie. Windkraftanlagen be nötigen zum Beispiel für einen zuverlässigen Betrieb hitzeund ozonbeständige Dämpfer – als leistungsfähiges Materi al bietet sich dafür Therban® an. Die Elemente von Photovoltaikanlagen wiederum werden in hitze-, s auerstoff- und ozonbeständige Folien eingebettet, für d eren Herstellung sich der EVM-Kautschuk L evapren® bestens eignet.
Mais kann als Basis für Isobuten dienen.
Fluorkautschuk erweitert Portfolio
auch Dämpfungsaufgaben zu erfüllen. Seit Kurzem bietet LANXESS seinen Kunden nicht nur das FKM-Rohpolymer an, sondern auch Precompounds, um ihnen die Verarbei tung dieser Kautschuke zu erleichtern. Sie sind unter ande rem gedacht für die Herstellung von Produkten, die schnell vulkanisiert werden oder mit höherer Vernetzungsdichte aufwarten müssen. Beispiele sind spritzgegossene Form teile mit geringen Druckverformungsresten. Eine andere Variante ist ausgelegt für Verarbeiter, die auf eine hohe Prozesssicherheit angewiesen sind. Diese „langsameren“ Precompounds eignen sich zum Beispiel für die Extrusi on von Schläuchen oder für die Herstellung von Produkten mit langen Fließwegen im Werkzeug.
Seit die Vertriebspartnerschaft mit dem Kautschukher steller Halopolymer, OJSC, Moskau, etabliert wurde, führt LANXESS auch Fluorkautschuke (FKM) im Programm. Sie werden unter dem Namen Levatherm® F vermarktet. Fluor kautschuke zeichnen sich durch hervorragende Beständig keit gegen hohe Temperaturen bis zu 230 Grad Celsius, Ozon, Sauerstoff, Mineralöle, synthetische Hydraulikflüssig keiten, Kraftstoffe, Aromate, viele organische Lösungsmit tel und Chemikalien aus. Die Gasdurchlässigkeit ist ähn lich gering wie die von Butylkautschuken. Wegen dieser Vorzüge eignet sich peroxidisch vernetztes Levatherm® F 7043 beziehungsweise 7044 unter anderem besonders für Schläuche, Membranen und andere Kautschukteile, die in Kontakt mit Biotreibstoffen kommen. Außerdem können Zahnriemen aus Levatherm® F dazu beitragen, den Treib stoffverbrauch zu mindern. Studien haben gezeigt, dass der Einsatz von Zahnriemen statt Ketten den Treibstoffver brauch um 0,1 Liter auf 100 Kilometern senkt. Bei jähr lich gefahrenen 30.000 Kilometern summiert sich das auf rund 30 Liter Treibstoff. Ein weiteres Beispiel für ein Ein satzgebiet dieser Fluorkautschuke sind Gummi-Kompen satoren für Rohrleitungen, die heiße oder korrosive Medien fördern. Kompensatoren sind elastische Kupplungen, die in der Industrie dort eingesetzt werden, wo Schwingungen und Längenausdehnungen in Rohrleitungen aufgefangen werden müssen. Dabei haben sie sowohl Dichtungs- als
Um den Verbrauch fossiler Ressourcen und den Energie einsatz in der Produktion zu vermindern, sucht LANXESS kontinuierlich nach neuen Grundstoffen und Verfahren zur Herstellung seiner hochwertigen Produkte. Dabei ist im Jahr 2011 ein viel beachteter Durchbruch bei der Pro duktion des Hochleistungselastomers Keltan® gelungen. Im brasilianischen Werk Triunfo produziert LANXESS seit Ende 2011 diesen EPDM-Kautschuk auf Basis von Zu ckerrohr. Das aus den Pflanzen gewonnene Ethanol wird zu Ethylen dehydriert und zu EPDM polymerisiert. Das „grüne“Ethylen liefert die Braskem S. A. über eine Pipeline in das LANXESS Werk. Das neue Produkt auf biologischer Basis wird unter dem Namen Keltan® Eco vermarktet. Es enthält 70 Prozent des biologischen Ausgangsstoffs. In den kommenden Jahren soll der Bio-Anteil auf mehr als 90 Prozent gesteigert werden. Der Anteil der Bio-Varian te wird sukzessive steigen. Dabei ist wichtig festzustellen, dass die Entscheidung für Zuckerrohr keine Überbean spruchung der brasilianischen Landwirtschaft bedeutet: Weniger als ein Prozent der gesamten Landfläche und 1,5 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche werden in Brasilien für den Anbau von Zuckerrohr genutzt. Gleichzei tig sprechen für Zuckerrohr seine günstige Energiebilanz sowie die hohe Energieergiebigkeit von 7.000 Litern Ethy len pro Hektar.
Hitzebeständig
Biobasierte Produkte für „Grüne Mobilität“
Zahnriemen aus dem Fluorkautschuk Levatherm® arbeiten auch bei Temperaturen bis zu 230 °C zuverlässig.
Technische Kautschuke
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Nanoprene
Gemeinsam mit der Konzerngesellschaft Rhein Chemie erschließt LANXESS neue Einsatzgebiete für Nanoprene ...
Baynox® macht Biotreibstoff haltbar Auch den Einsatz von Biodiesel – sei es als reiner Treibstoff oder als gesetzlich vorgeschriebene Zumischung zu Mineraldiesel – ermöglicht neue Produkte von LANXESS. Die für seine Herstellung häufig eingesetzten Öle wie Jatropha-, Karanja-, Soja- und Sonnenblumenöl würden ohne Zusatz von Stabilisierungsmitteln wie Baynox® von LANXESS im Tank durch Luftkontakt oxidieren und ranzig werden. Die sich dabei bildenden korrosiven Fettsäuren und polymeren Feststoffe, die sogenannten Gums, würden ohne Baynox® zu schädlichen Ablagerungen und Rück ständen im Motor und Kraftstoffsystem führen. Dieses Pro blem hat LANXESS gelöst. Schon sehr geringe Mengen des Antioxidants Baynox® sorgen für eine gute Haltbarkeit des grünen Treibstoffs im Tank. Im Motor verbrennt es vollständig und rückstandsfrei. Seine Wirksamkeit hat es in Praxisstudien bereits bewiesen. So wurde es von der Arbeitsgemeinschaft Qualitätsmanagement Biodiesel e. V. (AGQM) mit dem begehrten „no harm“-Zertifikat ausge zeichnet.
Nanotechnologie für bessere Reifen ... wie zum Beispiel für Membranen von Brennstoffzellen für eine schadstofffreie Mobilität mit Strom aus Wasserstoff.
Antioxidant Durch Beimischung des Stabilisierungsmittels Baynox® bleibt Biodiesel lange haltbar.
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Aus den Laboren des LANXESS Geschäftsbereichs High Perfomance Elastomers (HPE) kommen auch Nanoprene. Dabei handelt es sich um neu entwickelte Mikrogele mit vorvernetzten Kautschukpartikeln im Nanomaßstab, die aus polymerisiertem Styrol und Butadien bestehen. Das Polymeradditiv soll die Materialeigenschaften von Elas tomeren und thermoplastischen Werkstoffen gezielt ver bessern. LANXESS stellt mit einem hochspezialisierten Produktionsverfahren eine geringe Größe und hohe Ober flächenfunktionalität der Partikel sicher. Seinen ersten er folgreichen Großeinsatz hat das Additiv in der Produktion von Winterreifen. Durch diesen Materialzusatz für die Kau tschukmischung der Lauffläche wird der Abrieb von Auto mobilreifen deutlich verringert. Das bedeutet eine wesent lich längere Lebensdauer des Reifens und eine geringere Belastung der Umwelt. Ebenso wichtig: Mit dem Einsatz dieses Additivs sind keine Abstriche in Sachen Rollwider
TECHNISCHE KAUTSCHUKE
stand und Nassrutschfestigkeit verbunden. In naher Zu kunft wird das Nanoprene-Produktspektrum um weitere Typen ergänzt werden, die sich zum Beispiel durch ihre Glasübergangstemperatur, also ihre Tieftemperaturflexi bilität, unterscheiden und damit noch besser für speziel le Reifentypen geeignet sind. Zusammen mit der Tochter gesellschaft Rhein Chemie erschließt LANXESS weitere Einsatzgebiete für Nanoprene. Hierzu gehört die Schlag zähmodifikation von Thermoplasten und Duroplasten. Darüber hinaus arbeiten die Nano-Experten daran, einen speziellen Nanoprene-Typ für die Membranen von Brenn stoffzellen zu entwickeln. Zum Abdichten dieser Energie spender der Zukunft für einen abgasfreien Straßenverkehr eignen sich zudem Dichtungen aus Ethylen-Propylen-DienKautschuk (EPDM) wie Keltan® EP und Butylkautschuk.
Additive für „Grüne Reifen“ Zu den Produkten mit „grünem“ Potenzial gehört unter an derem Vulcuren®, das bei der Herstellung „Grüner Reifen“ als Vernetzer und Reversionsschutzmittel wirkt. Es bildet im Vergleich zur „klassischen“ Kautschukvernetzung mit Schwefelbrücken thermisch sehr viel stabilere, flexible Hybridnetzstellen aus. Die gummielastischen Eigenschaf ten des Kautschuks bleiben dadurch unter Hitzeeinwir kung wesentlich länger erhalten als bei konventionellen Systemen. Es besteht daher die Möglichkeit, die Vulkanisationstemperatur zu erhöhen, was die Produktivität bei der Herstellung großer Gummiteile wie Lkw- oder Baumaschinenreifen deutlich steigern kann. Vulcuren® ist zugleich eine Alternative für den Sekundärbeschleuniger N,N’-Diphenylguanidin (DPG), der in der Herstellung treib stoffsparender Silica-Reifen weit verbreitet ist, sich aber nicht für das Zusammenspiel mit Silanen wie Si 363 eig net. Zudem kann DPG unter Vulkanisationsbedingungen Anilin freisetzen. Vulcuren® zeigt diesen von vielen Kunden unerwünschten Effekt nicht. Inzwischen hat Vulcuren® in einem Straßentest bewiesen, dass es dem Abrieb von NR-, BR- und SBR-Kautschuk-en in Lkw-Reifen entgegenwirkt. Auch Pkw-Reifen leiden weniger unter einsatzbedingter Al terung, wenn Vulcuren® zu ihrer Herstellung eingesetzt wird. Zu den innovativen Bei-trägen von LANXESS zu einer „Grünen Mobilität“ zählen auch die Kautschu kadditive der Produktpalet te VulkalinkTM. Sie tragen dazu bei, den Rollwider stand moderner Laufflä chenmischungen zu verringern sowie das Verhalten von Rei fen bei Nässe weiter zu optimieren. Da bei handelt es sich um vollkommen neu entwickelte Additive,
In Brasilien produziert LANXESS nach einem neuen Verfahren EPDMKautschuk aus Ethylen auf Basis von Zuckerrohr.
die die Wechselwirkungen von Polymeren und dem Füll stoff Kieselsäure deutlich verbessern. Die VulkalinkTM Pro dukte wurden in enger Kooperation mit Kunden entwickelt und können dem Vulkanisationsprozess sehr einfach zuge geben werden, ohne dass Unverträglichkeiten mit anderen „Zutaten“ entstehen. Zu einer zweiten Gruppe der Vulka linkTM Produkte gehört das Produkt VulkalinkTM 1871, ein Additiv, das über ganz ähnliche Eigenschaften verfügt und zudem den Vorteil hat, dass die Reifenhersteller die Menge an Füllstoff reduzieren können, ohne den Herstellungspro zess verändern zu müssen und ohne die Härte der Gum mimischung negativ zu beeinflussen. Durch die geringe re Dosis an Kieselsäure lässt sich der Rollwiderstand der Pkw-Reifen deutlich verbessern – ein weiterer Beitrag, um die Mobilität der Zukunft so zu gestalten, dass sie vor allem eines wird: nachhaltiger.
rolysestabilität von Bio-Kunststoffen (PLA) bis auf das Sie benfache im Vergleich zu einem unstabilisierten Typ und hilft damit, die Lebensdauer eines Polymers zu verlängern. BioAdimideTM 500 XT dient darüber hinaus als Ketten verlängerer. Durch diese zusätzliche Funktion kann die Schmelzviskosität eines extrudierten PLA, verglichen mit einem unstabilisierten Typ, um 20 bis 30 Prozent erhöht werden, was zu einer einfacheren Verarbeitung von PLA führt. Die beiden BioAdimideTM Typen können auch kombiniert werden. Dies führt sowohl zu einer optimalen Hydrolysestabilisierung als auch zu einer verbesserten Ver arbeitung. Das ist nur eine Auswahl von Beispielen dafür, dass LANXESS als Innovationsführer und Hersteller von High-End-Produkten für die Zukunft der „Grünen Mobilität“ bestens gerüstet ist.
Bio-Kautschuk
BioAdimide™ ermöglicht die Herstellung langlebiger Produkte aus biobasiertem Polyester.
Additiv für Bio-Polyester
Auch die Produktlinie BioAdimideTM, Ergebnis eines globalen Produktentwicklungsprogramms der LANXESS Gesellschaft Rhein Chemie, trägt der Forderung nach Umweltverträglichkeit Rechnung. BioAdimideTM ermöglicht nämlich die Produktion von erneuerbaren, biobasierten Polyestern für langlebige Anwendungen. Diese Additive sind speziell geeignet, um die Hydrolysebeständigkeit von biobasierten Polyestern, insbesondere von Polymilchsäure (PLA), zu verbessern und somit deren bisherigen Anwen dungsbereich zu erweitern. Derzeit sind zwei BioAdimideTM Typen verfügbar. BioAdimideTM 100 verbessert die Hyd
TECHNISCHE KAUTSCHUKE
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Mobilitätshilfe für die Schifffahrt Zerstörungswerk
Fouling am Schiffsrumpf schadet nicht nur der Außenhaut von Ozeanriesen, es birgt auch die Gefahr der Verbreitung von Bakterien und sonstigen Schädlingen.
Rund 6.000 verschiedene Organismen machen sich un terhalb der Wasseroberfläche an allem zu schaffen, was über die Weltmeere fährt. Sie heften sich an die Außen hülle von Schiffen und bilden dort regelrechte Kolonien. Der Fachmann spricht vom Fouling, dem unerwünsch ten Bewuchs. Unterschieden wird hier nach weichem und hartem Bewuchs. Bei weichem Bewuchs handelt es sich um Mikroorganismen und Algen, die einen meist schleimigen Film bilden. Bei hartem Bewuchs setzen sich zum Beispiel Muscheln und Krebstiere dauerhaft am Schiffsrumpf fest. Für die kommerzielle Schifffahrt bedeutet Fouling hand festen Schaden. Der Bewuchs zerstört mit der Zeit die Oberfläche der Schiffshaut und fördert so Rost und Verschleiß. Vor allem aber erzeugt er einen großen Reibungswiderstand. Infolgedessen kann der Treibstoff verbrauch um bis zu 40 Prozent steigen. Bei den großen Frachtschiffen, die über tausende Kilometer unterwegs
sind, fällt das enorm ins Gewicht. Rund 100 Tonnen Treibstoff verbrauchen diese Riesen der Meere auf ihren Reisen – pro Tag. Kein Wunder also, dass es sich lohnt, regelmäßig den Rumpf von jedwedem Bewuchs zu befreien. Gesetzliche Verordnungen verlangen, dass Schiffe je nach Typ alle drei bis fünf Jahre zur Kontrolle der Unterwasserlinie ins Trockendock müssen. Dabei wird Bewuchs ebenso durch Sandstrahlen entfernt wie lockerer und schadhafter Lack. Mit der Ausbesserung des Lacks wird auch der Biozid-Anstrich erneuert, des sen Wirkstoffe im Laufe der Jahre durch sogenanntes Leaching ausgewaschen werden.
Vorbeugen lohnt sich Für die Treibstoffersparnis ist es besser, wenn das Fouling von vornherein verhindert oder zumindest verringert wird. Kupfer hemmt die Anheftung von Muscheln und anderem Getier. Die Farben, mit denen
Während Kupferoxid vor hartem Bewuchs schützt, verhindert Preventol® von LANXESS die Ansiedlung von Algen und Mikroorganismen an der Außenhaut von Schiffen.
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SOMMERREIFEN / Winterreifen
Schiffe heute gestrichen werden, enthalten daher bis zu 40 Prozent Kupferverbindungen. Die typische rote Far be verdanken die Schiffsrümpfe moderner Tanker und Containerschiffe zum Beispiel dem Kupferoxid im Lack. Lacke im Sportbootsegment basieren dagegen meist auf dem weißen, aber deutlich teureren Kupferthiocya nat. Je länger diese Lackierungen halten und schützen, desto effizienter der Schiffsbetrieb. Das hilft nicht nur den Reedern und ihren Kunden, sondern letztlich auch dem Klima und der Umwelt.
Preventol® ergänzt den Schutz Während also Kupfer vor allem dem harten Bewuchs den Appetit verdirbt, lässt sich der weiche Bewuchs, das Fouling aus Algen und dergleichen, nur mit weiteren speziellen Zusätzen in der Farbe unterdrücken. Auch der schleimige Film aus Algen und Mikroorganismen bremst das Schiff und bildet zudem den Untergrund für harten Bewuchs. Im Anstrich enthaltene Biozide machen die Schiffsoberfläche ungenießbar für jede Form von Fou ling. Sie verhindern außerdem die Verbreitung von Bakterien und anderen Krankheitserregern im Wasser von einem Teil der Welt zum anderen. Das mindert die Gefahr, dass regionale Tierarten an fremde Küsten trans portiert werden, wo sie den einheimischen Arten den Lebensraum streitig machen. Ein Beispiel dafür ist die eurasische Zebramuschel (Dreissena polymorpha), die unter anderem in die Großen Seen in Nordamerika ein geschleppt wurde und deren Bekämpfung bereits Kosten in Höhe von fünf Milliarden US-Dollar verursacht hat.
Um die Schäden an der äußeren Schiffshaut durch Fouling gering zu halten, müssen Schiffe im Trockendock regelmäßig von hartem und weichem Bewuchs befreit werden.
Partner der Lederindustrie Maßarbeit
Im italienischen Filago produziert LANXESS unter anderem eine Reihe von Chemikalien für die Lederindustrie.
Als einer der führenden Lieferanten von Produkten und Sys temlösungen für die Lederindustrie sorgt LANXESS für stetige Innovationen, um Prozesse und Produkte zu optimieren und gleichzeitig maßgeblich zum Schutz der Umwelt beizutragen. Mit der Anfang 2011 gestarteten Initiative „Sustainable Leather Management“ sieht LANXESS es als seine Verpflich tung, neue Produkte und Verfahren für die Lederindustrie mög lichst nachhaltig und ökologisch verträglich zu gestalten. Mit Produkten, Systemlösungen und Serviceleistungen begleitet LANXESS alle Stufen der Lederherstellung vom Nassbereich bis zur Zurichtung. Das Unternehmen verfügt über das brei teste Portfolio an Lederchemikalien weltweit. Dazu zählen mi neralische und synthetisch-organische Gerbstoffe, Konservie rungs- und Gerbereihilfsmittel, Fettungs- und Farbmittel sowie zahlreiche Zurichtprodukte wie Polyurethandispersionen und Polyacrylate. Zu den größten Abnehmern für diese Produkte gehören unter anderem die Hersteller von Automobilleder, die rund ein Viertel des weltweiten Ledergeschäfts ausmachen. Mit neuesten Technologien der Lederherstellung und -behandlung trägt LANXESS auch im Mobilitätsbereich zur „grünen Welle“ bei. Zum Beispiel mit einem gewichtsreduzier ten Leder, das mit der X-Lite® Technologie hergestellt wird. Dabei handelt es sich um expandierbare Mikrohohlkugeln, die bei der Nachgerbung mit einem innovativen Verfahren in die
Lederfaserstruktur eingebracht werden. Durch Expansion wird das Leder in der Dicke vergrößert und ist mit einem 1,3 Milli meter starken Polsterleder vergleichbar, weist aber 20 Prozent weniger Gewicht auf. Dadurch werden mit Leder bezogene Autositze deutlich leichter und helfen so beim Spritsparen. Primär für Ledersitze im Auto hat LANXESS ein AntisoilingSystem entwickelt, das selbst helle Lederoberflächen wirk sam vor Verschmutzung schützt. Das innovative Aquaderm® X-Shield basiert auf einer wässrigen Polymerdispersion, die als Topcoat auf das Leder aufgetragen wird. Im Gegensatz zu herkömmlichen Systemen, deren Schmutz abweisende Sub stanzen mit der Zeit von der Oberfläche abgerieben werden, verankert sich das Bindesystem, in dem das PTFE-Segment (Polytetrafluorethylen) einpolymerisiert ist, fest auf der Lederoberfläche. Aquaderm® X-Shield schützt sowohl vor einer Anschmutzung durch Jeansfarbe als auch vor hartnäckigen Flecken, zum Beispiel von Kaffee, Senf- und Motoröl. Im Jahr 2011 stellte LANXESS auch ein besonders umwelt verträgliches Gerbsystem vor: X-Tan® garantiert in der WetWhite-Herstellung einen besonders hohen Weißegrad, der bei der anschließenden Färbung von Leder für Autositze beson ders brillante Farben ermöglicht. Beim gesamten Gerbprozess fallen keinerlei umwelt- und gesundheitsschädliche Stoffe an. Ein weiterer Pluspunkt für „Grüne Mobilität“.
Helle Ledersitze wie hier im Jaguar müssen mit ganz besonderen Mitteln vor Verschmutzung geschützt werden.
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SOMMERREIFEN / Winterreifen
Roter „Teppich“ für Politikprominenz
Für den G-20-Gipfel der Regierungschefs „rollte“ die Stadt Cannes vor dem Kongresszentrum einen roten „Teppich“ aus.
Als sich die 20 mächtigsten Staatschefs der Welt am 3. und 4. November 2011 in Cannes im „Palais des Festivals“ trafen, um über Staatsschulden und Eurokrise zu beraten, lag ihnen bei ihrer Anfahrt ein „roter Teppich“ zu Füßen, der seinen kräftigen Farbton den Eisenoxid-Pigmenten Bayferrox® 230 A von LANXESS verdankt. Denn anlässlich des G-20-Gipfels ließ die Stadt Cannes den roten Asphalt auf Gehwegen und Plätzen rund um das Kongressgebäude erneuern. Für das nach dem LauxProzess hergestellte Pigment sprach, dass es für die Einfärbung von Asphalt maßgeschneidert ist. Zu den Vorzügen der Bayferrox®Pigmente zählt eine hohe Farbstärke, sie sind außerordentlich lichtecht und wetterbeständig und sie zeichnen sich durch ihre hohe Qualität und eine einfache und umweltverträgliche Verarbeitbarkeit aus. Die Bayferrox®-Pigmente von LANXESS sind in Form von Pul-
ver, als kompaktes Pigment und in Granulatform erhältlich. Sie werden zur Einfärbung von Baustoffen eingesetzt, wie etwa für Ortbeton, Betonfertigteile, ‑dachsteine, Pflastersteine und Asphalt. Insgesamt wurden in Cannes 9.400 Quadratmeter Straßenfläche mit einer Asphaltmischung beschichtet, die mit 30 Tonnen pulverförmigen Bayferrox® Pigmenten eingefärbt ist. Zuvor wurde der alte Asphalt abgetragen und umweltverträglich recycelt.
herausragenden Qualitätseigenschaften der Schwarz- und Rottöne verantwortlich. Auch ökologisch hat das Verfahren Vorteile. Zum Beispiel wird die bei der chemischen Umsetzung entstehende Reaktionswärme genutzt, um Dampf oder warmes Wasser für die weiteren Prozessschritte zu erzeugen. Ergebnis ist ein Verfahren, dessen Energieeffizienz derzeit nicht zu übertreffen ist.
Eisenoxid
Für das kräftige Rot auf den Wegen rund um das Kongresszentrum von Cannes sind die ...
Höchste Energieeffizienz LANXESS nutzt weltweit als einziger Hersteller den Laux-Prozess. Mit ihm begann vor 85 Jahren im Werk Uerdingen die Erfolgsgeschichte von EisenoxidFarbpigmenten. Dank regelmäßiger Investitionen in den Prozess und stetiger Verfahrensinnovationen gilt er heute im Vergleich zu anderen kommerziell genutzten Synthesewegen als State-ofthe-Art-Verfahren für EisenoxidPigmente. Er ist vor allem für die
... pulverförmigen Bayferrox®-Pigmente von LANXESS verantwortlich.
Innovationstreiber
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Technologien, die begeistern: Mit Leichtbau von Lanxess zu Grüner Mobilität Fortschrittliche Werkstoffe schaffen mit mehr Effizienz weniger Verbrauch.
L
eichtigkeit zahlt sich aus – insbesondere im Fahrzeug bau. Je weniger Gewicht ein Auto auf die Waage bringt, desto ge ringer ist der Kraftstoffverbrauch. Dies gilt für alle Fahrzeuge, sodass sie angesichts steigender Energiekosten und strengerer Emissionsobergrenzen möglichst leicht gebaut werden sollten. Die gestiegenen Ansprüche an Verarbeitung und Ausstattung haben aber das durchschnittli che Fahrzeuggewicht kontinuier lich erhöht. Eine Gewichtsreduzierung lassen sich die Automo bilhersteller bis zu 20 Euro pro
Kilogramm kosten. LANXESS nimmt die Herausforderung an. Als Impulsgeber für Grüne Mobilität entwickeln wir Leicht bau - Lösungen, die weniger Zu viel gewicht Beispiel: Mini
650 kg 1959
1.070 kg 2006
Neue Ansprüche lassen das durchschnittliche Gewicht eines Fahrzeugs deutlich ansteigen.
Gewicht auf die Straße bringen. LANXESS bietet schon heute Innovationen, welche die Kosten pro Kilo noch weiter reduzieren und so auch die Großserien produktion marktfähig machen. Der Schlüssel dazu sind leis tungsfähige Hightech-Kunststoffe und Hybridbauteile, die nicht nur Fahrzeuggewicht, Kraftstoffverbrauch und Schadstoffausstoß verringern. Auch die Kosten und der Energiever brauch in der Herstellung sin ken. So bringen wir die Interessen von Umwelt, Autofahrern und Industrie in Einklang.
ausstattung Ledersitze X-Lite® Leather ist genauso strapazierfähig und wiegt bis zu 20 % weniger als herkömmliches Leder. Mit Tepex®- Einlegern aus ther moplastischen Composites (formbaren, faserverstärkten Kunststoffplatten) lässt sich das Gewicht von Autositzen gegenüber reinen Kunst stoffsitzstrukturen zusätzlich um bis zu 50 % verringern.
airbag Durch die Tepex® -Hybridtechnik können die Seiten wände von Airbag-Gehäu sen aus thermoplastischen Composites ohne Abstriche bei Steifigkeit und Festigkeit deutlich dünner konstruiert werden. So fällt das Gehäu se um rund ein Drittel leich ter aus.
Antriebsriemen
ÖlwanneN
Zahnriemen aus Hochleis tungskautschuk sind im Ver gleich zu konventionellen Kettenantrieben nicht nur wesentlich leichter. Sie erhö hen außerdem die Haltbar keit von Motoren und deren Energieeffizienz.
Polyamid-Werkstoffe (Dure than®) sind besonders leicht und flexibel in der Form gebung. Bei Motor- und Getriebeölwannen machen sie die Nachbearbeitung überflüssig und erlauben die kostengünstige Integra tion von Funktionen – bei einer Gewichtsersparnis von bis zu 50 % gegenüber Stahllösungen.
StrukturVerstärkung Dachrahmen in KunststoffMetall - Hybridtechnik sind 30 % leichter bei gleichen Herstellungskosten.
karosserie
Pedale
antriebsstrang
Mechanisch genauso be lastbar wie herkömmliche Pedale aus Stahl, aber deutlich leichter: Die Ver wendung von thermoplasti schen Composites (Tepex®) sowie die Verstärkung durch Rippenstrukturen aus Poly amid (Durethan®) verbes sert die Tragfähigkeit von Pedalen gegenüber der Voll stahlbauweise und spart bis zu 50 % Gewicht.
reserveradmulde
frontend
In Funktion und Gewicht definitiv kein fünftes Rad am Wagen: Die neun Kilo leich te Reserveradmulde aus hochgefülltem Kunststoff mit 60 % Glasfaseranteil wird direkt auf der Rohkaros serie angebracht und trägt nicht nur Reserverad und Bordwerkzeug, sondern versteift auch den hinteren Fahrzeugteil.
Hybridfrontends aus Ver bindungen von Kunststoff und Metall sparen je nach Fahrzeug 10 – 40 % Ge wicht gegenüber reinen Metallfrontends. Durch die Integration von thermoplas tischen Composites kann zusätzlich lokal bis zu 20 % Gewicht gegenüber einer Aluminiumblechlösung ge spart werden.
Sparpotenzial
Neue Antriebe mehr Gewicht
Könnte das Gewicht eines Fahrzeugs um 100 kg durch Leichtbau verringert werden,
Moderne Elektro- oder Hybridmotoren weisen ein erheblich höheres Ge wicht auf als herkömmliche Verbrennungsmotoren. Dies allein ist Anlass genug für LANXESS, Forschung und Entwicklung weiter voran zutreiben, um die zu erwar tende Gewichtszunahme der Fahrzeugflotten durch intelligente Leichtbau-Inno vationen zu kompensieren. Dadurch werden Betriebs kosten und CO2-Emissionen immer weiter gesenkt.
1 Koffer = 25 kg
Das spart 5 Liter Treibstoff auf 1000 Reichweite würde das km 5 Liter Treibstoff auf 1.000 km Reichweite einsparen.
250 kg Elektrofahrzeug
50 kg Verbrennungs motor
100 – 150 kg Hybridfahrzeug Range Extender
INFO-ROOM
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„Grüne Reifen“ sorgen für „Grüne Mobilität“ Komponenten-Mix Ein Pkw-Reifen wird aus mehr als 200 Komponenten mit unterschiedlichen Anforderungen hergestellt, darunter:
14 %
40 %
5 % 13 %
• Natur- und synthetischer Kautschuk Füllstoffe • Verstärkende • Chemikalien • Verstärkungsgewebe • Stahlverstärkung
70
„GRÜNE REIFEN“
Quelle: Michelin Fact Book 2003
28 %
Der Neukauf eines Fahrzeugs ohne lebensrettende Airbags ist heutzutage kaum noch vorstellbar. Schließlich wird auf Sicher heit im stetig zunehmenden Verkehr immer mehr Wert gelegt. Dabei lassen Autofahrer häufig außer Acht, dass auch ihre Reifen beim Thema Verkehrssicherheit eine entscheidende Rolle spielen: Sie vertrauen ihr Leben und das ihrer Insassen vier Reifen an, deren Auflagefläche auf der Straße jeweils nicht größer ist als eine Postkarte. Erst in brenzligen Bremssituatio nen wird den meisten Menschen plötzlich bewusst, wie wich tig dieser Kontakt – und damit der Reifen aus Kautschuk – ist. Um das Bewusstsein für mehr Sicherheit, aber auch für den Spritverbrauch und die Geräuschemission zu schärfen und stärker ins Blickfeld der Verbraucher zu rücken, hat die Europäische Union beschlossen, im Herbst 2012 das soge nannte „Tire-Labeling“ (EU-Verordnungen 661/2009/EG – Typprüfung von Reifen – und 1222/2009/EG – Kennzeich nung von Reifen ) einzuführen – das heißt eine Kennzeich nungspflicht der Reifenhersteller in Form eines Aufklebers
oder Etiketts für Neureifen. Ein Labeling gilt bereits für Kühlschränke, um dem Verbraucher Hinweise über deren Stromverbrauch zu geben. Die Folge: Die Hersteller haben in den vergangenen Jahren bei der Entwicklung neuer Kühlschränke wahre Energiespar-Wunder bewirkt. Das Tire-Labeling, für das sich LANXESS schon frühzeitig eingesetzt hat, wird künftig die Reifenmärkte entsprechend verändern. Auf dem Label sollen Treibstoffeffizienz (Sprit verbrauch durch Rollwiderstand), Haftung bei Nässe (Sicherheit) und die Geräuschemission (Abrollgeräusch) für den Verbraucher gekennzeichnet werden. Reifen der Kategorie A haben einen um rund 40 Prozent geringeren Rollwiderstand als solche der Kategorie G. Der Unterschied bedeutet eine Einsparung von bis zu zehn Prozent Sprit. Seiner Untersuchung zum Thema „Autoreifen – ökologische und ökonomische Wirkungen von EU-Verordnungen“ schickt Professor Dr. Horst Wildemann von der Technischen Uni
versität München im Vorwort voraus: „Neue Verordnungen der Europäischen Union zur Verringerung der Emission von Fahrzeugen wirken auf die Leistungsmerkmale von Reifen. Kautschukproduzenten, Reifenhersteller und -händler, aber auch Fahrzeughersteller sind damit aufgefordert, Lösungen für die geänderten Anforderungen an Fahrzeugreifen zu ent wickeln. Der Verbraucher kann mit der Einführung dieser Ver ordnungen der Europäischen Gemeinschaft nunmehr selbst entscheiden, welchen Beitrag er zur Verringerung der Ener gieintensität und der Emission leisten wird.“ In seiner Studie rechnet Prof. Wildemann vor: Die Verringe rung des Rollwiderstands um ein Kilogramm pro Tonne senkt den Kraftstoffverbrauch eines Fahrzeugs um 0,08 Liter pro 100 Kilometer. Gleichzeitig verringert sich die CO2-Emission um 200 Gramm je gefahrene 100 Kilometer. Auf den Indivi dualverkehr in Deutschland mit rund 45 Millionen Personen kraftwagen entfallen jährlich 47 Milliarden Liter an Kraftstoff. Das Einsparpotenzial bei einer Reduzierung des Rollwider stands um zehn Prozent beträgt damit 750 Millionen Liter Sprit, was über zehn Millionen Tankfüllungen entspricht. Nach dieser Berechnung beläuft sich die vermiedene CO2-Emission auf 1,875 Millionen Kilogramm. In Europa sollen die neuen Regelungen zur CO2-Reduzie rung bis 2015/16 abgeschlossen sein. In den USA sollen ähnliche Vorschriften bis spätestens 2016 umgesetzt wer den. Dabei wird eine Senkung der CO2-Emissionen von zehn Prozent angestrebt. Japan will bis 2015 Kraftstoffverbrauchs ziele erarbeiten und auch in China wird eine Senkung der Kohlendioxid-Emissionen diskutiert. In Brasilien dürfte eine ähnliche Festlegung auf CO2-Ziele noch bis etwa 2020 auf sich warten lassen, Korea und Taiwan wollen sich vorerst mit freiwilligen Zusagen der Industrie begnügen. Doch der glo bale Wettbewerb der Automobilindustrie und ihrer Zulieferer dürfte dazu führen, dass sich alle Hersteller schnell auf die Grenzwerte der EU einstellen werden, um ihre Exportchan cen zu erhalten.
Auf der Suche nach Einsparpotenzialen Mit dem Tire-Labeling ergänzt die Europäische Union ihre Vorschriften zu den Grenzwerten für den Kohlendioxid Ausstoß von Personenkraftwagen. Um die darin festgeleg te Zielmarke von höchstens 130 Gramm CO2-Emission je Kilometer zu erreichen, suchen die Automobilhersteller nach wirtschaftlichen Möglichkeiten, den Spritverbrauch ihrer Produkte zu senken. Dabei bleibt kein Aspekt außer Acht. Denn die EU-Kommission strebt an, die durchschnitt lichen CO2-Emissionen bei Neuwagen in der EU durch zu sätzliche Maßnahmen wie eine Verringerung des Rollwi derstands der Reifen um weitere zehn Gramm auf 120 g CO2/km zu senken. Der Emissionsgrenzwert gilt nicht für jedes Fahrzeug einzeln, sondern für den Durchschnittswert aller Fahrzeuge, die von einem in der EU zugelassenen Hersteller in einem Jahr gebaut werden. Ab 2012 müssen Hersteller, die ihre Zielvorgabe nicht erfüllen, eine „Abgabe wegen Emissionsüberschreitung“ entrichten. Um die Grenzwerte zu erreichen und den geforderten Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, entwickeln die Automo
Ein möglichst kurzer Bremsweg auch auf nassen Straßen ist eine wesentliche Sicherheitsanforderung an Pkw-Reifen.
bilhersteller seit mehreren Jahren innovative Motormanage ment-Systeme und neue Einspritzverfahren, elektronisch gesteuerten Stop-and-Go-Verkehr in der Stadt, da neue Antriebssysteme wie Hybridaggregate und Elektromotoren, leichtere Konstruktionen und Materialien sowie Aggrega te für den Einsatz von Treibstoffen aus regenerativen Ener giequellen. Doch das sind nur Teile des Spektrums. Künftig könnte mit Wasserstoff aus regenerativen Quellen zusam men mit Sauerstoff in Brennstoffzellen Strom erzeugt wer den, der Elektromotoren versorgt, die das Auto antreiben. Damit wäre der Status der Null-Emission erreicht. In die Bemühungen um geringere CO2-Emissionen durch den Straßenverkehr haben sich längst auch die Reifenin dustrie und deren Zulieferer eingeschaltet: Für „Grüne Rei fen“ werden die Kautschukmischungen überarbeitet und neue Füllstoffe und Additive eingesetzt sowie die Reifenpro file nach allen Regeln der Kunst am Computer berechnet, um eine sichere Haftung auf trockener und nasser Fahrbahn trotz niedrigeren Rollwiderstands zu gewährleisten. Der Rollwiderstand von Reifen, allgemein angegeben in Kilogramm pro Tonne, ergibt sich durch die Verformung des Reifens, mit der eine ausreichend große Aufstandsfläche auf der Straße erzeugt wird, die letztlich die Antriebskraft über trägt. Jedes Mal, wenn sich der Reifen dreht und einfedert, absorbiert er Energie, die in Wärme umgewandelt und an die Umwelt abgegeben wird. Dieser Energieverlust durch Reibung und Verformung wird umso größer, je fester die Reifenlauffläche auf der Fahrbahn haftet und je weniger Luft im Reifen ist. Jeder Autofahrer kann einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten, wenn er regelmäßig den Fülldruck seiner Reifen kontrolliert.
Labeling
Seit 1. November 2012 müssen alle nach dem 1. Juli 2012 produzierten Neureifen für Pkw sowie leichte und schwere Nutzfahrzeuge mit einer Reifenkennzeichnung versehen sein.
Der richtige Reifendruck hilft dem Klima Außerdem sollen „Grüne Reifen“ auch intelligent genug sein, um selbst zu merken, ob sie optimal eingestellt sind. Dafür sorgen Sensoren an der Innenseite der Lauffläche, die den Fahrer informieren, wenn der Reifen mehr Luft braucht. Sinkt nämlich der Luftdruck auch nur um 0,3 bar unter die vom
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Immer im Bild
Dank kleiner Sensoren im Reifeninnern informiert der Bordcomputer über den aktuellen Reifendruck.
Es geht auch ohne Elektronik: Druckmesser für Reifen gibt es an jeder Tankstelle.
Sicherheit für die ganze Familie steht nicht im Konflikt mit dem Rollwiderstand.
Hersteller empfohlene Marke, verbraucht das Fahrzeug rund 1,5 Prozent mehr Kraftstoff, weil sich der Rollwiderstand um circa sechs Prozent erhöht. Bei einem Pkw der Mittelklasse bedeutet das jährlich rund 16 Liter mehr Verbrauch – damit steigt der umweltschädliche CO2-Ausstoß um 38 Kilogramm im Jahr. Auf den ersten Blick ist das nicht sonderlich beeindruckend. Überträgt man diesen Wert jedoch auf die rund 33 Prozent der allein in Deutschland mit falschem Luftdruck fahren den Personenwagen (15,2 Millionen), addiert sich der CO2Ausstoß jährlich auf mehr als 600.000 Tonnen. Bei dieser Berechnung legten die Statistiker einen Pkw mit einem Ver brauch von 7,5 Litern Kraftstoff pro 100 Kilometer und einer Jahresfahrleistung von 15.000 Kilometern zugrunde. Die fatale Auswirkung von zu niedrigem Reifendruck auf kli maschädliche Abgaswerte zeigen auch Zahlen der Euro päischen Union: Ist der Druck des Autoreifens um 0,5 bar zu niedrig, kann das die CO2-Emission eines Pkw sogar um bis zu 140 Kilogramm im Jahr erhöhen. Würden dagegen alle Fahrzeuge in Europa mit korrektem Reifendruck fahren, könnten Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen um bis zu 2,5 Prozent gesenkt werden. Noch wirkungsvoller lassen sich Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß bei Nutzfahrzeugen drosseln, wenn deren Rei
fen mit optimalem Luftdruck rollen. So haben Experten des Reifenherstellers Continental für die USA ermittelt, dass Nutz fahrzeuge im Durchschnitt mit einem um zwölf Prozent zu niedrigen Luftdruck in den Reifen fahren. Das führt zu einem zusätzlichen Kraftstoffverbrauch von rund vier Milliarden Liter Diesel pro Jahr und dadurch zu einem vermeidbaren CO2Ausstoß von mehr als neun Millionen Tonnen.
Einfühlsame Elektronik Da jedoch offensichtlich ein großer Anteil der Autofahrer an der Tankstelle lediglich Sprit zapft und allenfalls noch den Öl- und Wasserstand überprüft, selten aber daran denkt, auch den Reifendruck zu kontrollieren, arbeiten führende Reifenhersteller an einer neuen Generation von Pneus mit einem elektronischen Reifendruckkontrollsystem. In diesen Reifen vernetzen nur wenige Gramm schwere Sensoren, die an der Innenseite der Lauffläche angebracht sind, den Pneu mit der Bordelektronik. Dieser einfühlsame „Passagier“ übermittelt alle relevanten Daten über Reifen typ, Reifendruck, Geschwindigkeits- und Last-Index an den Bordcomputer, damit Assistenzsysteme wie ABS (An tiblockiersystem) und ESP (Elektronisches Stabilitätspro gramm) effektiver arbeiten können. Außerdem sollen künf tig die Mikrochips von ABS und ESP zu Beginn einer jeden
Fahrt über den Bordcomputer mit den Daten der aktuellen Achs- und Radlastverteilung versorgt werden, um die Fahrt sicherer und komfortabler zu gestalten. In naher Zukunft wird der Fahrer auch noch zu Beginn und am Ende der Fahrt direkt von seinem Reifen „angesprochen“ und aufge fordert werden, den Fülldruck nach Be- und Entladen des Wagens anzupassen.
Viele „Stellschrauben“ Das größte Potenzial in Sachen Umweltschutz und Ver brauchsminimierung sehen die Reifenhersteller jedoch nach wie vor in optimierten Gummimischungen und in Modifika tionen des Reifenaufbaus. Dabei spielen der noch ausge klügeltere Einsatz von Silica als Füllstoff, fein abgestimmte Gummimischungen, aber auch das Profildesign sowie die Beschaffenheit des Reifengürtels und der Karkasse eine maßgebliche Rolle. Zwar konnten die führenden Reifenher steller bereits in den vergangenen 15 Jahren den Rollwi derstand um rund 30 Prozent senken, dennoch sehen die Reifenforscher das Ende der Entwicklung noch längst nicht nahen: Um bis zu 50 Prozent wollen die ehrgeizigen Reifen bauer den Rollwiderstand in den kommenden 25 Jahren noch senken. Dadurch würde sich der durch den Rollwider stand verursachte Kraftstoffverbrauch ebenfalls halbieren. Die Fachleute haben noch mehr eindrucksvolle Zahlen parat, um die positiven Wirkungen „Grüner Reifen“ zu veranschaulichen: Beispiel 1: Wären alle Pkw und Lkw in Europa mit moder nen Leichtlaufreifen ausgestattet, würden jährlich 4,5 Milliar den Liter Diesel und 1,5 Milliarden Liter Benzin eingespart. Dadurch würden die CO2-Emissionen um 15 Millionen Ton nen verringert. Beispiel 2: Würden weltweit sämtliche Personenwagen mit den zurzeit besten Leichtlaufreifen ausgerüstet, würden jähr lich 50 Millionen Tonnen Kohlendioxid weniger emittiert als derzeit. Denn der Kraftstoffverbrauch eines durchschnittli chen Mittelklassewagens würde um bis zu 0,3 Liter pro 100 Kilometer sinken – auf die durchschnittliche Lebens dauer des Fahrzeugs hochgerechnet brächte das einen Minderausstoß von rund 1.200 Kilogramm CO2.
Vielversprechende Testphase Bei ihren Bemühungen um ein Absenken des Rollwider stands und damit verbesserte CO2-Werte bedienen sich die Reifenentwickler unter anderem neuer Gummimischungen für die Lauffläche des Reifens. Diese haben die Eigenschaft, die Verformungshitze, die bei längerer Fahrt auf 80 Grad Celsius steigen kann und sich in herkömmlichen Reifen gleichmäßig über die gesamte Fläche verteilt, auf den Be reich des Reifens zu konzentrieren, der gerade mit der Fahr bahn in Berührung kommt. Die Wärme entsteht also vor al lem dort, wo sie für den guten Grip gebraucht wird. Und da die Haftung weniger bei gleichmäßiger Geradeaus fahrt, sondern vor allem in Kurven, beim Bremsen und Be schleunigen benötigt wird, haben Reifenforscher auch „in telligente“ Laufflächenmischungen entwickelt, die sich auf die unterschiedlichen Fahrsituationen einstellen. Dafür ma
Je geringer der Rollwiderstand der Reifen, desto geringer der CO2-Ausstoß.
chen sich die Entwickler hohe Schwingungen im Reifen zu nutze, die beim Bremsen, Beschleunigen und während der Kurvenfahrt entstehen. Die Vibrationen von bis zu 100 Kilo hertz heizen die Gummimischung der Lauffläche binnen Se kundenbruchteilen weiter auf und sorgen damit für verbes serten Halt; sie kühlt sich dann genauso schnell wieder ab, wenn der zusätzliche Grip nicht mehr gebraucht wird. Diese Fähigkeit erhält die Lauffläche unter anderem durch einen hohen Anteil an Kieselsäure, den Silica-Füllstoffen.
Produktvielfalt
Sensibles Innenleben Hinter einem modernen Reifen steckt mehr als nur Gum mi und Stahl. Die guten Eigenschaften eines Reifens wie Stabilität, niedriger Rollwiderstand, Traktionsfähigkeit, hohe Kilometerleistung und sicherer Halt auf der Felge stecken vielmehr zu einem wesentlichen Teil in den „in neren Werten“ des Reifens: Die Lauffläche, die für die Übertragung der Motorkraft auf die Straße zuständig ist, muss einerseits weich sein, um einen optimalen Grip zu gewährleisten, zugleich aber robust genug, um nicht zu schnell abgerieben zu werden. Auch jede andere Reifen komponente muss auf ihre speziellen Aufgaben hin op timiert sein, um eine hervorragende Gesamtleistung des Pneus zu garantieren: Die Seitenwände etwa müssen sich besonders leicht verformen lassen, ohne sich dabei auf zuheizen, denn jeder Milliliter Benzin, den die Erwärmung des Reifens kostet, ist verschwendet – er trägt nicht zur Fortbewegung des Fahrzeugs bei. Die als Innerliner bezeichnete Gummischicht auf der Innen seite des Reifens muss dagegen besonders undurchlässig für Luft sein. In der Karkasse wiederum, dem tragenden Gerüst des Reifens, muss der Kautschuk extrem gut an den Polyamid- und Stahlgeweben haften, die dem Reifen seine Festigkeit verleihen. In einem modernen Hochleistungsreifen werden heute mehr als 20 verschiedene Kautschuktypen verarbeitet, die meisten davon basieren auf synthetischem Kautschuk. Der äußerlich eher unscheinbare Reifen ist also ein sehr anspruchsvolles Hightech-Produkt, die Herstellung eine „schwarze Kunst“, in die sich kein Hersteller so genau hineinsehen lassen möchte.
Der Spezialchemie-Konzern LANXESS beliefert die internationale Reifenindustrie mit vielseitigen HightechKautschuken ...
. .. und zahlreichen Additiven und Kautschukchemikalien.
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Alle diese Leichtbauteile im A8 des Automobilherstellers Audi tragen wesentlich zu einem geringeren Treibstoffverbrauch des Fahrzeugs bei.
Unfallursachen Unfälle aufgrund technischer Defekte sind in Deutschland in den vergangenen 35 Jahren deutlich zurückgegangen. Nach wie vor sind jedoch die Reifen die Hauptursache für Unfälle aufgrund technischer Defekte.
6 %
4 %
12 %
49 % 29 %
• Reifen • Sonstige • Bremsen • Licht • Steuerung
Quelle: Statistisches Bundesamt 2010
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„GRÜNE REIFEN“
„Magisches Dreieck“ der Reifentechnologie Reifenhersteller und -zulieferer, die all die geforderten Eigen schaften optimal in einem Reifen zu vereinen versuchen, stehen prinzipiell vor erheblichen Zielkonflikten, die gemein hin als das „magische Dreieck“ bezeichnet werden. Hinter dieser Bezeichnung steht die gegenseitige Abhängigkeit der drei wichtigsten Reifeneigenschaften: Abrieb, Nassrutschfestigkeit (also Grip) und Rollwiderstand. Die Herausforderung dabei: Der Grip des Reifens auf nassen Straßen ist umso besser, je weicher der Gummi ist. Weiche Gummisorten werden aber in der Regel schneller abgerieben – was zu einem höheren Spritverbrauch und zu einer größeren Feinstaubbelastung führt. Ähnliche uner wünschte Zusammenhänge existieren auch zwischen den anderen Ecken dieses Dreiecks. Wer also bislang eine dieser drei Eigenschaften verbessern wollte, musste zwangsläufig Abstriche bei den beiden anderen machen. Durch die Weiterentwicklung geeigneter Synthesekautschu ke (SSBR-Kautschuke, Neodymium-Kautschuke und Butyl kautschuke) von LANXESS können Zulieferer diesem Dilem ma jedoch teilweise entfliehen und damit den Spielraum der Reifenentwickler erweitern. Durch die stetige Verbesserung der LANXESS Kautschuke, durch neue Additive sowie Verfahren zur optimierten Verbindung von Gummi und Füllstoffen trägt der Spezialchemie-Konzern dazu bei, das magische Dreieck aus Haftung, Abrieb und Rollwiderstand
auszuweiten. LANXESS ermöglicht es mit seinen modernen Hochleistungs-Kautschukprodukten der Reifenindustrie be reits jetzt, die aktuellen hohen Anforderungen der EU an um weltfreundlichere und sichere Pneus zu erfüllen. LANXESS geht fest davon aus, dass sich der Treibstoffverbrauch zu künftiger Hochleistungsreifen mit Hilfe moderner Kautschuke noch weiter senken lässt.
Mit gutem Beispiel voran Dafür müssen Automobilbauer, ihre Zulieferer und deren Lieferanten aus der chemischen Industrie noch intensiver Hand in Hand arbeiten. Gemeinsames Ziel ist es, die Mobili tät der Menschen ohne wesentliche Einschränkungen auch in Zukunft zu gewährleisten und gleichzeitig die Erderwär mung mit ihren möglicherweise dramatischen Auswirkungen zu stoppen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen allerdings auch die Kunden, die Autokäufer, zum Umstieg auf „Grüne Reifen“ bewegt werden. Vorschriften und Kontrollen sind gut, Überzeugung und Vorteile sind besser. Dabei spielt der Trend zur Nachhaltigkeit, der – zumindest in den Industriestaaten – unübersehbar im täglichen Leben angekommen ist, eine maßgebliche Rolle. In weiten Teilen der Gesellschaft hat sich der Begriff der Nachhaltigkeit in al len Lebensbereichen längst etabliert. Damit verbunden ist das aktive Handeln von Unternehmen, Prozesse und Produk te umweltverträglich zu gestalten. Mit den beiden genann
ten EU-Verordnungen ist die Reifenindustrie angehalten, Verbraucher über die Emission von Reifen zu informieren. Damit wird die Nachhaltigkeit neben anderen Reifenpara metern zu einem wichtigen Verkaufsargument. „Auf dem Markt verfügbare emissionsoptimierte Reifen zeigen, dass Verbraucher durchaus bereit sind, einen Mehrpreis für mehr Nachhaltigkeit zu zahlen“, schreibt Prof. Wildemann in seiner Studie. Der höhere Preis für einen ökologisch optimierten Reifen muss aber nicht mit höheren Kosten für den Fahrzeugbe trieb verbunden sein. Denn rollwiderstandsoptimierte Rei fen sparen leicht fünf, ja sogar bis zu sieben Prozent Kraft stoff ein. Je nach Fahrzeugtyp und gefahrenen Kilometern kommen dadurch schnell 100 Euro jährlich zusammen. Damit amortisiert sich die Investition in einen Satz rollwi derstandsarmer Pkw-Reifen bei einer Laufleistung von cir ca 50.000 Kilometern bereits nach ein bis zwei Jahren. Bei Reifen für Nutzfahrzeuge mit 40 Tonnen Gewicht und einer Fahrleistung von 150.000 Kilometern kann durch Umrüstung auf „Grüne Reifen“ sogar eine Kraftstofferspar nis von rund 1.350 Euro im Jahr erzielt werden. Für Reifen mit geringem Rollwiderstand zahlt der Verbrau cher derzeit am Markt einen Mehrpreis zwischen 20 und
50 Euro pro Reifen. Laut ADAC-Sommerreifentest 2010 muss der Käufer für den ökologisch besten Reifen maximal 112 Euro gegenüber 73 Euro für den Reifen mit durch schnittlichen Testergebnissen hinlegen. Der Verbraucher kann somit selbst entscheiden, ob er bereit ist, für umwelt freundliche Reifen einen Mehrpreis zu zahlen, der sich über die Lebenszeit des „grünen“ Pneus mehr als amorti siert.
LANXESS Hightech für „Grüne Reifen“ Für die Herstellung von „Grünen Reifen“ für eine „Grüne Mobilität“ bietet LANXESS bereits jetzt Gummi-Rohstoffe an, mit denen sich der Treibstoffverbrauch substanziell reduzieren lässt: Zum Beispiel Butylkautschuke (IIR), neue, modifizierte Lösungs-Styrol-Butadien-Kautschuke (SSBR) und weiterentwickelte Neodymium-PolybutadienKautschuke (Nd-PBR). Die Chemiker von LANXESS gehen davon aus, dass sich der Rollwiderstand der nächsten Rei fengeneration allein durch den Einsatz aktuell verfügbarer Hochleistungs-Reifenkautschuke um weitere zehn Prozent senken lässt – ohne Einbußen bei der Fahrzeugsicherheit. Ursache hoher Rollwiderstandswerte kann zum Beispiel eine hohe „innere Reibung“ von Reifenkomponenten sein.
Sanftes Fahren
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Am Standort Cabo de Santo Agostinho hat LANXESS die Kapazität für Nd-PBR verdoppelt.
Kapazitätsausbau
Auch die Produktionskapazitäten für Nd-PBR im texanischen Orange (USA) und ...
... in Dormagen (Deutschland) wurden deutlich ausgebaut. Bald produziert LANXESS auch in Singapur.
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Die innere Reibung von Kieselgel-Füllstoffteilchen, die dem Gummi Stabilität verleihen, lässt sich zum Beispiel mit modifizierten SSBR-Kautschuken von LANXESS reduzie ren. Die Moleküle dieser Gummirohstoffe besitzen, verein facht gesprochen, eine hohe Dichte „klebriger“ Ankerstel len, die besonders gut an den harten Füllstoff-Körnchen haften und sie gewissermaßen mit einer dicken, reibungs vermindernden Gummihaut überziehen. Dieses „Ein packen“ der Kieselgel-Teilchen perfektioniert das Netzwerk aus Polymer und Füllstoff, was sich positiv auf Straßen haftung und Abrieb auswirken dürfte. Darauf weisen erste Labor- und Praxistests hin: Reifen aus den genannten Werkstoffen verfügen nicht nur über gute Rollwiderstands werte, sondern haften zugleich hervorragend auf der Straße – und sind obendrein sehr langlebig. Auch der „Expanderschnur“-Effekt kann bei der inneren Reibung eine Rolle spielen: Enthält ein Kautschuk zu viele Moleküle mit „losen Enden“, kann er Energie nicht optimal nutzen. Denn diese „losen Enden“ tragen wie ge rissene Expanderschnüre wenig zur Energieübertragung bei, müssen aber trotzdem mitbewegt werden. In Nd-BRKautschuken von LANXESS ist die Anzahl „loser Enden“ in der Gummimatrix deutlich niedriger als in anderen Rei fenkautschuken. Zugleich ergeben aktuelle Nd-BR-Kautschuke von LANXESS gleichmäßigere, einheitlichere Produkte als viele Polybu tadien-Kautschuke früherer Generationen. Außerdem hel fen weitgehend luftundurchlässige Butylkautschuke von LANXESS, den Reifendruck länger konstant zu halten.
Ein aktueller F&E-Schwerpunkt von LANXESS liegt in der gezielten Variation der Molekül-Mikrostruktur von StyrolPolybutadien-Reifenkautschuken. Neue Katalysatoren und eine immer weiter verfeinerte Verfahrenstechnik werden mithelfen, den Rollwiderstand neuer Hochleistungsreifen weiter zu senken, und damit dazu beitragen, die Reichwei te (unter anderem) von Elektroautos zu erhöhen und sie zugleich sicherer zu machen. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ darf aber nicht allein auf den Treibstoffverbrauch reduziert werden. Die Abfallvermei dung ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt. Auch hier bringen moderne, robuste Nd-BR-Kautschuke Pluspunkte: Sie ste cken zum Beispiel unsanfte Kontakte mit einem Bordstein besser weg als viele andere Gummiwerkstoffe. So erhö hen sie nicht nur die Sicherheit, sondern vermeiden auch Abfall. Auch besonders abriebbeständige Kautschuke in der Lauffläche tragen letztlich zu einer guten Umwelt-Per formance bei: Sie erhöhen nicht nur die Lebensdauer des Produkts, sondern helfen, die Feinstaubproblematik in den Städten zu entschärfen.
Kapazitätsausbau für hohe Nachfrage Um die wachsende Nachfrage nach den für „Grüne Reifen“ notwendigen Kautschuktypen bedienen zur kön nen, baut LANXESS seine Kapazitäten für HochleistungsKautschuke weltweit aus. So wurden im Jahr 2011 die Anlagen zur Produktion von Neodymium-PolybutadienKautschuk am brasilianischen Standort Cabo de Santo Agostinho (Bundesstaat Pernambuco) vergrößert. Mit
dem Ausbau wurde die Jahreskapazität auf 40.000 Ton nen verdoppelt. Darüber hinaus hat LANXESS die vor Ort eingesetzte Technologie an die seiner Nd-PBR-Anlagen in Deutschland und den USA angepasst. Auch die Produktionskapazitäten für Nd-PBR an den Stand orten Dormagen (Deutschland) und Orange, Texas(USA), hat LANXESS beträchtlich erweitert. Für diesen Synthese kautschuk plant LANXESS zudem ein neues Werk in Singa pur mit einem Investitionsaufwand von rund 200 Millionen Euro, das im Jahr 2015 in Betrieb gehen soll. Am brasilianischen Standort Triunfo hat LANXESS damit begonnen, die Produktion von Emulsionsstyrol-Butadien (ESBR), das in herkömmlichen Reifen verwendet wird, auf die Herstellung des in „Grünen Reifen“ eingesetzten Solu tion Styrol-Butadien-Kautschuk (SSBR) umzustellen. Eine entsprechende Investitionsentscheidung wurde bereits im Jahr 2012 getroffen. SSBR wird vorwiegend für die Lauffläche von Reifen ver wendet, um den Kraftstoff zehrenden Rollwiderstand zu reduzieren und gleichzeitig die Haftung auf nasser Straße zu verbessern. Auch Nd-PBR setzen die Reifenhersteller in der Lauffläche und zudem in den Seitenwänden von „Grünen Reifen“ ein, um nicht nur den Rollwiderstand, sondern gleichzeitig den Reifenabrieb zu reduzieren. Ein
geringerer Kraftstoffverbrauch und weniger CO2-Ausstoß gepaart mit höherer Sicherheit und längerer Haltbarkeit sind die positiven Folgen.
Forschungszentren
Additive für Hochleistungspneus Um aus den Hightech-Kautschuken „Grüne Reifen“ höchster Qualität fertigen zu können, sind nicht nur rund 20 unterschiedliche Kautschukvarianten erforderlich, sondern auch eine Vielzahl von Additiven. LANXESS und die Tochtergesellschaft Rhein Chemie Rheinau GmbH bieten ein breites Portfolio an polymergebundenen Chemikalien, Verarbeitungswirkstoffen, Vulkanisationsund Füllstoffaktivatoren, Lichtschutzwachsen, Trennmitteln, Reifenmarkierungsfarben sowie Hochleistungsbladdern für die Reifenherstellung an. Mit eigenen Laboren und Forschungszentren in allen Regionen gewährleistet der Konzern dabei Kundennähe und maßgeschneiderte Problemlösungen bei der Weiterentwicklung umweltver träglicher und leistungsstarker Produkte.
Die Spezialisten der Rhein Chemie bieten ihren Kunden auch anwendungstechnische Beratung.
In enger Zusammenarbeit zwischen Autobauern, Zulieferern und Kraftstoffproduzenten kann „Grüne Mobilität“ Wirklichkeit werden.
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Ă–kologisch und in puncto Sicherheit optimierte Autoreifen verringern den Treibstoffverbrauch deutlich.
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Mehr Transparenz führt zu erhöhtem Wettbewerb Wie wird sich die von der EU verordnete „Kennzeichnungspflicht für Autoreifen“ auf das Verbraucherverhalten auswirken? Welche Folgen haben die „Forderungen“ nach geringerem Rollwiderstand, höherer Langlebigkeit und verbesserter Sicherheit von Reifen auf die beteiligten Industriezweige und den internationalen Wettbewerb? Prof. Horst Wildemann gibt Antworten. Herr Prof. Wildemann, die Europäische Kommission den Reifen etwas für den Umweltschutz zu zahlen. verlangt künftig die Typprüfung und Kennzeichnung Die Verordnungen werden aber nicht nur zu einer Leistungs von Fahrzeugreifen. Was soll damit bewirkt werden? steigerung der Reifen führen, sondern durch die vom ReifenDas von der EU beschlossene Labeling von Pkw- und Lkw-Rei label geschaffene Transparenz für den Verbraucher auch für fen ist Teil des EU-Aktionsplans für Energieef erhöhten Wettbewerb unter den Reifenherstel fizienz. Dieser sieht vor, den Energieverbrauch lern sorgen. Auch werden andere Nationen wie „Der Marktanteil China, Südkorea und Japan ebenfalls Labels von Produkten durch Effizienzsteigerungen bis 2020 um 20 Prozent zu reduzieren. In diesem energieeffizienter nach dem europäischen Vorbild einführen, so speziellen Fall soll das Label zur Reduzierung dass nachhaltig die CO2-Emissionen im globa Reifen wird lang- len Individualverkehr gesenkt werden. des Kraftstoffverbrauchs von Straßenfahrzeu gen und der Steigerung der Verkehrssicherheit fristig steigen.“ Werden die neuen Vorschriften und die beitragen. Dem Verbraucher wird dazu ein ein strengeren CO2-Grenzwerte Einfluss auf heitliches Bewertungssystem für zentrale Leis das Verhältnis von Automobilherstellern und ihren Zutungsdimensionen eines Reifens zur Verfügung gestellt. Der lieferern haben? Endverbraucher wird dadurch bei der Beurteilung von Reifen Kaum. Bereits heute erfüllen die Reifen namhafter Hersteller hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit und Sicherheit unterstützt. wie Continental und Michelin die gesetzlichen Forderungen Das Label schafft also Transparenz. nach geringer CO2-Emission. Gleichzeitig haben sich auch die Wie werden sich die Kennzeichnung und die verschärften Anforderungen an die Reifeneigenschaften Wissenschaftler und Berater auf den Markt auswirken? Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Horst Die Einführung eines Labels für Reifen wird in Verbindung mit Wildemann studierte in Aachen und Köln Maschinenbau (Dipl.den verschärften Anforderungen langfristig zu einem Anstieg Ing.) und Betriebswirtschaftslehre des Marktanteils energieeffizienter Reifen führen. Diese Ent (Dipl.-Kfm.). Nach einer mehrjähwicklung hat mit der Kennzeichnungspflicht für sogenannte rigen praktischen Tätigkeit als Inweiße Ware ein sehr anerkanntes und erfolgreiches Vorbild. genieur in der Automobilindustrie promovierte er 1974 zum Hier wurde im Jahr 2002 erstmals eine Kennzeichnungs Dr. rer. pol., Auslandsaufenthalte pflicht eingeführt. Diese hat den Stromverbrauch der Gerä am Internationalen Management te im Markt europaweit nachhaltig verringert. Dadurch wurde Institut in Brüssel und an amerikanischen Universitäten schlossen sowohl der Geldbeutel der Verbraucher als auch die Umwelt sich an. 1980 habilitierte klar entlastet. Da das Umweltbewusstsein in Deutschland seit er (Dr. habil.) an der Universität her gestiegen ist, werden die Verbraucher bereit sein, auch bei
Lärmschutz
Ein vom Forschungsverbund „Leiser Straßenverkehr“ entwickeltes Simulationsmodell ermöglicht es Reifenherstellern, mathematisch den Lärmpegel eines neuen Reifens schon vor der Produktion des ersten Exemplars zu ermitteln.
zu Köln. Seit 1980 lehrt er als ordentlicher Professor für Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten Bayreuth, Passau und seit 1988 an der Technischen Universität München. Neben seiner Lehrtätigkeit steht Prof. Wildemann einem Beratungsinstitut mit über 60 Mitarbeitern für Unternehmensplanung und Logistik vor. Für führende Industrieunternehmen ist Prof. Wildemann als Berater, Aufsichts- und Beiratsmitglied tätig.
INTERVIEW Prof. Wildemann
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Rubber Day
Im Rahmen des Rubber Day Germany von LANXESS im November 2011 stellte Prof. Horst Wildemann die Ergebnisse der Reifenstudie seines Instituts TCW Transfer-Centrum vor.
Optimierte Autoreifen leisten einen wesentlichen Beitrag zum Spritsparen und Klimaschutz.
Kautschukhersteller auf die neuen gesetzlichen Forderungen eingestellt. Von Bedeutung dürfte jedoch die Kommunikation der Reifenkennzeichnung gegenüber dem Verbraucher sein. Die Verantwortung der Reifenhersteller, der Reifenhändler so wie der Fahrzeughersteller und -händler ist hierbei in der EUVerordnung Nr. 1222/2009 zur Kennzeichnung von Reifen eindeutig geregelt.
Kautschukproduzenten beteiligt. Ein Ergebnis der Zusam menarbeit in Netzwerken wird anhand des Michelin Tweel, in einer Kombination aus Rad und Reifen ersichtlich. Diese Neu entwicklung wurde durch die enge Zusammenarbeit der ein zelnen Teilnehmer der Lieferkette gestärkt.
In welchen Bereichen der Reifenproduktion liegen die größten Innovationspotenziale? Was können KautWas bedeutet das für die einzelnen Beteiligten der schuk- und Additivlieferanten zur Weiterentwicklung Lieferkette? „Grüner Reifen" beitragen? Reifenhersteller stehen zukünftig in der Verantwortung, alle Die Innovationspotenziale verteilen sich zwischen den Reifenan Händler oder Endnutzer gelieferten Reifen auf der Lauf und Automobilherstellern sowie der Kautschukindustrie. Be fläche mit dem genormten Aufkleber zur Kennzeichnung reits in der Vergangenheit wurden von der Kautschukindustrie der Kraftstoffeffizienzklasse, des externen intensive Anstrengungen vorgenommen, um Rollgeräuschs und der Nasshaftung zu die Eigenschaften von Reifen zu verbessern. In „Ein Emissionsversehen. Hingegen stehen Reifenhändler novative Kautschukmischungen und Hochleis in der Pflicht, den Aufkleber deutlich tungsadditive heben Zielkonflikte der Vergan rückgang um sichtbar dem Endnutzer zu präsentieren. genheit auf und ermöglichen die ganzheitliche 30 Prozent bis Auch Fahrzeughersteller und -händler Optimierung aller Fahreigenschaften. müssen für die Bereifung eines Neufahr 2020 würde in der Haben neue Antriebskonzepte wie Elekzeugs dem Endnutzer vor dem Verkauf EU sechs Millionen trofahrzeuge oder Stadtautos Einfluss für jeden angebotenen Reifen Informaauf die Reifenbeschaffenheit? tionen zur Kraftstoffeffizienzklasse, zum Jobs schaffen.“ Sowohl für Autos mit elektrischen Antrieben externen Rollgeräusch und zur Nasshaf als auch für Stadtautos muss das Pflichten tung zur Verfügung stellen. heft für die Entwicklung von Reifen neu überdacht werden. Ergeben sich aus den höheren QualitätsanforderunHeutige Reifen sind nach einem fein abgestimmten Ge gen veränderte Verantwortlichkeiten zwischen den samtgefüge aus Eigenschaften – wie etwa Handling, Nass betroffenen Industriezweigen? haftung, Komfort und Rollwiderstand – aufgebaut. Doch Mit einer gesteigerten Anforderung an zukünftige Reifen steht dieses Gleichgewicht wird durch die veränderten Anforde die Lieferkette vor der Herausforderung, die Weiterentwick rungen neuer Konzepte wie Stadtautos und Elektromobilität lung ihrer Produkte voranzutreiben. Bereits in der Vergangen anzupassen sein. heit wurden zahlreiche Innovationen aus dem Zusammenspiel Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass heutige Elektroau einzelner Hersteller der Lieferkette geschaffen. So konnten tos nur über eine sehr limitierte Reichweite verfügen, ist davon mit der Einführung von Silica wesentliche Reifenparameter auszugehen, dass diese hauptsächlich im urbanen Raum ein deutlich verbessert werden. Die neuen Anforderungen an die gesetzt werden. Das bedeutet, dass Reifen weniger für hohe Reifenindustrie stärken die Bildung von Innovationsnetzwer Geschwindigkeiten und Fahrten im Grenzbereich ausgelegt ken. So sind an der Weiterentwicklung von neuartigen Reifen sein müssen als vielmehr auf die besonderen Ansprüche des neben den Reifenherstellern auch die Fahrzeughersteller und städtischen Verkehrs. Die Reduzierung von Rollwiderstand und Abrollgeräuschen rückt dabei noch stärker in den Blickpunkt als bei heute gängigen Reifen. Zu berücksichtigen ist auch die Reduktion des durch Reifenabrieb verursachten Feinstaubes. Hinzu kommt, dass bei niedrigen Geschwindigkeiten die Ge wichtsreduzierung relativ zu anderen Faktoren (wie dem Luft widerstand) an Bedeutung gewinnt. Sie wirkt sich direkt auf den Rollwiderstand aus und kann so zu einer Erhöhung der Reichweite (speziell von Elektrofahrzeugen) beitragen. Also werden nicht nur Leichtlaufreifen benötigt, sondern auch Reifen, die zur Gewichtsreduktion des Fahrzeuges beitragen. Wie werden sich die EU-Vorschriften ökologisch und ökonomisch auswirken? Die EU sieht sich in der Verantwortung, die ökologischen Ziel setzungen durch die Einführung und stetige Anpassung von Verordnungen mit der ökonomischen Ebene zu harmonisie ren. Dieses Ziel soll vor allem durch eine kontinuierliche Anhe bung von Mindestanforderungen an die Energieeffizienz und
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Höchstwerte für die CO2-Emissionen von Straßenfahrzeugen erreicht werden. Pkw- und Nutzfahrzeug-Reifen stellen auf grund ihres hohen Einflusses auf diese Faktoren einen zent ralen Stellhebel bei der Strategieumsetzung dar und werden bereits in EU-Normen und ECE-Regelungen berücksichtigt. Dieser politisch hervorgerufene Pull-Faktor wird die Entwick lungsgeschwindigkeit der europäischen Reifenindustrie in den kommenden Jahrzehnten weiter beschleunigen. Die im März 2011 von der Europäischen Kommission vor gelegte Agenda „Roadmap 2050“ zielt auf eine Senkung der Treibhausgasemissionen der EU-Staaten bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 ab. Um dieses hochgesteckte Ziel zu erreichen, rechnet die Kommission mit einem zusätzlichen jährlichen Investitionsbedarf von 270 Milliarden Euro (1,5 Prozent des EU-BIP) bis 2050. Den hohen Investitionen steht dabei neben den ökologi schen Vorteilen auch ein hoher wirtschaftlicher Nutzen gegenüber. So kommt eine für das Bundesumweltministerium durchgeführte Studie zu dem Schluss, dass ein Emissionsrückgang um 30 Prozent bis zum Jahr 2020 bis zu sechs Millionen neue Jobs in der EU schaffen würde. Welche Stärken können europäische Kautschukhersteller auf dem Weltmarkt in die Waagschale werfen? Europäische Kautschukhersteller zeichnen sich im internati onalen Vergleich vor allem durch ihr weitreichendes techno logisches Know-how aus. Insbesondere die Technologiefüh rerschaft im Bereich des Reifenkautschuks ist für europäische Erzeuger ein wichtiger Wettbewerbsvorteil. Aufgrund des stei genden Ökologiebewusstseins und strikterer Umweltgesetze wird aktuellen Studien zufolge in Zukunft die Nachfrage nach "Grünen Reifen" weltweit ansteigen. Die internationale Aus richtung und die Nähe zu bedeutenden Schlüsselmärkten mit hohen Wachstumsraten ist für europäische Kautschukhersteller ein weiterer zentraler Erfolgsfaktor. Mit welchen Argumenten kann der Endverbraucher letztlich überzeugt werden, sich für umweltfreundlichere, aber teurere Reifen zu entscheiden? Ein primäres Entscheidungskriterium ist für den Verbraucher häufig der Preis oder das Preis-Leistungs-Verhältnis. Im Rah men einer Studie wurde vom TCW Transfer-Centrum bereits ein Tool entwickelt, das diese Wirtschaftlichkeitsbetrachtung in Abhängigkeit multivariater Faktoren wie Fahrverhalten, Fahr profil und Reifendruck individuell ausdrücken kann. Unabhän gig von finanziellen Kriterien wurden Verbraucher durch die mediale Präsenz der globalen Erwärmung gegenüber umweltschonenden Maßnahmen sensibilisiert. Regierungsseitige Initiativen, wie das von der EU eingeführte Tire-Labeling, bieten eine objektive Informationsplattform für Verbraucher und gleichzeitig die Chance einer Differenzierung für Reifen hersteller. Verbrauchs- und Fahrsicherheitseigenschaften lassen sich so mühelos kommunizieren. Was kann das von Ihnen entwickelte Tool zur Ermittlung individueller Einsparungen bei Reifen bewirken? Das Tool kann für die Anpassung des Kauf- und Fahrverhal
Künftig muss der Verbraucher sowohl beim Autokauf als auch beim Erwerb von Ersatzreifen mit dem Label über die Reifeneigenschaften informiert werden.
tens der Verbraucher eingesetzt werden. Diese Verhaltensan passung beeinflusst in erheblichem Maße das Erreichen der im Rahmen der EU-Verordnungen ermittelten Potenziale. Zur gezielten Veränderung des Verhaltens setzt das Tool bei den Ausgaben des Verbrauchers an. Durch die Quantifizierung und Visualisierung der Einsparpotenziale in Bezug auf Kosten, Verbrauch und Emission kann eine Veränderung im Fahr- und Kaufverhalten des Verbrauchers ausgelöst werden, was bei spielsweise den Kauf rollwiderstandsarmer Reifen bewirkt. Aus gangsbasis des Tools bilden die individuellen Parameter des Nutzers zu seinem Fahrzeug. Dazu gehören der eingesetzte Reifentyp, der Reifenfülldruck, aber auch sein Fahrverhalten. Ziel des Tools sind die verbraucherindividuelle Ermittlung und Visualisierung von Einsparpotenzialen beim Verbrauch sowie bei der CO2- und Feinstaubemission durch die Verwendung rollwiderstandsarmer Reifen, Anpassungen beim Reifenfüll druck sowie Änderungen im Fahrverhalten. Einem Autofahrer, der im Tool eine jährliche Fahrleistung von 30.000 Kilometern angibt, werden beispielsweise bei einem Wechsel von Standardreifen zu rollwiderstandsarmen Reifen Einsparungen von 1.000 Euro aufgezeigt. Diese kann er rea lisieren, wenn er gleichzeitig weitere Maßnahmen zur Steige rung der Energieeffizienz trifft. Dazu zählen die regelmäßige Überprüfung des Luftdrucks, angepasster Fahrstil sowie gerin ge Spurwechselintensität. Zudem zeigt das Tool dem Autofah rer auf, dass er gleichzeitig die CO2-Emissionen um bis zu 700 Kilogramm reduzieren kann. Auch die Feinstaubbelastung durch energieeffiziente Reifen fällt bis zu 30 Prozent geringer aus. Das Fahrgeräusch wird um bis zu 20 Prozent reduziert.
Qualitätsmerkmale Rollwiderstand CO2-Emissionen
Grip Sicherheit
Langlebigkeit Weniger Feinstaub
Die drei wesentlichsten Qualitätsmerkmale eines Reifens sollen künftig durch das obligatorische Labeling der Reifen für den Verbraucher transparent gemacht werden. Ein spezielles Tool für den Rechner gibt Entscheidungshilfe.
Welche weiteren Verbesserungspotenziale sehen Sie im Bereich „Grüne Reifen"? Die Kautschukindustrie forciert die Weiterentwicklung von Rei fenmischungen. In diesem Bereich liegen die neuesten Ent wicklungstrends in der Synthese von Nanoprenen. Diese ver bessern die Produkteigenschaften deutlich, ohne dass eine tiefgreifende Änderung der Produktionsprozesse nötig ist. Herr Prof. Wildemann, vielen Dank für dieses Gespräch.
INTERVIEW Prof. Wildemann
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Consecte dolorti nciliquam, quatue volut nulla feuisisl dolor sustrud ming et nonsecte er si.
Ob bei Hitze oder K채lte, bei Regen, Schnee oder Eis, bei schneller Fahrt oder im Gel채nde: F체r jede Gelegenheit gibt es das passende Profil.
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Reifen mit Charakter Zunächst einmal dient das Reifenprofil der Sicherheit: Es mildert Aquaplaning, verbessert den Grip auf der Fahrbahn oder malmt sich durch Schnee und Matsch. Doch ob symmetrisch oder asymmetrisch – optisch sollte das Reifenprofil auch etwas hermachen. Da die Welt nun einmal nicht nur aus wohltemperierten Trockengebieten besteht, sondern Regen, Schnee, Eis und Matsch auch die besten Straßen in gefährliche Rutschbah nen verwandeln können, benötigen Reifen in der Lauffläche ein Profil, das eine ganze Reihe von Aufgaben erfüllen muss. Der Reifen soll • durch gute Haftung auf der Fahrbahn für maximale Kraft übertragung und für einen kurzen Bremsweg sorgen; • auch auf regennassen Straßen einen guten Grip gewähr leisten und • Aquaplaning verhindern; • für einen möglichst leisen Lauf sorgen; • viele Kilometer weit rollen und dazu auch noch • möglichst dynamisch sportlich aussehen. Denn vor allem die Kunden hochwertiger und schneller Autos achten zunehmend darauf, dass nicht nur die Felgen ihres Fahrzeugs, sondern auch die Pneus eine gute Figur machen. Inspiriert von den Walzen auf den Formel-1-Boli den, werden die Reifen immer breiter (sportlicher) – und je breiter, desto wichtiger wird das Profil.
Blöcke, Rillen und Lamellen Und schließlich erfordern die unterschiedlichen Wetter bedingungen der Jahreszeiten zusätzliche Kreativität von den Profilentwicklern. Kälte, Schnee, Eis und Matsch stellen an Material und Profil andere Anforderungen als trockene Straßenverhältnisse in der warmen Jahreszeit. Kein Wunder also, dass eine Reihe von Reifenherstellern eigene Abteilungen für Profildesign aufgebaut hat oder ex
terne Designunternehmen beschäftigt. Getüftelt wird nicht nur an neuen Profilmustern und Lamellenstrukturen, son dern ebenso intensiv an optisch auffälligen, ja fast künst lerisch gestalteten Rillenmustern und Blockformen. Das Profildesign hat jedenfalls nicht mehr viel gemein mit dem traditionellen Mix aus Längs-, Quer- und Zickzackrillen. Die grundlegenden Profilelemente sind Profilblöcke (Profilpositiv), Profilrillen (Profilnegativ) und Lamellen – schmale Ritzen in den Blöcken, die sich beim Kontakt mit der Fahrbahn spreizen und sich an der Straßenoberfläche quasi festkrallen. Während die Profilblöcke für die Haftung am Boden sorgen, erfüllen die Rillen vor allem auf nasser Fahrbahn ihren Zweck: Sie nehmen das Wasser auf und leiten es seitlich ab. Dadurch wird das gefürchtete Aquaplaning vermindert und bei Geschwindigkeiten unter 100 km/h sogar weitgehend verhindert. Sommerreifen haben einen relativ hohen Anteil an Profil positiv, wobei es bei schmaleren Reifen bis zu 70 Prozent der Laufstreifenoberfläche betragen kann; Breitreifen be nötigen wegen ihrer größeren Anfälligkeit für Aquaplaning mehr Rillen und Kanäle (rund 50 Prozent), damit der Rei fen auf regennasser Straße nicht „aufschwimmt“, sondern möglichst viel Wasser „schlucken“ und gleich wieder aus spülen kann. Dabei dürfen aber die Reifenblöcke nicht zu klein geraten, da sie sich sonst beim Aufschlagen auf die Straße zu früh und zu stark verformen würden – schlechtere Haftung und lautere Geräusche wären die Folge.
Abflusssystem
Damit der Reifen auf nasser Fahrbahn nicht „aufschwimmt“, sind die Rillen des Profils so miteinander verbunden, dass das Wasser gut verdrängt wird und leicht abfließen kann. Computersimulationen weisen den richtigen Weg.
REIFENDESIGN
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Blickfang Ob dynamisch für eine Sportwagenstudie oder wuchtig grobstollig für einen SUV-Prototyp, ob futuristisch und bizarr oder ornamental – bei den Vorgaben der Autohersteller für das Profilmuster von Reifen für Konzeptfahrzeuge stehen optische Motive im Vordergrund. Der Reifen muss zum Charakter des Fahrzeugtyps passen.
Charaktereigenschaften Winterreifen haben nicht nur tiefere Profile, sondern auch breitere Rillen, in die sich der Schnee drückt und durch Schnee-Schnee-Reibung für zusätzliche Haftung sorgt. Die im Vergleich zu Sommerreifen weicheren Profilblöcke wiede rum verformen sich beim Anfahren und Bremsen, was den Grip auf dem winterlichen Untergrund verstärkt. Die unterschiedlichen Muster der Profile haben neben optischen Effekten vor allem verbesserte Eigenschaften zum Ziel: hohe Laufruhe, maximale Wasserableitung, stabiles Kurvenverhalten und möglichst geringe Geräuschentwick lung, um nur einige zu nennen. Da ziehen sich Zickzackmuster über die Lauffläche, andere Profilblöcke sind V- oder W-förmig; der eine Designer setzt auf geschwungene Rillen, die an die Adern eines Blatts (BioDesign) erinnern, andere ordnen die Block- und Rillenmus ter asymmetrisch an, um den unterschiedlichen Belastungen auf der Innen- und Außenseite des Reifens Rechnung zu tragen: Hohe Blocksteifigkeit an den Außenschultern erhöht die Kurvenstabilität, offene Strukturen auf der weniger be lasteten Innenschulter verbessern die Wasseraufnahme und -ableitung. Außerdem dämpft das asymmetrische Design den Geräuschpegel durch geringere Resonanzfrequenz.
Spezialisten für alle Umstände Fast alle namhaften Reifenhersteller bieten auch Pneus an, deren Profil nur für eine Laufrichtung konzipiert ist. Dadurch reduzieren sie die Gefahr von Aquaplaning und erhöhen die Haftung auf Schnee und Eis. Die Montage solcher Reifen mit laufrichtungsgebundenem Profil verlangt aber zusätzliche Aufmerksamkeit, denn der rechte und der linke Reifen dürfen nicht vertauscht werden – ein Nachteil, vor allem wenn es um die Erstausrüstung von Großserienfahrzeugen geht. Bei Winterreifen läuft ohne Lamellen gar nichts. Diese hauchdünnen Rillen im Profil verbessern auf unterschied lichste Weise das Verhalten des Reifens bei extremen Straßenverhältnissen: Gerade Lamellen in der Profilmitte, die
in einem 90-Grad-Winkel zur Fahrtrichtung verlaufen, sorgen zum Beispiel für guten Grip bei Schnee; wellenförmige Lamellen – je mehr, desto besser – verbessern die Stabilität des Fahrzeugs beim Beschleunigen und Bremsen. Dunlop hat sich eine spezielle Lamellenform sogar patentie ren lassen: die dreidimensional ausgeformte Lamelle (3-DLamelle). Diese feinen Kerben haben an ihrer Seite eine rautenförmige Struktur, vergleichbar mit einem Waffeleisen. Damit können sie bei Schnee sehr „bissig“ greifen und für sichere Bodenhaftung sorgen. Auf trockener Straße dagegen schließen und verhaken sich die Lamellen gewissermaßen zu festen Profilklötzen und verbessern die Kraftübertragung (Traktion) vom Reifen auf die Straße. Die 3-D-Lamellen der Dunlop-Reifen sitzen auf der Reifen schulter, wo die wesentlichen Radführungskräfte auftreten, und optimieren so die Richtungs- und Spurstabilität. Natürlich verlangen geländegängige Fahrzeuge und die beliebten Sport Utility Vehicles (SUV) spezielle, meist grobstolligere Reifenprofile, die der bulligen Optik und der Gelän degängigkeit solcher Fahrzeuge gerecht werden und dem Reifen selbst ein markantes Gesicht verleihen.
Exoten für die Optik Und selbst für Autostudien, die auf keiner Automobilausstel lung fehlen dürfen, ordern Autobauer bei den Reifendesig nern spezielle Pneus, die ganz zum Outfit der Konzeptautos passen. Dabei handelt es sich beim Profil dieser Pneus um reine Handarbeit: In die Lauffläche der profillosen Reifenroh linge kerben Handwerker wie bei einem Linolschnitt speziell für den Autotyp entworfene Profilmuster: Rillen oder Schlei fen, grobe Stollen oder exotisch anmutende Ornamente (sie he links). Mit der Reifenentwicklung hat diese künstlerische Arbeit freilich nichts zu tun. Das ist reines „Showgeschäft“.
Kunst aM reifen
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REIFENDESIGN
Während namhafte Markenreifenhersteller eigene Designabteilungen betreiben und hochspezialisierte Profilentwickler beschäftigen, die sich ausschließlich mit Formen, Wirkungsweisen und optisch-ästhetischen Aspekten des Reifenprofils befassen, arbeitet der niederländische Reifenhersteller Vredestein
Bei diesen Reifen von Giugiaro waren nicht nur Ingenieure am Werk, sondern auch Künstler. Die italienischen Stylisten von Italdesign gestalten für Vredestein Profile nach ästhetischen Gesichtspunkten – ohne dabei die Leistung zu vernachlässigen.
zusätzlich mit der renommierten italienischen Designfirma Giugiaro zusammen. Die Geschäftsbeziehung begann 1999 und führte seitdem zu einer attraktiv gestylten Reifenfamilie, die besonders Fahrer sportlicher und hochklassiger Fahrzeuge bedient. Zwar hat auch bei Vredestein/Giugiaro die Funktion
des Profils Vorrang, doch die optischen Aspekte treten fast gleichrangig daneben. Ergebnisse der Zusammenarbeit sind Hochleistungs-Pneus für Sommer und Winter wie unter anderem der Typ Ultrac Sessanta (Sommer) und der Wintrac 4 Xtreme. Firmengründer Giorgetto Giugiaro hat sich vor allem als Designer von Automobilen einen internationalen Ruf erworben. Auf seinem Zeichentisch nahm einst auch der erste Golf von Volkswagen Gestalt an. An den Computern und in den Werkstätten der Giugiaro-Firma Italdesign in Turin entstanden außerdem aufregende Modelle von Ferrari und zahlreiche Fiat-Typen. Zuletzt arbeiteten die Turiner Stylisten für BMW an der zweiten Generation des Mini.
Boxenstopp
Reifenlieferant Pirelli möchte die Rennteams mindestens zweimal zum Reifenwechsel veranlassen, damit die Spannung steigt.
Trockenreifen
Das Red Bull Team mit Sebastian Vettel war auch in der Saison 2012 nicht zu schlagen.
Siegertypen der Formel 1 Von 0 auf 100 km/h in 2,5 Sekunden: Da ist nicht nur der 850 bis 910 PS starke Motor gefordert. Die Hinterreifen eines Formel-1-Boliden müssen diese Kraft und Beschleunigung auf die Fahrbahn übertragen – und zwar möglichst ohne durchzudrehen. Bei Tempo 100 hat der Rennwagen immerhin 37 Meter abgespult. Beim Sprint von 0 auf 200 km/h legen Sebastian Vettel & Co. binnen fünf Sekunden 140 Meter zurück. Das klappt nur, wenn die Hinterreifen optimal haften, ohne auf der Fahrbahn quasi zu kleben, also zu hohen Rollwiderstand zu zeigen. Bei einer Vollbremsung aus 200 km/h wiederum steht ein Formel-1-Bolide innerhalb von 55 Metern, ein Vorgang, der 1,9 Sekunden dauert. Dabei entstehen Verzögerungskräfte von bis zu 5 g, ein Körper wird somit um das Fünffache schwerer. Auf die Reifen wirken bei einer solchen Vollbremsung in Längsrichtung fast 2,5 Tonnen. Gewaltig ist auch die Belastung für die Reifen in Kurven, wenn Seitenführungskräfte auf die Pneus einwirken. In einer mittelschnellen bis schnellen Kurve, die mit rund 150 km/h durchfahren wird, wirken Fliehkräfte von bis zu 3,2 g, die den Reifen viel abverlangen: Sie müssen in der Lage sein, Seitenführungskräfte von rund 2,2 Tonnen auszuhalten. Selbst bei der Geradeausfahrt wirken auf die Reifen gewaltige Kräfte ein. Bei Tempo 350 km/h – auf den Geraden des Hockenheimrings oder der Rennstrecke von Barcelona nichts Außergewöhnliches – zerren an den Reifen wegen der hohen Umdrehungs geschwindigkeit der 13-Zoll-Reifen so enorme Zentrifugalkräfte, dass sich eine nicht ausreichend stabile Lauffläche wölben würde. Gleichzeitig werden die Reifen
durch den Anpressdruck der Boliden-Flügel mit der Gewalt von mehr als einer Tonne auf die Fahrbahn gepresst – schon bei Tempo 150 ist bei einem Formel-1-Wagen der Anpressdruck der Flügel so stark, dass das Fahrzeug an der Decke fahren könnte. Diesem Druck müssen vor allem die Seitenwände der Reifen widerstehen, ohne ihre Federungsfunktion zu verlieren. Denn die Reifen müssen bei den extrem steifen Boliden einen Großteil der Federungs- und Dämpfungsarbeit übernehmen.
Aufwändige Entwicklung Kein Wunder, dass sich nur wenige Reifenhersteller dieses kostspielige Engagement leisten. Seit der Saison 2011 liefert Pirelli exklusiv die Reifen an die Formel-1-Teams. An jedem Rennwochenende muss das italienische Unternehmen pro Fahrer maximal elf Sätze Trockenreifen, vier Sätze Intermediates für gemischte Verhältnisse und drei Sätze Regenreifen für sehr nasse Fahrbahnen zur Verfügung stellen. Zu jedem der 20 Rennen müssen 1.800 Pneus transportiert werden. Die Farbe der Reifenbeschriftung kennzeichnet den Reifentyp: Regenreifen (Orange), Intermediate (Hellblau); Slicks: supersoft (Rot), soft (Gelb), medium (Weiß), hart (Silber). Die Trockenreifen – wie alle anderen in 13 Zoll – haben einen Durchmesser von 660 Millimetern und sind vorn 245 und hinten 325 Millimeter breit. Die Regenreifen wiederum haben einen Durchmesser von 670 Millimetern und sind vorn 225, hinten 325 Millimeter breit. Sie können bei einer Geschwindigkeit von 300 km/h über 60 Liter Wasser pro Sekunde verdrängen.
Die Intermediate-Reifen haben einen Durchmesser von 665 Millimetern und sind genauso breit wie die Regenreifen (225 und 325 Millimeter). Der Vorderreifen wiegt jeweils rund neun Kilogramm, während der Hinterreifen durch seine größere Breite etwas schwerer ist. Pro Saison fertigt der italienische Hersteller in seiner „Fabrik der Champions“ im türkischen Izmit in der Nähe von Istanbul rund 50.000 Formel-1-Reifen.
Je Rennwochenende dürfen pro Fahrer maximal elf Sätze Trockenreifen ...
Intermediates
Konstruktionsmerkmale Mit der Karkasse bestimmt der Reifenhersteller das Federverhalten des Reifens. Bei Formel-1-Pneus bildet die Karkasse im Querschnitt eine Ellipse und prägt damit die typische „Ballonform“ der Reifen. Denn wegen der starken Motorkraft müssen die Reifen in der Lage sein einzufedern, um ihre Aufstandsfläche zu vergrößern und dadurch die Traktion optimal auf die Fahrbahn zu übertragen. F1-Pneus werden deshalb auch nur bis zu einem Druck von 1,1 bar (normale Pkw rund 2,5 bar) aufgepumpt – und zwar mit einer Mischung aus Luft und Stickstoff, die sich nicht so stark erhitzt wie reine Luft und sich somit weniger ausdehnt. Der Gürtel aus hochstabilen Fasern wie Kevlar® oder Rayon®, der sich unter der Lauffläche in mehreren Lagen und in unterschiedlichen Faserwinkeln um den Reifen spannt, soll verhindern, dass sich die Lauffläche infolge der hohen Fliehkräfte wölbt. Pirelli hat seine Reifen so ausgelegt, dass die Fahrer möglichst zwei Boxenstopps einlegen müssen – damit soll den Zuschauern der Rennen noch mehr Spannung geboten werden.
... vier Sätze Intermediate-Reifen ...
Regenreifen
... und drei Sätze Regenreifen verwendet werden. Bei Bedarf kann nach Entscheidung der FIA ein weiterer Reifensatz zur Verfügung gestellt werden.
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Moderne Reifen müssen Hochgeschwindigkeiten von mehr als 300 km/h aushalten.
Schnelle Sommerspezialisten
SommerreifenAsymmetrie Moderne Reifentechnologie setzt auf asymmetrische Profile in den Laufflächen mit unterschiedlichen Gummimischungen.
Mit der Leistungssteigerung der Automobile steigen die Anforderungen an die Reifen. Hinzu kommt die perma nente Herausforderung an die Reifenhersteller und ihre Zulieferer, den Rollwiderstand zu senken, um Kraftstoff zu sparen. Diese Leistungsanforderungen brachten eine Vielzahl von Sommerreifen in unterschiedlichsten Grö ßen, Breiten und Geschwindigkeitsklassen hervor. Alle müssen jedoch mit den typischen Sommerbedingungen auf der Straße zurechtkommen: • mit hohen Temperaturen der Fahrbahn infolge von Son neneinstrahlung, • sowohl mit trockenen als auch feuchten und nassen Fahrbahnoberflächen sowie • mit hohen Geschwindigkeiten und entsprechender Hit zeentwicklung. Die Herausforderung für den Reifenkonstrukteur steigt zu dem mit der Breite der sportlichen Reifen. Denn Breitrei fen stellen hohe Anforderungen an die Konstruktion, um eine gleichmäßige Haftung des Reifens mit geringer Nei gung zum Aquaplaning zu gewährleisten.
Sicher auf trockener und nasser Straße Fahrsicherheit und Handling verbessern bei Hochleistungs breitreifen auch die Technik, in der Lauffläche zwei unter schiedliche Gummimischungen zu verarbeiten: Die obere (Cap) optimiert den Grip auf der Straße, die untere (Base) ist härter und sorgt für präziseres Lenkverhalten. 86
SOMMERREIFEN/Winterreifen
Bei den Profilen von Sommerreifen setzte sich in jüngs ter Vergangenheit zunehmend ein asymmetrisches De sign durch. Ein sehr wichtiges Kriterium für einen guten Reifen ist seine Geräuschentwicklung – je weniger, desto besser. Höchstes Augenmerk richten die Reifeningenieure auf den Rollwiderstand, um den Kraftstoffverbrauch und da mit den CO2-Ausstoß zu verringern. Als Faustregel gilt: Fünf Prozent weniger Rollwiderstand bringen ein Prozent weniger Kraftstoffverbrauch. Dabei darf allerdings die Si cherheit – also Bodenhaftung, Fahrverhalten und Nass haftung – nicht leiden.
Wichtig: Druckkontrolle Doch auch die besten Hightech-Reifen versagen, wenn der Druck im Pneu nicht stimmt. Zu geringer Reifendruck beeinträchtigt nicht nur die Fahrsicherheit und Lebens dauer eines Reifens, sondern erhöht auch den Kraftstoff verbrauch: Liegt der Reifendruck um ein Bar unter dem Richtwert, steigt der Verbrauch bei konstanter Geschwin digkeit von 90 km/h um rund drei Prozent. Auch das ist ein Argument für die Autoentwickler, die Rei fen vom Bordcomputer permanent elektronisch prüfen zu lassen und den Fahrer rechtzeitig zu warnen, wenn der Druck zu schwach ist.
Mit Grip durch den Winter Qualität und Bauart des Winterreifens spielen die zentrale Rol le, um auf eisglatten, schneebedeckten und nassen Straßen die fahrdynamischen Kräfte beim Anfahren, Bremsen und Kurvenfahren wirksam auf die Fahrbahn zu übertragen. Doch was macht einen Reifen wintertauglich? Für die deutlich bessere Reifenhaftung beim Anfahren, Bremsen und in Kur ven auf Schnee, Eis, Matsch und bei Nässe sorgen • Gummimischungen in der Lauffläche mit chemischen Zusätzen wie Silica und hohem Naturkautschukanteil, die auch bei Kälte nicht hart werden; • ein Profildesign mit tief ausgeprägten Rillen, dessen Geomet rie häufig symmetrisch oder asymmetrisch gestaltet ist sowie • tausende feine Lamellen in den Profilblöcken.
Sicherheitsfaktoren Silica und Lamellen Einer der wichtigsten Bestandteile der Gummimischung von Winterreifen ist Silica, ein Kieselsäureprodukt, das die Reiß festigkeit des Gummis erhöht, ohne das Material zu verhärten. Zudem verringert Silica den Abrieb, steigert die Laufleistung und verbessert die Haftung des Reifens. Doch ohne ausgeklügelte Profilgeometrie könnten auch
die raffiniertesten Gummimischungen im Winter ihr Poten zial nicht voll entfalten. Breite Rillen und ein im Vergleich zu Sommerreifen höherer Negativanteil des Laufflächenprofils gewährleisten eine hohe Sicherheit vor Aquaplaning. Die breiten und tiefen Rillen können auch viel Schnee aufneh men, wodurch eine hohe Schnee-Schnee-Reibung, also eine gute Haftung entsteht. Einen wesentlichen Fortschritt in der Winterreifentechnolo gie brachten Lamellen: Bis zu 2.500 dieser feinen Einschnitte in den Profilblöcken steigern die Haftung sogar auf vereister Fahrbahn, ermöglichen damit eine bessere Traktion, kürzere Bremswege und sicheres Kurvenverhalten.
WinterreifenSicherheit Bis zu 2 .500 feine, unterschiedlich lange Einschnitte in den Profilblöcken erhöhen die Sicherheit auf Eis und Schnee.
Highspeed im Winter Auch Fahrer leistungsstarker Fahrzeuge kommen auf ihre Kos ten, wenn es um Sicherheit, Schnelligkeit und Ästhetik geht. Entsprechend der gekennzeichneten Kategorie sind Höchstge schwindigkeiten von 190 km/h (Geschwindigkeits-Indices T) bis zu 300 km/h (Y ) möglich. Und sogar exklusive optische Wünsche an den Winterreifen können inzwischen mit Winter-Breitreifen erfüllt werden.
Reifenspezialisten für Schnee und Eis verdanken ihre Wintereigenschaften der richtigen „Mischung“.
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Hart im Nehmen Der größte Durchmesser: 4,03 m Mit dem „V-Steel E-Lug S“ bietet der japanische Reifenhersteller Bridgestone zurzeit den größten Radialreifen der Welt an.
Bei solchen Dimensionen gerieten sogar Experten ins Stau nen. Vor einigen Jahren präsentierte der japanische Reifen hersteller Bridgestone den größten Radialreifen der Welt: Er hat einen Durchmesser von 4,03 Metern und ein Gewicht von 5,2 Tonnen. Solche Monster bewegen Monstermaschi nen in den Minen der Welt. Sie transportieren Erze und kön nen Lasten von 365 Tonnen tragen. Der Preis für einen einzi gen dieser Reifengiganten überschreitet 30.000 US-Dollar.
Gigantische Erztransporter „V-Steel E-Lug S“ ist zwar bislang der Größte – aber nur um wenige Millimeter. Denn Vier-Meter-Walzen aus Gummi und Stahl verlassen täglich auch das Michelin-Werk in Lexington
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im US-Staat South Carolina. Die für spezielle Erdbewegungs maschinen und Erztransporter maßgeschneiderten und mit viel Handarbeit hergestellten Riesenreifen stellen an Ingeni eure und Chemiker höchste Anforderungen: Bis zu 160 ver schiedene Inhaltsstoffe verarbeitet zum Beispiel Michelin in den Giganten aus Lexington. Die damit bereiften Trägerma schinen müssen gewaltige Mengen Erz und Abraum bewe gen und bis zu 600 Tonnen Last befördern. Und fast jeder dieser Bagger und Trucks braucht einen speziellen Reifen. Denn jedes Einsatzgebiet ist anders: Je nach Festigkeit und geologischer Beschaffenheit des Untergrunds, Lufttempera tur, Witterung, Steigung oder Gefälle und vielen anderen Pa rametern mehr muss die Gummimischung variiert werden. Solche Giganten sind allerdings nur die Leuchttürme in der schier unübersehbaren Vielfalt von Industriereifen. Michelin entwickelte zum Beispiel speziell für den Gütertransport in Containerhäfen den Reifen MICHELIN X-TERMINAL T, der gegenüber konventionellen Reifen einen geringeren Kraft stoffverbrauch um acht Prozent ermöglicht. Generell unterscheidet der Markt vier Einsatzgebiete: Transportieren. Das heißt, Güter auf längeren Strecken mit relativ hoher Durchschnittsgeschwindigkeit sicher von einem Ort zum anderen bringen. Stapeln und Heben. Dabei müssen Güter vertikal auf oft engstem Raum sicher und präzise bewegt werden. Charakte ristisch dabei sind häufige Lenkbewegungen sowie Beschleu nigungs- und Bremsmanöver. Mehrzweckaufgaben (Multi Purpose Tires). Reifen für Fahrzeuge mit verschiedenen Aufbaugeräten für Straßenpflege, Winterdienst oder für die Landwirtschaft. MPT-Reifen zeigen ihre speziellen Stärken aufgrund ihrer Bauart bei Fahrzeugen, die eine hohe Geschwindigkeit auf Straßen sowie eine gute Traktion im Gelände erreichen sollen. Ihre radiale Bauweise bringt hohe Laufleistung, gute Traktion und erlaubt hohe Geschwindigkeiten; diagonale MPT-Reifen sind besonders gut gegen Seitenwandverletzun gen geschützt und bieten ein hohes Dämpfungsvermögen. Erdbewegung (EM = Erdbewegungsmaschinen). Radlader, Grader, Muldenkipper und andere, die verschiedene Materialien aufnehmen, verladen, verteilen oder zur Weiter verarbeitung abtransportieren. Je nach Bauart – Luftreifen, Vollreifen, MPT-Reifen und EM-Reifen – haben Industriereifen unterschiedliche Eigen schaften und Einsatzmöglichkeiten. EM-Reifen zeichnen sich durch hohen Verletzungswider stand aus und bieten gute Traktion in schwierigem Gelände. Doch bei aller Raffinesse hinsichtlich Mischung und Bauwei se: Die oft extrem harten Einsatzbedingungen fordern ihre Opfer – selbst ein Vier-Meter-Gigant kann in der Mine inner halb eines Tages scharfkantigen Felsen zum Opfer fallen. Industrie-Luftreifen bieten hohen Fahrkomfort auch auf unebenen Böden und bei relativ hoher Geschwindigkeit. Dank ihrer Radialbauweise garantieren sie hohe Laufleistung, geringen Rollwiderstand und hohe Traktion. Vollreifen eignen sich besonders für harte Einsätze auf be festigten Böden an langsam fahrenden oder gezogenen Fahr zeugen. Sie werden primär bei Staplern aller Art eingesetzt.
Bei der Landung werden die Reifen des A380 um ein Drittel ihres Volumens zusammengedrückt.
Auf Superpneus in die Lüfte Das Anforderungsprofil sprengt jeden bis dato bekannten technischen Rahmen: Jeder der 22 Reifen des Airbus 380 muss mindestens 33 Tonnen tragen, beim Start Hitzetemperaturen von 120 Grad Celsius standhalten – um wenig später auf minus 50 Grad Celsius heruntergekühlt zu werden. Bei der Landung werden die Flugzeugpneus trotz ihres Reifendrucks von 18 bar um ein Drittel ihres normalen Volu mens zusammengedrückt und binnen weniger Meter auf 250 Stundenkilometer beschleunigt. Wieder werden sie auf 120 Grad erhitzt und müssen dann den rund 560 Tonnen schweren Koloss der Lüfte noch kilometerweit zur endgültigen Parkposition rollen. Rund 15.000 Kilometer im Jahr legen Pas sagierflugzeuge zwischen Parkposition und Startbahn zurück. Nur zwei Reifenhersteller haben von Airbus den Auftrag und die Zertifizierung erhalten, für den A380 die Reifen zu entwi ckeln und zu bauen: der französische Marktführer Michelin und dessen japanischer Wettbewerber Bridgestone. Michelin hat für die A380 der Fluggesellschaft Emirates Radialreifen entwickelt, die besonders widerstandsfähig gegenüber äußeren Einflüssen und Beschädigungen sind. Diese Superpneus ermöglichen deutlich mehr Starts und Landungen als Diagonalreifen und haben zudem den Vorteil, im Vergleich zu anderen Reifen für Verkehrs- und Militärflugzeuge besonders leicht zu sein. Der Gewichtsvorteil dieser neuen Reifen beträgt pro Flugzeug 360 Kilogramm – was sich positiv auf den Kraft stoffverbrauch auswirkt. Alle 58 von Emirates bestellten A380 werden mit diesen speziell entwickelten Reifen ausgerüstet. Bridgestone wiederum entwickelte einen neuartigen Radialrei fen, der speziell für das hohe Gewicht des A380-800 und die noch schwerere Frachtversion A380-800F ausgelegt ist und ebenfalls besonders leicht konstruiert ist.
Starker Verschleiß beim Rollen Beim Start sind Flugzeugreifen den höchsten Belastungen ausgesetzt. In weniger als einer Minute beschleunigt ein Jet von null auf 360 km/h bis zum Abheben. Dabei steigt die Temperatur im Reifen auf rund 120 Grad Celsius, was nicht zuletzt aus der starken Verformung und Walkung resultiert: Trotz des hohen Drucks in den Reifen federn sie beim Rollen um 30 bis 40 Prozent ein. Zum Vergleich: Bei einem Pkw sind es zwischen zehn und 15 Prozent. Deshalb ist der Verschleiß eines Flugzeugreifens beim Rollen am höchsten.
Radialreifen im Vormarsch Wenngleich sich die leichteren Radialreifen auf breiter Front durchsetzen, spielen in der Luftfahrt Diagonalreifen nach wie vor eine bedeutende Rolle – zum Beispiel bei der Boeing 747-400. Sie erhalten ihre Strukturfestigkeit und Tragfähigkeit durch mehrere Karkassen- und Verstärkungslagen aus hoch belastbaren Kunststofffasern und sichern ihren Sitz auf der Felge durch drei Wulstkabel. Durch diese Bauart sind sie aller dings deutlich schwerer und werden deshalb wohl über kurz oder lang von den Radialreifen verdrängt werden.
Treibstoffsparer
Für den Airbus A380 hat Michelin einen besonders widerstandsfähigen Reifen entwickelt, der dank geringerem Gewicht Treibstoff einspart.
Kraftpaket 22 dieser Reifen helfen dem Airbus A380 bei Start und Landung. Neben Michelin liefert auch Bridgestone die HightechPneus.
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Hightech für zwei Räder Die Vielfalt ist schier unbeschreiblich: Für jedes Motorradmodell dieser Welt gibt es Dutzende von Reifenoptionen – und jede scheint ganz individuell für die Bedürfnisse des je weiligen Fahrers entwickelt worden zu sein. So der Eindruck, den Werbung und Fachjournalisten gern vermitteln. Doch so weit liegen die enthusiastischen Übertreibungen von der Wirklichkeit nicht entfernt. Denn allein schon die Vielfalt an Zweirädern und deren Nutzung macht die unter schiedlichsten Reifenkonstruktionen, -aufbauten und -profi le notwendig. Die Spanne an Motorrädern reicht vom Mofa über Motorroller, Leichtmotorräder bis hin zu schweren Enduros und Extremsportlern fürs Gelände oder gar Feuer stühlen mit 260 Pferdestärken.
hohe Haftung auf trockener und nasser Fahrbahn in einem breiten Temperaturspektrum bei kurzer Aufwärmphase. Wie bei Autoreifen arbeiten die Reifenhersteller inzwischen auch bei Motorradreifen mit unterschiedlichen Mischungen für die Lauffläche – eine weichere oben und eine härtere da runter oder eine weichere Mischung für die Seite für guten Halt bei Kurvenfahrten und eine härtere Mischung für die Laufflächenmitte für eine höhere Laufleistung. Bei der Profilgestaltung gibt es eigentlich nichts, was es nicht gibt: massive Profilblöcke fürs Gelände, fein geschwungene Rillen für die trockene Straße, unterschiedliche Profilrillen tiefen in der Reifenmitte und an den Schultern oder glatte Slicks für die Rennpiste.
Siegeszug des Stahlgürtels
Gemischtes Doppel TK 22RC/44RC: Dieser Reifen bietet hohe Kilometerleistung auch bei sportlicher Fahrweise. Zusätzlich verfügt er über eine gute Nässehaftung. Der hohe Positivanteil im Aufstandsflächenbereich sorgt für eine lange Lebensdauer.
ContiRoadAttack 2 für sportliche Biker: höchstes Niveau an Grip, Sicherheit und Dynamik.
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MOTORRADREIFEN
Doch bei aller Vielfalt: Es gibt auch im Reifenbau für Motor räder generelle Trends, die sich zum Teil aus der Reifenent wicklung für Automobile ableiten oder auf Erkenntnissen aus dem Rennsport basieren. So setzt sich auch für Motorradreifen der radiale Stahlgürtel durch, wenngleich noch etwa 50 Prozent aller Motorräder auf Diagonalreifen rollen. Die Schwierigkeit der Umstellung von Diagonal- auf Gürtel reifen für Motorräder hängt mit der Kontur der Zweiradreifen zusammen. Denn anders als beim Autoreifen mit seinem ebenen Laufstreifen ist der Motorradreifen rundum rund, also auch die Lauffläche. Die doppelte Rundung längs und quer machte es den Reifenbauern lange schwer, Gürtel zu entwi ckeln, die sich faltenlos über die Karkasse und unter die Lauf fläche legen lassen. Heute werden die Stahlgürtel aus Drahtseilen gefertigt, die erheblich elastischer sind als Drähte, gleichzeitig aber die Zugfestigkeit steigern. Moderne Stahlgürtelreifen bieten dank der hohen Flexibilität der Seile aus feinsten Drähtchen gleich gute Dämpfungseigenschaften wie Reifen mit Kevlargürtel und stehen auch in puncto Kurvensicherheit den lange dominierenden Diagonalgürtelreifen in nichts nach. Hinsichtlich Gewicht und Laufleistung bieten sie klare Vorteile. Denn in der Regel kommt ein Radialreifen mit Stahlgürtel für das Motorrad mit zwei Gürtellagen aus, während sich Dia gonalreifen auf vier und mehr Lagen in Karkasse und Gürtel stützen.
Mischung und Profil für jede Gelegenheit Für längere Laufleistung – bei Motorradreifen maximal 10.000 Kilometer – und sicheren Halt auch bei rasanter Kurvenfahrt sorgen selbst bei Motorradreifen ausgeklügelte Gummimischungen für die Lauffläche, wobei auch hier Silica-Mischungen die Oberhand gewinnen. Häufig bieten die Hersteller für Vorder- und Hinterreifen unterschiedliche Mischungen an. Für den Vorderreifen zum Beispiel eine Mischung auf Basis von Lösungs-Styrol-Butadien-Kautschuk (SSBR), die durch feinen Ruß angereichert ist, während die Lauffläche des Hinterreifens aus einer Silica-Mischung besteht. Diese Kombination von Hightech-Materialien bietet
Maschinen wie die BMW HP2 Sport rollen auf leistungsstarken und sicheren Gürtelreifen.
Maßschuhe fürs Fahrrad Was wünschen sich Fahrradfahrer am meisten? Dass sie von der Reifenpanne, dem berüchtigten „Platten“, ver schont bleiben. Das ist aber wohl der einzige gemeinsame Nenner. Denn fast jeder Radfahrer hat seine eigenen Ansprü che an Rad und Reifen. Dazu kommen unterschiedlichste Fahrbahnbedingungen, Fahrradtypen und Wetterverhältnis se. Entsprechend vielfältig ist das Angebot an Fahrradreifen: Ob städtischer Einkaufsbummler, Sonntagsausflügler, Tou renfahrer, Mountainbiker oder Rennprofi – für jeden Bedarf findet der Radfahrer ein breites Reifensortiment.
Hightech fürs Fahrrad Gummimischungen mit Ruß oder Silica, Materialien wie Kev lar und Nylon, Vectran® und Aramid für die Karkasse sowie Allround-Compounds für einen guten Kompromiss aus nied rigem Rollwiderstand, geringem Abrieb und guter Haftung zählen für die Entwickler von Hightech-Fahrradreifen heute ebenso zum Repertoire wie für ihre Kollegen von der Auto fraktion. Für die Pannensicherheit sorgen hochelastische Spezialkautschuke zwischen Reifenprofil und Karkasse bezie hungsweise Gewebe aus Kevlar oder Aramid.
Die Zutaten für die Mischung Höchste Geheimhaltungsstufe genießen bei allen Reifenher stellern die Rezepte für die Gummimischung der Profile. Von ihr hängt ab, wie gut ein Reifen rollt, wie zuverlässig er haftet und wie viele Kilometer er schafft. Harte Compounds entste hen zum Beispiel durch die starke Anreicherung mit Füllstof fen (Ruß). Reifenprofile aus solchen Mischungen verformen
sich beim Abrollen weniger als solche aus weichen Mischun gen, zeigen deshalb einen geringeren Rollwiderstand und weniger Abrieb. Nachteil: Die Reifenhaftung ist nicht optimal. Profile aus weichen Mischungen passen sich dem Unter grund gut an. Zudem verhaken sich ihre rauen Bestandteile aus Ruß an den kleinsten Unebenheiten des Bodens. Wei che Mischungen verschleißen allerdings schneller als harte, und die Profilklötze können ausreißen. Bei Mehrfach-Compounds wird das Profil aus zwei bis drei unterschiedlichen Mischungen aufgebaut. Als Unterbau eig nen sich harte Mischungen für einen geringen Rollwider stand, als Decklage dienen weichere Mischungen für eine gute Haftung. Allround-Mischungen wiederum streben den bestmöglichen Kompromiss aus niedrigem Rollwiderstand, geringem Abrieb und guter Haftung an. Letzter Schrei: Der Hersteller Schwalbe hat für sein Modell Marathon eine Anti-Aging-Seitenwand sowie einen „grünen“ Schutzgürtel „GreenGuard“ entwickelt, der zu einem Drit tel aus recyceltem Material besteht und somit Ressourcen schont.
Starke Charaktere
Nachhaltig Mit seinem langlebigen Schutzgürtel „GreenGuard“ aus teilweise recyceltem Material zeigt sich der Marathon umweltbewusst.
Dicke Dinger Ein anderer Trend hat sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr durchgesetzt: Auch die Fahrradreifen werden ge nerell breiter und „dicker“. Denn auf breiten Sohlen fährt es sich bequemer, weil auch mehr Luft zwischen Straße und Rad für Dämpfung sorgt. Cross- beziehungsweise Mountain bike-Fahrer bevorzugen Breiten zwischen 54 und gar 57 Mil limetern – mit der schönen Bezeichnung „Ballonreifen“.
Griffig
Rennräder wie der BMW M Bike Carbon Racer benötigen Hightech-Reifen mit geringem Rollwiderstand.
Der X-King rollt besonders geschmeidig und leise. Dazu ist er widerstandsfähig gegen Verletzungen.
Pannensicher Der Top Touring 2000 von Conti verfügt zur Pannensicherheit über zwei zusätzliche Gürtellagen unter dem Profil.
FAHRRADREIFEN
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„Nur eine Frage von Zeit und Raum“ Dr. Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen und Direktor des CAR-Center Automotive Research, über die Entwicklung klimafreundlicher Antriebssysteme und die künftige Organisation des Verkehrs. Erfolgsmodell
Herr Prof. Dudenhöffer, Elektro„Gremien wie eine Verkehrsflüsse in Megacitys mit 30 Millionen autos, neue Carsharing-Konzepte, Einwohnern à la Chongqing kann man nicht Nationale PlattVernetzung von Individual- und öfmit Stadtautobahnen und dem Auto vor der fentlichem Nahverkehr ... Stehen bewältigen. Das ist die eine Seite der form für Elektro- Haustür unsere Verkehrssysteme vor einer Entwicklung. Die Kehrseite der Medaille: Auf Revolution? mobilität sind eher dem Lande und in den mittleren Städten wird Wenn wir die Metropolen und großen in 50 Jahren das eigene Auto vor der zahnlose Tiger.“ auch Städte anschauen, bin ich davon über Haustür eine wichtige Rolle spielen. Wir bewe zeugt, dass sich in den nächsten zehn bis gen uns in geteilten Verkehrswelten. 15 Jahren viel ändern wird. Carsharing-Systeme werden bei „Politische Ziele wie eine Million Elektroautos auf deutschen Welchen Einfluss haben politische Absichtserklärunöffentlichen Verkehrsträgern und Autobauern stark forciert. Straßen sind zunächst nur Lipgen – wie eine Million E-Autos bis 2020 in DeutschWir wachsen in den Metropolen in eine neue Zeit des Ver penbekenntnisse.“ land und gesetzliche Vorgaben zu Kraftstoffverkehrs mit einer neuen Rolle für das Auto. Unsere Daten- und brauch und CO2-Emissionen – auf die derzeitigen Internettechnologie erlaubt es uns, neue Wege zu gehen. Entwicklungen neuer Antriebssysteme? Die langen Autostaus in den Metropolen sind wenig zeitge Wenn man Dinge verändern will, kann man das durch finan mäß. Ein wesentlicher Treiber der Entwicklung ist China. Die zielle Anreize machen, also etwa jedem Käufer von einem Elektroauto 5.000 Euro in die Hand drücken. Der zweite VIEL ZITIERTER AUTOMOBILEXPERTE Weg sind Vorgaben. Regulierungsvorschriften sind für den Peugeot Deutschland und Citroën Der häufig zitierte Experte für Steuerzahler wesentlich angenehmer und wirken nachhal Deutschland ging Dudenhöffer zuAutomobilwirtschaft Ferdinand rück in die Forschung und Lehre: Dudenhöffer studierte an der tig. Vorgaben, die etwa mit Verbrennungsmotoren angetrie Von 1996 bis 2008 lehrte er an der Universität Mannheim Volkswirtbene Fahrzeuge aus den Innenstädten verbannen, so wie es Fachhochschule Gelsenkirchen schaftslehre. 1983 promovierte er die EU-Kommission vorhat oder in China geplant wird, verän mit „summa cum laude“ und arbei- als Professor für Marketing und dern die Welt schnell. Politische Ziele, wie die von Kanzlerin Unternehmensführung im Fachbetete zunächst als Hochschulassisreich Wirtschaftsingenieurwesen, tent an seiner Alma Mater. 1987 Merkel gewünschten eine Million Elektroautos auf deutschen seit 2008 ist er Inhaber des Lehrwechselte er zur Adam Opel AG Straßen, sind zunächst nur Lippenbekenntnisse. Falls da kein stuhls Allgemeine Betriebswirtals Analyst Business Plan/Markedezidiertes Programm dranhängt – und das erkennt man schaftslehre und Automobilwirtting. Anschließend übernahm er schaft an der Universität Duisburgden Bereich Marketing & Stratebei der Bundesregierung nicht deutlich – wird wenig daraus. Essen sowie Direktor des CARgie bei der Dr. Ing. h.c. F. Porsche Gremien wie eine Nationale Plattform für Elektromobilität AG. Nach leitenden Funktionen bei Centers Automotive Research. (NPE) sind eher zahnlose Tiger. 92
INTERVIEW PROF. DUDENHÖFFER
„Die Verkehrsflüsse in Megacitys wie Chongqing kann man nicht mit Stadtautobahnen und dem Auto vor der Haustür bewältigen.“
INTERVIEW Prof. Wildemann
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Sowohl die E-Mobilität als auch die Brennstoffzellen-Wasserstoff-Systeme benötigen eigene Infrastrukturen. Wer kann und soll die Investitionen dafür schultern? Das Thema Ladeinfrastruktur wird überstrapaziert. Tests mit 230 repräsentativ ausgewählten Autofahrern an unse rem CAR-Institut zeigen, dass wir Elektromobilität ohne das breitflächige Ausbauen von Ladesäulen starten können. Mehr als 50 Prozent der Deutschen verfügen über private Stromlademöglichkeiten. Wir brauchen also weniger öffentliche Stromladestellen als oft unterstellt. Bei Wasser stoff für die Brennstoffzellenfahrzeuge ist das eine andere Sache. Aber ich denke, da haben wir schon noch einige Jahre Zeit.
„Für Carsharing-Systeme haben rein batteriegetriebene Elektroautos Charme.“
Klimafreundlich
„Nissan hat allein in den USA im Jahr 2011 rund 10.000 Exemplare seines Elektroautos Leaf verkauft.“
Hybridmotor
„Für die breite Motorisierung haben Hybridfahrzeuge mit Range-Extender-Techniken und Plug-In-Hybride Bedeutung.“
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Für neue Antriebs- und Verkehrskonzepte bilden sich neue Allianzen: Daimler baut mit Linde Wasserstofftankstellen, Stromanbieter und Parkplatzbetreiber errichten Ladestationen für E-Autos, Autohersteller und Stadtverwaltungen arbeiten beim Carsharing zusammen, IT-Unternehmen helfen, die unterschiedlichen Verkehrsträger zu vernetzen und so weiter. Bilden sich da neue Strukturen heraus? Na ja, ich glaube, das wird überschätzt. Einige hatten ja schon von den Stromlieferanten als neue Achse der Auto Welchen Antriebstechnologien geben Sie die besindustrie gesprochen. Der Kern bleibt nach meiner Über ten Chancen? Brauchen wir künftig unterschiedzeugung in der Automobilindustrie und bildet die Systemliche Autos für Kurz- und Langstrecke, Stadt und kompetenz der Autobauer. Carsharing-Unternehmen wer flaches Land? den deutlich wichtiger, aber Vermieter gibt Für die Carsharing-Systeme in den Städ „Wir brauchen we- es schon lange. Sie sind wichtige Kunden. ten und die typischen Stadtfahrzeuge ha Sicher wird das Gewicht dieser Kunden niger öffentliche gruppe größer. Auch deshalb, weil neue ben rein batteriegetriebene Elektroautos Charme. Für die breite Motorisierung haben vernetzten Mobilitätssystemen Stromladestellen Technologien Hybridfahrzeuge mit Range-Extender-Tech und damit Autovermietung mehr Bedeu niken und Plug-in-Hybride Bedeutung. Das als oft unterstellt.“ tung geben. Aber es bleiben Kunden. Und Schöne ist daran, dass man nahezu beliebig nur weil Unternehmen Elektromotoren mon Reichweiten mit Elektroantrieb und Batteriegrößen skalieren tieren oder Batteriezellen zusammenfügen, definieren sie kann. Ich denke, dass der reine Verbrennungsmotor um das noch lange nicht die Regeln im Spiel. Die Grundstruktur Jahr 2025 weltweit weniger als 25 Prozent Marktanteil bei der Automobilindustrie bilden auch in Zukunft nach meiner den Neuwagen stellen wird. Also, wir bewegen uns Stück Meinung die Autobauer. für Stück in elektrische und teilelektrische Antriebe und wer den langfristig mit der Brennstoffzelle den idealen Stromlie Dennoch: Werden Automobilhersteller künftig zu feranten im Auto haben. breit aufgestellten Mobilitätsdienstleistern? Betreiben Stadtwerke und Stromerzeuger künftig auch Sind die zurzeit angebotenen neuen Technologien Tankstellen? Werden Gaslieferanten bald Treibstoffwirklich schon marktreif? Vieles scheint sich noch in lieferanten und E-Fahrzeuge zu Stromspeichern? der Testphase zu befinden. Ich denke nicht, dass die Autobauer langfristig zu Mobili Toyota hat mittlerweile fast vier Millionen Vollhybridfahrzeu tätsdienstleistern mutieren. Wenn ich ein Flugzeug baue, ge verkauft, der Opel Ampera hat sich durch eine Vielzahl verstehe ich noch lange nicht das Geschäft einer Airline. von Tests als sehr überzeugend erwiesen, Nissan hat allein GM hatte mal Avis als Tochter, Ford den Vermieter Hertz in den USA im Jahr 2011 10.000 Exemplare seines Elek und VW hatte Europcar im Konzern. Es war nicht der troautos Leaf verkauft. Es gibt eine ganze Reihe von tech durchschlagende Erfolg. Die Beteiligungen wurden alle nisch ausgereiften Elektrofahrzeugen im Markt. Das heißt aufgelöst. Es ist wichtig zu verstehen, wohin Mobilität sich aber noch lange nicht, dass die Entwicklung abgeschlossen entwickelt. Deshalb macht Daimler car2go oder BMW sein ist. Der Verbrennungsmotor hat über 125 Jahre auf dem Sixt-Experiment und VW sein Carsharing-Modell. Buckel, Hybride und Elektroautos befinden sich bei so ei Lassen Sie uns über Visionen nicht nur eindimensional nem Zeitvergleich fast noch in der Stunde null. nachdenken. Die Elektromobilität ist eine wichtige Entwick
INTERVIEW PROF. DUDENHÖFFER
lung. Aber da gibt es noch anderes. Die Vi Metropolen in dem sich wahnsinnig schnell „Vollständige sion null Verkehrstote ist fast genauso wich entwickelnden China definieren die Stan Fahrverbote in dards für unsere Industrie. Wer nicht in Chi tig. Unsere Fahrzeuge werden nicht nur teilelektrisch, sondern auch teilautonom. Großstädten sind na ist, ist nicht im Autogeschäft. China treibt Heute ist es schon Standard, dass mit ei unsere Technologien. Und China braucht sicher nicht vor- die neue Mobilität. Lateinamerika und Indi nem Notbremsassistenten ein Fahrzeug un ter 30 Stundenkilometer keinen Unfall mehr en sind da deutlich hinterher. stellbar.“ verursacht. Oder das Auto fährt automa Wo endet bei der Diskussion über tisch in die Garage oder parkt ein. Das sind vernetzte Mobilität die Realität – und wo beginnt wichtige Dinge, die weit, weit weg sind von Stadtwerken, die Utopie? Stromerzeugern und Fahrzeug-Stromspeichern. Smart Der Unterschied zwischen den Grenzen der vernetzten Grids klingen gut, aber werden auf absehbare Zeit für un Mobilität und neuen Utopien ist eigentlich nur eine Zeitsere Stromversorgung nicht das Nonplusultra sein. und Raumfrage. Es braucht Zeit, Dinge zu entwickeln, und es braucht manchmal mehr Zeit, diese Dinge dann Wird sich das Verhältnis des Autofahrers zum Auto im Markt zu penetrieren. Die Entwicklung ist sicher nicht verändern? Verliert das Auto seine Rolle als Statusdas Hauptproblem. Weitreichende Abrechnungs- und Bu symbol? chungssysteme sind heute State of the Art. Die Verknüp Es scheint so, als seien wir in dieser Entwicklung mitten fungen sind also nicht so schwer. Das Umorientieren ist in drin. Junge Menschen werden heute nicht mit „Schrau den Großstädten schon im Gange. Auf dem Lande werden ben“ groß, sondern mit dem PC und Internet. Jugendliche wir sicher eher an Grenzen vernetzter Mobilität stoßen, da bewegen sich einen Großteil ihrer Zeit in virtuellen Welten, es ökonomisch wenig Sinn macht, öffentliche Verkehrsträ spielen vernetzt mit Freunden über Distanzen. Sozialisa ger in hoher Frequenz im letzten Winkel der Schwäbischen tionsprozesse ändern sich und schaffen ein neues Welt Alb einzusetzen. Also die Raumfrage limitiert. verständnis, neue Werte, bei denen nicht unbedingt ein „heilig's Blechle“ vor der Haustür das Maß aller Dinge ist. Herr Prof. Dudenhöffer, wir danken für das Gespräch. In den Großstädten ist das deutlicher zu spüren als in länd lichen Regionen. Setzt vernetzte Mobilität nicht auch einen Wertewandel und eine Art „Umerziehung“ der Menschen voraus? Umerziehung klingt ja fast nach Sowjetunion. In unserer Datengesellschaft schaffen wir es, Mobilität mit den ver schiedenen Verkehrsträgern völlig neu und komfortabel zu gestalten. Gleichzeitig werden in den Großstädten Park plätze und das Halten des eigenen Autos teurer. Die Attrak tivität der neuen Produkte überzeugt die Menschen, nicht die Umerziehung.
Verkehrssicherheit
„Die Vision null Verkehrstote ist fast genauso wichtig wie die Entwicklung der Elektromobilität.“
Wertewandel
„Jugendliche bewegen sich einen Großteil ihrer Zeit in virtuellen Welten, spielen vernetzt mit Freunden über Distanzen.“
„Der Opel Ampera hat sich durch eine Vielzahl von Tests als sehr überzeugend erwiesen.“
Werden Fahrverbote in Innenstädten und Maut-Gebühren für großstädtische Zentren die Mobilität der Zukunft maßgeblich beeinflussen? Vollständige Fahrverbote für Großstädte sind sicher nicht vorstellbar. Stellen Sie sich mal vor, Frau Merkel müsste die Trambahn nehmen in Köln. Es werden aber bestimmte Fahrzeuge draußen bleiben – à la Umweltzonen. Deshalb wird der Verkehr moderner, umweltfreundlicher und die Städte gewinnen mehr Lebensqualität. Welche Rolle spielt die Entwicklung von Megacitys in Asien und Lateinamerika für die Zukunft der Mobilität? China verändert unsere Welt stärker und schneller als vie les, was in den letzten 30 Jahren an Technik bei uns an gestoßen wurde. Ohne China würden wir heute nicht über das Elektroauto sprechen. Ohne China könnten wir das Wort Elektrorad noch nicht mal buchstabieren. Die großen
INTERVIEW INTERVIEW Prof. Wildemann
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Bildnachweis
Impressum
Titel: LANXESS
Herausgeber: LANXESS AG, Leverkusen
Info-room, 14–15, 68–69: LANXESS, Ixtract GmbH (alle)
Projektleitung: Udo Erbstoesser, LANXESS AG, Leverkusen Kerstin Stahl, Corporate Communication, LANXESS Deutschland GmbH, Leverkusen
Vorwort, 02–03: LANXESS Inhalt, 04–05: corbis, BMW (2), Bridgestone / Rene Staud Studios GmbH, Porsche, PR, Nokian Tyres, Airbus Wege zur grünen Mobilität, 06–13: Corbis (2), AKG (3), Mercedes Benz (3), Süddeutscher Verlag (3), bpk (4), gettyimages, Virgin Galactic, AP Images,Volkswagen, Ford, istockphoto Vernetzt, flexibel, sauber, 16–23: Daimler / Smart (2), CITROËN, dpa, gettyimages (2), Better Place, VW, Deutsche Bahn (1), Siemens (3), RWE, Mitsubishi, BMW (2), Renault (2), istockphoto (2) Strategien für den verkehr der zukunft, 24–35: Daimler Benz (7), LANXESS, VW (4), Ford (2), istockphoto, Toyota / Lexus (3), Linde, BMW (3), Audi (2) innovationstreiber, 36–51: Illustration: Sascha Carl (2), Fotos: Porsche, Mercedes-Benz, LANXESS (12), BPK, Opel, Continental Tyres (2), Ullstein (2), dpa (2), gettyimages (3), Audi (3), Iveco, Agentur Focus , Süddeutscher Verlag (3),
PROJEKTTEAM: Eva Degener, Business Unit Inorganic Pigments, LANXESS Deutschland GmbH, Krefeld Rodrigo Henriquez, Corporate Communication, LANXESS Deutschland GmbH, Leverkusen Ilona Kawan, Corporate Communication, LANXESS Deutschland GmbH, Leverkusen Martin Reinecke, Redaktionsbüro Reinecke, Wuppertal Thomas Sames, Business Unit Material Protection Products, LANXESS Deutschland GmbH, Leverkusen Christoph Schmidt, Business Unit Leather, LANXESS Deutschland GmbH, Leverkusen KONZEPT | TEXTE | PRODUKTION: PSC – Presse Service & Consulting GmbH, München ART DIRECTOR: Sascha Carl, Hamburg BILDREDAKTION | BILDBEARBEITUNG: André Kirsch, München DRUCK UND LITHOGRAPHIE: Medienhaus Garcia, Leverkusen
Unersetzliche Mobilitätshelfer, 52–63: Porsche, Rhein Chemie, Continental, (2), LANXESS (3), istockphoto (10), Volvo Trucks (2), Deutsche Post, Audi, gettyimages (3), Daimler (2), Harley Davidson (2) Mobilitätshilfe für die Schifffahrt, 64–65: LANXESS, gettyimages, istockphoto (2) Partner der Lederindustrie | Pigmente, 66–67: LANXESS (4), gettyimages (1) „Grüne Reifen“, 70–77: Continental (2), gettyimages (2), Audi (1), LANXESS (6), Nokian Tyres, BMW (3), istockphoto, PR interview Prof. Horst Wildemann, 78–81: gettyimages, LANXESS (3), istockphoto, privat Reifen mit Charakter, 82–85: Bridgestone / Rene Staud Studios GmbH (1), Nokian Tyres, gettyimages (3), Pirelli (3), Vredestein (2), Hyundai, Opel Sommer- und Winterreifen, 86-87: Bridgestone (2), Audi (1), Fisker (1), gettyimages (1) Hart im Nehmen/Auf superpneus in die lüfte, 88–89: Airbus (1), Michelin (2), istockphoto, Bridgestone Hightech für zwei Räder/ maSSschuhe für Das fahrrad, 90–91: BMW (2), Continental (5) Interview Prof. Ferdinand Dudenhöffer, 92–95: dpa (1), Daimler / Smart (1), CITROËN, LANXESS (2), istockphoto (3), Nissan, Toyota, Opel
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