2/2013
Pandemien: Erreger auf dem Vormarsch
Galapagos: Schriftsteller auf Forschungsreise
Zuckersüße Gefahr: Diabetes im Fokus
Leibniz-Journal Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft
Gesundheit!
G 49121
Forschen für die Medizin von morgen
Zukunft leben
Von Febru ar bis M 2013 ärz 20 14
Der demog demografische ische Wandel Wie werden wir morgen lernen, arbeiten und altern? Welche Chancen eröffnet der demografische Wandel? Die Ausstellung zum Wissenschaftsjahr zeigt Entwicklungen und stellt Schlüsselfragen unserer Zukunft.
Eine Ausstellung der Leibniz-Gemeinschaft Museum für Naturkunde, Berlin Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Mainz Deutsches Hygiene-Museum, Dresden Deutsches Bergbau-Museum, Bochum Deutsches Schiffahrtsmuseum, Bremerhaven Deutsches Museum, München
27.02.-7.04.2013 19.04.-2.06.2013 14.06.-21.07.2013 20.09.-27.10.2013 15.11.-9.01.2014 31.01.-30.03.2014
www.demografische-chance.de
Leibniz | inTRO
Liebe Leserin, lieber Leser, Gesundheitsforschung – da denkt man gemeinhin an eine Schar von Weißkitteln, die sich im Labor über Mikroskope beugt. Doch Gesundheitsforschung ist – jedenfalls bei Leibniz – vielseitiger: Da sind die Statistiker in der Epidemiologie, die Volks- und Betriebswirte in der Gesundheitsökonomie, Mikroelektroniker, die sich um Möglichkeiten einer heimischen Rehabilitation von Schlaganfallpatienten kümmern, dann Plasmaforscher, Pharmakologen und natürlich auch Mediziner jedweder Spezialisierung, also beispielsweise Diabetes- und Rheumaexperten, Tropen- und Infektionsmediziner oder auch Ernährungsforscher. Und während die Medizin oft immer präziser therapiert, wächst die Sorge vor Epidemien, die über Länder und Kontinente hinwegrollen, den sogenannten Pandemien. Vor ihnen, so eine Studie des St. Gallener Instituts für Versicherungswirtschaft, haben die Versicherungen mehr Angst als vor Staatspleiten, Terrorismus und Krieg. Gesundheitsforschung gehört zu den Schwerpunkten der Leibniz-Gemeinschaft, die künftig auch in den interdisziplinären Leibniz-Forschungsverbünden „Gesundes Altern“, „Wirkstoffe und Biotechnologie“, „Nachhaltige Lebensmittelproduktion und gesunde Ernährung“, „Nanosicherheit“ und „Krisen einer globalisierten Welt“ eine wichtige Rolle einnehmen wird. Die Komplexität des Themas zeigt der Schwerpunkt dieses Journals. | Seite 10
Titel-Foto: Jan Zappner
Eine Frage noch vorab: Kennen Sie eigentlich die „Nationale Kohorte“? Was nach römischem Heer und Lateinunterricht klingt - eine Kohorte ist der zehnte Teil einer Legion, die ihrerseits 6.000 Mann umfasste… - , ist heute etwas gänzlich anderes: 200.000 Frauen und Männer zwischen 20 und 69 sollen in der bisher größten deutschen Langzeitstudie erfasst, untersucht und über zehn bis 20 Jahre beobachtet werden. Davon versprechen sich die Beteiligten – darunter auch vier LeibnizInstitute – weit reichende Erkenntnisse zum Zusammenhang von Gesundheit einerseits und genetischen Faktoren, Umweltbedingungen, sozialem Umfeld und Lebensstil andererseits. | Seite 18 Weiterführende Links können Sie mit einem Smartphone und einer App für QR-Codes (z.B. ZBar) scannen
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Als spröde und theoretisch galt ja bislang auch das Thema demografischer Wandel. Unsere Ausstellung „Zukunft leben: Die demografische Chance“, die wir im Juni und Juli in Dresden zeigen, beweist, dass es auch anschaulich geht. Aber sehen Sie selbst: im Museum oder | Seite 39 Bleiben Sie neugierig!
Inhalt KURZ & FORSCH
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PERSPEKTIVEN Ulrich Korwitz: Open Access – Gemeinsam statt gegeneinander ..................8 Jörg Overmann & Christoph Häuser: biodiversität – nagoya ist nicht europa .............................9
TITELTHEMA GESUNDHEIT
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Pandemien: Dem Feind auf der Spur .............................. 10 zuckersüße Gefahr: Diabetes im Fokus ........................... 14 nationale Kohorte: Mega-Studie gegen Volkskrankheiten...... 18 eine gute basis: Medizinische Grundlagenforschung ............ 22 Die Pflegeboomer: Herausforderung durch demografischen Wandel ................ 28 My home is my Reha: neues Konzept für Schlaganfallpatienten ........................ 30
SPEKTRUM
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eine heiße Sache: Organische Halbleiter könnten die elektronik revolutionieren ........................... 32 interview: Literat auf Forschungsreise ............................ 34 MUSEEN Aktuelle Sonderausstellungen ...................................... 36 zünftig! Geheimnisvolles Handwerk 1500 bis 1800 ............. 37 LEIBNIZ LIFE DemografieAusstellung: Der Wandel als Chance ................ 39 Leibniz in Kürze ....................................................... 40 Verlosungen ............................................................ 42 LEIBNIZ LEKTÜRE
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LEIBNIZ LEUTE
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IMPRESSUM
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Christian Walther 3
Leibniz | KURz & FORSCH
Unser nächster Nachbar: die Große Magellansche Wolke.
163.000 Lichtjahre trennen die Milchstraße von ihrer nächsten Nachbargalaxie, das hat ein internationales Forscherteam unter Beteiligung von Jesper Storm vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam ermessen. Nach fast einen Jahrzehnt sorgfältiger Beobachtungen konnten die Astronomen die Entfernung der Milchstraße zur Großen Magellanschen Wolke somit präziser bestimmen als jemals zuvor. Auf zwei Prozent genau sind die Ergebnisse ihrer Messungen, die in der März-Ausgabe der Fachzeitschrift Nature veröf-
fentlicht wurden. Dazu nutzten die Wissenschaftler Teleskope in aller Welt, unter anderem die des La Silla-Observatoriums in Chile. Für die weitere Vermessung des Universums sind ihre Beobachtungen von zentraler Bedeutung: Die Entfernung der Großen Magellanschen Wolke und ihrer Sterne bilden ihrerseits eine wichtige Referenzgröße, um die Distanz zu noch entlegeneren Galaxien zu ermitteln. Nature 495, 76–79 (07 March 2013). doi:10.1038/nature11878
Bedrohte Neuentdeckungen
Auf Madagaskar haben Forscher des Deutschen Primatenzentrums – Leibniz-Institut für Primatenforschung zwei neue Mausmaki-Arten entdeckt. Die kleinen Primaten waren 2003 und 2007 erstmals gesichtet worden. Nun beschreiben die Göttinger Biologen die Tiere gemeinsam mit amerikanischen und madagassischen Kollegen. Microcebus tanosi ist im Vergleich zu anderen bekannten Mausmaki-Arten relativ groß und hat einen roten Kopf. Seine Bezeichnung leitet sich von der Region Anosy im Südosten Madagaskars ab, in der er entdeckt wurde. Microcebus marohita hat einen langen, buschigen Schwanz und große Hinterfüße. Er ist der größte aller bislang bekannten Mausmakis.
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Das „Seeohr“: als PerlmuttLieferant für Anwendungen in der Industrie interessant.
Das Protein einer Meeres-Schnecke eröffnet ungeahnte Möglichkeiten bei der Herstellung neuer Kompositionsmaterialien. Das zeigt das einer Experiment Saarbrücker Forschergruppe, in dem es gelang, Perlmutt und andere wichtige Kalk-Arten zu produzieren. Die Wissenschaftler vom INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien mischten das der auch als „Seeohr“ bekannten HaliotisSchnecke entnommene Protein Perlucin mit dem sogenannten Grün-Fluoreszierenden-Protein. Dann mengten sie der Lösung Carbonat- und Kalzium-Ionen bei. Abhängig von der Reihenfolge, in der die Ionen der Lösung zugefügt wurden, und je nach pH-Wert, entstanden dabei verschiedene Kalk-Arten. PLoS ONE 7(10): e46653. doi: 10.1371/ journal.pone.0046653
Glücklich bis ans Lebensende
Den Herausforderungen des demografischen Wandels zum Kaum Trotz: Die ältesten entdeckt, Bürger Deutschlands sind zugleich Mausmakis sind Lemuren, die schon zufriedenste ausschließlich auf Madagaskar bedroht: die vorkommen. Ihr Lebensraum Mausmaki Gruppe der Gesellin den Wäldern des Inselstaates „Microce- schaft. Das zeigt eine ist stark bedroht, so auch der bus maro- Studie des GESIS – Leibniz-Instituts für Fôret de Marohita, in dem eine hita“ Sozialforschung. der Arten entdeckt wurde. Auf Trotz ihrer geAnraten der Göttinger Biologen sundheitlichen Einwurde Microcebus marohita auf schränkungen und die Liste der 100 am stärksten geringerer Leistungsbedrohten Tierarten gesetzt. fähigkeit sind die International Journal of Primatology. über 60-Jährigen alldoi: 10.1007/s10764-013-9672-1. gemein zufriedener als Vergleichsgrupdoi = Digital Object Identifier, ein eindeutiger und dauerhafter Identifikator für digitale pen mittleren und Objekte, vor allem für Online-Artikel von wissenschaftlichen Fachzeitschriften verwendet jungen Alters. Wie die
Forscher herausgefunden haben, hängt diese Einstellung vor allem mit einem ausgeprägten Optimismus und einem hohen Selbstwertgefühl zusammen. Auch das soziale Wohlbefinden, das sich aus dem Umfeld der Probanden bestimmen lässt, fällt bei den Senioren überdurchschnittlich gut aus. Informationsdienst Soziale Indikatoren (ISI) Nr. 49, Februar 2013
Energie aus Alkohol
Gemeinsam mit italienischen Kollegen haben Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Katalyse ein neues Verfahren zur Gewinnung von Wasserstoff in der Fachzeitschrift Nature präsentiert. Mithilfe besonders effizienter Katalysatoren gelang es den Rostocker Forschern, den Stoff aus wässrigem Methanol zu gewinnen und zwar unter deutlich milderen Bedingungen als dies zuvor möglich war. Bisherige Systeme benötigten Temperaturen von über 200 °C und Drucke von über 25 bar. Das neue Verfahren erzielt bereits bei 65 bis 95 °C und Normaldruck beste Ergebnisse. Wasserstoff gilt als aussichtsreicher Energieträger der Zukunft, da er anders als Öl und Gas keine begrenzte Ressource darstellt. Die Substanz ist zudem sauber und universell einsetzbar, beispielsweise in Brennstoffzellen zur Erzeugung von Elektroenergie. Nature 495, 85–89 (07 March 2013). doi:10.1038/ nature11891
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Fotos: ESO/R. Gendler; Bellarmin Ramahefasoa; Uwe Bellhäuser; Iberian Lynx Conservation Breeding Program; Christian Schwier/Fotolia
Nützliche Schnecke
Die Vermessung des Alls
Leibniz | KURz & FORSCH
Tiefgefrorene Embryonen
Eine neue Methode zur Gewinnung und Aufbewahrung von Embryonen eröffnet einzigartige Möglichkeiten für die Sicherung des Bestandes bedrohter Tierarten. Das fanden Mitarbeiter des Berliner Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) bei der medizinisch notwendigen Kastration zweier Iberischer Luchsweibchen heraus. Um das Erbgut der Katzen zu sichern, spülten die Berliner Forscher die Eileiter der trächtigen Tiere und entnahmen
Teile des Eierstocks. Die durch diese Methode gewonnenen Embryonen konnten erfolgreich in -196 °C kaltem Stickstoff eingefroren und so für lange Zeit haltbar gemacht werden. Der auch als Pardelluchs bekannte Iberische Luchs gilt als kritisch bedroht. 2008 schätzte der World Wide Fund For Nature (WWF) den Bestand auf gerade einmal 180 Katzen. Gegen das Sterben der Art geht eine internationale Forschungsgruppe vor, in der auch das IZW langfristig engagiert ist.
Eingefroren: Das IZW bewahrt die Embryonen des Iberischen Luchses für die Zukunft.
LEIBNIZ WIRTSCHAFTSFORSCHUNG
Abgehängt Nach Schulreform: Bayerns Haupt- und Realschüler schneiden schlechter ab.
Die frühzeitige Trennung von Haupt- und Realschülern in bayern hat negative Konsequenzen für die Leistungen der Kinder. Das zeigt eine aktuelle Studie des Münchner ifo instituts — Leibniz-institut für Wirtschaftsforschung. Während viele europäische Län der in den vergangenen Jahren Schulsysteme einführten, die ein längeres gemeinsames Lernen vorsehen, ging bayern mit seiner Schulreform von 2000 den entgegengesetzten Weg. Mit dem Ziel, die Kinder ihrer begabung entsprechend zu fördern, wurden die Schüler schon nach der vierten Klasse getrennt. ein Vergleich der ergebnisse der PiSA-Tests aus den Jahren 2000, 2003 und 2006 zeigt nun, dass sich die Leistungen der bayerischen Haupt- und Realschüler nach der Reform negativ entwickelten. ifo Schnelldienst 66 (03), 2013, 22-28
Kongress ohne Kompromiss Ihr perfekter Gastgeber: Berlin
convention.visitBerlin.de
Ein perfekter Kongress ist mehr als perfekte Organisation. Mehr als perfekte Räumlichkeit. Mehr als perfekter Service. Zu einem perfekten Kongress gehört auch ein Gastgeber, der sich um den Rahmen kümmert. Berlin, die aufregendste Metropole in Europa tut das. Ob Kultur, Sport oder Party, Berlin gibt sein Bestes. Als Gastgeber für einen Kongress ohne Kompromiss! convention.visitBerlin.de 2/2013
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Leibniz | KURz & FORSCH
Leben nach dem Sturm
Die Schäden bei der Neurofibromatose 2 werden durch fehlerhafte Axone, schlauchartige Nervenzellfortsätze, bedingt.
Forscher vom Leibniz-Institut für Altersforschung – FritzLipmann-Institut in Jena haben einen Mechanismus entdeckt, mit dem die Schädigung von Nervenzellen durch die Erbkrankheit Neurofibromatose Typ 2 (NF2) erstmals erklärt werden können. Demnach werden die Schäden durch fehlerhafte Axone (schlauchartige Nervenzellfortsätze) bedingt, deren Aufgabe normalerweise darin besteht, Impulse wie ein Sendemast von einer Nervenzelle zur anderen weiterzuleiten. Axone könnten so auch sinnvolle Targets für die Wirkstoffsuche und Behandlung von Fibromatose und anderen Nervenkrankheiten darstellen. NF2 ist eine der am häufigsten auftretenden Formen von Neurofibromatose, einer Gruppe unheilbarer Erbkrankheiten, an der allein in Deutschland 40.000 Menschen leiden. Sie führt zu gutartigen Tumoren, die meist 6
vom Hirngewebe und von den Hirnnerven ausgeht. Obwohl die Tumore nur langsam wachsen, werden mit dem Fortschreiten der Krankheiten die Hör- und Gleichgewichtsnerven irreparabel geschädigt. Die Betroffenen leiden deshalb unter neurologischen Ausfällen wie Taubheitsgefühl und Schwäche in den Extremitäten. Die Krankheit wird autosomal dominant vererbt, das heißt, die genetische Fehlinformation wird an etwa die Hälfte der Nachkommen weitergegeben. Nature Neuroscience 2013. doi:10.1038/ nn.3348
Kosmischer Zufall könnte Leben auf der Erde ermöglicht haben: Nach Entstehung von Jupiter und Saturn entstanden Meteoriten, die mit der Erde kollidierten.
Umweltzone zeigt Wirkung: Die Rußkonzentration in Leipzig hat stark abgenommen.
Ein kosmischer Zufall könnte für die Entwicklung irdischen Lebens verantwortlich sein. Zu dieser Erkenntnis kommen Wissenschaftler des Museums für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung in Berlin in Zusammenarbeit mit einem internationalen Forscherteam. Demnach wanderten die Gasplaneten Jupiter und Saturn nach ihrer Entstehung zunächst zur Sonne und bewegten sich dann wieder auf weiter entfernte Bahnen. Die Bewegung der Gasriesen lenkte viele kleinere Himmelskörper auf
exzentrische Bahnen und ließ sie teils kollidieren. Die dabei entstehenden Meteoriten rissen nicht nur Löcher in Mond und Merkur die dortigen Krater bezeugen den Aufprall noch heute – sondern wohl auch in die Erde. Das löste weitreichende Veränderungen der Umwelt aus. Auch die Entwicklung lebensfreundlicher Bedingungen könnte unmittelbar mit dem Meteoritenhagel zusammenhängen, so die Vermutung der Forscher. Nature Geoscience 6, 303–307 (2013). doi:10.1038/ngeo1769
Erfolgreiche Umweltzone
Die im März 2011 in Leipzig eingerichtete Umweltzone zeigt erste positive Effekte. Das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) in Leipzig konnte nachweisen, dass die Rußkonzentration in der Innenstadt in den vergangenen zwei Jahren um etwa 30 Prozent
gesunken ist. Die Umweltzone habe somit einen elementaren gesundheitsrelevanten Effekt, so die Forscher von TROPOS. Zur Minderung der Zahl der Rußpartikel in der Luft haben besonders drei Faktoren beigetragen: Ältere Dieselfahrzeuge wurden mit Rußpartikelfiltern nachgerüstet, die Fahrzeugflotte verjüngt. Immer mehr Menschen nutzen zudem die öffentlichen Verkehrsmittel, fahren Rad oder laufen. Von der Umweltzone profitiert dabei nicht nur der Mensch, sondern auch das Klima. Nach Kohlendioxid gilt Ruß in der Forschung als Klimatreiber Nummer zwei.
Fotos: K. Wagner/FLI, Foto: www.panthermedia.de; Don Davis; Tilo Arnhold/TROPOS; Wikimedia Commons/Bureau of Land Management (USA)
Neuer Ansatz gegen Nerventumore
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Leibniz | KURZ & FORSCH
Teures Fracking
ZEWEnergiemarktbarometer: Die Ausbeutung von Schiefergas wäre in der EU unwirtschafltich.
Die Ausbeutung von Schiefergas durch die umstrittene FrackingMethode wäre in der Europäischen Union (EU) unwirtschaftlich. Zu diesem Ergebnis kommt das ZEW Energiemarktbarometer des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Während Fracking den Gaspreis in den USA senkte, lohnt sich die Förderung von im Gestein sitzenden Gasvorkommen durch das Einpressen von Wasser und Chemikalien bei den aktuellen europäischen Gaspreisen nicht. Derzeit kostet die Megawattstunde Erdgas an den Großhandelsbörsen etwa 27 Euro. Eine
Befragung von 200 Energiemarktexperten durch das ZEW ergab, dass der Preis auf 40 bis 60 Euro oder sogar darüber hinaus steigen müsste, damit Fracking sich auch in der EU rentieren würde. Die Förderkosten auf den konventionellen Gasfeldern in Osteuropa sowie im Nahen und Mittleren Osten sind deutlich niedriger. Die Folge des Frackings für Umwelt und Gesundheit seien zudem schwer einzuschätzen. In Deutschland wird die Methode daher kontrovers diskutiert. ZEW Energiemarktbarometer Januar/ Februar 2013
in
Zahlen
322 Abonnement-Zeitungen gab es nach Berechnungen des Leipziger Medienforschers Dr. Tobias D. Höhn 2012 in Deutschland. 1989 waren es noch 387. Neben der Zahl der Titel schlägt sich die Abwärtsentwicklung der deutschen Tagespresse vor allem auch in der verkauften Auflage nieder, die 2012 nur noch bei 60 Prozent des Werts aus dem Jahr 1989 lag. Die Befunde Höhns sind jetzt mit aktuellen Karten und Grafiken des LeibnizInstituts für Länderkunde auf nationalatlas.de nachzulesen. (http://bit.ly/IfL-Zeitungen).
2,6
Mio.
Führung in Vollzeit Bei der Wahl von Arbeitszeitmodellen sind insbesondere deutsche Führungskräfte eher konservativ.
Verbreitung von Teilzeitarbeit sind laut WZB die Arbeitskultur und Erwartungen an Manager. Auf Führungsebenen, wie in anderen Arbeitsbereichen gilt, Eine Studie des Wissenschafts dass eher Frauen Teilzeitarbeit zentrums Berlin für Sozialfor- leisten. schung (WZB) zu Teilzeitarbeit unter Europas Managern zeigt, Daher könnte eine größere Bedass anders als in europäischen reitschaft zu Teilzeit-Arbeit Ländern wie Griechenland oder auch zu mehr GeschlechtergeÖsterreich, nur fünf Prozent rechtigkeit auf dem Arbeitsder deutschen Führungskräf- markt beitragen. te ihre Arbeitszeit reduzieren wollen. Entscheidend für die WZBrief Arbeit 15, April 2013
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Millionen Menschen arbeiten in Deutschland als Solo-Selbständige, also auf eigene Rechnung und ohne Angestellte. Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) ist die Zahl dieser Ein-Personen-Unternehmen von 2000 bis 2011 um rund 40 Prozent angewachsen. Damit sind mittlerweile rund 57 Prozent aller Selbständigen in Deutschland Solo-Selbständige. Immer öfter arbeiten sie in künstlerischen Berufen, als Lehrer, Publizisten, Psychologen oder in pflegerischen Berufen, immer seltener im Handwerk. Sie sind im Durchschnitt besser qualifiziert als die Gesamtheit der Erwerbstätigen; verdienen aber nicht besser.
40.000
Mit mehr als Kulturen ist das Leibniz-Institut DSMZ ‑ Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen eines der größten Bioressourcenzentren weltweit. Die Sammlung umfasst derzeit mehr als 20.000 verschiedene Bakterien und Pilz-Stämme, 700 menschliche und tierische Zelllinien, 800 Pflanzenzelllinien, 1.000 Pflanzen-Viren und Antiseren sowie 4.800 verschiedene Typen genomischer Bakterien-DNA.
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L e i b n i z | p e rsp e kt i v e n
Gemeinsam statt gegeneinander Verlage und Wissenschaft sollten bei Open Access fair kooperieren
Benötigen wir im digitalen Zeitalter überhaupt noch kommerzielle Verlage, um unsere Forschungsergebnisse barrierefrei und nachnutzbar zu veröffentlichen? Ulrich Korwitz ist Direktor der Deutschen Zentralbibliothek für Medizin, Gesundheit, Ernährung, Umwelt, Agrar (ZB MED) in Köln und Bonn. Er ist außerdem Sprecher des Arbeitskreises Open Access der LeibnizGemeinschaft.
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Die Leibniz-Gemeinschaft unterstützt den freien Austausch von Forschungsergebnissen über das Internet, weil der schnelle und direkte Zugang im Open Access die Forschungseffizienz erhöht, internationale und interdisziplinäre Kooperation unterstützt, die Sichtbarkeit und Zitierhäufigkeit von Publikationen verstärkt und damit den Nutzen öffentlich geförderter Forschung maximiert. Als Meilenstein sehe ich an, dass die Europäische Kommission (Horizon 2020) ebenso wie nationale Regierungen (USA, GB, CH, A), internationale Akteure (Science Europe, Knowledge Exchange, Global Research Council) und selbstverständlich die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen, darunter die LeibnizGemeinschaft, weit gediehene Ansätze für das Open AccessPublizieren auf dem goldenen bzw. grünen Weg gebracht haben. Leibniz-Einrichtungen fungieren als Verleger und Herausgeber und haben das Potenzial, ohne kommerzi-
elle Verlage zu veröffentlichen. Insgesamt geben Leibniz-Institute 78 Zeitschriften heraus, 39 davon Open Access im Eigenverlag – mit Aufwärtstrend. Die Deutsche Zentralbibliothek für Medizin (ZB MED) versorgt ihre Fachgesellschaften mit 17 Zeitschriften, die im Eigenverlag erscheinen.
Und dennoch ist uns daran gelegen, auf einer neuen Ebene gut mit den Verlagen zu kooperieren und neue Geschäftsbeziehungen mit ihnen einzugehen, um von ihrem Marktwissen, ihren Technologien und ihrem Service zu profitieren. Wir bleiben weiterhin und zunehmend parallel auf dem Publikationsmarkt aktiv. Das ergibt, so hoffe ich, eine gesunde Mischung, die den Wettbewerb fördert.
Selbstverständlich bedeutet Open Access zu veröffentlichen weiterhin, dass es Verfahren zur Qualitätssicherung gibt, wie das Peer-Review. Letzteres trägt die Wissenschaft ohnehin selbst, ohne Finanzierung durch Verlage. Open Access zu publizieren bedeutet dennoch nicht, dass alle Kosten wegfallen. Qualität kostet eben Geld. Entscheidende Kosten entstehen im redak tionellen Publikationsmanagement, durch die EDV, im Marketing. Die Rolle der Wissenschaftsorganisationen ist es, eigene Finanzierungsstrukturen (z.B. Publikationsfonds) zu etablieren, die mit den neuen Geschäftsmodellen der kommerziellen Verlage korrespondieren. Von den Verlagen erwarten wir einen zügigen Übergang zu neuen Geschäftsmodellen bzw. angemessene Transferangebote vom Subskriptions- zu neuen Gebühren modellen. Wir erwarten faire Preise und Kostentransparenz – insbesondere als Basis für unsere eigene Kostenkontrolle.
Fotos: DSMZ, Hwa Ja Götz/MfN
Als mit der Berliner Erklärung 2003 die Vision von Open Access, dem freien Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen im Internet also, nieder geschrieben wurde, war dies revolutionär. Die Leibniz-Gemeinschaft unterzeichnete sie damals zusammen mit den führenden deutschen außeruniversitären Wissenschaftsorganisationen und über 300 weiteren Institutionen und Akteuren. Heute nun kann Open Access als eine von der Öffentlichkeit, der Politik und selbst den kommerziellen Verlagen anerkannte Option des Publizierens bezeichnet werden. Gestritten wird freilich noch erheblich über Wege, Finanzierung und Lizenzen.
Der effiziente, barrierefreie, unterlizenzierbare Zugang zu Forschungsergebnissen der öffentlich geförderten Forschung sollte ebenso unser gemeinsames Ziel sein wie der faire Rückfluss der Steuermittel an alle Beteiligte. u l r i c h k o rw i tz
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L e i b n i z | p e rsp e kt i v e n
Nagoya
ist nicht
Europa
Pläne der EU-Kommission gefährden die wissenschaftliche und bioökonomische Entwicklung in Entwicklungsländern Im Jahr 1992 wurden mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Biologische Vielfalt (CBD) die Verantwortung und Nutzungsrechte für biologische Ressourcen unter die Hoheit von Staaten gestellt. Hauptanliegen dieser Biodiversitäts-Konvention sind der Schutz der Artenvielfalt, ihre nachhaltige Nutzung und der gerechte Vorteilsausgleich zwischen den Beteiligten bei einer Nutzung genetischer Ressourcen. Kurz gesagt: Entwicklungsländer sollen einen fairen Anteil erhalten, wenn ihre biologischen Ressourcen in Industrieländern verwertet und vermarktet werden. Geregelt wird der Vorteilsausgleich durch ein 2010 in Nagoya verabschiedetes Protokoll. Für dessen europaweit einheitliche Umsetzung hat die EUKommission kürzlich einen Verordnungsentwurf (2012/0278) vorgelegt. Dieser Entwurf aber wird den Erfordernissen des NagoyaProtokolls nicht gerecht und noch schlimmer, er schadet der Grundlagenforschung: Er gefährdet die Mitwirkung europäischer Wissenschaftler und Zuwendungsgeber beim Aufbau von Forschungskapazitäten in Entwicklungsländern. Da unter genetischen Ressourcen jedwedes mikrobielle, pflanzliche oder tierische Material mit funktionalen Erbeinheiten verstanden wird, betrifft die Verordnung auch alle Bestände nicht-kommerzieller naturwissenschaftlicher Sammlungen in Museen, Herbarien sowie mikrobiologische Kulturen.
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Zentrales Element des Entwurfs ist die Einrichtung akkreditierter europäischer Sammlungen (Union trusted collections), denen die Verantwortung für die Rückverfolgung und Wahrung der Eigentums- und Nutzungsrechte übertragen werden soll. Diese Verfahrensweise ist technisch kaum umsetzbar, da bei Unklarheiten über den legalen Status von Bioressourcen das Herkunftsland keiner Auskunftspflicht gegenüber europäischen Behörden unterliegt. Zudem sind die Antragsmodalitäten bei nicht-kommerziellen Projekten der Biodiversitätsforschung zwischen einzelnen Ländern sehr verschieden. Grundlagenforschung benötigt Hinterlegungs möglichkeiten für biologisches Material in öffentlichen Sammlungen; letztere fehlen jedoch in Entwicklungsländern fast gänzlich.
Wird eine Hinterlegung in Europa unmöglich, so würde vor allem die Grundlagenforschung in den Entwicklungsländern selbst und damit auch der Erhalt der Biodiversität vor Ort massiv erschwert. Der Verordnungsvorschlag konterkariert zudem die derzeit laufenden Förderstrategien der EU und des Bundesforschungsministeriums, die eine dezentralisierte Service-Infrastruktur für Bioressourcen mit freiem Austausch anstreben. Das Nagoya-Protokoll zielt aber vor allem auf die nachhaltige Nutzung biologischer Ressourcen. Um für die angewandte Forschung oder gar kommerzielle Partner interessant zu werden, muss das vorliegende Konzept sub stantiell nachgebessert werden:
Erstens: Die „Nutzung genetischer Ressourcen“ muss EU-weit ausschließlich als kommerzielle Anwendung definiert werden. Die Hinterlegung eines Organismus in einer öffentlichen Sammlung und Veröffentlichung der Forschungsergebnisse sind Kriterien par excellence für nicht-kommerzielle Forschung.
Jörg Overmann (l.) ist geschäftsführender Direktor des LeibnizInstituts DSMZ — Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen und Professor für Mikrobiologie an der Technischen Universität Braunschweig. Christoph Häuser ist Koordinator für internationale Zusammenarbeit und Forschungspolitik in der Generaldirek tion des Museums für Naturkunde — Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitäts forschung in Berlin.
Zweitens: Union trusted collections sollten ausschließlich für wirtschaftlich relevante Bioressourcen eingerichtet werden. Die Ausrichtung auf eine kommerzielle Nutzung bedingt ein originäres Interesse aller Beteiligten und ermöglicht so eine Standardisierung, mithin eine bessere Rechtssicherheit. Und drittens: In der Grundlagenforschung untersuchte Organismen sollten wie bisher in öffentlichen Sammlungen hinterlegt und die Verpflichtung des Forschers für die Rechtmäßigkeit der Hinterlegung beibehalten werden. j ö r g o v e r m a n n u n d c h r i s to p h h ä u s e r
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Leibniz | GeSUnDHeiT
Dem
Feind auf der
Sp
Im Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg forschen Wissenschaftler an hoch ansteckenden Infektionskrankheiten. Nicht alle aber erfordern so strenge SicherheitsmaĂ&#x;nahmen wie hier im S3-Lassa-Labor.
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Leibniz | GeSUnDHeiT
pur
infektionskrankheiten sind
Foto: BNI/Walter Mücksch
ein globales Sicherheitsproblem
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Infektionskrankheiten wie Influenza und SARS springen von Kontinent zu Kontinent, in Europa breiten sich zunehmend multiresistente TuberkuloseErreger aus. Deutsche Versicherungen fürchten solche Pandemien inzwischen mehr als Währungskrisen und Staatspleiten.
Alle 30 Sekunden stirbt ein Mensch an Tuberkulose, jährlich sind es rund 1,4 Millionen Kinder, Frauen und Männer. Ein Drittel der Weltbevölkerung gilt als infiziert, betroffen sind vor allem Regionen in Afrika, Osteuropa und Südostasien. In den Köpfen der Deutschen hingegen spielt die „weiße Pest“ kaum noch eine Rolle: 162 Menschen starben 2011 hierzulande an Tuberkulose, die Zahl der Opfer liegt damit deutlich unter der der Verkehrstoten. „In den Industrienationen mit gut funktionierenden Gesundheitssystemen lässt sich Tuberkulose gut behandeln und kontrollieren“, sagt Stefan Ehlers, Direktor des Leibniz-Zentrums für Medizin und Biowissenschaften (FZB) in Borstel. Mycobacterium tuberculosis ist hinlänglich bekannt. Beim Menschen befällt es meist die Lunge und kündigt sich durch zunächst harmlose, erkältungsähnliche Symptome an, bevor es sich tief ins Lungengewebe frisst, was der bakteriellen Infektionskrankheit den Beinamen „die Motten“ beschert hat. Und auch der Verbreitungsweg ist kein Geheimnis: Wenn in schlecht belüfteten Räumen ein Erkrankter hustet, schweben die Erreger noch eine Weile in der Luft. Nur zu atmen reicht also aus, um sich anzuste▶ cken.
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L e i b n i z | G e su n dh e i t Eine Aufnahme mit dem Environmental Scanning Electron Microscope zeigt die Lungenbläschen (Alveoli) an einer TB-infizierten Stelle. Grün: die Mykobakterien.
kostet pro Tag etwa 500 Euro und damit rund 50 mal so viel wie die normale Behandlung. Vor diesem Hintergrund gibt es auch für die Pharmaindustrie Anlass, wieder mehr Geld in die Tuberkuloseforschung zu investieren. Lange galt Tuberkulose als Krankheit der sozial Schwachen und Armen. Aus Sicht der profitorientierten Pharmaforschung war sie daher wenig lukrativ.
Gefragt: schnelle diagnostische Tests
Welle multi resistenter Keime auf uns zu, die auch für Deutschland eine
Gefahr darstellt.“ In den Ländern der ehemaligen Stefan Ehlers
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Leibniz-Zentrum für Medizin und Biowissenschaften
Sowjetunion sind in den 1990er Jahren die Gesundheitssysteme zusammengebrochen. Und damit die Tbc-Kontrolle. In der Folge setzten viele Betroffene die Medikamente zu früh ab
oder mussten die Behandlung vorzeitig beenden, weil schlicht die Arzneimittel fehlten. Sie verletzten so eine Grundregel der Tbc-Therapie mit Antibiotika: Auch wenn sich ein Patient rasch besser fühlt, muss die Behandlung konsequent durchgezogen werden – sonst drohen Resistenzen. In Osteuropa entstanden so mehrfach resistente und sogar extensiv (also vollständig) resistente Tuberkulose-Stämme (MDR-Tbc und XDR-Tbc). Mit den gängigen Medikamenten können sie kaum noch bekämpft werden. Die Erreger entwickeln sich aus Sicht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu einer wachsenden Bedrohung für Europa.
In Deutschland leiden derzeit 56 Menschen an einer multiresistenten Tbc, weitere zehn sind mit extensiv-resistenten Erregern infiziert. Stefan Ehlers mag gar nicht daran denken, was auf Deutschland zukäme, wenn es einmal mehrere hundert Fälle würden. Wo würde man die Langzeitpatienten, die teils über Jahre isoliert behandelt werden müssten, unterbringen? Auch finanziell wäre ein solches Szenario ein Desaster: Die Therapie gegen multiresistente Keime
„Pandemien wie die Spanische Grippe um 1918 sind auch heute noch denkbar“, sagt Rolf Horstmann, Leiter des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNI) in Hamburg. Zudem ist Horstmann Sprecher des „Leibniz Center Infection“ (LCI), eines Zusammenschlusses aus BNI, FZB und HeinrichPette-Institut – Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie (HPI). Klimawandel und Globalisierung würden zwar neue Aspekte ins Spiel bringen, aber entscheidend sei die Geschwindigkeit, mit der sich Erreger ausbreiten: „Früher musste ein Virus mühsam auf dem Landweg voran kommen. Heute gelangt es mit dem Übernachtflug aus Südostasien nach Europa.“ Natürlich sei die Wissenschaft „influenza-trainiert“ und in der Lage, relativ schnell einen Impfstoff herzustellen. „Aber wir müssen ja auch viel, viel schnel-
Fotos: Rudolph Reimer/HPI & Ulrich Schaible/FZB (2); DZIF; BNI (2)
„Da rollt eine
Erkrankt jemand in Deutschland an Tuberkulose (Tbc) – wie etwa im März zwei Männer im Münsterland – werden die Infizierten sofort isoliert. Die örtlichen Gesundheitsämter haben dann die Aufgabe, sämtliche Kontaktpersonen zu finden, um die Ansteckungskette zu unterbrechen. „Die Infizierten werden in der Regel sechs Monate lang mit insgesamt vier Antibiotika behandelt“, erklärt Ehlers. Vor 20 Jahren war eine Therapie mit Rifampicin und Isoniazid als den beiden wichtigsten Wirkstoffen zur Behandlung der auch als Schwindsucht bekannten Krankheit Routinesache. Doch diese Zeiten sind vorbei: „Zu glauben, wir können die Tuberkulose weltweit ausrotten, ist inzwischen eher eine Illusion“, sagt Ehlers. Mit großer Sorge blickt er vor allem nach Osteuropa: „Da rollt eine Welle multiresistenter Keime auf uns zu, die auch für Deutschland eine Gefahr darstellt.“
Aber nicht allein Tuberkulose stellt eine weltweite Bedrohung dar: Pandemien wie SARS (Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom), Influenza oder aktuell die Vogelgrippe H7N9 in China sorgen Jahr für Jahr für Schlagzeilen. Deutsche Versicherungen fürchten Pandemien mehr als Währungskrisen und Staatspleiten. Das ergab im vergangenen Jahr eine Studie des privaten Krankenversicherers Deutscher Ring und des Instituts für Versicherungswirtschaft der Universität St. Gallen.
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ler reagieren“, erklärt Horstmann. Noch dazu tauchen immer wieder völlig neue Erreger auf, beispielsweise 2003 das SARS-assoziierte Corona-Virus. Damals starben weltweit etwa 800 Menschen. In jüngster Zeit sorgt ein SARS-ähnliches Corona-Virus für Aufregung. Erstmals war es im Juni 2012 bei einem Mann aus Saudi-Arabien festgestellt worden. Inzwischen sind einzelne Infizierte nach Großbritannien und auch nach Deutschland eingereist, glücklicherweise, ohne dass in Europa weitere Personen angesteckt wurden. Die WHO hat dennoch alle Länder zu Wachsamkeit aufgerufen. Die Gesundheitseinrichtungen sollen Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen und ungewöhnlichen Symptomen auf den neuen Erreger testen.
Pandemien als öffentliches Sicherheitsrisiko
Da im Fall von Pandemien große Teile der arbeitenden Bevölkerung erkranken könnten, sind massive Ausfälle in Produktion, Handel und Tourismus zu befürchten. Das hat das ursprünglich rein persönliche Risiko
krank zu werden, auf die sicherheitspolitische Agenda katapultiert. „Öffentliche Sicherheit und damit der Infektionsschutz ist in Deutschland Ländersache“, erläutert Horstmann. Der Föderalismus mache es aber nicht einfacher, die Krankheitserreger zu bekämpfen. Jedes Landesgesundheitsamt hat eigene Notfallpläne, die beispielsweise festlegen, welche öffentlichen Einrichtungen wann geschlossen werden oder wie infiziertes Abwasser zu entsorgen ist. Eine übergeordnete Institution in Sachen Seuchenkoordination ist das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin. Meldungen aus allen Bundesländern laufen hier zusammen, zudem berät das RKI das Bundesgesundheitsministerium, ob eine Krankheit meldepflichtig werden soll. Und auch der europaweite Blick auf Pandemien wurde in den vergangenen Jahren geschärft: 2004 wurde in Stockholm mit dem European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) eine Art Frühwarnsystem eingerichtet, um es der Europäischen Union zu ermöglichen, ansteckende Krankheiten und andere ernste Gesundheitsrisiken einzudämmen. Im Falle einer neuen Pandemie wäre auch das Leibniz Center
Foto: Michael Hughes / Guinness World Records
Aufnahme der Lunge im Confocal Laser Scanning Microscope: Bakterien (rosa) bilden Cluster um die Kerne der Lungenzellen (grün).
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Infection gefordert. Man habe dann die Aufgabe, möglichst schnell Nachweistests zu liefern, sagt Horstmann. „Wie 2003 bei SARS.“ Damals hatten die BNI-Wissenschaftler Christian Drosten (heute in Bonn) und Stephan Günther innerhalb weniger Tage das Virus charakterisiert und einen diagnostischen Test entwickelt, den sie sofort der Öffentlichkeit zur Verfügung stellten. „So etwas kann das RKI alleine nicht für alle denkbaren Erreger leisten“, sagt Horstmann. Das RKI müsse die zahlreichen spezialisierten Laboratorien im Land einbeziehen, die als Nationale Referenzzentren zur Verfügung stehen – wie eben das auch als Tropeninstitut bekannte Bernhard-Nocht-Institut. Auch am HPI wird permanent an neuen virenhemmenden Wirkstoffen geforscht, um für die nächsten Wellen von Virusinfektionen gerüstet zu sein. Die drei LCI-Institute versuchen, ihre „Feinde“ möglichst genau kennenzulernen, um sie effektiver bekämpfen zu können – auf molekularbiologischer wie auf strategischer Ebene. „Unser Fernziel ist es, Infektionserreger, die einmal den Menschen bedrohen könnten, schon im Tierreich zu identifizieren“, sagt Horstmann. „So könnten wir Impfstoffe entwickeln, noch bevor eine Pandemie ausbricht.“ k at j a l ü e r s
Schatten auf einer Röntgenaufnahme der Lunge zeigen die TuberkuloseErkrankung.
„Früher musste sich ein Virus mühsam auf dem Landweg fortbewegen – heute kommt es mit dem Übernachtflug aus Südostasien.“ Rolf Horstmann Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Sprecher des „Leibniz Center Infection“
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Eine Insulinpumpe erspart Diabetikern mehrfache tägliche Injektionen, muss aber dauerhaft getragen werden.
Zuckersüße
Gefahr
Wie Forscher die Volkskrankheit Diabetes verstehen lernen — um sie besser bekämpfen zu können.
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Falsche Ernährung, zu wenig Sport, Übergewicht. Die Risikofaktoren, die zur Zuckerkrankheit von rund sechs Millionen Deutschen beitragen, sind bekannt. Doch warum wird nicht jeder sportmuffelige FastFood-Freund auch Diabetiker? Und wie können Prävention und Behandlung verbessert werden?
Fotos: DDZ; Till Budde/DIfE; privat
Morgens Schwarztee mit reichlich Zucker. Mittags lieber ein Steak als die Vegetarierplatte. Und ab und zu ein FeierabendBier. Oder Cola. Bringt mich dieses Ernährungsverhalten schon an den Rand der Zuckerkrankheit, an der in Deutschland etwa sechs Millionen Menschen leiden? Oder gehöre ich bereits zu den schätzungsweise vier Millionen Deutschen, die nichts von ihrem Diabetes wissen? Obwohl ich nicht rauche, eher schlank und gefühlt ohnehin viel jünger bin als mein Pass behauptet, klicke ich mich mit zunehmendem Unbehagen durch die Fragen eines Online-Tests, den der Epidemiologe Matthias Schulze vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam (DIfE) gemeinsam mit Kollegen entwickelt hat. Unter http://drs. dife.de/ kann jeder in nicht einmal fünf Minuten sein persönliches Risiko errechnen, im Laufe der nächsten fünf Jahre an Diabetes zu erkranken.
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Was mit harmlosen Fragen nach der Körpergröße beginnt, wird spätestens bei Gewicht und Taillenumfang unangenehm. Und auch mal peinlich, wenn bei der Skala für Gartenarbeit oder sportliche Aktivitäten das Kreuz ehrlicherweise im untersten Zehntel gesetzt werden muss. Doch angesichts von Schätzungen, dass schon 2015 über zehn Millionen Menschen in Deutschland an Diabetes erkrankt sein werden, treten persönliche Befindlichkeiten in den Hintergrund. Zuverlässige Vorhersagen gewinnen an Bedeutung. Für den Einzelnen, der eine Diabeteserkrankung oft erst erkennt, wenn offene Wunden, Nervenzellschwund oder Organschäden auftreten.
Und für die Gesellschaft, die schon heute Präventions- und Behandlungskosten von über 30 Milliarden Euro jährlich tragen muss.
Langzeitstudie mit 28.000 Menschen
Der Diabetes-Risiko-Test soll helfen, solche Vorhersagen zu treffen. Er basiert auf den Erkenntnissen einer Brandenburger Langzeitstudie, an der seit 1994 fast 28.000 Menschen teilgenommen haben. Die Erkenntnisse solcher Erhebungen sind statistischer Art: Menschen, die mehr Sport treiben, mehr Vollkorn- als Weißbrot essen oder nicht rauchen, entwickeln seltener Diabetes. Auf dieser Grundlage kann der DIfE-Fragebogen das statistische Risiko einer Diabeteserkrankung für den Großteil der Bevölkerung präzise einschätzen. Erklären, warum manche Menschen nicht zuckerkrank werden, obwohl sie statistisch gesehen hinreichend übergewichtig sind, kann er selbstverständlich nicht. Die existierenden Tests stufen bislang zudem deutlich mehr Menschen als Risikopatienten ein als später erkranken.
„Wir versuchen deshalb ständig, die Vorhersagemodelle zu verbessern“, sagt Schulze, der etwa im Blut nach sogenannten Biomarkern sucht: Molekülen, deren An- oder Abwesenheit es ermöglichen, bestimmte Krankheiten vorherzusagen oder frühzeitig zu erkennen. Gemeinsam mit der Ernährungswissenschaftlerin Anna Flögel vom DIfE und weiteren Forschern untersuchte Schulze das Blut von rund 4.000 Teilnehmern verschiedener Studien auf 163 Stoffwechselprodukte. Dabei fiel auf, dass Diabetiker einen erhöhten Anteil bestimmter Phospholipide im Blut haben, jener Fettmoleküle, aus denen auch die Zellmembranen bestehen. Eine in doppelter Hinsicht vielversprechende Beobachtung: Einerseits könnte sie Hinweise auf die Entstehungs-
mechanismen von Diabetes liefern; andererseits könnte eine erhöhte Konzentration dieser Phospholipide im Blut in der Früherkennung genutzt werden: als Zeichen einer sich anbahnenden Zuckerkrankheit.
Hypochondern wie mir könnten diese Erkenntnisse mehr Gewissheit verschaffen. Sollte also auch ich mir – im Sinne einer optimalen Prognose – Blut abnehmen lassen? Doch diesem Plan steht meine Spritzenphobie entgegen. Stattdessen erscheint mir auch ein Blick nach Düsseldorf interessant. Dort soll die „Deutsche DiabetesStudie“ Grundlagen für bessere Vorhersagen liefern. So penibel wie möglich beobachten Forscher des Deutschen DiabetesZentrums (DDZ) dazu rund 800 zuckerkranke Patienten. „Wir phänotypisieren“, sagt Hadi AlHasani vom Institut für Klinische Biochemie und Pathobiochemie am DDZ. „Das heißt, wir messen alles, was wir für relevant halten.“
Intervenieren, bevor es teuer wird
Die tomographische Untersuchungen, Blutanalysen und sogar Gewebeproben von Haut, Muskel und Fett dienen dabei vor allem einem Ziel: frühzeitig Hinweise auf die gefürchteten Spätfolgen der Zuckerkrankheit
Mit den Daten vieler Tausend Studienteilnehmer errechnet der Diabetes-RisikoTest das statistische Risiko, an Diabetes zu erkranken.
„Wir versuchen ständig, die Vorhersage modelle zu verbessern.“ Matthias Schulze Deutsches Institut für Ernährungsforschung
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„Wir messen alles, was wir für relevant halten.“ Hadi Al-Hasani Deutsches Diabetes-Zentrum
zu erkennen. Nierenschäden, Nervenzellverlust und Augenleiden zählen dazu. „Erst wenn wir verstehen, warum einige Menschen bestimmte Spätkomplikationen entwickeln, andere aber nicht, können wir die Betroffenen frühzeitig identifizieren und mit geeigneten Interventionen davor bewahren, in das leidvolle – und teure – Stadium der Krankheit einzutreten“, sagt der Internist und Endokrinologe Michael Roden, der die Deutsche Diabetes-Studie und das Institut für Klinische Diabetologie am DDZ leitet. Darüber hinaus könnten die physiologischen Daten der 800 Diabetiker auch Biomarker zutage fördern, die Hinweise darauf liefern, ob sich ein noch nicht erkrankter Mensch auf dem Weg zum Diabetes befindet.
Wenn die 800 Diabetes-Patienten 100 verschiedene Wege zur Krankheit genommen haben, lässt sich der Einfluss einzelner Genvarianten oder Ernährungsbestandteile statistisch kaum noch erfassen. Al-Hasani und Roden möchten diese Zusammenhänge – wie auch ihre Kollegen in Potsdam – dennoch entschlüsseln. Am DDZ setzt man dabei unter anderem auf das sogenannte ClampVerfahren, mit dem die InsulinWirkung in einzelnen Zellen und Organen präzise bestimmt werden kann. Diese Technik könnte helfen, verschiedene Formen des Diabetes zu unterscheiden und die Entstehung der Erkrankung sowie die Entwicklung von Spätfolgen besser zu verstehen. Etwa, warum manche Patienten trotz relativ konstanter Blutzuckerwerte Nervenschäden erleiden.
Sport hilft — meistens
Analyse von Gewebeverände rungen mittels eines histologischen Schnitts auf einem Objektträger.
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Doch die Suche nach Auslösern und Frühwarnsignalen ist komplex. Diabetes hat nicht eine Ursache, sondern viele. Etwa 50 Genvarianten, die mit der Entstehung der Krankheit zusammenhängen sollen, sind inzwischen identifiziert. Doch sie umfassen gerade mal ein Drittel aller relevanten Gene, schätzt Al-Hasani. Dazu kommen Faktoren wie Rauchen, Übergewicht und zu wenig Bewegung. Viele Wege führen zum Diabetes, viele Veränderungen im Stoffwechsel sind nötig, bis die Krankheit schließlich ausbricht. Und:
Viele solcher Rätsel gibt die Zuckerkrankheit Forschern und Ärzten auf. Sport beispielsweise hilft den meisten Patienten, das Fortschreiten des Diabetes zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen. Manchen, den sogenannten Non-Respondern, hilft er nicht. Warum das so ist, können Forscher wie Al-Hasani heute noch nicht sagen. Wäre bekannt, welche positiven Prozesse Sport in den Zellen bewirkt, könnte das nicht nur erklären, warum Non-Responder keinen Vorteil daraus ziehen, sondern vielleicht sogar zur Entwicklung einer „Pille für das Gute vom Sport“ beitragen. „Sie soll Sport zwar nicht ersetzen“, sagt Al-Hasani. „Aber viele Diabetiker sind so krank, dass man sie nicht einfach aufs Laufband stellen kann.“ Bis zu drei Tage dauern die Tests, die die 800 Patienten in der DDZ-Studie über sich ergehen lassen. Andere Experimente am Menschen verbieten sich jedoch. Annette Schürmann, Leiterin der Abteilung Experimentelle Diabetologie am DIfE,
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arbeitet deshalb mit speziell gezüchteten Mäusen, die erblich zu Übergewicht neigen – und infolgedessen überdurchschnittlich häufig Diabetes entwickeln. Im Vergleich zu genetisch bedingt schlanken Mäusen können einerseits Genvarianten identifiziert werden, die die Diabetes-Entstehung fördern. Andererseits können die Entstehungsmechanismen der Krankheit genauer untersucht werden, als das beim Menschen möglich wäre. Warum werden manche Mäuse dick, welche Rolle spielt die Ernährung, wie entwickelt sich die Insulinresistenz und was passiert in den Beta-Zellen, bevor sie absterben? In verschiedenen Tests geht Schürmann Fragen wie diesen nach, um anhand der Maus neue Behandlungs- oder Präventionsideen zu testen. „Wir haben zum Beispiel eine Reihe von Interventionsstudien, bei denen wir die Mäuse bei verschiedenen Diäten halten oder einem Sportprogramm unterziehen, um zu sehen, welchen Einfluss das auf den Krankheitsverlauf hat.“ Die Ergebnisse solcher Tests seien gut auf den Menschen übertragbar, erklärt die Biologin. „Insulin-Signalweg und Glukosestoffwechsel von Maus und Mensch sind absolut identisch.“ Aber im Gegensatz zu Studien an Menschen habe ihr Team den Vorteil, die Ernährung der Tiere bis ins kleinste Detail kontrollieren zu können. „Die Mäuse können nicht heimlich an den Kühlschrank gehen.“
Durch Diabetes ausgelöste Nervenschäden können den Reflex der Patellarsehne im Knie zerstören.
Fotos: DDZ (2); DDZ; DIfE (2)
Von Mäusen und Menschen
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Gemeinsam mit Kollegen aus Tübingen und Dresden diskutieren die Potsdamer die Ergebnisse ihrer Forschung, um Interventionsstudien zu konzipieren und durchzuführen und so neue Ansätze für Prävention und Behandlung auf den Weg zu bringen. „Finden wir eine Genvariante in unserem Mausmodell, wird überprüft, ob diese Genvariante auch in den menschlichen Erbgut-Proben mit Diabe-
tes korreliert.“ Auf diese Weise sind die Wissenschaftler unter anderem auf zwei Genvarianten namens IFI16 und MNDA gestoßen. Sowohl bei Annette Schürmanns dicken Mäusen als auch bei übergewichtigen Menschen sind diese im Fettgewebe deutlich aktiver und aktivieren so ihrerseits das Steroidhormon Cortison. „Das zeigt, dass dieser Signalweg, der die Einlagerung von Fett im Eingeweidefettgewebe des Bauchraums reguliert, auch beim Menschen für die Entstehung von Übergewichtigkeit relevant ist.“ Zurück vorm Computer klicke ich mich durch die letzten Fragen des Tests vom Potsdamer DIfE. Wie erwähnt, zählt Übergewicht – zumindest bislang – nicht zu meinen Problemen. Dennoch bin ich beunruhigt: Laufen auch in meinem Körper bereits Stoffwechselprozesse aus dem Ruder, die mich irgendwann zuckerkrank machen könnten? Dann spuckt der Online-Test des DIfE eine Zahl aus: 0,92 Prozent – mein Risiko, in den nächsten fünf Jahren an Diabetes zu erkranken. Von 1.000 Menschen, die meine Ernährungs- und Lebensweise teilen, wird es demnach statistisch gesehen in dieser Zeitspanne etwa neun erwischen. Erleichtert atme ich, ob des nun doch recht geringen Risikos, auf. Und das Test-Programm hält meinen Wert sogar noch für verbesserungsfähig: Weniger rotes Fleisch sollte ich essen, regt es an. Und das mit dem Sport vielleicht doch noch einmal überdenken. sascha karberg
Dick und dünn. Mit speziellen Mäusen, die genetisch zu Übergewicht und Diabetes neigen , wollen DIfEForscher die Entstehungsgeschichte der Krankheit ergründen.
„Die Mäuse können nicht heimlich an den Kühlschrank gehen.“ Annette Schürmann Experimentelle Diabetologie am DIfE
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Medizinische Volkszähl Die „nationale Kohorte“:
Foto: Richard Verhoeven/BIPS
Eine MegaStudie sammelt Wissen gegen Volkskrankheiten.
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BIPS-Forscherin Kathrin Günther im Bioprobenlager. Die Daten Tausender Probanden sollen die Grundlage für künftige Therapien bilden.
lung Volkskrankheiten wie Krebs verursachen in Deutschland zwei Drittel aller Todesfälle. Zum Verständnis ihrer Ursachen, zu besseren Diagnosen und Behandlungen soll nun eine deutschlandweite Bevölkerungsstudie beitragen: die „Nationale Kohorte“.
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Antje Strecker zieht einen weißen Plastikstift aus einem schwarzen Ständer, nimmt die Kappe ab und hält ihn für exakt zwei Sekunden unter die Nase einer Probandin. „Und?“ fragt sie. Die Probandin wirft einen Blick auf eine einlaminierte Karte, die vor ihr auf dem Tisch
liegt. Vier Auswahlmöglichkeiten stehen darauf: Orange, Brombeere, Erdbeere, Ananas. Sie überlegt einen Augenblick, dann fragt sie zögernd: „Orange?“ „Richtig“, sagt Strecker. Sie wirkt zufrieden, als sie den Stift zurück in den Kasten steckt. Gut gelaunt zückt sie den nächsten. Die Arbeit macht der Krankenschwester Spaß, denn krank sind die Menschen nicht, die zu ihr ins Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) kommen, um den Riechtest zu absolvieren. Sie gehören zu den per Zufall ausgewählten Testpersonen, die ganz freiwillig an
der deutschlandweiten Studie Nationale Kohorte teilnehmen. 200.000 Menschen zwischen 20 und 69 Jahren sollen über die kommenden fünf Jahre verteilt in verschiedenen Studienzentren untersucht werden. 10.000 davon werden sich in den Räumen des BIPS auf dem Bremer Universitätscampus einfinden.
Volkskrankheiten verstehen
„Es sind die häufigen, großen Krankheitsgruppen, die wir mit dieser Studie adressieren“, sagt Wolfgang Ahrens, Leiter der
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Der Steptest gibt Aufschluss über den Fitnesszustand eines Probanden.
Abteilung Epidemiologische Methoden und Ursachenforschung am BIPS. 24 Forschungseinrichtungen der Helmholtz- und Leibniz-Gemeinschaft sowie verschiedene Universitäten haben sich für die Nationale Kohorte zusammengetan. Sie wollen besser verstehen, wie „Volkskrankheiten“ – Herzinfarkt, Krebs, Diabetes, aber auch Infektionskrankheiten oder Demenz und Depression – entstehen. Wie erkennt man sie frühzeitig? Wie beugt man ihnen vor? Welche noch unbekannten Risikofaktoren gibt es? „Wenn sie eine Gruppe von Menschen über längere Zeit beobachten, wird nur ein kleinerer Teil krank“, sagt Ahrens. „Aber genau dieser ist der informative.“ Durch den prospektiven, also vorausschauenden Charakter der Studie halten die Forscher bei den gesunden Probanden viele Faktoren fest, die zunächst bedeutungslos erscheinen. Später kann
sich jedoch herausstellen, dass sie auf eine Krankheit hinweisen. „Die Kohorten-Studie hat den großen Vorteil, dass wir sicher sein können, dass die Faktoren, die wir untersuchen, vor dem Auftreten der Erkrankung da gewesen sind“, erklärt der Experte. Im Nachhinein betrachtet lässt sich so ermitteln, wie verschiedene Faktoren zusammen wirken und zu bestimmten Krankheiten führen.
international auf Augenhöhe
Länder wie die USA, Schweden oder Großbritannien haben bereits große Kohorten-Studien aufgelegt. In Deutschland hat es bisher nur kleinere Kohorten mit speziellem Fokus gegeben. Die Nationale Kohorte bringe, so Ahrens, „die deutsche Public HealthForschung und Epidemiologie auf Augenhöhe mit anderen ähn-
lichen Projekten international.“ Der Epidemiologe betrachtet die Studie als Infrastruktur, die es ermöglicht, Risiken abzuschätzen und Maßnahmen für die Prävention von Krankheiten zu entwickeln. Eine „Erfolgsstory“ sei zum Beispiel die Kontrolle des Blutdrucks, ein Ergebnis der berühmten Framingham-Herz-Studie in den USA.
In der Nationalen Kohorte sammeln die Forscher so viele Informationen wie möglich. In den 18 über Deutschland verteilten Studienzentren befragen sie die Probanden zu deren sozialem Umfeld und Lebensstil: Rauchen sie, treiben sie Sport? Was arbeiten sie und wie ernähren sie sich? Ergänzt werden diese Fragen durch umfassende medizinische Untersuchungen: Lungenfunktionstests, Blutdruckmessungen, EKGs, Tests der Sinnesorgane, der körperlichen und geistigen Fitness sowie Zahnuntersuchungen gehören dazu. Außerdem werden Blut-, Urin-, Stuhl- und Speichelproben der Probanden für künftige Untersuchungen in einer so genannten Biobank aufbewahrt. Alle diese Daten werden pseudonymisiert, also von den Personendaten getrennt gespeichert. Nach vier bis fünf Jahren findet eine zweite Untersuchung statt, der sogenannte „follow-up“. Außerdem erhalten die Proban-
Nationale Kohorte 210 Millionen euro stehen der nationalen Kohorte für die kommenden zehn Jahre zur Verfügung. Bund und Länder finanzie ren zwei Drittel des betrags, ein Drittel der Mittel stellt die Helmholtz-Gemeinschaft bereit. Die Studie ist auf 25 bis 30 Jahre angelegt. neben vier Helmholtz-zentren und 14 Universitäten beteiligen aus der Leibniz-Gemeinschaft das Deutsche Diabetes-zentrum und das Leibniz-institut für umweltmedizinische Forschung (beide Düsseldorf), das Deutsche Institut für Ernährungsfor schung Potsdam-Rehbrücke sowie das Leibniz-institut für Präventionsforschung und epidemiologie — biPS, bremen. Der stellvertretende Direktor des BIPS, Wolfgang Ahrens, ist Mit glied des Vorstands der nationalen Kohorte.
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200.000 Männer und Frauen nehmen an einer zweieinhalbstündigen Basisuntersuchung teil (Level 1). Ein Fünftel der Probanden durchläuft eine intensivere, etwa vierstündige Untersuchung (Level 2). Zusätzlich werden etwa 30.000 Testper sonen einer Magnetresonanztomographie (MRT) unterzogen. einzelne Studienzentren können zusätzliche Untersuchungen durchführen (Level 3), die sie gesondert finanzieren müssen. 200 Millionen blut- und andere bioproben werden zu einem großen Teil zentral am Helmholtz-zentrum in München eingelagert. Weitere zentrale Einrichtungen sind eine Treuhandstel le, die personenbezogene Daten verwaltet, ein Datentransferzentrum, ein Kompetenzzentrum Sekundärdaten sowie ein zentrales Daten- und ein zentrales Qualitätsmanagement.
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L e i b n i z | G e su n dh e i t Blutproben von Probanden werden in Stickstofftanks aufbewahrt.
den zwischendurch und nach Abschluss der Studie alle zwei bis drei Jahre Fragebögen per Post.
Damit die Ergebnisse der Untersuchungen deutschlandweit vergleichbar sind, folgen sie standardisierten Methoden. „Study Nurses“ wie Antje Strecker sind dafür speziell geschult. Gerade haben die Mitarbeiter in Bremen die Voruntersuchungen beendet. „In den Pretests ging es darum, verschiedene Methoden zu testen und die Abläufe so zu gestalten, dass alles machbar ist“, berichtet Kathrin Günther, Leiterin der Fachgruppe Arbeit und Umwelt am BIPS. Nun wird das endgültige Untersuchungsprogramm zusammengestellt.
Fotos: Till Budde/DIfE; Walter Reich/Pixelio; Michael Haggenmüller/DZD/DIfE; Nationale Kohorte
Großer Daten-Schatz
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Welche Daten gesammelt werden, ist dabei kein Zufall. Bekannte Risiken wie das Rauchen gehören dazu. Genau erfassen wollen die Forscher auch, wie viel sich die Menschen bewegen. „Wir vermuten, dass viele Erkrankungen durch diesen Faktor mitbestimmt werden“, sagt Wolfgang Ahrens. Ein Aspekt, an dem – neben Ernährungsfragen – auch das Deutsche Institut für Ernährungsforschung PotsdamRehbrücke entscheidend mitwirken wird. Ziel sei es, künftig Empfehlungen abgeben zu können, wie viel körperliche Aktivität zur Vorbeugung günstig ist. „Dafür eine Evidenzbasis zu schaffen, das könnte die Nationale Kohorte leisten“, hofft der Epidemiologe.
Längst nicht von allen 200.000 Studienteilnehmern werden die Forscher jedoch direkt erfahren, wer erkrankt und zu welchem Zeitpunkt. Bei allen Probanden
nachzuhaken sei aufwändig, sagt Ahrens. Viele Menschen könnten zudem nicht genau sagen, woran sie erkrankt sind. Daher engagiert sich das BIPS in einem Kompetenzzentrum, das die Erkenntnisse der Studie mit anderen Daten verknüpfen soll, die beispielsweise aus Krebsregistern oder einem Mortalitätsregister stammen. Im Moment laufen die Vorbereitungen dafür, sogar auf Krankenkassendaten zugreifen zu können – natürlich nur, wenn die Probanden einverstanden sind. „Diese Daten sind ein großer Schatz, der im Rahmen einer solchen großen Längsschnittstudie wunderbar genutzt werden kann“, sagt Ahrens. Als weiterer Schatz könnten sich die in der Biobank eingelagerten Proben erweisen. Sie ermöglichen es Wissenschaftlern, in Zukunft neue Gene zu identifizieren, die mit bestimmten Erkrankungen zusammenhängen. „Gerade die Genetik entwickelt sich ja rasant“, sagt Kathrin Günther. Indem man die Proben der Kohorte sichert, könnte man sie in 20 Jah-
ren auf Marker untersuchen, von denen man heute noch gar nicht weiß. Und das sei genau die Idee, ergänzt Ahrens: „Dass man später spezifische Forschungsprojekte auf die Studie draufsattelt.“ Bestimmte Marker könnten dann gezielt in den Proben erkrankter und gesunder Probanden untersucht und verglichen – und so in der Früherkennung genutzt werden. Auch eine Riechstörung kann übrigens in seltenen Fällen auf eine sich anbahnende Erkrankung hinweisen. Während der Untersuchung am BIPS allerdings lockert der Schnüffeltest vor allem die Stimmung auf. „Solche Tests mögen Probanden gerne“, sagt Kathrin Günther. Dass sie aber nicht immer einfach sind, weiß Krankenschwester Antje Strecker aus Erfahrung. Da ist zum Beispiel der Stift, der eigentlich nach Zimt riecht. „In den Voruntersuchungen haben 99 Prozent falsch geraten.“ c o n s ta n z e b ö t tc h e r
In 18 Studienzentren in ganz Deutschland will die Nationale Kohorte 200.000 Menschen untersuchen.
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Eine
gute
Grundlage Grundlagenforschung ist im wahrsten Sinne ihres Wortes die Basis jeder Innovation. Vor dem Einsatz neuer Medikamente, Therapien oder Behandlungsmethoden stehen oft jahre-, nicht selten jahrzehntelange Forschungen. Zu Beginn ist den Wissenschaftlern oft nicht klar, welche Effekte ihre Experimente haben, ob sie nicht in eine ganze andere Richtung gehen oder ob sie vielleicht sogar scheitern. Das aber ist genau das Wesen der ergebnisoffenen Grundlagenforschung, die oft — gerade wegen der noch großen Ferne zur Anwendung — weitgehend abseits der öffentlichen Wahrnehmung stattfindet. In zahlreichen Instituten der LeibnizGemeinschaft widmen sich Wissenschaftler aus Medizin-, Lebens- und Naturwissenschaften der Grundlagenforschung mit Bezug zur Gesundheit. Die sechs Beispiele auf den folgenden Seiten zeigen diese Vielfalt.
Mehr zum Thema Gesundheit aus früheren LeibnizJournalen unter: www.leibniz-gemeinschaft.de/ Journal/Gesundheit 22
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Heilende Flammen
Plasmen eröffnen einen neuen Zweig der medizinischen Forschung
Zeitraffervideomikroskopie zur Quantifizierung der Zellmigration.
Fotos: Manuela Glawe/INP Greifswald (2)
Plasmen stehen in Greifswald seit fast 100 Jahren im Fokus der Forschung. Diese ionisierten Gase, die uns im Alltag auch in modernen Flachbildschirmen begegnen, eröffnen seit kurzem ganz neue Perspektiven. Die Forscher des Leibniz-Institutes für Plasmaforschung und Technologie (INP) stellten fest, dass kalte Plasmen im direkten Kontakt mit tierischem und menschlichem Gewebe Kräfte freisetzen, die Zellneubildungen aktivieren. Die Greifswalder Forscher gehen davon aus, dass es durch die „kalten Flammen“ möglich sein wird, chronische Wunden schneller zu heilen. Sie gehören damit zu den weltweiten Pionieren eines neuen Forschungszweigs: der Plasmamedizin.
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Seit 2010 arbeiten Biologen und Physiker im Zentrum für Innovationskompetenz (ZIK) plasmatis am INP Greifswald gemeinsam an den Wechselwirkungen von Plasmen und Zellen. Zwei Forschergruppen entwickeln dabei verschiedene Plasmaquellen, ausgerichtet an speziellen medizinischen Fragestellungen. Sie kommen zu dem Schluss, dass
physikalische Plasmen nicht nur Krankheitserreger abtöten, sondern auch die Vitalität von Zellen und Gewebe positiv beeinflussen. „Wir konnten nachweisen, dass ein Großteil der Effekte auf Sauerstoff-Radikale zurückzuführen ist, die durch das Plasma gebildet werden“, erläutert Kai Masur, Leiter der Forschergruppe „Zelluläre Effekte“. Er untersucht mit seinem Team die Wirkungen von Plasma auf Haut-, Bindegewebsund Immunzellen und hat dabei festgestellt, dass alle Zelltypen unterschiedlich reagieren. „Es ist uns weitestgehend gelungen, die generellen Prozesse auf der Proteinebene zu verstehen, die durch das Plasma an- und ausgeschaltet werden“, sagt Masur. Als nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler untersuchen, wie Narben- und Krebsgewebe auf eine Behandlung mit Plasma reagiert. Die Forschergruppe „Extrazelluläre Effekte“ von Stephan Reuter arbeitet bislang vor allem daran, Plasmaquellen zu untersuchen und zu kontrollieren, um in verschiedenen Flüssigkeitsmilieus eine maßgeschneiderte chemi-
sche Zusammensetzung zur Stimulierung einer Zelle zu erreichen. „Das Verständnis der durch das Plasma ausgelösten Veränderung der Zellumgebung ist die Grundvoraussetzung für eine Wundbehandlung am Patienten“, so Reuter. Eine schädigende Wirkung der Plasmaquellen stellten die Forscher bisher nicht fest. Die strategische Ausrichtung auf medizinische Plasma-Anwendungen fand am INP vor etwa zehn Jahren statt. Inzwischen forscht mit Thomas von Woedtke der erste Professor für Plasmamedizin weltweit am Institut. Er sieht im Medizinbereich zahlreiche Einsatzgebiete, etwa bei der Dekontamination und Sterilisation von OP-Bestecken oder dabei, Implantate wie Hüftgelenke oder Stents biokompatibel zu machen, damit sie nicht abgestoßen werden. Der Einsatz von Plasmen auf zellulärer Ebene schlage ein „großes neues Kapitel“ auf, die Wundheilung sei nur ein Beginn, sagt Thomas von Woedtke. Vielversprechend seien zum Beispiel erste Versuche in der Krebsbehandlung. a n e t te p r ö b e r
„Es ist uns weitestgehend gelungen, die generellen Prozesse auf der Proteinebene zu verstehen.“ 23
Leibniz | GeSUnDHeiT
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„Offenbar hat das Immunsystem
Den Körper Rheuma vergessen lassen
ein pathogenes Rheumatoide Arthritis, Pso- sich heute lediglich das Fort- eine gezielte „Löschung“ des riasis Arthritis, Systemischer
schreiten
der
Erkrankungen
lang unheilbaren entzündlich-
Zerstört man jedoch das Im-
Gedächtnisses für die Krank-
Gedächtnis für Lupus Erythematodes. Etwa verlangsamen. Heilbar sind sie heit – bei gleichzeitigem Erhalt bislang nicht.
entwickelt.“ rheumatischen Erkrankungen. munsystem eines Patienten Am Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ) arbeiten Grundlagenforscher und Ärzte an neuen Therapiekonzepten.
entzündungen bislang nicht heilbar
Plasmazellen in einer Überlebensnische im Knochenmark.
Entzündlich-rheumatische Erkrankungen sind vielfältig in ihrem Erscheinungsbild, haben aber eine gemeinsame Ursache: Sie beruhen auf Fehlsteuerungen des Immunsystems – Zellen und Abwehrmechanismen, die eigentlich vor Krankheitserregern schützen sollen, richten sich gegen den eigenen Körper. Die Folge dieser sogenannten Autoimmunreaktion sind chronische Entzündungen. Durch konventionelle Therapien lässt
vollständig und baut es aus körpereigenen blutbildenden Stammzellen wieder auf, ist die rheumatische Entzündung bei den meisten Patienten verschwunden. Diese „Immunreset“ genannte Behandlung brachte eine wegweisende Erkenntnis: Offenbar hat das Immunsystem ein „pathogenes Gedächtnis“ für die Erkrankung entwickelt. Dieses Gedächtnis hält die Entzündung aufrecht und lässt sie nach medikamentöser Unterdrückung wieder aufflammen. Durch den Immunreset wird es gelöscht: Die Erkrankung ist „vergessen“. Doch die radikale Behandlung birgt ein hohes Infektionsrisiko: Jeglicher Schutz vor Krankheitserregern geht mit dem Reset verloren. Besser wäre
des Schutzes vor Erregern. Am DRFZ werden daher in enger Zusammenarbeit mit dem Berliner Universitätsklinikum Charité die molekularen und zellulären Grundlagen des immunologischen Gedächtnisses untersucht.
Löschung des Krankheitsgedächtnisses
Noch viele Jahre nach einer Erkrankung erinnert sich das Immunsystem an einen Erreger (Antigen) und kann ihn bei erneutem Kontakt effizient bekämpfen. Auf diesem Prinzip basieren auch Impfungen. Eine wichtige Rolle spielen hierbei die am DRFZ entdeckten Gedächtnis-Plasmazellen, die kontinuierlich Antikörper produzieren. Bei Autoimmunerkrankungen richten sich diese gegen körpereigene Strukturen: Sie markieren ihr Zielgewebe, das in der Folge wie ein Krankheitserreger bekämpft und dauerhaft geschädigt wird. Gedächtnis-Plasmazellen überleben im Knochenmark und im entzündeten Gewebe, wo sie von spezialisierten Gewebezellen unerreichbar für konventionelle Therapien am Leben gehalten werden. Sogenannte Gedächtnis-T-Zellen kontrollieren die Bildung der GedächtnisPlasmazellen.
Fotos: Katrin Roth (AG Hauser)/DRFZ; Manuela Glawe/INP Greifswald; Christian Hertweck/HKI
zwei Prozent der Bevölkerung
die Erkrankung Deutschlands leiden an bis-
Die DRFZ- Forscher suchen nach Wegen, die krankmachenden Gedächtniszellen zu beseitigen, ohne dabei die schützenden Zellen anzugreifen. Ziel ist eine neue Therapie rheumatischer Erkrankungen, aber auch gastrointestinaler Entzündungen (z.B. Morbus Crohn) und Multipler Sklerose, bei der das immunologische Gedächtnis für die chronische Entzündung selektiv und dauerhaft gelöscht wird. a n d r e a s r a d b r uch
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Den Spieß umdrehen
Wissenschaftlichen Schätzungen zufolge sterben weltweit jedes Jahr 1,5 Millionen Menschen an den Folgen von Pilzinfektionen. Deren Auslöser, so genannte human-pathogene Pilze, stehen im Fokus des Leibniz-Instituts für NaturstoffForschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut. Dabei untersuchen die Wissenschaftler aus Jena unter anderem die Kommunikation zwischen Pilzen und Bakterien, um Pilzinfektionen besser diagnostizieren und therapieren zu können.
teriums also auch gegen krankmachende Pilze genutzt werden könnte. Mit der sogenannten „Genome Mining“-Methode fanden sie schließlich einen Genabschnitt, der für die Produktion der unbekannten pilz-zerstörenden Substanz verantwortlich zu sein schien. In weiteren Schritten infizierten sie Pilze, um den Stoff in größerer Menge zu gewinnen und zu isolieren, um dann schließlich die chemische Struktur aufzuklären. Heraus kam ein neuartiges Lipopeptid, das die HKI-Forscher Jagaricin tauften. Tests ergaben, dass Jagaricin gegen verschiedene Erreger von humanen Pilzerkrankungen wirksam ist. So könnte der Stoff einen Ansatzpunkt für ein neues antimykotisches Arzneimittel liefern. red.
Strukturmodell des neu entdeckten Wirkstoffes Jagaricin ― eine neue Waffe gegen Pilzerkrankungen?
Ein Blick in die Landwirtschaft brachte sie dabei auf eine vielversprechende Spur. Dort verursacht die Nassfäule große Schäden an Kulturpilzen wie Champignons, ausgelöst durch das Bakterium Janthinobacterium agaricidamnosum. Die Forscher um Christian Hertweck fragten sich, ob sich der Spieß nicht umdrehen ließe - die zer- Angew Chem Int Ed 51(52):13173-7. störerische Wirkung des Bak- doi: 10.1002/anie.201206658. zUKUnFTSTRenD 4
Umweltschutz für die Lunge Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen sind eine der häufigsten Zivilisationskrankheiten unserer Tage. Sie hängen oft mit Luftschadstoffen wie Feinstaub oder zigarettenrauch zusammen. Häufig weiten sie sich zu Lungenentzündungen aus. Auf der Suche nach Wegen, die gesundheitsschädliche Wirkung solcher Schadstoffe zu minimieren, haben Wis senschaftler des Leibniz-instituts für umweltmedizinische Forschung (IUF) den Naturstoff Ectoin im Visier. Dieser ist für seine zellschützende und entzündungshemmende Wirkung bekannt und scheint diese auch in der Lunge zu entfalten. Untersuchungen des iUF weisen darauf hin, dass ectoin Lungenzellen stabilisiert und so gegen schädliche
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Umwelteinflüsse besser schützt. Außerdem offenbarte der Stoff das Potenzial, eine bestehende Lungenentzündung zu vermindern. Dieser Mechanismus funktionierte dabei nicht nur im Modellsystem, sondern ließ sich auch in zellen aus dem blut von Patienten mit chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen nachweisen. Da ectoin bereits als Medizinprodukt zur inhalation zugelassen ist, sind die Forscher optimistisch, dass ihre weiterführenden Studien zu einer erfolgreichen Anwendung beim Menschen führen könnten.
red.
European Respiratory Journal Feb. 2013. doi: 10.1183/09031936.00132211
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Zuku n ftstr e n d 5
„Das Gift einer Schlangenart
Der vernachlässigte Biss der Schlange
besteht aus über Tropenkrankheiten – darunter
verstehen wir in erster Linie Ma-
150 verschie- laria, aber auch Viruserkrankun-
gen wie das Dengue-Fieber, Lassa
denen protein oder Ebola. An Schlangenbisse jedoch denkt kaum jemand. Zu
basierten Unrecht, denn nach Schätzungen
der Weltgesundheitsorganisation
Toxinen“ (WHO) liegt die Zahl der Vergif-
Senckenberg Gesellschaft für
Das Buch zum Download: www.tinyurl.com/ nepalsnakes
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Im Prinzip lassen sich Schlangenbiss-Vergiftungen effektiv behandeln, wenn man das richtige Antiserum hat. Aber genau das ist das Problem. „Das Gift einer Schlangenart besteht aus über 150 verschiedenen proteinbasierten Toxinen, jedes mit ganz speziellen biologischen Wirkungen“, erläutert Ulrich Kuch. „Noch dazu variiert die Giftzusammensetzung innerhalb einer Schlangenart oft je nach Alter und geografischer Herkunft der Schlange“, sagt der Biologe der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung in Frankfurt am Main. Als Leiter des „Emerging and Neglected Tropical Diseases Unit“ im Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F), das Senckenberg gemeinsam mit der Goethe-Universität und weiteren Partnern betreibt, untersucht er die biologische Vielfalt der Schlangenarten, um Bisse möglichst effektiv bekämpfen zu können. Dabei gilt es auch, die geografische Verbreitung der Schlangenarten, ihr Beißverhalten und die Wirkungen ihrer Gifte auf den menschlichen Körper zu erforschen. Eine große Rolle spielt hier die molekulare Biodiversität der Toxine und ihrer Gene – ohne ihre Kenntnis wäre die Entwicklung wirksamer Antiseren gegen die komplexen Schlangengifte wie ein Stochern im Heuhaufen. Doch damit nicht genug der Probleme: Durch den Klimawandel verändern sich die Verbreitungs-
gebiete von Giftschlangen. Das betrifft besonders die Region von Nepal und Bangladesch, eines der Hauptforschungsfelder von Ulrich Kuch. Durch die besonders schnelle Klimaerwärmung im Himalaya breiten sich giftige Kobras und Kraits bis ins Hochland aus, wo sie früher nicht vorkamen. Im Tiefland von Nepal und in Bangladesch kommt es außerdem immer öfter zu großen Überschwemmungen. „Da ziehen sich Schlangen und Menschen gleichermaßen obdachlos und aufgeregt auf die letzten trockenen Flächen zurück und kommen sich dann in kürzester Zeit viel öfter in die Quere als im Alltag“, berichtet Kuch – mit der Konsequenz plötzlich noch viel häufigerer Schlangenbisse.
Immun-Schnelltest entwickelt
Die Grundlagenforschung von Kuchs Team an der Schnittstelle von klinischer Medizin und Biodiversitätsforschung trägt bereits Früchte. Zusammen mit der Göttinger miprolab GmbH und Forschern aus Myanmar hat er einen Immun-Schnelltest entwickelt, der bereits nach 20 Minuten anzeigt, welche Schlange zugebissen hat – ein Zeitgewinn, der überle-
benswichtig sein kann. Schon in fünf Ländern Afrikas und Asiens ermitteln die Wissenschaftler die Identität der Schlangen anhand von DNA-Spuren, die an der Bissstelle zurückbleiben; eine Methode aus der Rechtsmedizin, die Kuchs Arbeitsgruppe für diese Zwecke etabliert hat. Gemeinsam mit Kollegen aus Nepal und der Schweiz konnte Ulrich Kuch außerdem zeigen, wie man die Antiserum-Behandlung einfach und effektiv auf die Dörfer bringt und dadurch die Sterblichkeit reduziert. Ein wichtiges Modell, da Schlangengift-Antisera oft nur in wenigen Krankenhäusern der Großstädte lagern – obwohl die WHO sie als „unverzichtbare Medikamente“ einstuft. Zuletzt hat dasselbe Team, verstärkt durch den Leibniz-Kollegen Frank Tillack vom Berliner Museum für Naturkunde, ein Handbuch über die Giftschlangen Nepals herausgegeben, das die einheimische Bevölkerung über Aussehen, Vorkommen und Lebensweise von Giftschlangen und den Umgang mit ihnenaufklärt. Schließlich ist und bleibt die beste Behandlung eines Schlangenbisses, gar nicht erst gebissen zu werden.
Fotos: Frank Tillack/MfN; Silke Oßwald/FMP
Ulrich Kuch
tungen bei bis zu 1,8 Millionen pro Jahr; alleine in Indien sterben daran jährlich 46.000 Menschen. Die WHO hat Schlangenbisse deshalb in die Liste der vernachlässigten Tropenkrankheiten aufgenommen.
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„Wir mussten
Einblicke im Zeitraffer
Den Patienten durchleuchten und dabei gezielt krankheitsrelevante Moleküle und Zellen aufspüren – an dieser Vision arbeitet eine Gruppe von Wissenschaftlern am Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie in Berlin (FMP). Dabei sind sie einen entscheidenden Schritt weiter gekommen: Durch optimierte Aufnahmetechniken können sie nun Biomarker innerhalb von 100 Sekunden mit einer Genauigkeit abbilden, für die ein Patient bei bisherigen Techniken 1100 Jahre hätte stillhalten müssen. Mit Hilfe solcher „Xenon-Biosensoren“ könnten Ärzte einmal ganz neue Einblicke in den menschlichen Körper gewinnen.
Entwickelt hat das trickreiche Prozedere der Physiker Leif Schröder mit seiner Arbeitsgruppe. Wie bei der Magnetresonanztomographie (MRT) nutzt auch Leif Schröder den Kernspin von Atomkernen, die sich in sehr hohen Magnetfeldern entsprechend dem Magnetfeld ausrichten. Je nach chemischer Umgebung treten sie dann mit Radiowellen in Wechselwirkung, ein Computer kann aus den zurückgesandten Signalen ein Bild errechnen. Anders als beim herkömmlichen Verfahren messen die Forscher am FMP aber nicht die Resonanz von Wasserstoff-Atomen, sondern
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reichern die Proben stattdessen mit „hyperpolarisiertem“ Xenon an, dessen Atomkerne weit stärkere Signale aussenden.
biosensoren sichtbar machen
Die Vision geht dahin, dass Patienten einmal das ungiftige Edelgas einatmen werden, so dass es sich zunächst in der Lunge und über das Blut im Körper verteilt. Zugleich bekäme der Patient maßgeschneiderte Biosensoren injiziert, die sich je nach Fragestellung zum Beispiel an bestimmte Tumorzellen oder auch an ArteriosklerosePlaques anheften könnten. Die Biosensoren fangen zugleich mittels einer besonderen Käfigstruktur die Xenon-Atome ein, und die gesuchten Moleküle oder Zellen werden so im Magnetfeld sichtbar. Am FMP mit seiner großen technischen Ausstattung hat Leif Schröder eine Gruppe von Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Disziplinen um sich geschart, mit deren Hilfe ihm der entscheidende Durchbruch gelang. „Wir mussten beweisen, dass die Methode wirklich hochauflösende Bilder liefern kann, die im Prinzip mit den bisherigen medizinischen Diagnoseverfahren konkurrieren könnte“, erklärt Schröder.
beweisen, dass
„Während zuvor eine Messung noch über zwanzig Minuten dauerte, sind jetzt nur noch hundert Sekunden nötig“, erläutert der Doktorand Martin Kunth, „und wir setzen die Biosensoren jetzt in Konzentrationen ein, wie sie für die Praxis realistisch sind.“ Selbst zeitaufgelöste „Filme“ sind nun machbar. „Bei konventioneller Detektion bräuchte man für eine einzelne Aufnahme 1100 Jahre“, ergänzt Jörg Döpfert. Der besondere Trick der Gruppe um Schröder besteht darin, dass das Signal der Xenon-Atome durch die Biosensoren „gelöscht“ wird. Da sie jeweils nur für wenige Millisekunden in den Molekülkäfig hinein diffundieren, werden während einer Aufnahme Tausende Atome quasi ausgeknipst, wodurch ein dunkler Fleck im Bild entsteht.
„Wir sind nun an dem Punkt angelangt, wo wir beginnen können, lebende Proben zu untersuchen“, sagt Leif Schröder. Außerdem könnte man mit der Methode auch unterschiedliche Biosensoren zugleich einsetzen und sie bei verschiedenen Radiofrequenzen sichtbar machen. Damit ließen sich zum Beispiel die unterschiedlichen Zellentypen darstellen, aus denen sich ein Tumor zusammensetzt. birgit herden
die Methode wirklich hochauflösende Bilder liefern kann.“
Dr. Leif Schröder und seine Doktoranden Martin Kunth und Jörg Döpfert mit einem Modell des Xenon-Käfigs.
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Die
Pflegeboomer Herausforderung durch demografischen Wandel
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Michael Bär* hat vorgesorgt. Die Eigentumswohnung liegt in einer verkehrsberuhigten Straße, sie ist ebenerdig, der Bäcker ist zu Fuß zu erreichen. Noch läuft seine 81-Jährige Mutter den Weg in die Stadt meist selbst, und auch wenn das einmal nicht mehr gehen sollte, ist die nächste Bushaltestelle nicht weit. Höchstens fünf Minuten Fußweg sind es, 15 Minuten bis zur zentralen Rettungsleitstelle. Sollte es einmal ernst werden, ist Michael Bär gerüstet. Für den 50-Jährigen steht fest: Die Pflege der Mutter übernimmt er selbst.
Für Bärs Generation ist diese Konstellation nicht ungewöhnlich. Viele der Babyboomer – der Menschen also, die den besonders starken Geburtenjahrgängen nach dem Zweiten Weltkrieg angehören – kümmern sich selbst um ihre alternden Eltern. Doch ab 2025 wird der demografische Wandel zunehmend Lücken ins deutsche Pflegesystem reißen. Im Vergleich zu ihren Eltern haben die Babyboomer wenige Kinder bekommen. Wer steht parat, wenn sie pflegebedürftig werden?
353.000 neue Pflegeheimplätze
Die Gesundheitsökonomen Roman Mennicken und Boris Augurzky vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschafts-
forschung in Essen (RWI) können ziemlich genau vorhersagen, wo es hingeht mit dem Pflegesystem: Bis zu 353.000 neue Pflegeheimplätze braucht Deutschland bis zum Jahr 2030. Auf Basis von Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder haben die Wirtschaftsforscher den Bedarf bis auf Landkreisebene prognostiziert. In einer Karte haben sie festgehalten, wo er besonders groß (dunkelblau) und wo er niedriger (hellblau) ausfallen wird.
Michael Bär wohnt im mittelblauen Bereich. Zwischen 40 und 50 Prozent mehr Heimplätze müsste sein Kreis im Süden Baden-Württembergs bis 2030 schaffen, um den Bedarf decken zu können. Noch dramatischer ist die Lage in Nordrhein-West-
Fotos: Angelika Warmuth/dpa; RWI Essen
Derzeit sorgt die geburtenstarke Altersgruppe der Babyboomer für die Ältesten der Gesellschaft. Doch wer pflegt sie, wenn sie selbst bedürftig werden?
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falen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern: Hier, so prognostizieren die Essener Leibniz-Forscher, werde man das Angebot um mehr als 62 Prozent aufstocken müssen.
In anderen Regionen ist die Situation entspannter. In Berlin beispielsweise stehen sich die Pflegeanbieter derzeit gegenseitig auf den Füßen. Gerade in den Jahren vor der Finanzkrise wurde der Pflegebereich massiv ausgebaut. Insbesondere private Anbieter investierten in großem Stile. Wie Pilze schossen stationäre und ambulante Pflegedienste aus dem Boden – viele mussten wieder schließen, weil der Wettbewerb zu groß war. Ein Anbieter, der sich behaupten konnte, ist der SeniorenWohnpark Lichtenberg im Osten Berlins. „50 Konkurrenten habe ich im Umkreis von fünf Kilometern, die ambulanten Pflegedienste nicht mit einberechnet“, erklärt Wolfhard Gärtner, der Leiter der Einrichtung.
Rating Report 2011 - Boom ohne Arbeitskräfte?. RWI Materialien 68. Essen: RWI.
Quelle: Augurzky, B., S. Krolop, R. Mennicken, H. Schmidt, H. Schmitz und S. Terkatz (2011), Pflegeheim
begehrte Pflegekräfte
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Das regionale Ungleichgewicht zwischen Unter- und Überkapazitäten kann jedoch nicht einfach durch eine Umverteilung behoben werden. Die Pflegebedürftigen sind in ihrer Mobilität stark eingeschränkt, das liegt in der Natur der Sache. Doch auch die Betreuer sind oft ortsgebunden, hat Gärtner beobachtet. In seinem Heim arbeiten fast ausschließlich Menschen, die auch im Kiez leben. Ein Umzug in einen anderen Stadtteil oder sogar in eine andere Stadt kommt für sie meist nicht in Frage. Und: Sie können es sich leisten, Ansprüche zu stellen. Ihre Arbeitskraft ist begehrt.
Zwar stieg die Zahl der in der Pflegebranche Beschäftigten in den letzten Jahren an, dennoch gehen die Autoren der Studie davon aus, dass dieser Trend allein nicht reichen wird. Schon 2020 werden die Deutschen 192.000 zusätzliche Pflegekräf-
te brauchen. 2030 werden es bis zu 400.000 sein. Den Staat stellt das vor große Herausforderungen. Denn nicht nur das Personal wird knapp. Auch die öffentlichen Mittel schwinden mit der Menge der Beitragszahler: Schon 2020 werden die Kapitalreserven der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) geschmolzen sein, berechneten Mennicken und Augurzky – sollte die Politik nicht handeln. Die Ökonomen empfehlen verschiedene Maßnahmen, um den Herausforderungen des demografischen Wandels zu begegnen. Vor allem müsse man den Fachkräftemangel abfedern und die Attraktivität des Berufsfelds erhöhen. Eine Ausbildungsumlage, die Unternehmen dann zahlen, wenn sie nicht ausbilden, könnte sie motivieren, künftig mehr Lehrlinge zu beschäftigen. Als besonders problematisch empfinden es die Forscher allerdings, dass Bildungs- und Berufsabschlüsse nicht überall in Deutschland gleichermaßen anerkannt werden – ob sie nun in der Bundesrepublik oder auch im europäischen Ausland erworben wurden. Wer am einen Ort die Ausbildung zur Pflegefachkraft absolviert, kann anderswo nicht automatisch als Pflegefachkraft arbeiten.
Den Plan der Bundesregierung, die Pflege durch Angehörige in Zukunft verstärkt zu fördern, sieht Mennicken skeptisch: „Der Ausbau des Pflegegeldes ist auf lange Sicht kontraproduktiv“, sagt er. Menschen, die ihre alternden Eltern auf eigene Faust pflegen, würden dem Arbeitsmarkt entzogen und würden so keine Sozialabgaben leisten. Die aber sind essentiell, um die Pflege der Zukunft zu garantieren.
Wie wichtig, alternative Maßnahmen sind, zeigt der Fall des Babyboomers Michael Bär. Eine langfristige Steigerung des Pflegegelds käme ihm nicht zugute. Die Betreuung, die er heute seiner Mutter zukommen lässt, wird er selbst im Alter nicht in Anspruch nehmen können. Bär hat keine Nachkommen, die ihn pflegen könnten. Auch hier ist er ganz Kind seiner Zeit. r i c a r d a b r e Y to n
Bedarf an zusätzlichen Plätzen nach Kreisen (2011 - 2030), in Prozent.
Demografische Schneise
Außerdem werden die Pflegekassen höhere Einnahmen benötigen. Dabei sollte jedoch möglichst lange darauf verzichtet werden, die Beitragssätze zu erhöhen. Es brauche stattdessen Wirtschaftswachstum, außerdem müsse die Erwerbsquote von Älteren und Frauen gesteigert werden. Und dennoch: Die Schneise, die der demografische Wandel ins Pflegesystem schlägt, werden die öffentlichen Kassen allein nicht schließen können.
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My
home is my
Reha
Neues Konzept für Schlaganfallpatienten Ein neues Reha-Konzept soll Schlaganfallpatienten schneller nach Hause bringen und dem Gesundheitssystem viel Geld sparen. Dafür standen Spielekonsolen Pate.
Das Projekt: www.strokeback.eu
„Mama, Papa – die sind nicht nur zum Spielen, damit kann man auch Sport machen. Das ist super für die Fitness!“ Tausende Eltern haben solche Überredungsversuche ihrer Kinder für den Kauf einer Spielekonsole gehört. Was für gesunde Kinder kein wirklicher Ersatz für Bewegung auf Sport- oder Spielplätzen ist, kann für Menschen mit eingeschränkter Mobilität tatsächlich eine sinnvolle Einrichtung sein. Und
so stehen Konsolen wie die Nintendo Wii oder die Microsoft Kinect am Anfang eines telemedizinischen Forschungsprojekts zur Rehabilitation von SchlaganfallPatienten. In Europa erleiden etwa zwei Millionen Menschen pro Jahr einen Schlaganfall. Mehr als ein Drittel von ihnen kehrt trotz längerer Rehabilitationsmaßnahmen mit körperlichen Einschränkungen nach Hause zurück. Die wirtschaftlichen Gesamtkosten durch Schlaganfälle beliefen sich in der Europäischen Union bereits 2006 auf mehr als 38 Millionen Euro. Angesichts der immer älter werdenden Bevölkerung gehen Prog-
nosen von einer bis zu dreifachen Steigerung der Schlaganfall-Zahlen bis zum Jahr 2050 aus. Für die Deutsche Schlaganfall-Hilfe handelt es sich dabei um „eine der bedeutendsten Herausforderungen für das deutsche Gesundheitssystem“.
Schritt nach Hause ist oft kritisch
„Der Schritt aus einer stationären Rehabilitationseinrichtung nach Hause ist für die Genesung der Patienten eine kritische Schwelle“, erklärt Steffen Ortmann vom Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik (IHP) in Frank-
Fotos: Steffen Ortmann/IHP; Fotolia/Robert Kneschke; Grafik: IHP
Prototyp in Bernau. In der BerlinBrandenburg-Klinik muss der Patienten-Trainingsplatz den Praxistest bestehen.
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Leibniz | GeSUnDHeiT Langer Weg zurück. Auf einen Schlaganfall folgt oft eine lange Phase der Rehabilitation, um den Alltag bestmöglich meistern zu können.
noch die Größe von Zigarettenschachteln haben, wollen die Forscher für die Zukunft eine Lösung in Uhrengröße entwickeln, die sich auch eingeschränkte Patienten selbstständig anlegen und abnehmen können.
furt an der Oder. In der Klinik erhält der Patient drei bis vier Stunden Betreuung am Tag, zu Hause kommt der Therapeut oft nur für eine Stunde pro Woche vorbei. Schnell schleichen sich so wieder Kompensationsbewegungen ein, oder die Patienten schonen die betroffene Körperhälfte statt sie konsequent weiter zu trainieren. „Die Folge sind oft Rückschritte in den körperlichen Fähigkeiten, bestenfalls eine Stagnation“, sagt Steffen Ortmann.
Hier setzt das am IHP angesiedelte EU-Forschungsprojekt „StrokeBack“ an, das Steffen Ortmann koordiniert. Projektziel ist die Entwicklung eines sogenannten Tele-Rehabilitations-Assistenzsystems, mit dem Schlaganfallpatienten ihre Reha-Übungen zu Hause ausführen können, ohne dabei auf medizinische oder therapeutische Aufsicht verzichten zu müssen. Dabei setzt das Projekt auf zwei Säulen: ein HeimTrainingssystem für Therapieübungen und die Überwachung alltäglicher Aktivitäten, die Rückschlüsse auf den Genesungsprozess erlauben soll.
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Für den Heimtrainingsplatz standen die Spielekonsolen Pate. Seit einigen Jahren wird in der wissenschaftlichen Fachliteratur immer wieder über motivationssteigernde Effekte berichtet, wenn Reha-Patienten statt monotoner krankengymnastischer Übungen ihre Bewegungen mit Konsolen-Spielen ausführen. Am geplanten Heimtrainingsplatz erfasst eine Kinect-Kamera die Bewegungen der Patienten im dreidimensionalen Maßstab und
überprüft mittels individuell gespeicherter Vorlagen im Rechner, ob sie korrekt ausgeführt werden. Im Idealfall kann der Patient so ein bis zwei Stunden am Tag trainieren.
Seit Mai 2013 muss der Prototyp des Patienten-Trainingsplatzes beim Projektpartner Berlin-Brandenburg-Klinik in Bernau PraxisTests mit Patienten bestehen.
einblick in den Alltag
Wie sich das Reha-Training im Alltag auswirkt, wollen die Forscher mit Sensoren erfassen. Drei dieser Sensoren tragen die Patienten den Tag über an Brust, Ellenbogen und Handgelenk. Die registrierten Bewegungen geben Aufschluss darüber, wie alltägliche Handgriffe – etwa das Drehen eines Schlüssels oder das Heben einer Tasse – gemeistert werden. Damit stünden den Therapeuten sogar Informationen über die Therapie-Fortschritte zur Verfügung, die sie heute noch nicht haben. Während in der derzeitigen Erprobungsphase die Sensoren
Erste Tests haben vielversprechende Ergebnisse hinsichtlich der Tragbarkeit der Sensoren erbracht. Die anfallende Datenmenge ist enorm – 300 Werte pro Sekunde nehmen die Sensoren auf. Ein Volumen, dass nachts vom Rechner des Patienten an einen Server überspielt wird, auf dem sich seine Online-Krankenakte befindet, so dass die Therapeuten am nächsten Morgen die Bewegungsstatistik des Vortages auswerten können. Zusätzlich wollen die IHP-Forscher eine Lösung entwickeln, die eine Echtzeit-Übertragung der Daten möglich macht.
Mehrmonatige Langfrist-Studien des Gesamtsystems sind ab Anfang 2014 in Bernau geplant. Am Ende des Projekts, das bis September 2014 läuft, soll ein Prototyp stehen, der von der Industrie zur Marktreife weiterentwickelt werden kann. Ob dann das Drängen der Kinder auf eine eigene Spielekonsole nachlässt und sie dafür lieber zu Opa gehen, um mit ihm Schlaganfall-Reha zu betreiben, wird sich zeigen. Den bedrängten Eltern dürfte es recht sein. c h r i s to p h h e r b o rt - v o n l o e p e r
„Zu wenig Training bedeutet oft Rückschritte in den körperlichen Fähigkeiten.“ Steffen Ortmann Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik
Im Rehabilitationskonzept von StrokeBack soll der Patient in seiner gewohnten heimischen Umgebung im Mittelpunkt stehen.
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Leibniz | SPeKTRUM
Organische Leuchtdioden sind flächige Strahler, die hauchdünn auch auf flexiblen Substraten aufgetragen werden können. In Zukunft wird man sie öfter als Beleuchtungsmittel in Form größerer Module wiederfinden.
Eine
heiße Sache Organische Halbleiter könnten die elektronik revolutionieren. Mit der Mobilität eines Mobiltelefons ist es schnell vorbei — nämlich dann, wenn der Akku leer ist. Es muss dann stundenlang an der Steckdose hängen. Wirklich mobil wäre es erst, wenn es sich auch unterwegs aufladen ließe.
„Als Mathematiker hatten wir einen anderen Blick auf das Problem.“
Thomas Koprucki Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik (WIAS)
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Möglich werden könnte dies in Zukunft mit Folien aus organischen Solarzellen. Schon jetzt kommen organische Halbleiter in Smartphones zum Einsatz: Sie sorgen für ein klares Bild im Display. Auch in größeren Geräten könnten organische Halbleiter die Elektronik revolutionieren – wenn sich die Bauelemente nur nicht unkontrolliert aufheizen und damit selbst zerstören würden. „Als Mathematiker hatten wir einen anderen Blick auf das Problem“, erinnert sich Thomas Ko-
prucki vom Berliner WeierstraßInstitut für Angewandte Analysis und Stochastik (WIAS).
Durch die mathematische brille
„Durch die mathematische Brille konnten wir Zusammenhänge herstellen, die zunächst nicht offensichtlich sind – gerade wenn man tief in der Materie steckt.“ Das Problem ist ein merkwürdiger Selbstaufheizungseffekt. „Wenn wir den kontrollieren könnten, hätten wir ganz neue Möglichkeiten für elektronische Geräte.“ Thomas Koprucki sprüht vor Begeisterung für die organische Elektronik: „Durch die organischen LEDs im Display können wir bei einem Smartphone auch aus einem schrägen Blickwinkel alles gut erkennen, da das Licht in alle Richtungen strahlt. Bei äl-
teren Modellen musste man immer genau von vorn auf das Gerät schauen, um etwas erkennen zu können – die klassischen LEDs strahlen nur in eine Richtung.“ Auch großflächige organische LEDs werden derzeit entwickelt, sie ermöglichen ganz neue Formen der Beleuchtung von Räumen. Doch wenn der Stromfluss zu stark wird, treten plötzlich Inhomogenitäten in der Helligkeit auf, die Fläche erscheint fleckig. Neben LEDs ist die Solarenergie ein weiteres Anwendungsfeld: Mit organischen Solarzellen lassen sich Folien herstellen, die kleine Mengen Strom produzieren können, zum Beispiel für unterwegs als „Energy to go“ – dann müsste man seinen Handy-Akku nicht mehr stundenlang an der Steckdose aufladen. Ein unschlagbarer Vorteil der organischen Bauelemente, egal in welcher Anwendung: Sie sind nicht giftig.
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L e i b n i z | S p e ktrum
Man braucht nämlich im Gegensatz zur klassischen Elektronik keine giftigen Schwermetalle. Organische Halbleiter basieren auf Polymeren oder kleinen Molekülen, daher wird auch von „Plastik-Elektronik“ gesprochen. Die Bauteile sind zwar nicht biologisch abbaubar, aber sie müssen immerhin nicht als Sondermüll entsorgt werden. Am Institut für Angewandte Photophysik (IAPP) der Technischen Universität Dresden sind die Wissenschaftler führend in der Erforschung von organischen Halbleitern. Sie können verschiedene Bauteile herstellen, wie organische LEDs, organische Solarzellen oder neuartige Transistoren.
Fotos: IAPP; Christoph Herbort-von Loeper
Doch immer, wenn die organischen Bauteile für größer dimensionierte Anwendungen zum Einsatz kommen sollen, gibt es Probleme. Bei großen Stromstärken erhitzen sich die Bauelemente unkontrolliert – Experimente enden dann häufig damit, dass das Bauteil völlig zerstört wird. Dieser Effekt war lange bekannt, doch gab es kein Modell, das ihn zuverlässig beschreiben konnte. „Vor uns hatten sich natürlich schon andere den Kopf darüber zerbrochen. Aber wir sind als Mathematiker von außen ganz unbedarft an die Sache herangegangen. Wir haben uns durch die Literatur gewühlt und sind mit viel Ausdauer und Glück letzten Endes durch Zufall auf die Lösung gestoßen“, beschreibt Koprucki den Prozess.
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Für klassische Bauteile gilt das schon lange bekannte Arrhenius-Gesetz: Die elektrische Leitfähigkeit nimmt mit steigender Temperatur stark zu, so dass der Strom durch das Bauteil entsprechend ansteigt und das Material erwärmt. So entsteht eine Rückkopplungsschleife, in der das Bauteil immer weiter aufgeheizt wird. Das Prinzip ist zwar nicht neu, allerdings war noch niemandem aufgefallen, dass es auch in der organischen Elektronik gilt. Thomas Koprucki sagt: „Wir merkten, dass organische Halbleiter doch
prädestiniert für elektro-thermische Rückkopplungseffekte sein sollten. Das hatte bisher noch niemand gesehen. Damit konnten wir das Augenmerk unserer Dresdener Kollegen am IAPP bei den Messungen genau auf die richtige Stelle lenken.“
Experten auf dem Gebiet der organischen Halbleiter
Die Physiker des IAPP sind Experten auf dem Gebiet der organischen Halbleiter. Ihre Experimente hatten bereits gezeigt, dass die Ströme bei Selbsterwärmung enorm stiegen. Wenn die Berechnungen aber stimmten, musste es einen Punkt geben, ab dem trotz einer Steigerung der Stromstärke die Spannung zurückgeht – was der Intuition widerspricht. Das würde bedeuten, dass es zwei unterschiedliche stabile Stromstärke-Niveaus gäbe, die sich in einem kleinen Bereich der Spannung überschneiden – dort können sie von einem Niveau auf das andere umkippen. Durch diese ModellVorhersagen auf die richtige Spur gebracht, konnten die Physiker ihre Experimente so anpassen, dass sie genau diesen Effekt für organische Halbleiter tatsächlich messen konnten. Dabei wurden für die Kohlenstoffverbindung C60, wegen seiner Form auch als Fußballmolekül bezeichnet, die Abläufe im Bauteil
zwischen zwei Punkten gemessen. Um den Effekt in seinem vollen Umfang zu erfassen, musste nicht nur ein Rückgang der Spannung gezeigt werden, sondern auch das Umschalten zwischen den zwei stabilen StromstärkeNiveaus. Und tatsächlich konnten die Physiker feststellen, dass der Strom abrupt seine Stärke um einen Faktor 10 wechselte. Mit dem erweiterten Verständnis der Selbsterwärmung in organischen Halbleitern können die Forscher organische Bauelemente nun so weiterentwickeln, dass sie die störenden Effekte minimieren, z. B. durch eine geometrisch andere Konstruktion der Wärmeableitung und der elektrischen Kontakte. So könnten dann großflächige Leuchtfolien in Zukunft gleichmäßiges Licht abstrahlen.
„Damit konnten wir das Augenmerk unserer Dresdener Kollegen am IAPP bei den Messungen genau auf die richtige Stelle lenken.“
„Das Projekt war für uns ein großes Abenteuer“, sagt Thomas Koprucki, „dabei war es gar nicht so richtig geplant. Aber die Idee hat uns nicht mehr losgelassen. Wir haben sie dann neben unseren eigentlichen Projekten verfolgt. Aber so ist es doch oft: Man kann im Voraus gar nicht genau wissen, ob bei einer Idee etwas herauskommt, und ob es sich lohnt, sie zu verfolgen.“ Diesmal hat es sich ganz bestimmt gelohnt. gesine wiemer
Originalveröffentlichung: Phys. Rev. Lett. 110, 126601 (2013). doi: 10.1103/PhysRevLett.110.126601
Gemischtes Trio: Mit der Analytikerin Annegret Glitzky und dem Numeriker Klaus Gärtner diskutiert Thomas Koprucki – von Hause aus Physiker – die mathematische Funktion zum Selbstaufheizungseffekt.
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L e i b n i z | S p e ktrum
Schriftsteller auf Forschungsreise Herr Kegel, Sie sind Biologe, haben promoviert und an der Universität geforscht. Wie unterscheidet sich das Forscherleben von dem des Schriftstellers? (lacht) Letzteres ist eindeutig einsamer. Als Autor sitzt man über Tage, Wochen und Monate alleine vorm Rechner. Wissenschaft dagegen ist Teamarbeit, Forscher haben Kollegen, mit denen sie sich zwischendurch bei einer Tasse Kaffee austauschen können. Das fehlt mir gelegentlich. Andererseits mag ich es, für mich zu sein und bin offenbar ganz gut dafür geeignet. Sonst könnte ich ja nicht seit fast 20 Jahren Bücher schreiben. Die Galapagos-Expedition des ZMT, von der Sie gerade heimgekehrt sind, war sicherlich das Gegenteil von Schreibtisch? Besonders eindrucksvoll war die erste Woche. Mit einem kleinen Forschungsschiff haben wir die südlichen Inseln des Archipels abgeklappert. Die Wissenschaftler haben Sedimentproben genommen und die Fischpopulation untersucht, um mehr über die Versauerung der Ozeane zu erfahren. In der Charles DarwinStation auf Santa Cruz, der bevölkerungsreichsten Galapagosinsel, haben die Forscher ihre Proben dann für die Rückreise getrocknet. Die fangen sonst furchtbar an zu stinken.
Bei Sedimentproben und Fischzählungen denkt man nicht automatisch an fesselnde Romane. Kann Naturwissenschaft trotzdem auch für NichtForscher spannend sein? Das war die Ursprungsidee, die mich zum Schreiben brachte. Mein Bauch sagte mir, dass Romane das ideale Medium sind, um Wissenschaft unter die Leute zu bringen. Spannung liegt in der Natur der Forschung, nehmen sie nur Studien zum Klima, dessen Wandel unsere Zukunft in dramatischer Weise beeinflusst. Noch dazu sind Wissenschaftler interessante Charaktere, nicht nur Geistesgrößen, sondern Menschen wie du und ich – mit allen Schwächen. In meinem letzten Roman „Ein tiefer Fall“ etwa geht es um Fälschungen in der Wissenschaft. Erst der Außenblick auf das Forschermilieu macht es möglich, Dinge zu sehen und auszusprechen, die man gar nicht wahrnimmt oder wahrnehmen will, wenn man selbst Teil des Systems ist. Sie haben jahrelang an Berliner Universitäten geforscht, waren also selbst Teil dieses Systems. Hat Ihnen das geholfen? Ich würde sogar sagen, dass das die Voraussetzung für meine Arbeit ist. Wer über Wissenschaft schreiben will, muss selbst Wissenschaftler gewesen sein, wissenschaftliches Denken verinner-
Fiction Meets Science FMS ist ein internationales Forschungs- und Stipendienprogramm, das fragt, wie Romanliteratur naturwissenschaftliche Erkenntnisse thematisiert. Auch die Entstehung neuer Wissenschaftsromane wird begleitet. Ausgewählte Schriftsteller aus aller Welt erhalten die Möglichkeit, im Forscheralltag verschiedener wissenschaftlicher Einrichtungen zu recherchieren. FMS ist eine Kooperation des Hanse-Wissenschaftskollegs in Delmenhorst, der Universitäten Bremen und Oldenburg und weiterer nordwestdeutscher Forschungseinrichtungen, darunter das Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie.
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Fotos: Claire Reymond/ZMT; ZMT; Paul Tompkins/ZMT; Mathias Bothor/Mare-Verlag
Der Bestsellerautor Bernhard Kegel hat für seinen neuen Roman Forscher des Bremer Leibniz-Zentrums für Marine Tropenökologie (ZMT) nach Galapagos begleitet. Möglich wurde diese Reise durch „Fiction meets Science“, ein Stipendienprogramm, das Schriftstellern Einblick in die Naturwissenschaften gewähren soll. Zu häufig werde Forschung in der Literatur oberflächlich oder sogar falsch beschrieben, sagt Kegel. „Die Expedition war essenziell für meine Arbeit.“
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L e i b n i z | S p e ktrum
licht haben. Für Menschen, die einen anderen Hintergrund haben, ist es sehr schwer, sich in das Leben und die inhaltlichen Probleme eines Naturwissenschaftlers hineinzudenken und sie treffend zu schildern. Vielleicht widmet sich die große Literatur der Naturwissenschaft auch deshalb praktisch überhaupt nicht. Die Leser von Wissenschaftsromanen sind zudem oft selbst in der Forschung tätig, das sind empfindliche Leute. Wenn sie gleich auf den ersten Seiten eines Buches auf fachliche Fehler stoßen, haben sie Schwierigkeiten, es zu Ende zu lesen. Kommen ausführliche Recherchen, wie Sie sie mit dem ZMT durchführen konnten, zu kurz? Oberflächliche oder sogar falsche Betrachtungen von Wissenschaft sind häufig, auch bei großen Autoren hat es sie schon gegeben. „Der Schwarm“ von Frank Schätzing ist da eher ein Gegenbeispiel. Man mag über das Buch denken, was man will, doch die wissenschaftlichen Hintergründe waren sehr gut recherchiert. Sofern es nicht gerade um Außerirdische ging.
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Das ZMT bezeichnet Sie als „embedded writer“. Waren Sie „nur“ der beobachtende Schriftsteller oder doch aktiver Expeditionsteilnehmer? Ich hatte eher AußenstehendenStatus. Das lag vor allem an der Enge auf dem Schiff: Überall standen Messgeräte und Kanister voll Trinkwasser, wir haben in Zweier- und Viererkabinen geschlafen. Die Forscher mussten sich schon aus Selbstschutz abschotten, um einen Rest Privatsphäre zu wahren. Ich habe ihnen geholfen, Sedimentproben vom Meeresgrund an Deck zu ziehen, eine
anstrengende Arbeit. In den wenigen Pausen wollte ich sie nicht mit Fragen bestürmen. Also habe ich beobachtet und versucht, aus den Gesprächen an Bord etwas für mich Verwertbares herauszufiltern. Beim Tauchen durfte ich die Forscher leider nicht begleiten. Während sie unter Wasser waren, bin ich Schnorcheln gegangen. Ich habe Algen fressende Meeresechsen beobachtet, Galapagos-Pinguine scharwenzelten um mich herum, hin und wieder schoss ein Seelöwe vorbei, auf der Wasseroberfläche schaukelten die Pelikane. Manchmal musste ich mich kneifen, um zu begreifen, dass das gerade wirklich passiert.
Sind Sie mit einer konkreten Buchidee im Kopf nach Galapagos gereist? Ja, sogar die Auswahl des Ziels hat sich danach gerichtet. Die Reise war geradezu essenziell für meine Arbeit: Ich kann keinen Roman in Galapagos ansiedeln, ohne dort gewesen zu sein. Um zu beschreiben, wie es auf einem furchtbar engen Forschungsschiff zugeht, musste ich diese Situation erleben. In Puerto Ayora, dem mit 15.000 Einwohnern größten Ort des Archipels, bin ich umhergelaufen und habe versucht,
so viel Atmosphäre aufzusaugen wie möglich. Eine saubere kleine Stadt mit festen Häusern, keine Armut sticht ins Auge. Der Tourismus ermöglicht den Bewohnern ein weniger beschwerliches Leben als auf dem ecuadorianischen Festland. Andererseits ist er eine Gefahr für die Natur, die hier noch recht gut erhalten ist. Auch deshalb ist Galapagos ein interessanter Schauplatz für einen Roman.
Wir verlosen drei Exemplare von Bernhard Kegels 2012 erschienenen Roman „Ein tiefer Fall“. (▶ S. 42)
Wovon wird er handeln? Wie in der „Der Rote“ und „Ein tiefer Fall“ wird es erneut um den Kieler Meeresbiologen Hermann Pauli gehen. Im Zentrum der Handlung stehen Korallen und die Tatsache, dass ihnen wegen des Klimawandels eine düstere Zukunft prophezeit wird. Ich möchte beschreiben, was es für Meeresforscher und Riffökologen bedeutet, sich einem todgeweihten Ökosystem zu widmen.
Die Forscher wussten, dass Sie für ein Buch recherchieren. Waren sie Ihnen gegenüber befangen? Ich glaube, es stand ein großes Fragezeichen hinter mir. Niemand auf dem Schiff kannte meine Bücher. Sie wussten nicht, ob ich nun jeden Expeditionsteilnehmer einzeln porträtieren oder jedes Wort, jeden Konflikt haarklein in meinem Roman wiedergeben würde. Reisen Forscher mit einem Filmteam, ist klar: Wenn die Kamera draufhält, wird gefilmt. Was mir durch den Kopf geht und was ich da gerade aufschreibe, konnten sie nicht wissen. Sie werden interessiert nachlesen, wie sich unsere Expedition im Buch niedergeschlagen hat. Wann wird der Roman erscheinen? In der Ruhe des Hanse-Wissenschaftskollegs in Delmenhorst konnte ich schon einiges zu Papier bringen. Gerade diese Passagen hätte ich nie schreiben können, wenn ich nicht auf Galapagos gewesen wäre. Ich hoffe, dass ich in drei Monaten mit einigen vollendeten Kapiteln nach Berlin heimkehren werde und das Buch im Herbst 2014 erscheinen kann. i n te rv i e w : d av i d s c h e l p
Bernhard Kegel Jahrgang 1953, studierte Chemie und Biologie an der Freien Universität Berlin, wo er später auch forschte und lehrte. Von 1986 bis zu seiner Promotion 1991 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Biologie der Technischen Universität Berlin. 1993 erschien Kegels erster Roman „Wenzels Pilz“, es folgten weitere Sachbücher und Romane, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde. Kegel war Gitarrist in diversen Jazzbands. Mit seiner Familie lebt er in Berlin und Brandenburg.
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Leibniz | MUSeen
Aktuelle Sonderausstellungen Planet 3.0 — Klima.Leben.Zukunft. 14.3. bis 15.9.2013 Senckenberg Naturmuseum, Frankfurt a. M. Sterndeutung war gestern, die neue Zukunftsforschung setzt auf der Erde an. Das zeigt die Sonderausstellung, die durch 650 Millionen Jahre Erdgeschichte führt, um Zukunft erfahrbar zu machen. Wie hat sich das Klima gewandelt? Und was passiert, wenn der Mensch weiter lebt wie bisher? Auf 700 Quadratmetern erlebt der Besucher Forschung zum Anfassen: Eine Kugelprojektion erklärt das System Erde, sogenannte Forschertische geben Einblick in die aktuelle Debatte. Einen Raum zur Diskussion gibt es auch. Für alle, die sich nicht gerne die Karten legen lassen.
LandschafftRessourcen 9.3. bis 23.6.2013 Senckenberg Museum für Naturkunde, Görlitz Mit Landschaften verbinden wir Natur, Erholung und Freizeit. Dass sie unsere wichtigsten Rohstofflieferanten sind, gerät oft in den Hintergrund. Doch wie können wir sie nachhaltig nutzen? In fünf Abteilungen präsentiert die Ausstellung Forschungsergebnisse zu dieser Frage. Dabei wird deutlich, wie vielseitig Landschaften genutzt werden und wie komplex sie sind. An Mitmachstationen können Besucher selbst aktiv werden und zum Beispiel erfahren, wie viel „virtuelles Wasser“ in ihrem Frühstück steckt – also zur Produktion von Müsli & Co. verbraucht wird.
Entwicklungen — 60 Jahre DNA seit dem 23.4.2013 Museum für Naturkunde, Berlin Als die „Perle“ der Wissenschaft ging der Artikel in die Geschichte ein, den James Watson und Francis Crick 1953 in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlichten. Kurz und knapp erläuterten sie die Struktur der DNA und lieferten so die Grundlage für Anwendungen wie Vaterschaftstest, genetischen Fingerabdruck, Klonen und Gentechnik. Doch worin bestehen die Errungenschaften der beiden Biochemiker genau? Und wie entwickelte sich das Wissen über die DNA weiter? Dem geht das Museum für Naturkunde auf den Grund.
Schöne Grüße aus Singapur: Seefahrt und Familie 18.6. bis 7.11.2013 Deutsches Schiffahrtsmuseum, Bremerhaven Nicht jeder hat das Glück einer Pippi Langstrumpf. Als es der Seemannstochter in der Villa Kunterbunt zu trist wird, reist sie dem Vater einfach hinterher – samt Freunden und Totenkopfäffchen. Die Realität sieht anders aus: Während der Vater als Seemann die Weltmeere bereist, wartet die Familie in den meisten Fällen zuhause. Wie sie mit dem ständigen Wechsel von Abschiedsschmerz und Wiedersehensfreude umgehen, erzählen Betroffene in einer Ausstellung des Deutschen Schiffahrtsmuseums. Im Fokus steht dabei die Handelsschifffahrt der letzten Jahrzehnte.
Jade und Salz — Der Kapellenberg vor 6000 Jahren 2.6. bis 15.9.2013 Ausstellung des RömischGermanischen Zentralmuseums im Stadtmuseum Ho�heim In Hofheim schätzt man den Kapellenberg eher wegen seiner Wanderwege, als wegen seiner Geschichte. Das soll sich ändern: Im örtlichen Stadtmuseum zeigt das Römisch-Germanische Zentralmuseum die Ergebnisse seiner Forschung. Gut erhaltene Grabhügel und Wallanlagen geben einen Einblick in das Bergleben der Jungsteinzeit. Jade und Salz wurden hier getauscht, das verraten Funde wie ein Steinbeil aus alpiner Jade. Dass die Steinzeitsiedlung so gut erhalten ist, verdankt sie der behutsamen Nutzung des Berges: Im Mittelalter war er Waldfläche, später Naherholungsgebiet.
„Unbekanntes Kasachstan — Archäologie im Herzen Asiens“ 26.1. bis 30.6.2013 Deutsches Bergbau-Museum Bochum Die Pfeilspitze traf den Kasachen ins Gesäß, noch heute steckt sie in seinem über 3.000 Jahre alten Knochen. Hinter dem Angriff könnte ein Streit um Kupfer und Zink stecken, vermuten Montanarchäologen des Deutschen Bergbau-Museums. Schon vor 6.000 Jahren sicherten diese Rohstoffe die Existenz der Bewohner Kasachstans. Auf 850 Quadratmetern vermittelt die Ausstellung ein Gefühl für die Lebenswelt der bergbauenden Nomaden. 1.000 Originalstücke wurden dafür aus Zentralasien eingeflogen. Darunter ist neben den Knochen auch eine Jurte: das traditionelle Wohnzelt der Kasachen.
Fotos: Senckenberg; RGZM; MfN; pixabay; DBM; DSM; GNM (4)
in den Leibniz-Forschungsmuseen
Mehr Sonderausstellungen unserer Forschungsmuseen finden Sie online: http://www.leibniz-gemeinschaft.de/institute-museen/ forschungsmuseen/leibniz-museen-aktuell/
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Leibniz | MUSeen
Zünftig! Geheimnisvolles Handwerk 1500 bis 1800 Ein Wurstbügel des Typs Einöhrbügel mit Einschleimklinge, eine Flitterschlägerlade und ein Sondersiechensammelkästchen. Was in den Ohren des Mittelalterfans wie Lautenmusik klingt, hört sich für die meisten Menschen eher nach dem Erfindungsreichtum wortgewandter Fantasten an. Tatsächlich handelt es sich hier um die Werkzeuge von Wurstmachern, Flitterschlägern und Beutlern, fast vergessenen Berufen aus der Zeit vor der industriellen Revolution. Nachdem sie wirtschaftlich immer einflussreicher wurden, organisierten sich viele Handwerksberufe ab der Frühen Neuzeit in Zünften: Korporationen, die Preise, Angebote, Ausbildung, aber auch Sitten und Bräuche einzelner Berufsstände regelten. Jede Zunft hatte ihr eigenes Wappen, eigene Werkzeuge und sogar eine fest vorgegebene Zechreihenfolge.
Von der faszinierenden Geschichte der Zünfte zeugen auch die 260 Gegenstände, die noch bis Juli im Nürnberger Germanischen Nationalmuseum (GNM) gezeigt wer-
Handwerkslade der Nürnberger Flitterschläger, Messingschaber und Rechenpfennigmacher (1699)
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haben sie es nun neu erfasst und dokumentiert in die Ausstellungsräume des Museums geschafft. In fünf Themenbereichen lernen die Besucher mehr über die Bedeutung der Zünfte. Sie erhalten Einblick in ihre Aufgaben und ihr Innenleben und stellen sich der Frage nach der heutigen Bedeutung der Zünfte.
den. Die Sonderausstellung „Zünftig! Geheimnisvolles Handwerk 1500-1800“ ist die weltweit größte Schau dieser Art seit 1927. Ihre Besucher können Meister- und Lehrlingsladen durchstöbern, in denen Urkunden und Auszeichnungen aufbewahrt wurden. Sie können Zunftgeschenke wie „Willkommbecher“ oder „Hochzeitshumpen“ bestaunen, außerdem Herbergsschilder, Wappen und teils kurioses Werkzeug. Die Ausstellung ist das Ergebnis des Projekts „Kulturgeschichte des Handwerks“, das viele der teils seltenen Objekte der Zunftaltertümer-Sammlung des GNM unter die Lupe genommen hat. Seit 1856 trägt das Museum handwerksgeschichtliche Relikte zusammen. Objekte aus Nürnberg bilden den Kern der Sammlung, die im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts mit Stücken aus anderen Teilen Deutschlands erweitert wurde. Bisher waren nur wenige Zunftaltertümer im Museum zu sehen. Der größte Teil der Handwerksobjekte schlummerte, teils kaum dokumentiert, im Archiv. Besonders die Werkzeuge waren wenig erforscht. Dank der Arbeit der Wissenschaftler um Ralf Schürer
Manch ausgestorbenen Beruf holt die Ausstellung so aus der Versenkung. Die Rechenpfennigmacher etwa erstellten Messingplättchen, die zum Zählen auf Linien verwendet wurden, ähnlich dem Rechenschieber. Die in der Ausstellung gezeigte Lade der Nürnberger Flitterschläger und Rechenpfennigmacher ermöglichte es den Forschern, den gewerblichen Alltag dieses inzwischen ausgestorbenen Handwerks zu skizzieren.
Dabei stießen sie auf allerlei Kurioses, etwa auf eine 15 Zentimeter lange rechteckige Messingplatte mit rundem Öhr an einer Seite. Lange galt der „Wurstbügel“ aus dem Jahr 1601 als Instrument zur Kontrolle des Wurstumfangs. Inzwischen haben die Forscher herausgefunden, dass er zum Stopfen der Würste diente. Als zweckentfremdet kann auch ein prunkvoll verziertes Hackmesser gelten, das ehemals eine Hartschierkuse war: die Waffe der kaiserlichen Leibwache in Wien.
Führungen für Kinder und Erwachsene sorgen dafür, dass die Besucher trotz aller Wirrungen in der Geschichte der Zünfte den Durchblick behalten. Und wer den Besuch gesellig ausklingen lassen möchte, kann bei einem Mahl im Cafe des Museums den Zunftsinn aufleben lassen. Aber bitte mit korrekter Zechordnung. m at h i l d e b e s s e rt - n e tt e l b e c k
Wurstbügel des Typs Einöhrbügel mit Entschleimerklinge (1601, oben) und Willkommscheibe eines Bäckerehepaares (1616, links).
Zünftig! Geheimnisvolles Handwerk 1500-1800 Sonderausstellung 21.3. bis 7.7.2013 Germanisches nationalmuseum Kartäusergasse 1 90402 nürnberg Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 - 18 Uhr Mittwoch bis 21 Uhr Montags nur an gesetzlichen Feiertagen
www.gnm.de
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Nachr i cht e n
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Leibniz | LiFe
Wandel als Chance
Der
DemografieAusstellung der Leibniz-Gemeinschaft auf Deutschland-Tournee
Fotos: Michael Jungblut/Atelier Brückner (2); Christoph Herbort-von Loeper, Stefan Sämmer; Wissenschaftsjahr 2013
„Zukunft leben: Die demografische Chance“ ist das Motto des Wissenschaftsjahres 2013 des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, das sich dem demografischen Wandel in Deutschland widmet. Unter dem selben Titel hat die Leibniz-Gemeinschaft die zentrale Ausstellung zum Wissenschaftsjahr gestaltet, die seit Ende Februar bis zum März 2014 durch insgesamt sechs deutsche Städte wandert.
Bei der Eröffnung von Wissenschaftsjahr und Ausstellung im Berliner Museum für Naturkunde am 26. Februar hob Bundesforschungsministerin Johanna Wanka die Bedeutung der Ausstellung für den Dialog der Wissenschaft mit der Bevölkerung hervor: „Mit dem Wissenschaftsjahr möchten wir die Bürgerinnen und Bürger in die Diskussion mit einbeziehen und dazu anregen, sich mit diesem gesellschaftlichen Zukunftsthema zu beschäftigen.“ LeibnizPräsident Karl Ulrich Mayer, der auch wissenschaftlicher Leiter der Schau ist, sagte: „Die Ausstellung zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie der demografische Wandel unser Leben verändert und verändern wird. Sie zeigt aber auch: Wenn wir den Wandel gestalten, wird er zur Chance für Deutschland“.
Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (unten mit Kurator Michael Spring) und Rheinland-Pfalz‘ Ministerpräsidentin Malu Dreyer (re. u.a. mit Leibniz-Präsident Karl Ulrich Mayer) zu Besuch in der Ausstellung.
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www.leibniz-gemeinschaft.de/ zukunft-leben
Nach der ersten Station in Berlin, zog die Ausstellung Mitte April nach Mainz weiter, wo sie im Museum für Antike Schiffahrt bis zum 2. Juni zu sehen ist, bevor sie vom 14. Juni bis 21. Juli im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden gezeigt wird. Anschließend macht sie noch Station im Deutschen Bergbau-Museum, Bochum (20. September bis 27. Oktober), im Deutschen Schiffahrtsmuseum, Bremerhaven (15. November bis 9. Januar 2014) sowie im Deutschen Museum, München (31. Januar bis 30. März 2014).
Ausgangspunkt der von Petra Lutz und Thomas Spring kuratierten Ausstellung sind die wissenschaftlichen Befunde zur demografischen Entwicklung in Deutschland: Die Lebenserwartung steigt, die Bevölkerung wird älter. Die durchschnittlichen Kinderzahlen in Deutschland sind niedrig und stagnieren. Wir sind ein Zuwanderungsland und wir brauchen Zuwanderung. Welche Folgen ergeben sich daraus und welches Entwicklungspotential ist damit verbunden – gesellschaftlich, familiär und individuell? Auf rund 300 Quadratmetern können sich Besucher mit der Frage auseinandersetzen, wie sie morgen leben werden – und wie sie das neue, vielfältigere Miteinander gestalten wollen.
Wissenschaftler der verschiedensten Disziplinen äußern sich dazu in Videointerviews. Fotografien, historische Abbildungen, statistische Darstellungen, Animationsfilme und Comic-Geschichten werden gezeigt. Zahlreiche interaktive Module geben Gelegenheit zum Mitdenken über unsere Zukunft und unsere Chancen im demografischen Wandel. red
Multimedial und eindrucksvoll: Die Schau mit aufwändig aufbereiteter Didaktik zeigt Wissenschaft zum Be-Greifen und Verstehen in vielen Erfahrungsräumen. Die jeweiligen Ausstellungsorte werden plakativ miteinbezogen, wie hier der Dinosaurier in Berlin.
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Leibniz | LiFe
Die Beurteilung wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit ist komplex und je nach Fach sehr unterschiedlich. Eine Vielzahl von Indikatoren gibt einen Aufschluss darüber, welchen Stellenwert die Forschungsleistung eines Institutes hat. Aus der aktuellen Datenerhebung der Leibniz-Gemeinschaft für 2012 haben wir einige dieser LeistungsIndikatoren für die Leibniz-Gemeinschaft insgesamt kumuliert.
Vereint: Gemeinsam bringen es die 86 institute der Leibniz-Gemeinschaft auf ein Gesamtbudget von 1,5 Milliarden euro und beschäftigen 17.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gefördert: Fördergelder der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Höhe von 58 Millionen Euro machen einen Anteil von 17 Prozent an den insgesamt eingeworbenen Drittmitteln aus. Europäisch: 15 Prozent beträgt der Anteil an Drittmitteln aus Förderprogrammen der europäischen Union (knapp 50 Millionen Euro). Wirtschaftlich: Mit 35 Millionen euro schlagen die Drittmittel aus der Wirtschaft zu Buche – ein Anteil von zehn Prozent an den Drittmitteln insgesamt. Begehrt: 87 Stipendiaten der Alexander von Humboldt-Stiftung wählten ein Leibniz-institut für ihren Forschungsaufenthalt aus. International: 18 Prozent beträgt der Ausländeranteil am wissenschaftlichen Personal. Weiblich: Frauen kommen auf einen Anteil von 42 Prozent am wissenschaftlichen Personal. Promoviert: 616 Promotionen wurden an den instituten der Leibniz-Gemeinschaft erfolgreich abgeschlossen. Berufen: in 340 gemeinsamen berufungen drückt sich die enge Partnerschaft mit den Hochschulen aus.
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Das Präsidium der Leibniz-Gemeinschaft hat Prof. Dr. Matthias Kleiner (57) einstimmig für das Amt des Präsidenten der Leibniz-Gemeinschaft nominiert. Die Wahl eines Nachfolgers von Prof. Dr. Karl Ulrich Mayer (68) steht auf der Tagesordnung der Mitgliederversammlung am 29. November in Berlin. Der promovierte und habilitierte Diplom-Ingenieur Kleiner ist Professor für Umformtechnik an der Technischen Universität Dortmund und war von 2007 bis 2012 Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Matthias Kleiner ist unter anderem Träger des Forschungspreises des Landes NordrheinWestfalen (1990) und des Gottfried Wilhelm Leibniz Preises der Deutschen Forschungsgemeinschaft (1997). Eine Findungskommission des Präsidiums unter dem Vorsitz von Vizepräsident Prof. Dr. Friedrich W. Hesse, Direktor des Leibniz-Instituts für Wissensmedien in Tübingen, hatte Kleiner als Kandidaten vorgeschlagen.
Nationales Bildungspanel soll Leibniz-Institut werden
Der Wissenschaftsrat hat Bund und Ländern empfohlen, das Nationale Bildungspanel (NEPS) als außeruniversitäre Forschungseinrichtung in die gemeinsame Förderung von Bund und Ländern im Rahmen der Leibniz-Gemeinschaft aufzunehmen. Der Wissenschaftsrat würdigte das NEPS als weltweit einzigartige Längsschnittstudie. Im Rahmen des NEPS werden Daten zu Bildungsprozessen und Kompetenzentwicklung in Deutschland von der frühen Kindheit bis ins hohe Erwachsenenalter erhoben. Nach Auffassung des Wissenschaftsrates sind die außergewöhnlich reichhaltigen Daten von großem Wert für die wissenschaftliche Nutzung; sie enthalten aber auch
politisch hoch relevante Informationen zu Bildungsverläufen und deren Einflussfaktoren. „Der Wert dieser Längsschnittdaten wird sich noch weiter erhöhen, je länger die Bildungskarrieren der Teilnehmenden verfolgt werden können“, erklärte der Vorsitzende des Wissenschaftsrats Wolfgang Marquardt. Angesichts der Relevanz der Daten und der exzellenten Arbeit als Forschungsund Infrastruktureinrichtung ist der Wissenschaftsrat von der überregionalen Bedeutung des NEPS und dem gesamtstaatlichen wissenschaftspolitischen Interesse an seiner Arbeit überzeugt.
www.neps-data.de www.wissenschaftsrat.de/index.php?id=1130&L 2/2013
Fotos: Unicom; Nordlicht Foto/Thomas Häntzschel
Liste
Matthias Kleiner als künftiger Leibniz-Präsident nominiert
Leibniz | LiFe
Neue LeibnizGraduiertenschule zur Astrophysik
Das Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) ruft gemeinsam mit dem Institut für Physik und Astronomie der Universität Potsdam zur Bewerbung um acht Promotionsstellen im Bereich der „quantitativen Spektroskopie in der Astrophysik“ auf. Spektroskopie, also die Zerlegung des Lichts in seine Farben, ist die fundamentale Analysemethode in der Astrophysik. Die Graduiertenschule finanziert sich aus Mitteln, die im Wettbewerbsverfahren der LeibnizGemeinschaft eingeworben wurden. Besonders qualifizierte Hochschulabsolventen können sich jetzt für eines der acht Promotionsthemen bewerben. www.aip.de/de/fuerstudierende/leibnizgraduiertenschule
Leibniz auf dem Campus
Die Leibniz-Gemeinschaft entwickelt sich dynamisch und bleibt der natürliche Partner der Hochschulen. Davon zeugt die neue Broschüre „Leibniz auf dem Campus“,
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Leibniz auf dem Campus Kooperationen mit Hochschulen
die den Umfang der Hochschulkooperationen der 86 LeibnizEinrichtungen bundesweit dokumentiert. Allein in BerlinBrandenburg, einem regionalen Schwerpunkt der LeibnizGemeinschaft, bestehen 121 Hochschulprofessuren für Wissenschaftler aus den Instituten der Gemeinschaft. Bundesweit sind es 340. In Leibniz-Einrichtungen werden derzeit 3.300 Doktoranden betreut. Mit den sogenannten WissenschaftsCampi hat die Leibniz-Gemeinschaft zusätzlich eine spezielle Form der institutionalisierten Zusammenarbeit zwischen Leibniz-Instituten und Hochschulen eingerichtet und mit neun Leibniz-Forschungsverbünden die institutsübergreifende Schwerpunktbildung vorangetrieben. www.leibniz-gemeinschaft.de/medien/ publikationen/leibnizauf-dem-campus
20 Jahre Leibniz im Nordosten
Aus Anlass des 20-jährigen Jubiläums ihrer Neu-Gründung haben die Leibniz-Institute für Atmosphärenphysik, für Katalyse, für Nutztierbiologie, für Ostseeforschung und für Plasmaforschung und Technologie am 16. April 2013 zu einem Parlamentarischen Informationsabend ins Schweriner Schloss
geladen. Zu der Veranstaltung kamen neben Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider – hier im Gespräch mit Franz-Josef Lübken, dem Direktor des LeibnizInstituts für Atmosphärenphysik – und Bildungsminister Mathias Brodkorb etwa 100 Gäste aus Parlament, Ministerien, Wirtschaft und Wissenschaft.
Laser, Lunge, Landschaft
Der Senat der Leibniz-Gemeinschaft hat im März die Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluierung von drei Leibniz-Einrichtungen aus den Gebieten der Laser-, Lungen- und Agrarlandschaftsforschung veröffentlicht. Darin empfiehlt er Bund und Ländern, das Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI) in Berlin, das Forschungszentrum Borstel – Leibniz-Zentrum für Medizin und
Biowissenschaften (FZB) und das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) in Müncheberg weiter gemeinsam zu fördern. MBI und FZB sollen gemäß dem Regelturnus in sieben Jahren wieder beurteilt werden. Für das ZALF empfiehlt der Senat eine erneute Evaluierung nach vier Jahren.
www.leibniz-gemeinschaft.de/ ueber-uns/evaluierung
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Leibniz | LiFe
Die Vielfalt des Lebens ist ein hohes Gut der Menschheit und doch bedroht. 27 Autoren aus acht Leibniz-instituten haben an „Die Vielfalt des Lebens“ mitgewirkt. Wir verlosen fünf exemplare (siehe auch die Buchvorstellung auf Seite 43). Stichwort: „Vielfalt“. Mit Fälschungen in der Wissen schaft beschäftigt sich bernhard Kegel in seinem Roman „ein tiefer Fall“. Auf 512 Seiten begleitet er seinen Protagonisten, den bremer biologen Hermann Pauli. Gekonnt habe Kegel dabei „Fantasie mit Wirklichkeit vermengt, äußerst spannend und lehrreich“, schreibt Ulrich Wickert. Wir verlo sen drei exemplare des Romans. Stichwort: „Tiefer Fall“ Einsendeschluss: 31. Juli 2013 e-Mail an: verlosung@leibniz-gemeinschaft.de Die Gewinner der Verlosungen aus dem Heft 1/2013: Das buch zur Ausstellung „zukunft leben: Die demografische Chance“ gewannen: - Hartmut nitsche aus Friedrichroda, - Martin brünger aus berlin, - eberhard Gladrow aus Saulheim, Frank Willms aus Ihlow und - Maria Shamaeva aus berlin Den „kleinen Souci/Fachmann/Kraut“, „Lebensmitteltabelle für die Praxis“ gewannen - Uwe Römer aus berlin, - Silke Langhard aus Kappeln, - Dr. Ulrike bernauer aus berlin, - Gunhild Heitkamp aus Düsseldorf und - Geeske Genrich aus Kiel.
Leibniz diplomatisch
Staatsministerin Cornelia Pieper und Leibniz-Präsident Karl Ulrich Mayer unterzeichnen die Rahmenvereinbarung für das Hospitationsprogamm in Botschaften.
Die Leibniz-Gemeinschaft und das Auswärtige Amt haben ein Hospitationsprogramm für Wissenschaftsmanager aus Leibniz-Instituten an ausgewählten deutschen Auslandsvertretungen ins Leben gerufen.
Eine entsprechende Rahmenvereinbarung unterzeichneten die Staatsministerin und Senatorin der Leibniz-Gemeinschaft, Cornelia Pieper, und Leibniz-Präsident Karl Ulrich Mayer im Februar in Berlin. Das Programm ist zunächst für eine Pilotphase von zwei Jahren vereinbart und Teil der Internationalisierungsstrategie der Leibniz-Gemeinschaft. Auch das Auswärtige Amt betritt
mit dem Kooperationsabkommen Neuland: „Mit den heute vereinbarten Gastaufenthalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Leibniz-Gemeinschaft an deutschen Botschaften und Konsulaten treten wir in eine ganz neue Etappe unserer Zusammenarbeit mit den deutschen Wissenschaftsorganisationen ein“, betonte Staatsministerin Cornelia Pieper. Vorreiter soll das deutsche Generalkonsulat in Los Angeles sein, weitere Standorte werden sich in Brasilia und São Paulo befinden. Der Bewerbungsschluss für die erste Runde endete im Mai. Die zweite Runde wird Anfang 2014 ausgeschrieben.
Alle Generationen in einem Boot Seit Ende April ist die MS Wissenschaft, das Ausstellungsschiff von „Wissenschaft im Dialog“ wieder auf großer Deutschlandreise. Diesmal steht die interaktive Ausstellung unter dem Motto „Alle Generationen in einem boot“ ganz im zeichen des demografischen Wandels. Bis Mitte September macht die MS Wissenschaft in 40 Städten in Deutschland und Österreich Station. Mit an bord sind zehn exponate aus sieben Leibnizinstituten. www.ms-wissenschaft.de
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Fotos: Wiley CH; Mare verlag; Froehly/AA; Ilja Hendel/Wissenschaft im Dialog
Verlosung
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Leibniz | LeKTÜRe
Maren Möhring: Fremdes Essen — Die Geschichte der ausländischen Gastronomie in der Bundesrepublik Deutschland; 555 Seiten, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2012; 59,80 Euro, ISBN 978-3-486-71236-0.
Fotos: Christoph Herbort-von Loeper; Oldenbourg Wissenschaftsverlag; Murmann Verlag; Wiley-VCH
Claudia Kemfert:
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Kampf um Strom — Mythen, Macht und Monopole; 144 Seiten, Murmann Verlag, Hamburg 2013; 14,90 euro, iSbn: 978-3-86774-257-3.
Erwin Beck (Hrsg.): Die Vielfalt des Lebens — Wie hoch, wie komplex, warum?; 246 Seiten, Wiley-VCH, Weinheim 2012; 24,90 Euro, ISBN: 978-3-527-33212-0
Unser Magen ist ein Musterbeispiel für gelungene Integration. Hier mischt sich italienische Pizza mit türkischem Döner und griechischem Gyros, denn bei der Auswahl ihrer Speisen geben sich die Deutschen weltoffen. In „Fremdes Essen“ untersucht Maren Möhring, Historikerin am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, auf erfrischende Weise die Entwicklung und Akzeptanz ausländischer Gastronomie in der Bundesrepublik. Im Fokus stehen Gastarbeiterküchen, also all die Imbissbuden, Grills und Restaurants, die südeuropäische Einwanderer seit den 1960er Jahren in Deutschland etabliert und fortgeführt haben. Wie fassten die zugewanderten Restaurant-
betreiber Fuß? Und wie beeinflussten sie bundesdeutsche Essgewohnheiten und Identitäten? Am Beispiel von Berlin, Hamburg und Köln, aber auch kleinerer Städte wie Flensburg und Konstanz zeichnet die Autorin nach, wie südländische Gaststätten nicht nur das Konsumverhalten der Deutschen beträchtlich veränderten, sondern auch Stadtviertel wiederbelebten und Raum für interkulturellen Austausch schafften, aber auch Konflikte hervorriefen. Möhring nähert sich dem Thema als Historikerin, doch der Inhalt ist von politischer Relevanz: Man ist, was man isst. In „Fremdes Essen“ ist das nicht nur eine Floskel, sondern Aufforderung zum Nachdenken.
Die Zukunft der Energieversorgung ist eine der Schlüsselfragen des 21. Jahrhunderts. Sie zu beantworten, verlangt verlässliche Informationen für Bürger und politische Entscheidungsträger. Das Buch „Kampf um Strom“ will solche Fakten liefern. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) möchte dem Leser helfen, sich eine fundierte Meinung auf diesem kontrovers diskutierten Gebiet zu bilden. Wie soll die Energieversorgung von Morgen aussehen? Und wie kann sie den ökologischen und sozialen Erfordernissen der Zukunft gerecht werden? Die Entscheidungen darüber werden das Leben der kommenden 60 Jahre bestimmen,
sollten also nicht allein den Energiekonzernen überlassen werden, fordert Kemfert. Sonst werde die Macht im Energiesektor ausschließlich bei ihnen liegen. Um genau dies zu erreichen, verdrehen die Lobbyisten der Industrie Fakten und verschleiern Informationen, analysiert Claudia Kemfert und will die Informationsschieflage entlarven. Detailliert zeichnet sie auch die Vorgeschichte des Energiekampfes nach. So gelingt es der Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am DIW aufzuzeigen, worum es beim Kampf um Strom wirklich geht, und aus welchen Motiven die verschiedenen Akteure des Energiemarktes tatsächlich handeln.
Rio de Janeiro, Juni 1992. Vertreter von 172 Staaten und Dutzenden Nichtregierungsorganisationen kommen an der Copacabana zusammen, um eines der drängendsten Probleme der Zeit zu verhandeln: das Artensterben. Am Ende der Umwelt-Konferenz steht das „Übereinkommen über die biologische Vielfalt“, das als Meilenstein des Naturschutzes in die Geschichte eingehen wird. Seine Quintessenz: Der Erhalt der Biodiversität ist ein gemeinsames Anliegen der Menschheit. Der Sammelband „Die Vielfalt des Lebens – wie hoch, wie komplex, warum?“ zeigt, wie sich die Forschung diesem Anliegen widmet. Herausgeber Erwin Beck, emeritierter Professor für Pflanzenphysiologie der Universi-
tät Bayreuth, möchte das ganze Spektrum der Artenvielfalt illustrieren. In diversen Beiträgen skizzieren über 40 Gastautoren, davon 27 aus insgesamt acht Leibniz-Instituten, wie diese geschützt und nachhaltig genutzt werden kann. So berichten unter anderem Forscher der Senckenberg Gesellschaft von subtropischen Bromeliengewächsen; Autoren des Zoologischen Forschungsmuseums Alexander Koenig erklären die Evolution der indonesischen Sonnenstrahlfische. Doch auch 20 Jahre nach Rio ist die Biodiversität bedroht. Deshalb erklären im Schlussabschnitt des Buches Umweltforscher, wie Wissenschaft und Politik gemeinsam handeln müssen, um den Verlust der Vielfalt zu stoppen. m at h i l d e b e s s e rt - n e tt e l b e c k
r i c a r d a b r e Yton
n o r a t Y u F e k c h ieva
Wir verlosen fünf Exemplare des Bandes. (▶ S. 42)
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Leibniz Leute
L e i b n i z | L e ut e
Wie werden wir in Zukunft leben, lernen, arbeiten, Kinder kriegen und altern?
Beeindruckt von der Geschichte und aktuellen Forschungsarbeit des Zoologischen Forschungsmuseums Alexander Koenig – Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere in Bonn hat sich Bundespräsident Joachim Gauck bei einem Besuch des Forschungsmuseums gezeigt. „Das Ausmaß der Bedrohung der Artenvielfalt, das mir hier vorgestellt worden ist, stimmt mich nachdenklich“, sagte der Bundespräsident nach seinem Besuch am 10. April. Auf einen „Höflichkeitsbesuch“ sei er eingestellt gewesen, habe aber erkannt, „wie schnell ein lebenserfahrener und älterer Herr wieder zum Schüler werden kann“, so das Staatsoberhaupt. (Im Bild: der Bundespräsident mit Leibniz-Präsident Karl Ulrich Mayer (li.), ZFMK-Direktor Wolfgang Wägele (2.v.li.) Bonns Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (re.) im Ausstellungsbereich „Savanne“.) Prof. Dr. Rainer Danielzyk
rechts: Prof. Hans Joachim Schelln huber
Das Begleitbuch zur Ausstellung
www.nicolai-verlag.de
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Seit dem 1. März 2013 ist Prof. Dr. Rainer Danielzyk neuer Generalsekretär der Akademie für Raumforschung und Landesplanung – Leibniz-Forum für Raumwissenschaften (ARL). Er ist Nachfolger von Prof. Dr.Ing. Dietmar Scholich, der nach 35 Jahren in den Ruhestand geht. Rainer Danielzyk kennt die Leibniz-Gemeinschaft gut. Seit 2001 war der Sozialgeograph – zuletzt als Direktor – am jetzigen ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung in Dortmund tätig, einem assoziierten Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. 2010 berief ihn die Leibniz Universität Hannover zum Professor für Landesplanung und Raumforschung.
Als internationaler Berater gefragt ist Prof. Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam‐Instituts für Klimafolgenforschung. Der Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, hat den Physiker in seinen Beirat für Wissenschaft und Technologie berufen. Neben Schellnhuber ist aus Deutschland nur noch der Soziologe Ortwin Renn (Universität Stuttgart) Mitglied des 15-köpfigen Gremiums. Im Februar diskutierte Schellnhuber zudem auf Einladung Pakistans und Großbritanniens im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York mit Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates über den Klimawandel als zunehmendes Sicherheitsrisiko. 2/2013
Leibniz | LeUTe
Fotos: ZFMK, ARL, PIK/Foto Hollin, DIfE, IFW, IWM, BMAS/R.Deischl, PIK, ZFMK, HKI, FVB
Dr. Tim Schulz
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Dr. Tim Julius Schulz vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) erhält einen Starting Grant des Europäischen Forschungsrates (ERC). Dem Biochemiker stehen damit für einen Zeitraum von fünf Jahren rund 1,5 Millionen Euro für seine Forschung zur Verfügung. Mit dem Grant möchte Schulz Mechanismen untersuchen, die bei der Alterung von Stammzellen eine Rolle spielen. Die aus dieser Forschung gewonnenen Erkenntnisse könnten dazu beitragen, neue Therapien gegen die Entstehung altersbedingter Stoffwechselerkrankungen zu entwickeln. Mit zunehmendem Alter kommt es zu einer vermehrten Ansammlung weißer Fettzellen in bestimmten Geweben. Schulz möchte der Frage nachgehen, ob und wie Alterungsprozesse das zelluläre Entwicklungsprogramm adipogener (Fettzellen entwickelnder) Stammzellen verändern. Schulz forscht nach einem fünfjährigen Forschungsaufenthalt am Joslin Diabetes Center und der Harvard Medical School in Boston (USA) seit September 2012 als Leiter einer Emmy Noether-Nachwuchsgruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft am DIfE.
Soziale Netzwerke wie Facebook oder Xing sorgen dafür, dass sich viele Menschen täglich mit engen Freunden, aber auch mit Personen verbinden, die ihnen wenig bis gar nicht bekannt sind. Wie gut kennen die Menschen ihr soziales Netzwerk wirklich und was wissen sie von ihren „Freunden und Kontakten“? Und: Geben soziale Medien nur die Illusion von Freundschaft oder liefern sie echten seelischen Rückhalt? Diesen Fragestellungen
Neuer Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoffforschung (IFW) in Dresden ist Prof. Dr. Jürgen Eckert. Der 50-Jährige folgt auf Prof. Dr. Ludwig Schultz (65), der seit 1993 am IFW tätig war und seit 2008 an dessen Spitze stand. Der Werkstoffwissenschaftler Jürgen Eckert kam 1993 ans IFW. Nach einer dreijährigen Tätigkeit als Professor an der TU Darmstadt wurde er 2006 Direktor des Instituts für Komplexe Materialien des IFW und Professor am Institut für Werkstoffwissenschaften der Technischen Universität Dresden. 2009 erhielt Eckert den Gottfried-WilhelmLeibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft für seine Arbeiten auf dem Gebiet neuartiger amorpher anorganischer Werkstoffe. Der neue IFW-Chef befasst sich insbesondere mit metallischen Gläsern, vor allem auf Eisenbasis. Diese zeichnen sich durch eine hohe Festigkeit und gleichzeitig günstige Herstellung aus und sind für die Herstellung neuer technischer Produkte und Lösungen von Interesse. Sein Amtsvorgänger Ludwig Schultz bleibt dem IFW bis 2014 als Leiter des Teil-Instituts für Metallische Werkstoffe erhalten. Jürgen Eckert (Mi.) mit Amtsvorgänger Ludwig Schulz und dem Kaufm. Direktor Rolf Pfrengle (re.)
nimmt sich unter der Leitung von Dr. Sonja Utz in den kommenden fünf Jahren eine neue Nachwuchsgruppe am Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) in Tübingen an. Grundlage hierfür ist ein Starting Grant des Europäischen Forschungsrates (ERC), den die Psychologin unlängst zugesprochen bekam. Sonja Utz kommt von der Freien Universität Amsterdam nach Tübingen, wo sie seit 2004 den Einfluss neuer, insbesondere sozialer Medien untersuchte.
Prof. Dr. Rüdiger Hachtmann, Projektleiter am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF), ist von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen in eine unabhängige Historikerkommission berufen worden. Diese soll die Geschichte des Reichsarbeitsministeriums im Nationalsozialismus erforschen und aufarbeiten.
Prof. Dr. Jürgen Kurths, Leiter des Forschungsbereichs „Transdisziplinäre Konzepte und Methoden“ des PotsdamInstituts für Klimafolgenforschung, ist Preisträger der diesjährigen Lewis Fry Richardson Medaille, einer angesehenen Auszeichnung der European Geosciences Union für herausragende Leistungen in den nichtlinearen Geowissenschaften.
Dr. Daniel Scharf vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – HansKnöll-Institut in Jena ist für seine Dissertation gleich zwei Mal ausgezeichnet worden: Er erhielt den Promotionspreis der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie sowie den Wissenschaftspreis des Beutenberg Campus.
Für ihre besondere wissenschaftliche Expertise innerhalb moderner molekularbiologischer Methoden hat Dr. Carola Greve vom Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig – Leibniz Institut für Biodiversität der Tiere den Margarethe Koenig Preis zur Förderung junger Frauen in der Wissenschaft erhalten.
Prof. Dr. Wolfgang Sandner, Direktor am Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie im Forschungsverbund Berlin, ist zum Generaldirektor des neuen Extreme Light Infrastructure (ELI) Delivery Consortium ernannt worden, das die Entwicklung von ELI als pan-europäische Infrastruktur der Laserforschung unterstützen soll.
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Leibniz | LeUTe
Neue Geschäftsführende Direktorin des Deutschen Schiffahrtsmuseums in Bremerhaven ist Prof. Dr. Sunhild Kleingärtner. Die 39-Jährige gebürtige Wolfsburgerin studierte Ur- und Frühgeschichte, Klassische Archäologie und Kunstgeschichte in Kiel. Darüber hinaus erwarb sie die Qualifikation als archäologische Forschungstaucherin. 2004 promovierte Kleingärtner zur Schmuckproduktion in der Wikingerzeit. In ihrer Doktorarbeit präsentierte sie am Beispiel des Pressmodellfunds aus dem Hafen der Mittelalterstadt Haithabu neue kunst- und kulturgeschichtliche Erkenntnisse. Danach leitete Kleingärtner maritime Ausgrabungen, organisierte wissenschaftliche Tagungen an der Kieler Universität und arbeitete an der inhaltlichen und konzeptionellen Vorbereitung der internationalen Ausstellung „World of Vikings“ mit. Im Jahr 2011 legte sie ihre Habilitationsschrift als Voraussetzung für die Übernahme einer Professur vor. Mit der Berufung Kleingärtners an die Museumsspitze ist eine „Kooperationsprofessur“ zur Schifffahrtsgeschichte an der Universität Bremen verbunden. Neue Präsidentin des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) ist ab 1. Juni Prof. Dr. Claudia M. Buch. Mit der Prä-
IMPRESSUM
Leibniz-Journal
Herausgeber: Der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft Prof. Dr. Karl Ulrich Mayer Chausseestraße 111, 10115 Berlin Telefon: 030 / 20 60 49-0 Telefax: 030 / 20 60 49-55 www.leibniz-gemeinschaft.de
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Prof. Dr. Claudia M. Buch
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Prof. Dr. Gerhard Huisken, der bisher Direktor am MaxPlanck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam war, wird neuer Direktor des Mathematischen Forschungsinstituts Oberwolfach. Huisken nahm gleichzeitig den Ruf auf eine W3Professur an der Universität Tübingen an. In Oberwolfach wird Huiskens Nachfolger von Prof. Dr. Gert-Martin Greuel. Gerhard Huisken leistete herausragende Beiträge zur Differentialgeometrie, zu nichtlinearen partiellen Differentialgleichungen und zur allgemeinen Relativitätstheorie. 1997 konnte er gemeinsam mit Tom Ilmanen (ETH Zürich) die Penrose-Vermutung für schwarze Löcher im Fall dreidimensionaler Riemannscher Mannigfaltigkeiten mit positiver Skalarkrümmung beweisen. 2003 erhielt Huiskens den Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis der DFG.
Zum neuen Vorsitzenden des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der so genannten „Wirtschaftsweisen“, ist
Prof. Dr. Christoph M. Schmidt, Präsident des RheinischWestfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen, gewählt worden.
Prof. Dr. HansWerner Sinn, Präsident des ifo Instituts – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München ist wegen seiner „hervorragenden europarelevanten Beiträge in der Finanzwissenschaft und der Nationalökonomie“ zum Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste gewählt worden.
Nachdruck mit Quellenangabe gestattet, Beleg erbeten. Auflage: 22.000 Ausgabe 2/2013: Juni www.leibniz-gemeinschaft.de/journal
Das Leibniz-Journal erscheint viermal jährlich. Es wird gratis über die Institute und Museen der Leibniz-Gemeinschaft verbreitet und ist für 3 Euro im Zeitschriftenhandel an Flughäfen und Bahnhöfen erhältlich. Außerdem kann es über die Redaktion kostenlos abonniert werden. ISSN: 2192-7847 Leibniz twittert: twitter.com/#!/LeibnizWGL Leibniz ist auf Facebook: facebook.com/LeibnizGemeinschaft
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Fotos: privat, SWR, MFO, RWI, ifo/A. Schellnegger
Prof. Dr. Sunhild Kleingärtner
sidentschaft ist ein Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg verbunden. Claudia Buch war bisher Leiterin des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung und Inhaberin eines Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre an der EberhardKarls-Universität Tübingen. Sie möchte die Expertise des IWH in der Begleitung des Prozesses des institutionellen Wandels in Mittel- und Osteuropa sowie Ostdeutschland ausbauen und vertiefen. Inhaltlich soll es dabei unter anderem um ein besseres Verständnis der Rolle der Finanzmärkte für die Realwirtschaft gehen. Ein weiteres Ziel Buchs ist die methodische Stärkung der evidenzbasierten Politikberatung, bei der wirtschaftspolitische Maßnahmen mit Methoden der empirischen Wissenschaft überprüft werden sollen. Seit 2012 ist Claudia Buch Mitglied im „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“. Über gute Kontakte zu den Leibniz-Wirtschaftsforschungsinstituten verfügt Buch als „Research Associate“ am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim sowie als Mitglied der wissenschaftlichen Beiräte des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen und des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel.
Leibniz | LIFE
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