Leibniz-Journal 4/2014: Ein weites Feld. Landwirtschaft als globaler Zukunftsfaktor

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Leibniz-Journal Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft

Ein

weites Feld

G 49121

Landwirtschaft als globaler Zukunftsfaktor

Gentechnik

Nutztiere

Phosphor

Tuberkulose

Sachlichkeit statt Glaubenskrieg

Ein Rohstoff versiegt

Wohlfühlen im Stall

Gemeinsam gegen die „Weiße Pest“


2015

Mit KlarText punkten! Bewerben Sie sich

Bewerbungsbedingungen

um KlarText!, den Klaus Tschira Preis für verständliche Wissenschaft 2015.

Die Klaus Tschira Stiftung zeichnet jährlich Wissenschaftler aus, die die Ergebnisse ihrer herausragenden Dissertation in einem allgemein verständlichen Artikel beschreiben.

Promotion 2014 in Biologie, Chemie, Informatik, Mathematik, Neurowissenschaften, Physik oder einem angrenzenden Fachgebiet

Mitmachen lohnt sich 

5000 Euro Geldpreis pro Gewinner in jedem der sechs Fachgebiete

Veröffentlichung der Siegerbeiträge in einer KlarText!-Sonderbeilage des Wissenschaftsmagazins bild der wissenschaft

Jeder Bewerber kann am zweitägigen Workshop Wissenschaftskommunikation teilnehmen.

Herausragende Forschungsergebnisse

Ein allgemein verständlicher Textbeitrag über die eigene Forschungsarbeit

Einsendeschluss: 28. Februar 2015

www.klaus-tschira-preis.info Medienpartner


L E I B N I Z | I N H A LT

SPEKTRUM | Gemeinsam gegen Tuberkulose

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THEMENSCHWERPUNKT: EIN WEITES FELD Die Landwirtschaft steht plötzlich im Mittelpunkt zweier globaler Heraus­ forderungen: der Welternährung und des Klimawandels. Wissenschaftler wollen helfen, konkurrierende Interessen unter einen Hut zu bringen.

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KURZ & FORSCH

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NUR SO EIN VORSCHLAG…

...von Leibniz-Präsident Matthias Kleiner

10 TITEL: EIN WEITES FELD 10 Gartenbau: Mehr als einfach nur schön 12 Armut: Besuch bei Chinas Landarbeitern 14

Reiner Brunsch: Landwirtschaft in aller Munde

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Agrarökonomie: Der Kampf ums Land

22 Rohstoffe: Wege aus der Phosphor-Krise

24 Interview: Glaubenskrieg um die Grüne Gentechnik 26 Nutztiere: Wohlfühlen ist eine Frage der Haltung 30 Zukunftsvision: Fisch aus dem Gewächshaus 34 Urban Farming: Stadtwirtschaft

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AUSSTELLUNGEN | Die älteste Taschenuhr der Welt?

43 IMPRESSUM 44 AUSSTELLUNGEN 46 LEIBNIZ LIFE 49 Leibniz-Liste 50 Verlosung

36 SPEKTRUM

51 LEIBNIZ LEKTÜRE

36 Osteuropa: Forschung für Völkerverständigung

52 LEIBNIZ LEUTE

39 Geographie: Leibniz-Straßen-Karte 40 Ausgezeichnet: Tuberkulose-Forscher Christoph Lange

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Titel-Foto: Klaus Leidorf - www.Leidorf.de ; Editorial-Foto: Oliver Lang

Liebe Leserin, vor wenigen Jahren hätte Bauer Bienstein Zu diesen und vielen anderen Fragen kann die lieber Leser, aus Mecklenburg seine Ackerflächen für den Wissenschaft Lösungsvorschläge aus den ver-

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sprichwörtlichen „Appel und ein Ei“ erweitern können. Heute hat er keine Chance mehr dazu, denn rings um sein Land hat sich die Großindustrie eingekauft. Landwirtschaft lohnt sich wieder, nicht zuletzt weil der Anbau von Energiepflanzen als Biomasse gute Renditen verspricht. Was soll auf den raren Flächen angebaut werden? Energiepflanzen – oder doch Nahrungsmittel? Obwohl die Landwirtschaft im Bewusstsein der meisten Menschen kaum eine Rolle spielt, steht sie im Zentrum vieler gesellschaftlicher Debatten: Neben der beschriebenen Flächenkonkurrenz geht es zum Beispiel um die Grüne Gentechnik oder Massentierhaltung. Können genetisch veränderte Nutzpflanzen die Welternährung sichern? Wie wichtig ist uns ein tiergerechtes Leben von Schwein, Kuh & Co – und was sind wir bereit, dafür zu zahlen?

schiedensten Fachrichtungen liefern. Die Agrarforschung ist ein weites Feld. | Titel ab Seite 10

Im Spektrum zeigen wir, wie Christoph Lange die Armutskrankheit Tuberkulose auch ohne neue Medikamente bekämpft – indem er Ärzte in aller Welt zum Erfahrungsaustausch anregt. | Seite 40

Für Vernetzung plädiert auch Matthias ­Kleiner in seiner Kolumne „Nur so ein Vorschlag...“: ­Leibniz-Institute in Universitäten könnten Er­ folge der Exzellenzinitiative verstetigen. | Seite 9 Eine fruchtbare Lektüre! Christoph Herbort-von Loeper Redakteur

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Bischofspalast entdeckt Bei Ausgrabungen in der antiken Stadt Assos in der heutigen Türkei sind Archäologen des ­Römisch-Germanischen Zentral­museums auf den Grund­ riss einer prachtvollen Halle gestoßen. Die Wissenschaftler des Mainzer Forschungsmuseums vermuten, dass es sich um den Empfangsraum eines Bischofspalastes handelt. Dessen Inneres war ursprünglich prunkvoll ausgestattet: Marmorplatten verkleideten die Wände, der Thron stand offenbar zwischen den zwei Säulen einer Apsis, die von zwei Räumen flankiert wurde. Errichtet wurde der Palast im 5. oder frühen 6. Jahrhundert. Spuren kleinerer Umbauarbeiten belegen, dass er bis ins­ 7. Jahrhundert genutzt wurde.

Vom Buch zum Text

In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Buchhändler in Deutschland um zehn Prozent zurückgegangen. 2002 waren noch rund 5.800 Unternehmen in diesem Bereich tätig, im Jahr 2012 nur noch etwa 5.200. Der ganz große Umbruch könnte dem Buchhandel aber erst noch bevorstehen, sagen Wissenschaftler des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim: Wenn sich die Möglichkeit, Texte über einen befristeten Zeit-

raum zu nutzen, ähnlich rasant etabliere, wie dies in der jüngeren Vergangenheit bei Musikangeboten der Fall war, könne sich eine ernsthafte Alternative zum Buch entwickeln. Das könnte den Markt für Texte vollständig umkrempeln, so das ZEW. Für den traditionellen Buchhandel komme es deshalb darauf an, eine neue Rolle als Dienstleister anzunehmen, der Texte zugänglich macht, und sich nicht mehr vornehmlich als Verkäufer des Produkts Buch zu sehen.

doi = Digital Object Identifier, ein eindeutiger und dauerhafter Identifikator für digitale Objekte, vor allem für Online-Artikel von wissenschaftlichen Fachzeitschriften verwendet

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Informativer Toilettengang

Latrinenparolen spielen auch im Tierreich eine Rolle. Wie Forscher des Deutschen Primatenzentrums – Leibniz-Institut für Primatenforschung herausfanden, nutzen Weißfuß-Wieselmakis (Lepilemur leucopus) in Süd-Madagaskar Latrinenbäume zum Nachrichten-

austausch. Da die nachtaktiven Tiere diese Bäume regel­ mäßig besuchen, sind sie b ­ esonders gut ­geeignet, über Duftsignale im Urin Informationen innerhalb des losen Familienverbands auszutauschen. Neben der Pflege sozialer Bindungen dienen die Duftsignale für männliche Weißfuß-Wieselmakis auch dazu, ihr Territorium und die darin lebenden Weibchen zu verteidigen. Zu diesem Schluss kamen die Göttinger Wissenschaftler nach mehr als tausend Beobachtungsstunden. Über ein Jahr hinweg hatten sie 14 mit Radiosendern ausgestattete Makis begleitet. Behavioral Ecology and Sociobiology. DOI:10.1007/ s00265-014-1810-z

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LEIBNIZ | KURZ & FORSCH Älter dank Zucker?

Fotos: Assos Ausgrabungs-Archiv/Aykan Özener; Wikimedia Commons/Maximilian Schönherr CC BY-SA 3.0; DPZ/Iris Dröscher; ZFMK/Oliver Niehuis

Die Evolution der Insekten

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Ein internationales Team aus rund 100 Wissenschaftlern hat den Stammbaum der Insekten aufgeklärt. Mit völlig neuen Analyseverfahren und Höchstleistungsrechnern werteten sie gigantische Datenmengen aus. Insekten traten demnach vor rund 480 Millionen Jahren erstmals auf, zeitgleich mit den ersten Landpflanzen. 100 Millionen Jahre später erschlossen sie als erste Tiere die Luft, die sie für 200 Millionen Jahre alleine bevölkerten. Erst in der Kreidezeit entwickelte sich in enger Verbindung mit der Evolution der Blütenpflanzen die enorme Vielfalt der Insekten. Mit mehr als einer Million beschriebener Arten bil-

den sie heute die vielfältigste Tiergruppe überhaupt. Für den Menschen sind sie von überragender wirtschaftlicher und medizinischer Bedeutung, etwa als Bestäuber von Nutzpflanzen oder als Überträger von Krankheitserregern. Die Ergebnisse der Studie, die unter anderem von Bernhard Misof aus dem Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig – LeibnizInstitut für Biodiversität der Tiere geleitet wurde, eröffnen neue Wege bei der Nutzung biologischer Ressourcen, in der Landwirtschaft und in der Schädlingsbekämpfung. Science, vol. 346. DOI: 10.1126/science.1257570

Surfen statt wählen

Die Einführung des BreitbandInternets hat in Deutschland zu einem signifikanten Rückgang der Wahlbeteiligung geführt. Laut einer Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft kann ein Drittel des zwischen 1995 und 2008 beobachteten Rückgangs bei Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen durch die Einführung des Breitband-Internets im Jahr 1999 erklärt werden. Dessen demobilisierenden Effekt führen die Autoren auf Verschiebungen im Medienkonsum zurück: Die zunehmenden Unterhaltungsak-

tivitäten im Internet habe den Fernsehkonsum verringert. Da Fernsehnachrichten jedoch insbesondere in Westdeutschland die Hauptinformationsquelle zu politischen Themen sind, habe in der Folge auch das Wissen über politische Zusammenhänge abgenommen – und mit ihm das Interesse an der politischen Debatte. Die Wahlergebnisse einzelner Parteien, so die Macher der Studie, seien von der Einführung des Internets jedoch nicht beeinflusst worden. http://www.ifw-brief.ifw-kiel. de/2014/brief_04_14.htm

Zucker im Alter verlängert das Leben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Leibniz-Instituts für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut mit Blick auf gealterte Mäuse. Nicht nur die Lebens- sondern auch die Gesundheitsspanne zuckerreich ernährter Tiere lag im Schnitt um 20 Prozent über der von normal gefütterten Artgenossen. Ihre Beobachtung führen die Jenaer Wissenschaftler auf einen gesteigerten Energiebedarf im Alter zurück: Mit den Jahren verkürzen sich – auch beim Menschen – die als Telomere bezeichneten Endstücke der Chromosomen. Die Teilungsfähigkeit der Zellen nimmt ab, was die Regeneration und den Erhalt der Organe und Gewebe erschwert. Um lebenswichtige Funktionen aufrechtzuerhalten benötigt der Körper zusätzliche Energie: Die kann er aus Glukose gewinnen, dem Kernbestandteil des Zuckers. Sollten sich die Ergebnisse der Studie auch für ältere Menschen bestätigen, müsste eine Veränderung ihrer Diät hin zu Nahrung mit höherem Zuckergehalt in Betracht gezogen werden. Nature Communications. DOI: 10.1038/ ncomms5924

Mückenatlas: Erste Asiatische Tigermücke

Hobby-Mückenfänger haben erstmals ein Exemplar der Asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus) im Citizen ScienceProjekt „Mückenatlas“ registrieren lassen. Die Mücke war Mitte

August in Freiburg gefangen worden. Obwohl das Insekt in den vergangenen drei Jahren wiederholt in Süddeutschland nachgewiesen wurde, gehen Forscher des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung nicht davon aus, dass es sich dort bereits dauerhaft angesiedelt hat. Bisher werden Tigermücken meist über den Fernverkehr aus Südeuropa eingeschleppt. Da sie vermutlich nicht an das mitteleuropäische Klima angepasst sind, können sie hier jedoch nicht überwintern. Die Tigermücke ist als Überträger zahlreicher Krankheiten wie Dengue- oder Chikungunya-Fieber bekannt. www.mueckenatlas.de

Mathematik gegen Flutkatastrophen

Wissenschaftler des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung haben eine exaktere Vorhersagemethode für Überflutungen nach Starkregenfällen in den Anden entwickelt. In den vergangenen Jahren haben diese Fluten in Folge des Klimawandels stark zugenommen, Häufig treffen sie dicht besiedelte Gebiete und verursachen in manchen Jahren Schäden von mehreren hundert Millionen US-Dollar. Die Klimaforscher untersuchten mithilfe mathematischer Vergleiche komplexe Zusammenhänge in Satelliten-Wetterdaten aus 50.000 hochauflösenden Zeitreihen der vergangenen 15 Jahre. Auf dieser Basis kann nun erstmals ein verlässliches Warnsystem in Bolivien und Argentinien aufgebaut werden.

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LEIBNIZ | KURZ & FORSCH

in

Speiseplan als Lebensversicherung Geparde fressen in erster Linie Wildtiere, Weidevieh hingegen spielt auf ihrem Speiseplan kaum eine Rolle. Das haben Untersuchungen des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung Berlin in Namibia ergeben. Die Erkenntnis könnte für die bedrohten Tiere, die nur noch in dem südwestafrikanischen Land in größerer Population vorkommen, überlebenswichtig sein. Da ihr Lebensraum hauptsächlich als kommerzielles Farmland genutzt wird, sind Geparde bei Verlusten in Viehherden rasch als Sündenbock ausgemacht. Die Forscher widerlegten dieses Urteil als vorschnell: Dem Verhältnis von Kohlenstoff und Stickstoff im Fell der Katzen konnten sie entnehmen, dass sich Geparde hauptsächlich von Tieren ernähren, die Büsche und Kräuter fressen. Grasfresser wie Rinder zählen nur selten zu ihrer Beute. Die Studie könnte so einen wichtigen Beitrag liefern, um den Konflikt zwischen Farmern und Geparden zu entschärfen – eine Grundvoraussetzung für ein wirksames Schutzkonzept. PLOS ONE. DOI: 10.1371/journal.pone.0101917

App als Wanderführer

Zahlen 21.125 Datensätze

befanden sich Anfang Dezember 2014 im Bestand von LeibnizOpen. Die 20.000er-Schwelle hatte das zentrale Open-AccessPortal der Leibniz-Gemeinschaft bereits am 8. November geknackt. Bislang stellen 63 Leibniz-Institute dort ihre frei verfügbaren digitalen Publikationen zur weltweiten Nutzen bereit. http://www.leibnizopen.de/

15,3

Millionen

Unterrichtsstunden haben die Volkshochschulen in Deutschland im Jahr 2013 erteilt. Das sind 2,2 Prozent mehr als 2012. Dies geht aus der Volkshochschul-Statistik hervor, die das das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen in Bonn jährlich erhebt. 43 Prozent aller Unterrichtsstunden entfielen dabei auf Sprachenangebote. www.die-bonn.de/doks/2014-volkshochschule-statistik-01.pdf

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Den Mehrwert der Natur können Wanderer im Erzgebirge künftig mit dem Smartphone erkennen. Dazu haben Forscher des LeibnizInstituts für Ökologische Raumentwicklung in Dresden zusammen mit Kollegen der Universität im tschechischen Ustinad Labem drei Wanderrouten von fünf bis 16 Kilometern Länge als Wissenswege im Osterzgebirge ausgewiesen. Die Touren rund um

Altenberg zeigen unterschiedliche Lebensräume, erläutern die Leistungen der Natur, stellen aber auch Gefahren für die Umwelt und geeignete Schutzmaßnahmen vor. Wer die Internetseite bereits vor der Wanderung mit dem Smartphone aufruft, dem stehen die Informationen später auch fernab von Sendemasten im Offlinemodus zur Verfügung. http://wissenswege.ioer.info

Fotos: Wikimedia Commons/Tobi 87 (CC BY-SA 3.0); Sandlin/unsplash; Möckel (FSU)/Yu (HKI)

16,7

Prozent

als einheitlicher Mehrwertsteuersatz wären aus Sicht des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen eine sinnvolle Möglichkeit, das deutsche Umsatzsteuersystem aufkommensneutral transparenter und effizienter zu gestalten. Ein einheitlicher Steuersatz würde die Subventionierung einkommensstarker Haushalte durch ermäßigte Umsatzsteuersätze beenden. Die etwas höhere Belastung von Geringverdienern könnte durch eine Anpassung des einkommenssteuerlichen Grundfreibetrags ausgeglichen werden, so das Institut. RWI Position #61 „Warum warten? Plädoyer für eine Umsatzsteuer­ reform“ 4/2014


LEIBNIZ | KURZ & FORSCH Antibiotika: Niederlande vorbildlich

Pilzgenom entschlüsselt

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Wissenschaftler vom LeibnizInstitut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – HansKnöll-Institut in Jena haben das Erbgut des Krankheitserregers Lichtheimia corymbifera entschlüsselt. Der Schimmelpilz übernimmt in der Natur eine wichtige Funktion beim Abbau organischer Materialien, beispielsweise auf dem Kompost. Manchmal befällt er jedoch auch lebende Organismen so auch den menschlichen Körper. Wegen seiner Vorliebe für Eisen breitet sich Lichtheimia corymbifera nach der Aufnahme über die Lunge durch den Blutstrom im ganzen Körper aus und lässt sich vor allem

in stark durchbluteten Organen wie Leber, Niere und Milz nieder. Besonders Menschen mit Brandwunden oder schwachem Immunsystem sind davon betroffen, Diabetiker oder Transplantationspatienten beispielsweise. Die Forscher vom HKI wollen die DNA des Pilzes nun dahingehend beeinflussen, dass er menschliche Gewebe nicht mehr angreift. Da es sich bei Lichtheimia um einen der ältesten Pilze überhaupt handelt, könnte sein genaueres Verständnis auch helfen, die Therapie anderer Pilzinfektionen zu verbessern. PLoS Genet 10(8), e1004496. DOI: 10.1371/journal.pgen.1004496

In Europa gibt es große Unterschiede bei der Verschreibung von Antibiotika an Kinder und Jugendliche. Eine unter Federführung des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS in Bremen in fünf Ländern durchgeführte Studie zeigte, dass in Italien am häufigsten Antibiotika verordnet werden, gefolgt von Deutschland, England und Dänemark. Mit deutlichem Abstand am seltensten kommen sie in den Niederlanden zum Einsatz – ein Drittel seltener als in Italien. Die Studie bestätigt damit frühere Befunde, dass die strikte Verordnungspolitik für Medikamente gegen

Infektionskrankheiten in den Niederlanden vorbildlich ist. Die Wissenschaftler analysierten dazu Daten von 23 Millionen Kindern und Jugendlichen aus den Jahren 2005 bis 2008. Die Ergebnisse legen zudem nahe, dass häufig nicht die geeignetsten Antibiotika für eine Krankheit verschrieben werden – oft würden sie sogar bei viralen Infekten eingesetzt, gegen die sie völlig unwirksam sind. Ein breiter AntibiotikaEinsatz fördere die Entstehung multiresistenter Keime und setze Kinder unnötig dem Risiko von Nebenwirkungen aus, kritisieren die Studienautoren.

BMC Pediatrics 2014;14:174. DOI:10.1186/1471-243114-174.

Kongress ohne Kompromiss Ihr perfekter Gastgeber: Berlin

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LEIBNIZ | KURZ & FORSCH

DEUTSCHE UNIVERSITÄTS ZEITUNG

Jung trifft Alt im Hörsaal Die Frage der Generationengerechtigkeit

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Foto: Christoph Herbort-von Loeper

LEIBNIZ | KOLUMNE

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Die Zukunft ist offen – sicher. So sicher, wie es für ihre Ge- greifend und mit dem nötigen Maß selbständig neben staltung aussichtsreiche Anhaltspunkte gibt. Etwa, dass den Fakultäten bestehen, genuin akademisch eingebunverlässliche Kooperationsbeziehungen für die Zukunft un- den sein und so ganz selbstverständlich seine Universiserer Wissenschaft und Forschung wichtig und notwendig tät stärken. Eine solche oder vergleichbare Konstruktion sind. Die drängenden Fragen unserer Gegenwart und mehr verhindert die „Herauslösung“ einer exzellenten Einheit noch unserer Zukunft werden zunehmend systematischer aus der Universität, die stattdessen als Leibniz-Institut in der Universität gleich in beide Institutionen hineinBetrachtung und multiperspektivischer Expertise wirken kann. Zugleich profitieren die Leibnizbedürfen. Gerade die Universitäten brauchen Institute in den Universitäten regelmäßig von starke Partner in der internationalen und na„Leibniz tionalen Forschung, die sie in ihrer zentralen der Qualitätssicherung des bewährten Leibin Universitäten niz-Evaluierungssystems und der wissenRolle im Wissenschaftssystem und in der schaftspolitischen Vertretung einer starken Gesellschaft unterstützen, um dadurch zukönnte Erfolge kunfts- und wettbewerbsfähig zu bleiben. Gemeinschaft. Ebenso steht ihnen die Teilder Exzellenzinitiative nahme am Leibniz-Wettbewerb offen. Die Leibniz-Gemeinschaft ist so ein Partner. verstetigen“ Neben vielen Interessensbekundungen Genauer gesagt: Die Leibniz-Gemeinschaft, habe ich dazu auch viele produktive Hinweise das sind 89 solche Partner. erhalten. Sie bilden drei Linien von Argumenten: Warum? Ganz klar: Universitäten und Leibniz-Einrichtungen teilen einen Handlungsraum, der von erkenntnisorientierter bis zur anwendungsinspi- Leibniz-Institute in Universitäten… rierten Grundlagenforschung reicht und die Breite aller • stärken die Hochschulen durch die nachhaltige Verstetigung von ausgewählten wissenschaftlichen Einrichtunwissenschaftlichen Disziplinen umfasst – gute Voraussetgen, Initiativen, Forschungszentren oder Exzellenzcluszungen also für vielfältige Anschlussmöglichkeiten. Die tern. Ihre wissenschaftliche Qualität sichert dabei das 89 Leibniz-Partner sind wissenschaftlich und rechtlich etablierte System der Leibniz-Evaluierung. selbständig. Sie treten in unterschiedlichen Rechtsformen auf und können ihre Zusammenarbeit vor Ort daher pass- • dienen der regionalen und thematischen Schwerpunktbildung und tragen zur ganzheitlichen Gestaltung und genau etablieren. Diese Vielfalt bietet die notwendige Flexibilität, um klare, eigenständige Verwaltungsstrukturen Differenzierung von Wissenschaftsstandorten bei – im Einklang mit und im Dienst der Forschung zu errichten über institutionelle Grenzen hinaus. Sie halten Balance – eine Voraussetzung für echte kooperative Wissenschaft, in ihrer Brückenfunktion. auf die die Leibniz-Gemeinschaft großen Wert legt. Denn • ermöglichen die gemeinsame Erschließung neuer Felder der erkenntnisorientierten und zugleich anwenKongruenz sichert Partnerschaft. dungsinspirierten Forschung mit Relevanz in WirtAus dieser Passung ergibt sich folgerichtig ein möglischaft und Gesellschaft, von übergreifender Bedeutung cher Beitrag zur Verstetigung der Erfolge aus der Exzellenzinitiative und in ihrem Umfeld: Die Fortführung zeitlich im nationalen und internationalen Kontext, in ihrer begrenzt geförderter Projekte in den Universitäten durch Universität und zugleich in einer mehrdimensionalen die institutionellen Möglichkeiten in der Leibniz-GemeinForschungsorganisation. schaft. Eine Gruppe exquisiter, strukturell und inhaltlich geeigneter Initiativen könnte in einem wettbewerblichen Die Diskussion dazu würde ich mit Ihnen gerne intensiv Verfahren ausgewählt und als Leibniz-Institute in der Uni- weiterführen. Denn: Gemeinsam können wir daraus mehr versität weitere Zukunftsperspektive genau dort in ihrer machen als nur so einen Vorschlag… Heimat bekommen, gleichzeitig aber auch Teilhabe an der vielfältigen Leibniz-Welt mit ihren intensiven Kooperationspotentialen. Ein Leibniz-Institut in der Universität kann wie vorher als zentrale wissenschaftliche Einrichtung fakultätsüber- m atth i as kl ei n er , pr äsi d en t d er l ei b n i z - g em ei n s c h aft

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LEIBNIZ | K N SDI TKÄOTN F L I K T E BR I OI EDGI V U ER

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Foto: Lukas Friedrich, Text: Christoph Herbort-von Loeper

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L E I B N I Z | K R I E G LUE NI BDN KI ZO N| FKL RI KI ET G E

Zier’ dich! Nein, hier arrangiert keine Galeristin eine avantgardistische Installation für die nächste Vernissage im Berliner Szenebezirk. Birgit Wernitz ist technische Assistentin in der Abteilung Pflanzenernährung des Leibniz-Instituts für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ). Hier kümmert sie sich um einen Versuch mit Tagetes in einer Klimakammer. Klimakammern sind wichtiger Bestandteil vieler Versuche am IGZ. Sie erlauben es den Wissenschaftlern, äußere Einflüsse auf Pflanzen gezielt nachzustellen und zu kombinieren: Temperatur, Helligkeit oder Tageslänge. So zum Beispiel bei der Untersuchung der Kältetoleranz von Petunien und Weihnachtssternen. Ließen sich die eigentlich wärmeliebenden Gewächse auch in kühlerer Umgebung kultivieren, würde das in der

Gewächshausproduktion viel Energie sparen, und Kosten. Gartenbau ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor innerhalb der Landwirtschaft. Nach Angaben des Zentralverbands Gartenbau beschäftigen die etwa 60.000 Betriebe der Branche 400.000 Menschen. 2012 setzten sie 26 Milliarden Euro um. Beim Verbraucher verschönern Zierpflanzen nicht nur Wohnungen, Gärten und Städte, viele Untersuchungen zeigen, dass sie sich positiv auf das allgemeine Wohlbefinden und die Gesundheit auswirken. Nur ein Beispiel: Patienten in kahlen Krankenhausräumen ohne Ausblick empfinden Schmerzen stärker als diejenigen, die ins Grüne blicken. www.igzev.de


LEIBNIZ | KURZ & FORSCH

Unter Maos Augen Mittagszeit im ländlichen Shaanxi, einer Provinz im Zentrum Chinas: Im Sommer 2014 forsche ich mit der Unterstützung lokaler Studenten zu ländlichen Wohlfahrtssystemen in verschiedenen Regionen der Volksrepublik. Am Ende einer Staubpiste erreichen wir ein kleines Dorf, in dem viele Einwohner von Armut betroffen sind. Nur einige Dutzend, meist ältere Bauern leben hier noch permanent, einst waren es mehrere hundert Einwohner. Die jüngere Generation arbeitet überwiegend in den Städten und kehrt teilweise nur einmal im Jahr zurück. Die Bewohner der Wohnung, die in der für die Region typischen, „Yaodong“ genannten Bauweise in den Hang gebaut wurde, zählen sich zur lokalen Mittelschicht. Obwohl die Elek-

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trifizierung ihr Dorf lange erreicht hat, hat die traditionelle Lebensweise Bestand: Der Herd wird mit Holz betrieben und dient im Winter auch zum Beheizen des Bettes („kang“). Unter den Augen des in den ländlichen Regionen der Provinz teils noch verehrten Mao Zedong führen wir Gespräche über ein neues Wohlfahrtssystem, das der ärmsten Bevölkerung eine finanzielle Grundsicherung garantiert. Durch die Erträge ihrer Landwirtschaft und vor allem, da Mitglieder der Familie als Wanderarbeiter eine Verdienstmöglichkeit in den Städten gefunden haben, ist dieser Haushalt nicht auf staatliche Unterstützung angewiesen.

text u n d foto : lena kuhn , leibniz - institut für agrarentwicklung , halle

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LEIBNIZ | KURZ & FORSCH

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LEIBNIZ | EIN WEITES FELD

Landwirtschaft in aller Munde In Deutschland spricht kaum jemand über die Relevanz der Landwirtschaft für die Gesellschaft. Es wird als selbstverständlich erachtet, dass die Supermarktregale gefüllt sind. Die Ausgaben für Lebensmittel ­betragen im Durchschnitt nur etwas mehr als zehn Prozent des Einkommens. Müsste die landwirtschaftliche ­Produktion ohne Subventionen auskommen und würde sich die Preisbildung wie in den meisten anderen Branchen aus dem ­tatsächlichen Aufwand ableiten, wäre die Lage eine andere.


Fotos: Pixabay; ATB

LEIBNIZ | EIN WEITES FELD

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Richten wir den Blick aus dem heimischen Wohn- und Esszimmer in die Welt, wird schnell klar, warum es wichtig ist, der Landwirtschaft weitaus mehr Aufmerksamkeit zu widmen als in den vergangenen Jahrzehnten, und warum Lebensmittel in unserer Gesellschaft wieder mehr Wertschätzung erfahren müssen und nicht ungenutzt im Abfall landen dürfen. Die global wachsende Bevölkerung und die damit verbundene steigende Lebensmittelnachfrage bringen die Produktion weltweit zunehmend unter Druck. Gleichzeitig verändern sich die Ernährungsgewohnheiten hin zu mehr Fleisch, besonders in den Schwellenländern. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-moon erklärte deshalb jüngst, dass die weltweite Lebensmittelproduktion bis 2030 um die Hälfte steigen müsse, um den Anforderungen dieser dramatischen Entwicklungen standhalten zu können. Da wir in Deutschland eine hochproduktive Landwirtschaft entwickelt haben, ergibt sich für uns eine Verpflichtung, einen nennenswerten Beitrag zur Ernährungssicherung der Weltbevölkerung zu leisten. Eine Zunahme der Produktion kann, wie wir wissen, entweder durch eine Ausweitung der Ackerflächen oder durch Produktivitätssteigerungen realisiert werden. Natürliche Ressourcen wie Boden und Wasser sind jedoch knapp und müssen besonders effizient, aber auch mit besonderer Achtsamkeit genutzt werden. Eine hochintensive und nicht den Prinzipien der Nachhaltigkeit verpflichtete agrarwirtschaftliche Nutzung hat Umweltbelastungen wie Verunreinigung durch Pestizide und Dünger, Bodenerosion oder Versalzung zur Folge und treibt die Verknappung verfügbarer Ressourcen weiter voran. Auch eine

Ausdehnung der Agrarflächen ist kaum eine Option. Sie geht häufig mit Entwaldung und dem Verlust wertvoller Ökosysteme einher. Die damit langfristig hervorgerufenen Umweltschäden können dramatische regionale und globale Folgen wie die Beschleunigung des Klimawandels haben. Um zukünftigen Generationen ebensolche Chancen einzuräumen, wie wir sie heute haben, muss es uns gelingen, Produktion und Produktivität unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten zu erhöhen. Hierfür müssen wir einerseits unser Wissen über die Details aber insbesondere über die komplexen Zusammenhänge im Bereich landwirtschaftlicher Produktionssysteme erweitern, andererseits Verständnis für die Zusammenhänge zwischen nachhaltiger Produktion und gesunder Ernährung entwickeln.

Effizienzsteigerung ist möglich

Ich sehe in Deutschland eine große Diskrepanz zwischen dem Gemeinwohlinteresse und den ökonomischen Zwängen auf Betriebsebene. Wenn die Gesellschaft will, dass die Landwirtschaft nachhaltig produziert, dann muss sie die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass diese Art der Produktion ökonomisch sinnvoll und vorteilhaft ist. Momentan ist es so, dass die Lebensmittel in Deutschland immer billiger werden. Das ist auch ein Grund, weshalb die wirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft innerhalb der Volkswirtschaft zurückgeht. Auch wenn die deutsche Landwirtschaft bereits sehr fortschrittlich ist, ist dennoch eine Steigerung der (Ressourcen-) Effizienz möglich. Der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn

ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig. Aber es bedarf einer gemeinsamen Anstren­ gung aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, um nachhaltige Produktionsprozesse in der Agrarwirtschaft realisieren zu können und damit alle Menschen mit gesunden, sicheren und bezahlbaren Lebensmitteln in ausreichender Menge versorgen zu können. Der Leibniz-Forschungsverbund „Nachhaltige Lebensmittelproduktion und gesunde Ernährung“ bildet Forschung entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Produzenten über den Vertrieb hin zum Konsumenten sowie von der Zellebene bis hin zu globalen Zusammenhängen ab. Er bringt Wissenschaftler unterschiedlichster Fachdisziplinen an einen Tisch, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen: Wie kann man sichere, nachhaltig produzierte und gesunde Lebensmittel für jeden Menschen dieser Erde bereitstellen? Wie beeinflussen sich nachhaltige Lebensmittelproduktion und Gesundheit gegenseitig? Mit seinen derzeit 14 Forschungsinstituten ist der Verbund aber nicht nur für Wissenschaftler interessant. Wir haben uns auch zum Ziel gesetzt, Bürgerinnen und Bürger sowie Entscheidungsträger verständlich über die neuesten wissenschaftlichen Errungenschaften aus der Agrar- und Ernährungsforschung zu informieren. Es bedarf genau dieser koordinierten und interdisziplinären Forschung und ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz, um die wachsende Weltbevölkerung auf nachhaltige Weise ausreichend und gesund zu ernähren. Denn damit steht die Gesellschaft tatsächlich vor einer der größten globalen Herausforderungen dieses 21. Jahrhunderts.

Reiner Brunsch

ist Sprecher des Leibniz-Forschungsverbundes „Nachhaltige Lebensmittelproduktion und gesunde Ernährung“ und Direktor des LeibnizInstituts für Agrartechnik PotsdamBornim. www.leibnizlebensmittel-undernaehrung.de

r ei n er br u n sc h

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LEIBNIZ | LANDWIRTSCHAFT

Tabakernte in RheinlandPfalz.

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LEIBNIZ | EIN WEITES FELD

Es wird enger Jahrelang bekamen Landwirte Prämien für nicht genutzte Felder. Heute konkurrieren sie mit der Agrarindustrie um jeden Hektar Land und die Frage: Sollen dort Nahrungsmittel oder Energiepflanzen angebaut werden? Die Agrarökonomie erlebt eine welt-

Fotos: Gregor Lengler/laif; Tobias Gerber/laif

weite Renaissance.

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Wenn er den Blick über die Weite seiner Roggen- und Weizenfelder schweifen lässt, überkommt Franz Joachim Bienstein zuweilen ein Gefühl der Enge. Bienstein ist einer der letzten Landwirte in Martensdorf südlich von Wismar, der seine Äcker nachhaltig bewirtschaftet. Und einer der letzten, die das auf eigene Faust tun. Er ist umgeben von Großindustrie. In den vergangenen Jahren haben Chemie- und Tabakkonzerne in Mecklenburg-Vorpommern und anderen Regionen Ostdeutschlands riesige Anbauflächen gepachtet. Bis heute werden sie mit günstigem Staatsland subventioniert, auf dem sie beispielsweise Mais als Biomasse für den Energiesektor produzieren, ein hochprofitables Geschäft mit staatlich garantiertem Gewinn. Sie haben so einen Wettstreit in Gang gesetzt, den Bauern wie Franz Joachim Bienstein nicht gewinnen können. „Die Preise für Land sind zuletzt explodiert“, berichtet er. „Selbst wenn ich wollte, könnte ich keinen Hektar hinzu pachten.“ Biensteins Felder sind Schauplatz eines Phänomens, das heute überall auf der Welt zu beobachten ist: Land ist wieder attraktiv geworden, eine knappe und mitunter umkämpfte Ressource. Zahlte die EU ihren Bauern noch vor wenigen Jahren Geld dafür, Anbauflächen

Tank oder Teller? Flächenkonkurrenz auf den Feldern.

still zu legen, um der Überproduktion Herr zu werden, fließen heute Milliardeninvestitionen in die Agrarmärkte. Wurde angesichts fallender Lebensmittelpreise diskutiert, Äcker in Kulturlandschaften umzuwandeln, wird nun um jeden Hektar Land gerungen. Landwirte wie Bienstein treffen in diesem Konflikt auf eine milliardenschwere Agrarindustrie, pestizidintensive Monokulturen werden gegen Biohöfe in Stellung gebracht. Global agierende Konzerne und die Regierungen von Industriestaaten kaufen in Entwicklungsund Schwellenländern ganze Landstriche auf, häufig zulasten lokal verwurzelter Kleinbauern, bemängeln Kritiker. Unter Schlagworten wie „Land Grabbing“, Landraub also, wird dar-

um gestritten, wer die Anbauflächen der Welt nutzen darf – und wie. 2050 werden nach Schätzungen der Vereinten Nationen fast zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben. Mit der Weltbevölkerung wächst nicht nur der Bedarf an Nahrung, sondern auch der an Energie. Wissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang von Flächenkonkurrenz: Was soll auf dem ohnehin knappen Land angebaut werden – Grundnahrungsmittel wie Reis oder Weizen oder doch Energiepflanzen wie Mais, Raps und Zuckerrohr?

Preistreiber Mais

Lange Zeit konnte der wachsende Bedarf an Lebensmitteln weitgehend über Effizienzsteigerungen bei der Züchtung von Kulturpflanzen ausgeglichen werden. „Das hat sich in den vergangenen zehn Jahren geändert,“ sagt Torsten Schmidt vom RheinischWestfälischen ­Institut für Wirtschaftsforschung Essen (RWI). „Die Nachfrage nach Fleisch stieg durch den wirtschaftlichen Aufstieg von Schwellenländern wie China oder Brasilien stark an. Gleichzeitig begann die Entwicklung von Biokraftstoffen.“ Getreide wie Mais sind infolgedessen nicht mehr in erster Linie Nahrungsmittel, sondern auch

„Die Nach­frage nach Fleisch stieg durch den wirtschaftlichen Aufstieg von Schwellenländern stark an. Gleich­ zeitig begann die Entwicklung von Biokraftstoffen.“ Torsten Schmidt

Rheinisch-West­fälisches Institut für Wirtschaftsforschung Essen 17


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Rohstoffe in der Produktion von Tierfutter und Biomasse.

Die steigende Nachfrage lockte Finanzmarktakteure auf die Agrarmärkte. Als die Nahrungsmittelpreise 2007 und 2008 so scharf anzogen, dass laut FAO weltweit 75 Millionen Menschen zusätzlich Hunger litten, standen sie rasch im Verdacht, Mitschuld zu tragen. Es war zu beobachten, dass der Getreidepreis den Entwicklungen des Ölpreises folgte. Kursschwankungen beider Güter korrelierten fast übereinstimmend. War die Nahrung von Millionen Menschen zur Geisel von Spekulanten geworden?

„Problematisch wird es, wenn sich der positive Nutzen für die Bevölkerung nicht materialisiert.“ Jan Lay

Leibniz-Institut für Globale und regionale Studien 18

Das RWI nahm den Zusammenhang damals genauer unter die Lupe. „Das Öl ist nicht der direkte Preistreiber für Nahrung, auch wenn steigende Ölpreise langfristig steigende Produktionskosten in der Landwirtschaft zur Folge haben“, fasst Torsten Schmidt die Untersuchungsergebnisse zusammen. Jedoch habe der hohe Ölpreis Biokraftstoffe immer begehrter gemacht. Der entscheidende Faktor für den Preissprung auf dem Getreidemarkt sei somit die stark wachsende Nachfrage nach Kul-

turpflanzen für Bioenergie und Futter. „Der Maispreis treibt die Preise auch für andere Getreidesorten.“ Das Geschäft mit dem Getreide wurde so immer lukrativer. Fieberhaft wird deshalb nach Wegen gesucht, neues Land zu erschließen. „Allein in Afrika hat die Anbaufläche in den vergangenen zehn Jahren um 14 Prozent zugenommen,“ sagt Ökonom Schmidt. Die Erweiterung könnte für eine Entspannung des Getreidemarktes sorgen. Sie führt aber auch zu neuen Konflikten.

Gute Landpolitik gegen Ausbeutung

„Problematisch wird es, wenn sich ihr positiver Nutzen für die Bevölkerung vor Ort nicht materialisiert,“ sagt Jan Lay vom Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien (GIGA) in Hamburg. Meist sind es Investoren aus Industrieländern, die sich Pachtflächen in Afrika sichern. Immer wieder wird ihnen Land Grabbing vorgeworfen: Landraub, bei dem Kleinbauern enteignet und verdrängt werden, um ihre Böden auszubeuten.

„Aber so einfach ist das nicht“, sagt Lay, der die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Investitionen untersucht. Allein der Vorwurf, dass Länder wie China afrikanische Flächen nutzen, um ihren eigenen Nahrungsbedarf zu decken, sei nicht korrekt. „Der Großteil wird für den lokalen Markt produziert.“ Zudem seien Auswüchse wie extreme Abholzung oder Enteignungen häufig Ergebnis mangelhafter Regulierung. Etliche Kleinbauern wirtschaften etwa nach Gewohnheitsrecht auf kleinen Parzellen, also ohne echten Landtitel. Bei der Neuverpachtung werden sie übergangen. Häufig spielt auch Korruption eine Rolle bei der Vergabe von Land, dessen Eigentumssituation unklar ist. „Gäbe es klare gesetzliche Regelungen für den Kauf und die Nutzung von Land und würden die konsequent umgesetzt, wären viele negative Effekte für Bevölkerung und Umwelt vermeidbar“, so Jan Lay. Um Licht in das Geschäft mit dem Land zu bringen, beteiligt sich das GIGA an der Datenbank „Land Matrix“. Sie sammelt und veröffentlicht Daten über Landerwerb weltweit. „Wir wollen Transparenz auf diesem Markt

Fotos: picture alliance/blickwinkel; Holger Hollemann/dpa

Land Grabbing: Vor allem Kleinbauern sind bedroht.

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trotz Korruption, einer unberechenbaren Agrarpolitik und einem unterentwickelten Kreditwesen zu modernisieren.“ Eine ungelöste Frage sei allerdings, wie die lokale Bevölkerung dauerhaft an der Produktivitätssteigerung teilhaben kann. „Hier stehen auch die Agrarkonzerne in der Verantwortung“, so ­Balmann.

Realer Energiepreis statt Subvention Preistreiber Biogas. Subventionen lassen Landpreise steigen.

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herstellen, damit sichtbar wird, welche Investitionen wo getätigt werden“, sagt Kerstin Nolte, die wie Jan Lay am GIGA forscht. Neben der Erweiterung der Anbauflächen sind aus agrarökonomischer Sicht vor allem Investitionen in deren effiziente Nutzung nötig, um die Konkurrenz ums Land zu entschärfen. Sie sollen schlecht genutzte Böden ertragreicher machen und Infrastrukturen verbessern. Das häufig kritisierte Engagement großer

Agrarkonzerne könnte hier positive Impulse setzen. „In der Ukraine beispielsweise erzielten sie in den vergangenen Jahren durchschnittlich um 25 Prozent höhere Getreideerträge als unabhängige Großbetriebe“, sagt Alfons Balmann, der am Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) die Produktionspotentiale in Osteuropa untersucht. „Meist sind nur die großen Agrarkonzerne in der Lage, die dortige Landwirtschaft

„Meist sind nur die großen ­Agrarkonzerne in der Lage, die Landwirtschaft zu moderni­ sieren.“ Alfons Balmann

Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformations­ ökonomien

Gerade beim Anbau von Energiepflanzen wie Mais gelingt die effiziente Nutzung von Land bislang allerdings kaum. In Staaten wie Deutschland und den USA machen hohe Subventionen für Biogasanlagen etwa Maismonokulturen für Bauern wirtschaftlich äußerst attraktiv. 20 Prozent der Flächen werden hierzulande für Energiepflanzen genutzt, häufig unter Einsatz von Pestiziden, die den Boden verseuchen. „Die Subventionierung von Biogasanlagen ist kontraproduk-

sehen sie auch überall den produktlebenszyklus? Mehr sehen. Mehr verstehen. Alles finden. ZBW.

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Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft Leibniz Information Centre for Economics

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„Das Versprechen einer effizienten Bioenergie ist so nicht zu halten.“ Andreas Meyer-Aurich

Leibniz-Institut für Agrartechnik PotsdamBornim 20

tiv“, sagt Hermann Lotze-Campen vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Sie treibt die Landpreise in die Höhe und stellt eine ineffiziente Nutzung von Ressourcen dar.“ Dem stimmt auch Andreas Meyer-Aurich vom Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim (ATB) zu. In Brandenburg hat er untersucht, wie sich die Förderung von Bioenergie auf die Flächennutzung auswirkt und welche volkswirtschaftlichen Kosten damit verbunden sind. Der großflächige Anbau von Mais lohne sich dort zwar für Landwirte, für die das Erneuerbare-Energien-Gesetz bisher staatlich garantierte Gewinne vorsah. Die Energieerträge seien im Vergleich zu anderen Energieträgern wie Holz aber gering, die volkswirtschaftlichen Kosten hoch, so Meyer-Aurich. Durch die Subventionierung stiegen in erster Linie die Pachtpreise, was den Markt für kleinere Betriebe verschärft und auch die Wettbewerbskraft anderer Bioenergielinien wie Gras oder Holz schmälert. „Das Versprechen einer effizienten Bioenergie ist so nicht zu halten“, sagt MeyerAurich. Und auch die Bundesregierung hat die Förderung von

Biogasanlagen seit vergangenem Jahr inzwischen deutlich zurückgefahren.

Zeit für die zweite Generation Bioenergie

Sowohl am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung als auch am Leibniz-Institut für Agrar­ technik widmen sich Wissenschaftler nun einer neuen Generation von Bioenergie. Die Zukunft könnte in zellulosebasierten Produkten liegen. Das ATB arbeitet an der effizienten Ernte und Nutzung schnell nachwachsender Agrarhölzer wie Pappeln oder Weiden. Die brauchen kaum Düngemittel, wachsen auch auf schlechteren Böden und können alle vier Jahre geerntet werden. Um sie für Landwirte attraktiv zu machen, fehlt nun noch die richtige Erntetechnik. Am PIK geht auch Hermann Lotze-Campen davon aus, dass Gras und Holz einen erheblichen Anteil unseres Energiebedarfs decken könnten. Der Agrarökonom entwirft langfristige Landnutzungsszenarien, die die Auswirkungen verschiedener Arten

von Energienutzung abbilden. „Holz könnte den Preisdruck bei Agrarprodukten entlasten, weil es auch auf schlechteren Böden wächst. Auch Reststoffe aus Ackerbau und Viehhaltung könnten verwendet werden.“ Dafür müssten aber auch die Kosten für die fossilen Energieträger steigen. „Die externen Effekte der CO2-Emissionen“, fordert Lotze Campen, „müssen über Emissionshandelssysteme oder Steuern endlich in den Energiepreisen internalisiert werden, um die realen Kosten abzubilden.“ Nur dann wäre Bioenergie der zweiten Generation konkurrenzfähig. Der Konflikt um die Flächen wäre damit nicht vom Tisch: Auch Nutzholz konkurriert mit Getreideanbau. Dessen massenhafter Anbau könnte die Landkonkurrenz weiter befeuern und zaubert zudem keine romantischen Wälder in die Landschaft – sondern ebenfalls Monokulturen. Für Hermann Lotze-Campen ergeben sich so Fragen, die über die landwirtschaftliche Nutzung von Flächen hinausgehen. „Bei der Frage, wie unsere zukünftige Landschaft aussehen soll, stehen wir noch ganz am Anfang.“ ju stu s v on d an i el s

Foto: FNR/M. Weitz

Agrarhölzer: Bioenergie-Hoffnungsträger mit Nebenwirkungen.

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L E I B N I Z | D E R W E R T D E R V I E L FA LT

Aktenzeichen P Phosphor wird knapp. Der Bedarf an dem unverzichtbaren ­Dünger steigt, und damit auch sein Preis. Gleichzeitig wird Phosphor oft verschwendet oder gelangt ungenutzt ins Abwasser. Jetzt

www.wissenschaftscampusrostock.de 22

Wer ernten will, muss düngen. Nach dieser simplen Regel funktioniert Nahrungserzeugung weltweit: Nur Landwirte, die ihre Äcker mit Phosphor versorgen, fahren jedes Jahr reiche Ernte ein, denn ohne den Nährstoff mit dem Elementsymbol P wachsen Pflanzen nicht. Auch sonst ist Phosphor unersetzlich: Kein anderes Element kann die vielfältigen und für alle Lebewesen – ob Mensch, Tier oder Pflanze – essenziellen Aufgaben dieses Mineralstoffs übernehmen. Unter anderem steckt Phosphor in Knochen und Zähnen, ist Bestandteil der DNA, spielt eine entscheidende Rolle beim Energiestoffwechsel von Zellen. Das Element kommt als Rohstoff nur in gebundener Form vor, als Phosphatmineral;

davon werden weltweit jährlich etwa 220 Millionen Tonnen abgebaut und zu Dünger verarbeitet. Das Problem: Weil immer mehr Menschen auf der Erde leben, für die immer mehr Nahrungsmittel produziert werden müssen, wächst der weltweite Bedarf an der endlichen Ressource, nach Schätzungen der EU-Kommission bis zum Jahr 2050 um etwa 50 Prozent.

800 Prozent Preisanstieg

Wie kostbar Phosphor ist, zeigte sich im Jahr 2008 auf schmerzliche Weise: China verknappte das Phosphat-Angebot künstlich, der Preis schoss um 800 Prozent nach oben, Nahrungsmittel verteuerten sich,

und durch die Kombination mit wetterbedingten Ernteausfällen kam es in vielen armen Ländern zu Hungersnöten. Ein neuer Umgang mit Phosphor ist also nötig. Einmal verwendet, muss er zumindest teilweise wieder aufbereitet und neu genutzt werden. PhosphorRecycling lohnt sich, 60 Prozent des importierten Phosphats könnten in Deutschland nach Expertenschätzungen durch wiederverwerteten Phosphor ersetzt werden – vielleicht sogar mehr. Wie man Phosphor effizienter und nachhaltiger nutzen kann, ist das zentrale Anliegen vieler Forschungsvorhaben. Jürgen Kern vom Leibniz-Institut für Agrartechnik Bornim (ATB) hat sich in einem Projekt zur Wiederverwertung von Ab-

Fotos. Gina Sanders/Fotolia.com; ATB

­kämpfen Wissenschaftler gegen die drohende Rohstoffkrise.

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wasser in der Landwirtschaft damit beschäftigt. AbwasserRecycling verspricht reiche Phosphor-Ausbeute, denn jeder Mensch scheidet Tag für Tag den Überschuss der vom Körper benötigten Menge, die er über die Nahrung zu sich nimmt, aus. Schon seit Jahrzehnten werden deswegen Klärschlämme zur Düngung auf Äcker aufgebracht. In diesen Schlämmen stecken wichtige Nährstoffe, aber auch Schwermetalle. Mittels chemischer Verfahren lassen sich jedoch phosphathaltige Verbindungen wie Magnesium-Ammonium-Phosphat (MAP) aus Klärschlämmen herauskristallisieren, die deutlich geringer belastet sind. Dass MAP im Jahr 2008 als Düngemittel zugelassen wurde, war unmittelbare Folge der ATB-Forschung. Jürgen Kern und sein Team konnten nachweisen, dass Phosphor aus MAP-Dünger, obwohl nur zu einem sehr geringen Teil wasserlöslich, genauso wirksam wie herkömmliche Düngemittel ist – und umweltfreundlicher: „In Phosphatdüngern aus Nordafrika stecken etwa 15 mg Cadmium pro Kilo, eine Menge, die langfristig als nicht unbedenklich einzustufen ist“, sagt Kern.

Zu viel Gülle auf dem Acker

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Neben der Wiederverwertung von Phosphor ist auch sein sparsamerer Einsatz sinnvoll und möglich. Davon sind wir heute allerdings weit entfernt. Besonders Wirtschaftsdünger wie Gülle und Gärreste werden regional noch viel zu großzügig auf den Äckern verteilt. Phosphordünger einzusparen, ist eines der Themen, denen sich der Leibniz-WissenschaftsCampus Phosphorforschung Rostock widmet. 80 Wissenschaftler von fünf Leibniz-Instituten und der Universität Rostock bearbeiten in dem regionalen Netzwerk mehr als 30 Projekte. Sie beschäftigen sich unter anderem mit der Frage, welche Rolle die Gene von Tieren und Pflanzen für die Aufnahme des Mineral-

stoffs spielt und wie sich erreichen lässt, dass sie mit einer geringeren Phosphorgabe auskommen. Klaus J. Dehmer vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung hat der Rostocker Universität für ein im Herbst 2014 gestartetes Projekt Knollen von bis zu 250 Jahre alten KartoffelSorten aus verschiedenen Herkunftsländern zur Verfügung gestellt. Dort wird untersucht, wie variabel der Phosphorgehalt in Kartoffelknollen sein kann und welche Genotypen besonders effizient in Bezug auf die Phosphoraufnahme sind, also mit wenig Dünger aus­ kommen. Klaus Wimmers vom LeibnizInstitut für Nutztierbiologie untersucht ebenfalls in Zusammenarbeit mit der Uni Rostock die genetische Variabilität von Schweinen in Bezug auf den Phosphor-Umsatz. Erste Ergebnisse zeigen, dass es innerhalb einer Rasse Tiere gibt, die Phosphor effizienter nutzen als andere. Selektiert man die Schweine mit besonders „Phosphor-effizienten“ Genen und züchtet diese gezielt, könnte zukünftig die Phosphor-Aufnahme und -Ausscheidung bei diesen Tieren optimiert und die Phosphor-Zufuhr somit abgesenkt werden. Um neuartige RecyclingDüngemittel geht es in einem weiteren Projekt des WissenschaftsCampus. Peter Leinweber, Professor für Bodenkunde an der Universität Rostock, will ein schadstofffreies Material

zum Düngen von Äckern finden. Sein Team macht Versuche mit Knochenkohle. Sie entsteht, indem Schlachtabfälle – entfettete und von Gelatine befreite Knochen – ein besonderes Zersetzungsverfahren (Pyrolyse) durchlaufen. „Der so erzeugte Dünger, Calcium-MagnesiumPhosphat, ist nicht nur selbst schadstofffrei, er hat auch noch die erfreuliche Eigenschaft, im Boden vorhandenes Cadmium aus früheren Düngeperioden durch Ausfällung abzusondern und so unschädlich zu machen“, berichtet Leinweber. Im Moment arbeiten er und sein Team daran, die Löslichkeit der Knochenkohle zu verbessern, damit Pflanzen sie besser aufnehmen können. „Die größte Herausforderung ist, recycelten Phosphor pflanzenverfügbar zu machen“, sagt auch ATB-Forscher Jürgen Kern. Am ATB wird gegenwärtig ebenfalls erforscht, wie in Biokohle enthaltener Phosphor gut resorbiert werden kann.

Knochenkohle gegen Hungersnöte

Noch sind die Verfahren, Phosphor zu recyceln und einzusparen nicht wirtschaftlich, aber das dürfte sich bald ändern. Schon alleine, weil Phosphordünger nicht so billig bleiben wird, wie er zurzeit ist. Dann könnten Knochenkohle und Co. dazu beitragen, Hungersnöte zu verhindern. w i ebke peter s

Aus Klärschlamm gewonnener MAP-Dünger.

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Sachliche Debatte statt Glaubenskrieg Die Grüne Gentechnik polarisiert: Andreas Graner, Direktor des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben über Potenziale, Missverständnisse und die Zukunft in der Pflanzenbiotechnologie. Grüne Gentechnik ist für viele ein negativ besetztes Thema. Können Sie das nachvollziehen? Ja, da in den Medien seit 20 Jahren nur Negatives über die Grüne Gentechnik kommuniziert wird. Potentielle Gefahren stehen im Vordergrund, positive Ergebnisse gehen unter.

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Wozu brauchen wir die Grüne Gentechnik? Zunächst ist Gentechnik ein Rou-

tinewerkzeug in der Pflanzenforschung. Man überprüft damit Hypothesen, etwa den Effekt, der hinter einem Gen vermutet wird. Dazu lassen sich Gene abschalten, verändern oder in ihrer Wirkung verstärken. Solche Experimente sind unser tägliches Brot. Und dann kann man Pflanzen neue Eigenschaften übertragen, damit sie resistent werden gegen Krankheiten oder toleranter gegenüber Umweltstress. Oder die Pflanze wird dazu gebracht, einen Stoff zu produzieren, den sie normalerweise nicht herstellt. Das hilft auch bei der Herstellung von Impfstoffen, speziell wenn in kurzer Zeit große Mengen an Seren benötigt werden. Ein solches Verfahren wird gegenwärtig in den USA zur Entwicklung eines Impfstoffs gegen Ebola genutzt.

Welchen Nutzen hat die Grüne Gentechnik für die Landwirtschaft? Sie hilft, die Leistung von Nutzpflanzen weiter zu verbessern. Ein Beispiel ist der Bt-Mais, der mit Hilfe eines Toxins aus dem Bakterium Bacillus thuringiensis, resistenter gemacht wurde gegen Schädlinge wie den Maiszünsler. Im konventionellen Anbau wird der Wirkstoff gespritzt, gentechnisch veränderte Pflanzen bilden ihn selbst in ihren Stängeln und Blättern. So werden letztlich nur die Insekten getötet, die die Pflanze fressen. Ein anderes berühmtes Beispiel ist der Golden Rice, dem mit gentechnischen Methoden ein neuer Stoffwechselweg für die Produktion von Vitamin A übertragen wurde. Menschen in Entwicklungsländern, die sich

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hauptsächlich von geschältem Reis ernähren, könnten damit dem verbreiteten Vitamin A-Mangel vorbeugen.

Fotos: Flickr.com/Xochiquetzal Fonseca/CIMMYT (CC BY-NC-SA 2.0); IPK

Das waren jetzt sehr bekannte Beispiele, die von GentechnikBefürwortern oft ins Feld geführt werden. Es gibt viele weitere erfolgsversprechende Beispiele. Die bleiben aber in unseren Gewächshäusern stecken, da in Deutschland in den vergangenen Jahren keine Freisetzungsversuche – also ein begrenzter Test-Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen unter realen Umweltbedingungen – mehr durchgeführt wurden. Rechtlich wäre das zwar möglich, aber da die Felder vielfach zerstört wurden, macht das hierzulande keine Forschungseinrichtung mehr. Freisetzungen stellen jedoch die Nagelprobe dar, um den praktischen Wert einer gentechnisch veränderten Pflanze zu beurteilen. Viele Ergebnisse verschwinden daher in den Akten. Und dann heißt es: Was ist aus den Versprechungen der Gentechnik geworden, Hunger und Mangelernährung zu bekämpfen?

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Kritiker sagen, es gäbe genügend Lebensmittel, sie seien jedoch falsch verteilt... Das Verteilungsproblem ist schon lange bekannt und konnte bisher nicht gelöst werden. Es entbindet uns nicht von Forschungsanstrengungen, um mit verbesserten Kulturpflanzen Beiträge zur Ernährungssicherung zu leisten.

Konzernen geht es aber in der Regel um Profit, manche behaupten sogar, um Macht und Kontrolle. Steht nicht zu befürchten, dass die Gentechnik und damit einhergehende Saatgutkontrolle die Verteilungsproblematik verschärfen? Als Wissenschaftler befasse ich mich nicht mit den Geschäftspraktiken von Firmen und Konzernen. Was die Frage der Verfügbarkeit von Saatgut und den Schutz geistigen Eigentums angeht, gibt es klare gesetzliche Regelungen. Wenn Unternehmen Saatgut entwickeln, investieren sie zunächst viel Geld, das über

den Verkauf wieder verdient werden muss. Wenn Günter Grass ein Buch schreibt, bekommen Sie das auch nicht umsonst und dürfen es auch nicht kopieren. Saatgut kostet übrigens auch Geld, wenn es konventionell gezüchtet ist.

Jenseits wirtschaftlicher und politischer Aspekte befürchten viele Menschen gesundheitliche und ökologische Risiken. Es gibt keinen einzigen belastbaren Bericht, nachdem durch den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen weltweit Mensch, Tier oder Umwelt irgendein Schaden zugefügt worden wäre. Trotzdem muss man natürlich jede neue gentechnisch veränderte Pflanze genau prüfen hinsichtlich potenzieller Gefährdung, durch Anbau oder Verzehr. Das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung erhält die Vielfalt von Wild- und Kulturpflanzen und engagiert sich gleichzeitig für eine effektivere und erweiterte Nutzung. Wie vertragen sich beide Ziele miteinander? Wir erhalten in unserem Institut derzeit mehr als 3000 verschiedene botanische Arten: Alte und vergessene Sorten, Wildformen, Arznei- und Gewürzpflanzen, Gemüse... Wir wollen bewahren, was im Zuge der modernen Landwirtschaft sukzessive verloren geht. Gleichzeitig wollen wir genetische Vielfalt nutzbar machen – für die zukünftige Verbesserung von Kulturpflanzen.

Wie gelingt das? Die Kartoffel-Wildformen Solanum demissum und Solanum bulbocastanum sind resistent gegen die Kraut- und Knollenfäule. Diese Eigenschaft würde man gerne auf die Kulturkartoffel Solanum tuberosum übertragen. Theoretisch ließe sich das durch konventionelles Kreuzen erreichen. Aber die Nachkommen tragen dann natürlich viele weitere, weniger wünschenswerte Gene aus der Wildkartoffel. Diese muss in jahrelangen Rückkreuzungen eliminieren, um zum erwünschten Erfolg zu kommen. Viel direkter geht das mit Hilfe der Gentech-

nik. Sie ist daher ein wesentlicher Schlüssel, um die genetische Vielfalt von Wildarten für Kulturpflanzen nutzbar zu machen, indem wir bestimmte Gene aus der Wildpflanze in die verwandte Kulturpflanze übertragen. Man spricht hier von der Cis-Genetik. Was steckt hinter dem Begriff? Bt-Mais ist ein Beispiel für eine transgene Pflanze, bei der Genmaterial von einem Bakterium transferiert wurde – über Art- und Gattungsgrenzen hinweg.

Bei der Cis-Genetik überträgt man Gene lediglich zwischen verwandten Arten. Das könnte auch durch herkömmliche Kreuzung erfolgen – allerdings in einem sehr langwierigen Prozess. Ist ein solcher Austausch überhaupt noch als gentechnische Veränderung zu bewerten? Aber es geht ja noch weiter. Neue Verfahren erlauben so genanntes Genome-Editing. Dabei werden ganz gezielt minimale Veränderungen in der Basenabfolge eines Gens erzeugt. Solche Veränderungen entstehen permanent durch natürliche Mutationen im Erbgut, der Mutagenese, jedoch völlig zufällig. Gegenwärtig finden intensive Diskussionen statt, wie man diese Technologien bewertet und gesetzlich reguliert. Allerdings geht es vielen Gegnern nicht um das Ergebnis, sondern um die Technologie. Wenn sich diese Sichtweise weiterhin durchsetzt, wird jegliche Form der wissensbasierten gentechnischen Veränderung in Pflanzen dauerhaft verhindert.

Was wünschen Sie sich vor diesem Hintergrund für die Zukunft der Grünen Gentechnik? Mein persönlicher Wunsch wäre, dass wir die Diskussion um die grüne Gentechnik versachlichen und wissenschaftliche Argumente austauschen, statt einen politischen und religiösen Glaubenskrieg zu führen. Denn ich bin überzeugt, dass die grüne Gentechnik wichtige Beiträge zur zukünftigen Ernährungssicherung auf der Erde leisten kann. i n terv i ew : stefan i e r ei n ber g er

Andreas Graner

ist studierter Agrarwissenschaftler und seit 2007 geschäftsführender Direktor des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben. Seit 2000 ist er zudem Professor für Pflanzengenetische Ressourcen an der Martin-LutherUniversität HalleWittenberg. 25


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Sauwohl fühlen im Stall

Halb voll oder halb leer? In der „Arena“ beweisen Ferkel, ob sie Optimisten oder Pessimisten sind.

Lange zählte bei Nutztieren nur die wirtschaftliche ­Leistung. Ihr Wohlbefinden und ihre Emotionen spielten keine Rolle. Das ändert sich langsam — und birgt manche Überraschung. „In 50 Jahren wachsen die ­Sorten von heute hier nicht mehr.“ 26

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Fotos: FBN (3)

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BEEE-AAA-TEEE schallt es aus einem Lautsprecher an der Wand des Schweinestalls. Etliche Sauen tummeln sich hier und warten auf die nächste Futterration. Wie beim Nummernaufruf im Wartebereich eines Bürgeramtes weiß die Sau ­Beate, dass sie an der Reihe ist und flitzt zum Futtertrog, der hinter einer automatisch öffnenden Barriere auf sie wartet. Alle anderen Tiere verhalten sich nach dem Motto „Interessiert kein Schwein“, denn sie wissen, dass sich nach Beates Aufruf über einen kleinen Chip im Ohr der Futtertrog nur für sie öffnet. Keine Spur von wildem Getümmel und wüster Beißerei beim Kampf um die besten Fressplätze. Und: kein Stress und keine Verletzungen für die Tiere. Wissenschaftler des LeibnizInstituts für Nutztierbiologie (FBN) haben diese so genannte Aufruffütterung entwickelt und in einem Projekt der Deutschen Innovationspartnerschaft Agrar des Bundeslandwirtschaftsministeriums zur Marktreife gebracht. Zwölf Jahre nach dem Beginn als Grundlagenforschungsprojekt zu Lernverhalten, kognitiver Umweltanreicherung und affektiver Umweltbewertung bei Schweinen können Landwirte die Aufruffütterung nun einsetzen, um Krawall im Stall zu vermeiden. Das steigert das Tierwohl – eines der zentralen Forschungsgebiete des FBN. Unverzichtbar dafür ist zuerst die Gesundheit der Tiere. Die definieren die Forscher aus dem mecklenburgischen Dummerstorf ganzheitlich als Abwesenheit von Krankheit oder markanten Abweichungen physiologischer Parameter. Deshalb haben sie auch weniger spezifische Erkrankungen im Blick, sondern betrachten die allgemeine Robustheit der Tiere. Klaus Wimmers erklärt das an einem Beispiel: „Wenn Ferkel vom Muttertier getrennt werden, treten häufiger Durchfallerkrankungen auf, ohne dass sich dafür ein spezieller Keim verantwortlich machen lässt. Vermutlich ist es eine eher allgemeine Stressreaktion auf die Veränderung der Lebensumstände, mit der manche Tiere

Eine Zwergziege vor dem Lerncomputer.

besser und andere schlechter umgehen können.“ Der Leiter des Instituts für Genombiologie am FBN ist überzeugt, dass die Gene eine wichtige Rolle für die Robustheit der Tiere spielen und dass sich starke Abwehrwehrkräfte genauso im Genom lokalisieren lassen wie andere zuchtrelevante Merkmale, etwa das Wachstum. „Nutztiere sollen robust und leistungsfähig sein“, sagt der studierte Tierarzt. Dass auf spezielle Leistungen gezüchtete Tiere automatisch krankheitsanfälliger seien, verneint Wimmers. Natürlich gebe es Grenzen. „Es geht nicht darum, das absolute Maximum an Leistung in Milchproduktion oder Fleischmenge zu erreichen, sondern um das Optimum. Das ist ein großer Unterschied.“ Aber: Eine Kuh, die 8.000 Liter Milch gibt, ist wirtschaftlicher und umweltfreundlicher als zwei Kühe, die jeweils 4.000 Liter geben, rechnet Klaus Wimmers vor: weniger Platzbedarf, weniger Futter, weniger Emissionen.

Bessere Abwehrkräfte bei Neugierigen

Bei Versuchen mit Ferkeln hat Klaus Wimmers festgestellt, dass aktivere Tiere bessere Abwehrkräfte zu haben scheinen. Beim „Back-Test“ wird ein Ferkel für eine Minute auf den Rücken ge-

dreht und seine Reaktion beobachtet: Wehrt es sich oder lässt es die Prozedur eher schicksalsergeben über sich ergehen? Die so in proaktive und reaktive Tiere eingeordneten Schweine bekamen dann eine Tetanus-Impfung. Aus der unterschiedlichen Reaktion darauf schließt Klaus Wimmers, dass proaktive Tiere von vorneherein besser auf Krankheitserreger eingestellt sind. Der Grund dafür könnte in der Entwicklungsgeschichte liegen: „Es scheint so, als seien neugierige, risikofreudigere Tiere von ihren Genen her mit besseren Abwehrkräften auf diese Rolle vorbereitet.“ Hier schließen sich Klaus Wimmers’ Arbeiten nahtlos an die seines Kollegen Birger Puppe an. Puppe leitet das Institut für Verhaltensphysiologie am FBN und beschäftigt sich mit dem Verhalten und dem Gefühlsleben von Nutztieren. Ob Tiere Emotionen haben, ist schon lange ein Thema der biologischen Grundlagenforschung, ohne dass damit eine besondere gesellschaftsrelevante Fragestellung verbunden gewesen wäre. Spätestens seit 2002 hat sich das geändert. Seit damals steht der Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz, was einen fortschreitenden gesellschaftlichen Wandel im Verhältnis zu den Tieren manifestiert. „In Mitteleuropa hat sich die Meinung durchgesetzt, wenn wir die Tiere schon essen, dann sollen sie wenigstens tiergerecht gelebt haben“, bringt es Birger Puppe auf den Punkt, sagt aber auch: „Leider hat sich das noch nicht in einer allgemeinen Bereitschaft niedergeschlagen, für gute Haltungsbedingungen auch höhere Preise an der Fleischtheke zu bezahlen.“ Diese Diskrepanz von Erwartungshaltung und Kostendruck macht das Tierwohl in den Ställen zu einem Thema mit unmittelbarem Praxisbezug für die Landwirtschaft. Dass Tiere – zumindest höhere Wirbeltiere – Emotionen haben, ist heute weitgehend unumstritten. Diese sind sicher nicht so komplex und differenziert wie beim Menschen, dürften aber im Zuge der Evolution ein Selektionsvorteil gewesen sein, vermutet Birger Puppe.

„Nutztiere ­sollen robust und ­leistungsfähig sein.“ Klaus Wimmers Institut für Genombiologie am FBN

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„Wenn wir die Tiere schon essen, dann sollen sie wenigstens tiergerecht gelebt haben.“

Doktorandin Jenny Stracke mit Versuchstieren.

Birger Puppe

Institut für Verhaltensphysiologie am FBN

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In Dummerstorf haben die Wissenschaftler bei Experimenten mit Ziegen gezeigt, dass diese freiwillig Herausforderungen annehmen, um an ihr Futter zu kommen. Beim „Contrafreeloading“ konnten die Tiere entweder ohne besonderen Aufwand ihr Futter bekommen oder aber kognitive Aufgaben an einem Lerncomputer bewältigen, an deren Ende sie das Futter als Belohnung erhielten. Jan Langbein, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Verhaltensphysiologie, schließt daraus, dass Tiere Herausforderungen und Erfolgserlebnisse brauchen, um sich wohl zu fühlen. „Wenn ein Tier mit seiner Umwelt möglichst gut zurecht kommt, fühlt es sich wohl“, ist Jan Langbein überzeugt. Das heißt aber nicht, dass Wohlbefinden mit einem Leben völlig ohne Stress gleichzusetzen ist. Im Gegenteil: „Tiere, die bereit und in der Lage sind, sich Herausforderungen zu stellen, um an ihr Futter zu kommen, sind auch besser auf wechselnde Umweltbedingungen vorbereitet. Und das ist ein ganz klarer evolutionärer Vorteil“, sagt der Biologe. In der modernen Landwirtschaft können die Tiere diese Bedürfnisse aber häufig nicht mehr ausleben. Das Futter kommt frei Haus, Herausforderungen stellen sich nicht, da im Stall nun mal keine Fressfeinde lauern. Die weitgehende Reizarmut moderner Stallsysteme kann zu Langeweile und Frustration führen, beklagt

Jan Langbein. Außerdem habe der Mensch im Zuge der Domestikation der Tiere häufig die umgänglichen Exemplare ausgewählt und in den vergangenen 150 Jahren dazu fast nur noch auf Leistung gezüchtet. Bei Schweinen ergeben sich daraus gleich zwei Probleme: Die Muttertiere sind oft so träge, dass sie auf die Hilfeschreie ihrer Ferkel nicht mehr reagieren, wenn sich die Sau aus Versehen auf sie legt. Und selbst wenn sie aufstehen wollte, könnte sie es oft wegen ihrer schieren Masse nicht mehr, so dass viele neu geborene Ferkel erdrückt werden. Bisher hat die Tierhaltung dieses Problem nur symptomatisch gelöst, indem Sauen und Ferkel durch Gitter getrennt werden. Jan Langbein schließt daraus, dass „eine gewisse gesunde Aggressivität und Mütterlichkeit durchaus wünschenswert ist – auch aus Sicht der Tierhalter.“

Humanpsychologie am Schwein getestet

Aber wie weit gehen die Emotionen bei Tieren wirklich? Um das herauszufinden, beschreiten die Dummerstofer Forscher akademisches Neuland. Sandra Düpjan etwa bedient sich bei ihren Untersuchungen eines Ansatzes aus der Humanpsychologie. Der nennt sich cognitive bias, was auf Deutsch mit kognitiver Verzerrung übersetzt wird. Im Kern geht

es darum, welche unbewussten Wahrnehmungen oder Entscheidungen wegen einer gewissen optimistischen oder pessimistischen Grundeinstellung getroffenen werden. Zum Beispiel, ob wir der Meinung sind, ein Glas sei halb voll oder halb leer? Die Nachwuchsgruppenleiterin in der Verhaltensphysiologie hat dafür Ferkeln in einer „Arena“ beigebracht, dass im Trog in der rechten Ecke des Versuchsraums eine Belohnung in Form von Futter wartet, in der linken Ecke aber eine „Bestrafung“ – ein laut raschelnder, sie erschreckender Besen – auf sie zukommt. Was aber, wenn nun der Trog irgendwo in der Mitte steht? Optimistische Ferkel laufen deutlich schneller zu ihm, als pessimistische Artgenossen, die im Zweifel lieber auf das Futter verzichten. Ziel der Experimente ist es, Emotionen indirekt nachzuweisen, weil sie sich nicht direkt messen lassen. Für Sandra ­Düpjan sind Nutztiere nicht nur Produzenten, sondern vor allem Subjekte, die auf artgerechtere Haltungsbedingungen positiv reagieren. Ein Thema, dem vor 20 Jahren niemand nachgegangen ist und von dem auch heute nicht klar ist, wie es sich irgendwann einmal auf die Praxis der Landwirtschaft auswirken wird. Aber so war es auch mit der Aufruffütterung. Und heute zieht Beate brav ihre „Warte­nummer“. c h r i stoph h er bort - v on l oeper 4/2014


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Der Tomatenfischer

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Ob in Megastädten oder auf dem Land: Mit Werner Kloas’ Aquaponik-System können Menschen überall auf der Welt ­ ­umweltschonend Gemüse und Fisch erzeugen. Sein ­„Tomatenfisch“ könnte helfen, von Dürre und Hunger gebeutelte Regionen zu ­ernähren, ist sich der Biologe sicher.

Die Kulisse für einen Besuch in der Zukunft stimmt schon einmal. Dichter Nebel hängt an diesem Wintermorgen über dem Müggelsee im Südosten Berlins und hüllt auch das unscheinbare Gewächshaus am Ufer in mysteriöses Weiß. Wie ein Raumschiff aus Glas steht es in den Schwaden: Werner Kloas’ Zukunftslabor. Seit 2007 widmen sich der Biologe und seine Kollegen vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) darin einer Menschheitsfrage: Wie kann die rasant wachsende Weltbevölkerung trotz schwindender Ressourcen und des Klimawandels künftig mit Nahrung versorgt werden? „Es geht uns um die Ernährungssicherheit des 21. Jahrhunderts“, sagt Kloas, kurzes graues Haar, wache Augen, schwarzer Fleecepullover. Dann betritt er das Gewächshaus.

Foto: IGB/Andy Küchenmeister

Revolution auf dem Feld

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Immer mehr Wissenschaftler haben sich in den vergangenen Jahren mit mitunter überaus kreativen Lösungsansätzen in die Debatte eingebracht. Unter Schlagworten wie „Urban Farming“ oder „Vertical Farming“ revolutionieren sie die Landwirtschaft zum Beispiel auf Dächern (s. S. 34/35), in futuristisch anmutenden Gewächs-

hochhäusern und auf städtischen Brachflächen. Auch Werner Kloas Beitrag hat einen ungewöhnlichen Namen: „Tomatenfisch“ haben er und seine Kollegen ein System getauft, mit dessen Hilfe Landwirte überall auf der Welt Gemüse und Fisch erzeugen können, ressourcenschonend und doch mit hohem Ertrag. Den Prototyp der Anlage haben sie in das Gewächshaus am Müggelsee gebaut. Mit traumwandlerischer Sicherheit bewegt sich Kloas zwischen ihren Bestandteilen: einigen schwarzen Pflanzenkästen, einem Dutzend etwa 1,50 Meter hohen Kunststoffbassins und unzähligen Rohren, die alles miteinander verbinden. „Die Idee ist im Grunde alt“, erklärt er. Schon vor einigen Tausend Jahren fluteten Chinas Bauern ihre Reisfelder. Zwischen den Pflanzen züchteten sie Karpfen, die Ungeziefer fraßen und zugleich Dünger ausschieden. Aquaponik nennen Wissenschaftler die Kombination der Aufzucht von Fischen in Aquakulturen und der Kultivierung von Nutzpflanzen in Hydro­kulturen heute. Am IGB weckt dieses Prinzip 2007 Werner Kloas‘ Interesse. Bei einer Tasse Kaffee erzählt sein Kollege Bernhard Rennert, wie er zu DDR-Zeiten eine Anlage entwickelte, in der Karpfen und Gurken gezogen wurden. Kloas wird hellhörig. Rasch ent-

scheiden die Wissenschaftler, auf dieser Grundlage eine ambitionierte Aquaponik-Technologie zu entwickeln. Werner Kloas schlägt vor, sie mit einem System zur Wasserrückgewinnung zu ergänzen.

Fruchtbare Nachbarschaft

Statt Gurken wachsen heute Tomaten in den schwarzen Pflanzenkästen, die statt Erde Mineralwolle enthalten. In den Plastikbottichen schwimmen statt Karpfen Tilapien. Die afrikanischen Buntbarsche sind robust und wachsen schnell, ihr weißes Fleisch ist weich und schmeckt leicht süßlich. Von der Nachbarschaft profitieren beide: Die Fische benötigen den Sauerstoff, in den die Tomaten das von den Tieren ausge­atmete Kohlendioxid verwandeln. Die Pflanzen benötigen von den Fischen ausgeschiedene Nährstoffe wie Nitrat und Phosphat. 24 Mal am Tag durchfließt das Wasser die Aquaponik-Anlage. Pumpen transportieren es aus den Fischtanks in Richtung Pflanzen. Auf dem Weg wird es zunächst durch Lamellen gereinigt, dann durch einen Biofilter, der das von den Fischen ausgeschiedene giftige Ammonium mithilfe von Bakterien in düngendes Nitrat umwandelt. Über ein Einwegventil gelangt das gereinigte Wasser schließlich

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Die Tilapien: In der Enge des Bassins profitieren die Fische vom Stress reduzierenden Schwarmeffekt – und dem Sauerstoff, den die Tomaten produzieren.

Schwarmintelligenz statt Futterstress

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Noch heute merkt man Kloas die Begeisterung für seine Arbeit an, wenn man ihn am Ufer des Müggelsees besucht. Und den Ehrgeiz, Landwirtschaft und Fischzucht immer nachhaltiger zu gestalten. Hunderte Kilogramm Fisch und Tomaten haben die Wissenschaftler im Rahmen ihrer Forschung produziert. Sie haben das ausgesprochen ressourcen- und umweltschonend getan. Da der Anbau im Gewächshaus stattfindet, werden beim Tomatenfisch kaum Emissionen

freigesetzt. Die Anlage wird über Solarzellen mit Energie versorgt. Künftige Betreiber könnten sie mit der heute häufig ungenutzten Abwärme von Biogasanlagen beheizen. Auch die Bedingungen für die Tilapien sind gut – anders als in manchem Mastbetrieb, der Hühner- oder Schweinefleisch produziert. „Massentierhaltung kann schlimm sein“, sagt Kloas, „für Fisch muss man in der nachhaltigen Aquakultur aber widersprechen.“ Die Tiere profitieren vom sauerstoffreichen Wasser, dessen Qualität die Forscher exakt einstellen können. Sie haben keinen Futterstress und auch das Leben in Gruppen in den engen Bassins hat positive Folgen. „Der Schwarmeffekt reduziert den Stress – die Fische sind deshalb weniger anfällig für Krankheiten.“ Die Besonderheit des Tomatenfischs liegt jedoch vor allem darin, dass das System kaum etwas von dem Wasser verschwendet, das aus Regen und zum kleineren Teil aus Leitungswasser gewonnen wird. Sogenannte Kältefallen holen

aus der Luft, was die Pflanzen im Gewächshaus verdunsten. In herkömmlichen AquaponikAnlagen müssen pro Tag zehn Prozent des Wassers ausgetauscht werden – am IGB sind es lediglich drei, bei Regenwassernutzung sogar nur ein Prozent. „Damit sind wir weltweit führend“, sagt Kloas. Ziel sei es, den Wert weiter zu drücken. Und das System irgendwann nahezu komplett zu schließen.

„Wasserengpässe nicht ignorieren“

Auch bei der Verunreinigung des verwendeten Wassers sind die Unterschiede zu herkömmlichen Aquakulturen enorm. Die Produktion von einem Kilo Forelle habe anderswo 200.000 Liter belastetes Wasser zur Folge. Beim Tomatenfisch sind es 220 Liter pro Kilo Tilapia. „Wasser ist global die wichtigste Ressource“, sagt Kloas. „Nur weil wir in Mitteleuropa das Glück haben, über genug davon zu verfügen, sollten wir Engpässe in anderen Regionen nicht ignorieren.“

Fotos: Ralf Günther; Deutschland – Land der Ideen/Bernd Brundert

zu den Pflanzen. Immer dann, wenn es dort benötigt wird. Er habe schon immer diese Faszination für Pflanzen und Tiere verspürt, erzählt Werner Kloas. Als Kind begleitet er seinen Vater auf Streifzügen durch den Wald und träumt davon, Förster zu werden. Im Garten experimentiert er mit Hügelbeeten, pflanzt Kartoffeln und Salat. Später studiert Kloas Biologie und promoviert zu Hormonsystemen bei Fröschen.

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Die Tomaten: Das liebste Gemüse der Deutschen profitiert im Gewächshaus von Nährstoffen wie Nitrat und Phosphat – die von den Fischen ausgeschieden werden.

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Besonders diese Teile der Welt, in denen Ernährung mitunter ein Problem ist, hat der Tomatenfisch im Blick. Er könne dort helfen, Hunger und Mangelernährung zu bekämpfen, ist sich Kloas sicher. Das System kann in den abgelegensten und strukturschwächsten Landstrichen Fisch und Gemüse produzieren, sobald ein Generator oder eine Photovoltaik-Anlage die Pumpen am Laufen hält. Es kann auf riesigen Flächen realisiert werden, ist aber auch beliebig verkleinerbar. Auch den häufig von Armut gebeutelten Bewohnern unkontrolliert wachsender Megastädte in weniger entwickelten Ländern könnte die AquaponikAnlage so gesunde Nahrungsmittel liefern und lange Transportwege überflüssig machen. In vielen Städten in den wohlhabenderen Industriestaaten stünden ebenfalls große Brachflächen für Urban Farming zur Verfügung, fügt Kloas an. Hier ist diese Form der Landwirtschaft meist vor allem ein Hobby mit positiven sozialen Effekten. „Menschen können gemeinsam etwas erschaf-

fen und sich umweltfreundlich selbst versorgen“, erklärt Kloas. „Nehmen sie Projekte wie die Berliner Prinzessinnengärten.“ Die Potenziale des Tomatenfischs bleiben nicht unbemerkt. 2012 wird das Projekt mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis Forschung ausgezeichnet. Seit 2014 koordiniert das IGB das sechs Millionen Euro schwere EU-Vorhaben INAPRO: Vier je 600 Quadratmeter große Testanlagen sollen das Institut und 18 Partner in China, Belgien, Spanien und Deutschland einrichten, um die Technologie zu optimieren und Anwendern international bekannt zu machen.

Maden statt Fischmehl

Am Müggelsee plant Werner Kloas die nächsten Schritte. So möglich sollen die Tilapien sich künftig von den Maden der Schwarzen Soldatenfliege ernähren, die wiederum die Abfälle aus Supermärkten verwerten würden, die heute meist auf dem Müll landen. Schon jetzt verzichtet das IGB weitgehend

auf Futter aus Fischmehl, dessen Produktion die Meere der Welt in Mitleidenschaft zieht. Der Nebel ist inzwischen fast verschwunden. In einer Halle, an deren Wänden Netze und hüfthohe Gummistiefel hängen, möchte Werner Kloas zum Abschied sein neuestes Zukunftsprojekt zeigen.­ 1,50 Meter ist es lang und gleitet geräuschlos durch das Wasser eines riesigen Aquariums. „Arapaima gigas“, sagt Kloas. Der Fisch aus dem Amazonasgebiet wird bis zu 250 Kilogramm schwer und 2,50 Meter lang. Er gilt als schmackhaft und verbraucht wenig Futter und Energie. In Aquakulturen hat man ihn bislang dennoch nicht gehalten, da die Reproduktion in künstlichen Systemen bislang niemandem geglückt ist. Kloas und seine Kollegen wollen dieses Problem lösen und so auch den Tomatenfisch weiter voranwww.tomatenfisch. bringen. Andächtig beobachtet der igb-berlin.de Biologe die majestätische ­Silhouette. Der Arapaima, sagt er dann, sei sein Zukunftsfisch. d av i d sc h el p

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Stadtwirtschaft ­ rage, wie sich die Dächer der Hauptstadt für urF bane Landwirtschaft eignen. Welche Anbautech­ niken und Infrastrukturen werden benötigt? Wie ­verbessern die Beete auf dem Dach die Lebensqualität? Und wie können Bürger, Stadtverwaltung, Investoren, Hausbesitzer und Architekten helfen, die Stadt fit für urbane Landwirtschaft zu machen? Die Wissenschaftler entwickelten verschiedene Modelle und zeigten in einem Leitfaden die Chancen für eine nachhaltige Umsetzung auf. „Gebäudegebundene Landwirtschaft hat nicht nur in Berlin, sondern auch global betrachtet ein Riesenpotential“, sagt Kathrin Specht vom Institut für Sozioökonomie des ZALF. „Sie bietet uns Antworten auf Probleme wie die Verschwendung natürlicher Ressourcen und von Energie, die sich für die Städte der Zukunft aus Klimawandel und Bevölkerungswachstum ­ergeben.“ www.zfarm.de

Foto: Gladieu/Le Figaro Magazine/Laif; Text: David Schelp

Die Salatköpfe haben hier oben etwas ­Surrea­les. Kein Wunder: Im Hintergrund des Beets, auf dem sie sattgrün in langer Reihe wachsen, zeichnet sich die Silhouette der New Yorker Skyline ab. „Urban Gardening“ ist der Begriff, unter denen Felder wie die auf dem Dach dieses Gebäudes in Brooklyn, aber auch in Parks und Hinterhöfen bekannt wurden. Wissenschaftler, Restaurantbetreiber und ganz normale Städter bauen darauf beispielsweise Gemüse und Obst an — in Hong Kong, Paris, Detroit und anderen Städten. Die Idee: Nahrungsmittel sollen dort produziert werden, wo der Verbraucher lebt, um zum Beispiel Emissionen durch lange Transportwege zu vermeiden. Und das möglichst vom Verbraucher selbst. In Berlin hat „ZFarm“ das Phänomen untersucht, ein Projekt des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung, der TU Berlin und des Instituts inter 3. Im Zentrum stand dabei die

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Gräben über

winden Ein europäisches Ost-WestWissenschaftszentrum könnte als Brücke der Völkerverständigung zwischen Europa und Russland

Foto: Christoph Herbort-von Loeper

fungieren.

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Der Historiker Peter ­Haslinger skizziert auf der Jahrestagung der Leibniz-Gemeinschaft seine Vision vom Beitrag der Wissenschaft für Dialog und Verständnis zwischen Ost und West in politisch angespannten Zeiten. „Mir fällt heute Abend die ehrenvolle Aufgabe zu, ein neues Leibniz-Format erstmals mit Leben zu füllen. Um den Funken aber zünden zu können, würde ich gerne jene atmosphärischen Spannungen aufnehmen, die Europa und die Welt seit etwa einem Jahr elektrisieren und zunehmend ratlos gemacht haben. Es geht konkret um den Status der Krim, die Zukunft der Ukraine und das Verhältnis Europas zu Russland, also insgesamt um Fragen, die uns in den kommenden Monaten und vielleicht Jahren noch intensiv und sehr direkt betreffen werden. Denn es dreht sich hier nicht allein um eine komplexe und auch schwierige wirtschaftliche und soziale Stabilisierung wie in den südeuropäischen Ländern. Hier stehen die Sicherheitsarchitektur des Kontinents und die Wertebasis europäischer Politik mit auf dem Spiel.

Foto: Photocase/voluta

Quadratur des Kreises

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Was kann in einer solchen Situation überhaupt die Aufgabe der Wissenschaft sein? Wie soll sich konkret eine Wissenschaftsorganisation wie die Leibniz-Gemeinschaft im Prozess der „science diplomacy“ produktiv einbrin­ gen? Folgen wir dem Gebot der Stunde, so gleicht die Aufgabe zunächst einer Quadratur des Kreises: Es gilt, Dialogfähigkeit auf streng wissenschaftlicher Grundlage zu garantieren, ohne aber gleichzeitig all das zur Disposition zu stellen, was seit Ende des Zweiten Weltkriegs mit guten Gründen „common sense“ europäischer Politik gewesen ist. Auch erfordert diese Aufgabe einen besonders großen Resonanzraum, um alle relevanten Disziplinen miteinander ins Gespräch zu bringen. Und sie kann keinesfalls ein

rein national isoliertes Anliegen bleiben. Wenn wir uns so umsehen, entdecken wir hier eine offene Leerstelle. Mein Fazit lautet daher: Wir brauchen neue, kooperative und grenzüberschreitend angelegte Formate der Forschung und Wissenskommunikation – und zwar besser früher als später.

Vergangenheit in der Gegenwart

Als Historiker bin ich kein Zukunftsforscher – meine Aufgabe ist es, gesellschaftliche Erfahrungen der Vergangenheit in einer Weise abrufbar zu machen, die ihre Einordnung in längerfristige, auch aktuelle Prozesse ermöglicht. Wo die Vergangenheit in der politischen Gegenwart aber so omnipräsent ist wie in diesem Jahr – und sei es in geopolitischen Formeln wie „Eurasien“ oder „Neurussland“ (Novorossiya) – ist ohne Zweifel der Punkt erreicht, doch Zukunftsvisionen zu entwickeln. Diese sind auch aus anderen Gründen inzwischen bitter nötig: In den östlichsten EU-Staaten bedingt die Rückkehr von Bedrohungsgefühlen ein geradezu beängstigend schnelles Abreißen der wissenschaftlichen Kontakte (wie etwa im Baltikum, wo es erste Direktiven gibt, keine Konferenzreisen mehr nach Russland anzutreten). Lassen Sie mich daher meine Zukunftsvision in eine Idee, vielleicht auch in einen Traum fassen: In die Vision eines Europäischen Ost-West-Wissenschaftszentrums. Im Kern sehe ich hier ein strukturiertes Programm, das junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in grenzüberschreitend arbeitenden Forschergruppen miteinander vernetzt. Ziel ist die gemeinsame Entwicklung von Langfristprojekten mit interdisziplinärer Anschlussfähigkeit, die durch Gastaufenthalte dieser Nachwuchsgruppen an den kooperierenden Einrichtungen erheblich an Kontur gewinnen. Unterstützt würden sie dort auch durch ein eigenes Mentoringprogramm, das sich am schon bes-

tens etablierten Leibniz-Format orientiert und die individuelle Karriereplanungen für universitäre wie außeruniversitäre, wissenschaftsnahe Bereiche wirkungsvoll unterstützt. Wie Sie sehen können, zielt meine Vision auf exzellente Forschung, deren Innovation sich auch aus umfassenden Einblicken in gelebte Formen internationaler Zusammenarbeit ergibt. Und es geht um ein Forschungsmodell, das die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Zukunft über eigens entwickelte Formate in direkten Kontakt bringt mit Stakeholdern und Expertinnen und Experten aus allen europäischen Ländern. Denn ein Europäisches Ost-West-Wissenschaftszentrum kann noch mehr: Eine zweite Säule würde Politikberatung und Transfer zum Ziel haben, und zwar sowohl im politisch-administrativen Raum als auch in wissenschaftsnahen Bereichen (wie z. B. bei NGOs, Medien, Museen, Gedenkstätten oder Archiven).

Virtuelle Wissensangebote

Einem eigenen Expertenkreis aller Konsortialpartner kommt dabei die Aufgabe zu, sich regelmäßig über aktuelle Probleme und unterschiedliche Sichtweisen auszutauschen und bei Bedarf auch forschungsethische oder geschichtspolitische Handlungsempfehlungen zu entwickeln. So kann ein Ost-West-Zentrum Themen und Herausforderungen fokussieren, die für das europäische Selbstverständnis und die Wissenschaftskontakte zum Osten Europas zentral sind. Diese wissenschaftlich fundierte Politikberatung wäre eine kompetent begleitete soziale Infrastruktur, vielleicht mit mehreren Standorten, und stünde Interessenten auf europäischer wie nationaler Ebene offen – von Portugal bis Finnland und von Irland bis Zypern. Eine dritte Chance liegt schließlich im Aufbau virtueller Wissensangebote, d.h. von Forschungs- und Informationsinfrastrukturen, die sprachenüber-

Peter Haslinger

ist Direktor des Herder-Instituts für historische Ostmitteleuropaforschung der Leibniz-Gemeinschaft und Professor für die Geschichte Ostmitteleuropas am Historischen Institut der Justus-Liebig-­ Universität Gießen. 37


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greifend und multiperspektivisch aufgebaut sind – und schon dadurch anschlussfähig bleiben für wissenschaftliche und zivilgesellschaftliche Initiativen aus Ländern wie Russland, Belarus oder Aserbeidschan.

Leibniz-Schwerpunkt Osteuropa

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Soweit die Vision. Wenn sie nicht reine Utopie bleiben soll, so werden Sie sich sicher fragen, wer kann denn eine solche Idee überhaupt realisieren? Und Sie werden nicht wirklich überrascht sein, wenn Sie jetzt von mir hören: Unter den vier großen deutschen Wissenschaftsorganisationen ist es die Leibniz-Gemeinschaft, die prädestiniert dazu ist, entsprechende Initiativen zu entfalten. Wie auch der Wissenschaftsrat jüngst festgehalten hat, verfügt Leibniz im Vergleich über die mit Abstand größte Kompetenzdichte: Institute mit einem sichtbaren Fokus auf der östlichen Hälfte Europas – wie in Marburg oder Halle – werden stimmig ergänzt durch Einrichtungen, die dauerhaft einen Osteuropa­ schwerpunkt aufgebaut haben (hier reicht das Spektrum von der Zeit- und Universalgeschichte über die Schulbuchforschung und die Sprachwissenschaft, von den Geo- und Raumwissenschaften

bis zur Friedens- und Konfliktforschung). Gerade in Hinblick auf aktuelle Herausforderungen sind daran zahlreiche weitere Schwerpunkte (wie Ökologie, die Energie- und Wirtschaftswissenschaften, überhaupt eine ganze Bandbreite an sozialund bildungswissenschaftlichen Me­ thoden und Zugänge) in hohem Grade anschlussfähig. Diese Kompetenzdichte ist selbst im internationalen Vergleich beeindruckend. Bei der Umsetzung der Zentrumsvision braucht jedoch auch Leibniz starke und verlässliche Partner in den Zielländern. Werfen wir daher einen Blick zurück ins Jahr 2012: Damals begann nicht weit von der polnisch-russischen Grenze, im ehemaligen Ostpreußen, der intensive Austausch zwischen der Polnischen Akademie der Wissenschaften und der Leibniz-Gemeinschaft. Erklärtes Ziel war es, die Geistes-, Sozial- und Raumwissenschaften in Polen und Deutschland dialogisch aufeinander zu beziehen und Netzwerke zur gemeinsamen Nachwuchsförderung, zur Beratung und Infrastrukturentwicklung aufzubauen. Und schon damals, also noch vor dem Einsetzen der aktuellen Entwicklungen in der Ukraine, war das gemeinsame Interesse mit Händen zu greifen, dabei auch Partner östlich von Polen in die Initiative

mit einzubeziehen. Diese bereits gelebte Kooperation könnte daher der Kristallisationskern sein für ein Konsortium, das uns der Vision vielleicht schneller näher bringen wird als wir dies heute erwarten würden – mit Europa als Partner und Förderer in diesem für die zukünftige Entwicklung unseres Kontinents so wichtigen Feld.

Neue Brüche vermeiden

Ganze 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, zehn Jahre nach der ersten Runde der EUOsterweiterung und ein Jahr nach dem Beginn der Proteste auf dem Majdan im Herzen Kiews wird sich in allernächster Zukunft entscheiden, ob wir in Europa erneut Form mit tiefen Bruchlinien konfrontiert sein werden. Dass aber Wissenskulturen wieder verinseln, dass nationale Deutungsmauern erneut hochgezogen werden und Wissenschaftskontakte an Staatsgrenzen ausdünnen oder gar ganz abreißen, das kann niemandem wirklich am Herzen liegen. Vor allem nicht einer Generation, die – wie auch ich selbst – die Systemgrenze in der Mitte Europas (und auch in der Mitte Deutschlands) noch bewusst miterlebt hat.“ peter h asl i n g er

Aktuelle Forschungsergebnisse aus den Leibniz-Instituten

Leibniz-Lektionen Eine Vortragsreihe der Leibniz-Gemeinschaft in der Urania Berlin

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20.1.2015, 19.30 Uhr Anna Veronika Wendland Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung, Marburg Ein Jahr Ukraine-Russland-Krise: Europäische Werte, politische Sprache und mentale Kartographien im Stresstest

16.2.2015, 17.30 Uhr Ottmar Edenhofer Potsdam Institut für Klimafolgenforschung Wissenschaft und Politik: Erforschung von Lösungswegen für den Klimawandel

4.3.2015, 19.30 Uhr Dennis Snower Institut für Weltwirtschaft, Kiel Die Zukunft der Globalen Kooperation Vortrag mit Diskussion Eintritt frei Die Vortragsreihe wird fortgesetzt.

Veranstaltungsort Urania Berlin An der Urania 17 10787 Berlin

www.leibniz-gemeinschaft.de/leibniz-lektionen

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Anschrift: Leibnizstraße

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Geographie: Eine Karte sagt oft mehr als 1000 Worte .LHO

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© IfL 2014 Karteninhalt: C. Hanewinkel Kartographie: S. Dutzmann

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Antibiotischer

Netzwerker

Sie ist die Krankheit der Armen: Tuberkulose. Für sein Engagement in der Tuberkuloseforschung erhält Christoph Lange den Preis des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft „Gesellschaft braucht Wissenschaft“. Der Forscher und Arzt am Forschungs­ zentrum Borstel ist davon überzeugt: Die Tuberkulose lässt sich nur im Verbund mit anderen Ländern effizient bekämpfen.

1,4 Millionen Tote pro Jahr

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Weltweit ist Langes Expertise zu Mycobacterium tuberculosis gefragt. Dabei galt die gefährliche Lungenkrankheit Anfang 2000 nahezu als besiegt: Die Weltgesundheitsbehörde (WHO) hatte

Immer resistenter: Mycobacterium tuberculosis

damals das Ende der „Weißen Pest“ bekannt gegeben. Doch 2014 sieht die Realität anders aus: Weltweit erkranken jedes Jahr rund 9,4 Millionen Menschen an Tuberkulose (TB), 1,4 Millionen Menschen sterben. Die Bakterien gelangen über die Atemluft in die Lunge, vermehren sich dort und infizieren den Organismus. Die Lunge zerfällt langsam über Monate. Rechtzeitig diagnostiziert, lässt sich die TB gut heilen. Allerdings ist die Behandlung langwierig: Erkrankte müssen sechs Monate lang einen Medikamentenmix aus anfänglich vier Antibiotika zu sich nehmen. Vor

allem in den osteuropäischen Anrainerstaaten ist das ein großes Problem. Die fehlende Infrastruktur der Gesundheitssysteme verhindert eine frühzeitige Diagnose und flächendeckende Behandlung. Patienten brechen die Therapie ab, weil sie sich schon nach kurzer Zeit gesund fühlen. Für den Erreger sind das beste Voraussetzungen, um Antibiotika-Resistenzen zu entwickeln. Die klassischen Medikamente bleiben wirkungslos. Erst im April 2014 hat die WHO darauf hingewiesen, dass zunehmende Antibiotika-Resistenzen eine stark unterschätze Gefahr für die Errungenschaften der modernen Medizin darstellen.

Osteuropa: resistente Bakterienstämme

Die Zahlen der TB-Erkrankten mit multi- oder extensiv-resistenten Bakterienstämmen (M/XDR-TB) sprechen für sich: In Deutschland gab es 2012 nur 64 Patienten – das sind 2,3 Prozent aller TB-Erkrankten. Dramatischer hingegen ist die Lage in Weißrussland, Moldawien und der Ukraine: Dort gab es im selben Jahr 1564, 894 und

Fotos: Centers for Disease Control and Prevention; DZIF

Für Christoph Lange müsste der Tag eigentlich 48 Stunden haben. Der Tuberkulose-Forscher pendelt zwischen Moldawien, Namibia, Schweden und Deutschland, schult junge Wissenschaftler und angehende Ärzte rund um den Globus, hält Vorträge in aller Herren Länder und schiebt als Ärztlicher Leiter der Klinischen Infektiologie auch noch regelmäßig Nacht- und Wochenenddienste in der Medizinischen Klinik Borstel. Und dann sind da noch seine Frau und seine zwei Söhne. „Das ist manchmal ein ganz schöner Spagat“, räumt der 52-Jährige ein. An diesem Tag sitzt er entspannt an einem blank geputzten Holztisch in seinem Büro im Forschungszentrum Borstel. Seine wachen Augen blicken neugierig auf sein Gegenüber. Der weiße Kittel hängt griffbereit neben der Tür.

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Berufswunsch Infektiologe

Auf dem Gebiet der TB-Patientenversorgung und Forschung ist das FZB als Leibniz-Zentrum für Medizin und Biowissenschaften weltweit führend. Lange hat zu diesem Erfolg erheblich beigetragen. Dabei stand für den Arzt eine wissenschaftliche Karriere viele Jahre gar nicht zur Diskussion: „Mein Lebensweg ist insofern ungewöhnlich, als dass ich erst mit Ende 30 gelernt habe, wissenschaftlich zu arbeiten.“ Eigentlich war eine Karriere als Biologe geplant. Doch in den Salzwiesen von St. Peter-Ording, wo der angehen-

de Diplombiologe sich mit Salzpflanzen (Halophyten) beschäftigte, wurde ihm klar, dass ihm in der Biologie etwas Entscheidendes fehlt, nämlich die menschliche Seite. Er entschied sich für ein Zweitstudium der Medizin. Ein Schritt, den Lange nie bereut hat. Er famulierte in Neuseeland, den USA und England und lernte in den Townships von Kapstadt die Auswirkungen der AIDS-Epidemie kennen. Dorthin verschlug ihn auch seine erste Stelle und dort entstand der Wunsch, eines Tages als Infektiologe zu arbeiten. Doch das Leben hinter den Stacheldrahtzäunen der abgesicherten Wohnanlagen bot Christoph Lange und seiner Frau keine Perspektive für eine Familiengründung. Die beiden kehrten nach Deutschland zurück. Den Traum als Infektiologe erfüllte Lange sich 1999 mit einer Weiterbildung in den USA. Mehr durch Zufall landete er als Assistent bei dem renommierten HIV-Wissenschaftler Michael Lederman in Cleveland, Ohio. Für Lange ein Volltreffer: „Ich habe innerhalb von achten Monaten nicht nur alle Daten für meine Habilitation zusammenbekommen, sondern Lederman hat auch den Grundstock für meine wissenschaftliche Karriere gelegt.“ Ledermann selbst sagt über den

„Gesellschaft braucht Wissenschaft“ Der Wissenschaftspreis des Stifterverbandes wird auf Vorschlag der Leibniz-Gemeinschaft für hervorragende Gesamtleistungen von Forschern vergeben, die sich durch besondere gesellschaftliche Relevanz und gute Umsetzbarkeit auszeichnen. Besonders würdigte die Preisjury Langes im European Respiratory Journal erschienene Studie „Management of patients with multidrug-resistant/extensively drug-resistant tuberculosis in Europe: a TBNET consensus statement”, ERJ 23. März 2014. DOI: 10.1183/09031936.00188313.

damals engagierten Enddreißiger, er gehöre zu den talentiertesten klinischen Forschern, die er je kennen gelernt habe.

Im Verbund gegen die „Weiße Pest“

Nach seiner Rückkehr 2001 spezialisiert sich Lange auf Tuberkulose und baut am FZB die Forschergruppe Klinische Infektiologie auf. Er nimmt den Wettlauf gegen die TB auf – und zwar im Verbund mit Kollegen aus anderen Ländern: „Um die Heilungschancen zu optimieren, sind grenzüberschreitende Handlungsabläufe notwendig, die aufeinander abgestimmt sind.“ Vor diesem Hintergrund rief er 2006 mit 55 Kollegen die Tuberculosis Network European Trialsgroup (TBNET) ins Leben. Ziel der darin zusammengeschlossenen klinischen Wissenschaftler ist es, gemeinsam wichtige Fragen zur Prävention, Diagnostik und Therapie von TB-Patienten in Europa zu bearbeiten. Heute ist TBNET die größte europäische Forschungsorganisation auf ihrem Gebiet mit über 600 Mitgliedern aus 22 EUStaaten und 49 Staaten weltweit. Als Architekt dieses translationalen Wissenschaftsnetzwerkes baut Christoph Lange Brücken zwischen Grundlagenforschung und klinischer Anwendung. Unter seiner Federführung entstand jene Publikation, für die ihm der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft den Preis „Gesellschaft braucht Wissenschaft“ verleiht. (siehe Kasten) Aktuell liegt Lange der Aufbau eines neuen Studienzentrums am größten TuberkuloseKrankenhaus in der EU, dem Marius-Nasta-Institut in Bukarest, am Herzen. Das will er mit Hilfe des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung und in Zusammenarbeit mit Kollegen der Universität München auf den Weg bringen, um in Zukunft neue TB-Medikamente testen zu können. Denn neben all den Preisen, hoch gelobten Publikationen und einer Ehrendoktorwürde, die seinen Lebenslauf schmücken, ist es doch eins, was Christoph Lange motiviert: Er will vor allem anderen Menschen helfen.

Foto: Oliver Lang

3522 registrierte Patienten mit einer M/XDR-TB. Das entspricht 46,7 Prozent, 40,3 Prozent und 20,6 Prozent aller TB-Patienten. „Dort, wo die M/XDR-TB die schlimmsten Ausmaße hat, stehen keine adäquaten Arzneien zur Verfügung. Die sind viel zu teuer“, erklärt Lange. Mehr als 90.000 Euro kosten die Medikamente im Durchschnitt für eine Therapie der schweren Fälle von M/XDR-TB, die sich über 20 Monate zieht. Im Vergleich dazu fällt die Standardtherapie mit weniger als 1.000 Euro pro Fall noch günstig aus.

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Wissen direkt vom Erzeuger.

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Leibniz-Journal

Feinstaub

Drohnen

Wenn Luft krank macht

„Saubere“ Kriege oder Kriegsverbrechen?

Ägypten

Ausstellung

Recherchen bei den Muslimbrüdern

1/2014

100 Jahre Jugendbewegung

Leibniz-Journal

Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft

Big Data

Science 2.0

Kuba

Affengesellschaft

Goldrausch in Datenbergen?

Bloggen für mehr Freiheit

Das nal, z-Jour i n b i e L l im vierma Jahr.

Wissenschaft und Social Media

Die Primatenforscherin Julia Fischer

Das Magazin der Leibniz-Gemeinschaft

Luft anhalten. Wie kleinste Partikel größte Probleme bereiten

Der

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Mensch G 49121

G 49121

Wie die Digitalisierung unsere Gesellschaft verändert

Kostenloses Abo: abo@leibniz-gemeinschaft.de www.leibniz-gemeinschaft.de/journal

IMPRESSUM

Leibniz-Journal

Herausgeber: Der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft Matthias Kleiner Chausseestraße 111, 10115 Berlin Telefon: 030 / 20 60 49-0 Telefax: 030 / 20 60 49-55 www.leibniz-gemeinschaft.de

Redaktion: Christoph Herbort-von Loeper (komm. Chefredakteur), David Schelp Felix De Caluwe, Malte Jacobs (Praktikanten), Nora Tyufekchieva (Grafik), Steffi Kopp (Assistenz). journal@leibniz-gemeinschaft.de

Anzeigen: Axel Rückemann, anzeigen@leibniz-gemeinschaft.de Layout: Stephen Ruebsam, unicom-berlin.de

Druck: PRINTEC OFFSET – medienhaus, Kassel Nachdruck mit Quellenangabe gestattet, Beleg erbeten.

Auflage: 30.000 Ausgabe 4/2014: Dezember www.leibniz-gemeinschaft.de/journal Das Leibniz-Journal erscheint viermal jährlich. Es wird gratis über die Institute und Museen der Leibniz-Gemeinschaft verbreitet. Außerdem kann es über die Redaktion kostenlos unter abo@leibniz-gemeinschaft.de abonniert werden. ISSN: 2192-7847 Leibniz twittert: twitter.com/#!/LeibnizWGL Leibniz ist auf Facebook: facebook.com/LeibnizGemeinschaft

Die Leibniz-Gemeinschaft — 89 Mal Forschung zum Nutzen und Wohl der Menschen: Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 89 selbständige Forschungseinrichtungen. Deren Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute bearbeiten gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevante Fragestellungen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Sie unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft, 4/2014

Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Institute pflegen intensive Kooperationen mit den Hochschulen – u.a. in Form der WissenschaftsCampi –, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem maßstabsetzenden transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 17.500 Personen, darunter 8.800 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 1,5 Milliarden Euro. 43


LEIBNIZ | AUSSTELLUNGEN

Der Wahrheit verpflichtet

Die so genannte Henlein-Uhr galt lange als älteste Taschenuhr der Welt. Neuen Forschungen zufolge vermutlich zu Unrecht.

Aktuelle Ausstellungen

der Leibniz-Gemeinschaft

Im Henlein-Uhrenstreit trifft HightechForensik auf kluge Betrachter

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Ist die Henlein-Uhr die älteste Taschenuhr der Welt? Eine vom Germanischen Nationalmuseum (GNM) initiierte transdisziplinäre Forschungsallianz ermittelte von allen Seiten – mit überraschendem Ausgang. „Petrus Hele me f.[ecit] Norimb.[ergae] 1510“ steht eingraviert auf der Henlein-Taschenuhr. „Peter Henlein hat mich gemacht, in Nürnberg im Jahr 1510“. Damit wäre sie etwa 20 Jahre vor weiteren, kunsthistorisch gut einzuordnenden Exemplaren entstanden. Allerdings ist die Gravur

in Kanzleischrift geschrieben, einer für Signaturen jener Zeit völlig unüblichen Schrifttype. Ein erstes Indiz dafür, die Echtheit der „ältesten Taschenuhr der Welt“ anzuzweifeln. Thomas Eser Kunsthistoriker, Kurator und Leiter der Sammlung wissenschaftliche Instrumente des GNM wollte den wahren Ursprung einer seiner Museumsperlen ausfindig machen. Dafür holte er seine Kollegen Roland Schewe und Markus Raquet vom Institut für Kunsttechnik und Konservierung des GNM mit ins Boot. „Wir

Inseln der Winde. Die maritime Kultur der bronzezeitlichen Ägäis bis 8.2.2015

Glückauf und Uğur Ola. Türkische Kumpel zwischen Zonguldak und Ruhrgebiet bis 12.4. 2015

Grasland, Yaks und wilde Pferde — von Tibet bis in die Wüste Gobi bis 19.4.2015

Die Minoer beherrschten den südöstlichen Mittelmeerraum der Bronzezeit auf eindrucksvolle Weise. Drei- bis zweitausend Jahre vor Christi eroberten sie von Kreta aus große Teile der Ägäis. An ihrem Beispiel zeigt das RGZM die Entwicklung der Seefahrt und des maritimen Lebens vor über 3.500 Jahren. Die Modellrekonstruktionen von Ein­ bäumen bis zu besegelten Handelsschiffen zeichnen die Entwicklung der antiken Schifffahrt nach und lassen diese so vor den Augen des Besuchers noch einmal zum Leben er­ wachen.

Von der Schwarzmeerküste aus begaben sie sich auf die Suche nach dem schwarzen Gold. Durch ein Anwerbeabkommen zwischen der Türkei und Deutschland kamen vor mehr als 50 Jahren viele Bergmänner und -lehrlinge aus der Region Zonguldak in die Kohlegruben des Ruhrgebiets. Das Deutsche Bergbau-Museum begibt sich auf die Spur der ersten türkischen Kumpel in Deutschland. Gemeinsam mit der multikulturellen Kinder- und Jugendhilfe IFAK erzählt es ihre Lebensgeschichten – auf Deutsch und auf Türkisch.

Seit 50 Jahren erforschen Wissenschaftler die Landschaften Zentralasiens. Die einzigartige Natur dieser Region bietet eine beeindruckende Vielfalt: die letzten freilebenden Wildpferde, tausende exotische Pflanzenarten und Schneeleoparden. Letztere lassen sich hier sogar aus nächster Nähe bestaunen. Doch das Ökosystem reagiert empfindlich auf seine sich verändernde Umwelt: Die Ausstellung widmet sich daher der Frage, wie der Klimawandel die Lebensräume und -bedingungen zwischen Tibet und Wüste Gobi beeinflusst.

Museum für Antike Schiffahrt des RGZM, Mainz

Deutsches Bergbau-Museum, Bochum

Senckenberg Naturmuseum, Frankfurt

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LEIBNIZ | AUSSTELLUNGEN

Fotos: GNM; Hubert Vögele/Institut für Klassische Archäologie der Universität Heidelberg; DBM/Karl Wislaug; D. Usukhjargal; Uwe Schmolke; MfN/Carola Radke; Michael Jungblut/Atelier Brückner

wollten nach wissenschaftlichen Kriterien, möglichst ergebnisoffen und ohne Scheuklappen an die Aufgabe herangehen,“ so Roland Schewe. Die Folge: Ohne interdisziplinäre Kooperationen und Hightech-Forensik konnte es im Uhrenstreit nicht weitergehen. Ein Indizienprozess begann. Während der zweijährigen Projektphase ermittelten die Wissenschaftler 48 für einen Vergleich geeignete Taschenuhren weltweit – doch nur acht Kuratoren und Privatsammler trauten sich, ihre Schätze der HightechPrüfung zu unterwerfen. Zerstörungsfreie Einblicke ins Innere der Zeiteisen gewährten Computertomografie-Aufnahmen des Fraunhofer-Entwicklungszentrums Röntgentechnik. Mittels­ Reflectance Transformation Imaging (RTI) und Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA) erhielten die Forscher Aufschluss über Qualität und Menge der eingebauten Materialien.

4/2014

Die Ergebnisse zur Henlein-Taschenuhr waren vernichtend: Der eingravierte Ursprungshinweis liegt über Abnutzungskratzern, eine kunsthistorisch möglicherweise auf ein späteres Herstellungsjahr hinweisende Ornamentik auf dem Uhrengehäuse wurde wieder entfernt. Auf den CT-Scans kamen eine Aufziehkette sowie gleich zwei Antriebsfedern zum Vorschein, die den Experten nur eine Schlussfolgerung ließen: Bei der Henlein-Uhr handelt es sich um ein nachträglich zusammengestückeltes Exemplar und mitnichten um die älteste Taschenuhr der Welt. Auch fast alle Vergleichsuhren wurden im Laufe der Jahrhunderte repariert, restauriert und neu zusammengesetzt. Einzig die sogenannte „Melanchthon-Uhr“ aus dem Walters Art Museum in Baltimore, datiert auf etwa das Jahr 1530, gab sich schließlich als die älteste bekannte in ihren Originalteilen erhaltene Taschenuhr

zu erkennen. Immerhin liegt die Vermutung nahe, dass auch sie aus dem Umfeld Peter Henleins stammt. Vom Henlein-Uhrenstreit bleibt so zumindest des Schlossermeisters originärer Verdienst erhalten, die Miniaturisierung der Zeitmesser vorangetrieben zu haben. Alle acht untersuchten Uhren sind in der aktuellen Sonderausstellung des GNM zu sehen. So kann in Nürnberg doch noch – zumindest vorübergehend – die älteste Taschenuhr der Welt bestaunt werden. kar i n e . l ason Die älteste Taschenuhr der Welt? Der Henlein-Uhrenstreit bis 12. April 2015 Germanisches Nationalmuseum Kartäusergasse 1, 90402 Nürnberg Öffnungszeiten Di bis So 10 - 18 Uhr Mittwochs: 10 - 21 Uhr www.gnm.de/ausstellungen/aktuellund-vorschau/henlein-uhrenstreit

Kamera Louis Boutan — Leben unter Wasser 2014 bis 22.2.2015

Highlights der Präparationskunst Neue Dauerausstellung

Zukunft leben: Die demografische Chance bis 1.3.2015

1893 gelangen Louis Boutan im französischen Mittelmeer die ersten Unterwasserfotografien. In seine Fußstapfen sollten die Teilnehmer des Unterwasserfoto- und Video-Wettbewerbes „Kamera Louis Boutan“ treten und das Leben unter Wasser auf möglichst faszinierende Weise einfangen. In zwei verschiedenen Kategorien haben sie dabei beeindruckende Resultate geliefert. Die Gewinnerbilder präsentiert das Senckenberg Naturkundemuseum in Görlitz zusammen mit dem Verband deutscher Sporttaucher in der Ausstellung „Leben unter ­Wasser 2014“.

Präparation ist ein wichtiger Bestandteil der Museumsarbeit und bedeutet nicht nur Haltbarmachung von Tieren, sondern auch von Gesteinsproben und Modellen. Das Museum für Naturkunde hat seit seiner Gründung immer modernere Verfahren entwickelt. Mittlerweile sind dort 30 Millionen Präparate beheimatet. Ausgewählte Objekte, die „Highlights der Präparation“ werden jetzt in einem eigenen Ausstellungsraum präsentiert. Neben beeindruckenden Dinosaurierskeletten kann hier auch der lebensechte Berliner Zoo-Eisbär Knut bestaunt werden.

Der demografische Wandel ist eine der zentralen Herausforderungen für die Zukunft unserer Gesellschaft. Auf Basis von Forschungsergebnissen und Lö­ sungsvorschlägen aus der Wissenschaft wirft die von der Leibniz-Gemeinschaft für das Wissenschaftsjahr 2013 konzipierte Wanderausstellung Fragen auf. Wie lernen und arbeiten wir morgen? Wie bilden wir Familien, wie altern oder wohnen wir? An der letzten Station der Schau im ­ Niedersächsischen Landesmuseum Hannover erwarten die Besucher Spiele, interaktive Exponate, Comics, Filme und Multi­ mediapräsentationen.

Senckenberg Naturkunde­museum Görlitz

Museum für Naturkunde, Berlin

Kurzfilm über das Forschungsprojekt zur Heinlein-Uhr: www.youtube.com/ watch?v=GgXlMHUNuoA

Niedersächsisches Landesmuseum, Hannover

Mehr Sonderausstellungen unserer Forschungsmuseen finden Sie online: www.leibnizgemeinschaft.de/ institute-museen/ forschungsmuseen/ leibniz-museenaktuell/

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LEIBNIZ | IMPRESSUM

Kooperative Wissenschaft als Zukunftsweg Bei der Jahrestagung der Leibniz-Gemeinschaft präsentiert ihr Präsident Matthias Kleiner seine Vorstellung vom Forschungs­profil für die Zukunft.

Kommunikativ in Leibniz-Blau: Festversammlung im Lichthof des Museums für Kommunikation in Berlin.

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Ein neuer Kommissar und ein (relativ) neuer Präsident standen bei der 20. Jahrestagung der Leibniz-Gemeinschaft Ende November in Berlin im Fokus der Aufmerksamkeit. Bei seinem ersten Besuch in Deutschland lobte Carlos Moedas, neuer EU-Kommissar für Forschung, Wissenschaft und Innovation, den Beitrag der Leibniz-Gemeinschaft zur europäischen Forschung in den vergangenen 20 Jahren. In seiner Rede kündigte der Portugiese an, sich für eine innovations-zugängliche Gesellschaft in Europa einsetzen

zu wollen. Diese müsse unbedingt auf einer angemessenen öffentlichen und privaten Finanzierung von Forschung und Entwicklung und einem gemeinsamen europäischen Forschungsraum basieren. Zudem forderte der EU-Kommissar, gute Ideen und Innovationen schneller in kommerzielle Produkte und Dienstleistungen umzusetzen. Bei seiner ersten Jahrestagung im Amt des Präsidenten lud Matthias Kleiner die Leibniz-Institute zu noch mehr Gemeinsamkeit ein. Unter dem Motto „Mehr Gemeinschaft wagen“ sollten

die 89 Mitgliedseinrichtungen ihr Wissen, ihre Kräfte und ihre Methoden bündeln. „Diese Form der ‚Kooperativen Wissenschaft‘ halte ich vor dem großen internationalen Hintergrund der kommenden Herausforderungen in Wissenschaft und Forschung für den wahren Zukunftsweg“, sagte Matthias Kleiner. Die LeibnizGemeinschaft zeichne dafür eine allgemeine Interaktion zwischen Grundlagenforschung und Anwendungsforschung, zwischen Erkenntnisorientierung und Anwendungsorientierung in einer echten Wechselwirkung aus, be-

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LEIBNIZ | LIFE

Europa mitten in Deutschland: EU-Kommissar Carlos Moedas (2. v.re.) mit Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst, Bundesforschungsministerin Johanna Wanka und Leibniz-Präsident Matthias Kleiner (v.li.)

Wiedergewählt: Matthias Beller (Leibniz-Institut für Katalyse Rostock, links) und Friedrich Hesse (Leibniz-Institut für Wissensmedien Tübingen, rechts) bleiben zwei weitere Jahre Vizepräsidenten der Leibniz-Gemeinschaft.

Fotos: Oliver Lang (5)

Nord-Süd-Dialog: Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer diskutiert mit Rolf Horstmann vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg.

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tonte Matthias Kleiner. Als aktuelles Beispiel hob er die mobilen Diagnostik-Labore des BernhardNocht-Instituts für Tropenmedizin aus Hamburg hervor, die im westafrikanischen Guinea seit fast einem Dreivierteljahr im Kampf gegen das Ebola-Virus im Einsatz sind. Sie seien ein Modellbeispiel für den Leibniz-Wissenstransfer in die Gesellschaft, so Matthias Kleiner. Fotogalerie:

www.leibniz-gemeinschaft.de/ medien/fotogalerien/leibniz-jahrestagung-2014/

Rede des Präsidenten auf der Festversammlung: www.leibniz-gemeinschaft.de/ ueber-uns/organisation/praesident/ matthias-kleiner/reden-undbeitraege

Rede des EU-Forschungs­ kommissars unter https://ec.europa.eu/commission/ 2014-2019/moedas/announcements/ research-vital-science-and-society_en

Videomitschnitte der Reden: www.leibniz-gemeinschaft.de/ medien/mediathek/

Justicia et Academia: Bundesjustizminister Heiko Maas im Gespräch mit Leibniz-Präsident Matthias Kleiner während des Eröffnungsabends in der Landesvertretung des ­Saarlandes. 47


LEIBNIZ | LIFE

90.000 Menschen besuchen MS Wissenschaft Im Oktober hat das Ausstellungsschiff MS Wissenschaft seine Tour im „Wissenschaftsjahr 2014 – Die digitale Gesellschaft“ durch Deutschland und Österreich beendet. 90.000 Menschen besuchten die Ausstellung „Digital unterwegs“ im schwimmenden Science Center, darunter auch 480 Schulklassen. Auch im „Wissenschaftsjahr 2015 – Zukunftsstadt“ wird die MS Wissenschaft mit einer Schau über Forschung für nachhaltige Stadtentwicklung unterwegs sein, wieder mit mehreren Exponaten aus Leibniz-Instituten. Der Start der Tour ist für Mitte April 2015 in Dresden geplant. www.ms-wissenschaft.de

Senckenberg strategisch erweitert

Die Stellungnahme im Wortlaut unter: www.wissenschaftsrat.de

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Die Gemeinsame Wissenschafts- gische Erweiterungsvorhaben konferenz von Bund und Län- beurteilt. Die Erweiterung der Sendern hat ein neues Verfahren für Erweiterungsvorhaben von ckenberg Forschungsinstitute bereits bestehenden Leibniz-­und Naturmuseen um das derzeit Einrichtungen und für Neuauf- über das hessische Exzellenznahmen in die Leibniz-Gemein- programm LOEWE geförderte Biodiversität und Klima Forschaft auf den Weg gebracht. Der Wissenschaftsrat (WR) schungszentrum (BiK-F) hält der bewertet dabei die wissenschaft- Wissenschaftsrat für eine ausgeliche Qualität, überregionale sprochen gelungene Maßnahme. Bedeutung und strukturelle Re- Besonders überzeugte dabei, wie levanz eines solchen Antrags für die unterschiedlichen Ansätze das Wissenschaftssystem. Im von Bio- und Geowissenschaften ersten Durchlauf des neuen Ver- in einer gemeinsamen Biodiversifahrens hat der WR zwei strate- täts- und Klimaforschung effektiv

miteinander verbunden werden. Die Verstetigung von BiK-F als Teil von Senckenberg wird zum 1. Januar 2015 vollzogen. Im zweiten Fall, der Erweiterung des Leibniz-Instituts für Polymerforschung Dresden (IPF) um das Kurt-Schwabe-Institut für Mess- und Sensortechnik (KSI) in Meinsberg, würdigte der Wissenschaftsrat die hohe wissenschaftliche Qualität beider Einrichtungen, sah das Konzept zur strategischen Erweiterung des IPF um das KSI jedoch als nicht überzeugend an.

Fotos: Ilja Hendel/Wissenschaft im Dialog; Hansruedi Weyrich

Wissenschaftler von BiK-F rekonstruieren unter anderem die Evolution von Braun- und Eisbären mit Hilfe von ­Chromosomen-Analysen.

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LEIBNIZ | LIFE

Senat: Fünf Förderempfehlungen Nach Abschluss der wissenschaftlichen Evaluierung von fünf Leibniz-Einrichtungen hat der Senat der LeibnizGemeinschaft Ende November deren weitere Förderung durch Bund und Länder empfohlen. Das Institut für Zeitgeschichte München-Berlin, das Deutsche Bergbau-Museum Bochum, das Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik und das Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (beide Berlin) sollen demnach für die maximal mögliche Dauer von sieben Jahren weiter gefördert werden. Für das Deutsche Schiffahrtsmuseum Bremerhaven empfahl der Leibniz-Senat die nächste Überprüfung der Fördervoraussetzungen bereits 2018 vorzusehen. Alle Stellungnahmen im Wortlaut unter www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/evaluierung

Fotos Solarion; Nanogate; Stadtarchäologie Lübeck; Qpoint; NHD

Zehn Millionen für Campi und Verbünde

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Der Senat der Leibniz-Gemeinschaft hat für Leibniz-Forschungsverbünde und LeibnizWissenschaftsCampi ergänzende Mittel aus der Förderlinie „Strategische Vernetzung“ in Höhe von mehr als 10,5 Mio. Euro bewilligt. Damit fördert die Leibniz-Gemeinschaft ab 2015 neben dem bestehenden Verbund zur „Historischen Authentizität“ über vier Jahre den neuen Leibniz-Forschungsverbund zu Infektionskrankheiten im 21. Jahrhundert unter der Federführung des Forschungszentrums Borstel – Leibniz-Zentrum für Medizin und Biowissenschaften. Außerdem werden sechs neue und vier bestehende WissenschaftsCampi zu den Themen Verbraucherpolitik (Berlin), empirische Linguistik und computerbasiertes Sprachlernen (Mannheim), neurologische Lern- und Gedächtnisforschung (Magdeburg), regeneratives Altern (Jena), Infektionsbekämpfung (Jena), Kognition von Primaten (Göttingen), Byzanzforschung (Mainz), Phosphorforschung (Rostock), pflanzenbasierte Bioökonomie (Halle) und Bildung in Informationsumwelten (Tübingen) gefördert.

Liste

Wissens- und Technologietransfer ist eine zentrale Aufgabe von Leibniz-Instituten. Immer wieder gründen Leibniz-Wissenschaftler Firmen, mit denen sie ihre Erkenntnisse auf den Markt zu führen:

Die Solarion AG entstand 2000 als Ausgründung aus dem LeibnizInstitut für Oberflächenmodifizierung in Leipzig. Die Firma produziert seitdem die nach eigenen Angaben leichtesten, dünnsten und flexibelsten Solarzellen der Welt. www.solarion.net Die Nanogate AG ist eins von mehreren Spin-Offs des Leibniz-­ Instituts für Neue Materialien in Saarbrücken. Die börsennotierte Firma beschäftigt inzwischen 260 Mitarbeiter in Entwicklung und Produktion von Hochleistungsoberflächen mit besonderen Eigenschaften bei Kratzfestigkeit, UV-Schutz, Anti-Statik oder Korrosionsschutz. www.nanogate.com Die B & S Analytik GmbH entstand als Spin-off des Leibniz- Institut für Analytische Wissenschaften in Dortmund (ISAS) auf dem Gebiet der medizinischen Diagnostik. Ein neu entwickeltes Atemluftspektrometer analysiert innerhalb weniger Minuten die Stoffwechselprodukte in einer Probe ausgeatmeter Luft auf mögliche Krankheitsanzeichen. www.bs-analytik.de Kurecon ist ein Start-up aus dem Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven. Es bietet spezielle Klimacontainer zur Konservierung von Kulturgütern an, deren patentiertes Feuchtregulierungssystem bei Außentemperaturen von +30 Grad bis – 30 Grad konstante Bedingungen im Innern der Container garantiert. www.kurecon.de Die Qpoint Composite GmbH ist eine Ausgründung des LeibnizInstituts für Polymerforschung Dresden. Sie hat sich auf die Fertigung von komplexen elektrisch erwärmbaren Formwerkzeugen spezialisiert. Die Produkte von Qpoint Composite kommen in der Serienfertigung der Luftfahrt- und Automobilindustrie zum Einsatz. Zum Beispiel bei Airbus, Daimler und Audi. www.qpoint-composite.de Kiel Economics entstand 2009 als Ausgründung aus dem Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Es bietet Dienstleistungen wie Analyse, Prognose und Modellierung ökonomischer Phänomene und Prozesse an. Der interdisziplinäre Ansatz berücksichtigt auch Erkenntnisse anderer wissenschaftlicher Fächer. www.kieleconomics.de Die NH DyeAGNOSTICS GmbH ist das erste Spin-off aus dem Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie Halle. NHD entwickelt Produkte für Nachweisverfahren von Proteinen. Der PIGchip, ein Biochip für Schlachthöfe zur Online-Überprüfung der Eberfleischqualität, wurde 2012 in der Kategorie innovativste Produktentwicklung des Hugo-Junkers-Innovationspreises Sachsen-Anhalt ausgezeichnet. www.dyeagnostics.com/

www.leibniz-gemeinschaft.de/transfer/gruendungen 49


LEIBNIZ | LIFE Pakt für ­Forschung bis 2020 verlängert

Die Leibniz‐Gemein­ schaft hat die Entscheidungen von Bund und Ländern in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) für die Zukunft des deutschen Wissenschaftssystems begrüßt. Für Forschungsorganisation ist dabei insbesondere die Verlängerung des Pakts für Forschung und Innovation für die Jahre 2016 bis 2020 von großer Bedeutung. Der sichere jährliche Aufwuchs von drei Prozent bedeutet für die Finanzierung der 89 Leibniz‐Institute insgesamt ein zusätzliches Mittelvolumen von mehr als 500 Millionen Euro durch den Pakt für Forschung und Innovation während seiner dritten Laufzeit. „Dass der Bund den Aufwuchs alleine tragen wird, ist ein sehr positives Signal dafür, dass die gemeinsame Forschungsförderung der Leibniz‐Gemeinschaft von Bund und Ländern auch künftig hohe forschungspolitische Priorität hat, die Länder aber gleichzeitig finanziell

entlastet werden, um ihrer Verantwortung gegenüber den Hochschulen besser gerecht werden zu können“, betonte Leibniz-Präsident Matthias Kleiner.

Verlosung 5 Exemplare des Buches „Sex macht Spaß“ Stichwort: „Spaß“ (3 Buchvorstellung auf S. 51). Stichwort: „Spaß“

3 Exemplare des Buches „Warum dick nicht doof macht und Genmais nicht tötet.“ (3 Buchvorstellung auf S. 51). Stichwort „Unstatistik“

Infrastrukturen im Überblick

Einen Einblick in das breite Spektrum forschungsbasierter und nutzerorientierter Infrastrukturen für die Wissenschaft in der Leibniz-Gemeinschaft bietet eine neue zweisprachige Broschüre. „Forschungsinfrastrukturen in der Leibniz-Gemeinschaft“ stellt damit ein Markenzeichen und eine Kernkompetenz der LeibnizGemeinschaft vor. Die Broschüre ist online verfügbar unter www.leibnizgemeinschaft.de/ medien/publikationen/ forschungsinfrastrukturen-in-der-leibnizgemeinschaft

Teilnahme unter Nennung von Stichwort, Name und Postanschrift per E-Mail an: verlosung@leibniz-gemeinschaft.de Einsendeschluss: 8. März 2015 Die Gewinner erklären sich im Falle des Gewinns mit der Nennung ihres Namens und Herkunftsortes im nächsten Leibniz-Journal einverstanden. Die Gewinner der Verlosungen aus dem Heft 3/2014: Jeweils eine Audio-CD „Der Sound des Untergangs: Tonmitschnitte aus den letzten Sitzungen des SEDZentralkomitees Oktober bis Dezember 1989“ geht an Herbert Kern aus Dogern, Helmut Zastrow aus Mülheim-Ruhr und Dr. Bhaskar Mukherjee aus Bondi Junction (Australien). Ein Exemplar des Buchs „Die Muslimbruderschaft Porträt einer mächtigen Verbindung“ erhalten: Peter Heintz aus Dresden, Marianne Grosz aus Berlin und Dr. Klaus Hartmann aus Bad Harzburg.

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Arbeiten bei Leibniz Die 89 Institute der Leibniz-Gemeinschaft beschäftigen 17.500 Mitarbeiter, darunter 3.500 Doktorandinnen und Doktoranden und zahlreiche Auszubildende.

Suchen Sie Ihre Zukunft unter

www.leibniz-gemeinschaft.de/stellenportal

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LEIBNIZ | LEKTÜRE

Steffen Münzberg, Susanne Thiele, Vladimir K ­ ochergin: Sex macht Spass, aber viel Mühe; 240 Seiten, 14,95 Euro; Orell Füssli Verlag, Zürich 2014 ISBN 978-3-280-05557-1

Thomas Bauer, Gerd Gigerenzer, Walter Krämer: Warum dick nicht doof macht und Genmais nicht tötet; 211 Seiten, Campus Verlag, Frankfurt a. M. 2014; 16,95 Euro

Abb.: Unicom; Orel Füssli Verlag (3); Campus Verlag (2); Hanser Verlag

ISBN 978-3-593-50030-0

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Marcel Fratzscher: Die Deutschland-Illusion - Warum wir unsere Wirtschaft überschätzen und Europa brauchen; 278 Seiten, Hanser Verlag, München 2014; 19,90 Euro ISBN 978-3-446-44034-0

Ein erotisches Verhältnis zu Bakterien und Viren dürften die wenigsten Menschen pflegen. Ist es also ratsam, ein Buch, das „Sex macht Spaß“ im Titel führt, mit diesen Mikroorganismen zu beginnen? Ja, denn sie sind der Grund, warum wir uns sexuell vermehren. Die Mischung der Gene hilft uns, die anpassungsfähigen Plagegeister in Schach zu halten. Susanne Thiele – passenderweise Pressesprecherin des Leibniz-Instituts DSMZ, der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen und ihre Co-Autoren führen die Leser mit viel Wortwitz auf eine Entdeckungsreise zur schönsten Sache der Welt. Neben dem evolutionären Ursprung

des Sexes widmen sie sich dabei unter anderem Fragen der Geschlechtsbildung, der Partnerwahl oder reproduktiver Strategien bei Mensch und Tier. Auch wenn gegen Ende des Buches gewisse Parallelen aus dem Liebesleben unserer nächsten tierischen Verwandten als mögliche Strategien im zwischenmenschlichen Umgang beschrieben werden, handelt es hier nicht um die fünftausendste Version eines Sex-Ratgebers a la „Mach’s wie die Mikrobe“. Vielmehr begeben sich die Leser auf eine kurzweilige und lesenswerte Tour durch die (Sozio-)Biologie der Fortpflanzung. Der Praxistest bleibt zum Glück reine Privatsache. c h r i stoph h er bort - v on l oeper

Zahlen können Menschen in Aufruhr versetzen. Sie können aber auch Hoffnungen schüren, darauf beispielsweise, Krankheiten durch bestimmte Verhaltensweisen oder Untersuchungen vorzubeugen. Beides trifft besonders dann zu, wenn sie in dramatisierenden Meldungen zitiert werden. Dass Panik wie Hoffnung häufig jede Datenbasis fehlt, zeigen der Ökonom Thomas Bauer vom RheinischWestfälischen Institut für Wirtschaftsforschung und seine Mitautoren, der Psychologe Gerd Gigerenzer und der Statistiker Walter Krämer. Ihre Diagnose ist eindeutig: Im Umgang mit statistischen Risiken und Wahrscheinlichkeiten herrsche hierzulande „eine Art Analphabetismus“. Bereits 2012 riefen

die Wissenschaftler deshalb die „Unstatistik des Monats“ ins Leben, um einen verantwortungsvollen Umgang mit Daten und Fakten anzuregen (www.unstatistik.de). Jeden Monat hinterfragen sie Statistiken und deren Interpretation. Und fordern, die Vermittlung statistischen Denkens in Schulen und Universitäten zu intensivieren. Besonders haarsträubende Beispiele sollen auch die Leser des Buches in die Lage versetzen, zwischen echter Information und Panikmache zu unterscheiden. So könne etwa die Zahl der tödlichen Hai-Angriffe um 100 Prozent steigen – und für den Einzelnen mit weltweit zwölf (statt zuvor sechs) solcher Vorfälle dennoch eine verschwindend kleine Gefahr beziffern. d av i d sc h el p

Deutschland geht es gut, und in Europa sind wir ohnehin die einzigen, die vernünftig wirtschaften. Zumindest wird das von einem Großteil der Bevölkerung, den Medien und der Politik so wahrgenommen. Marcel Fratzscher nimmt uns diese selbstverliebte, rosarote Brille ab und sagt: „Uns geht es ganz gut, aber…“ Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin räumt mit Deutschland-Illusionen auf, die uns als wirtschaftlichen Riesen erscheinen lassen, der alleine besser dastünde. Denn Deutschland braucht Europa, um selbst zu wachsen, ist Fratzschers Credo. Er führt uns vor Augen, wie fragil die Säulen sind, auf denen wir nach Rezession und Bankenkrise scheinbar ein „zweites Wirtschaftswunder“ errichtet haben.

Doch der Fratzscher geht über eine Analyse der Wirtschaftspolitik hinaus und zeichnet mit einer „europapolitischen Agenda“ den Weg für eine erfolgreiche Zukunft vor. Hierzu müsse Deutschland nicht nur seiner ökonomischen Vorreiterrolle gerecht und zur „Wachstumslokomotive“ Europas werden, sondern auch eine tiefere europäische Integration etwa durch mehr demokratische Legitimation befördern. Marcel Fratzscher zeigt der deutschen Wirtschaftspolitik strukturiert und differenziert ihre Fehler auf und stellt dar, welche Weichen für die Zukunft gestellt werden müssen. Trotz klarer und verständlicher Sprache büßt das Buch nicht an inhaltlicher Tiefe ein und gewinnt somit an gesellschaftspolitischer Relevanz.

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LEIBNIZ | LEUTE

Da wächst was nach Mit dem Nachwuchspreis 2014 hat die Leibniz-Gemeinschaft die herausragenden Doktorarbeiten des Psychologen Hauke Sören Meyerhoff, des Biotechnologen Tom Bretschneider (re.) und des Ingenieurs Mehmet Kaynak (li.) mit ihrem Nachwuchspreis ausgezeichnet. Dr. Hauke Sören Meyerhoff (31) vom Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) in Tübingen analysierte in seiner Doktorarbeit, wie der Mensch abstrakte soziale Wechselbeziehungen verarbeitet. Er widerlegt mit seinen Ergebnissen nicht nur bestehende Annahmen zu Wahrnehmungsprozessen belebter Objekte, sondern liefert auch wichtige Hinweise für Lern- und Neurowissenschaften.

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Der Mechatroniker Niklas Kroh (m.) vom Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik in Frankfurt (Oder) ist Träger des Leibniz-Auszubildenden-Preises 2014. Der 23-Jährige überzeugte die Jury durch exzellente schulische Noten sowie ein herausragendes Engagement in und über die Ausbildung hinaus. Als Mitglied eines dreiköpfigen Teams gewann er den zweiten Preis im Landeswettbewerb sowie den fünften Platz im Bundeswettbewerb „Jugend forscht“ im Fach-

Dr. Tom Bretschneider (28) vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – HansKnöll-Institut (HKI) in Jena hat in seiner Dissertation fundamental neue Erkenntnisse zur Biosynthese von Wirkstoffen und deren Visualisierung erarbeitet. Dr. Mehmet Kaynak (33) vom IHP – Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik in Frankfurt (Oder) liefert in seiner Doktorarbeit „RF-MEMS Switch Module in a 25 µm SiGe:C BiCMOS Process” wichtige Beiträge für zukünftige kostenund energieeffiziente Kommunikationssysteme. www.leibniz-gemeinschaft.de/ueber-uns/auszeichnungen/ nachwuchspreis/

bereich Physik. Aus seinen Forschungen zu mikrostrukturierten Elektroden für Brennstoffzellen ging ein Patent hervor. Inzwischen ist Kroh als Service-Techniker im Reinraum-Schichtbetrieb am IHP tätig. Die Endauswahl erreichten zudem die Physiklaborantin Linda Bölicke (l.) vom Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden sowie die Chemielaborantin Julia Muche vom Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden.

Die Anthropologin Sharon Jeanette Macdonald soll mit einer Alexander von HumboldtProfessur 2015 ein neues Zentrum für Kulturerbe- und Museumsforschung in Berlin aufbauen. Die 53-Jährige, die derzeit als Museumswissenschaftlerin und Sozialanthropologin an der University of York (Großbritannien) arbeitet, wurde dafür gemeinsam vom Institut für Europäische Ethnologie der

Humboldt-Universität zu Berlin, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und dem Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung vorgeschlagen. Als Alexander von Humboldt-Professorin soll Macdonald, die sich grundsätzlichen Fragen der musealen Präsentation von Wissen widmet, die Weiterentwicklung des Humboldt-Forums, des Museums für Naturkunde und der Museumsinsel begleiten. Die Alexander von Humboldt-Professur ist mit einem Preisgeld von fünf Millionen Euro für fünf Jahre Deutschlands höchstdotierter Forschungspreis. 4/2014


LEIBNIZ | LEUTE

Fotos: Peter Himsel; Christoph Herbort-von Loeper; Mike Beaney; Jaqueline Hirscher/DRFZ; IGB; IfZ; IWH; Jan-Peter Kasper/FSU; HKI/Ramm

Dr. Julia Polansky-­ Biskup vom Deutschen RheumaForschungszentrum Berlin hat einen Start-Up-Preis der Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie in Höhe von 50.000 Euro erhalten. Sie bekommt die Förderung für einen neuen therapeutischen Ansatz bei Autoimmunerkrankungen wie rheumatoider Arthritis. Dabei bekämpft das Immunsystem den falschen Feind – nämlich den eigenen Körper. Gesunde Menschen verfügen über funktionsfähige Immunzellen, sogenannte regulatorische T-Zellen (TReg), die spontan auftretende Autoimmunreaktionen verhindern. Patienten mit rheumatoider Arthritis verfügen über zu wenige beziehungsweise in ihrer Funktion beeinträchtigte TRegs. Die Zellen können jedoch im Labor aus anderen Blutzellen des Patienten hergestellt („konvertiert“) werden. Die Forscherin will nun untersuchen, ob sie konvertierte TRegs fit für den therapeutischen Einsatz machen kann. Die Biologin Dr. ­Kristin Scharnweber vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei ist mit dem Nachwuchswissenschaftlerinnen-Preis des Forschungsverbun4/2014

des Berlin ausgezeichnet worden. In ihrer Doktorarbeit untersuchte Scharnweber den Weg des Herbstlaubes in das aquatische Nahrungsnetz und zurück an Land Sie ergänzte so ein bislang fehlendes Puzzleteil im Kohlenstoffkreislauf. Wie eine Art Briefträger transportieren Blätter Kohlenstoff vom Land ins Gewässer, wo dieser wesentliche Bestandteil allen Lebens so lange weiter verwertet, bis er schließlich durch

weitere „Spediteure“ – nämlich Zuckmückenlarven – zurück an Land gelangt. Lange Zeit galten Gewässer als in sich geschlossene Systeme. Kristin Scharnweber konnte mit ihrer Arbeit den erneuten Beweis erbringen, dass die Nahrungsnetze im Wasser und an Land miteinander verbunden sind.

Als Zweite Stellvertretende Direktorin hat das Institut für Zeitgeschichte München-Berlin mit Prof. Dr. Elke Seefried erstmals eine Historikerin in seine wissenschaftliche Leitung berufen.

Prof. Dr. Christian Hertweck, Leiter der Abteilung Biomolekulare Chemie am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-KnöllInstitut in Jena, erhält einen der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preise 2015 der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Der 45-Jährige bekommt den renommiertesten deutschen Forschungspreis für einem Lehrstuhl für Volkswirtseine Arbeiten zu bioaktiven Na- schaftslehre an der Otto-vonGuericke-Universität Magdeburg. Gropp hatte seit dem 2012 eine Stiftungsprofessur für Sustainable Banking and Finance an der Goethe-Universität Frankfurt inne. Nach der Promotion in den USA war er unter anderem beim Internationalen Währungsfonds in Washington und bei der Europäischen Zentralbank tätig. Seiturstoffen, den denen er wesent- ne Forschungsinteressen gelten liche Impulse für das bessere Ver- vorrangig der Finanzökonomik, ständnis und für die Gewinnung der Makroökonomik und der anvon Wirkstoffen gegeben habe, so gewandten Ökonometrie. Reint die Preisjury. (mehr dazu in der Gropp: „Ich sehe das Institut mit nächsten Ausgabe des Leibniz- den drei Säulen Makroökonomik, Journals) Finanzen und Produktivität hervorragend aufgestellt und freue Prof. Reint Gropp, Ph.D., ist seit mich darauf, diese Stärken des 1. November 2014 Präsident Instituts weiter auszubauen und des Instituts für Wirtschaftsfor- noch stärker in die politische schung Halle (IWH). Die Präsi- Diskussion in Deutschland und dentschaft ist verbunden mit international einzubringen.“

Für ihre Forschungsergebnisse zu rätselhaften Nierenerkrankungen haben Dr. Christine Skerka und Prof. Dr. Peter F. Zipfel vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-KnöllInstitut in Jena den Galenusvon-Pergamon-Preis erhalten. Der von der „Springer Medizin Ärzte Zeitung Verlagsgesell-

schaft“ gestiftete Preis würdigt die Forschungen zur Dense Deposit Disease, die vor allem Kinder und Jugendliche betrifft und innerhalb weniger Jahre zum Nierenversagen führt. Die Forscher betrachten dabei vor allem die Immunantwort des Körpers, um darüber die Erkrankung besser verstehen zu lernen.

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LEIBNIZ | LEUTE

Prof. Dr. Matthias Steinmetz, Direktor des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam, ist zum Präsidenten der Astronomischen Gesellschaft gewählt worden. 54

Analysen mit dem Bernd Rendel-Preis der DFG ausgezeichnet worden.

Dr. Henrike Sell vom Deutschen Diabetes-Zentrum – Leibniz-Zentrum für Diabetesforschung in Düsseldorf hat den mit 10.000 Euro dotierten diesjährigen Forschungspreis

der Dr.-Günther- und Imme-Wille-Stiftung für hervorragende Arbeiten auf dem Gebiet der translationalen Medizin und verwandter Lebenswissenschaften erhalten. Prof. Dr. Esther ­Winther ist neue zweite wissenschaftliche Direktorin des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung ‑ Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen in Bonn.

Prof. Dr. Bernd Tillack ist mit Wirkung vom 24. September 2014 Wissenschaftlich-Technischer Geschäftsführer des Leibniz-Instituts für innovative Mikroelektronik (IHP) in Frankfurt (Oder). Er übernimmt das Amt von Prof. Dr. Wolfgang Mehr, der die Institutsleitung nach zwölf Jahren aus gesundheitlichen Gründen niederlegte. Bernd Tillack ist ein international renommierter Wissenschaftler auf dem Gebiet siliziumbasierter Höchstfrequenztechnologien. Seit 2000 leitet er am IHP den Bereich Technologie und ist seit 2008 Professor an der TU Berlin. Tillack befasst sich mit grundlagen- und industrierelevanten Themen. Seine Forschung hat sich in zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen, Patenten und industriellen Anwendungen niedergeschlagen. Die Soziologin Simona Szakács (l.) vom Georg-Eckert-Institut – Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung ist mit dem von der Braunschweiger Verlagsgruppe Westermann gestifteten Georg-Eckert-Forschungspreis

Den International Bionic Award der Schauenburg-Stiftung hat in diesem Jahr ein Team vom Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden erhalten. Die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung ging an Dipl.-Biol. Julia Nickerl (2.v.l.), Dr. René Hensel (m.) und Dr. Ralf Helbig (r.) für ihre Entwicklung robuster, wasser- und ölabweisender Polymer-Membranen nach dem Vorbild der Hautstrukturen

2014 ausgezeichnet worden. Szakács untersuchte Entwicklungen im Bildungssystem Rumäniens nach dem politischen Umbruch 1989. Sie stellte fest, dass Schulbücher, die früher stark von Patriotismus geprägt waren, heute wesentlich gemäßigter angelegt sind. Der einstmals verteufelte Individualismus hingegen wird als erstrebenswert hochgehalten. Zudem beobachtete Szakács, dass Lehrkräfte ironischerweise auf autoritäre Methoden zurückgreifen, um den Schülern ihren Status als mündige Bürger zu vermitteln. Der erstmals vergebene Nachwuchspreis ging an

die Lateinamerikanistin Kathrin Zehr (r.). In ihrer Diplomarbeit untersuchte Zehr, wie spanische Jugendliche heute die FrancoDiktatur (1939-1977) sehen und wie Familie, Schule und Medien ihre Vorstellungen prägen. Sie kam zu dem Schluss, dass die teilweise erschreckende Unkenntnis der jungen Generation über diese Zeit nicht auf fehlendem Interesse, sondern auf der mangelhaften Geschichtsvermittlung in einer polarisierten Gesellschaft beruht.

Fotos: DRFZ; El Afty; Heinrich-Heine-Universität / Wilfried Meyer; AIP; DIE; IHP; GEI; VDI/Woppowa

Für seine Entdeckungen, die zu einem grundsätzlich neuen Verständnis des immunologischen Gedächtnisses geführt haben, hat die Deutsche Gesellschaft für Immunologie Prof. Dr. ­Andreas Radbruch den Avery-LandsteinerPreis 2014 verliehen. Der Direktor des Deutschen RheumaForschungszentrums Berlin erhielt den von CLS Behring gestifteten und mit 10.000 Euro dotierten Preis unter anderem für die Entdeckung, dass langlebige „Gedächtniszellen” in speziellen Nischen im Knochenmark überleben. Diese sorgen dafür, dass das Immunsystem eine überwundene Krankheit nicht vergisst. Bei vielen chronisch entzündlichen Erkrankungen führen sie aber auch dazu, dass konventionelle Therapien dauerhaft gegeben werden müssen und diese Krankheiten bis heute noch nicht heilbar sind.

Der Geologe Haytham El Afty vom Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt am Main ist für seine Arbeit zur Erforschung ägyptischer Erdölmuttergesteine mittels palynologischer

von Springschwänzen. Der International Bionic-Award wird von der VDI-Gesellschaft Technologies of Life Sciences vergeben. Der von René Hensel und Kollegen produzierte Film über das Phänomen belegte beim Wissenschafts-Webvideo-Wettbewerb „Fast Forward Science“ Platz 2 in der Kategorie Community Award und Platz 3 in der Kategorie Substanz. http://youtu.be/XGreGuZE7zc

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REIH


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