LFI Magazin 2/2018 D

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2.2018

F E B R UA R | M Ä R Z

D 7,50 € A 8,50 € L 8,70 € I 8,80 € CHF 13,20

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Helen Levitt Jakob Schnetz Fabio Bucciarelli

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L E I C A F O T O G R A F I E I N T E R N AT I O N A L

AnaHell & Werner Amann


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20 L E S AS

s ichte l t n e f m veröf bliku n u u P r n e e Ih ional t en Si a r n e i r Buch t e n t e t e n t i s e ä l p Pr em h ein e kom c n i u e b e ins e i m S h Foto a n e fn winn ie Au e d g e d i un sow ttler. n e n K o i n t tatio k o n v u e d s m o rä m pr zur P rogra e p c s n g n ha Verla onale i die C t a e i n iews S r v e n e t e R n z i t h uf Nu u Buc hes a z c . d u n B ts u erten n p Ihres e x v E E ry rafieen Ju d n e Fotog g vorra r e h mit : traum l 2018 i i r e z p s A ldung bis 3. e 7 1 m 0 n 2 A mber e v o 15. N

DUM

© Foto: Hugo Alcol


Lf i 2 . 2 0 1 8

p o rt f o l i o l i g h t b ox

F / s to p

1 0 2 | Lf i . G a l e r i e

8 8 | M at t h i as h a r s c H

Über 23 000 Fotografen präsentieren in der LFI-Galerie mehr als 300 000 Bilder. In dieser Ausgabe mit dabei: berittene Polizei am Times Square und ein Flamingo in Belgien

Seit September 2017 ist Matthias Harsch Vorstandsvorsitzender der Leica Camera AG. Ein Gespräch über den Kern der Traditionsmarke, mögliche Veränderungen und die Herausforderungen des Markts

Ph oto

9 4 | SL - o b j e k t i v e Zwei neue kurze Tele für das SL-System: Mit dem Apo-Summicron SL 1:2/75 mm und 90 mm Asph macht Leica einen wichtigen Schritt nach vorn 9 8 | A p s - C -z u b e h ö r Spielerei oder notwendig? Von ledernen Tragriemen, farbenfrohen Protektoren, hellen Blitzen und hilfreichen Daumenstützen: Zubehör und Accessoires für die Leica CL und TL2

112 | bücher

Sarah Lee: aus der Serie Tender Are the Nighthawks, 2017

115 | Leica Galerien

AnaHell & Werner Amann 6 | Flash & Bones

Fehlfarben, Körpereinsatz und eine griechische Insel als Aktionsraum führen zu spannenden Experimenten

Jakob Schnetz 24 | chronologie eine s scheiterns

Verheißungsvoll klingt ihr Titel nicht – aber die Serie bietet tiefe Einblicke in postsowjetische Befindlichkeiten

Lorenzo Tugnoli Zum Verwechseln ähnlich: das Apo-Summicron 75 und 90 mm Asph

Neue Publikationen von Susan Meiselas, Christian Maillard, Naomi Harris, Patrick Willocq und Jan Grarup

4 0 | N a b a’A : 1 0 0 y e a r s o f e x i l e s

In Beirut ist das Viertel Naba’a für Flüchtlinge aus aller Welt zur Heimat geworden. Ein Besuch

Fabio Bucciarelli 6 0 | s ü d s u da n

Von der Geburt eines Staats aus dem Geiste der Armut – eine erschütternde Langzeitdokumentation

Sarah Lee

Das Programm der Leica Galerien weltweit – ein Überblick. Mit dabei: Julian Lennon, Nick Ut, Ralph Gibson, Ram Shergill und Ellen von Unwerth 1 1 6 | Au s st e l lu n g e n Elina Brotherus, Wien; Irving Penn, Berlin; Rineke Dijkstra, Hannover; Rimaldas Vikšraitis, Mannheim; Gute Aussichten 2018, Hamburg 1 1 8 | I n t e rv i e w Über Auswahlkriterien, Förderung und das richtige Feedback: Michael D. Davis von der Alexia Foundation im Gespräch 122 | mein Bild Auf dieses Foto ist der französische Fotograf Corentin Fohlen heute noch stolz; es markierte den Anfang seiner Karriere 122 | impressum

6 6 | T e n d e r a r e t h e N i g h t h aw k s

Schlaflos in London: eine melancholische Porträtreihe zwischen Mitternacht und Morgengrauen

Helen Levitt 78 | S t r a s s e n l e b e n

Als Street Photographer schuf sie ein unverwechselbares Werk: Hommage an eine New Yorker Legende

Coverfoto: AnaHell &

Werner Amann, aus der Serie Flash & Bones

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H e r i ta g e

Vo r 5 0 Jah r e n d i e n e u e Ko l u m n e

2018 – das Jahr, in dem der 70. Jahrgang der LFI erscheint. Gar nicht mal so schlecht für eine Zeitschrift, die sich ausschließlich mit Fotografie beschäftigt – und die zudem aus der Perspektive von Menschen berichtet, die sich den Produkten eines Herstellers verschrieben haben. Gewiss, es gibt in diesem Genre Zeitschriften, die noch einige Jahre mehr auf dem Buckel haben als die LFI, aber wie gesagt, 70 Jahre sind wirklich nicht schlecht. Der Heritage-Gedanke gehört zur Leica-DNS, was auch der neue LeicaVorstandsvorsitzende, Matthias Harsch, im Interview betont (S. 88). Das brachte uns auf die Idee, auch in der jeweils aktuellen LFI an dieses Erbe zu erinnern: in der Kolumne Vor fünfzig Jahren, die in der f/stop-Strecke erscheint (S. 101) und die einen Artikel aus der entsprechenden LFI noch einmal aufgreift. Zunächst sechsmal im Jahr, denn seinerzeit erschienen nicht acht Hefte, sondern nur sechs pro Jahr. Aber wir arbeiten uns heran!

Die sechs Cover des LFI-Jahrgangs 1968

Contributor

Ihre Serie Tender are the Nighthawks hat Lee mit einer M10 begonnen und mit einer Leica CL fortgesetzt. „Ich war skeptisch wegen des kleineren Sensors, aber dann doch überrascht, wie gut sich die CL schlägt. Meine Serie entsteht unter schwierigen Lichtverhältnissen, aber denen war die CL gewachsen. Sie hat sich in puncto Farbe und Tonalität ausgezeichnet gemacht. Außerdem ist sie sehr robust – wer mich kennt, der weiß, dass meine Kameras ein hartes Leben haben.“ 4 |

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Fab i o B u c c i a r e l l i „Ich habe den Drang, die Geschichte der Machtlosen zu erzählen, und möchte vorurteilsfrei über die Lage der Menschenrechte informieren“, sagt Bucciarelli. Zuletzt führte ihn sein Verständnis von Fotografie in den Südsudan. Unsichere Straßen, Rebellengruppen, Hunger, Cholera: Auf seinen Bildern hält er die Folgen des Bürgerkriegs fest, ohne dabei voyeuristisch zu sein oder Anklage erheben zu wollen. Das Porträt des italienischen Fotografen hat ein Kind im Südsudan aufgenommen.

Lo r e n zo T u g n o l i

Die Arbeit in Naba’a, einem kleinen multi-ethnischen Stadtviertel Beiruts, habe ihn verändert, sagt der Italiener, der in Beirut lebt und drei Jahre lang an dem fotografischen Essay gearbeitet hat. Er kann nun ein wenig Arabisch sprechen und fühlt sich wohler, wenn er sich Menschen nähert. Das Projekt und er seien zusammengewachsen – der Blick in die vielschichtigen Identitäten anderer habe ihn seiner eigenen nähergebracht und seinen fotojournalistischen Ansatz geschärft.

Fotos: Sarah Lee (links), Omaya Malaeb (rechts)

Sa rA h L e e


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Flash & Bones L e i c A SL

AnaHell & Werner Amann

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In Flash & Bones lassen die Fotografen AnaHell und Werner Amann gemeinsam ihre kreativen Muskeln spielen. Wenn gekonnte Fehlfarben auf surrealistischen Kรถrpereinsatz treffen, entsteht ein Feuerwerk aus Form und Farbe.

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A n ah e l l & Werner Amann Die Spanierin AnaHell wurde 1984 in Santo Domingo/ Dominikanische Republik geboren. Sie studierte Kunst in Malaga und arbeitete im Anschluss als Grafikdesignerin und Illustratorin. 2009 kam sie als Autodidaktin zur Fotografie. Werner Amann, geboren 1969 in Kösching, schloss das Studium für Film und Fotodesign an der Fachhochschule Dortmund ab. Sein Buch American gewann 2010 den ersten Preis beim Fotobookfestival Kassel.

anah e l l .co m we r ne ra ma n n.co m LFI -O nl i n e .D E / B log : Behind the Scenes Equipment: Leica SL mit Summicron-M 1:2/35 mm, Summarit-M 1:2.5/50 mm und Vario-Elmarit-SL 1:2.8–4/24–90 Asph

Türkise Kakteenpflanzen vor violettem Himmel, ein überstrahlter Fels mit roten Schatten vor pinkem Wasserspiegel, das überstrahlte Porträt eines Mannes in Mint vor Schwarz, der purpurne Schatten eines weiblichen Akts auf meerblauem Sand. In Flash & Bones trifft die Ablichtung organischer Umrisse auf psychedelische Lichtstimmungen, menschliche Körper muten wie skulpturale Elemente an. Die natürlichen Kulissen dienen als Projektionsfläche ekstatischer Farbverfremdungen, überdreht ins Surreale. Die spanische Fotografin AnaHell und ihr deutscher Kollege Werner Amann produzierten mit dieser Serie eine fotografische Scharade, die die Sehgewohnheiten des Betrachters in ein bewusstseinserweiterndes Rezeptionserlebnis transformiert. Flash & Bones ist im Sommer 2017 innerhalb von zehn Tagen auf der griechischen Insel Milos entstanden. Kennengelernt haben die beiden Fotografen sich über eine Shooting-Idee, die sie über die sozialen Netzwerke verbreiteten. In Berlin kam es vor rund eineinhalb Jahren zum ersten Treffen. AnaHell bringt in die Arbeit ihre Fähigkeiten als Grafikdesignerin und Illustratorin ein. Die Kamera sieht sie als „einen Weg, schneller zu zeichnen“. Eines ihrer Langzeitprojekte sind ihre Secret Friends, für die sie Gesichter auf heruntergebeugte Rücken malt und frontal fotografiert. Der surrealistische Körpereinsatz ist ihre Spezialität. „Der menschliche Körper kann sogar eine eigene Identität annehmen, ohne emotionale Irritationen, die Gesichtsausdrücke manchmal verursachen. Ich mag Gliedmaßen, Haut, den Rumpf und die Art, wie Körper sich verdrehen, sich bewegen und sich falten können, sie haben so viel Ausdruck und sehen fast so aus, also ob sie gar nicht menschlich sind – das fasziniert mich“, sagt die Künstlerin über ihre Wahrnehmung. Amann verortet sich selbst als Schaffender zwischen dokumentarischer-, Porträt- und inszenierter Fotografie. „Weil wir beide so unterschiedlich arbeiten, ist das Ergebnis für meine Begriffe sehr interessant

geworden, weil es eben eine Kombination aus zwei Herangehensweisen ist“, meint AnaHell. Für das gemeinsame Projekt haben die beiden Fotografen „bestimmte Ideen und Möglichkeiten von Körperlichkeit, Farbigkeit, Pflanzlichkeit und Sich-Aneignen von Orten kurzgeschlossen. Man braucht einen gewissen Aktionsraum für unseren Ansatz. Für mich ist es oft die Idee, einen klassischen Artist-StudioProduktionsweg auf einen großen geografischen Ort zu erweitern. Die Insel war ein optimaler Aktionsraum“, umreißt Amann das Konzept. „Diese griechische Landschaft könnte man als reine Ursprungswelt fotografieren. Es war jedoch ein wichtiger Punkt in der Geschichte, dass man nicht im Archaischen stecken bleibt, sondern das Thema weiterentwickelt: Es geht hier um Abstraktion, satte Farben und Körperlichkeit.“ Amann empfand die Zusammenarbeit bereichernd: „Wo sich unterschiedliche Positionen begegnen, kann gute Energie entstehen.“ Für die Farbeffekte musste Amann nur ein wenig am Rechner mit Photoshop und Lightroom arbeiten. Oft reichte das facettenreiche Licht der Insel für die Effekte schon aus. Die Fotografen haben zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten gearbeitet, um ein möglichst breites Spektrum einzufangen. Des Weiteren hat Amann mit farbigen Folien gearbeitet und „hin und wieder einen blauen Blitz benutzt, aber dann in der Postproduktion auf Magenta gedreht.“ Das Licht spielt in seiner Arbeit seit jeher eine zentrale Rolle. „Ich setze Licht oft sehr bewusst und sichtbarmachend ein, definierend und spielerisch.“ Im Gespräch mit dem Fotografen fügt er der Reflexion über das Licht noch eine nahezu philosophische Dimension hinzu: „Alles ist Licht. Licht kann auch körperlich sein.“ In den Bildern spielt es dementsprechend, erst fast unmerklich, später fast unweigerlich, die betörende Hauptrolle. Carla Susanne Erdmann

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Jakob Schnetz chronologie eines scheiterns

Sechs Monate hielt sich Jakob Schnetz in Tomsk im Westen Sibiriens auf – ohne journalistischen Leitfaden und auf der Suche nach einer Abbildbarkeit außerhalb erlernter Bildmuster. Seine dort entstandene Serie eröffnet eigenwillige Perspektiven in postsowjetische Befindlichkeiten.

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2016/17 lebte Jakob Schnetz sechs Monate in der westsibirischen GroĂ&#x;stadt Tomsk, die 3500 Kilometer Ăśstlich von Moskau gelegen ist. Die Stadt kam dem jungen Fotografen aus Hannover eigentĂźmlich vertraut vor und er stand vor der Herausforderung, sich eine scheinbar bekannte Umgebung neu anzueignen

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Der Fotograf erprobte unterschiedliche Strategien – tagebuchartiges Sammeln, Recherche kleinerer Geschichten oder die Konzentration auf ein Thema. „Jugend“ als Leitmotiv erschien ihm aber schon bald nicht mehr als tragfähig

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Wenn man nach einem verbindenden Element in Schnetz’ Serie sucht, könnte man auf Begriffe wie Tristesse oder Melancholie kommen – unterstrichen von der etwas desaturiert wirkenden Farbigkeit der Aufnahmen

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Die Marschrutki, die Kleinbus-Sammeltaxis, hatte Jakob Schnetz in Tomsk schätzen gelernt. Auch sie tauchen in seiner Serie Chronologie eines Scheiterns nur als einzelnes Element neben anderen auf. Das russische Wort „marschrutka“ leitet sich von dem ins Russische eingewanderten deutschen Begriff „Marschroute“ ab

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J a ko b S c h n e t z Der 1991 in Freiburg im Breisgau geborene Fotograf hat an der Hochschule Hannover Fotojournalismus studiert. Seine Arbeiten sind bereits in vielen Publikation wie Geo, taz, deVolkskrant, Süddeutsche Zeitung, Wired Online und Zeit Online erschienen. 2015 erhielt er das Gabriel-GrünerStipendium, im selben und im folgenden Jahr gewann er den Deutschen Jugend-Fotopreis und 2016 auch den LensCulture Emerging Talent Award.

ja ko bsc h n e tz .d e LFI -O nl i n e .D E / B log : one picture – one story Equipment: Leica M240

mit Summilux-M 1:1.4/35 mm Asph

Die Geschichte, die Sie hier sehen, ist keine Geschichte. Sie mag den Eindruck erwecken, doch folgt sie keinem journalistischen Leitfaden, keinem Thema, das konkreter wäre als „Russland“. Vielmehr ist es eine Suche nach einer Abbildbarkeit außerhalb erlernter Bildmuster – es sind Ausschnitte aus dem Prozess meines Arbeitens im westsibirischen Tomsk. Ein halbes Jahr bewege ich mich zwischen erlernten Herangehensweisen, der Suche nach Superlativen oder relevanten Stellvertreterthemen und dem Versuch, klassische Leitmotive der Berichterstattung über Länder Osteuropas zu vermeiden. In der ersten Woche spüre ich eine eigenartige visuelle Vertrautheit mit meiner neuen Umgebung – alles scheint bekannt: Häuser, Kleidung, Gesichter, Autos, Vegetation aus ostalgischen Fotografien westlicher Fotografen. Das Gefühl eines Abgleichens mit einer erlernten Bildwelt stellt sich ein – und die Herausforderung, mir eine scheinbar doch so bekannte Umgebung neu anzueignen. Meine selektive Wahrnehmung lässt mich die Themen, die ich bereits in Deutschland recherchierte, in Tomsk wiederfinden. Die Feststellung, dass das Sammeln von Bildern zäh ist und in einem kurzen Zeitraum nicht die gewünschte Tiefe bringt – gemessen an den erlernten Mustern und Marktkriterien – führt mich dazu, verschiedene kleinere Geschichten zu recherchieren, um produktiv zu sein und das Gefühl des richtungslosen Treibens zu brechen. Ein Versuch ist das Thema Jugend, aber ich verwerfe es wieder und fokussiere mich erneut auf tagebuchartiges Sammeln statt auf das Berichten über ein konkretes Thema. Ich entscheide mich für stark subjektives Arbeiten als Gegenentwurf zu einem „erklärenden Bild“, das Zuschreibungen befördert. Es besteht die Gefahr der Diffusion, aber es ist ein Versuch, klare Deutungsmuster aufzulösen. Das Gefühl des Scheiterns am eigenen Anspruch und an der Überwindung erlernter Bilder- und damit auch Wahrnehmungswelten begleitet mich permanent. Erneut stoße ich an die

Grenzen der eigenen Produktivität und des selbstauferlegten Produktionsdrucks mit der Methode des subjektiven Sammelns. Um mich abzulenken, arbeite ich nun an einer Serie über die Marschrutki, Kleinbus-Sammeltaxis, die ich sehr schätze. Immer wieder finde ich Themen und Motive, die in mein erlerntes und von Faszination geprägtes Bild von Russland passen. Es fällt schwer, diese Bilder nicht zu machen – aber es fühlt sich richtig an. Ich versuche, Bilder zu finden, welche unabhängig vom geografischen oder kulturellen Ort funktionieren, um mich auf Gemeinsamkeiten statt auf Unterschiede zu fokussieren. Stark vereinfacht gesagt: Fotografiere ich die alten Männer in Tarnkleidung beim Eisfischen auf dem Tom oder das HipsterCafé, in dem Millenials mit Baseballcap und Sneakers Cappuccino trinken und der Muße frönen? Bis heute besteht der größte Widerspruch darin, dass verklärende ostalgische Aspekte wie Kargheit, Archaik, Improvisation, UdSSR-Überbleibsel vielleicht meine Faszination für Russland weckten, mich dorthin führten und meine große Offenheit gegenüber dem Land nährten – gleichzeitig spüre ich aber, dass solche Bilder nur in Teilen der von mir erlebten Realität entsprechen oder gar gerecht werden. Ich will mir nicht anmaßen, aus der Distanz über Menschen zu urteilen oder hierarchische Bilder zu etablieren und somit ein „othering“, ein „Fremdmachen“, zu produzieren. Die Chronologie eines Scheiterns ist der Versuch, meinen Arbeitsprozess zu veranschaulichen und sich der genannten Problematik anzunähern – Bilder, verbunden oft nur durch den Ort ihres Entstehens und den Umstand, dass ich sie fotografiert habe: Eine stark konstruierte Arbeit, die versucht, die sozialisationsbedingte, selektive Wahrnehmung von Motiven und die sich daraus ergebende Konstruktion einer vermeintlichen Realität zu thematisieren. Jakob Schnetz

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Lorenzo Tugnoli

Naba’A

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Naba’A: 1 0 0 y e a r s o f E x i l e s . Ein kleines Viertel in der libanesischen Hauptstadt Beirut bietet seit fast hundert Jahren Flüchtlingen eine neue Heimat. In diesen Mikrokosmos unterschiedlicher Religionen und Nationalitäten ist Lorenzo Tugnoli tief eingetaucht und der Seele Naba’as fotografisch auf den Grund gegangen.

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In der Grotte von Naba’a (vorherige Doppelseite) beten Christinnen zu ihren Heiligen. In dem Beiruter Stadtteil leben Christen und Muslime unterschiedlicher Konfessionen eng beieinander lFI

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Ein junger Mann in einer Gegend, die frĂźher von einer christlichen Miliz kontrolliert wurde


Ruchus soll einst als Heckenschütze für eine christliche Miliz im libanesischen Bürgerkrieg gekämpft haben. In einem kleinen Café hängen Poster von Märtyrern, die mit der Hisbollah im Krieg in Syrien kämpften und gefallen sind

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Bei einem Barbier hängt ein Bild Saddam Husseins, des ehemaligen irakischen Präsidenten, an der Wand. Ein junger Straßenverkäufer vor seiner Ware – hinter ihm sind Abzeichen der libanesischen Armee zu sehen

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Die Metzgerei am zentralen Platz von Naba’a gehört Fahd Awed, dem Chef einer christlichen Miliz in Naba’a (oben li.). Victoria Antablians Familie (oben) kam bereits in den 1920er-Jahren als armenische Flüchtlinge lFI

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Kleingewerbe und Straßenverkauf prägen das Gesicht Naba’as – den Zufluchtsort am Rande Beiruts, der zwar mehrheitlich von Schiiten bewohnt wird, aber als multikultureller Mikrokosmos gilt

Lorenzo Tugnoli Der italienische Fotograf (*1979), der in Beirut lebt, hat drei Jahre lang in Naba’a fotografiert. Starke Kontraste, tiefes Schwarz und eine präzise Linienführung charakterisieren seine Arbeitsweise. Er hat international in Magazinen wie Le Monde, Newsweek, Time, Spiegel veröffentlicht und arbeitet regelmäßig für die Washington Post. Er wird von Contrasto repräsentiert.

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Im Winter wird Beirut von starken Regengüssen heimgesucht, die die Stadt in einen Morast verwandelt haben. Kinder auf Mofas oder alten Fahrrädern überholen uns. Vor den Marktständen, den Elektronikzubehör- und Barbierläden preisen Männer mit lauter Stimme ihre Waren und Dienstleistungen, dazwischen kleine Buden, die Schawarma verkaufen, auf deren kaputten Plastikstühlen junge Libanesen, syrische Flüchtlinge, Kurden oder Iraker ihre trostlosen und immer gleichen Tage des Wartens verbringen. Wir sind in Naba’a, einem kleinen Stadtteil Beiruts, der eigentlich nur aus drei dicht um einen Platz herum gebauten Häuserblocks besteht. Diese frühere Hafengegend in der östlichen Peripherie der libanesischen Hauptstadt gehört zu ihren ärmsten und problematischsten. Sie ist Teil der großen christlichen Gemeindeverwaltung von Bourj Hammoud und bot schon in den 1920er-Jahren Armeniern auf der Flucht vor dem Völkermord der Jungtürken eine neue Heimat. Hier am Platz liegt die Metzgerei von Fahd, in der eine Statue der Jungfrau Maria auf die Haken und Messer blickt, mit denen der Mann seit 30 Jahren arbeitet. Sehr christlich sei er, sagt der maronitische Fleischer von sich, während er dem Laufburschen der Bude zulächelt, der einige Meter von ihm entfernt auf dem Platz Kaffee ausschenkt. Unter dem Himmel von Naba’a hängen die Bilder der in Syrien an der Seite der Armee von Baschar al-Assad gefallenen Hisbollah-Märtyrer nur wenige Meter von den riesenhaften Darstellungen dornendurchzogener Christusherzen entfernt, während äthiopische, kenianische oder südostasiatische Arbeiter nach einem langen Tag im Kleingewerbe in ihre Häuser zurückkehren. Ein unauflösliches Gewirr von Stromkabeln scheint um eine Leere zu kreisen, in der christliche Kreuze und Bildnisse von Musa asSadr und die Symbole der schiitischen Partei Amal eingelassen sind.

Obwohl die Mehrheit der Bevölkerung in Naba’a heute schiitisch ist und politisch von der Hisbollah kontrolliert wird, präsentiert sich das Viertel als durchmischter und komplexer Mikrokosmos, den Flüchtlingsströme speisen, die die letzten 100 Jahre nahöstlicher Geschichte in verschiedenen Wellen stetig neu erzeugt haben. Aufgrund der niedrigen Lebenshaltungskosten haben hier seit Beginn des 20. Jahrhunderts immer wieder Menschen Zuflucht vor Krieg und Gewalt gefunden. Die ersten waren Armenier auf der Flucht vor der türkischen Verfolgung, danach kamen schiitische Muslime aus dem Südlibanon, die vor den israelischen Invasionen flüchteten, bis in die 1990er-Jahre waren es die Vertriebenen des langen libanesischen Bürgerkriegs, dann Familien aus Bagdad auf der Flucht vor den anstürmenden Amerikanern 2003 und schließlich die Überlebenden des andauernden Kriegs, der Syrien und Teile des Iraks zerstört. Müde und ausgebrannte Zeugen der Geschichte dieses Teils der Levante und ihrer tragischen Gegenwart. Auf den Straßen verschränken sich die Gesichter von Heiligen mit denen alter und neuer Diktatoren, und neben Schriften auf Arabisch oder Armenisch stehen Anzeigen auf Englisch oder Tigrinya. Die unermüdliche und allwissende Hayat führt uns durch das Gassenlabyrinth dieses kleinen Universums. Sie ist einer der Anker der Gemeinschaft von Naba’a, wo sie vor 46 Jahren geboren wurde. „Mein ganzes Leben hat sich in diesem Viertel abgespielt. Ich liebe Naba’a und bin überzeugt, dass kein zweiter Ort auf der Welt so viele unterschiedliche Geschichten, Glaubensrichtungen und Abstammungen in sich einschließt. Dass wir hier alle friedlich zusammenleben können, ist das Wichtigste. Wenn ich die Kirchenglocken und dann den Ruf des Muezzin höre, weiß ich, dass ich mich an einem Ort der Begegnung befinde.“ Hayat ist eine Sozialarbeiterin schiitischer Konfession, die man in Naba’a für ihr Engagement verehrt, sodass nach ihr bereits eine Straße und ein nahegelegener Garten benannt wurden.

Zwei ihrer Kinder haben Partner anderer Religionszugehörigkeit geheiratet und auch aus diesem Grund gilt ihre Familie vielen als Vorbild und Modell für ein friedliches Zusammenleben. Sie führt uns zu den Antablians: Abir, Syrerin christlich-orthodoxer Religion, geboren im syrischen Hama, ihr Ehemann Jean, christlich-armenischer Glaubensrichtung, geboren in Naba’a, sowie ihre beiden Kinder, Grazia und Serge, die fließend Arabisch, Armenisch und Englisch sprechen. Wenige hundert Meter von Hayats Straße liegt ein besonders von den Christen im Viertel inbrünstig verehrter Ort. Im zweiten Stock eines verlassenen Gebäudes betreten wir die sogenannte Grotte von Naba’a. Die Bewohner sagen, dass an diesem Ort seit 23 Jahren heiliges Öl aus einer Statue von Mar Charbel, des heiligen Scharbel, ausströme, die in einer Ecke des kleinen Zimmers steht. Im Halbdunkel ist es schwierig, die Profile der zwei Frauen zu erkennen, die ohne Unterlass einen Rosenkranz in ihren gepflegten Händen herunterbeten. Ihre Augen wandern zwischen dem Himmel, dem Bildnis des Heiligen und der Statue der Schmerzensmutter hin und her. Die Hände der Statue sind behängt mit Weihgaben von Menschen, denen die Gnade zuteil geworden ist. Eine unaufhörliche Litanei aus Schmerz und Hoffnung trifft auf das Schreien der Jungen, die draußen zwischen zerstörten Gebäuden Fangen spielen, ein Gebetsgesang, der sich mit dem Schmerz und der Hoffnung der Flüchtlinge, den Gesichtern dieses Orts vermischt, in dem zahlreiche Erinnerungen von Entbehrungen in einer Gegenwart der Begegnung zusammenfließen. Maria Camilla Brunetti

lore n zotu gn oli.com LFI-On lin e .DE/B log: Slideshow mit weiteren Fotografien Equipment: Leica-M240 mit Summicron-M 1:2/35 mm Asph und 1:2/50 mm

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Fabio Bucciarelli s ü ds u da n

Für ein Langzeitprojekt reist der Fotograf regelmäßig in den Südsudan. Dort dokumentiert er das Entstehen des jungen Staates. So warm die Farben der Bilder wirken, so drastisch ist das, was sie zeigen: die verheerenden Auswirkungen ethnischer Konflikte auf die Menschen.

Die Cholera ist nur eine Auswirkung des blutigen Bürgerkriegs. In Mingkaman begleiten Angehörige eine erkrankte Dinka-Frau in eine medizinische Einrichtung

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Am Ufer des Nil warten Südsudanesen darauf, wenigstens noch ein kleines Fischchen aus dem ankommenden Boot zu ergattern. Normalerweise lebt das Land von Viehzucht. Um der Hungersnot und der Cholera für einen Moment zu entkommen, suchen die Menschen oft Zuflucht in der Kirche und in ihrem Glauben. Bucciarelli reiste mithilfe der italienischen NGO Comitato Collaborazione Medica in den Südsudan – Logistik und Sicherheit waren ohne Hilfsorganisationen nicht zu gewährleisten


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Im Weißen Nil werden am 1. Mai 2017 Gläubige der Siebenten-Tags-Adventisten getauft. Die Religion spielt eine große Rolle und ist Teil der Identität


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Nach dem Ende des langen Krieges gegen den Norden schöpfte man im Südsudan Hoffnung. Diese Schule wurde 2005 errichtet, ursprünglich für junge Soldaten. Jetzt schreibt ein Student dort sein erstes Examen, während Viehzüchter unter einem Baum Domino spielen. Der Alltag existiert im Südsudan – wird jedoch überschattet von einem seit vier Jahren andauernden ethnischen Bürgerkrieg, der der UN zufolge bereits 1,3 Millionen Menschen in die Flucht getrieben hat


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Der Südsudan ist das jüngste Land der Welt – mit uralten Traditionen. Viehzucht ist das Zentrum von Kultur und Wirtschaft. Das wie ein Gemälde anmutende Foto nahm Bucciarelli in einem Rindergehege auf

Fab i o B u c c i a r e l l i Auf seinen Reisen berichtet der italienische Fotograf über vergessene Länder und bedrohte Menschen. Für eine Kriegsreportage aus Syrien erhielt er 2012 die Robert Capa Gold Medal, 2013 und 2015 war er LOBAFinalist. Als Freelancer arbeitet er für Time, Guardian, Stern u. a. Die Aufnahmen für The Devastating Human Cost of Famine and Cholera in South Sudan entstanden 2017.

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LFI: Libyen, Irak oder Syrien: Sie reisen in Länder, die wir als Krisengebiete bezeichnen. Nun waren Sie im Südsudan. Was haben Sie als charakteristisch empfunden? Fabio Bucciarelli: Der Südsudan ist definitiv der ärmste Ort, den ich je gesehen habe. Aufgrund jahrzehntelanger Auseinandersetzungen ist das soziale Gefüge komplett auseinandergebrochen. Es herrschen Mangelwirtschaft und Hunger. Im Südsudan gibt es mehr als eine Million unterernährte Kinder unter fünf Jahren – so viele wie sonst nirgends auf der Welt in einem so großen geografischen Raum. Kann man dort überhaupt noch von Leben sprechen? Die Menschen kämpfen ums Überleben. Es ist eine unmenschliche Situation, in der sie sich befinden. Die Mehrheit der Bevölkerung hat keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung, zu sauberem Wasser, zu Infrastrukturen oder Bildung. Stattdessen wird man Zeuge von Kriegsverletzungen und Cholera-Ausbrüchen. Was hat Sie in das Land geführt? Das erste Mal bin ich 2012 in den Südsudan gereist, ein Jahr nach dem Unabhängigkeitsreferendum. Damals steuerte das Land nach dem Krieg gegen den Norden von 1983 bis 2005 noch auf eine Wiederbelebung und Demokratisierung zu. Davon wollte ich mir ein Bild machen. Aber bereits 2013 spürte man, dass die Wunden des jahrzehntelangen Konflikts nicht heilen wollten. Die Suche nach einer nationalen Identität war dem politischen Kampf zwischen dem Präsidenten Kiir und seinem ehemaligen Stellvertreter zum Opfer gefallen. Als ich 2014 zurückkehrte, sah ich statt Demokratie einen blutigen ethnischen Bürgerkrieg. Leid statt Hoffnung. Nun befindet sich der Südsudan schon im fünften Kriegsjahr – und das Resümee sind Tausende Tote und schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen.

Was sollen Ihre Bilder zeigen? Die Werte, die Kultur und die Gesellschaft eines Landes, das versucht, einen neuen Staat zu schaffen, aber durch ethnische Konflikte gebremst wird. Die Identität des Südsudan. Welche Rolle spielen Religion und Tradition für die Identität? Traditionen spielen eine zentrale Rolle im Leben der Menschen, besonders in den ländlichen Gebieten. Dort bilden tradierte Kultur und Religion einen wichtigen Teil ihrer Identität. Ohne das Verständnis dieser Traditionen und der Vorstellung der Menschen von einer Gesellschaft, wäre es schwierig, den Friedensprozess in Richtung eines demokratischen Staates in Gang zu setzen. Glauben Sie, als Fotograf der Bevölkerung dort helfen zu können? Ja. Indem ich verantwortlich dafür bin, nach einer klaren Ethik zu arbeiten. Das bedeutet, die Menschen zu beachten, denen man begegnet. Das bedeutet auch, ihre Kultur zu verstehen. Ich versuche, emotionale Bilder zu produzieren, die dem Betrachter hoffentlich dabei helfen können, etwas zu erfahren – über eine Welt, in der wir alle leben. Fotojournalist zu sein ist eine Verpflichtung: Es geht nicht um Preise, um die Mitgliedschaft in großen Agenturen oder um Erfolge, sondern um Menschlichkeit und Ehrlichkeit. Reporter beschließen, zu reisen und die dunklen Seiten des Menschen und seines Daseins zu zeigen. Sie berichten durch die Fotografie, was in der Welt passiert. Sie zeigen intime, schicksalhafte Momente. Wie haben Sie das Vertrauen der Menschen gewonnen? Der Mensch ist das Thema der meisten meiner Bilder. Wenn du Emotionen durch die Fotografie transportieren willst, musst du ihm so nah kommen, dass du seine Gefühle erfassen kannst. Ich habe viel Zeit mit Südsudanesen verbracht, mich mit ihnen unterhalten und mir Einblick in ihr Leben gewähren lassen. Wenn ich nah genug dran war und sie verstanden habe,

fotografierte ich sie. Schon Robert Capa hat gesagt: „Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, warst du nicht nah genug dran.“ Verdanken Sie Capa Inspirationen für Ihr eigenes Werk? Ich lasse mich täglich von mehreren Fotografen inspirieren, von historischen und zeitgenössischen. Ich habe viele talentierte Freunde im selben Beruf, mit denen ich diskutieren und zusammenarbeiten kann. Aber mehr noch als die Fotografie hat mich die Malerei inspiriert. Meine Eltern nahmen mich schon früh in Museen mit, in die Uffizien, den Prado oder das Vatikanische Museum. Ob Leonardo, Tizian, Caravaggio, van Gogh oder Monet – noch heute fasziniert mich, wie Maler Licht und Komposition nutzten, um die Realität auszudrücken. Sie haben für Ihre Bilder jetzt eine Leica Q verwendet … … ja, ich brauchte eine kleine, effiziente Kamera. Die Lage war gefährlich und es gab keine Chance, sich wirklich frei zu bewegen und zu arbeiten. Über Ihre Verantwortung als Fotograf haben wir bereits gesprochen. Gibt es etwas, das die Betrachter Ihrer Bilder für Länder wie den Südsudan tun können? Zunächst müssen wir uns über die Ereignisse dort informieren, uns ein Bild von der politischen und wirtschaftlichen Lage des Landes machen. Das ist unerlässlich, um zu wissen, wie die Menschen leben, wie ihre Kultur aussieht. Erst dann wissen wir auch, welche Art Hilfe sie benötigen. Information ist die Basis für weitere Entwicklungen. Interview: Katja Hübner

fabiobu cc iare lli.com LFI-On lin e .DE/B log: Slideshow mit weiteren Aufnahmen aus der Serie Equipment: Leica Q, Summilux 1:1.7/28 mm Asph

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L e i c A M | CL

Sarah Lee Tender are Th e N i g h t haw k s

Der Melancholie der Nacht auf der Spur: Die britische Fotografin hat Menschen in den frühen Morgenstunden auf dem Heimweg beobachtet. Beinahe unerschöpflich erscheint das Potenzial der sublimen Farb- und Lichtstimmungen, die Lee in der Londoner Nacht entdeckte.

Eine letzte Zigarette, bevor der Nachtbus kommt – Impressionen aus einer müden Stadt, mitten in der Nacht

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Sarah Lees Fotografien zeigen die flüchtigen nächtlichen Begegnungen mit Unbekannten. Immer wieder gelingt es der Fotografin, Momente der Ruhe in ihren Bildern einzufangen, ohne dabei von den Porträtierten wahrgenommen zu werden

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Die Fotografin nutzt selbst die schwierigsten Lichtsituationen für ihre sensiblen Porträts. Lichtreflexe und Spiegelungen bezieht sie ganz bewusst mit ein, um in sanften Farben die Protagonisten aus dem Dunkel der Nacht herauszupräparieren

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Vor dunklem Hintergrund, von künstlichen Lichtern erhellt, treten die Gesichter der Porträtierten aus der Anonymität heraus. Ganz zufällig werden sie für einen kurzen Moment Repräsentanten einer einmaligen, oft melancholischen Stimmung

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Lee ist zumeist Freitag- und Samstagnacht in London unterwegs, um ihre Serie mit weiteren Porträts zu ergänzen. Insbesondere Busfenster können dabei Bilder von intimer Nähe rahmen

S a r ah L e e studierte englische Literatur, bevor sie sich entschloss, Fotografin zu werden. Heute arbeitet sie regelmäßig für The Guardian, The Observer und andere internationalen Magazine. Lees Serie Behind the Curtain stellt die Leica Galerie Los Angeles ab dem 24. Februar aus. Ihr erstes Buch West of West ist in Planung (LFI 7/2016 präsentierte einen ersten Einblick). Lee lebt und arbeitet in London.

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Auch wenn man die Musik nicht hört, so scheinen diese Bilder von einem Soundtrack begleitet: leise Bluesklänge eines Saxofons vielleicht oder die ruhigen Rhythmen eines langsam verklingenden Jazz-Standards. Diese Musik würde auf jeden Fall gut zu den Aufnahmen der müden Nachtschwärmer auf ihrem Weg nach Hause passen. Immer wieder hat Sarah Lee in der letzten Zeit an dieser stillen, intimen Serie Tender are the Nighthawks gearbeitet. Die Fotografin ist eine präzise Beobachterin, ihre genaue Ortskenntnis ist dabei von Vorteil, denn sie kennt sich in ihrer Heimatstadt sehr gut aus, insbesondere in Camden und Nord-London. Hier lebt sie selbst und war dort viele Nächte mit der Leica unterwegs. Die britische Metropole ist in den nächtlichen Aufnahmen kein turbulenter Ort voller vergnügungssüchtiger Menschenmassen, sondern Lee konzentriert sich in ihren Fotografien ganz bewusst auf einzelne Passanten, die sich auf dem Heimweg befinden und vielleicht einen amüsanten Clubabend hinter sich haben oder vielleicht auch von der Spätschicht nach Hause fahren. „Die Serie habe ich mitten in der Nacht fotografiert, zwischen zwei und vier Uhr morgens. Ich interessiere mich für die ruhigen, müden, manchmal melancholischen Porträts in einer Stadt, die bereit für die Nachtruhe ist.“ Als perfekte Kulisse dienten der Fotografin immer wieder die Nachtbusse oder die Wartestationen der Nachtlinien. Mit ihrem Thema steht die Fotografin in einer langen Tradition der Fotografiegeschichte. Ob die legendäre Serie von Walker Evans, die er heimlich von seinen Mitreisenden in der New Yorker Subway in den 1930erJahren aufnahm, ob Misha Pedans Serie aus der Moskauer Metro, die in den 1980er-Jahren entstand, oder die jüngere Serie Tokyo Compression von Michael Wolf aus den überfüllten Pendlerzügen der japanischen Metro-

pole: Schon immer bot das öffentliche Nahverkehrssystem der Großstädte Fotografen Inspiration und Motivvielfalt. Ein weiteres Vorbild für Lee ist Tom Wood, denn sein Buch Bus Odyssey war „eines der allerersten Fotobücher, die ich je gekauft habe, lange bevor ich mir vorstellte, professionelle Fotografin zu werden. Ich liebe auch Nick Turpins Arbeit oder Bob Mazzars Werk über die Londoner U-Bahn. Aber ich glaube nicht, dass ich jemand speziellem Tribut zolle. Das öffentliche Verkehrssystem wird immer humanistisch arbeitende Fotografen anziehen, weil es voller Menschen ist – Menschen aus allen Bereichen des Lebens“, erläutert Lee ihre Arbeit in einem Interview im Leica Blog. Vor allem schätzt die Fotografin das demokratische Miteinander, welches das gemeinsame Benutzen des öffentlichen Nahverkehrs auszeichnet, denn insbesondere in der Nacht ist es egal, woher man kommt oder zu welcher gesellschaftlichen Schicht man gehört. Alle sind durch einen einfachen Nenner miteinander vereint: dem Wunsch, möglichst schnell nach Hause und ins Bett zu kommen. „Als Fotografin fühle ich mich immer zu den Dingen hingezogen, die uns verbinden und uns an unsere gemeinsame Menschlichkeit erinnern, und nicht an jene, die uns trennen. Auch aus fotografischer und visueller Sicht fasziniert mich immer wieder die dramatische Qualität von beleuchteten Busfenstern und Bushaltestellen in dunklen Straßen. Im Idealfall versuche ich, die fast filmische Qualität dieser flüchtigen Momente der menschlichen Überschneidung im städtischen Leben einzufangen.“ Und in der Tat ist die Serie von der besonderen Licht- und Farbstimmung bestimmt. Immer wieder gelingt es Lee, die einzelnen Personen, selten auch Paare, in intimen Momenten in ein schmeichelndes Licht zu setzen. Die Lichtreflexe der Neonröhren oder Straßenbeleuchtung auf spiegelnden Flächen werden dabei ganz bewusst in Unschärfe gehalten, um den Blick auf die zufällig Porträtierten zu konzentrieren. Dass dabei die perfekte Kamera-

ausrüstung eine wichtige Rolle spielt, versteht sich fast von selbst. Begonnen hatte die Fotografin ihre Serie mit einer Leica M10, doch für die aktuellen Motive hatte sie bereits die Möglichkeit, die neue Leica CL zu nutzen. „Ich war etwas nervös mit der CL, weil ich schon sehr in dieses Projekt eingetaucht war und alle Bilder zuvor mit der M10 gemacht hatte, aber ich musste mir keine Sorgen über eine neue, kleinere Kamera machen. Es war alles, wie ich es mir erhofft hatte und mehr; ausgezeichnet bei schwachem Licht, schön, solide und robust in ihrer Konstruktion. Die CL fühlte sich nie wie ein Kompromiss an, was ein großes Kompliment ist, wenn man sonst mit der mächtigen M10 arbeitet.“ Spontaneität, Diskretion und Empathie bestimmen die Serie, vor allem zeichnen sich viele Motive durch die große Nähe zu den Porträtierten aus, obwohl die meisten Menschen Lee gar nicht bemerkten, als sie sie fotografierte. „Ich denke, dass die Bilder am besten sind, wenn das Subjekt nicht weiß, dass es beobachtet wird“, so ihre Einschätzung. „Zum größten Teil gab es keine Interaktion. Aber ein paar Menschen haben mich doch bemerkt und ich habe mit ihnen darüber geredet, was ich vorhabe. Ein Nah-Porträt ohne Erlaubnis um drei Uhr morgens zu erklären, erfordert eine gewisse Überzeugungskraft!“ Mit welcher Sensibilität die Fotografin ihre Aufnahmen geschaffen hat, belegt eindrücklich das Ergebnis. Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen, daher sollte jeder Nachtschwärmer in London auch weiterhin bei seinem nächsten Heimweg genauer hinschauen, wer noch mit ihm unterwegs ist. Ulrich Rüter

sarah mle e .com LFI-On lin e .DE/B log: Slideshow mit weiteren Bildern aus der Serie Equipment: Leica M10 mit Summilux-M 1:1.4/50 mm Asph und Leica CL mit Elmarit-TL 1:2.8/18 mm Asph

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LeicA klassiker

Helen Levitt S t r ass e n l e b e n

Nur wenige haben ihre Zeitgenossen so genau beobachtet wie Helen Levitt. Ein neuer Bildband würdigt das Frühwerk und zeigt ihre Meisterschaft im Erfassen des dramaturgisch kontrollierten Moments.

Die Straße als Bühne: Sich ausruhende Erwachsene oder das Spiel der Kinder inmitten des pulsierenden Lebens der Stadt (New York, um 1940)



Fenster, Hauseingänge, Trottoirs: Immer wieder gelingt es Helen Levitt, kleine Momente des Alltags zu zeitlosen Geschichten des Stadtlebens zu verdichten. Mit besonderer Empathie fällt ihr Blick auf das Spiel der Kinder, die mit einfachen Mitteln und Requisiten den Straßenraum für sich erobern

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Selten wird der Moment der Aufnahme in den direkten Blicken der Porträtierten so deutlich wie hier. Meist gelingt es der Fotografin, sich ihren Motiven so unauffällig wie möglich, aber so dicht wie nötig zu nähern und dabei völlig unsichtbar zu bleiben. Ohne Zweifel ist ihre diskrete Leica dabei von großem Vorteil

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Der Moment der Aufnahme und die Wahl des Bildausschnitts reißen einen Aspekt aus Zeit und Raum heraus und erheben ihn zur Metapher menschlichen Lebens in all seiner unvollkommenen Zufälligkeit. Helen Levitt erprobt ihren Blick immer wieder neu in dem ihr vertrauten Milieu der Großstadt

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Fotos: Helen Levitt © Film Documents LLC


Unzählige Fotografen haben mit ihrer Kamera die Straßen von New York erkundet, doch nur wenige Vertreter der Street Photography haben ein so geschlossenes und unverwechselbares Werk wie Helen Levitt geschaffen. Heute zählt sie zu den bedeutendsten Vertretern dieser fotografischen Gattung, die das Leben auf der Straße in den Mittelpunkt stellt. Geboren in Brooklyn, sollte sie fast ihr gesamtes Leben in New York verbringen und hat im Laufe ihrer langen Schaffenszeit immer wieder einzelne Stadtviertel mit ihrer Leica erkundet. Dabei lag es ihr völlig fern, ihre Heimatstadt zu verklären oder gängigen Klischees zuzuarbeiten. Immer sind ihre Aufnahmen direkt, klar und ohne jede Sentimentalität. Die Fotografien zeigen den Alltag ihrer Zeitgenossen, der ganz selbstverständlich zu einem großen Teil im öffentlichen Raum der Straße stattfindet. Mit größtmöglicher Unabhängigkeit hat sie das Leben der Stadt beobachtet und sich immer dagegen gewehrt, als sozialdokumentarische Fotografin gesehen zu werden. Als junge Frau findet Levitt ihren Weg zur Fotografie, ab 1931 ist sie Angestellte eines Porträtfotografen. Die wahre Inspiration für die eigene fotografische Bildsprache aber erhält sie von Henri Cartier-Bresson: „Als ich seine Arbeiten sah, wusste ich, das ist der richtige Weg. Mir gefiel, was er tat, deshalb wollte ich es genauso machen: raus auf die Straße, unter die Leute gehen“, bekannte Levitt am Ende ihres Lebens in einem Interview für den Spiegel. 1936 kauft sie sich ihre erste eigene Kamera, eine gebrauchte Leica III. Sie bewegt sich vor allem auf den Straßen der dicht bevölkerten Stadtviertel Black Harlem, Spanish Harlem und der Lower East Side. Insbesondere Aufnahmen von Kindern bilden einen Schwerpunkt ihrer Fotografie. Ihre Bilder mögen oft an Schnappschüsse erinnern, doch die genauere Betrachtung zeigt, dass Levitt ihre

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Motive bewusst auswählt und durch genaue Beobachtung zu präzise gestalteten Kompositionen kommt. Sie vermeidet jeglichen Anschein einer Inszenierung und will als Fotografin unsichtbar bleiben. Oft verwendet sie einen Winkelsucher, der es ermöglicht, auch aus unmittelbarer Nähe zu fotografieren, ohne dass die Abgebildeten sie als Fotografin wahrnehmen. Fast nie arbeitet sie seriell; erhaltene Kontaktbögen belegen, wie sparsam und ausgewählt sie einzelne Situationen und Momente sammelt. Ein neuer Bildband präsentiert nun 147 Schwarzweißfotografien aus den 30er- und 40er-Jahren. Neben einigen bekannten Motiven werden die meisten Arbeiten hier erstmals veröffentlicht. Ihr langjähriger Assistent Marvin Hoshino fand für seine Auswahl eine ungewöhnliche Struktur: Die einzelnen Kapitel zeigen Einzelpersonen, Paare, Dreiergruppen oder viele Passanten auf den Straßen New Yorks. Auch in seiner Auswahl stehen Kindermotive im Mittelpunkt. Levitts Fotografie wurde als poetisch, bewegt, intuitiv und momentan beschrieben, um sie von der Sozialdokumentation abzugrenzen. Und doch werden mit Blick auf die in vielen Jahrzehnten entstandenen Aufnahmen die Bedingungen und Lebensweisen einer städtischen Gesellschaft deutlich, die gerade in der Retrospektive Rückschlüsse auf Veränderungen zulassen. Armut und ethnische Vielfalt sind deutlich sichtbar, ohne jedoch auf romantisierende Idylle oder aufklärerischer Sozialkritik zu zielen. Es sind Aufnahmen einer verschwundenen Straßenwelt, in der es Kindern möglich war, sich selbst überlassen die Welt zu entdecken. Umso stärker wirkt der Kontrast zu den gentrifizierten Stadtvierteln und insbesondere dem größtenteils privatisierten Lebensraum der Kinder heute. Die Straßen auf Levitts Bildern sind Spielplätze und improvisierte Theaterräume, die vom Alltag, aber auch von der spielerischen Choreografie der Porträtierten leben. Genau diese Beobachtungsgabe der Fotografin lässt Levitts Aufnahmen so zeitlos wirken. Ulrich Rüter

Helen Levitt wird am 31. August 1913 in Brooklyn geboren. 1930 bricht sie die Highschool ab, arbeitet für einen Porträtfotografen und besucht Kurse der Photo League. Ihre erste Leica erwirbt sie 1936, entdeckt die Street Photography und assistiert u. a. Walker Evans. Sie arbeitet als Cutterin, dreht Experimental- und Dokumentarfilme wie In the Street (1948). Ab Ende der 50erJahre Rückbesinnung auf die Fotografie; Levitt entdeckt den Farbfilm für sich. Erst ab den 80er-Jahren fotografiert sie wieder hauptsächlich in Schwarzweiß. Seit den 90er-Jahren wird ihr Werk verstärkt international gewürdigt und ausgestellt, sie erhält zahlreiche Ehrungen und Preise. Am 29. März 2009 stirbt Levitt 95-jährig im Schlaf in ihrer New Yorker Wohnung.

H e le n Levitt: On e , Two, TH ree, More

204 Seiten, 147 Schwarzweißabbildungen, englisch, 20,6 × 21,1 cm, Powerhouse Books, Brooklyn, New York 2017 LFI-On lin e .DE/B log: Interview mit Buchdesigner marvin Hoshino


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– L e i c a- CEO Mat t H i as H a r s c h – S L - Obj e k t i v e – CL - & TL 2 -Z u b e h ö r –

z w e i N e u e Obj e k t i v e : L e i c a e rw e i t e rt das S L- ka m e ra Sys t e m u m Das A p o - s u m m i c r o n - S l 75 u n d 9 0 m M as p h

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„Au f das B i l d f o ku ss i e rt. “ I n t e rv i e w

Knapp ein halbes Jahr ist Matthias Harsch jetzt als Vorstandsvorsitzender der Leica Camera AG in Amt und Würden – Zeit für ein erstes Interview. LFI sprach mit Harsch über den Markenkern des Unternehmens und welche Akzente die Marke in Zukunft setzen wird.

Seit September 2017 leitet Matthias Harsch als Vorstandsvorsitzender die Geschicke der Leica Camera AG. Er war im April 2017 als Vorstand für Sales, Retail und Marketing & Corporate Communications in das Unternehmen eingetreten. Zuvor hat er als CEO der Loewe AG den Turnaround des renommierten Herstellers von Unterhaltungselektronik verantwortet und war Geschäftsführer der Bizerba Group. Vor seinem Wechsel zu Leica war Matthias Harsch Partner der Unternehmensberatung Candidus Management Consulting. 88 |

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LFI: Wofür steht Ihrer Meinung nach die Marke Leica? Wie würden Sie den derzeitigen Markenkern und die Markenbotschaft beschreiben? Matthias Harsch: Eine Traditionsmarke wird nicht ohne Grund zu einer Traditionsmarke. Sie hat in ihrem Bereich zu einer bestimmten Zeit oder in einer bestimmten Periode offensichtlich immer die richtigen Antworten gegeben. Daraus leitet sich ihr Markenkern, ihre Markenbotschaft ab. Der Reiz besteht darin, diesen Markenkern zu erhalten, aber ihn gleich-

zeitig auch weiterzuentwickeln. Das bedeutet, ihn an sich verändernde Gegebenheiten anzupassen, ohne ihn zu verbiegen und zu verraten, ohne ihn in blindem Aktionismus oder fahrlässig in die Beliebigkeit zu führen. Für mich besteht der Markenkern von Leica darin, immer die richtigen, die wesentlichen Antworten auf die Herausforderungen in der Fotografie zu geben. Unsere Aufgabe – unsere Mission, wenn Sie so wollen – besteht somit darin, dem Fotografen immer das Werkzeug an die Hand zu geben, um mit Kreativität und

Expertise das bestmögliche Ergebnis zu erzielen und dem Ergebnis eine Bedeutung zu verleihen, die nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in 10, 20 oder 100 Jahren noch Bestand hat. Das ist ein ganz essenzieller Aspekt, denn eine gute Fotografie fängt einen Moment ein, der nicht beliebig – wenn überhaupt – reproduzierbar ist. →

Der Vorstandsvorsitzende Matthias Harsch in der Eingangshalle des Leica-Hauptgebäudes. Im Hintergrund das Glaskunstwerk Kreiswerk von Alfons Alt


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Fotos: © Michael Agel


Sie ist eine unwiederbringliche Zeitkapsel, die es qualitativ nachhaltig zu bewahren gilt. Wenn sich ein Fotograf in diesem Sinne einer Leica anvertraut, dann sind wir es ihm schuldig, das zu gewährleisten. Eine Kamera, eine Leica, ist kein Selbstzweck. Am Ende muss alles auf das Wesentliche, das Bild, fokussiert sein. Mich haben schon immer starke Marken fasziniert, die über Innovation und ikonisches Design Zeitgeschichte geschrieben haben.

„ Leica hat imme r antizip iert, was i n der Fotog raf ie rel eva n t s e i n wird u nd w i rd das au ch in d e r Zu ku nft tun . ‚ M e too‘ ist fü r e i n e groSSe Ma r ke nicht genug .“

Firmen mit einer starken DNS immer wieder an die Erfordernisse der Zukunft anzupassen und dazu in ihrer Ausrichtung zu verändern, finde ich extrem spannend – so auch in meiner vorherigen Tätigkeit als CEO der Loewe AG. In diesem Sinne, was ist es, was Leica unbedingt bewahren sollte und worauf muss Leica in diesem Zusammenhang achten, möglicherweise seine Akzentuierung verändern? Leica muss seine Akzentuierung nicht grundsätzlich

verändern. Aber die Marke muss ihre Akzentuierung stets auf den Prüfstand stellen, sie justieren. Sie darf nicht auf der Stelle treten und so Gefahr laufen „gekodakt“ zu werden. Eine starke Marke fragt den Kunden nicht, was er möchte. Ich bemühe in diesem Zusammenhang mal Henry Ford, der einmal gesagt hat: „Wenn man die Leute gefragt hätte, was sie wollen, dann hätten sie gesagt: schnellere Pferde.“ Auch Apple hat die Kraft gehabt, Kundenbedürfnisse zu antizipieren und war und ist damit überaus erfolgreich. Leica hat immer antizipiert, was in der Fotografie relevant sein wird und wird das auch in der Zukunft tun. „Me too“ ist für eine große Marke nicht genug. Sehen Sie eine Veränderung der Fotografie, und wenn ja, wo sehen Sie in diesem Zusammenhang Leicas Rolle? Ich würde nicht sagen, dass sich die Fotografie verändert. Die Digitalisierung und der rasante technologische Fortschritt führen dazu, dass sich die Erstellung und Distribution von Fotos verändert. Es werden heutzutage mehr Fotos pro Tag geschossen als jemals zuvor und an viel mehr Leute verteilt. Die Medien, die diese Fotos distribuieren, sind einem schnellen Wandel unterworfen. Und was heute vielleicht Trend ist, kann morgen schon wieder ganz anders aussehen. Das Wesen guter Fotografie ändert sich aber nicht. Die Herausforderung in diesem Zusammenhang besteht nun darin, heute dem technisch Machbaren nicht reflexartig →

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zu folgen, sondern herauszudestillieren, was relevant ist und sein wird. Ist Lichtstärke, perfekte Schärfe bei voller Blendenöffnung Kür oder Pflicht? Gibt es andere Dinge, die Leica akzentuieren sollte? Geht es um einzelne Features oder die Art ihrer Kombination und Gewichtung und möglicherweise darum, wie sie als System für den Endanwender zu handhaben sind, also um das Zusammenwirken der einzelnen Komponenten? Aber verstehen Sie mich hier nicht falsch. Der unbedingte Wille zur Pflicht steckt Leica tief in den Genen, ist Bestandteil des Markenkerns. Leicas haben nicht umsonst ihren Preis. Er spiegelt dieses Streben nach dem letzten Quäntchen des sinnvoll

„Das g e d ru c kt e B i ld ste llt i n g e w i ss e r W e i s e e i n e n e moti on ale n Abs c h luss da r, d e n das flü c h t i g e , ku rzw e i li g e D i g i ta l e B i ld s o n i c h t er re i c h e n ka n n . “

Machbaren wider. Wenn also unsere Objektiventwicklung in unseren neuen Objektiven ein Feature wie den „Dual Synchro Drive“ (siehe Seite 94) einführt, dann ist das relevant. Aber ich sage auch, dass es wenige geben wird, die ein Produkt nur deshalb kaufen werden, weil es über eine bestimmte Funktion verfügt. Für unsere Kunden ist vielmehr relevant, in welchem Kontext eine solche Technologie zum Einsatz kommt und wie sie auf das Gesamtsystem wirkt. Es gilt also, derartige Features in einem System so zu integrieren, dass immer das „beste“ Bild entsteht. Was antworten Sie, wenn Sie hören, dass in Zeiten des Smartphones eigentlich

niemand mehr eine Kamera benötigt? Wie gesagt, ich bin der Meinung, dass sich die Fotografie eigentlich nicht verändert. Vieles, was mit Smartphones abgelichtet wird, ist keine Fotografie, sondern die bildliche Dokumentation einer verdichteten Informationsübermittlung für bestimmte Zwecke – etwa über soziale Medien. Aber der technische Fortschritt bei Smartphones ist rasant, sodass auch immer mehr wirkliche Fotografie mit Smartphones stattfindet. Technisch haben die Bildergebnisse hier ein beachtliches Niveau erreicht und nicht ohne Grund engagiert sich Leica, etwa in seiner Partnerschaft mit Huawei, in diesem Bereich.

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Hier kommen wir wieder zu meinem Ausgangspunkt. Natürlich ist die technologische Entwicklung bei Smartphones rasant, aber in diesem Kontext das perfekte Bild zu generieren, bedarf der Kompetenz von Leica, welche sich wiederum Leica auch neu aneignen musste. Physikalisch betrachtet, bedarf es für gewisse Aufnahmen jedoch weiterhin Systemkameras, deren Technologie sich auch rasant weiterentwickelt – siehe das Beispiel Mirrorless – und das generell wachsende Interesse nach Fotografie lässt dieses Produktsegment weltweit wachsen. Welche Höhepunkte können wir im Leica-Jahr 2018 erwarten?

Haben Sie bitte Verständnis, dass ich über geplante Produkte nichts sagen kann. Aber werfen Sie einen Blick auf unser CL-System und die neuen Objektive für die Leica SL, die wir gerade einführen, und auf die Logik, die dahinter steckt, und wie sich etwa unsere Objektive über verschiedene Systeme hinweg nutzen lassen. Sie werden feststellen, dass wir beim Objektivdesign gerade neue Maßstäbe definieren, die zukünftigen Anforderungen mehr als gerecht werden. Das ist Hightech im besten Sinne. Zum Bauabschnitt LeitzPark 3 gehört auch das Leica Museum, das 2019 eröffnet. Welche Bedeutung hat die Rückbesinnung auf histo-

rische Errungenschaften für das Unternehmen? Die Besinnung auf das Marken-Heritage, dem wir mit dem Experience Center und dem Museum im Leitz Park 3 neues Gewicht verleihen, ist nur vordergründig retrospektiv. Sie zeigt die Stringenz unseres Handelns in den letzten 100 Jahren. Diese Kontinuität ist das, was die Marke ausmacht und was wir mit dem Museum dokumentieren möchten. Trifft das auch auf die mittlerweile 18 Leica Galerien in aller Welt zu? Wie wichtig sind diese „realen Räume“ im Gegensatz zum inzwischen allumfassenden virtuellen Raum? Was wir in unseren Galerien und auch mit unseren an-

deren Ausstellungsveranstaltungen und aufwendig produzierten Print-Erzeugnissen verfolgen, dokumentiert die große Wertschätzung, die wir Fotografen und ihrem Werk entgegenbringen. Wir sind gerade in der digitalisierten Welt von heute der Meinung, dass dem Bild, das nicht nur im Schaffensmittelpunkt des Fotografen steht, sondern auf das auch Leica sein Wirken fokussiert, ein besonderer, ja emotionaler Rahmen gebührt. Das sorgfältig gedruckte Bild stellt in gewisser Weise einen emotionalen Abschluss dar, den das flüchtige, kurzweilige Digitale so nicht leisten kann. Leica braucht das Bild und das Bild braucht Leica. INterview: Frank P. Lohstöter

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Gemischtes Doppel AP o - s u mm i c r o n - s l

Fast zeitgleich liefert Leica mit dem Apo-Summicron-SL 1:2/75 und 90 mm Asph gleich zwei neue Festbrennweiten für das SL-System aus, die keineswegs zufällig einige Gemeinsamkeiten haben und die Einsatzmöglichkeiten der Kamera enorm erweitern.

Erst eine größere Auswahl an Objektiven macht aus einer Kamera mit ein paar Objektiven ein echtes Kamerasystem – aber es dauert eben, bis alle Standards besetzt sind und jeder die für ihn wichtigsten Objektive findet. Was das betrifft, hat Leica mit der Vorstellung des Apo-SummicronSL 1:2/75 und 90 mm Asph einen wichtigen Schritt nach vorn gemacht. Denn mit ihnen ist man für Porträts endlich nicht mehr auf Zooms oder adaptierte MObjektive angewiesen, sondern hat leistungsstarke Festbrennweiten mit Autofokus zur Verfügung. Als erste SL-Objektive hatte sich Leica auf die potenten Zooms und ein extrem lichtstarkes 50er konzentriert. Diese Objektive zeigen, was im Kleinbildbereich möglich ist, sind aber 94 |

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allesamt groß und schwer. Die Rolle des kompakten Kleinbildsystems spielt bei Leica eben schon die M, die SL hingegen ist, obwohl sie ebenfalls das Zentrum eines spiegellosen Systems bildet, eher der Leistungsträger. Die beiden neuen Apo-Summicron-Objektive ordnen sich ebenfalls dem Leistungsprinzip unter, sind gleichzeitig aber relativ kompakt. Da uns Leica die Objektive leider noch nicht für einen Test zur Verfügung stellen konnte, konnten wir dieses Versprechen noch nicht selbst überprüfen. Zw ei ku rze T ele. Die

neuen Objektive sind beinahe gleich groß und schwer und beide sind deutlich kompakter und leichter als das Summilux-SL 1:1.4/50 mm Asph, das zwar eine Stufe lichtstärker ist, aber

„nur“ ein Normalobjektiv. Da versprechen die beiden neuen Summicron-Objektive mehr Aufregung und Spezialisierung. Über den Haupteinsatzzweck des Apo-Summicron-SL 1:2/90 mm Asph muss man nicht viel erzählen: Das 90er ist das klassische Porträt-Tele, mit dem man etwas Distanz zum Motiv wahren und dennoch den Kopf formatfüllend abbilden kann. Gleichzeitig verengt das 90er die Perspektive noch nicht so stark wie stärkere Tele-Objektive und sorgt damit für eine noch als natürlich empfundene Bildwirkung. Das 75er hingegen ist praktisch eine Leica-Spezialität, denn diese Brennweite kommt bei anderen Herstellern höchstens als Grenze für Zoom-Objektive zum Einsatz, aber nie als Festbrennweite. So betrachtet

ist Leicas Festhalten an dieser Brennweite, die vor allem im M-System sehr beliebt ist, für Außenstehende durchaus erklärungsbedürftig. Doch dieser Bedarf legt sich erfahrungsgemäß schnell, wenn man mit diesem Objektiv wirklich fotografiert, denn man begreift fast sofort, wie reizvoll diese Brennweite sein kann. So lassen sich Porträts machen, die etwas mehr vom Körper oder mehrere Personen zeigen können. Mit dem 75er muss man nicht ganz so weit weg, rückt dem Motiv aber dennoch nicht so weit auf die Pelle wie mit dem 90er. Und die perspektivische Wirkung bleibt dabei noch natürlicher als beim 90er. Ein 75er hat seinen ganz eigenen Reiz, vor allem dann, wenn es dank hoher Lichtstärke das Spiel mit Schärfe und Unschärfe erlaubt.


D e r D ua l Sy n c hro D r i v e . Dass Leica sich bei

Sie haben sich nicht verguckt: 75er und 90er haben fast das gleiche Gehäuse, die gleiche Haptik und fast das gleiche Gewicht. Beide wurden gemeinsam entwickelt und teilen sich das Bauprinzip mit dem Dual Synchro Drive für einen schnellen Autofokus

Mit der SL ergeben die beiden neuen Objektive eine handliche, praktische Kombination. Wer sich auf den AF nicht verlassen mag, findet einen griffigen Entfernungseinstellring als einziges Bedienelement, der seine Kommandos an die Elektronik weitergibt

der Anfangsöffnung auf 1:2 beschränkt hat, hat eher mit dem Wunsch zu tun, die Objektive kompakter und besser handhabbar zu gestalten. Der Anspruch an die Leistung orientiert sich dagegen wie bei der SL üblich am Maximum. Dabei musste Leica Neuland betreten, denn die APO-SummicronObjektive sollen nicht nur optisch das Machbare ausloten, sondern auch bei der Geschwindigkeit des Autofokus, beim Handling und der Langlebigkeit. Vor allem der AF zwang Leica, die gewohnten Pfade zu verlassen, denn die beispielsweise bei der M problemlos anwendbaren Fokussiermethoden, die das Verschieben größerer Linsengruppen vorsehen, sind bei der SL nicht anwendbar, weil hier die bewegte Masse so gering wie möglich bleiben muss. Daher entwickelte Leica den „Dual Synchro Drive“, also das Bewegen nur zweier, voneinander unabhängiger Linsen, während der Rest fest stehen bleiben kann. Jede dieser Linsen ist so leicht, dass sie Schrittmotoren mit Spindelantrieben bewegen können – eine Antriebsform, die sonst fast nur in Kompaktkameras angewendet werden kann, die aber extrem schnell ist. Die Elektronik koordiniert die beiden unabhängigen Antriebe miteinander. Bei der SL gibt es ja keinen dedizierten AF-Sensor, stattdessen erfordert die Kontrastmessung des Bildsensors mindestens zwei Messungen und eine Menge Rechenintelligenz, um Richtung und Länge des Fokussierten zu bestimmen. Daher ist → lFI

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bei der SL die Geschwindigkeit der Messung und AFVerstellung entscheidend. Um mit lediglich zwei verstellbaren Linsen dennoch eine perfekte Schärfeleistung vom Nahbereich bis unendlich und bis in die Bildecken zu schaffen, muss die optische Rechnung darauf abgestimmt sein und gerät entsprechend aufwendig. Ein Blick in die Linsenschnitte demonstriert das deutlich: Während die beiden neuen Apo-Summicron-Objektive 11 Linsen in 9 Gruppen aufweisen, kommt das manuell fokussierte Apo-Summicron-M 1:2/75 Asph im Vergleich mit sieben Linsen in fünf Gruppen aus. Eine der 11 Linsen weist zudem asphärische Oberflächen auf

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und insgesamt können sich sowohl das 75er als auch das 90er mit dem Prädikat „apochromatische Korrektur“ schmücken, das für die optische Korrektur der Bildfehler im gesamten sichtbaren Farbspektrum steht. Au fw en d ige Kon stru ktion . Natürlich hat

der hohe Aufwand auch mit den gestiegenen Ansprüchen an die Leistungsfähigkeit zu tun. So hat Leica intern damit begonnen, MTFKurven nicht mehr wie früher mit 40 Linienpaaren pro Millimeter zu erzeugen, sondern mit 60 lp/mm deutlich höhere Anforderungen zu stellen, die man nur mit höherem Konstruktionsaufwand erfüllen kann. Die Datenblätter zeigen noch

die Kurven für maximal 40 Linienpaare und deuten für beide Objektive auf wirklich superbe Leistungen von der Naheinstellgrenze bis unendlich und von offener bis zu geschlossener Blende. Das Suchen nach Schwachstellen macht wie so oft bei modernen LeicaObjektiven wirklich keinen Spaß, denn man findet einfach keine. Abblenden bringt nichts, weiter weg gehen auch nicht und es ist auch kein wirklicher Unterschied zwischen den beiden sehr ähnlichen Objektiven zu sehen. Wenn überhaupt, scheint beim 75er die Leistung bei Offenblende einen Hauch mehr abzufallen, aber dieser Unterschied dürfte wohl nur auf der optischen Bank auffallen.

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Auch für den Schärfetiefeneindruck ist die optische Leistung mit verantwortlich, denn es ist vor allem der Unterschied zwischen scharfen Zonen und solchen, die in der Unschärfe liegen, die den Eindruck von Schärfentiefe hervorrufen. Ist der Schärfeeindruck so hoch wie bei den neuen Apo-Summicron-Objektiven, verstärkt sich auch der Eindruck von Schärfentiefe. Leica spricht hier von einem steilen Kontrastberg, der den Unterschied zwischen Schärfe und Unschärfe stärker als gewohnt betont. An den SummicronObjektiven arbeitet Leica schon seit Beginn des SLProjekts und auch an der Idee und Realisierung des Dual Synchro Drive.

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Es hat eine Weile gedauert, bis dieser neue Denkansatz marktfähige Resultate bringen konnte, zumal auch eine bislang ungekannte Genauigkeit in der Fertigung beim Schliff und Zentrieren der Linsen erforderlich ist, damit das Design funktioniert. Daher waren auch von Anfang an Mitarbeiter der Fertigung in die Konstruktion involviert. Dass sich das 75er und 90er innerlich wie äußerlich stark ähneln, ist kein Zufall, sondern Absicht, denn so ist sichergestellt, dass Fotografen, die beide Objektive besitzen, sie gleichermaßen intuitiv bedienen können, die Hände automatisch an den richtigen Plätzen landen und die Kamera immer gleich ausbalanciert ist.

Fazit. Die beiden neuen

Apo-Summicron-Objektive sind deutlich kompakter als die bisher erhältlichen SLObjektive, obwohl sie mit einer Länge von gut 10 Zentimetern und einem Gewicht von 720 und 700 Gramm keineswegs zierlich sind, schon gar nicht verglichen mit M-Objektiven. Doch der Fortschritt bei der Handhabung ist unverkennbar und wenn die optischen Leistungen und die AutofokusGeschwindigkeit so enorm sind, wie Leica sie im Datenblatt verspricht, bereichern die beiden neuen Kurz-Teles das SL-System enorm. Über die Langlebigkeit der Objektive und ihre Abdichtung gegen Wasser und Staub, die für alle Komponenten des SL-Systems gilt, muss

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APO -summicron -SL 1 :2/9 0 MM Asph

Bildwinkel (diagonal/ 31,8/26,7/18 horizontal/vertikal) Grad

Bildwinkel (diagonal/ 27,3/22,9/15,4 horizontal/vertikal) Grad

Linsen/Gruppen

11/9

Linsen/Gruppen

11/9

Asphären

1

Asphären

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Entfernungsbereich

50 cm bis ∞

Entfernungsbereich

60 cm bis ∞

Filtergewinde

E67

Filtergewinde

E67

Abmessungen (Länge x Breite)

102 × 73 mm

Abmessungen (Länge x Breite)

102 × 73 mm

Gewicht

720 g

Gewicht

700 g

man ohnehin nicht mehr viele Worte verlieren. Es ist übrigens auch kein Geheimnis, das es im zweiten Halbjahr zwei weitere Summicron-SL-Objektive geben wird, nämlich ein 35er und ein 50er, die ihrerseits einige Komponenten mit den beiden jetzt präsentierten Objektiven teilen und

gemeinsam mit ihnen entwickelt wurden. Des Weiteren wird auch noch ein 16– 35-mm-Vario in nächster Zeit die Palette der SL-Objektive bereichern. Spätestens dann kann man nicht mehr von einer Kamera mit ein paar Objektiven, sondern muss von einem System sprechen. holger sparr

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Ergänzungsmittel CL - u n d TL 2 -Z u b e h ö r

Manches braucht man, manches nicht zwingend und manches ist einfach hübsch. Wir geben einen Überblick über das Zubehör und die Accessoires für Leicas APS-C-Kameras CL und TL2.

Im vergangenen Jahr hat Leica das APS-C-Portfolio einer grundlegenden Frischzellenkur unterworfen. Zunächst wurde im Juli die TL als TL2 auf den aktuellen technischen Stand gebracht und dann, im November, die neue Leica CL vorgestellt. Technisch gesehen sind die TL2 und die CL eineiige Zwillinge, die sich aber in puncto Design und Handhabung deutlich unterscheiden (LFI 7/ und 8/2018). Auf der Strecke geblieben sind, mit Ausnahme der Unterwasserkamera X-U, die älteren APS-C-Modelle der X-Serie mit ihren fest verbauten Objektiven. Vorausgesetzt, man besitzt auch schon eines der zahlreichen System- oder kompatiblen Objektive – aber um die soll es im Folgenden nicht gehen – kann es nach dem Auspacken der neuen TL2 oder CL und dem Aufladen des Akkus auch schon losgehen mit dem Fotografieren; Akku, Ladegerät und Trageriemen gehören zum Lieferumfang der beiden Schmuckstücke. Alles, was Leica sonst noch an Zubehör anbietet, wird der eine als unnötig betrachten, für den anderen wird es völlig unverzichtbar sein. T e c h ni sc h e s Zube hö r.

Der Protektor für die Leica CL aus robusten braunem Leder mit farblich passendem Tragriemen in der Leder-Stoff-Variante

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Das betrifft in erster Linie das, was man im weitesten Sinne als technisches Zubehör bezeichnen könnte. Wer nicht mit Blitz fotografiert, dem wird es kaum auffallen, dass weder die CL noch die TL2 über einen integrierten Blitz verfügen. Für Blitzlichtfotografen ist der Blitz dann schon die erste zusätzliche Anschaffung. Leica hat für die beiden Kameras drei Blitze im Ange-


bot, den SF 26, den SF 40 und den SF 64. Optisch gesehen passt der zierliche, in der Höhe schwenkbare und auch als LED-Leuchte für Videos nutzbare SF 26 gut zur CL und TL2, doch seine Ausleuchtfähigkeiten könnten für manche Fotografen nicht ausreichend sein. Dann könnte der SF 40 mit Highspeed-Synchronisation und 9-stufiger Videolichtfunktion ins Spiel kommen, der bei einer Brennweite von 105 mm mit Leitzahl 40 blitzt. Oder eben das Spitzenmodell SF 64, das zu den weltweit leistungsstärksten Kompaktblitzgeräten zählt. Mit Leitzahl 64 bei ISO 100 eignet er sich für die Ausleuchtung von 24 bis 200 mm Brennweite. An der TL2 könnte das Blitzgerät in eine Konkurrenzsituation mit dem elektronischen Aufstecksucher Visoflex um den freien Platz im Blitzschuh geraten. Im Gegensatz zur CL verfügt die TL2 nicht über einen integrierten Sucher. Viele Fotografen sind aber nicht unbedingt begeistert davon, ihre Kamera zum Fotografieren wie ein Smartphone mit mehr oder weniger ausgestreckten Armen vor

Von oben: Die CL mit Systemblitz SF 40, die jüngste Leica-APS-CKamera mit Handgriff und mit der aus der Smartphone-Welt eingewanderten Display-Schutzfolie – keine so schlechte Idee, da der Monitor zumindest rudimentäre Touch-Funktionalität besitzt

sich her tragen zu müssen. Deshalb der Visoflex mit 2,4-MP-Auflösung, der zudem als zuschaltbares GPS fungiert. Er schaltet sich automatisch an, wenn seine Sensorik das Auge erkennt, das Kamera-Display schaltet sich dann ab. Gleichzeitig verbessert sich mit dem Visoflex auch die Ergonomie der TL2, die sich am Auge stabiler halten lässt. Diesem ergonomischen Aspekt entsprechen bei der CL zwei Ergänzungen des Gehäuses: die Daumenstütze und der Handgriff. Die Daumenstütze wird wie der Visoflex in den Blitzschuh eingeschoben und bildet mit seiner Eloxal-Beschichtung eine optische Einheit mit der Kamera. Zusätzlich oder alternativ sorgt der Handgriff für einen besseren Halt, insbesondere bei der Verwendung größerer Objektive. Daumenstütze →

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und Handgriff erleichtern das einhändige Fotografieren und ermöglichen gegebenenfalls längere Belichtungszeiten.

Digiscoping steht zudem der T2-Adapter SL-/TL zur Verfügung, der Kameras mit LBajonett und Leicas Apo-Televid-Spektive verbindet. Zur Verwendung an und mit der CL und TL2 enthält das Leica-Sortiment darüber hinaus UV-Sperrfilter, Polarisations- und Graufilter sowie verschiedene Stative und deren Zubehör wie die Kugelgelenkköpfe.

Opti s che s Zube hör.

Beim optischen Zubehör sind in erster Linie die Adapter für das L-Bajonett der CL/TL2 zu nennen, mit denen sich über die TL-Objektive hinaus auch R- und MObjektive adaptieren lassen. Der M-Adapter L erhält in vollem Umfang alle Funktionen der M-Objektive wie Belichtungsmessung, Zeitautomatik und manuelle Steuerung über die 6-Bit-Codierung. Für Freunde des

Ein Hingucker wie die Kamera selbst: Der TL-Holster aus steingrauem Nappaleder bietet Schutz und schnellen, bequemen Zugriff auf das Gerät

Acc e sso i r e s. Den Wunsch, seine Kamera zu individualisieren, bedient Leica mit diversen alternativen Tragriemen und Protektoren/Holstern in verschiedenen Farben. Für die CL

gibt es derzeit zwei Protektoren, in Braun und Schwarz, aus hochwertigem Leder. Neben Schutz bieten sie ein Fach für eine Ersatzspeicherkarte und, per Magnetverschluss, Zugriff auf die Speicherkarte und den Akku, ohne die Kamera aus dem Protektor nehmen zu müssen. Dazu passen vier farblich abgestimmte Tragriemen, die entweder nur aus Leder bestehen oder auf der Unterseite mit einer Stoffkaschierung versehen sind (braun/rotbraun oder schwarz/grau). Für die TL2 stehen Protektoren mit ähnlicher Ausstattung in den Farben Gelb, Steingrau, Schwarz, Cemento und Rot sowie passende Tragriemen aus Nappaleder zur Verfügung. Darüber hinaus bietet Leica einen Holster aus steingrauem Nappaleder an. Wer an der TL2 andere Tragriemen, etwa die aus Bergsteigerseilen gefertigten Rope Straps von Cooph verwenden möchte, benötigt die einfach am Kameragehäuse anzubringenden Tragriemenösen. Gesagt, getan – und einer bunten TL2 steht nichts mehr im Wege. bernd luxa

Oben: Für viele unentbehrlich – der Visoflex-Aufstecksucher mit 2,4-Megapixel-Auflösung. Links: TL-Protektoren sind in den Farben Gelb, Steingrau, Schwarz, Cemento und Rot erhältlich

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BOUTIQUE in Konstanz am Bodensee

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Belichtungsmessung – aber wie? A u s C h r i s W. B o e r e s „ P l a u d e r e i e n ü b e r L e i c a- t e c h n i k “

Es geht nämlich um den Helligkeitsumfang des Objekts mehr als um alles andere! Solange es sich um Normal-Objekte mit einem Helligkeitsumfang von etwa drei Lichtwerten handelt, gibt es keine Probleme. Wie aber steht es bei höherem Kontrastumfang von acht Lichtwerten und mehr? Die normale integrierende Belichtungsmessung alter Art – auch die neue, die das gesamte Bildfeld hinter dem Bild ausmißt! – ergibt das arithmetische Mittel der einzelnen Helligkeitsflächen, während nur das geometrische Mittel die richtige Belichtungszeit ergeben kann. Es ist so, als ob man 10 Teile Milch mit einem Teil Kaffee vermischt oder 10 Teile Kaffee mit einem Teil Milch, während es richtig ist, einen Grauton herauszusuchen, der zwischen Kaffee und Milch liegt. Also: Nur gezieltes Messen ist bei allen Objekten mit größerem Helligkeitsumfang die einzig richtige Methode! LFI 1 / 1 96 8 : Meister der Leica – Cornelius Meffert, Künstlerporträts, Fotografieren in Museen, Filmentwickler-Kurven u. v. m. für 1,09 Euro in der LFI-App für iOS

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george „Das Bild entstand in der australischen SurfHochburg Torquay. Bei Ian ließ ich ein Surfbrett für meinen Mann anfertigen. Ians englische Bulldogge George folgte mir auf Schritt und Tritt. Es war eine Szene wie aus Star Wars: Ian mit seiner Schutzmaske und George, der den passenden Darth-Vader-Sound beisteuerte.“ Liz Loh-Taylor Leica M9 mit Summicron-M 1:2/35 mm Asph

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Begegnung zu Pferde „Auf dem Times Square in New York fiel mir eine berittene Polizistin ins Auge. Als ich gerade noch versuchte, eine geeignete Perspektive zu finden, kam plötzlich ein Kollege dazu. Ich hatte nur den Bruchteil einer Sekunde Zeit, um abzudrücken, als er sie auf die Wange küsste.” Eduardo Marques Leica Q, Summilux 1:1.7/ 28 mm Asph

D i e Da m e u n d ihr Hund „Das Bild entstand auf einer Militärschau in Petropawlowsk-Kamtschatski, Russland. Zunächst interessierte mich nur das auffällig gemusterte Kleid mit dazu passender Handtasche. Erst später entdeckte ich die Ähnlichkeit des Hundes und seiner Besitzerin. Sehen Sie das auch?“ Dick Tang Leica M240 mit Summicron-M 1:2/35 mm Asph

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flamingo „Ich habe das bunte Trio mit dem Flamingo am Strand von Ostende, Belgien, fotografiert. Der Mann im pinken Anzug wirkte auf mich wie eine Salvador-Dalí-Persiflage. Dazu passte auch die absurde Szenerie. Der Mann rechts winkte mir nach der Aufnahme freundlich zu.“ Pascale Delfosse Digilux 3, D Vario-Elmarit 1:2.8–3,5/14–50 mm Asph

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A n g e l i n o, der Fischer

E i n e Kat z e Au f A n d r o s

„Das Bild ist Teil einer Serie über Schweizer Fischer am Comer See: Sie führen ein faszinierendes, aber hartes Leben, Angelino ist der jüngste. Das Bild entstand, als er mir den Tagesfang präsentierte, und dokumentiert für mich den Beginn einer Freundschaft.“

„Im Dörfchen Menites auf der Kykladen-Insel Andros habe ich Chirosfaya, ein mehrtägiges Schlachtfest mit heidnischen Wurzeln, dokumentiert, das in Griechenland noch weit verbreitet ist. Dabei fallen immer auch Reste für streunende Tiere ab.“

Andrea Comalini Leica M-E mit Elmarit-M 1:2.8/28 mm Asph

George Tatakis Leica Q, Summilux 1:1.7/ 28 mm Asph

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Ein Hund mit stern „In der boomenden Glücksspielstadt Macau gibt es immer noch den kleinen Fischereihafen, der an die Vergangenheit der früheren portugiesischen Kolonie erinnert. Die wenigen Fischer, die es noch gibt, füttern wilde Hunde, damit sie die Anlagen bewachen, wenn sie hinausfahren.“ António Leong Leica M10 mit Voigtländer 1:4/21 mm

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d i e k at z e verduftet „Meine Frau und ich genießen es, im Campingbus in die Camargue zu fahren, mit der Kamera und vielen Büchern, um über die Bedeutung von Bildern und Dingen nachzudenken. Unsere lebhafte, junge Katze war auch dabei. Sie auf ein Foto zu bannen, war gar nicht so einfach.“ Jean-Pierre Thozet Leica M240 mit Elmarit-M 1:2.8/28 mm Asph

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Susan Meiselas: JoJo, Carol und Lisa, Ecke Prince und Mott Street, Little Italy, New York 1976

p h oto – b ü c h e r – Au ss t e l l u n g e n – f e s t i va l s – Awa r ds –

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C H RI S TIA N M AILL A R D Photographs

S U S A N MEI S EL A S

Fotos: © Susan Meiselas/Magnum Photos; © Christian Maillard; © Patrick Willocq; © Naomi Harris

ON THE F RONTLINE

„Du hast die Macht, zu erfassen, zu speichern, zu erinnern. Du bist das Auge der Geschichte“, so lautet die knappe, aber selbstbewusste Definition ihrer Arbeit. Ohne Zweifel gehört Susan Meiselas (*1948) seit Jahrzehnten zu den einflussreichsten Fotografinnen und sie hat für ihre dokumentarische Arbeit – nicht zuletzt seit 1976 als Mitglied der Agentur Magnum – immer wieder große Anerkennung erhalten. Ein persönliches Resümee zieht die Leica-Fotografin mit diesem Bildband, der neben Meiselas bewegenden Reportagen vor allem durch ihre Kommentare und Bemerkungen zur eigenen Rolle als Dokumentarfotografin lesenswert wird. Ihre Karriere begann 1976 mit der Veröffentlichung der Carnival Strippers, einer Reportage über Striptease-Tänzerinnen auf Jahrmärkten in Neuengland. Ebenfalls aus dieser Zeit stammt ihre Serie über Mädchen in Little Italy, Manhattan, wo die Fotografin aus den USA zu dieser Zeit lebte. Jahrzehntelang beschäftigte sie sich mit Lateinamerika und bereiste Nicaragua, El Salvador, Kolumbien, Chile und Argentinien, dokumentierte Krieg und Terror. On The Frontline liefert spannende Einblicke in ein Fotografenleben, aufschlussreich und Erkenntnis fördernd: „Weitermachen heißt neugierig sein – gezwungen sein, sich auseinanderzusetzen, zu untersuchen, zu entlarven, sich zu engagieren und nicht zu wissen, wo du enden wirst oder wie die Reise dich verändern wird. Die Frontlinie ist immer eine Wahl.“ 256 Seiten, 110 Abbildungen, 22,5 × 18,7 cm, englisch, Thames&Hudson/Aperture

Reisen und Fotografieren gehören für ihn zusammen: Rund 75 Länder hat der französische Fotograf (*1944) bereist, dabei entstanden Zehntausende von Fotografien und doch ist dies seine erste Monografie. Die Auswahl zeigt Motive von 1996 bis 2016 – Porträts, Landschaften und Straßenszenen, stets klassisch analog und in Schwarzweiß. 120 S., 78 Abb., 30 × 27 cm, englisch/ französisch, Hatje Cantz

Pat r i c k W i l l o c q S o n g s o f t h e Wa l é s

Der französische Fotograf (*1969) war mit dieser Serie bereits 2014 Finalist des Leica Oskar Barnack Awards. Nun zeigt sein Buch die aufwendig gestalteten Szenenbilder, die anlässlich der ritualisierten Feiern der Walé – erstgebärende Pygmäen-Frauen in der Demokratischen Republik Kongo – konstruiert wurden. 208 Seiten, 178 Farbabbildungen, 15,5 × 23 cm, englisch, Kehrer

Nao m i H a r r i s EUSA

Welche Aspekte kultureller Identität können die USA und Europa in Zeiten der Globalisierung verbinden? Auf eine fünfjährige Spurensuche ist die kanadische Fotografin (*1973) in ihrem neuesten Projekt gegangen. Dafür besuchte sie Orte in den USA und Europa, in denen das vermeintliche Kulturerbe des jeweils anderen Kontinents hochgehalten und verklärend gefeiert wird. Die bunte, manchmal bizarre, oft witzige Bildserie zeigt zum einen Orte in Nordamerika, in denen auf Tulpenfesten, Willhelm TellTagen, Wurst- oder Oktoberfesten die europäischen Wurzeln gesucht werden. Zum anderen thematisiert sie die Konstruktion von eher touristisch geprägtem kulturellen Erbe, das dann gern zum Klischee gerät, wenn in Europa fröhliche Westernhelden oder Indianerstämme auftreten. Sicher war Karl May nicht unschuldig daran, dass in Deutschland eine WinnetouWestern-Romantik zelebriert wird, die allerdings in den USA heute nicht selten ebenso konstruiert aussieht. 240 Seiten, 135 Abb., 21,2 × 23 cm, englisch, Kehrer

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Ja n G r a r u p a n d t h e n t h e r e wa s s i l e n c e

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die Lage der Roma in der Slowakei fügen sich zu einem Kaleidoskop menschlichen Leids, denn immer stehen die Opfer im Mittelpunkt der Schwarzweißaufnahmen. „Ich glaube nicht, dass ich die Welt verändern kann. Aber wenn ich nur ein paar Menschen anrege, über ein Thema nachzudenken, dann ist das schon ein großer Unterschied“,

erklärt der vielfach ausgezeichnete Fotograf seine Motivation. Nur zu gut weiß er, dass Konflikte nicht aufhören, nur weil Medien darüber berichten. Der Bildband „ist eine Faust, ein Schlag in den Magen. Er zeigt keine Kriege, er zeigt Krieg. Er zeigt nicht die Armen, er zeigt Armut. Nicht die Hungrigen, sondern den Hunger. Keine Konflikte der Welt, sondern eine Welt in Konflikt. Und eine Welt, in der selbst in den dunkelsten Orten Hoffnung blüht,“ so die treffende Zusammenfassung der Herausgeber des Bandes. Fotos: Ein Paar in den Ruinen von Port-auPrince, Haiti 2010; russisches Wrack nahe des Flughafens Mogadischu, Somalia um 2012 496 Seiten, 290 Abb., 28 × 38 cm, englisch, BookLab, www.andthentherewassilence.com

Fotos: © Jan Grarup

Das Buch ist im besten Sinn eine Zumutung: ein fotografisches Statement von fast 500 Seiten, fest gebunden in schwarzem Leinen, sorgfältig gestaltet mit unterschiedlichen Bildfolgen, Formaten und Aufklappseiten, über fünf Kilo schwer. Nicht nur schwer an Gewicht, sondern auch schwer zu ertragen. Jan Grarup ist ein schonungsloser Chronist unserer Welt mit all ihren Konflikten, Kriegen, Katastrophen. In 17 Kapiteln präsentiert sich die konsequente Arbeit des dänischen Fotografen (*1968) . Die Serien aus Gaza, Hebron, Ramallah, aus Ruanda, Sierra Leone, Somalia und der Zentralafrikanischen Republik, aus dem Kosovo und Tschetschenien, aus Afghanistan, Darfur, Irak und Iran, über den KaschmirKonflikt, das Erdbeben in Haiti und


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Yasumichi Morita: Billion JPN  |  Kyoto, 570–120 Gionmachi Minamigawa, Higashiyama-ku 20. Januar — 5. April 2018 Los Angeles

Sarah Lee + Ram Shergill USA  |  West Hollywood, CA 90048, 8783 Bever­ly Boulevard 24. Februar — 1. April 2018 Ma i l a n d

Bei Drucklegung nicht bekannt ITA  |  20121 Mailand, Via Mengoni 4 NR W

Elliott Erwitt: Personal Best for Leica GER  |  59302 Oelde-Stromberg, Mies-van-der-Rohe-Weg 1 20. Januar — 7. April 2018 Nürnberg

BRA  |  01240–000 São Paulo, Rua Maranhão, 600 Higienópolis

Helge Kirchberger: Sibirien AUT  |  5020 Salzburg, Arenbergstr. 10 18. Februar — 1. April 2018

Nikos Economopoulos SIN  |  Singapur, The Fullerton Hotel, 1 Fullerton Square, #01–07 Februar 2017 — Mai 2018 Tokio

Yasumichi Morita: Porcelain Nude

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JPN  |  Tokio, 6-4-1 Ginza, Chuo-ku 19. Januar — 7. April 2018 wa r s c ha u

Robby Cyron: Figura animalis

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Leica Oskar Barnack Award 2017 GER  |  35578 Wetzlar, Am Leitz-Park 5 2. März 2018 — Ende Mai 2018 wien

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Ellen von Unwerth: Wild, Wild West AUT  |  1010 Wien, Walfischgasse 1 Ende Januar 2018 — Mitte April 2018

GER  |  90403 Nürnberg, Obere Wörthstr. 8 24. März — 23. Juni 2018

Zingst

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GER  |  18374 Zingst, Am Bahnhof 1 25. Februar — 16. Mai 2018

POR  |  4000-427 Porto, Rua d. Sá da Bandeira, 48/52 10. März 2018 — 16. Mai 2018

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Singapur

Norbert Rosing: Mein wildes Deutschland

Tina Trumpp: Shades of Sensuality

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S ã o Pa u l o

GER  |  60311 Frankfurt am Main, Großer Hirschgraben 15 9. Februar — 31. März 2018

Anni Leppala & Nazif Topcuoglu

1. Februar — 8. April 2018

Ahmet Polat: Myth of Men

Frankfurt

SEITEN · 9,90

TCH  |  110 00 Prag 1, Školská 28

Boston USA  |  Boston, MA 02116, 74 Arlington St. 1. März — 29. April 2018

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FOTOGRAFEN

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STATE-OF-THE-ARTFOTOGRAFIE VON

Enrique Badulescu Joachim Baldauf Brix & Maas Bil Brown Arved Colvin-Smith Anna Daki Rui Faria Christian Geisselmann Esther Haase Marie Hochhaus Benjamin Kaufmann James Meakin Monica Menez Hector Perez Elizaveta Porodina René & Radka Christian Rinke Tristan Rösler Takahito Sasaki SPECIAL

Simon Puschmann: Free Projects

GUEST

Ellen von Unwerth

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Rimaldas Vikšraitis Härte, Entwurzelung, soziale Ausgrenzung – Am Rand der bekannten Welt erzählt von Menschen, die im Abseits leben, in einer Landschaft, die nicht ohne Gummistiefel betreten werden kann. Auf 130 Bildern schenkt der litauische Fotograf und Gewinner des Arles-Discovery-Awards ihnen seine Aufmerksamkeit.

Elina Brotherus

4. Februar — 29. April 2018 Foto: Rimaldas Vikšraitis, Grimaces of the Summer, 1998

15. März — 2. September 2018, Foto: Elina Brotherus, L’Etang, 2012

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Sprengel Museum H a n n ov e r

Ein Pubertier par excellence steht auf der Promenade. Rote Hose, lässiger Stand, geknotetes Hemd. In Würde auf das wartend, was kommt. Seit Mitte der 90er dokumentiert die niederländische Fotografin Szenen jugendlicher Selbstdarstellung. Mit diesen Port-

Ku n st H au s , W i e n

Es glich einer kleinen Sensation, als Elina Brotherus vor etwa fünf Jahren ihre fotografische Serie Annonciation präsentierte. Sie erzählte von ungewollter Kinderlosigkeit, von Hoffnung, Enttäuschung und Schmerz. Vom Bruch eines Tabus. Und als würde die Fotografin nun versuchen, eine Grenze zwischen sich und der Kunst zu ziehen, heißt ihre neue Ausstellung It’s Not Me, It’s a Photograph. „In meinem Verständnis von Elina Brotherus’ 20-jährigem künstlerischen Schaffen steht weder das Autobiografische noch das Anekdotische im Vordergrund“, sagt die US-amerikanische Kunsthistorikerin Abigail Solomon-Godeau über die finnische Fotografin. „Ihre Bilder sind für die Betrachter reine Projektionsflächen ... Sie ermöglichen Prozesse der Identifizierung, Introspektion und Projektion, des Voyeurismus oder Fetischismus.“ Und so steht bei Brotherus die Einheit von Kunst und Leben als schöpferische Idee im Vordergrund. Ihre Porträts zeigen zwar sie selbst als dramatisches Ich, sind aber weniger persönliche als allgemeingültige Momente. Situationen wie Angst, Unglück oder Einsamkeit werden zu Zeichen einer Phänomenologie. Das Kunst Haus Wien zeigt in einer Mid-CareerShow die wichtigsten Serien der Künstlerin, Auszüge aus ihren jüngsten Arbeiten und einen neuen Werkkomplex, der erst vor Ort entwickelt wird. „Je älter ich werde, desto mehr neige ich dem Spiel zu“, sagt Brotherus über sich. Aber die Voraussetzung für ihr Spiel lautet: Bestimme die Regeln selbst.

R i n e k e D i j k s t ra

G u t e Au ss i c h t e n 2018 D e i c h t o r h a l l e n , H a mb u r g

Aus 95 Einsendungen kürte eine Jury acht Preisträger für die Junge deutsche Fotografie 2017/2018. Ob Spurensuche, Kindheitserinnerungen oder Zukunft – der Zugang zu ihren Bildern liegt in der Vorstellungskraft des Betrachters. 15. Februar — 21. Mai 2018 Foto: Alexandra Polina, aus Masks, Myths and Subjects, 2017

räts ist sie bekannt geworden. Nun bekommt Dijkstra den Spectrum verliehen, den Internationalen Preis für Fotografie der Stiftung Niedersachsen. Parallel dazu würdigt das Sprengel Museum Hannover sie mit einer Ausstellung ihrer Arbeiten, die sie in einen Zusammenhang mit Werken aus der museumseigenen Sammlung stellt. 27. Januar — 6. Mai 2018 Foto: Rineke Dijkstra, Odessa, Ukraine 1993 und Vondelpark, 2005

Fotos: © Elina Brotherus; © Rimaldas Vikšraitis; © Alexandra Polina; Rineke Dijkstra © courtesy of the artist and Marian Goodman Gallery, New York, Paris, London; Galerie Max Hetzler, Berlin und Paris und Jan Mot, Brüssel

Zephyr, Mannheim


Foto: © The Irving Penn Foundation

Falten erzählen vom Alter und vom Leben zugleich. Das Picasso-Porträt nahm Irving Penn 1957 auf, da war der außergewöhnliche Künstler 76 Jahre alt. Und genau so populär wie der Fotografierte wurde dann auch der Fotograf selbst. Centennial. Der Jahrhundertfotograf, so heißt die große Retrospektive, die das Metropolitan Museum of Art mit der Irving Penn Foundation kuratierte und die nun im C/O Berlin zu sehen ist. Der Titel klingt wie ein Ritterschlag.

I rv i n g P e n n C / O, B e r l i n

Irving Penn lebte ein 70-jähriges Fotografenleben und schuf ein vielschichtiges Œuvre, prägte mit seinen Werken das 20. Jahrhundert und beeinflusste unzählige Nachfolger. 2017 wäre er 100 Jahre alt geworden, mit 240 Exponaten ist die Schau in Berlin die

größte und erste in der Metropole seit 20 Jahren. Zu sehen sind ikonografische Aufnahmen von Salvador Dalí und Audrey Hepburn, ethnografische Studien aus Neuguinea und Marokko, Porträts von Arbeitern und Kleinhändlern. „Mich zieht alles in seinen Bann, wenn ich es nur lange genug ansehe“, hat Penn einmal gesagt. Und so hat er stets auf seinen Bildern die Motive zu etwas Besonderem gemacht. 24. März — 1. Juli 2018; Foto: Irving Penn, Pablo Picasso at La Californie, Cannes 1957

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Fotos: © Aaron Vincent Elkaim, © Ami Vitale, © Sarah Blesener, © Bharat Choudhary

Von links nach rechts: Ami Vitale, aus ihrer Serie Guinea Bissau; Sarah Blesener, aus ihrer Serie Young Marines in Hanover, PA; Bharat Choudhary, aus seiner Serie The Silence of “Others”; oben: Aaron Vincent Elkaim, aus seiner Serie Where the River Runs Through

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„Das e x p o s é i s t s o w i c h t i g w i e d i e B i l d e r .“ i n t e rv i e w

Michael D. Davis betreut die Vergabe der Stipendien der Alexia Foundation an Studenten und professionelle Fotografen. Ein Gespräch über die Auswahlkriterien der Stiftung, den sich verändernden Markt und erfolgreiche Strategien für Fotografen.

LFI: Die Alexia Foundation wurde 1991 von der Familie von Alexia Tsairis gegründet, eine Studentin der Syracuse University. Sie starb 1988 beim Bombenangriff auf den Pan-Am-Flug 103 über dem schottischen Lockerbie. Was ist die Aufgabe der Stiftung? Michael D. Davis: Die Hauptaufgabe besteht darin, die Arbeit visueller Geschichtenerzähler zu unterstützen, die einzigartige Geschichten in die Öffentlichkeit bringen. Dadurch, dass die Stiftung auch meine Position an der Syracuse University unterstützt, gibt es auch ein starkes Engagement für Bildung, um die nächste Generation von Geschichtenerzählern zu fördern. LFI: Was ist Ihrer Meinung nach der

größte Erfolg der Alexia Foundation seit ihrer Gründung 1991? Davis: Die gemeinschaftliche Leistung der Menschen, die Zuschüsse erhalten haben. Jede Anstrengung ist wichtig und als Gruppe ist ihre Wirkung

unermesslich. Bisher haben wir 156 Förderungen in einer Höhe von über einer Million Dollar vergeben, 22 Stipendien für professionelle Fotografen und 134 für Studenten. LFI: Hat die Alexia Foundation eine

Ethikcharta? Wenn ja, was sind im Hinblick auf potenzielle Sponsoren die Hauptpunkte? Davis: Wir spiegeln die Industriestandards wider, wie sie World Press Photo oder der Ethikkodex der National Press Photographers Association festlegen. Sie erlauben keine Manipulation der im Bild festgehaltenen Szenen. LFI: Wie unterstützt die Alexia Foundation die Stipendiaten? Was sind neben Stipendien „spezielle Projekte“? Davis: Unsere Unterstützung von Stipendiaten ist weitgehend finanzieller Natur. Jede Förderung beträgt 20 000 Dollar. Ich helfe ihnen auch, indem ich Feedback zu ihren Projekten gebe, wenn sie das wollen. Die Stiftung ist in den sozialen Medien aktiv und fördert dort die Arbeit der Stipendiaten.

„Spezielle Projekte“ meint so etwas wie persönliche Projekte. Solche, die über die Tagesberichterstattung oder eine Reportage hinausgehen. LFI: Was ist Ihr wichtigster Ratschlag an junge Fotografen, wie motivieren Sie sie dazu, weiter zu machen? Davis: Es gibt zwei Arten von Fotografen im Markt: diejenigen, die etabliert sind und diejenigen, die neue Formen des Fotojournalismus entwickeln. Das Wichtigste ist, sich voll und ganz auf die Sache zu konzentrieren und sich über das hinauszubewegen, was gestern erfolgreich war. Und sich außerdem auf der geschäftlichen Seite des Berufs gut genug auszukennen und einzigartige Wege zu entwickeln, Geschichten zu erzählen. LFI: Wie würden Sie Ihre Auswahl

von Fotos beschreiben? Die Auswahl der Juroren bestimmt letztlich, welche Art von →

Davis:

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LFI: Welche Kriterien muss eine Arbeit erfüllen, um für ein Stipendium in Betracht gezogen zu werden? Davis: Die erste Frage lautet immer: Warum sollte dieses Projekt jetzt durchgeführt werden? Wenn die Bewerber das beantworten können, ist es ein starkes Exposé. Wenn es auch in fünf Jahren realisiert werden könnte, ist es nicht aufschlussreich und überraschend genug. LFI: Was wäre Ihr Rat an die Bewerber?

Das Alexia-Stipendium ist weiterhin in erster Linie ein Stipendium für Fotografen. Aber wir erkennen an, dass Fotografen andere Formen des Geschichtenerzählens, wie Video, mit einbeziehen. Manchmal gibt es Texte, die für sich genommen schon in die Auswahl kommen.

Davis:

Oben: Stephanie Sinclair, aus ihrer Serie The Bride Price: Child Marriage in India Links: Walter Astrada, aus seiner Serie Undesired: Violence Against Women in India

Oben: Darcy Padilla, aus ihrer Serie American Prisons Ganz oben: Matt Black, aus seiner Serie The Forgotten Black Okies

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Arbeit unter den eingesandten Projekten ausgewählt wird. Das, wofür die Stiftung steht, zieht häufig qualitativ hochwertige Einreichungen an. Ein ungewöhnlicher Aspekt beim AlexiaStipendium ist, dass das geschriebene Exposé genauso wichtig ist, wie die Bilder, die eingereicht werden. Bevor sie überhaupt die Bilder sehen, lesen die Juroren das Exposé.

LFI: Der Einsendeschluss für die Alexia 2018 Professional Grants war der 1. Februar, der für die Student Grants ist der 1. März 2018. Was erwarten Sie sich in diesem Jahr? Davis: Wir rechnen mit etwa 400 Bewerbern. Die Hoffnung ist, vom durchschnittlichen Niveau überrascht zu werden und eine Reihe von Einreichungen in neuen Höhen. Wir fördern zunehmend vielfältigere Erzählformen mit einer visuell einzigartigen Ausdrucksweise. Die traditionell dokumentarische Herangehensweise besitzt immer noch große Schlagkraft. Aber durch andere Ansätze lässt sich diese noch erhöhen. LFI: Was könnte die nächste Stufe des Fotojournalismus bringen und wie könnten die von Ihnen angesprochenen anderen Ansätze aussehen? Davis: Die Nutzung unterschiedlicher Medien, um komplexere Dinge in den Vordergrund zu stellen, unterscheidet Medien und Geschichtenerzähler. Wir müssen Fotografen beibringen, wie man dynamische, mehrdimensionale Geschichten produziert. Darüber hinaus müssen sie weitere Fähigkeiten haben: Sie müssen ein Geschäft

Fotos: © Matt Black, © Darcy Padilla, © Walter Astrada, © Stephanie Sinclair

„t rad i t i o n e l l d o k u m e n ta r i s c h e G e s c h i c h t e n b e s i tz e n g r o S S e S c h l ag k ra f t. “


führen können, ihre Ideen verkaufen und nicht zuletzt auch lernen, digitale Plattformen zu verstehen. LFI: Wie steht es mit Kooperationen?

Es ist immer gut, wenn Fotografen mit Menschen aus anderen Disziplinen zusammenarbeiten. Wenn der Fotograf Partnerschaften mit einem Schriftsteller, einem Artdirector oder einem Filmemacher eingegangen ist, ist das ein Bonus und führt zu einem stärkeren Ergebnis. Am Ende zählt, die größtmögliche visuelle Wirkung zu erzielen.

Davis:

Leica Rope Straps Alles, was für die Berge gemacht wird, muss robust sein. In der jüngsten Zusammenarbeit zwischen Leica und COOPH wurden Bergsteigerseile genommen und daraus Tragriemen entwickelt. Ein Zubehör mit Charakter, um Ihre Kamera sicher und bequem zu transportieren.

LFI: Ist die Qualität der Bilder von der Investition der Medien abhängig? Sollte es mehr Aufträge seitens der Medien geben, um hochwertige Fotografie zu unterstützen? Davis: Visuelle Geschichtenerzähler nehmen ihre Karriere selbst in die Hand. Die Medien werden immer mehr zum Käufer von Inhalten. Ironischerweise explodiert sogenannter Branded Content: Marken geben Geschichten in Auftrag. Sie verfolgen dabei die gleichen Standards wie Magazine, Pagonia beispielsweise lässt Geschichten über den Wilden Westen produzieren. Auch andere Sportbekleidungsmarken wie Under Armour, Ice Breaker und Prana verwenden visuelle Geschichten als integralen Bestandteil ihrer Identitäten. Auch Krankenhäuser und Institutionen im Allgemeinen machen das verstärkt, das kann ich zumindest aus den Vereinigten Staaten berichten.

Herr Davis, vielen Dank für dieses Gespräch.

LFI:

Interview: Carla Susanne Erdmann

M i c ha e l D. Dav is Geboren 1956 in Tekamah, Nebraska/USA. Er bekleidet den Alexia Tsairis Lehrstuhl für Dokumentarfotografie an der S.I. Newhouse School of Public Communications der Syracuse University. Neben seiner Tätigkeit für die Alexia Foundation ist er unabhängiger Bildredakteur und Fotocoach. Davis ist seit 30 Jahren als Bildredakteur tätig, darunter bei National Geographic, The White House und einigen führenden US-amerikanischen Zeitungen.

j e tz t Be st e lle n :

l f i- onl ine. de/S ho p


Leica Fotografie I n t e r n at i o n a l

Corentin Fohlen mein Bild

Auf die Aufnahme ist der französische Fotograf heute noch stolz. Beim World Press Award ausgezeichnet, markiert sie den Beginn seiner Karriere.

70. Jahrgang | Ausgabe 2.2018

LFI PHOTOGR A PHIE GMBH Springeltwiete 4, 20095 Hamburg Telefon: 0 40/2 26 21 12 80 Telefax: 0 40/2 26 21 12 70 ISSN: 0937-3969 www.lfi-online.de, mail@lfi-online.de Chefredaktion Inas Fayed, Frank P. Lohstöter (V.i.S.d.P.) A rt Direction Brigitte Schaller REDA KTION Michael J. Hußmann, Denise Klink, Bernd Luxa, Edyta Pokrywka, Danilo Rößger, David Rojkowski bildredaktion Carol Körting layout Thorsten Kirchhoff MITA RBEITER DIESER AUSGA BE Maria Camilla Brunetti, Carla S. Erdmann, Jan Heberlein (Übersetzung aus dem Italienischen), Katja Hübner, Ulrich Rüter, Holger Sparr, Katrin Ullmann Gesch ä ftsführung Frank P. Lohstöter, Anja C. Ulm

Bangkok, Thailand, 16. Mai 2010

Das Foto enstand am 16. Mai 2010 während der politischen Unruhen in Thailand. Es war das erste Mal, dass ich über eine derartiges Ereignis berichtete, und zugleich meine erste wichtige Arbeit: 2011 wurde ich dafür beim World Press Award in der Kategorie Spot News ausgezeichnet. Die Aufnahme ist eine meiner stärksten und eine der wenigen, auf die ich bis heute stolz bin. Das liegt an ihrer Symbolkraft für den Kampf für Freiheit und daran, dass sie auf meine fotografische Arbeit aufmerksam gemacht hat. Abgesehen von einer Publikation im Spiegel, blieb das Foto im Jahr 2010 unveröffentlicht. Aufgrund verschiedener Auszeichnungen und einer Ausstellung auf dem Festival Visa pour l’image wurde meine Arbeit von Bildredakteuren wahrgenommen. Die einzige Enttäuschung war, dass ich den Thais bei ihrem Kampf für Gerechtigkeit nicht helfen konnte. Corentin Fohlen, 1981 in Frankreich geboren, wollte zunächst Comiczeichner werden. Mittlerweile werden seine vielfach ausgezeichneten Fotoreportagen unter anderem in der New York Times, im Stern, in Le Monde und der Zeit veröffentlicht.

LFI 3/2018 erscheint am 6. April 2018

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A nzeigenleitung & M arketing Kirstin Ahrndt-Buchholz, Samira Holtorf Telefon: 0 40/2 26 21 12 72 Telefax: 0 40/2 26 21 12 70 E-Mail: buchholz@lfi-online.de holtorf@lfi-online.de Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 46 vom 1.1.2018 REPRODUKTION: Alphabeta, Hamburg DRUCK: Optimal Media GmbH, Röbel/Müritz PA PIER: Igepa Profimatt A BO-Bezugsbedingungen LFI erscheint achtmal jähr­lich in deutscher und englischer Sprache. Jahresabonnement (inkl. Ver­sandkosten): Deutschland: 58 € Belgien, Österreich, Luxemburg, Niederlande, Schweiz: 63 € weltweit: 69 € LFI ist auch als App im Apple iTunes Store und bei Google Play erhältlich LFI-A boservice Postfach 13 31, D-53335 Meckenheim Telefon: 0 22 25/70 85-3 70 Telefax: 0 22 25/70 85-3 99 E-Mail: lfi@aboteam.de Für unverlangt eingesandte Fotos und Texte übernimmt die Redak­tion keine Haftung. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheber­ rechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verla­ges unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Leica – eingetragenes Warenzeichen.


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