Nikos Economopoulos
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Edward Quinn
Peter Turnley
Jan Michalko
Meg Hewitt
2 . 2 0 2 0 F E B R UA R | M Ä R Z
D 8,90 € A 9,90 € L 10,10 € I 10,20 € CHF 15,60
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L E I C A F O T O G R A F I E I N T E R N AT I O N A L
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36 LEITZ AUCTION
13. Juni 2020 W
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Mehr Informationen zu Einlieferbedingungen unter
WWW.LEITZ-AUCTION.COM
LFI 2. 2020
P O RT F O L I O L I G H T B OX
F / S TO P
96 | LFI . GALERIE
82 | M10 MONOCHROM
Über 25 000 Fotografen präsentieren in der LFI-Galerie mehr als eine halbe Million Bilder. In diesem Heft ein Best-of in Schwarzweiß, aufgenommen mit der Leica M Monochrom
Mit der neuen M10 Monochrom liefert Leica erneut ein klares Bekenntnis zur Schwarzweißfotografie ab. Anders als ihre Vorgängerinnen setzt die Kamera auf einen eigenen Bildsensor mit deutlich höherer Auflösung als bei der normalen M10
P H OTO
8 8 | M SUMMILUX 90
1 0 6 | AU S ST E L LU N G E N
Das neue Leica Summilux-M 1:1.5/90 Asph markiert nicht nur im Hinblick auf seine Bildqualität, sondern auch mit seinen ungewöhnlichen gestalterischen Möglichkeiten die Spitze unter den lichtstarken Objektiven für die M-Kameras
Evelyn Hofer, Winterthur; Peter Lindbergh, Düsseldorf; Akinbode Akinbiyi, Berlin; Linda McCartney, Oberhausen; Leila Alaoui, Stuttgart
Nikos Economopoulos: aus On the Road, Ghana, Cape Coast 2017
Edward Quinn 8 | LEICA KLASSIKER
Mehr Gentleman als Paparazzo: Edward Quinn mischte sich in den 50er- und 60er-Jahren unter die Reichen und Schönen an der Côte d’Azur
Nikos Economopoulos Ganz in elegantem Schwarz gehalten: Die neue Leica M10 Monochrom
2 4 | O N T H E R OA D
Sein aktuelles Projekt führt den griechischen Fotografen um die Welt, um die perfekte Melange aus Farbe, Form und Emotionen zu finden
Meg Hewitt 3 8 | TO KYO I S YO U R S
Mit kontrastreichen Schwarzweißfotografien zeichnet die Australierin ein expressionistisches Bild der Metropole Tokio und ihrer Bewohner
Jan Michalko 54 | LIFE FLASHES
108 | BÜCHER Neue Publikationen von Mitra Tabrizian, Tomeu Coll, Nadav Kander und Bruce Gilden 109 | LEICA GALERIEN Das Programm der Leica Galerien weltweit. Unter anderem dabei: Chris Steele-Perkins in London und René Groebli in Frankfurt am Main 1 1 0 | I N T E RV I E W 2013 eröffnete in Budapest das Robert Capa Contemporary Photography Center. Ein Interview mit den Kuratorinnen Gabriella Csizek und Emese Mucsi 114 | MEIN BILD Die Rückfahrt von einem angesagten Elektrofestival in Sibirien führte Jakob Schnetz durch das verschneite Nirgendwo 114 | IMPRESSUM
Sechs Monate verbrachte der Berliner Fotograf Jan Michalko auf Sri Lanka. Entstanden ist ein reizvolles Spiel aus Formen, Farben und Linien
Peter Turnley 68 | FRENCH KISS
Ein fotografischer Liebesbrief: Für Turnley gibt es keinen anderen Ort, in dem Romantik und Liebe so sichtbar sind wie in Paris
COVER: Meg Hewitt, aus der Serie Tokyo is Yours
LFI
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LFI INTERN
H O M M AG E A N D I E M DIE LFI M-EDITION
Die Australierin Meg Hewitt bei der Arbeit an Tokyo is Yours
Die Leica M ist und bleibt eine Erfolgsgeschichte: Anlässlich der Vorstellung der M10 Monochrom am 17. Januar haben wir den visuellen Schwerpunkt dieser Ausgabe auf das traditionsreichste System der LeicaFamilie gelegt: Während Nikos Economopoulos und Jan Michalko mit ihren M-Kameras die Vielfalt der Welt in Farbe abbilden, ziehen Peter Turnley und Meg Hewitt (links im Bild) klassisches Schwarzweiß vor. Die Australierin, die ihr Projekt Tokyo is Yours mit der analogen M6 begonnen hat, setzte es später mit der digitalen M9 fort (siehe Seite 38). Ihre Begeisterung ist ungebrochen: „Wenn man so wie ich mit Instinkt und Emotion arbeitet, dann braucht man ein Kamerasystem, das zu einer Erweiterung meiner selbst wird – und das ist für mich eben das M-System.“ Die Einfachheit der Bedienung und die manuelle Kontrolle der Kamera ermöglichen ihr eine diskrete Arbeitsweise, die immer nah an den Menschen ist.
CONTRIBUTOR
Auch wenn Quinn ab den frühen 1950er-Jahren unzählige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens fotografierte und die größten Stars seiner Zeit kannte, fühlte er sich in Gesellschaft bildender Künstler am wohlsten: „Ich glaube, das beruht auf Gegenseitigkeit. Es gibt eine Art von Seelenverwandtschaft zwischen uns, gegenseitige Achtung und Verständnis für die Arbeit des anderen“, notierte er 1995 in seinen Erinnerungen. Am 20. Februar jährte sich Quinns Geburtstag zum 100. Mal. 4 |
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N I KO S E C O N O M O P O U LO S Die Aufnahmen des griechischen Fotografen wirken wie inszeniert und sind doch immer unmittelbar aus dem Alltagsleben gegriffen. Diesen anspruchsvollen ästhetischen Spagat bringt Economopoulos Amateuren und Profis in Workshops von Peru bis Georgien bei. Dabei hilft er den Teilnehmern, den eigenen Blick zu finden und zu schärfen – ganz unabhängig von den technischen Fähigkeiten. Denn am wichtigsten, so erzählt er, sei es, sich beim Fotografieren auf seinen Instinkt zu verlassen.
P E T E R T U R N L EY
Nachdem Turnley das erste Mal im Jahr 1975 eine M4 in der Hand gehalten hat, fotografiert der umtriebige Weltenbummler mit anhaltender Begeisterung in der Leica-Community. Neben zahlreichen Ausstellungen in Leica Galerien weltweit kennt man ihn auch von seinen Workshops an der Leica Akademie. Mit Ausnahme der M5 nennt er jedes M-Modell sein Eigen, von der M3 bis hin zur M10. „Meine Leicas zählen nun fast schon ein Leben lang zu meinen besten Freunden“, bekennt er.
Fotos: © Jason Martin, © Edward Quinn Archive, © Olga Stefatou, © David Burnett
E DWA R D Q U I N N
Break the rules. Change their view. Tell the bitter truth. Challenge the status. Stand strong. Don’t look back. Stay hungry. Find the spark. Risk. Fail. Repeat. Succeed.
LEICA M10 MONOCHROM Whatever it takes - be original. leica-camera.com LEICA. DAS WESENTLICHE.
L E I C A O S KA R B A R N AC K AWA R D D E R N E U E P ROZ E S S
Von oben: 2019 gewann Mustafah Abdulaziz den LOBA; erster Gewinner war 1980 Floris Bergkamp; 2009 war Dominic Nahr der erste Nachwuchspreisträger
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Seit vier Jahrzehnten wird der Leica Oskar Barnack Award regelmäßig verliehen – ein Anlass für die Leica Camera AG, das Ansehen des renommierten Fotopreises durch ein neues Auswahlverfahren zu steigern. Bisher erfolgte die Teilnahme am Leica Oskar Barnack Award durch ein Bewerbungsverfahren. In diesem Jahr ist es eine Nominierungsjury, die die Finalisten und letztlich die Preisträger ernennt. Sie setzt sich aus 70 namhaften Fotografie-Experten aus mehr als 30 Ländern zusammen. Jedes Mitglied der Nominierungsjury wird drei Fotografinnen oder Fotografen auswählen. Die einzige Voraussetzung für die Nominierung besteht darin, dass es sich bei den Fotografien um dokumentarische oder konzeptionelle Arbeiten handelt, die sich mit der Beziehung des Menschen zu seiner Umwelt auseinandersetzen. Neben den drei Anwärtern für den Hauptpreis wird jedes Jurymitglied einen Fotografen unter 30 Jahren für den Newcomer Award nominieren. Im Mai kommt die Jury im Headquarter der Leica Camera AG in Wetzlar zusammen, um den Sieger auszuwählen. Zum ersten Mal in der 40-jährigen Geschichte des Award erhält dieser eine Prämie in Höhe von 40 000 Euro sowie eine Kameraausrüstung von Leica im Wert von 10 000 Euro. Zudem werden die Serien im Rahmen einer Wanderausstellung in den Leica Galerien weltweit zu sehen sein. Die Gewinnerin oder der Gewinner des Newcomer Award erhält einen Foto-Auftrag, ein zweiwöchiges Tutoring im Leitz-Park in Wetzlar sowie eine Leica Q im Wert von 5000 Euro. Beide Preise werden am 24. September 2020 in Wetzlar verliehen. Anlässlich des Jubiläums wird es im Ernst Leitz Museum und in der Leica Galerie Wetzlar eine Ausstellung mit Aufnahmen der Preisträger 2020 sowie mit Arbeiten früherer Gewinner geben. Die Mitglieder der Nominierungsjury und Infos rund um den Preis finden Sie unter der Adresse leica-oskar-barnack-award.com.
Fotos: © Mustafah Abdulaziz; @ Floris Bergkamp; @ Dominic Nahr
LOBA 2020
LEICA M10 MONOCHROM Whatever it takes - be original. leica-camera.com LEICA. DAS WESENTLICHE.
Die Côte d’Azur in den 1950er- und 1960er-Jahren: ein glanzvoller Tummelplatz der Schönen und Reichen. Dort traf sich eine besondere Melange von Filmstars, Künstlern, Adligen und Magnaten. Edward Quinn fotografierte das Familienalbum einer legendären Ära. Eine Hommage zu seinem 100. Geburtstag.
LEICA KLASSIKER
Edward Quinn
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Brigitte Bardot vor den Studios de la Victorine, Nizza 1956 (links) und Mambo tanzend (Dreharbeiten zu Und immer lockt das Weib, vorherige Seite); Jeanne Moreau und François Truffaut, Cannes 1961; Marlon Brando im Hafen von Bandol, 1956 (unten); Frank Sinatra bei einer Wohltätigkeitsgala für UN-Flüchtlingskinder im Sporting d’Eté, Monaco 1958 (rechts)
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Ella Fitzgerald (oben), Dizzy Gillespie und Teddy Bruckner (unten) auf dem Jazz-Festival in Cannes, 1958. Linke Seite: Jane Fonda und Alain Delon während der Dreharbeiten von Wie Raubkatzen, Antibes 1964 (oben). Darunter: Natalie Wood und Warren Beatty auf dem Filmfestival in Cannes, 1962 (links); Elizabeth Taylor mit ihren Söhnen und Hunden, Nizza 1957 (rechts)
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Sophia Loren und ihr Ehemann Carlo Ponti stellen sich begeisterten Fans und Bildjournalisten am Flughafen von Nizza, 1961
Fürst Rainier III. von Monaco zeigt Grace Kelly in seinem Privatzoo den jüngst erworbenen Bengal-Tiger, Monaco 1955
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Die Maler Jean Cocteau und Raymond Moretti bei der Arbeit an La Naissance du Verseau, Nizza 1962 (oben); David Hockney beim Durchblättern von Quinns Bildband Picasso de Draeger, Paris 1975 (links)
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Von oben im Uhrzeigersinn: Picasso und der Maler André Verdet sehen Cathy Hutin und Claude Picasso beim Twist-Tanzen zu, Mougins 1962; W. Somerset Maugham, Beaulieu-sur-Mer 1960; Françoise Sagan, Monte Carlo 1957; Georges Simenon mit Familie, Cannes 1955; Pablo Picasso in seiner Villa in Notre-Dame-de-Vie, Mougins 1961
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Auftritt hatte der gebürtige Ire 1949 in Monaco als Musiker. Doch Gitarre und Kontrabass brachten nicht das nötige Einkommen. Er erprobte sich autodidaktisch in der Fotografie, doch auch Andenkenfotos und Gerichtssaal-Dokumentationen waren nicht erfolgreich. Erst mit der Erkenntnis, dass die vielen Illustrierten der Zeit vor allem eine große Gier nach Glamour und Prominentenporträts verband, setzte Quinn sich als Fotograf durch. Seit den frühen 50ern durchstreifte er mit einer Leica und einer Rolleiflex unermüdlich die Treffpunkte des Jetsets. Unverzichtbar für seine Arbeit war die Hilfe seiner Frau Gret, die Filme entwickelte, vergrößerte und für den Vertrieb sorgte. Quinn erarbeitete sich ein einzigartiges Renommee, die Magazine rissen sich um seine Aufnahmen. Mehr als 100 000 Negative lagern heute in seinem Nachlass und berichten von den goldenen Jahren an der Côte d’Azur. „Hilfreich für mich war, dass man mir so vertraute. Ich musste die fertigen Fotos nie zeigen. Die Leute wussten, dass ich keine unvorteilhaften Fotos veröffentlichen würde“, so der Fotograf im Rückblick. Aus der beruflichen Arbeit erwuchsen auch lebenslange Freundschaften: So ermöglichte ihm Picasso wie keinem anderen Fotografen einen persönlichen Zugang zu seinem Leben: „Er stört mich nicht“ lautete die knappe Ansage des Künstlers, der sich seines medialen Selbstbilds stets bewusst war und sich gerne der Fotografie als bestem Mittel zur Selbstdarstellung bediente. Bis heute dokumentieren Quinns Aufnahmen produktive Augenblicksbeziehungen, die dem Betrachter suggerieren, nicht nur ganz nah am Leben der Prominenz teilzuhaben, sondern auch immer wieder hinter die Fassade blicken zu dürfen. Diese Gratwanderung zwischen perfekter Inszenierung und vermeintlich spontaner Authentizität beherrschte Quinn meisterlich und lässt seine Bilder noch immer faszinierend aktuell wirken, auch wenn die Zeit über viele der Porträtierten und den Zenit ihres Ruhms längst hinweggegangen ist. ULRICH RÜTER
E D WA R D Q U I N N geboren am 20. Februar 1920 in Dublin; als Flugzeugnavigator während des Zweiten Weltkriegs in der Royal Air Force. Nach dem Krieg bei der französischen Fluggesellschaft Chartair, danach Musiker, bevor er sich in Südfrankreich als Fotograf etablierte. Das fotografische Kaleidoskop seiner Prominentenporträts ist unermesslich. Besondere Bedeutung sollte sein über 20 Jahre währender Kontakt zu Pablo Picasso erhalten, den er bis zu dessen Tod 1973 immer wieder fotografierte. Ähnlich intensiv sollte sich Quinns Kontakt zu Georg Baselitz erweisen. Von 1992 bis zu seinem Tod lebte Quinn in der Nähe von Zürich. Er starb am 30. Januar 1997 im schweizerischen Altendorf. Das umfangreiche Archiv wird von Quinns Neffen Wolfgang Frei betreut.
E DWARDQU IN N .COM BÜ C H E R: (Auswahl) EDWARD QUINN, MEIN FREUND PICASSO (Wienand, Köln 2018); PICASSO SANS CLICHÉ (Hazan, Vanves 2017); CELEBRITY PETS (teNeues, Kempen 2011); RIVIERA COCKTAIL (teNeues, Kempen 2011); EDWARD QUINN: FOTOGRAF. NIZZA (Scalo, Zürich 1994)
Fotos: Edward Quinn © edwardquinn.com
„Ein sehr charmanter Herr“: Dieses Kompliment hätte auch dem Fotografen gelten können, doch Grace Kelly meinte – nach ihrem ersten längeren Treffen im Palast – Fürst Rainier III. von Monaco. Exklusiv berichtete Edward Quinn im Auftrag von Paris Match von diesem Rendezvous. Da sich der Fürst um eine Stunde verspätete, konnte der Fotograf die Schauspielerin bei der Besichtigung des fürstlichen Anwesens allein begleiten. Auch nach Ankunft des Fürsten gelangen weitere legendäre Motive im Garten des Palastes. Dass diese Geschichte eine Fortsetzung haben sollte, ahnte noch niemand. Man trennte sich höflich, Quinn hatte viele gute Motive im Kasten. Ein Jahr später sollte dann die medial perfekt choreografierte Märchenhochzeit folgen. An einen Exklusivzugang, wie er ihn zuvor genießen durfte, war nun nicht mehr zu denken, Privatfotografen und PR-Agenten bestimmten fortan die Spielregeln am Fürstenhof. Quinn pflegte einen eigenen unverwechselbaren Stil. Er war eher Gentleman als Paparazzo. Nur so kam er den Stars ganz nah, ohne sie je bloßzustellen. Es ging ihm weniger um das eine sensationslüsterne Motiv, seine Arbeit war eher von Freundlichkeit und Komplizenschaft geprägt. Denn schließlich wollte er auch in der nächsten Saison wieder gern gesehener Gast auf den zahlreichen Empfängen, Gala-Nächten und Festivitäten an der französischen Riviera sein. Und vielleicht war es auch sein ehrliches Interesse an vielen der von ihm porträtierten Künstler, dass seine Bilder nicht nur nostalgisch anekdotisch, sondern bis heute auch fotografisch spannend sind. Nur selten spürt man in seinen Bildern einen Hauch von Ironie und mildem Spott, wenn die Selbstdarstellung einiger fotografierter Diven zu opulent ausfiel. Von großem Vorteil waren seine Umgangsformen und die Sprachgewandtheit. Eher zufällig wurde die Fotografie sein Beruf, denn seinen ersten
Mehrfacher Gewinner des TIPA-Awards – 2013/2017
„Das beste Fotolabor der Welt“ Alle Rechte, Änderungen und Irrtümer vorbehalten. WhiteWall Media GmbH, Europaallee 59, 50226 Frechen, Deutschland © Photo by Koukichi Takahashi
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Nikos Economopoulos
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Der griechische Fotograf Nikos Economopoulos ist ständig auf Achse und fängt mit seiner Leica M oftmals surrealistisch anmutende Begegnungen zwischen Licht und Schatten ein. Seine sorgsam komponierten Aufnahmen erzählen individuell interpretierbare Miniaturgeschichten voller Poesie.
„Es geht um das Reisen ohne bestimmten Zweck, um das neugierige Schauen und das ständige überraschen lassen durch neue Begegnungen“, umschreibt der Fotograf die Essenz seines Projekts. „Während der Aufnahmen wird das Denken ausgesetzt. Es ist wie ein Spiel mit der Realität.“
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Economopoulos offenbart dem Betrachter kontrastreiche Bilderwelten in leuchtenden Farben. In den 1990ern und 2000ern fotografierte er ausschließlich in Schwarzweiß, aber dann stieg er auf Farbe um – eine bewusste Entscheidung, die ihm mehr ästhetische Freiheiten ermöglicht
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Die meisten Aufnahmen für On the Road entstanden in Südamerika und Afrika. Economopoulos fotografiert stets nah an den Menschen, dennoch geht er mit gebührendem Abstand vor, um dem Seelenleben seiner Protagonisten ausreichend Freiraum zu gewähren
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On the Road ist als ständiger Prozess zu begreifen. Solange Economopoulos noch Lust am Reisen verspürt, wird er auch seine zwischenmenschlichen Zufallsbegegnungen für die Ewigkeit festhalten
N I KO S E C O N O M O P O U L O S Der in Südgriechenland geborene Fotograf studierte zunächst Jura in Parma und war anschließend als Journalist tätig. Seit 1988 widmet er sich vollends der Fotografie. Seit 1994 ist er Vollmitglied der Agentur Magnum Photos, die seine Aufnahmen in Zeitungen und Magazinen weltweit veröffentlichte. Der Fotoband In the Balkans gehört zu Economopoulos’ einflussreichsten Publikationen.
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Fotos: Nikos Economopoulos /Magnum Photos
Nikos Economopoulos bleibt immer in Bewegung. Inspiriert von seinen Vorbildern Sergio Larrain und Josef Koudelka ergründete der gebürtige Grieche schon in den späten 1980erJahren die Identität seiner Mitmenschen. Seine Erfahrungen mit Minderheiten, Migrationsbewegungen und Grenzgebieten schlugen sich in emotionsgeladenen Schwarzweißaufnahmen nieder, die um die Welt gingen. Mittlerweile findet Economopoulos Inspiration in der Ferne und produziert für sein Langzeitprojekt On the Road Aufnahmen, deren Farbkraft seinem Œuvre einen expressiven Anstrich verleihen. Wie seine früheren Projekte lebt auch dieses von zwischenmenschlichen Begegnungen und hebt einmal mehr seinen Sinn für Empathie und Ästhetik hervor. LFI: Herr Economopoulos, in welchen Situationen greifen Sie zur Kamera, wenn Sie unterwegs sind? Nikos Economopoulos: Das passiert immer dann, wenn ich ein visuelles Ereignis wahrnehme. Meistens beginnt es mit etwas Inhaltlichem. Es muss etwas passieren, das Dinge in einen Fluss bringt und nicht in Worten zu beschreiben ist. Das kann eine Geste, ein Blick oder eine Verbindung sein. Sobald ich dann etwas wahrnehme, was meine visuelle Neugierde entfacht, suche ich nach weiteren Elementen: etwa Licht, Geometrie oder ein bestimmtes Gleichgewicht. Vor ein paar Jahren waren Ihre Arbeiten noch in Schwarzweiß, aber Ihre jüngsten Aufnahmen zelebrieren die Vielfalt der Farben. Wie kam es zu dieser Veränderung? Das war eine technische und eine ästhetische Entscheidung. Die Digitalfotografie hat mir ermöglicht, mit Farbe zu experimentieren. Vor ihrem Aufkommen hatte ich nicht die technische Kontrolle, die ich mir gewünscht hätte. Ich hatte immer ästhetische Ideen im Kopf, aber es wäre damals viel
schwieriger gewesen, sie umzusetzen. In der Farbfotografie muss man nicht nur eine Balance zwischen Form und Inhalt finden, sondern auch eine Reihe von weiteren Aspekten beachten, etwa die Verflechtung von Farben untereinander oder die Beziehung verschiedener Lichter und Tiefen. Ihr Spiel mit Licht und Schatten ist prägnant. Welche Rolle spielt natürliches Licht in Ihrer Fotografie? Es beginnt immer mit natürlichem Licht. Dann greife ich mit Mitteln wie Unterbelichtung ein. Als ich noch in Schwarzweiß fotografierte, entschied ich mich immer für diffuses Licht. Ich betete für Wolken und mied die Sonne. Jetzt gehe ich spielend mit Licht und Schatten um. Ich gehe der Sonne auf spielerische Art und Weise nach und experimentiere mehr. Hat sich Ihr fotografisches Auge über die Jahre verändert? Eher nicht. Gewiss ändern sich im Laufe der Zeit einige nebensächliche Präferenzen; aber die innere Aussagekraft der Bilder bleibt gleich. Wenn ich eines gelernt habe, dann ist es, ehrlich in meinen Bildern zu sein und niemals etwas zu tun, nur weil man glaubt, dass andere es mögen würden. Ein Bild muss immer so sein, wie man es sich selbst vorstellt! Das ist in der Praxis das einzig Nachhaltige, was man tun kann. Und das ist es wert, denn es macht glücklich. Sie leiten Workshops, Portfolio Reviews und Meisterklassen. Können Sie auf den Punkt bringen, was ein gutes von einem schlechten Bild unterscheidet? Zunächst ist ein gutes Bild eines, an das man sich erinnert. Das Verhältnis von Form und Inhalt muss so funktionieren, dass sich ein stimmiges Gesamtwerk ergibt. Außerdem braucht es Emotionen. Ohne Emotionen kann es kein gutes Bild sein. Bilder, die lediglich der Form dienen und nur etwas Schönes oder Interessantes beschreiben, finde ich langweilig. Es sollte seinen Betrachters auf einer sehr persönlichen Ebene ansprechen.
Welche Situationen inspirieren Sie fotografisch am meisten? Die Situationen, die mir die größte Freude bereiten, sind jene, in denen es einen Fluss menschlicher Interaktionen gibt, in denen eine Fülle von Emotionen wahrzunehmen ist, in denen Barrieren überschritten werden und das Leben mit all seinen Spannungen, und kleinen Wahrheiten in all seiner nicht perfekten Weise zu spüren ist. Was kann die Fotografie aus gesellschaftlicher Sicht verändern? Wenn Sie mich Fragen, ob Fotografie die Welt verändern kann, dann verneine ich das. Fotografie kann das Bewusstsein erhöhen, aber nicht mehr auf dieselbe Art und Weise wie früher. Vielleicht war die Fotografie in der Vergangenheit, zu Zeiten ihrer Unschuld, noch mächtiger. Man mag denken, dass dieser Zauber verflogen ist – das muss aber nicht sein, wenn man die Fotografie als eine Form von Poesie begreift, kann sie uns zu besseren Menschen machen. Welche Art von Kameras benutzen Sie auf Ihren Reisen und warum? Derzeit benutze ich meistens die Leica M10. Mit Leica-Kameras im Gepäck brauche ich mich nicht auf die Ausrüstung zu konzentrieren, sondern kann mich voll und ganz der Bildkomposition widmen. Eine Leica-Kamera ist ein Präzisionsinstrument, aber auch noch so viel mehr: Hinter jedem Detail, der Benutzerführung, dem Design, der Präzision und selbst hinter ihrer Größe stecken wichtige Gedanken. Da sie nicht viel größer als meine Hand ist, kann ich sie mit Leichtigkeit benutzen. Das schätze ich sehr. INTERVIEW: DANILO RÖSSGER
ON TH E ROAD.GR EQUIPMENT: Leica M9 und Leica M10 mit Summicron-M 1:2/35 Asph
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Meg Hewitt
Fasziniert von japanischer Fotografie, beispielsweise der Gruppe Provoke, begab sich die australische SelfmadeFotografin Meg Hewitt im Jahr 2011 nach Tokio, um eine über Fotojournalismus hinausgehende, emotionale Arbeit zu produzieren, die Raum für die Fantasie des Betrachters lässt.
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Während der Arbeit stelle sich Meg Hewitt einen Raum voller Bilder vor, die sie noch aufnehmen wollte – so erreichte die Fotografin, dass die Aufnahmen für ihr Buchprojekt in einem visuellen Zusammenhang standen
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Hewitt geht in ihrer Arbeit nah an die Menschen heran. Auf dem Bild links demonstriert ihre Freundin Yuka mit Körpersprache, wie sie sich nach dem Tōhoku-Erdbeben 2011 gefühlt hat, als sie in Tokio gefangen war. Das große Bild unten zeigt den Bahnhof Kerobokan, in dem sich auch der Eingang zum Sumo-Stadion befindet
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Die Fotografin begann ihr Projekt mit der analogen Leica M6. Die Filme entwickelte sie im Hotel und scannte sie. Um schneller arbeiten zu können, wechselte sie zur M9 und lernte, wie sie Filmkorn auch digital emulieren kann
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MEG HEWITT Nach dem Studium der Bildenden Künste führte Meg Hewitt zwölf Jahre lang ihr eigenes Restaurant in Sydney, bevor sie zur Fotografie kam. Heute arbeitet sie an ihren Projekten, assistiert in einer Fotodruckerei und gibt Workshops. Ihr Fotobuch Tokyo is Yours erhielt mehrere internationale Auszeichnungen. 2019 fand Hewitts erste Solo-Ausstellung in der Anne Clergue Galerie in Arles statt.
ME G HE W I TT.CO M LF I -O NL I N E .D E / B LOG : PORTFOLIO MIT WEITEREN BILDERN VON MEG HEWITT EQUIPMENT: Leica M6 und M9 mit Summicron-M 1:2/28 Asph und 1:2/35 Asph
Exaltierte Gesten, obskure Figuren und ungewöhnliche Settings. Die Fotografie der Australierin Meg Hewitt lässt sich als expressiv beschreiben. In Japan und besonders in Tokio fand sie perfekte Bühnen für ihr fotografisches Schauspiel. Ihre Protagonisten, die sie auf der Straße, in der U-Bahn oder in einschlägigen Bars trifft, erinnern mit ihren oft übertriebenen Posen an Darsteller des japanischen Nō-Theaters, eine Tradition, mit der sich Hewitt intensiv beschäftigt hat. Doch auch die Bilder ohne Menschen wirken wie skurrile Theaterkulissen. Lüftungsschächte, die wie Würmer aus der Erde kriechen, eine Gruppe eiserner Kraniche oder ein Haus, das Augen zu haben scheint. Oft bezieht Hewitt örtliche Gebrauchsgrafik mit ein, indem sie Wrestling-Poster oder Sumo-Werbung in ihre Bilder integriert. Hewitt bewegt sich im Underground und im Privaten; sie meidet das glatte, gesichtslose Tokio-Klischee wie Wolkenkratzer und Menschenmengen auf der Shibuya-Kreuzung. Ihre Fotografie geht tiefer, was auch mit ihrer Arbeitsweise zu tun hat: „Ich war schon immer die Art Mensch, die in verrückte Situationen gerät. Ich lasse mich gerne treiben und treffe mich mit Leuten, deren Ideen und Lebensweisen mich interessieren.“ Dabei sucht sie stets das Abwegige, im Abseits stehende, an dem andere meist einfach vorbeigehen: „Viele Dinge im Leben sind seltsamer als die Fiktion und ich möchte genau das einfangen, um es anderen zu zeigen oder den Moment selbst noch einmal zu erleben.“ Nach dem Tōhoku-Erdbeben von 2011, dem ein Tsunami und die Kernschmelze im Kernkraftwerk Fukushima folgten, reiste Hewitt nach Tokio. Die Millionenmetropole, die nur 250 Kilometer südlich der Unglücksstelle liegt, befand sich im Schockzustand. Eine Evakuierung so vieler Menschen wäre nicht möglich gewesen. Doch selbst in diesen dramatischen Tagen traf die Australierin die unverändert lebendige Subkultur an, die sie so liebt – Tokyo is Yours war geboren. Sie selbst beschreibt es so: „Es war eine regelrechte ScienceFiction-Situation, aber leider sehr
real. Überall das Graffiti ‚Tokyo is Yours‘, es war wie eine Proklamation, dass die Stadt trotz der Ereignisse immer noch sie selbst war.“ Für ihre Arbeit ließ sich Hewitt von Fotografen wie Trent Parke und Anders Pedersen inspirieren, der in seiner Beziehung zu den Protagonisten, wie man sie im Bildband Café Lehmitz sehen kann, für sie ein echtes Vorbild ist. Aber auch die japanische Fotografengruppe Provoke, die sich vom rein Dokumentarischen weg zum eher Allegorischen und Emotionalen bewegte, hatte einen Einfluss auf sie. Es kommt ihr nicht darauf an, ein technisch perfektes Bild zu machen, sondern den Moment einzufangen und der Vergänglichkeit ein Stück Unendlichkeit abzutrotzen. Um ihren eigenen Stil körniger Schwarzweißfotografie zu finden, hat sie lange mit analoger Fotografie experimentiert. Anfangs arbeitete sie mit einer Leica M6, später wechselte sie zur digitalen M9: „Wenn man so instinktiv und emotional arbeitet wie ich, bedarf es eines Kamerasystems, das zu einer Erweiterung meiner selbst wird – und das ist für mich eben das M-System.“ Für sie machen die Einfachheit der Bedienung und die manuelle Kontrolle die Kamera zur zweiten Natur. Da sie so nah an die Menschen herangeht, ist eine diskrete Kamera wie die M von Vorteil, weil sie weniger aggressiv wirkt. Fotografieren sei für sie immer auch ein Kampf gegen die Endlichkeit, konstatiert Hewitt. Sie möchte im Alter so viele spannende Erinnerungen wie möglich haben, auf die sie zurückblicken kann: „Erinnerungen entstehen aus Bildern. Wir lassen ein wenig von uns selbst an den Orten, zu denen wir reisen, und wir kehren zu diesen Erinnerungen zurück und erkunden nicht nur den Ort, sondern einen Teil von uns selbst.“ Dank Tokyo is Yours kann nicht nur sie, sondern auch ihr Publikum sich noch lange an ihre Erfahrungen in der japanischen Hauptstadt erinnern. DENISE KLINK
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Jan Michalko LIFE FLASHES
Es ist heiß und laut und bunt: Sechs Monate lebte und arbeitete der Berliner Fotograf Jan Michalko auf Sri Lanka. Dort entstanden farbenfrohe Bilder aus Alltag und Kultur des Landes.
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Unermüdlich blitzte sich Jan Michalko durch die Insel Sri Lanka und fotografierte das Leben: die Tagelöhner in der Hauptstadt Colombo, den Alltag mit Verkehrspolizisten und Pendlern auf dem Weg nach Hause. Sie wollen dem Chaos auf den Straßen entkommen und quetschen sich in überfüllte Züge
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In der Stadt Kandy, die fast genau in der Mitte von Sri Lanka liegt, wartet ein Schlangenbeschwörer auf Zuschauer, damit er mit seiner Performance beginnen kann. Schlangen sind ein häufiges Motiv
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Nirgends ist es so bunt wie in den kleinen, überfrachteten Shops, in denen es alles zu geben scheint, was die Einwohner brauchen
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Dieser Tagelöhner aus dem Stadtteil Pettah in Colombo ist wegen seines Modestils zur lokalen Berühmtheit geworden. Stolz hält der Schlangenbeschwörer aus Peradeniya seine Kobra in die Kamera
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In dekorierten Trucks fahren Händler Waren über die Insel. Für die Aufnahme der muslimischen Männer, die in einem überfüllten Zug reisen, hat Michalko Blitze auf Stativen fest installiert und dann gewartet, bis der Zug vorbeikam. Der Stadtteil Pettah in Colombo ist einer der wuseligsten Orte Sri Lankas
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Rot ist die Farbe der Liebe – und der Rambutan-Frucht. Im Zentrum der 150 000-EinwohnerStadt Kandy verkauft ein Straßenhändler die sogenannte haarige Litschi
J A N M I C H A L KO Jan Michalko kam als Autodidakt zur Fotografie und war Teilnehmer der World Press Photo Joop Swart Masterclass. Sein Fokus liegt auf Reportage- und Dokumentarfotografie. Er lebt als freiberuflicher Fotograf in Berlin. Seine Aufnahmen erscheinen in zahlreichen internationalen Zeitungen und Magazinen. Gegenwärtig arbeitet Michalko an einer Serie über seine Reiseerlebnisse in Indien.
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Der Berliner Winter ist eine einzige trübe Zumutung. Wetter, Kleidung und Menschen gehen ineinander über und verlieren sich in ihrem Einheitsgrau. Das Leben in der Stadt in diesen Monaten: eine Herausforderung. Und auch ein Grund, ihr den Rücken zu kehren. Dreimal zwei Monate lang bereiste der Berliner Fotograf Jan Michalko die Insel Sri Lanka. Ein Paradies mitten im Indischen Ozean. Ein Ort aus Palmen, üppiger Vegetation und kolonialer Architektur, die mitunter den Eindruck erweckt, die Zeit sei dort seit Jahrhunderten stehengeblieben. Vor allem aber ist die Insel ein einziger Farbflash. Jan Michalko meint: „Farbe weckt Gefühle, sie wärmt. Sie bedeutet für mich Lebendigkeit und ist das Leitmotiv meiner aktuellen fotografischen Arbeit.“ In Sri Lanka fotografierte er die Menschen auf den Straßen; Lastenträger, Ladeninhaber, Schlangenfänger. Er hielt die Gegenstände des alltäglichen Lebens fest, Haushaltsartikel, Nahrung, Busse, Bahnen. Was ihn an seinen Motiven am allermeisten reizte, war die Kombination aus Formen, Farben und Linien. „Ich wollte keine Reisefotos machen und zeigen wie es in Sri Lanka aussieht“, sagt er. „Mir ging es weniger um die Inhalte als um eine künstlerische Weiterentwicklung.“ Seine fotografische Herangehensweise beschreibt er so: Wenn jemand etwa einen Chai kocht, dann sei für ihn nicht der Herstellungsprozess selbst interessant, sondern das metallische Glänzen der Kessel, der Dampf oder die pinke, zerrissene Plastikplane im Hintergrund. Die Inspiration und Motivation für seine Serie bekam er auch von seiner Schwester, der Malerin Monika Michalko. Ihre Arbeiten sind geprägt von einer hohen Farbintensität, auf ihren Gemälden vereinen sich Ornamente und Objekte zu großflächigen, raumgreifenden Fantasiegebilden. Zusammen konzipierten sie vor Ort
eine Ausstellung, für die sie die Realitäten und Mysterien des Alltags und der Kultur in Sri Lanka erforschten. Stellt man ihre beiden künstlerischen Ergebnisse nebeneinander, lässt sich die Gemeinsamkeit erkennen: ein gewaltiges Farbenmeer, in dem sich die Ordnung von Raum und Fläche nahezu aufzuheben scheint. „Ich habe mich auf die Formen und das Grafische in den Bildern konzentriert“, erzählt Michalko. „Bei meiner Motivauswahl habe ich zumeist erst den passenden Hintergrund gesehen: Eine bunt gemusterte Tafel, eine abgeblätterte Farbfläche, einen interessanten Raum. Davor habe ich die Leute einfach ihr Ding machen lassen.“ Seine Bilder sind keine Inszenierungen, den Menschen, die darauf zu sehen sind, hat er sich langsam genähert, gewartet, bis sie ihn akzeptierten, seine Anwesenheit vergaßen. Sie agieren auf seinen Fotografien eher als Statisten. Selten schauen sie direkt in die Kamera, eilen geschäftig an dem Fotografen vorbei. Sie sind Teil einer Komposition, die für Jan Michalko ein gutes Bild ausmacht: Jede Position, jede Geste, führt zu einem stimmigen Zusammenspiel mit der Umgebung. Fotografiert hat er sowohl mit der Leica M240 als auch der Leica M10, jeweils mit 28- und 50-mm-Brennweiten. Das Besondere und Auffällige an seinen Bildern ist deren Helligkeit, die er durch starkes Anblitzen erzeugt hat. Diese Methode entdeckte Michalko schon vor zwanzig Jahren für sich und schuf nun für die Kombination mit der Leica eigens eine Blitzverbindung: „Ich habe mir ein Blitzkabel gebaut und es mit dem Transmitter verbunden“, erklärt er. „Den Transmitter habe ich dann nicht – wie üblicherweise – oben auf der Kamera befestigt, sondern mir an den Gürtel gehängt. So konnte ich die Kamera einfacher handhaben.“ Manchmal positionierte er die Blitze auf kleinen oder großen Stativen, legte sie auf Kisten, hängte sie in Bäume oder befestigte sie an den Tuk-Tuks, den berühmten Autorikschas.
Er drückte die Blitze auch spontan den Einheimischen in die Hand und machte sie so zu seinen Assistenten. Ob im Vorbeilaufen oder Vorbeifahren: Mitunter wirken die Fotografien wie Schnappschüsse, die versuchen, das Leben, die Zeit und die Bewegung des Inselstaats einzufangen. Knallbunt, poppig und leuchtend: Seine Bilder sind wie Süßigkeiten. Viele Aufnahmen entstanden in Sri Lankas Hauptstadt Colombo, aber auch auf zahlreichen Reisen und in verschiedenen Orten auf der Insel. Nachträglich bearbeitet sind sie nur in der Farb- und Kontrastkorrektur, sie sind nicht beschnitten oder manipuliert. Ein Motiv, das häufiger zu sehen ist und europäischen Betrachtern in seiner Normalität fremd und gefährlich erscheint, ist die Schlange. Kobras oder Vipern wie die Bambusotter – Sri Lanka ist bevölkert von giftigen Schlangen. Sie lungern im Gebüsch oder verirren sich in die Wohngebiete. Den Schlangenfänger, den der Fotograf auf seinen Bildern festhielt, lernte er zufällig in einer Bar kennen. Er fängt die Tiere im Garten ein und lässt sie dann wieder in der Natur frei. Einige besondere Exemplare hält er allerdings auch bei sich zu Hause. Als Michalko ihn dort besuchte, fand er sich in einem Raum mit sieben Cobras und drei Pythons wieder. „Das war schon ein besonderes Gefühl“, erinnert er sich. „Der Mann arbeitet auch als Schlangenbeschwörer. Gerne transportiert er auf dem Weg zur Arbeit seine Cobras und Pythons auch mal in einer Sporttasche im Bus.“ In Südostasien gelten Schlangen auch als ein Symbol der Lebensenergie. Wie die Farben auch. KATJA HÜBNER JAN MIC H ALKO.COM LF I-ON LIN E .DE /B LOG: JAN MICHALKO, ONE PHOTO — ONE STORY EQUIPMENT: Leica M240 und Leica M10 mit Summilux-M 1:1.4/28 mm und Summilux-M 1:1.4/50 sowie verschiedene Blitzgeräte
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Peter Turnley FRENCH KISS
Bienvenue à Paris! Der amerikanische Fotograf Peter Turnley hat die französische Hauptstadt als Wahlheimat erkoren. Seine Aufnahmen dokumentieren das rege Treiben auf der Straße und verneigen sich vor dem Leben und der Liebe.
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Love is in the air: Seitdem Peter Turnley im Jahr 1975 erstmals Fuß in Paris gefasst hatte, ist er der Stadt verfallen
Seit Großmeister wie Henri-Cartier Bresson oder Robert Doisneau ihre Mitmenschen in den Fokus ihres Schaffens rückten, stehen Fotografie und Philanthropie in einem engen Zusammenhang. Nicht zufällig sind es genau jene Chronisten, die Peter Turnley schon als Jugendlichen beflügelt haben, selbst mit einer Kamera in der Hand auf Erkundungstour zu gehen. Geprägt von der US-Gesellschaft der späten 60er- und 70er-Jahre und einer progressiven Erziehung in einem sonst eher konservativen Teil des Landes, entwickelte Turnley einen humanistischen Blick auf seine Umwelt, der sich schon in seinen ersten Schritten auf fotografischem Feld widerspiegelt.
Schon als 17-Jähriger dokumentierte er mit seinem Zwillingsbruder David das Leben in einem Wohngebiet der Arbeiterklasse in der McClellan Street in seiner Heimatstadt Ft. Wayne, Indiana. Das Projekt bescherte den Brüdern die Aufmerksamkeit der Fotoszene in New York und eine erste Magazinveröffentlichung. Nicht zuletzt lehrte ihn diese Zeit, dass man nicht weit reisen muss, um spannende Geschichten zu finden. Geht man nur mit geöffneten Augen, dem hinterfragenden Blick seiner fotografischen Vorbilder und dem richtigen Maß an Empathie durchs Leben, findet man die spannendsten Geschichten gleich in der Nachbarschaft. Gleichwohl stiegen Turnleys Neugierde und Reiselust mit jedem Foto. Schnell begann er zu realisieren,
welche Türen ihm die Fotografie zu öffnen vermag – sowohl zu bisher unbekannten Orten als auch in die Herzen seiner Mitmenschen. Noch heute handelt er nach dem Prinzip, das ihn The Family of Man einst lehrte: Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, die die Menschen zusammenbringt als entzweit. Diese Philosophie half Turnley, im Laufe seiner jahrzehntelangen Karriere zahlreiche bedeutende, einschneidende und auch finstere Kapitel der Weltgeschichte zu dokumentieren, und sich trotzdem überall auf der Welt zu Hause zu fühlen. Und doch gibt es einen Ort, den der viel gereiste Fotograf wohl auf ewig in seinem Herzen behalten wird: Paris. →
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Für Newsweek und viele weitere Magazine lichtete der Fotojournalist zahlreiche Konflikte ab. Es waren die Straßen von Paris, in denen er Harmonie und Liebe fand – ein notwendiger Ausgleich, der seine Sicht auf das Leben und die Welt widerspiegelt
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Turnley: „Ich reiste um die ganze Welt und kann mit Gewissheit sagen, dass es keinen Ort gibt, an dem Romantik, Liebe und Zärtlichkeit so freizügig und konsequent ausgelebt werden, wie in Paris.“
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Fotografen müssen die Welt nicht neu erfinden, so Turnley, kleine Wunder gäbe es in jeder Lebensrealität zu entdecken. Sie sollten aber in der Lage sein, die Poesie der Welt Betrachtern erfahrbar zu machen
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Turnleys Aufnahmen sind auch immer Ausdruck des eigenen Lebensgefühls. „Ich denke nicht, dass sich Fotografie ausschließlich um Technik dreht“, sinniert er – mehr noch gehe es um das Sehen, Fühlen, Teilen – und das Schaffen von Erinnerungen für die Ewigkeit
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PETER TURNLEY Turnley arbeitete bisher in über 90 Ländern und hat in den letzten vier Jahrzehnten bedeutende politische Ereignisse fotografisch festgehalten. Neben fotojournalistischen Auftragsarbeiten porträtierte er Persönlichkeiten wie Barack Obama, Fidel Castro oder Lady Di. Seit 1975 fotografiert er mit anhaltender Begeisterung das Alltagsleben in seiner Wahlheimat Paris. Im Jahr 1975 zog es Turnley erstmals nach Paris, wo er sich an der Sorbonne mit der französischen Sprache und Zivilisation vertraut machte. Neben seinen Kursen fotografierte er zunächst die lebendige Caféhaus-Szene im Marais. Es war eine Zeit, die er als eine „emotional erhebende Revolution“ in seinem Leben umschreibt. Fasziniert von der Geschichte, der Schönheit und der politischen und sozialen Diversität, verliebte er sich Hals über Kopf in die französische Metropole. Nach Beendigung seines Studiums an der University of Michigan kehrte Turnley nach Paris zurück, erlangte dort einen weiteren Hochschulabschluss, arbeitete zunächst als Drucker und später als Fotojournalist. Fortan war Paris seine Wahlheimat, in der er den Grundstein für seine steile Karriere legte. Aus dem Vollzeitfotografen wurde ein Vollblutfotograf. Auch wenn er bislang über 90 Länder bereiste und unzählige Personen der Weltgeschichte porträtierte, hängt sein Herz an der Welthauptstadt der Liebe und Turnley genießt dort auch heute noch jede Sekunde des Fotografierens. In seinen Aufnahmen finden all die Konflikte und Kriege, die er hautnah miterlebt hat, keinen Platz. Für ihn gibt es keinen anderen Ort der Welt,
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in dem Romantik, Liebe und Zärtlichkeit so offen und konsequent zur Schau gestellt werden. Während seiner fotografischen Streifzüge geht er stets getreu den goldenen Worten seines Freundes und Kollegen Edouard Boubat vor: Wer seine Augen und sein Herz öffnet, findet an jeder Straßenecke ein Geschenk. So bringen seine Momentaufnahmen den sanften Hauch von Hoffnung in eine Welt, die emotional und existenziell durchaus herausfordernd sein kann. Seinen fotografischen Liebesbrief hätte er allerdings nicht ohne seine Kamera verfassen können – die Leica M. „Ich hege das starke Gefühl, dass eine Kamera wie eine vertraute Freundin sein sollte, die man immer um sich haben haben will“, erklärt Turnley seine Leidenschaft. Er schwärmt weiter: „Diskretion, Eleganz, Präzision und Qualität der Objektive – alle diese Eigenschaften finde ich in der Leica M.“ Mit der klassischen Reportagekamera kann man auch das alltägliche Leben ideal einfangen, sofern man nur das notwendige Gespür für Authentizität und reges Interesse für seine Mitmenschen mitbringt. Turnleys poetische Schwarzweißkompositionen zeigen, dass es sich stets lohnt, sein Augenmerk auf die lebensbejahenden Aspekte der Existenz zu legen – und machen unsere Welt damit ein kleines Stück weit lebenswerter. DANILO RÖSSGER
WWW.PE TE RTU RN LEY.COM LF I-ON LIN E .DE /B LOG: MOMENTS OF THE HUMAN CONDITION — TURNLEY AUF CUBA EQUIPMENT: Leica M2, M3, M4, M6, M7, M8, M9, M Monochrom, M10; u. a. mit dem Summilux-M 1:1.4/35 Asph
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M O D E R N E T RA D I T I O N LEICA M10 MONOCHROM
Mit der neuen M10 Monochrom liefert Leica erneut ein klares Bekenntnis zur Schwarzweißfotografie ab. Anders als ihre Vorgängerinnen setzt sie auf einen eigenen Bildsensor mit deutlich höherer Auflösung als bei der normalen M10.
Am Anfang schien es noch ein gewagtes Experiment zu sein, eine Digitalkamera ausschließlich für die Schwarzweißfotografie zu entwickeln. Die Idee dazu ist fast so alt wie die Geschichte der digitalen Leicas selbst, denn die Verbundenheit der Leica-Mitarbeiter mit klassischer Schwarzweißfotografie ist hoch. Doch eine nur schwarzweißtaugliche Kamera galt anfangs als großes Risiko, nicht nur weil sie einen speziellen Sensor ohne Farbfilter erfordert, sondern auch weil sie eine typische Zweitkamera zu sein schien, nur für Enthusiasten geeignet, die bereits die farbfähige Version besitzen. Aber schon die erste M Monochrom war ein voller Erfolg, dem bald eine zweite und nun die dritte Variante folgte. Die dritte M Mono82 |
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chrom macht einen sehr großen Sprung und setzt erstmals auf einen ganz eigenen Sensor mit deutlich höherer Auflösung als der der farbfähigen Version. Satte 41 Megapixel bietet sie und dokumentiert die Tatsache, dass die Schwarzweißvariante endgültig zu einem festen Mitglied der M-Familie geworden ist, bereits in ihrem Namen M10 Monochrom, der anzeigt, dass sie sonst auf der M10 basiert. Die erste M Monochrom stammte von der M9 ab, die zweite von der M (Typ 240) und für beide setzt Leica im Prinzip auf den Bildsensor der Basisversion, allerdings ohne dessen Farbfilter, sodass jedes Sensorpixel nur noch Helligkeiten erkennt. In beiden Fällen war der Qualitätsgewinn gegenüber der Farbvariante sehr groß. Bei der M10 hat sich die
Auflösung des Bildsensors im Vergleich zur Vorgängerin nicht verändert und verblieb bei 24 Megapixeln. Natürlich hebt sich die Kamera durch andere Verbesserungen von der M (Typ 240) ab. E I N E I G E NE R SE NSO R .
Bei der M10 Monochrom hat sich Leica allerdings für eine deutlich spektakulärere, aber auch aufwendigere Variante entschieden und spendierte der Kamera einen neuen, weit höher auflösenden Bildsensor. Dessen 41 Megapixel übertreffen die der Farb-M10 bei weitem und sorgen auch für einen gebührenden Abstand zur M Monochrom (Typ 246). Abgesehen vom Sensor entsprechen die technischen Spezifikationen der Kamera fast genau denen der M10 oder, genauer, denen der robusteren M10-P.
Das bezieht sich auch auf den Bildprozessor und die Hauptplatine der Kamera. Dennoch kann die schwarzweiße Version der M10 eine höhere Auflösung bieten als die farbige: Trotz der höheren Auflösung sind die Datenmengen kleiner, weil anstelle von drei Farben nur eine Helligkeitsinformation pro Pixel gespeichert werden muss. Der Schritt der Farbinterpolation, bei der zu jedem Pixel aus den Werten der benachbarten Pixel die fehlenden Farbinformationen berechnet werden, entfällt. So kommen der Prozessor und die übrige Kameraelektronik auch mit der höheren Auflösung des monochromen Sensors gut zurecht. Tatsächlich spürten wir in der Praxis wenig von einer etwaigen Verlangsamung der Kamera gegen- →
Die M10 Monochrom basiert auf der M10-P und trägt wie diese keinen roten Punkt auf der Vorderseite. Auch die Gravuren und Beschriftungen der absolut edel anmutenden Kamera fallen sehr dezent aus. Das Display auf der Rückseite nutzt seine Farbfähigkeit nur zur Markierung von Schärfe und falscher Belichtung
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Die Detailfülle dieser Aufnahme hätte noch für weit mehr als diese Doppelseite gereicht. Durch den sehr hohen Dynamikumfang lässt sich viel Zeichnung aus Lichtern und Schatten herausholen
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über einer normalen M10. Sicher, der Pufferspeicher ist bei schnellen Bildserien etwas schneller voll, doch das ist nicht unbedingt die Hauptanforderung an eine M10 Monochrom. Bei normalen Aufgaben reagiert die Kamera flott und ohne Verzögerungen. Was man dagegen deutlich sieht, ist ihre höhere Auflösung. Wie ihre Vorgängerinnen produziert die M10 Monochrom Bilder, die durch die fehlende Farbinterpolation eine natürliche Schärfe aufweisen, die man bei digitalen Farbkameras so nicht findet. Jedes Pixel des digitalen Bilds enthält sinnvolle Informationen und keine geht verloren. Bei Farbsensoren mit ihren nach dem Bayer-Muster ange-
ordneten Farbfiltern hingegen müssen die jeweils fehlenden zwei Farben mithilfe des Demosaicing-Prozesses berechnet werden, was zwar besser funktioniert als mancher denkt, aber dennoch nicht völlig verlustfrei bleibt und ein leichtes Nachschärfen der Bilder erforderlich macht. S CHWA RZW EIS S S P EZ I ALISTIN . Dagegen wirken die Bilder der M10 Monochrom unverfälschter und natürlicher, zudem ist ihre Detailfülle wirklich atemberaubend hoch. Dank dieser hohen Detailauflösung laufen die optischen Stärken aktueller M-Objektive – etwa das Apo-Summicron-M 1:2/ 50 Asph – erst jetzt zu voller Form auf, während die
Schwächen manch älterer Objektive deutlicher sichtbar werden. Aber so sollte es ja auch sein: Wenn die Kamera jede Stärke und Schwäche sichtbar macht, hängt die Bildqualität vor allem von den Objektiven ab. Einen gewissen Vorteil haben digitale Farbkameras natürlich noch, wenn am Ende die Aufnahmen schwarzweiß konvertiert werden: Nimmt man die Bilder zunächst in Farbe auf, kann man in der Nachbearbeitung beliebig fein regeln, welche Farbe wie stark in das Graustufenbild übertragen wird. Bei einer Schwarzweißkamera muss man dagegen bereits bei der Aufnahme zu Farbfiltern greifen, um die Bildwirkung zu beeinflussen.
Auch sonst können sich die Qualitäten der „M10M“ sehen lassen: Leica gibt einen enormen Dynamikumfang von 15 Blendenstufen für die Kamera an, zwei mehr als bei der M10. In der Praxis heißt das vor allem, dass viele Reserven in den Bildern stecken und man in der Nachbearbeitung unerwartet kräftig Schatten aufhellen und Zeichnung in Lichtern herausholen kann. Im Umgang mit den Aufnahmen der M10 Monochrom lohnt es sich, die Zurückhaltung abzulegen und auch mal etwas kräftiger an der Gradationskurve zu drehen. AVA I LA BL E L I G H T. Auch
in einem anderen Bereich vermag die neue M10 Monochrom gegenüber ihrer
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Vorgängerin zu punkten: Ihr bis zu ISO 100 000 reichender Empfindlichkeitsbereich startet bereits bei ISO 160 und nicht erst bei ISO 320 wie bei der M Monochrom (Typ 246). Die niedrigere Basisempfindlichkeit schafft mehr Luft, um bei helleren Lichtverhältnissen mit weiter geöffneter Blende arbeiten zu können. Auch im Available-LightBereich macht die Neue eine hervorragende Figur, denn vom ungeschriebenen Gesetz, dass höhere Auflösungen mit kleineren Pixeln für mehr Rauschen und schlechtere Dynamik sorgen, ist bei der M10 Monochrom nichts zu spüren, im Gegenteil: Man darf ungeniert zu den höheren Empfindlichkeitseinstellungen greifen, selbst
bei ISO 12 500 bleibt das Rauschen ein dezentes Grieseln im Hintergrund, das sich zudem problemlos beseitigen lässt. Unter dem Apekt Design betrachtet ist die M10 Monochrom eine echte Augenweide in feinem Mattschwarz. Sie basiert auf der M10-P mit ihrem extrem leisen Verschluss und zeigt weder einen roten Punkt noch andere auffällige Gravuren. Der „Monochrom“Schriftzug auf der Oberseite ist winzig, auch die Herstellergravur auf der Rückseite ist klein und nicht farbig ausgelegt. An der ganzen Kamera findet man außer der vom Objektiv verdeckten roten Markierung am Bajonett kein farbiges Element, nur auf dem Display im
F Ü R EIN E ZWEITKA M ERA WÄ R E DIE L EIC A M 1 0 M ON OC HROM V IEL ZU SCHADE, DENN SIE R EIZ T DIE FÄ HIG K EIT EN M ODER N ER OBJEKTIVE BESSER AUS ALS JEDE ANDERE M-KAMERA.
Menü und als Markierung beim Focus Peaking und kritischen Belichtungen gibt es dezente Farbauftritte. Die M10 Monochrom ist ohne Frage eine Kamera für Entschlossene, die sich sicher sind, nur mit Licht und Schatten gestalten zu wollen. Natürlich könnte man die M10 Monochrom als klassische Zweitkamera sehen, doch damit wäre sie unterfordert: Diese singuläre Erscheinung auf dem Markt verdient es, mit ihr zu zeigen, dass Schwarzweißfotografie nicht der Nostalgie, sondern mindestens ebenso sehr der Zukunft verpflichtet ist. Das Spiel mit Licht und Schatten gelingt mit dieser eleganten und hochwertigen Kamera jedenfalls perfekt. HOLGER SPARR
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MEHR GEHT NICHT L E I C A S U M M I L U X- M 1 : 1 . 5 / 9 0 A S P H
Das neue Summilux-M 1:1.5/90 Asph markiert nicht nur in puncto Bildleistung, sondern auch mit seinen gestalterischen Möglichkeiten die Spitze unter den lichtstarken Objektiven für die Leica M.
Mit dem Summilux-M 1:1.5/ 90 Asph setzt Leica seine Linie der besonders lichtstarken Objektive fort, die mittlerweile nahtlos von 21 bis 90 mm reicht und damit alle relevanten Brennweiten umfasst. Das neue 90er bildet den Abschluss nach oben und bietet mit seiner klassischen Porträtbrennweite gleichzeitig auch den klassischen Anwendungsfall für Objektive mit hohen Lichtstärken. Bei genauerer Betrachtung gibt es mit dem Summicron-M 1:2/90 Asph bereits ein lichtstarkes Porträt-Tele. Schon damit lässt sich bei offener Blende ein sehr geringer Schärfentiefenbereich erzeugen, mit dem sich die Schärfe ganz auf das Hauptmotiv konzentrieren lässt. Das neue Summilux sattelt aber nochmals darauf: Es hat einen noch niedrigeren Schärfentiefenbereich, ist noch anspruchsvoller zu fokussieren und natürlich auch kostspieliger. Aber es hat eben auch den besonderen Reiz der für die Brennweite enorm hohen Lichtstärke und der damit verbundenen exklusiven Gestaltungsmöglichkeiten. BE SO NDE R E PO RT RÄTS.
Das Summilux-M 1:1.5/90 Asph basiert konstruktiv auf dem bekannten Noctilux-M 1:1.25/75 Asph, mit dem es auch das fast identische Gehäuse teilt
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Für das ganz klassische Porträt, bei dem man nur das Gesicht in Nahaufnahme sieht, benötigt man die herausragende Lichtstärke des Summilux nicht unbedingt. Bei offener Blende beträgt der Schärfentiefebereich bei einem Meter Aufnahmeentfernung gerade einmal 11 mm – damit lassen sich nur selten beide Augen scharfstellen, von der hohen Genauigkeit, die beim Fokussieren nötig ist, ganz zu schweigen. Andererseits lassen sich so selbst kleinste
Details freistellen. So richtig ausspielen kann das Summilux seine Fähigkeiten bei größeren Entfernungen. Selbst bei drei Metern ist die scharfe Zone nur gut 10 cm tief. Doch es ist ja nicht nur die Schärfe, die ein LeicaObjektiv auszeichnet, sondern nicht zuletzt auch die Wirkung der unscharfen Bereiche. Und hier gibt sich das 90er-Summilux keine Blöße. Vor allem bei voll geöffneter Blende ist das Bokeh, also der Verlauf in die Unschärfe, beim Summilux angenehm weich und lässt jede Härte beim Übergang zwischen Schärfe und Unschärfe vermissen. Besonders entfernte Lichtpunkte wirken bei voll geöffneter Blende wunderbar weich, während sie bei leicht geschlossener Blende ihre Gestalt etwas verändern und die runde Form der Blende mit ihren elf Lamellen annehmen. Die charakteristische „Cremigkeit“ des historischen NoctiluxM 1:1.0/50 oder des Summilux-M 1:1.4/75 – was aber nur eine vornehme Umschreibung für bestimmte optische Unzulänglichkeiten war –, kann die moderne Konstruktion nicht erreichen. Der Grund dafür ist, dass diese optischen Mängel einfach nicht mehr existieren. Das moderne Summilux selbst ist bei offener Blende extrem scharf und fällt allenfalls in den alleräußersten Bildecken ganz leicht ab, was aber nur bei Experimenten, in der Praxis →
Entfernte Lichtpunkte werden bei offener Blende wunderbar weich und beinahe körperlos wiedergegeben. Bild: Markus Tedeskino
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Die hohe Lichtstärke des Summilux-M 1:1.5/90 Asph ermöglicht selbst bei größerer Aufnahmeentfernung das Auflösen des Hintergrunds in der Unschärfe. Bilder: Markus Tedeskino (o.), Eolo Perfido (u.)
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Die Schärfeleistung des 90er-Summilux ist selbst bei offener Blende sehr hoch und reicht – fast – bis in die äußersten Bildecken. Auch die Vignettierung bleibt sehr gering. Bilder: E. Perfido (o.), M. Tedeskino (u.)
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Die Lichtstärke sorgt nicht nur für kleinste Schärfentiefebereiche, sondern auch für kurze Belichtungszeiten selbst bei schlechtem Licht und bietet so echte Available-Light-Tauglichkeit. Bild: Eolo Perfido
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dagegen nie auffällt. Selbst bei diesem extrem lichtstarken Objektiv gilt, dass Abblenden höchstens aus gestalterischen Gründen sinnvoll, nie aber aus technischen Zwängen erforderlich ist. T E C H NI SC H E DE TA I LS.
Viel größer darf ein M-Objektiv nicht sein – das Leica Summilux-M 1:1.5/90 Asph ragt sichtbar in den Messsucher hinein
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meidliche – aber digital sehr gut korrigierbare – Vignettierung bleibt sehr gering und lässt sich durch leichtes Abblenden fast gänzlich beseitigen. Übrigens gibt es einen einfachen Grund, warum das 90er-Summilux nicht eine noch prestigeträchtigere Lichtstärke bekam: Mehr geht für ein 90er mit M-Bajonett einfach nicht, die hintere Linse füllt den zur Verfügung stehenden Platz praktisch aus. Und es spricht für Leica, dass man die Toleranzen nicht ausnutzt und behauptet, das Objektiv habe eine Lichtstärke von 1:1.4. Das Summilux-M 1:1.5/ 90 Asph zählt zu den größten Objektiven für die Leica M. Zusammen mit der Kamera ist es zwar gerade noch
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handlich genug, doch die gewohnte Leichtkeit der M geht bei einem Objektiv-Gewicht von 1010 g natürlich etwas verloren. Zudem ist es im Messsucher deutlich zu sehen und ragt ein wenig ins Bildfeld des 90ers. Das Fokussieren mit dem Messsucher fordert den Fotografen heraus, zumal das Messfeld im Vergleich zum recht kleinen Bildrahmen für das Teleobjektiv recht groß ist. Das galt für M-Fotografen, die mit einem 90er gearbeitet haben, schon immer, das Summilux verschärft aber wegen der geringeren Schärfentiefe die Anforderungen noch. Als technisches Hilfsmittel ist alternativ die Nutzung des elektronischen Suchers zu empfehlen, der per Fo-
D IE SE S OB JEKTI V ERFORDERT EXTREM GENAUES FOKUSSIEREN UN D ENTSP RECHE N D VIEL Ü BU NG, LI EFERT DAFÜR ABER B IL DERGEB N I SSE WIE VON EIN E M ANDEREN ST E RN .
cus Peaking mit einer deutlich sichtbaren Färbung Bereiche mit hohem Detailkontrast markiert. Im Test hat sich Focus Peaking als Methode bewährt, entweder mit dem Display auf der Rückseite oder erheblich besser mit dem optionalen Visoflex-Sucher. Auch wenn das Summilux-M 1:1.4/90 ganz klar ein M-Objektiv ist, so erzielt es auch mittels des optional erhältlichen
Adapters auch an der SL2 mit ihrem extrem hoch auflösenden elektronischen Sucher und dem größeren Sensor sehr gute Resultate. HERAUS RAGEN DE E R GEBNISSE. Doch gleichgül-
tig, welchen Sucher man benutzt: Es bedarf einiger Übung, bis man die Schärfe bei offener Blende zuverlässig setzen kann. Und manchmal wird man die Blende eben doch um ein oder zwei Stufen schließen, zumal die scharfe Zone mit diesem Objektiv selbst bei größeren Aufnahmeentfernungen extrem klein sein kann – die extreme Lichtstärke des Summilux-M 1:1.5/90 Asph bietet sich nicht für jedes Motiv an. Wer die nicht unerhebliche Investition verschmerzt und die Probephase hinter sich gebracht hat, wird am Ende mit Bildergebnissen belohnt, die zum Besten und Interessantesten gehören, was man mit ambitionierter Fotografie erreichen kann. Mit dem Summilux-M 90 ergeben sich durch das gezielte Spiel mit der Schärfe enorme Ausdrucksmöglichkeiten und man sprengt gestalterisch wie qualitativ mühelos die Grenzen dessen, was bisher im Kleinbildformat mit 90 mm möglich war. Wer bereits das sehr gute und handliche Summicron-M 1:2/90 Asph besitzt, kann sich entspannt zurücklehnen – wer nicht das ganz Besondere sucht, ist mit diesem Objektiv auch weiterhin hervorragend bedient. Doch genau dieses gewisse Etwas und dieses Extra an Möglichkeiten sind es, was den hohen Reiz des SummiluxM 1:1.5/90 Asph ausmacht. HOLGER SPARR
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G E WA LT I G E ARCHITEKTUR „Der 158 Hektar große Park Ibirapuera in São Paulo ist für mich eine Insel der Ruhe in einer Stadt mit überbordendem Verkehr. Dieses Bauwerk des Architekten Oscar Niemeyer ist und war bahnbrechend. Für mich illustrieren die zwei kleinen Menschen im Bild die Macht dieser atemberaubenden Architektur, die uns alle überdauern wird.“ Wulf Rössler Leica M Monochrom mit Summicron-M 1:2/28 Asph
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L IG H T BOX
FISCHMARKT IN TOKIO „Normalerweise ist der Tsukuji-Fischmarkt in Tokio vor zehn Uhr für die Öffentlichkeit gesperrt, um den Verkauf nicht zu stören. Dennoch gelang es mir, ihn morgens um sechs Uhr zu besuchen. Dank meiner unauffälligen Kamera machte ich dieses Bild, auf das ich bis heute stolz bin.“ Rully Nasrullah Leica M Monochrom mit Summilux-M 1:1.4/35 Asph
SKEPTISCHE BLICKE „Das Bild entstand während eines meiner Workshops in einem Dorf in der Provinz Guizhou im Süden Chinas. Ich empfehle meinen Teilnehmern immer, für gestellte Bilder nicht zu bezahlen. Ich muss aber gestehen, dass ich den zwei Frauen etwas abkaufte, bevor ich das Foto machte.“ Leo Kwok Leica M Monochrom mit Summilux-M 1:1.4/50 Asph
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SITTING BULL „Wenn ich mich in fremden Städten aufhalte, achte ich auf Menschen und Situationen, die außergewöhnlich sind. Ich war zum ersten Mal in Antwerpen, als ich diesen Mann sah, dessen Körperfülle mich sehr beeindruckt hatte. Ich wartete, bis er sich hinsetzte und fast das gesamte Bild einnahm.“ Antonio Sánchez-Barriga Leica M Monochrom (Typ 246) mit Summilux-M 1:1.3/35 Asph
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N O S TA L G I E PUR „Nach einem Tag im Freizeitpark Blackpool Pleasure Beach mit seinen halsbrecherischen Hochgeschwindigkeitskarussells entdeckte ich dieses nostalgisch anmutende ‚Straßenbahnboot‘. Im warmen Abendlicht bildete es einen angenehmen Kontrast zu den schrillen Fahrgeschäften im Hintergrund.“ Daniele Zullino Leica M Monochrom (Typ 246) mit Summmicron-M 1:2/35 Asph
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E I N AU F FÄ L L I GER TYP
VERBOTENE BLÖSSE
„Ich machte dieses Foto von Senay in Berlin, weil wir uns unterhalten hatten und ich ihn nett fand. Da wusste ich noch nicht, dass er stadtbekannt ist, als Künstler, Model und DJ. Inzwischen sind wir befreundet und ich habe ihm einen Print von diesem Porträt geschenkt.“
„Es war einer der heißesten Tage des Jahres und dieser Tourist, der anscheinend zum Angeln gefahren war, hielt es nicht mehr aus und zog sein Hemd aus. Das ist in Japan eigentlich verboten, aber in der Abgeschiedenheit vor Oita war es doch möglich.“
Roland Blazejewski Leica M Monochrom mit Voigtländer 1:2.5/35 Color-Skopar II
Ikuo Inoue Leica M Monochrom mit Summicron-M 1:2/50 Asph
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E XOT I S C H E FA LT E R „An meinem letzten Geburtstag nahm ich mir den Tag frei, um mit meinen Kindern die Papiliorama – Swiss Tropical Gardens zu besuchen. In diesen tropischen Gärten mitten in der Schweiz steht eine große Kuppel, in der über tausend exotische Schmetterlinge frei um die Besucher herumflattern.“ Roger Oltramare Leica M Monochrom (Typ 246) mit SummiluxM 1:1.4/50 Asph
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P H OTO
Foto: Leila Alaoui, Meloussa, Homme avec poule aus der Serie Les Marocains, 2014 @ Fondation Leila Alaoui
– B Ü C H E R – AU S S T E L L U N G E N – F E S T I VA L S – AWA R D S –
PETER LINDBERGH K U N S T PA L A S T, D Ü S S E L D O R F
E V E LY N H O F E R FOTOSTIFTUNG WINTERTHUR, SCHWEIZ
Untold Stories nannte Peter Lindbergh die kurz vor seinem Tod zusammengestellte Ausstellung, seine einzige Werkschau, die er selbst kuratierte. Neben seinen berühmten Aufnahmen für große Magazine wie Vogue oder Harper’s Bazaar enthält sie auch unbekannte Arbeiten. Von Düsseldorf aus reist die Ausstellung nach Hamburg, Darmstadt und Neapel.
Fotos: @ Estate Evelyn Hofer; © Peter Lindbergh (courtesy Peter Lindbergh, Paris) ; © Paul McCartney, courtesy Sammlung Reichelt und Brockmann; © Akinbode Akinbiyi; @ Fondation Leila Alaoui; Galleria Continua, San Giminiano, Bejing, Les Moulins, Habana
5. Feb. — 1. Juni 2020; Foto: Peter Lindbergh, Uma Thurmann, N.Y. 2016
In Marburg an der Lahn wurde sie geboren, sie lebte in der Schweiz, Spanien, Amerika und starb in Mexiko. Ein Leben gefüllt mit Reisen, Orten, Städten, Menschen. Und vor allem: voll zahlreicher Begegnungen. So heißt die Ausstellung, die ihr die Fotostiftung Schweiz widmet. In einer umfassenden Werkschau, die ein halbes Jahrhundert ihrer Arbeiten vereint, wird das fotografische Kaleidoskop Evelyn Hofers präsentiert: Entdeckungsreisen durch amerikanische Großstädte, Sozialstudien in einem walisischen Dorf, Besuche in Künstlerateliers, eine Porträtserie aus dem Bergell. „In Wirklichkeit ist alles, was wir fotografieren, wir selbst im anderen … die ganze Zeit“, hat Hofer einmal gesagt. Und so ist sie ihrem Gegenüber fotografisch stets mit der gleichen Leidenschaft, Neugierde und Offenheit begegnet – der Bäuerin aus der Schweizer Gemeinde Soglio, dem Pianisten Arthur Rubinstein, dem Pop-Art-Künstler Andy Warhol, aber auch den Stadtlandschaften, Accessoires und Interieurs. Ihre Bilder sind keine Schnappschüsse, sondern durchdachte Kompositionen, sie zeugen von einem großen Interesse, an dem, was sie sah. Hofer hielt ihre Motive mit einer Großformatkamera fest: „Ein Grund, warum ich gerne mit einer großen Kamera arbeite, ist der, dass ich nicht gerne jemandem nachspioniere“, erklärte sie. „Ich möchte, dass sie wissen, dass ich ein Bild von ihnen mache, und ich möchte, dass sie mit mir zusammenarbeiten.“ Schon in den 1950er-Jahren fotografierte sie in Farbe, ihre oft malerisch wirkenden Bilder sind auch heute noch still – und zeitlos. 29. Februar — 24. Mai 2020; Foto: Evelyn Hofer, Ca c’est, New York 1953
AKINBODE AKINBIYI G R O P I U S B A U, B E R L I N
Sein Atelier ist die Stadt: Der nigerianische Fotograf hält die alltäglichen Rituale der Menschen in Lagos, Berlin, Bamako, Johannesburg oder Chicago fest. Die Ausstellung Six Songs, Swirling Gracefully in the Taut Air umfasst sein Werk aus vier Jahrzehnten. 7. Februar — 17. Mai 2020; Foto: Akinbode Akinbiyi, Tiergarten/ Moabit, Berlin 2016
L I N DA M C C A R T N E Y LU DW I G G A L E R I E , O B E R H AU S E N
Eine Presseeinladung öffnete ihr einst die Türen zu einer Promotion-Party der Rolling Stones. Und so fand sich die Fotografin plötzlich unter Musikern wieder. The Sixties and more erinnert an die Zeit der 60er und ihre Musiklegenden: Janis Joplin, Jim Morrison, Jimi Hendrix. Und nicht zuletzt an die Beatles, deren Sänger sie heiratete. 19. Januar — 3. Mai 2020; Foto: Linda McCartney, The Beatles
L E I L A A L AO U I I FA - G A L E R I E , S T U T T G A R T
Der Mensch stand im Mittelpunkt ihrer Arbeiten. Er war für sie das Abbild von Leben und Kultur und egal, wohin sie reiste, schuf sie mit ihren Porträts eindrucksvolle Identitäten. Die Retrospektive über die Künstlerin, die 2016 bei einem Terroranschlag ums Leben kam, zeigt vier Werkgruppen, die zwischen 2008 und 2015 entstanden sind. 31. Jan. — 5. Apr. 2020; Foto: Leila Alaoui, Aus Les Marocains, 2014
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M I T R A TA B R I Z I A N OFF SCREEN
B A D L A N D S — R A I S E D BY B O N E S
112 Seiten, 64 Farbabbildungen, 29 × 25 cm, englisch, Kerber
Vergessen Sie alles, was Sie über Mallorca zu wissen glauben. Vor allem, wenn Sie als Tourist die Insel nur als sonnenbeschienenes Urlaubsparadies kennen. Dieser Bildband scheint eine völlig andere Insel zu präsentieren: rau, aggressiv, roh. Und der Fotograf (*1981) kennt seine Insel sehr genau, hier ist er geboren und aufgewachsen, allerdings im inneren Teil der Insel, der sich alles andere als tourismuskompatibel präsentiert. Dabei ist diese Gegend nicht weit entfernt vom Freizeitglück der Urlauber und doch wird kein Pauschaltourist den Weg in diese Gegend finden. Vor vielen Jahren begann der Fotograf die Region von Sant Jordi im Süden Mallorcas mit seiner Leica M6 fotografisch zu untersuchen: ein Projekt, das bis heute immer noch viele Geheimnisse für den Fotografen offenbart. Die kontrastreichen, teils unscharfen Motive fordern den Betrachter. Nichts wird erklärt, vieles bleibt rätselhaft. „Auf einer Insel zu leben ist, als würde man der Gesellschaft oder sogar dem gesamten Rest der Welt den Rücken zukehren. Die Isolation macht uns glauben, dass alles, was außerhalb unserer Grenzen geschieht, Dinge von fremden Planeten sind“, so Coll. Der Bildband versammelt fast unwirklich erscheinende Momente aus den „males terres“, den Badlands der Insel. Dabei geben alle Porträtierten ganz gelassen Einblick in ihre Lebenswelt: „Ich habe nicht versucht, jemanden zu überrumpeln. Ich warte auf Momente, die wir gemeinsam erleben und da ich die Kamera immer bei mir habe, vertraue ich darauf, dass es den richtigen Moment für eine Aufnahme geben wird.“ 160 Seiten, 70 Schwarzweißabb., 16,5 × 22,5 cm, englisch, Kehrer
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BRUCE GILDEN
N A DAV KA N D E R THE MEETING
Was für ein Treffen: Die Großen und Berühmten der Welt, aber auch gänzlich unbekannte Persönlichkeiten begegnen sich in diesem voluminösen Prachtband. Erstmals widmet sich der britisch-israelische Fotograf (*1961) hier ganz seinem Porträtwerk. „Offensichtliches und Verborgenes, Schönheit und Zerstörung, Leichtigkeit und Krankheit, Scham und Schamlosigkeit“, so Kander, „diese Paradoxien sind
LOST AND FOUND
Ein Umzug brachte diesen ungehobenen Schatz zu Tage: 600 Filmrollen, die Gilden (*1946), heute ein Klassiker der Street Photography, vor rund 45 Jahren in New York am Beginn seiner Karriere fotografierte. „Die Stadt war am Boden“: Schonungslos fiel der Blick auf New York damals aus. Eine Wiederentdeckung. 176 S., 80 Duotone-Abb., 24 × 30,2 cm, englisch, Thames & Hudson
für all meine Arbeiten essenziell und repräsentieren das, was all meinen vielfältigen Themen gemeinsam ist.“ Die Bildsprache ist immer wieder überraschend und die Abfolge gerät so zu einem berührenden Rendezvous mit Menschen unserer Zeit. 336 S., 217 Farb- und Schwarzweißabb., 27 × 33 cm, englisch, Steidl
Fotos: © 2019 Tomeu Coll; © Mitra Tabrizian/VG Bildkunst, Bonn, 2019; © Bruce Gilden/Magnum Photos; © 2019 Nadav Kander
TO M E U C O L L
Es sind Bilder, deren beunruhigende Stimmung sich langsam enthüllt. Die britischiranische Fotografin und Filmemacherin (*1956) kombiniert in verschiedenen seit 2012 entstandenen Serien ruinöse fast menschenleere Industriebrachen mit Porträts von Nachtarbeitern, Zuwanderern, Exilierten. Trotz aller Melancholie bleiben Würde und Zuversicht erkennbar.
LEICA GALERIEN S ÃO PAU L O
Bei Drucklegung nicht bekannt BRA | 01240–000 São Paulo, Rua Maranhão, 600 Higienópolis SCHLOSS ARENBERG
Paolo Burlando: American Icons AUT | 5020 Salzburg, Arenbergstr. 10 17. November 2019 — 7. März 2020 SINGAPUR
Adele Chan: Face Value Chris Steele-Perkins: Prime Minister Margaret Thatcher, 1985; René Groebli: London 1949
BA N G KO K
Bei Drucklegung nicht bekannt THA | 10330 Bangkok, 2nd Floor, Gaysorn Village, 999 Ploenchit Road
USA | West Hollywood, CA 90048, 8783 Beverly Boulevard 5. März — 13. April 2020
BOSTON
MADRID
Leica Women Foto Project Exhibition: Debi Cornwall, Yana Paskova & Eva Woolridge
Andriana Zehbrauskas: Tepito
USA | Boston, MA 02116, 74 Arlington St. 5. März — 26. April 2020 DÜSSELDORF
Anatol Kotte: Proyecto Habano GER | KÖ Galerie, Königsallee 60, 40212 Düsseldorf 12. März — 31. Mai 2020 FRANKFURT
René Groebli: Handwerker – Künstler – Visionär GER | 60311 Frankfurt am Main, Großer Hirschgraben 15 14. Februar — 16. Mai 2020 KO N S TA N Z
Klaus Fengler: Expedition Photography Fotos: © Chris Steele-Perkins/Magnum Photos; © René Groebli
Victory Tischler-Blue: Wild Dogs
GER | 78462 Konstanz, Gerichtsgasse 10 29. Februar — 23. Mai 2020
ESP | 28006 Madrid, Calle de José Ortega y Gasset 34 3. Februar — 3. April 2020 MAILAND
Sir Bob Cornelius Rifo: The Cult of Rifo ITA | 20121 Mailand, Via Mengoni 4 5. März — 15. März 2020 MELBOURNE
Nick Rains: The Heart of Australia AUS | Melbourne, VIC 3000, Level 1 St Collins Lane, 260 Collins Street 21. Februar — 7. April 2020
SUZHOU
Bei Drucklegung nicht bekannt CHN | Suzhou, Moonlight Dock, No.1 Guanfeng Street, Suzhou Industrial Park, Jiangsu TA I P E H
Bei Drucklegung nicht bekannt TWN | Taiwan, No. 3, Ln. 6, Qingtian St., Da’an Dist., Taipei City 106 TOKIO
Shinya Fujiwara: Magnificent Paris JPN | Tokio, 6-4-1 Ginza, Chuo-ku 6. März — 31. Mai 2020 WA R S C H A U POL | 00–496 Warschau, Mysia 3 14. Februar — 31. März 2020
GER | 90403 Nürnberg, Obere Wörthstr. 8 25. Januar — 18. April 2020
WETZLAR
PRAG TCH | 110 00 Prag 1, Školská 28 20. März — 19. April 2020 PORTO
Lewis Jay: Passing Fancies
Chris Steele-Perkins: The Pleasure Principle
POR | 4000-427 Porto, Rua d. Sá da Bandeira, 48/52 25. Januar — 28. März 2020
GBR | London, 64–66 Duke Street W1K 6JD 20. Februar — 23. März 2020
SALZBURG
All Satterwhite: The Cozumel Diary/ Hunter S. Thompson
GER | Calwer Straße 41, 70173 Stuttgart 7. Februar — 24. April 2020
Stefan Winkelhoefer: Hans – Eine kleine Geschichte vom Glück
Shinya Fujiwara: Magnificent Paris
LOS ANGELES
Norbert Rosing: Wilde Arktis – Rocks & Things
Sergey Melnitchenko: Young and Free
My Father Antonin Kratochvil
LONDON
STUTTGART
NÜRNBERG
KYOTO JPN | Kyoto, 570–120 Gionmachi Minamigawa, Higashiyama-ku 7. März — 4. Juni 2020
SIN | Singapur, Raffles Hotel Arcade, #01-20/21, 328 North Bridge Rd., 188719 16. Januar — 17. März 2020
René R. Wenzel: Ein Tag im Leben des Anton Thuswaldner
Franziska Stünkel: Coexist GER | 35578 Wetzlar, Am Leitz-Park 5 6. Februar — 26. April 2020 WIEN
Jürgen Schadeberg: Leica Hall of Fame AUT | 1010 Wien, Walfischgasse 1 6. Dezember 2019 — 28. März 2020 ZINGST
Nanna Heitmann: Hiding from Baba Yaga GER | 18374 Zingst, Am Bahnhof 1 31. Januar — 8. Mai 2020
AUT | 5020 Salzburg, Gaisbergstr. 12 21. Februar — 14. März 2020
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Fotos: © International Center of Photography/Magnum Photos, © Nils Stelte, © Cian Burke, © Ana Zibelnik
Oben: Robert Capa, Republikanische Milizionäre springen über einen Graben, Córdoba-Front, Spanien, 5. September 1936; unten von links: Nils Stelte, aus der Serie Renaissance, 2019; Cian Burke, Distantiation, aus der Serie Rectangular Universe, Irland 2017; Ana Zibelnik, aus der Serie We are the Ones Turning, 2019
„F O TO G RA F I E I S T E I N E U N I V E R S E L L E S P RAC H E .“ I N T E RV I E W
Das Robert Capa Contemporary Photography Center in Budapest wurde 2013 eröffnet. Gabriella Csizek kuratiert die Capa-Dauerausstellung, Emese Mucsi ist eine der Kuratorinnen für zeitgenössische Fotografie.
LFI: Robert Capas Einfluss auf die internationale Reportagefotografie ist beispiellos. Was bedeutet seine Arbeit für die ungarische Fotografie? GABRIELLA CSIZEK: Robert Capa wurde am 22. Oktober 1913 in Budapest geboren und gilt als einzigartiger visueller Chronist mehrerer Kriege des 20. Jahrhunderts und der Geschichte dieses Jahrhunderts. Er konnte sich wortwörtlich in die Situation hineinversetzen und mit seiner ganzen Persönlichkeit fotografieren. LFI: Erzählen Sie uns etwas über den Austausch zwischen Ungarn und anderen europäischen Ländern und wie das die Fotoszene beeinflusst hat. CSIZEK: Fotografie ist eine universelle Sprache, die im Journalismus wichtig war und ist. Zu Capas Zeit gab es einen großen Austausch zwischen Ungarn,
sagen wir Budapest, Paris und Berlin. Als er 1947 zusammen mit Henri Cartier-Bresson, George Rodger und David „Chim“ Seymour Magnum Photos gründete, wusste Capa sehr genau, was Zeitschriften und Fotografen brauchten. Und er tat alles mit vollem Herzen und voller Überzeugung. Dieses besondere Art des Denkens ermöglichte ihm, weit nach vorne zu schauen. Eines unserer Hauptziele ist es, zu zeigen, dass dieses Gefühl präsent zu sein, ein teilnehmender Beobachter zu sein, bereits in seinen Fotografien angelegt war. LFI: Bitte erklären Sie, warum Ihre Sammlung so besonders ist. CSIZEK: Wir besitzen das sogenannte Master-Set III. Es enthält die Bilder, die für Capas Gesamtwerk von 1932 bis 1954 am meisten repräsentativ sind, fast vom ersten bis zum letzten Bild. Die Bilder dieses Sets wurden in den 1990er-Jahren geprintet, die
Motive hatten Cornell Capa, Roberts jüngerer Bruder, und der Fotohistoriker Richard Whelan, der Monograf von Robert ausgewählt. Sie stammen aus dem Nachlass Capas, in dem sich fast 70 000 Negative befinden. Der ungarische Staat hat das Master-Set III im Jahr 2008 erworben. Damit wurde Budapest neben dem International Center of Photography in New York und dem Fuji-Museum in Tokio, wo sich die beiden anderen Editionen des Master-Sets befanden, zu einem der wichtigsten Orte für den CapaNachlass. Der ungarische Staat hat ferner auch 48 Pressebilder gekauft, die deshalb einzigartig sind, weil sich auf ihren Rückseiten persönliche Notizen befinden. Unsere Sammlung umfasst außerdem 20 auf 70 mal 80 Zentimeter vergrößerte Bilder sowie fünf Porträts von Capa. →
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LFI: Wie lassen sich die Prints des Master-Sets identifizieren? CSIZEK: Durch den Prägestempel mit Capas Unterschrift auf der rechten Seite der Abzüge unter dem Bild. Die Prints sind 40 mal 50 cm groß, und es gibt nur drei Sets in dieser Größe aus dieser Auswahl von Bildern.
Oben: Negar Yaghmaian, Ohne Titel, aus der Serie Hiwa, Iran 2018; oben links: Shelli Weiler, Horn Girl, aus der Serie ENJOY House, USA 2018–2019; darunter: Marie Lukasiewicz, aus der Serie Beyond Coral White, 2019; unten: Jordi Barreras, Ohne Titel, aus der Serie Already but not yet, Spanien, 2015–2018
Ganz oben von links: Robert Capa, Soldat auf Aufklärungsmission überquert ein Feld, bei Troina, Sizilien 4. oder 5. August 1943; Anna Siggelkow, Ohne Titel, aus der Serie Platzhalter des Nichts (Placeholder of Nonentity), seit 2017
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LFI: Welches Hauptanliegen verfolgen Sie mit dem Master-Set? CSIZEK: Unser Ziel war und ist es, die essenzielle Kraft des Gesamtwerks aufzuzeigen. Die ständige Ausstellung folgt der Logik des Master-Sets, aber wir bemühen uns, auch seine Jahre in Budapest hervorzuheben: Wir liefern Informationen und Dokumente, um zu zeigen, in welcher Welt Capa aufgewachsen ist. Wir glauben, dass es noch viel mehr Aufklärung darüber geben sollte, wer Capa wirklich war. LFI: Unterstützen Sie auch die zeitgenössische ungarische Fotografie? CSIZEK: Ja, etwa mit Workshops. Wir schreiben auch den Robert Capa
Fotos: © International Center of Photography/Magnum Photos, © Anna Siggelkow, © Shelli Weiler, © Marie Lukasiewicz, © Negar Yaghmaian, © Jordi Barreras
„ KÜ N S T L E R S I N D D E N K E R , D E R E N G E DA N K E N V E R S C H I E D E N E M E D I E N KA N A L I S I E R E N KÖ N N E N . F O TO G RA F I E I S T E I N E R D I E S E R KA N Ä L E . “
S MAGAZIN
Photography Grand Prize aus, den wir 2014 ins Leben gerufen haben, um die Arbeit von Fotografen mit herausragenden Leistungen auf dem Gebiet der ungarischen Fotografie zu würdigen. Als internationale Institution zeigen wir internationale Fotografie und bringen Künstler und neue Strömungen auch unserem Fachpublikum näher. LFI: Frau Mucsi, Sie haben Ausstellungen mit teils sehr progressiven Positionen kuratiert. EMESE MUCSI: Wir sind vier Kuratoren im Capa Center, die sich mit zeitgenössischer Fotografie beschäftigen. Wir kooperieren mit den Plattformen des EU-Kreativprogramms, der Parallel European Photo Based Platform und Futures, die Ressourcen und Talente führender Fotografie-Institutionen in ganz Europa bündeln. Im Herbst 2019 war bei uns die Abschlussausstellung des zweiten Zyklus der Parallelplattform mit dem Titel Zeitgeist zu sehen. Ich komme aus dem Bereich der zeitgenössischen Kunst und den Neuen Medien und kuratiere Ausstellungen, in denen Fotografie im Kontext der zeitgenössischen Kunst interpretiert wird. Ich arbeite hauptsächlich mit ungarischen Künstlern zusammen, die eine erweiterte Vorstellung von Fotografie haben. Meine Projekte bringen diese Künstler und Fotografen mit Fotojournalisten, Schriftstellern und anderen Denkern zusammen, um mit neuen Ansätzen der Fotografie zu experimentieren. LFI: Erzählen Sie uns von Ihrem Konzept der Fotografie, auf welche Weise unterscheidet es sich von traditionelleren Ansätzen? MUCSI: Intermedia! Künstler sind Denker, deren Gedanken von verschiedenen Medien kanalisiert werden können. Fotografie ist einer dieser Kanäle, er ist einer von vielen. Auf dem Gebiet der Fotografie gibt es viele Ausspielungsmöglichkeiten: Sie können auf Papier, auf Leinwand printen oder eine Installation machen. Das Konzept von Intermedia ist, die richtige Ausgabeart zu finden. Die Fotografie hat ihre Limits.
LFI: Limits in welcher Form?
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MUCSI: Dass sie kein zeitbasiertes Me-
dium wie Video ist: Sie hat eine Länge, während bewegte Bilder Prozesse abbilden können. Sie können ein rennendes Pferd abbilden, aber ein Video, das den Laufprozess des Pferdes darstellt, wird der Sache gerechter. Die Limits der Fotografie sind da, aber sie sind kein Nachteil. Es ist nur ein anderes Medium. Wenn Sie als Künstler Fotografie verwenden, ist das eine Entscheidung, da es andere Möglichkeiten gibt, wie zum Beispiel Video oder Film. LFI: Wenn Sie über neue Wege zur
Präsentation von Fotografie nachdenken, was fällt Ihnen ein? MUCSI: Es wird „installativer“. Fotografen versuchen, den gesamten Raum einzunehmen. Es gibt einen Trend, Fotos auf Leinwand oder andere Materialien zu drucken. Manchmal haben diese Entscheidungen keinen einleuchtenden Grund, dehalb ist es manchmal besser, stattdessen auf klassische Prints zurückzugreifen. LFI: Was wünschen Sie der Fotografie
für die Zukunft? MUCSI: Ich hoffe, dass die unvollkommene Amateurfotografie, wie die in Familienarchiven, erhalten bleibt. Die Instagram-Kultur ist viel zu perfekt.
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O K B O O K
AUSST EL LU N GE N : The Photojournalist
Robert Capa, bis 30. Juni 2020 und Thomaz Farkas: Retrospective, 2. März bis 5. April 2020, Robert Capa Contemporary Photography Center Budapest; www.capacenter.hu
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O
GA B RIEL LA C S IZE K Nach ihrem Studium der
EM E SE M UC S I schloss ihr Studium der zeitgenössischen Kunsttheorie und kuratorische Studien an der Hungarian University of Fine Arts 2013 und ihr Studium der ungarischen Kultur und Linguistik in Szeged 2017 ab. Seit 2013 entwickelt sie als freie Kuratorin zeitgenössische Ausstellungen, unter anderem am Capa Center.
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INTERVIEW: Carla Susanne Erdmann
Kunsttheorie und Kulturanthropologie arbeitete sie für das Ungarische Museum für Fotografie in Kecskemet. Später wurde sie Kuratorin am Hungarian House of Photography in Budapest. Zum Ausstellungsprogramm im Capa Center trägt sie seit 2013 bei.
FOTOGRAFEN
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STATE-OF-THE-ARTFOTOGRAFIE VON
Enrique Badulescu Joachim Baldauf Brix & Maas Bil Brown Arved Colvin-Smith Anna Daki Rui Faria Christian Geisselmann Esther Haase Marie Hochhaus Benjamin Kaufmann James Meakin Monica Menez Hector Perez Elizaveta Porodina René & Radka Christian Rinke Tristan Rösler Takahito Sasaki SPECIAL
GUEST
Ellen von Unwerth
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LFI-ONLINE.DE/SHOP
LEICA FOTOGRAFIE I N T E R N AT I O N A L
JA KO B S C H N E TZ MEIN BILD
Eiskaltes, tief verschneites Nirgendwo: Die Aufnahme scheint sibirische Klischees zu bestätigen. Sie entstand auf der Rückfahrt von einem angesagten Elektrofestival.
72. Jahrgang | Ausgabe 2. 2020
LFI PHOTOGR A PHIE GMBH Springeltwiete 4, 20095 Hamburg Telefon: 0 40/2 26 21 12 80 Telefax: 0 40/2 26 21 12 70 ISSN: 0937-3969 www.lfi-online.de, mail@lfi-online.de CHEFREDA KTION Inas Fayed A RT DIRECTION Brigitte Schaller REDA KTION Katrin Iwanczuk (ltd. Redakteurin), Denise Klink, Bernd Luxa, Danilo Rößger, David Rojkowski BILDREDA KTION Carol Körting L AYOUT Thorsten Kirchhoff MITA RBEITER DIESER AUSGA BE Carla Susanne Erdmann, Katja Hübner, Ulrich Rüter, Holger Sparr, Katrin Ullmann GESCH Ä FTSFÜHRUNG Steffen Keil A NZEIGENLEITUNG & M A RKETING Kirstin Ahrndt-Buchholz, Samira Holtorf Telefon: 0 40/2 26 21 12 72 Telefax: 0 40/2 26 21 12 70 E-Mail: buchholz@lfi-online.de holtorf@lfi-online.de Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 48 vom 1.1.2020
Bushaltestelle bei Semenovskiy an der Landstraße P384, Russland 2016
Schnee, Wind, Eiseskälte. Im Radio läuft amerikanische Popmusik. Unterwegs auf der Landstraße von Kemerowo nach Tomsk, zwei westsibirische Großstädte, fotografiert aus der Mitfahrgelegenheit auf dem Rückweg von einem Konzert. Der Schnee fegt über eine Bushaltestelle, irgendwo im vermeintlichen Nichts. Das Bild lässt an sibirische Leere, Kälte und Einsamkeit denken. Nicht grundsätzlich falsch, aber verfälschend und in jedem Falle den Erwartungen „westlicher“ Betrachter entsprechend, denn es zeigt nur eine einzige und gesellschaftlich dominante Sicht auf Sibirien. Was es nicht zeigt, ist die Mitfahrgelegenheit, per App gebucht, das Elektrofestival, das ich besucht hatte, es zeigt nicht die Coffeebars, in denen ich in den Großstädten meinen Cappuccino zwischen Millenials mit neuen Sneakern und europäischem Dresscode trank. Jakob Schnetz, Jahrgang 1991, studierte Fotojournalismus in Hannover und Tomsk. Zu seinen Kunden gehören u. a. Geo, Spiegel, SZ Magazin und Zeit. 2019 erschien sein Buch Ort der Verheißung bei der Edition Lammerhuber. Schnetz lebt in Münster.
LFI 3/2020 ERSCHEINT AM 8. APRIL 2020
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REPRODUKTION: Alphabeta, Hamburg DRUCK: Optimal Media GmbH, Röbel/Müritz PA PIER: Igepa Profimatt A BO-BEZUGSBEDINGUNGEN LFI erscheint achtmal jährlich in deutscher und englischer Sprache. Jahresabonnement (inkl. Versandkosten): Deutschland: 69 € Belgien, Österreich, Luxemburg, Niederlande, Schweiz: 74 € weltweit: 80 €; digital: 49 € LFI gibt es auch als kostenlose App im Apple iTunes Store und bei Google Play. LFI-A BOSERVICE Postfach 13 31, D-53335 Meckenheim Telefon: 0 22 25/70 85-3 70 Telefax: 0 22 25/70 85-3 99 E-Mail: lfi@aboteam.de Für unverlangt eingesandte Fotos und Texte übernimmt die Redaktion keine Haftung. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheber rechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Leica – eingetragenes Warenzeichen.
Leica M10 Monochrom
Leica M10–P „White“ Editon – weltweit limitiert auf 300 Stück
KLaUS FenGLer | ExpEdiTionS-FoToGraFiE auSSTEllunG 29. Februar bis 20. Mai 2020, der Eintritt ist frei VErniSSaGE 28. Februar 2020, 19:00 uhr – der Künstler ist anwesend ÖFFnunGSzEiTEn Mo bis Fr 10:00 – 18:30 uhr, Sa 09:30 – 14:00 uhr oder nach Vereinbarung
Leica Store Konstanz & Leica Galerie Konstanz 78462 Konstanz | Gerichtsgasse 14 (gegenüber des Amtsgerichts) | Tel.: +49 (0)7531 916 33 00 | www.leica-store-konstanz.de | www.leica-galerie-konstanz.de Öffnungszeiten: Mo - Fr 10.00 bis 18.30 Uhr, Sa 09.30 bis 14.00 Uhr