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Geschichten eines Dia logs
Polen und Deutsche
LENGYELEK és NÉMETEK, Egy párbeszéd története
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LENGYELEK és NÉMETEK, Egy párbeszéd története
Polen und Deutsche, Geschichten eines Dialogs
Diese Publikation ist dank der Unterstützung der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Budapest entstanden.
Die Ausstellung wurde vom Museum der Geschichte Polens im Auftrag des
www.25de.pl
Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Polen realisiert.
Kurator der Austellung: Prof. Dr. Waldemar Czachur (Universität Warschau)
Liebe Leserinnen und Leser, liebes Publikum,
Entwurf und künstlerische Gestaltung: Architekturbüro Sowa-Szenk in Zusammenarbeit mit Danuta Błahut-Biegańska Ausstellungskommission: Natalia Cetera, Dorota Szkodzińska Übersetzung: Elżbieta Haase-Nowocień in Zusammenarbeit mit Dr. Benno Kirsch Die Ausstellung Polen und Deutsche. Geschichten eines Dialogs entstand auf der Basis der Freilicht-Dauerausstellung Mut und Versöhnung, die in Kreisau bei Schweidnitz gezeigt wird und vom Museum der Geschichte Polens in Zusammenarbeit mit der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung aus Anlass des 25. Jahrestages der Versöhnungsmesse entwickelt wurde. Kuratoren der Freilichtausstellung sind Waldemar Czachur und Kazimierz Wóycicki. Die Ausstellung Mut und Versöhnung wurde aus Mitteln des Ministeriums für Kultur und Nationalerbe gefördert.
wir freuen uns, dass es gelungen ist, aus Anlass des 25-jährigen Jubiläums des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit, kurz Deutsch-Polnischer Nachbarschaftsvertrag, Ihnen diese gemeinsame Ausstellung präsentieren zu dürfen. Wir feiern damit die beispielhafte Geschichte zweier Länder, die nach einem schrecklichen Krieg und einer langen Zeit der Spannungen den Weg der Versöhnung und der guten Nachbarschaft eingeschlagen haben bzw. auf diesen zurückgekehrt sind, denn Polen und Deutschland verbindet eine tausendjährige Geschichte. Besagter Nachbarschaftsvertrag wurde am 17. Juni 1991 in Bonn von Bundeskanzler Helmut Kohl, Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher, dem polnischen Ministerpräsidenten Jan Krzysztof Bielecki und dem polnischen Außenminister Krzysztof Skubiszewski unterzeichnet. Die Jubiläums-Ausstellung lädt uns ein zu einem virtuellen Spaziergang durch den Prozess der deutsch-polnischen Aussöhnung. Sie ist gleichzeitig Anstoß, den Blick in die Gegenwart zu richten und zu fragen, was heute für eine gute Nachbarschaft und ein auskömmliches Miteinander nicht nur bei uns in Europa sondern überall auf der Welt getan werden kann. Dies ist vor allem eine Aufforderung an die Jugend, denn sie trägt diese Botschaft weiter. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen allen einen spannenden Rundgang durch die Ausstellung.
Roman Kowalski,
Botschafter der Republik Polen in Ungarn
Dr. Heinz-Peter Behr,
Botschafter der Bundesrepublik Deutschland Budapest
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Polen und Deutsche, Geschichten eines Dialogs
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25 Jahre deutsch-polnischer Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit
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Geschichten ei nes Dia logs
Das Jahr 1989 brachte umwälzende Veränderungen in Europa mit sich. Ihre größten Nutznießer waren Deutschland und Polen: Polen erhielt die Freiheit und Deutschland die Einheit. Die Versöhnungsmesse in Kreisau am 12. November 1989 unter Teilnahme von Tadeusz Mazowiecki, dem ersten nichtkommunistischen Ministerpräsidenten Nachkriegspolens, und Helmut Kohl, dem Kanzler des sich vereinigenden Deutschland, bildete den Auftakt zu einem konstruktiven Dialog zwischen beiden Ländern. Dies ermöglichte die Unterzeichnung des für Polen wichtigen Grenzvertrags am 14. November 1990. Damit wurde der wichtigste Streitpunkt zwischen Polen und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg endgültig beigelegt. Der deutsch-polnische Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit, der am 17. Juni 1991 unterzeichnet wurde, eröffnete eine neue Etappe im deutsch-polnischen Verhältnis. Dieser Vertrag benannte die Ziele und Bereiche der Zusammenarbeit, angefangen bei der Sicherheit, Politik und Wirtschaft, bis hin zum Umweltschutz und Jugendaustausch. In seiner tiefsten Schicht bekräftigte er eine deutsch-polnische Wertegemeinschaft und Interessenkongruenz trotz der schwierigen Geschichte und der unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Potenziale. 17. Juni 1991, Bonn. Unterzeichnung des deutsch-polnischen Vertrages über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit durch Polens Ministerpräsidenten Jan Krzysztof Bielecki und den deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl.
Dieses Dokument war ein Kompromiss, bei dem sich beide Seiten bewusst dazu entschieden, einander zu vertrauen und die Bereiche gemeinsamen Verständnisses und nicht Missverständnisses zu beschreiben. Tadeusz Mazowiecki, der erste nichtkommunistische Ministerpräsident Nachkriegspolens
Die europäische Einheit vertieft den Umbruch in den deutschpolnischen Beziehungen. Zugleich ist eine Einigung des Kontinents ohne diesen Umbruch unmöglich. Krzysztof Skubiszewski, polnischer Außenminister a.D.
Eingedenk der leidvollen Vergangenheit richten wir mit diesem Vertrag die Beziehungen Deutschlands und Polens aus auf eine gemeinsame Zukunft in einem Europa des Friedens, der Freiheit und des Rechts, der guten Nachbarschaft und der engen partnerschaftlichen Zusammenarbeit. Helmut Kohl, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland
Der Nachbarschaftsvertrag ist von historischer Verantwortung und von Verantwortung für eine gemeinsame Zukunft bestimmt gewesen. Hans-Dietrich Genscher, Bundesaußenminister a.D.
Polen und Deutsche, Geschichten eines Dialogs
Gedächtnis
Von den ersten Kriegstagen an errichtete die deutsche NS-Besatzungspolitik im besetzten Polen ein in Europa bisher nicht gekanntes System des Terrors und der Menschenvernichtung. Durch Kriegshandlungen und planmäßige Morde an der Zivilbevölkerung und Kriegsgefangenen, infolge kräftezehrender Zwangsarbeit und Zwangsumsiedlungen, in den Ghettos, aufgrund von Unterernährung und fehlender medizinischer Versorgung in den Ghettos sowie in den Konzentrations- und Vernichtungslagern kamen ca. 5,6 Millionen polnische Bürger ums Leben, mehr als die Hälfte davon jüdischer Herkunft.
Polen, die von den Deutschen aus Czerniejewo bei Gnesen ausgesiedelt werden. In den polnischen Gebieten, die dem Deutschen Reich einverleibt wurden, lebten ca. 10 Mio. polnische Staatsbürger. Über 1,5 Mio. wurden von den Deutschen ins Generalgouvernement deportiert und allein aus dem Warthegau 670.000 zur Zwangsarbeit ins Reich verschleppt. An Stelle der zwangsausgesiedelten Bürger der Zweiten Republik Polen wurden Volksdeutsche aus Osteuropa „heim ins Reich” geholt.
Palmiry. Im Rahmen der 1940 im Generalgouvernement durchgeführten „Außerordentlichen Befriedungsaktion” (AB-Aktion) erschossen die Deutschen rund 3.500 Vertreter der polnischen politischen Eliten, u. a. im Wald von Palmiry bei Warschau.
1. August 1944. Ausbruch des Warschauer Aufstandes. Zwischen dem 5. und 7. August richteten deutsche SS- und Polizeieinheiten im Stadtteil Wola ein Massaker unter der Zivilbevölkerung an. Bis zu 65.000 Männer, Frauen und Kinder wurden ermordet. Die Soldaten der Heimatarmee, des konspirativ agierenden militärischen Arms des Polnischen Untergrundstaates, kämpften isoliert gegen die deutschen Truppen um ein von deutscher Besatzung und sowjetischer Dominanz befreites Polen. Der Warschauer Aufstand war die größte bewaffnete Aktion des Untergrunds im von den Deutschen besetzten Europa und wurde zum Symbol für den Kampf um die Würde und Freiheit der Polen.
Museum des Warschauer Aufstandes
Majdanek Hertogenbosch Natzweiler-Struthof Sobibor Belzec Birkenau Ryga-Kaiserwald Mittelbau-Dora
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Der Zweite Weltkrieg: Geschichte und
Stutthof Auschwitz Kulmhof Treblinka Neuengamme GroSS-Rosen Bergen-Belsen
Wilhelm Holtfreter, Bundesarchiv
Auswärtiges Amt – Politisches Archiv
Karte der endgültigen Aufteilung Polens zwischen dem Dritten Reich und der UdSSR vom 28. September 1939 mit der festgelegten Grenze und den Unterschriften Ribbentrops und Stalins.
Auschwitz II (Birkenau), Bełżec, Kulmhof, Sobibor, Treblinka – in diesen deutschen Vernichtungslagern wurden die meisten polnischen und europäischen Juden ermordet. Zu Symbolen für das Martyrium polnischer Christen wurden dagegen die Konzentrationslager Auschwitz, Dachau, Sachsenhausen, Buchenwald, Mauthausen, Flossenbürg, Ravensbrück, Stutthof, Gross-Rosen, Majdanek und andere.
Eine der größten Aktionen der Aussiedlung von Polen und Zwangsgermanisierung polnischer Kinder wurde 1942– 1943 im Gebiet um Zamość durchgeführt. Insgesamt wurden im Rahmen des „Generalplans Ost” über 200.000 polnische Kinder, die die Rassekriterien erfüllten, zwangsweise germanisiert. Das Foto zeigt Piotr Adamik und seine Schwester im November 1942. Nach knapp einjährigem Aufenthalt in der deutschen Heimschule in Kalisz kamen sie zu einer deutschen Familie nach Sankt Martin (Pfalz), für die sie billige Arbeitskräfte waren.
NAC
Fot. Julien Bryan
14. September 1939, Warschau. Opfer der deutschen Luftangriffe war sehr oft die Zivilbevölkerung. Das Foto zeigt Kazimiera Kostewicz mit dem Leichnam ihrer Schwester Anna, die auf einem Kartoffelfeld Nahrung für die Familie gesammelt hatte.
1. September 1939. Mit dem deutschen Überfall auf Polen begann der Zweite Weltkrieg und zugleich das tragischste Kapitel in der polnischen Geschichte. Wie im geheimen Zusatzprotokoll zum Ribbentrop-Molotow-Pakt (Hitler-Stalin-Pakt) vereinbart, marschierte am 17. September 1939 die Rote Armee in die Ostgebiete der II. Republik Polen ein. Die Besatzer teilten das polnische Staatsgebiet unter sich auf. Der westliche Teil wurde dem Deutschen Reich einverleibt, Zentralpolen geriet als Generalgouvernement unter deutsche Besatzung. Bis 1941 wurden ca. 420.000 Polen aus den an das Reich angeschlossenen Gebieten ins Generalgouvernement deportiert. Fast 3 Millionen Polen wurden zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt. Die ostpolnischen Gebiete wurden von der Sowjetunion besetzt. In drei Deportationsaktionen wurden 1940 ca. 800.000 Polen nach Sibirien verbracht.
14. Juni 1940. Der erste Transport mit 728 polnischen politischen Häftlingen erreicht das deutsche Konzentrationslager Auschwitz. Hier und im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau werden bis 1945 über eine Million Menschen ihr Leben lassen, größtenteils Juden (ca. 1 Million), darunter auch polnische Staatsbürger, außerdem polnische Christen (ca. 75.000), Roma (ca. 21.000) und sowjetische Kriegsgefangene.
Stiftung „Polnisch-Deutsche Aussöhnung”
EAST NEWS
Adolf Hitler, 2. Oktober 1939
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Archiv des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau in Oświęcim
Der Führer muss nochmals betonen, dass die Polen von nun an nur einen Herrn haben können, und es wird ein Deutscher sein. Man kann und darf keine zwei Herren haben, daher sind alle Vertreter der polnischen Intelligenz zu vernichten.
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Polen und Deutsche, Geschichten eines Dialogs Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz
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Tadeusz Różewicz, Auszug aus dem Gedicht „Gerettet”, 1947. Aus dem Polnischen von Günter Kunert Fot. John Vachon
PAP / Bogusław Lambach
Bundesarchiv
Das Wahlplakat der CDU aus den 1950er Jahren, das die fehlende Akzeptanz für die deutsche Teilung und den Verlust der Ostgebiete illustriert.
Propagandaplakat der DDR aus dem Jahre 1951 zur deutsch-polnischen Freundschaft.
Propagandaplakat des kommunistischen Polen, das dazu aufruft, die neue polnische Westgrenze und die sogenannten Wiedergewonnenen Gebiete zu verteidigen.
Aus der Sammlung von Kazimierz Wóycicki
Deutsche verlassen ihre Häuser und ihre Stadt Breslau/Wrocław. Zwischen Juli 1944 und Mai 1945 flüchteten ca. 7,5 Mio. Deutsche aus Furcht vor der Roten Armee aus den zuvor besetzten polnischen Gebieten und den deutschen Ostgebieten des sog. Altreichs ins westliche Deutschland. Die Flucht und die Zwangsumsiedlungen nach dem Krieg waren oft mit traumatischen Erlebnissen verbunden, mit dem Verlust des Vermögens, Demütigungen, unmenschlichen Transportbedingungen und sogar dem Tod. Nach Kriegsende wurden rund 3,5 bis 4 Mio. Deutsche aus Polen ausgesiedelt.
Eine politische Kundgebung in den 1960er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland, die unter dem Motto „Die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze ist ein Verbrechen an Deutschland” stand.
Polnische Familien – Opfer der stalinistischen Deportationen nach Sibirien – bei ihrer Rückkehr nach Polen 1945. Die meisten der 1,4 Mio. Polen, die aus den Ostgebieten der Zweiten Polnischen Republik – u. a. aus Wilna, Lemberg, Wolhynien – zwangsumgesiedelt wurden, kamen nach Schlesien, Pommern, ins Ermland und nach Masuren. Ihrer Häuser und ihres Besitzes beraubt, waren sie oft unter unwürdigen sanitären Bedingungen dorthin transportiert worden. Hier ließen sich auch viele Menschen nieder, die aus der sibirischen Verbannung oder der Zwangsarbeit in Deutschland zurückgekehrt waren, aber auch Einwohner Zentralpolens, darunter aus dem in Schutt und Asche liegenden Warschau. Traumatisiert vom Erlebten, wie dem Verlust ihrer Angehörigen durch den deutschen beziehungsweise sowjetischen Terror oder durch die Verbrechen ukrainischer Nationalisten, werden sie ihr Leben in den ehemals deutschen Gebieten neu aufbauen – in einem zwei Jahrzehnte lang anhaltenden Gefühl der Unsicherheit, ob sie dort auch bleiben dürfen.
Stettin, 1945. Eine Stadt, aus der die Deutschen ausgesiedelt wurden und in der sich nun – oft unter Zwang und unter schwierigen Nachkriegsbedingungen – Polen aus dem Osten niederließen. Es ist unklar, ob der an der Oder sitzende Mann ein Deutscher oder ein Pole ist.
Heimatverlust: Leere und Unsicherheit
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Ich suche einen Lehrer und Meister daß er mir zurückgebe Augen Gehör und Sprache daß er alle Dinge aufs neue benenne daß er mir scheide Licht von der Finsternis.
Das Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 brachte nicht allen Ländern Europas Freiheit und Souveränität. Fast die Hälfte des Kontinents, darunter Polen und Ostdeutschland, gerieten unter sowjetische Kontrolle. Es begann der Kalte Krieg zwischen der UdSSR und dem ihr untergeordneten Block der Staaten Mittel- und Osteuropas gegen den demokratischen Westen. Polen und Westdeutschland gehörten einander feindlich gegenüberstehenden Lagern an. Das machte einen offenen Dialog zwischen den Völkern und ihren Vertretern unmöglich. Die territorialen Veränderungen und der Verlauf der neuen deutsch-polnischen Grenze an Oder und Neiße waren über lange Zeit der Grund für einen fundamentalen Streit zwischen Deutschland und Polen. Der Krieg war für die Polen ein so traumatisches Erlebnis unvorstellbaren Leids und tiefer Demütigung, dass sie den Deutschen das Recht absprachen, gleichberechtigt behandelt zu werden. Ein symbolischer Ausdruck dafür war die Praxis nach dem Krieg, den Regeln der polnischen Rechtschreibung zuwider das Wort „deutscher” klein zu schreiben. Hinzu kam, dass Polen 46 Prozent seines Vorkriegsterritoriums – mit historischen Zentren der polnischen Kultur wie Lemberg oder Wilna – verloren hatte. Deren Bevölkerung war nun gezwungen, sich in den ehemals deutschen Gebieten anzusiedeln, die Polen kraft Entscheidung der Großmächte zuerkannt worden waren, was Polen auch akzeptierte. Für die Deutschen bedeutete die Grenzverschiebung den Verlust der Ostgebiete mit den für die deutsche Wirtschaft und Kultur so wichtigen Zentren Breslau und Stettin oder Königsberg, das an die UdSSR fiel, außerdem die traumatischen Erlebnisse von Flucht und Zwangsumsiedlungen, die das Ergebnis des von Deutschland entfesselten und verlorenen Krieges waren.
Feindschaft und Propaganda 2. August 1945. Polen und Deutschland in den neuen Grenzen. Die Siegermächte bestätigten auf der Potsdamer Konferenz die zuvor auf der Konferenz von Jalta (4. bis 11. Februar 1945) getroffenen Vereinbarungen zur Westverschiebung der polnischen Grenzen und Umsiedlung der deutschen Bevölkerung.
Zwischen der kommunistischen Volksrepublik Polen und der Deutschen Demokratischen Republik, die der UdSSR unterstand, existierte offiziell kein Grenzproblem. Bereits 1950 wurde der Görlitzer Grenzvertrag unterzeichnet. Auch wenn von einer „Friedensgrenze” gesprochen wurde, waren die Beziehungen zwischen Polen und der DDR von gegenseitigem Misstrauen gekennzeichnet.
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Polen und Deutsche, Geschichten eines Dialogs Ossolinski-Nationalbibliothek Breslau
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PAP/Adam Hawałej
Ludwig Mehlhorn (1950– 2011), Mathematiker, Menschenrechtler in der DDR.
Richard von Weizsäcker (1920–2015), Jurist, Politiker, deutscher Bundespräsident (1984–1994).
In den 1960er Jahren entstanden auch die ersten Initiativen für eine deutsch-polnische Annäherung, die oft von kirchennahen Kreisen unternommen wurden. In Polen waren das die Klubs der Katholischen Intelligenz (KIK), u. a. in Breslau, Warschau und Krakau, sowie Einzelpersonen, die mit den Redaktionen der Wochenzeitung „Tygodnik Powszechny” sowie den Monatszeitschriften „Znak” und „Więź” zusammenarbeiteten. In der Bundesrepublik Deutschland waren es vor allem Menschen, die im Bensberger Kreis und bei Pax-Christi und in der DDR bei der Aktion Sühnezeichen aktiv waren. Der Versöhnungsprozess wurde von seinen Beteiligten nicht nur als ein moralischer Akt, sondern auch als eine Bedingung für die Veränderung der politischen Lage in Europa verstanden – als ein Weg für Polen, sich von der UdSSR unabhängig zu machen, und als ein Weg zur deutschen Wiedervereinigung.
Aktion Sühnezeichen
In diesem allerchristlichsten und zugleich sehr menschlichen Geist strecken wir unsere Hände zu Ihnen hin in den Bänken des zu Ende gehenden Konzils, gewähren Vergebung und bitten um Vergebung. – Die polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder, 18. November 1965.
Teilnehmer einer ökumenischen Fahrradpilgerreise der Aktion Sühnezeichen in Auschwitz, 1965.
Katholische Nachrichtenagentur
Aus der Sammlung von Aktion Sühnezeichen
Propagandaplakat von 1966 gegen den Brief der polnischen Bischöfe an die deutschen Amtsbrüder mit der Parole: „Verbrechen und Völkermord an der polnischen Nation dürfen nicht vergessen und vergeben werden”.
Günter Särchen (1927–2004), katholischer Sozialpädagoge, Mitbegründer der ostdeutschen Aktion Sühnezeichen.
PAP/DPA
1965 richteten die polnischen Bischöfe einen Brief an ihre deutschen Amtsbrüder, der von der Notwendigkeit der Versöhnung sprach. Auf die von christlichem Versöhnungsgeist und zugleich politischem Weitblick geprägten Worte „Wir vergeben und bitten um Vergebung” reagierte die kommunistische Propaganda in Polen mit einem erbitterten Angriff auf die Kirche wegen vermeintlichen Verrats nationaler Interessen. Der Inhalt des Briefes missfiel der offiziellen kommunistischen Propaganda, welche die Gefahr betonte, die Westdeutschland für Polen angeblich darstellte. Die Antwort der deutschen Bischöfe fiel allerdings sehr enttäuschend aus, weil sie keine Unterstützung für die Oder-Neiße-Grenze enthielt. Dennoch markierte der Brief der polnischen Bischöfe den Beginn eines anhaltenden Prozesses deutsch-polnischer Versöhnung.
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Zbigniew Herbert, Auszug aus dem Gedicht „Tarnina”
Kardinal Bolesław Kominek (1903–1974), Metropolit von Breslau. Nach dem Zweiten Weltkrieg baut er unter schwierigen Bedingungen das religiöse Leben in Oberschlesien auf, wo Deutsche und Polen aus den bisherigen polnischen Ostgebieten nebeneinander leben. 1951 muss er auf Anweisung des kommunistischen Regimes Oberschlesien verlassen. Nach Breslau kehrt er erst als Erzbischof zurück. Im Bewusstsein um die Geschichte Schlesiens und das deutsch-polnische Verhältnis initiiert und verfasst er den Hirtenbrief der polnischen an die deutschen Bischöfe von 1965.
Aus der Sammlung von Heimgard Mehlhorn
Aus der Sammlung von Elizabeth Here-Särchen
Einer aber muss den Mut haben, Einer muss anfangen
„Wir vergeben und bitten um Vergebung”
Suche nach den Wegen des Dialogs Letzte Seite des Briefes der polnischen Bischöfe mit den Unterschriften u. a. des polnischen Primas Kardinal Stefan Wyszyński und des Bischofs und Metropoliten von Krakau Karol Wojtyła, des späteren Papstes Johannes Pauls II. Mit brüderlicher Ehrfurcht, ergreifen wir die dargebotenen Hände. Der Gott des Friedens gewähre uns auf die Fürbitte der regina pacis, dass niemals wieder der Ungeist des Hasses unsere Hände trenne. – Antwort der deutschen Bischöfe, 5. Dezember 1965.
Jedem von uns war klargeworden, dass es ohne diesen Blick zurück in unsere Geschichte, ohne diese Rückkehr zu dem finstersten Ort, ohne diese erschütternden Erfahrungen keinen Neubeginn geben konnte. Historisches Archiv des Erzbistums Köln
Friedrich Magirius, evangelischer Theologe, Bürgerrechtler und langjähriger Vorsitzender der Aktion Sühnezeichen
Diese gesamtdeutsche soziale Initiative entstand 1958 unter den Auspizien der evangelischen Kirche mit dem Ziel, eine Versöhnung mit den Ländern anzustreben, die von deutschen Verbrechen betroffen gewesen sind. Die Arbeit der Aktion Sühnezeichen in der DDR leitete den Prozess des deutsch-polnischen Dialogs ein und stand in Opposition zum kommunistischen Regime. Im Rahmen der Aktion organisierte Günter Särchen ab 1964 Pilgerfahrten und Ferienlager für junge Deutsche in Polen mit, und in der DDR selbst hielt er unter dem Dach der katholischen Kirche in Magdeburg Polenseminare ab. 1982 gab er Informationsbroschüren über die „Solidarność” in Polen heraus. Wegen seiner Tätigkeit wurde er von der Stasi schikaniert. Teilnehmer der Seminare der Aktion Sühnezeichen war u.a. Ludwig Mehlhorn, der Kontakte zur polnischen demokratischen Opposition knüpfte, Texte der „Solidarność” übersetzte und sie im Samisdat in der DDR veröffentlichte. In den 1980er Jahren organisierte er in Ost-Berlin einen Ableger des „Anna-Morawska-Seminars”, der sich polnischen Angelegenheiten widmete.
Einige Wochen vor dem Brief der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder veröffentlichte die evangelische Kirche am 1. Oktober 1965 die Ostdenkschrift. Diese Schrift brach ganz wesentlich mit Tabus zum Thema Oder-Neiße-Grenze in der westdeutschen Gesellschaft. Sie sprach von der Notwendigkeit, dass die Deutschen und die Polen ihre Schuld anerkennen und nach einer rationalen und friedlichen Lösung für die Grenzfrage suchen. Einer der Initiatoren der Ostdenkschrift war Richard von Weizsäcker. Als Wehrmachtssoldat hatte er gegen Polen gekämpft, als deutscher Bundespräsident hielt er später am 40. Jahrestag des Kriegsendes eine berühmte Rede, in der er die deutschen Kriegsverbrechen verurteilte und den 8. Mai als Tag der Befreiung auch für Deutschland bezeichnete. Die Ostdenkschrift der evangelischen Kirche löste in Westdeutschland eine Protestwelle aus. Den Verfassern wurde vorgeworfen, sie würden in einer unangemessenen Rolle auftreten und deutsche Interessen untergraben. Die Denkschrift ist eine ganz eindeutige Tendenzschrift. Mit christlicher Verbrämung und wissenschaftlichem Anstrich soll dem deutschen Volk der Verzicht auf seine Ostgebiete, der Verzicht auf jede Wiedergutmachung des Unrechts der Vertreibung, die Versöhnung um jeden Preis eingeredet werden. – Rundschreiben des BdV-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, 6. Januar 1966.
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LENGYELEK és NÉMETEK, Egy párbeszéd története
Polen und Deutsche, Geschichten eines Dialogs
Klubs der katholischen Intelligenz (KIK) In den gegen Ende der 1950er Jahre entstandenen Vereinen versammelten sich katholische Laienkreise in Polen. Inspiriert vom Brief der Bischöfe setzten sie sich u. a. für eine Überwindung des Misstrauens gegen die Deutschen ein. Die KIK-Mitglieder pflegten enge Kontakte zu Gruppen katholischer Laien in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR. Ein wichtiges Forum für den Meinungsaustausch waren die Monatszeitschriften „Znak” und „Więź” sowie die Wochenzeitung „Tygodnik Powszechny”.
Eine wesentliche Rolle spielte für das politische Denken über den deutsch-polnischen Dialog die in Paris herausgegebene polnische Zeitschrift „Kultura”, die sich der kommunistischen Propaganda und dem Mythos der „Wiedergewonnenen Gebiete” widersetzte und die brutale Umsiedlung der deutschen Bevölkerung, aber auch die in Deutschland unternommenen Versuche einer Grenzrevision vehement kritisierte. In der „Kultura” veröffentlichte Jan Józef Lipski 1981 seinen mutigen Essay Zwei Vaterländer – Zwei Patriotismen, in dem er feststellt, dass die deutsch-polnische Versöhnung auf einer Anerkennung der eigenen Schuld beruhe, wozu beide Seiten verpflichtet seien.
Marion Dönhoff (1909–2002), Publizistin, Chefredakteurin der Wochenzeitung „Die Zeit”. Während des Krieges unterhielt sie Kontakte zu einigen Mitgliedern des Kreisauer Kreises. Im Januar 1945 flüchtete sie zu Pferde von ihrem Gut in Ostpreußen vor der Roten Armee und verlor somit ihre Heimat. Als Chefredakteurin der „Zeit” schrieb sie immer wieder über Polen und die deutschpolnischen Beziehungen, befürwortete die Ostpolitik Willy Brandts und hielt die Versöhnung mit Polen für eine historische Notwendigkeit.
Die unzensierte Presse in der Bundesrepublik Deutschland bot einen Raum für Diskussionen über Polen und die deutsch-polnischen Beziehungen. Eine besondere Rolle spielten die Korrespondenten deutscher Medien in Polen, die – wie Ludwig Zimmerer oder Hansjakob Stehle – auch der polnischen demokratischen Opposition Rückhalt gaben.
Stanisław Stomma (1908–2005), Jurist, Publizist und Politiker. Er gehörte dem Umfeld der Wochenzeitung „Tygodnik Powszechny” an und war Mitglied des Sejm im katholischen Abgeordnetenkreis „Znak”. Er war der erste Pole, der von einem Bundespräsidenten empfangen wurde. In seinem Essayband „Czy fatalizm wrogości?” [Gibt es einen Fatalismus der Feindschaft?”] von 1980 argumentierte er, dass der deutsch-polnische Konflikt den Interessen beider Völker schade. Archiv KNA
Wenn das deutsche Volk sich der Tatsache bewusst wird, dass ohne Polen Europa nicht nur verstümmelt ist, sondern auch gefährdeter wegen des Fluchtzustroms aus dem Osten, wenn es die Freiheit und die Unabhängigkeit Polens als Bedingung für seine eigene Sicherheit anerkennt, dann entstehen Bedingungen für eine wirkliche Versöhnung. – Aleksander Bregman, Publizist und Chefredakteur der in London herausgegebenen Exilzeitung „Dziennik Polski” in seinem Buch „Jak świat światem?” [Solange die Welt besteht? Die deutsch-polnischen Beziehungen gestern, heute und morgen], 1964.
Aleksander Jalosinski/FORUM
Die polnische Emigration
Anna Morawska (1922–1972), katholische Publizistin und Übersetzerin, die der Wochenzeitung „Tygodnik Powszechny” nahe stand. 1970 erschien ihr Buch „Dietrich Bonhoeffer. Ein Christ im Deutschen Reich” über den deutschen Theologen und Angehörigen des Widerstands gegen den Nationalsozialismus. Es war das erste polnische Buch, das einen anderen Deutschen als die kommunistische Propaganda zeigte. Auf der Suche nach diesen anderen Deutschen stellt die Autorin Fragen nach der Ursache für den Verfall der Menschlichkeit im Nationalsozialismus und nach dem Wesen des Widerstandes in Zeiten der Unterdrückung, auch der kommunistischen.
PAP/DPA
Wir möchten das Memorandum als Beginn und nicht als Ende der Arbeit in dieser Richtung verstehen. Umso wichtiger ist es, dass die Unterzeichner des Memorandums und Menschen, die ähnlich wie sie denken, wissen, dass ihr moralischer Mut und ihre politischen Bemühungen in Polen wahrgenommen werden. – Tadeusz Mazowiecki, Chefredakteur des Monatsmagazins „Więź”.
Deutsche Publizisten und Korrespondenten Archiv der Vierteljahresschrift „Więź”
Aus der Sammlung von Elisabeth Seidler, Foto: Wolfgang Morell, Bonn
Manfred Seidler (1922–2007), Gymnasiallehrer, Sprecher der Polen-Kommission des Bensberger Kreises.
Bensberger Kreis Ein Kreis westdeutscher Intellektueller, die der Pax-Christi-Bewegung nahestanden. In den 1960er Jahren ergriff er die Initiative zu einer Verständigung mit Polen. Die Tätigkeit dieses Kreises hat bis 1989 den Gedanken der Notwendigkeit einer deutsch-polnischen Aussöhnung wach gehalten. Die Mitglieder des Bensberger Kreises, mit Walter Dirks und Eugen Kogon an der Spitze, forderten im „Memorandum deutscher Katholiken zu den polnisch-deutschen Fragen” (1968) u. a. einen Verzicht der Deutschen auf Ansprüche auf die Gebiete, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg innerhalb den Grenzen Polens befanden, die Beseitigung revisionistischer Inhalte über diese Gebiete aus den Geschichtsbüchern und eine Wiedergutmachung für die Opfer des deutschen Terrors in Polen (1939–45). Einer der Unterzeichner war Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI. Ihre Stimme stieß auf heftige Kritik in vielen Kreisen der deutschen Gesellschaft, auch deshalb, weil die katholische Kirche für ihre bisherige Untätigkeit kritisiert wurde.
Kardinal Döpfner, Erzbischof von München und Freising, empfängt die erste Delegation von „Znak” in der Bundesrepublik Deutschland. In der ersten Reihe: Jerzy Turowicz, Tadeusz Mazowiecki und Stanisław Stomma. Hinten rechts neben Mazowiecki Mieczysław Pszon.
Polnische Unabhängigkeitsvereinigung Eine Organisation der polnischen demokratischen Opposition, die in den 1970er Jahren von Zdzisław Najder (geb. 1930) gegründet wurde. Ihre Mitglieder sprachen sich für ein unabhängiges und demokratisches Polen, eine freie Ukraine, ein freies Weißrussland und Litauen sowie für eine Versöhnung mit Deutschland aus. Eine der Konsequenzen einer Wiedererlangung der Unabhängigkeit durch Polen ist die Eröffnung neuer Möglichkeiten für die Vereinigung Deutschlands. Manche halten das für ein Argument gegen das Streben nach Unabhängigkeit. Wir stimmen mit ihnen nicht überein. – Eine Forderung, die 1978 von den Mitgliedern der Polnischen Unabhängigkeitsvereinigung formuliert wurde.
Literatur Im Prozess der Überwindung von Feindschaft und Missverständnissen spielte die Literatur eine enorme Rolle. Das erste westdeutsche Buch, das nach dem Zweiten Weltkrieg 1957 aus dem Deutschen ins Polnische übersetzt wurde, war Heinrich Bölls „Wo warst du, Adam?”. In Westdeutschland erschien 1959 eine Anthologie polnischer Dichtung, ausgewählt und übersetzt von Karl Dedecius (1921–2016). Es war der erste Erfolg polnischer Literatur auf dem westdeutschen Buchmarkt nach dem Krieg. In den Jahren 1982–2000 gab die Robert Bosch Stiftung im Rahmen der „Polnischen Bibliothek” 50 Bände polnischer Literatur in deutscher Sprache heraus.
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Polen und Deutsche, Geschichten eines Dialogs PAP/Maciej Musiał
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AFP/EAST NEWS
Die Unterzeichnung des Vertrages schuf neue Bedingungen für die Zusammenarbeit zwischen Polen und Westdeutschland. 1972 wurden diplomatische Beziehungen aufgenommen und unter der Ägide der UNESCO die bis heute tätige Deutsch-Polnische Schulbuchkommission ins Leben gerufen, deren Ziel es war, gemeinsame Richtlinien für Schulbücher der Fächer Geschichte und Erdkunde zu erarbeiten. Seit 1976 besteht auch das Deutsch-Polnische Forum, ein regelmäßiges Treffen von Vertretern aus Politik, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Kultur. In dieser Zeit entstanden in vielen westdeutschen Städten Deutsch-Polnische Gesellschaften, die 1987 das erste deutsch-polnische Magazin „DIALOG” herausgaben, das bis heute erscheint.
Schuld und Verantwortung
7. Dezember 1970, Warschau, Willy Brandt und Józef Cyrankiewicz unterzeichnen den Vertrag über die Grundlagen der Normalisierung der gegenseitigen Beziehungen, in dem die Unverletzlichkeit der Oder-Neiße-Grenze anerkannt wird.
Erste Seite der Anthologie „Oder. Literarische Texte”, herausgegeben 1987 von Michael Bartoszek, Ludwig Mehlhorn und Joachim Zeller. Die Anthologie enthielt Texte polnischer und ostdeutscher Autoren, die in der DDR offiziell nicht gedruckt werden durften. Der Titel enthielt ein Wortspiel: der Grenzfluss Oder und die Bedeutung der Konjunktion „oder” als Verweis auf die polnische Alternative zu den bestehenden Verhältnissen in der DDR.
Oppositionelle Periodika, die in den 1970er und 1980er Jahren in der Volksrepublik Polen im sogenannten „zweiten Umlauf ” gedruckt wurden.
Ab Mitte der 1970er Jahre formiert sich in Polen eine organisierte Oppositionsbewegung. Einzelne Organisationen der Opposition, wie das Komitee zur Verteidigung der Arbeiter (KOR), die Bewegung zur Verteidigung der Menschen- und Bürgerrechte (ROPCiO), die Bewegung Junges Polen (RMP) und die Polnische Unabhängigkeitsvereinigung (PPN), knüpften Kontakte zu Regimegegnern in anderen Ostblockländern, auch in der DDR. Im Sommer 1980 kommt es zu einer Streikwelle, in deren Ergebnis die Unabhängige Selbstverwaltete Gewerkschaft „Solidarność” entsteht, die erste von den Kommunisten unabhängige, demokratische Massenorganisation politischen Charakters im Ostblock. Das im Dezember 1981 von den kommunistischen Machthabern der Volksrepublik Polen verhängte Kriegsrecht stoppt die polnische Revolution und blockiert für zehn Jahre die Chance für einen Wandel in Polen und anderen Ländern der Region. Mehr als 250.000 Polen, darunter Vertreter der polnischen Eliten, emigrierten nach Westeuropa.
Fot. Bartosz Pietrzak / KARTA
Beim ersten Besuch von Bundeskanzler Willy Brandt in Nachkriegspolen im Dezember 1970 kam es zur Unterzeichnung des Vertrages über die Grundlagen der Normalisierung der Beziehungen zwischen Polen und der Bundesrepublik Deutschland. Willy Brandts Kniefall vor dem Denkmal für die Opfer des Warschauer Ghettoaufstands wurde als öffentliches Schuldbekenntnis Deutschlands für den Holocaust und die anderen von Deutschen im Zweiten Weltkrieg begangenen Verbrechen aufgenommen.
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Hermann Schreiber, Publizist des Magazins „Der Spiegel”
Ergebnisse einer Meinungsumfrage im Auftrag des „Spiegel”: Kniefall angemessen oder übertrieben? 48 Prozent der Befragten hielten ihn für übertrieben, 41 Prozent für angemessen, 11 Prozent hatten keine Meinung.
Die Geste von Willy Brandt und die Unterzeichnung des Vertrages über die Normalisierung der Beziehungen mit Polen lösten in der Bundesrepublik Deutschland heftige Kontroversen aus, insbesondere in Vertriebenenkreisen. Die Bundestagsdebatte über die Ratifizierung des Vertrages im Mai 1972 führte zu einer scharfen politischen Auseinandersetzung. Letztendlich stimmten 248 Abgeordnete für den Vertrag, 238 enthielten sich der Stimme, und 10 stimmten dagegen. Zusätzlich verabschiedete der Bundestag eine Entschließung, die besagte, dass der endgültige Verlauf der neuen Grenze nur durch einen vom vereinigten Deutschland unterzeichneten künftigen Friedensvertrag bestätigt werden kann.
Museum der Geschichte Polens
[...] Dann kniet er, der das nicht nötig hat, da für alle, die es nötig haben, aber nicht da knien – weil sie es nicht wagen oder nicht können oder nicht wagen können. Dann bekennt er sich zu einer Schuld, an der er selber nicht zu tragen hat, und bittet um eine Vergebung, derer er selber nicht bedarf. Dann kniet er da für Deutschland.
Jan Józef Lipski (1926–1991), Publizist, Kritiker und Literaturhistoriker. In seiner Wohnung entsteht 1976 das Komitee zur Verteidigung der Arbeiter (KOR).
Solidarisch auf dem Weg in die Freiheit
Fot: Erazm Ciołek/©A. Ciołek
1976 unterzeichneten die Städte Danzig/Gdańsk und Bremen den ersten Partnerschaftsvertrag in der Nachkriegsgeschichte Polens und Westdeutschlands.
Am 16. Oktober 1978 wird ein Kardinal aus Polen – Karol Wojtyła – zum neuen Papst gewählt. Das war für die gesamte christliche Welt eine Überraschung: Ein Kardinal von jenseits des Eisernen Vorhangs wurde Papst. Für das Politbüro der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei war es ein Schock. Im Juni 1979 trifft Johannes Paul II. zu seiner ersten Pilgerreise nach Polen. In seiner Predigt in Warschau fielen Worte, die zur Inspiration für den Aufbau der großen gesellschaftlichen Bewegung „Solidarność” wurden.
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LENGYELEK és NÉMETEK, Egy párbeszéd története
Polen und Deutsche, Geschichten eines Dialogs
Das Jahr 1989 brachte grundlegende geopolitische Veränderungen in der Welt. Das sowjetische Imperium in Europa bricht zusammen. Die Planwirtschaft ist am Boden, die Menschen fordern Veränderungen und wollen Freiheit. Moskau liberalisiert sein Verhältnis zu den Satellitenstaaten. Der Runde Tisch und die Wahlen am 4. Juni in Polen leiten den Wandel ein und geben den Anstoß zum Fall des Kommunismus in den Ländern Mittel- und Osteuropas, darunter in Ostdeutschland.
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Die westdeutsche Gesellschaft reagierte auf die Verhängung des Kriegsrechts 1981 in Polen mit einer Welle spontaner Hilfsaktionen. Auf dem Foto: Pakete, die nach Polen geschickt werden sollen, sowie ein Flugblatt mit dem Aufruf an die westdeutsche Gesellschaft, polnischen Internierten (materiell und moralisch) zu helfen: „Das polnische Volk geht wieder durch eine dunkle Stunde seiner leidvollen Geschichte...”. Die Aktion wurde von Pax Christi organisiert, und Gesicht gaben ihr Tadeusz Mazowiecki und Władysław Bartoszewski, die unter dem Kriegsrecht interniert wurden (1982). Als einen Missklang, angesichts der Unterstützung für Polen von Seiten der deutschen Gesellschaft, empfand die polnische Opposition die Tatsache, dass Bundeskanzler Helmut Schmidt die Einführung des Kriegsrechts in Polen befürwortete. Krzysztof Pawela/FORUM Aus der Sammlung von Władysław Bartoszewski
Flugblatt der polnischen oppositionellen Gruppierung „Bewegung für Freiheit und Frieden”, die zu Demonstrationen für die Zerstörung der Berliner Mauer aufruft.
Eine Gedenktafel aus dem Jahre 1987 in der Breslauer Pfarrkirche St. Klemens Maria Hofbauer, gestiftet zur Erinnerung an die seit 1981 währende Zusammenarbeit mit der Gemeinde St. Ewaldi in Dortmund-Aplerbeck.
Wahlplakat von Tomasz Sarnecki
Robert-Havemann-Gesellschaft e.V.
Die polnische Fahne, mit der Roland Jahn zum Zeichen der Solidarität mit Polen während des Kriegsrechts durch Jena fuhr, woraufhin er wegen „Missachtung staatlicher Symbole” verhaftet und zu fast zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Ein anderes Beispiel für den Protest in der DDR gegen die Einführung des Kriegsrechts in Polen war der mehrtägige Hungerstreik von Strafgefangenen im Zuchthaus Cottbus im Dezember 1981.
Das Wahlplakat der „Solidarność” mit Gary Cooper in der Rolle des Sheriffs ruft zur Beteiligung an den Wahlen am 4. Juni 1989 auf. Es waren die ersten teilweise freien Wahlen seit dem Zweiten Weltkrieg in Polen zum Sejm und zum reaktivierten Senat. Zur Überraschung der kommunistischen Machthaber errang die „Solidarność” fast alle der in freier Wahl vergebenen Abgeordnetenmandate.
Chris Niedenthal/FORUM
12. September 1989, Tadeusz Mazowiecki, erster nichtkommunistischer Ministerpräsident Polens nach dem Krieg, bildet seine Regierung. Außenminister wird Professor Krzysztof Skubiszewski.
LENGYELEK és NÉMETEK, Egy párbeszéd története
Polen und Deutsche, Geschichten eines Dialogs
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12. November 1989, Kreisau. Tadeusz Mazowiecki und Helmut Kohl tauschen miteinander den Friedensgruß während einer Versöhnungsmesse, die der Bischof von Oppeln, Alfons Nossol, zelebrierte. Die Versöhnungsmesse in Kreisau fand drei Tage nach dem Fall der Berliner Mauer statt. Heute gilt die Geste der beiden Regierungschefs als ein Symbol für die deutschpolnische Versöhnung.
Ergebnisse einer Meinungsumfrage zum Thema Sympathie und Antipathie der Polen für die Deutschen und der Deutschen für die Polen aus dem Jahr 1991. Die Studie zeigt, dass die Polen eher positiv über die Deutschen denken, ähnlich wie die Ostdeutschen über die Polen. Die Westdeutschen äußern sich über die Polen eher negativ. „Der Spiegel”
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NAF Dementi/Zentrum „Erinnerung und Zukunft”
Im Sommer 1989 entsteht in der DDR eine breite Oppositionsbewegung. Die jeden Montag in Leipzig veranstalteten Friedensgebete verwandeln sich ab Herbst zu Massendemonstrationen gegen das System, die mit dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 ihren Höhepunkt finden. Infolge der Öffnung der ungarisch-österreichischen Grenze im September 1989 flüchten Tausende DDR-Bürger über die Botschaften der Bundesrepublik Deutschland in Budapest, Prag und Warschau in den Westen.
Das Jahr 1989 schuf neue Voraussetzungen für den Aufbau einer guten deutsch-polnischen Nachbarschaft und Partnerschaft in Europa. Deutschland und Polen hatten bei der Veränderung der Nach-Jalta-Ordnung übereinstimmende Interessen. Die polnischen politischen Eliten unterstützten den deutschen Vereinigungsprozess, trotz der Ängste in der Gesellschaft vor einem „Großdeutschland” und der Tatsache, dass Bundeskanzler Kohl die endgültige Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze hinauszögerte. Deutschland unterstützte Polen im schwierigen Transformationsprozess und bei seinen europäischen Bestrebungen. Auf diese Weise wurde Deutschland zum wichtigsten Anwalt Polens auf dem Weg zur Mitgliedschaft in der NATO und der Europäischen Union.
Peter Turnley/CORBIS/FOTOCHANNELS
Karikaturen von Walter Hanel, die den politischen Kontext der Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze sowie den fragilen Zustand der deutsch-polnischen Beziehungen veranschaulichen.
A lipcsei tüntetés résztvevői.
Walter Hanel, „Kölner Stadt-Anzeiger”, 1990
1989
1989 – 1991: Der Umbruch in den Beziehungen PAP/Grzegorz Rogiński
PAP/Jan Morek
9. November 1989, Fall der Berliner Mauer. Der Beginn des Weges zur deutschen Vereinigung. Bis Ende 1991 brachten die Gesellschaften die kommunistischen Regime in den meisten Ländern Mittel- und Osteuropas zu Fall.
14. November 1990, Warschau. Die Außenminister Deutschlands und Polens, Hans-Dietrich Genscher und Krzysztof Skubiszewski, unterzeichnen den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Bestätigung der zwischen ihnen bestehenden Grenze.
17. Juni 1991, Bonn. Unterzeichnung des deutsch-polnischen Vertrages über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit durch Polens Ministerpräsidenten Jan Krzysztof Bielecki und den deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl.
Sipa Press/EAST NEWS
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Polen und Deutsche, Geschichten eines Dialogs
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Als ein Volk, das besonders gezeichnet ist durch den Krieg, haben wir die Tragödie der Zwangsumsiedlungen und die damit verbundene Gewalt und Verbrechen kennengelernt. Wir haben nicht vergessen, dass davon auch die deutsche Bevölkerung massenweise betroffen war und dass manchmal die Täter auch Polen waren. Ich will offen sagen, dass wir von den Einzelschicksalen und dem Leid unschuldiger Deutscher, die von den Folgen des Krieges betroffen sind und ihre Heimat verloren haben, bestürzt sind. – Władysław Bartoszewski, polnischer Außenminister, zum 50. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges während einer gemeinsamen Sondersitzung von Bundestag und Bundesrat am 28. April 1995 in Bonn.
Spannungen zwischen Deutschland und Polen bei historischen Fragen äußerten sich in einer heftigen Debatte über das Gedenken an die „Vertreibungen” – wie man in Deutschland sagt – oder die „Zwangsumsiedlungen” – wie man in Polen sagt – der Deutschen aus den Ostgebieten des Reiches sowie bei der Frage eventueller Entschädigungen für die dort verlorenen Güter. An diesen im Vertrag nicht geregelten Fragen entzündeten sich später zahlreiche Konflikte im deutsch-polnischen Dialog. Wichtig war die Stimme der Bundesregierung, die seit dem Jahr 2000 konsequent die Forderung von „Vertriebenen” zurückwies, die Aufnahme Polens und Tschechiens in die EU von einer Aufhebung der Gesetze abhängig zu machen, die die Aussiedlung und die Beschlagnahme deutschen Eigentums sanktioniert hatten. Umstritten war auch die Gründung des Zentrums gegen Vertreibungen in Berlin. Heute schaut Polen mit Interesse zu, wie sich in Deutschland das Gedenken an den Zweiten Weltkrieg und an die Vertreibungen/Zwangsumsiedlungen ändert.
PAP
Aus der Sammlung von Władysław Bartoszewski
Wiesław Smętek, 1998
Karikaturen, die die deutsch-polnische Asymmetrie, das gegenseitige Misstrauen und fehlendes Verständnis darstellen.
Die Unterzeichnung des Vertrages
In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre trat im deutsch-polnischen Verhältnis ein Phänomen zutage, das als „Leere nach der Versöhnung”, „Versöhnungskitsch” oder auch „deutsch-polnische Gemeinschaft der Unterschiede” bezeichnet wurde. Je intensiver die deutsch-polnische Zusammenarbeit wurde, auch in Verbindung mit Polens EU-Integration, desto augenfälliger wurde der Bereich potenzieller oder völlig realer Konflikte und Spannungen. Beide Länder standen am Beginn einer neuen historischen Phase und hatten oft Schwierigkeiten, einander zu verstehen. Besonders deutlich wurde das bei Geschichtsdebatten, dem Verhältnis zu den USA, darunter zum Irakkrieg, sowie dem Verhältnis zu Russland, u. a. im Zusammenhang mit der Verwirklichung der „Nord Stream”-Gaspipeline.
Walter Hanel
Dzień 1 września 1939 roku i jego następstwa są i pozostaną dla nas, Niemców, częścią historii, niebędącą tylko przeszłością, historii, która nas zawstydza, ale i umacnia naszą wolę i nasze dobrowolne konstytucyjne zobowiązanie, by wspólnie ze wszystkimi naszymi sąsiadami i partnerami „jako równoprawny członek zjednoczonej Europy służyć pokojowi na świecie“. Wspólna praca w tym duchu Polaków i Niemców – jako sąsiadów, jako partnerów, jako przyjaciół, stanowi zachęcający przykład: historia może nas czegoś nauczyć, jeśli tylko zrozumiemy lekcje, których nam udziela. – Norbert Lammert, przewodniczący niemieckiego Bundestagu 10 września 2014 roku podczas uroczystej sesji w Bundestagu z okazji 75. rocznicy wybuchu II wojny światowej z udziałem prezydenta RP Bronisława Komorowskiego.
„Versöhnungskitsch” und neue Streitigkeiten
Wiesław Smętek, 1998
PAP/Ireneusz Mazur
Heute aber verneige ich mich […] vor allen polnischen Opfern des Krieges: Ich bitte um Vergebung für das, was ihnen von Deutschen angetan worden ist. – Roman Herzog, deutscher Bundespräsident, während der Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag des Ausbruchs des Warschauer Aufstandes am 1. August 1994 in Warschau.
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Die Vertragsparteien werden ihre Beziehungen im Geiste guter Nachbarschaft und Freundschaft gestalten. Sie streben eine enge friedliche und partnerschaftliche Zusammenarbeit auf allen Gebieten an. In europäischer Verantwortung werden sie ihre Kräfte dafür einsetzen, den Wunsch ihrer beiden Völker nach dauerhafter Verständigung und Versöhnung in die Tat umzusetzen.
Schwieriger Erinnerungsdialog
Hier auf der Westerplatte gedenke ich als deutsche Bundeskanzlerin aller Polen, denen unter den Verbrechen der deutschen Besatzungsmacht unsägliches Leid zugefügt wurde. […] Ich verneige mich vor den Opfern. Wir wissen: Die Gräuel des Zweiten Weltkriegs können wir nicht ungeschehen machen. Die Narben werden weiterhin sichtbar bleiben. Aber die Zukunft im Bewusstsein unserer immerwährenden Verantwortung gestalten – das ist unser Auftrag. In diesem Geist hat sich Europa aus einem Kontinent des Schreckens und der Gewalt in einen Kontinent der Freiheit und des Friedens verwandelt. – Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Gedenkveranstaltung zum 70. Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs am 1. September 2009 in Danzig. Das heutige Deutschland hat wenig Ahnung vom September 1939. Dafür hat die Nazipropaganda gesorgt. […] Die Eliten des Deutschen Reiches betrachteten den Überfall auf Polen übrigens nicht als den Kriegsbeginn. Im Bewusstsein der Deutschen war das erst der Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941. Viele meiner Landsleute sind der Meinung, dass gerade damals die Massenverbrechen und der Völkermord an den Juden begonnen haben. Aber das ist nicht wahr. Die Wehrmachtssoldaten und die Mitglieder der Einsatzgruppen haben bereits mit dem Übertritt über die polnische Grenze Verbrechen begangen. Die Morde im September 1939 waren der Auftakt zum Holocaust. – Jochen Böhler, Historiker an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
In dem Bestreben, die leidvollen Kapitel der Vergangenheit abzuschließen und entschlossen, an die guten Traditionen und das freundschaftliche Zusammenleben in der jahrhundertelangen Geschichte Deutschlands und Polens anzuknüpfen…
Wenn jeder Kredit, jeder Schüleraustausch, jede politische Handlung zwischen Polen und Deutschland von den Deutschen dem Schlagwort von der „Versöhnung” untergeordnet wird, wird diese zum Versöhnungskitsch. – Klaus Bachmann. Man kann aus dem Schatten der Vergangenheit nicht ohne einen Dialog der Erinnerungen hervortreten. Respekt für den Nachbarn und Partner erfordert die Gegenseitigkeit von Zuhören und Verstehen. – Anna Wolff-Powęs-ka, ehemalige Leiterin des West-Instituts in Posen. Polen ist uns ein äußerst wichtiges Anliegen. Doch leider gibt es noch immer viel ungenutztes Potenzial, vor allem auch viel Asymmetrie in den Beziehungen. Das deutsche Interesse für unser Nachbarland kann erheblich gesteigert werden. – Rita Süssmuth, CDU-Politikerin, Bundestagspräsidentin a. D.
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Polen und Deutsche, Geschichten eines Dialogs
Vor allem die Jugend
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Stiftung „Polnisch-Deutsche Aussöhnung”
Das Deutsch-Polnische Jugendwerk und viele engagierte „Gute Nachbarn” tragen dazu bei, dass Menschen Europa erleben. So werden vielleicht noch nicht aus allen Menschen Brüder, aber vielfach aus bislang Unbekannten Freunde – und in manchen Fällen, wie ich weiß, sogar tatsächlich Partner fürs Leben. – Christian Wulff, Bundespräsident a. D., beim 20. Geburtstag des Deutsch-Polnischen Jugendwerks in Berlin.
Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin der Stiftung „PolnischDeutsche Aussöhnung” hilft einem ehemaligen Häftling des KZ Sachsenhausen beim Ausfüllen eines Umfrageformulars für das Dokumentationsprogramm www.straty.pl, Warschau 2010.
Hilfe für die Opfer der deutschen Verbrechen Fragen der Entschädigung für die Opfer der deutschen Verfolgung in Polen wurden im Nachbarschaftsvertrag aus rechtlichen Gründen nicht geregelt. Sie waren jedoch Gegenstand moralisch begründeter Erwartungen. Man suchte nach politischen Lösungen für diese wichtige Frage. 1991 wurde die Stiftung „Polnisch-Deutsche Aussöhnung” gegründet, die aus den Mitteln der Bundesregierung (500 Mio. DM) in den 1990er Jahren Leistungen in Form von humanitärer Hilfe an in Polen lebende Opfer der deutschen Verbrechen zahlte. Die schwierige Auseinandersetzung Ende der 1990er Jahre über die ungenügende Wiedergutmachung für die NS-Opfer führte zu einer Aufstockung des Fonds durch Mittel von Firmen (975,5 Mio. Euro), die während des Krieges Sklavenarbeiter des Dritten Reichs eingesetzt hatten. Heute, nach dem Abschluss der Entschädigungszahlungen, sorgt die Stiftung auch für die Bewahrung der Erinnerung an die Opfer des Zweiten Weltkriegs und kümmert sich um die noch lebenden Leidtragenden.
4. September 2008, Lubowitz. Feierliche Enthüllung eines zweisprachigen deutsch-polnischen Verkehrsschildes in der Oppelner Region.
Radłów Radlau Biskupice Bischdorf Kolonia Biskupska Friedrichswille Kościeliska Kostellitz Ligota Oleska Ellguth Nowe Karmonki Neu Karmunkau
Die Angehörigen der deutschen Minderheit in der Republik Polen, das heißt Personen polnischer Staatsangehörigkeit, die deutscher Abstammung sind oder die sich zur deutschen Sprache, Kultur oder Tradition bekennen, sowie Personen deutscher Staatsangehörigkeit in der Bundesrepublik Deutschland, die polnischer Abstammung sind oder die sich zur polnischen Sprache, Kultur oder Tradition bekennen, haben das Recht, einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen Mitgliedern ihrer Gruppe ihre ethnische, kulturelle, sprachliche und religiöse Identität frei zum Ausdruck zu bringen, zu bewahren und weiterzuentwickeln; frei von jeglichen Versuchen, gegen ihren Willen assimiliert zu werden. Sie haben das Recht, ihre Menschenrechte und Grundfreiheiten ohne jegliche Diskriminierung und in voller Gleichheit vor dem Gesetz voll und wirksam auszuüben.
Die Polen in Deutschland, die Deutschen in Polen Der Vertrag sicherte der deutschen Minderheit in Polen und den Polen in Deutschland die Förderung von Organisationen zu, die im Bereich Bildung, Religion und Kultur tätig sind und sich für die Integration ihrer Milieus und den muttersprachlichen Unterricht im Partnerland tätig sind. Trotz der Erfüllung eines Teils der Verpflichtungen, u. a. bezüglich der Einrichtung einer Geschäftsstelle der Polonia in Berlin, ist diese Vertragsbestimmung von der deutschen Regierung noch nicht vollständig umgesetzt worden. Von Polen werden die Vertragsbestimmungen in vollem Umfang verwirklicht.
Psurów Psurow Stare Karmonki Alt Karmunkau Sternalice Sternalitz
R.Romaniec/Deutsche Welle
Die Lösung der Frage der Entschädigungen für die Sklaven- und Zwangsarbeit sollte das Kapitel der tragischen Geschichte Deutschlands und Polens abschließen, unsere guten Beziehungen festigen und zu ihrer Entwicklung beitragen. – Jerzy Buzek, Ministerpräsident der Republik Polen bei der Festsitzung des Rates der Stiftung „Polnisch-Deutsche Aussöhnung” am 14. Juli 2000.
PAP/Andrzej Grygiel
Auf der Grundlage des Vertrags wurde das Deutsch-Polnische Jugendwerk (DPJW), eine internationale Organisation zur Förderung des deutsch-polnischen Jugendaustauschs, ins Leben gerufen. Pro Jahr werden circa 3.000 Jugendprojekte, vom Schüleraustausch über Kultur- oder Geschichtsprojekte bis zu Sportveranstaltungen vom DPJW bezuschusst. Dank der Förderung des DPJW wurden bisher rund 70.000 Projekte mit rund 2,7 Mio. Teilnehmern durchgeführt.
In den Gemeinden der Woiwodschaften Oppeln und Schlesien finden sich zweisprachige Schilder in 359 Ortschaften, die von Angehörigen der deutschen Minderheit bewohnt werden. Die größte Vereinigung der deutschen Minderheit in Polen ist derzeit die Sozial-Kulturelle Gesellschaft der Deutschen in Oberschlesien. Diese Organisation nominiert seit 1991 bei Parlamentswahlen ihre Kandidaten auf der Liste des Wahlkomitees „Deutsche Minderheit”. Das Wahlkomitee der nationalen Minderheit ist nicht an die Sperrklausel von landesweit 5% der Stimmen gebunden. In dieser Region wird Deutsch in 22 Gemeinden als Hilfssprache an den Schulen angeboten. Eine wichtige wissenschaftlich-kulturelle Einrichtung, die sich für eine Vertiefung des Wissens über die deutsche Minderheit in Polen einsetzt, ist das Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit mit seinem Hauptsitz in Gleiwitz und einem Büro in Oppeln.
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Das Deutsch-Polnische Jugendwerk
…Überzeugt, dass der jungen Generation bei der Neugestaltung des Verhältnisses beider Länder und Völker und der Vertrauensbildung zwischen ihnen eine besondere Rolle zukommt…
Wichrów Wichrau
Im „Polnischen Haus” in Bochum, das dem Verband der Polen in Deutschland „Rodło”, der ältesten polnischen Organisation in Deutschland, gehört, soll ein Museum der polnischen Minderheit und ein Forschungszentrum zu ihrer Geschichte entstehen.
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Polen und Deutsche, Geschichten eines Dialogs
Kreisau – ein lebendiges Symbol deutsch-polnischer Versöhnung
20. November 2014, Kreisau, am 25. Jahrestag der Versöhnungsmesse eröffneten die polnische Ministerpräsidentin Ewa Kopacz und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel die Freilichtausstellung Mut und Versöhnung. Die Ausstellung hat die Form eines Labyrinths, das die tragische Geschichte der deutsch-polnischen Vergangenheit während des Zweiten Weltkrieges und in der Zeit danach symbolisiert und mit einem offenen Versöhnungsforum (Forum der Begegnung und des Dialogs) endet. Sie zeigt, dass die ersten Schritte auf dem Weg zum Dialog von Einzelnen unternommen werden, die Zivilcourage und Verantwortung für das Gemeinwohl besitzen. Den Weg der Versöhnung zu beschreiten, setzt Arbeit an der Erinnerung voraus; das erworbene Verständnis für die historischen Sensibilitäten des Partners wirkt verbindend und nicht trennend.
Kultur- und Wissenschaftsaustausch
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Deutsches Polen-Institut in Darmstadt
Nach der Versöhnungsmesse 1989 in Kreisau beschlossen Ministerpräsident Mazowiecki und Bundeskanzler Kohl die Errichtung einer deutsch-polnischen Jugendbegegnungsstätte in Kreisau. Damit wollten sie auch die Erinnerung an den Kreisauer Kreis, die Widerstandsgruppe gegen den Nationalsozialismus, sowie die Versöhnungsmesse bewahren. 1990 gründete der Breslauer Klub der Katholischen Intelligenz die Stiftung „Kreisau” für Europäische Verständigung, und am 11. Juni 1998 eröffneten die Regierungschefs Deutschlands und Polens, Helmut Kohl und Jerzy Buzek, die Internationale Jugendbegegnungsstätte Kreisau.
Museum der Geschichte Polens
Unterrichtsmaterialien für deutsche Schulen zur polnischen Geschichte, Literatur und Gesellschaft, herausgegeben vom Deutschen Polen-Institut in Darmstadt. Gegründet wurde das Institut von Karl Dedecius (1921–2016), einem herausragenden Übersetzer und Fürsprecher polnischer Literatur in Deutschland und Verfechter der deutsch-polnischen Aussöhnung. Das DPI trägt durch seine Arbeit wesentlich zu einem besseren Kennenlernen der polnischen Geschichte, Literatur und politischen Kultur in Deutschland bei.
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Eingedenk des unverwechselbaren Beitrags des deutschen und des polnischen Volkes zum gemeinsamen kulturellen Erbe Europas und der jahrhundertelangen gegenseitigen Bereicherung der Kulturen beider Völker sowie der Bedeutung des Kulturaustauschs für das gegenseitige Verständnis und für die Aussöhnung der Völker… Der Kultur- und Wissenschaftsaustausch zwischen Deutschland und Polen ist ein wesentliches Fundament der deutsch-polnischen Annäherung. Die Polnischen Institute in Deutschland und die Goethe-Institute in Polen tragen zu einem besseren Kennenlernen der Kulturen beider Länder bei. Wichtige Akteure des deutsch-polnischen Wissenschaftsaustausches, auch in der politischen Dimension, sind die Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder und das Collegium Polonicum in Słubice. Seit 2008 ist auch die Deutsch-Polnische Wissenschaftsstiftung in Frankfurt (Oder) tätig.
Best film
Kino Świat
Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit
Plakate für deutsch-polnische Filmproduktionen: „Unkenrufe” aus dem Jahr 2005 in der Regie von Robert Gliński und „Strajk” aus dem Jahr 2006 in der Regie von Volker Schlöndorff. Der erste Film, mit Krystyna Janda und Matthias Habich in den Hauptrollen, ist eine Verfilmung des Romans Unkenrufe – Zeit der Versöhnung von Günter Grass. Der zweite Film ist der „Solidarność” und Anna Walentynowicz gewidmet, die von Katharina Thalbach gespielt wird.
Museum der Geschichte Polens
Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit
Das Ergebnis eines großen deutsch-polnischen Projekts im Bereich der Humanwissenschaften, das vom Zentrum für Historische Forschung der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Berlin koordiniert wurde, ist eine vierbändige Publikation über deutsch-polnische Erinnerungsorte. Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften
Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit
Paweł Kula/PAP
18. Mai 2006, Warschau. Die Präsidenten Polens und Deutschlands, Lech Kaczyński und Horst Köhler, eröffnen feierlich die 51. Internationale Buchmesse in Warschau, bei der Deutschland Gastland war. Am selben Tag fand in der Nationalphilharmonie in Warschau zum Abschluss des Deutsch-Polnischen Jahres 2005/2006 ein Konzert der Münchner Philharmoniker unter der Leitung von Krzysztof Penderecki statt.
Als ein Beispiel für einzigartige politische Lösungen im deutsch-polnischen Dialog kann die 1991 ins Leben gerufene Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit (SdpZ) gelten. Polens Schulden gegenüber der Bundesrepublik Deutschland aus einem 1975 aufgenommenen Kredit beliefen sich 1989 auf 570 Mio. DM. Beide Seiten vereinbarten, dass ein Teil davon erlassen und der andere Teil für die Tätigkeit der Stiftung verwendet würde. In den ersten Jahren ihrer Arbeit finanzierte die SdpZ Projekte im Bereich Bildung und Forschung, Umweltschutz und Infrastruktur, Denkmalschutz und Gesundheit sowie Kultur. Bis 2015 finanzierte die SdpZ insgesamt 15.000 deutsch-polnische Vorhaben. Eines der Vorzeigeprojekte der Stiftung ist die Veranstaltung der Deutsch-Polnischen Medientage.
2013, Breslau, Verleihung des deutsch-polnischen Journalistenpreises während der Deutsch-Polnischen Medientage, die jedes Jahr in Zusammenarbeit mit der Robert Bosch Stiftung und der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit im Wechsel in Polen oder in Deutschland in einer Grenzregion veranstaltet werden.
LENGYELEK és NÉMETEK, Egy párbeszéd története
Polen und Deutsche, Geschichten eines Dialogs
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Wichtige Herausforderungen für den deutsch-polnischen Grenzraum sind eine stetige Optimierung der grenzüberschreitenden Eisenbahnverbindungen, die Erweiterung der deutsch-polnischen Zusammenarbeit im Bildungsbereich sowie Vereinbarungen über eine gemeinsame Verbesserung der Situation auf den Wasserstraßen im deutsch-polnischen Grenzraum.
21. März 2015, Stettin, mit einer Parade unter dem Motto „Eine neue Richtung für das Korps” wurde auf der Stettiner Hakenterrasse (Wały Chrobrego) die Umstrukturierung des Multinationalen Korps Nordost in Stettin und Erhöhung seines Bereitschaftsgrades zur hohen Einsatzbereitschaft gewürdigt. Vertreter von achtzehn Staaten beteiligen sich jetzt am Korps.
Gemeinsame Sicherheit und Verteidigung
Wirtschaft
Porajów/Großporitsch-Zittau, 21. Dezember 2007, symbolische Öffnung der deutschpolnischen Grenze im Beisein der Regierungschefs Polens, Deutschlands und Tschechiens sowie Vertretern der Europäischen Union anlässlich des Beitritts Polens zum Schengener Abkommen.
PAP/Andrzej Rybczyński
Der politische Umbruch von 1989 hatte wesentliche Auswirkungen auf die deutsch-polnischen Wirtschaftsbeziehungen. Deutschland war und ist für Polen der wichtigste Handelspartner. In den letzten Jahren befindet sich auch Polen unter den ersten zehn deutschen Handelspartnern, was einen enormen Fortschritt gegenüber der Lage zu Beginn der 1990er Jahre bedeutet, als Polen die 30. Stelle belegte. Seit 1991 haben sich die Handelsumsätze versiebenfacht. Symptomatisch für die Intensivierung der Wirtschaftskontakte sind auch die gegenseitigen ausländischen Direktinvestitionen. Deutschland ist der wichtigste ausländische Investor in Polen, aber von Jahr zu Jahr steigt auch der Anteil der polnischen Investitionen in Deutschland. Wichtige Partner in diesem Bereich sind Institutionen wie die Deutsch-Polnische Industrie- und Handelskammer und die Polnische Agentur für Information und Auslandsinvestitionen sowie Initiativen wie die deutsch-polnischen Wirtschaftsforen und die deutsch-polnischen Eisenbahn- oder Energiegipfel.
Ohne Polen ist Europa nicht Europa! – Bundespräsident Johannes Rau anlässlich des polnischen EU-Beitritts vor beiden Häusern des polnischen Parlaments, Sejm und Senat, am 30. April 2004 in Warschau.
Die Akzeptanz der Deutschen bei den Polen und der Polen bei den Deutschen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Rollen im Jahr 2013. Die Akzeptanz der Deutscen bei den Polen
Mitarbeiter
77%
83% 84%
74%
80%
57% 53% 49%
76% 78%
PAP/Marcin Bielecki
PAP
PAP/Lech Muszyński
Chef
PAP
80%
62%
Freund SchwiegersohnoderTochter
Die Außenminister Polens und Deutschlands, Włodzimierz Cimoszewicz und Joschka Fischer, auf der Brücke, die Frankfurt/Oder und Słubice verbindet, 1. Mai 2004.
84%
79%
Bürger
Die Vertragsparteien messen der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Regionen, Städten, Gemeinden und anderen Gebietskörperschaften, insbesondere im grenznahen Bereich, hohe Bedeutung bei…
In den Armeen beider Staaten finden tiefgreifende Reformprozesse statt. Generell besteht das Problem jedoch darin, dass die europäischen Mitgliedsstaaten bisher keine Grundlagen für eine gemeinsame Sicherheitskultur ausgearbeitet haben und ihre Außen- und Sicherheitspolitik renationalisieren. – Krzysztof Miszczak, Professor an der Warsaw School of Economics (SGH) und Geschäftsführender Vorstand der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit.
Die Akzeptanz der Polen bei den Deutschen
Bewohner
Innerhalb der letzten Jahre hat sich das Leben im deutsch-polnischen Grenzraum von Grund auf geändert. Polen und Deutsche bewegen sich in beide Richtungen und nutzen dabei die gemeinsame, immer bessere Infrastruktur beziehungsweise die Medizineinrichtungen an der Grenze. Die Schulen setzen gemeinsame Bildungsprogramme und die Hochschulen gemeinsame Forschungsprojekte um. Doch für eine nachhaltige Beschleunigung der wirtschaftlichen Entwicklung in den Gebieten beiderseits der Oder darf diese nicht trennen, sondern muss Möglichkeiten zur Verbindung von Potenzialen, Unternehmen und Menschen schaffen. Die Oder-Partnerschaft als ein Netzwerk, das die Regionen auf beiden Seiten der Oder zusammenbringt, ist bestrebt, gute Rahmenbedingungen für eine weitere positive Entwicklung zu kreieren. – Olgierd Geblewicz, Marschall der Woiwodschaft Westpommern.
Die deutsch-polnische Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich wurde aus historischen Gründen auf beiden Seiten mit einer gewissen Reserve aufgenommen, die es zu überwinden galt. Deshalb wurde Ende der 1990er Jahre kein deutsch-polnisches, sondern ein dänisch-deutsch-polnisches Korps ins Leben gerufen, das den Ursprung des Multinationalen Korps Nordost bildete. 2007–2013 nahmen die Soldaten an der ISAF-Mission in Afghanistan teil.
Quelle: Institut für öffentliche Angelegenheiten, Bertelsmann-Stiftung
Nachbar
20. Dezember 2007, Świecko, Eröffnung des Gemeinsamen Zentrums der deutschpolnischen Polizei- und Zollzusammenarbeit. Deutsche und polnische Polizei- und Zollbeamte bei der Arbeit.
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Ein Riesenerfolg der deutsch-polnischen Nachbarschaft ist die Vielzahl und die Vielfalt der Partnerschaften zwischen deutschen und polnischen Städten, Regionen und Institutionen. Über 600 deutsch-polnische Städtepartnerschaften, vier Euroregionen im Grenzraum und die Oder-Partnerschaft sind eine feste Grundlage der deutsch-polnischen Nachbarschaft und Partnerschaft geworden. Eine wesentliche Rolle spielen hier die Empfehlungen der Deutsch-Polnischen Regierungskommission für regionale und grenznahe Zusammenarbeit, die durch den Nachbarschaftsvertrag ins Leben gerufen wurde.
Im Bewusstsein der Bedeutung, welche die Mitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland in der Europäischen Gemeinschaft und die politische und wirtschaftliche Heranführung der Republik Polen an die Europäische Gemeinschaft für die künftigen Beziehungen der beiden Staaten haben…
PAP/Marcin Bielecki
In der Erkenntnis, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit ein notwendiges Element der Entwicklung umfassender beiderseitiger Beziehungen auf einer stabilen und festen Grundlage sowie beim Abbau des Entwicklungsgefälles und bei der Stärkung des Vertrauens zwischen beiden Ländern und ihren Völkern ist, sowie in dem Wunsch, diese Zusammenarbeit in der Zukunft wesentlich auszubauen und zu vertiefen…
Das deutsch-polnische Grenzgebiet: Ein Raum für gemeinsame Aktivitäten
13. August 2015, der bisherige Befehlshaber des Multinationalen Korps Nordost, Generalleutnant Bogusław Samol, übergibt im Rahmen einer militärischen Zeremonie das Kommando über das MNC NE an Generalleutnant Manfred Hofmann.
Polen, Deutschland und die Europäische Union Nach 1989 war das Ziel der polnischen Außenpolitik die „Rückkehr nach Europa”. Das äußerte sich vor allem in der Überzeugung, dass Deutschland, der Nachbar im Westen und politisch wie wirtschaftlich von internationalem Gewicht, ein Schlüsselpartner für Polen sei. Auch Deutschland war an einem stabilen und demokratischen Nachbarn im Osten gelegen. Das äußerte sich in der Formel von der deutsch-polnischen Interessengemeinschaft. Deutschland unterstützte die polnischen Regierungen – zum Teil trotz Befürchtungen in der Öffentlichkeit – auf dem Weg in die europäischen Strukturen, weil es darin auch ein wirtschaftliches Interesse sah. Polen wurde 1999 Mitglied der NATO und 2004 der Europäischen Union.
Die Vertragsparteien werden den Frieden durch den Auf bau kooperativer Strukturen der Sicherheit für ganz Europa festigen.
A jószomszédsági viszonyra vonatkozó szerződés aláírásának 25. évfordulója kapcsán, a jó kapcsolatokat látva elmondhatjuk, hogy ezek fényesen bizonyítják: mind a lengyel, mind a német nemzetre nézve jó úton haladunk. Az együttműködést, a jó kapcsolatokat szeretnénk megtartani, fejleszteni és elmélyíteni. Beata Szydło, a Lengyel Köztársaság miniszterelnöke
Az a benyomásom, hogy ha a jó kapcsolatok 25 évére visszatekintünk, túlsúlyban van az öröm. Ám természetesen folyamatosan töprengenünk kell azon: Miképpen haladjunk tovább előre?
A német-lengyel viszony Európa szeizmográfja. Mindkét nemzetnek meg kell tanulnia beleérezni magát a másik fél gondolkodásmódjába, érdekeibe. A németek nem kezelhetik le a szomszédjukat, nem kerülhetik meg könnyedén annak érdekeit. Lengyelországnak pedig nem szabad reflexszerűen magába zárkóznia, hanem konstruktív, bizalommal teli módon keresnie kell a németekkel való együttműködés lehetőségét. Adam Krzemiński, a Polityka című lap újságírója.
Miután Lengyelország az Európai Unió tagja lett, ez mind Lengyelországtól, mind Németországtól új szabályok keresését kívánta meg mind a párbeszéd, mind az együttműködés terén. Mindez időnként politikai feszültségekhez vezetett Varsó és Berlin között. jelenleg az Európai Unión belül a lengyel-német együttműködés egyik legfontosabb területe a szomszédsági politika keleti dimenziója, főképpen Oroszország Ukrajnával szembeni agresszióját követően.
Michael Kappeler, PAP/DPA
Angela Merkel, Németország kancellárja
Bundespräsident Joachim Gauck, auf der Westerplatte während der Feierlichkeiten zum 75. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen
Niemand sollte daran zweifeln: Deutsche und Polen stehen beieinander und ziehen am selben Strang. Gemeinsam nehmen wir die besondere Verantwortung an, die uns mit den Konflikten in unserer Nachbarschaft zugewachsen ist. Wir handeln entsprechend und engagieren uns für friedliche Lösungen. 12. Februar 2016, Ministerpräsidentin der Republik Polen Beata Szydło und Bundeskanzlerin Angela Merkel während der Pressekonferenz nach ihrem Treffen in Berlin. Sie sprachen u. a. über die Migrationskrise und die bilateralen Beziehungen im Zusammenhang mit dem 25. Jahrestag des Nachbarschaftsvertrages. Michael Kappeler, PAP/DPA
Polens Beitritt zur Europäischen Union verlangte von Polen und Deutschland erneut eine Suche nach den gemeinsamen Regeln für den Dialog und Feldern der Zusammenarbeit. Das erzeugte zuweilen Spannungen auf politischer Ebene zwischen Berlin und Warschau. Derzeit ist die Östliche Nachbarschaftspolitik, insbesondere nach der russischen Aggression gegen die Ukraine, eine der wichtigsten Bereiche der deutsch-polnischen Zusammenarbeit in der EU.
2016.II.12., Berlin. Beata Szydło miniszterelnök asszony és Angela Merkel, Németország kancellárja a berlini találkozásukat követő sajtókonferencián. A találkozón többek között a migrációs válságról, a jószomszédsági szerződés aláírásának 25. évfordulója kapcsán pedig a kölcsönös kapcsolatokról esett szó.
Adam Krzemiński, Publizist der POLITYKA
Die Beziehungen zwischen Deutschen und Polen sind ein Seismograph für Europa. Beide müssen lernen, sich in die Denkweise und Interessenlage der anderen Seite zu versetzen. Deutschland darf auf den Nachbarn nicht herabschauen und sich leichtfertig über dessen Interessen hinwegsetzen. Polen wiederum sollte sich nicht reflexartig abkapseln, sondern konstruktiv und zuversichtlich die Zusammenarbeit mit Deutschland suchen.
Senki sem kételkedhet abban, hogy Lengyelország és Németország vállvetve tart ugyanazon cél felé. Közösen vállaljuk a hangsúlyozott felelősséget, ami ránk hárult a szomszédunkban zajló konfliktus miatt. Megtesszük a megfelelő lépéseket, és a békés megoldások mellett foglalunk állást. 28 |
Joachim Gauck német államfő a Westerplattén, a Lengyelország ellen intézett német támadás 75. évfordulóján. LENGYELEK és NÉMETEK, Egy párbeszéd története
Bundeskanzlerin Angela Merkel
Ich habe den Eindruck, dass die Freude überwiegt, dass wir auf 25 Jahre gute Beziehungen zurückblicken können. Aber natürlich müssen wir uns auch immer wieder überlegen: Wie kommen wir voran? Beata Szydło, Ministerpräsidentin der Republik Polen
Das 25. Jubiläum des Nachbarschaftsvertrages und die damit verbundenen guten Beziehungen sind der beste Beweis dafür, dass der Weg, den wir eingeschlagen haben, ein guter Weg für das polnische und das deutsche Volk ist. Diese Zusammenarbeit und das gute Verhältnis wollen wir aufrechterhalten, weiterentwickeln und vertiefen. Polen und Deutsche, Geschichten eines Dialogs
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