Krebs Ein selbstverantwortliches Leben mit Krebs Jack C. Westman, M.D., M.S.
Gewidmet Conrad Alexander Westman Linda Lee Swanson Branch Nancy Kathryn Baehre Westman
Krebs Ein selbstverantwortliches Leben mit Krebs Jack C. Westman, M.D., M.S.
Copyright deutsche Ausgabe© 2016 – Verlag: Jim Humble Verlag Das Neue Licht / Jim Humble Verlag Postbus 1120, 6040 KC Roermond, Nederland www.dasneuelicht.com www.jimhumbleverlag.com Erste Auflage: März 2016 ISBN: 9789088791499 Print-Ausgabe ISBN: 9789088791505 Ebook-Ausgabe
Übersetzung aus dem Englischen durch Klaus Peter Kubiak Ursprünglicher Titel: The cancer solution
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INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort ................................................................................................................ 6 1. Unsere Krebsodyssee...................................................................................... 11 2. Konventionelle Krebsbehandlung .................................................................. 16 3. Das System der Krebsbehandlung .................................................................. 34 4. Den Krebs besser verstehen ............................................................................ 52 5. Wie entstehen und vermehren sich Krebszellen? ........................................... 71 6. Krebsforschung............................................................................................... 91 7. Was taugen die Behandlungen? .................................................................... 109 8. Veränderung unserer Einstellung gegenüber dem Krebs ............................. 122 9. Immuntherapie: wie man die körpereigenen Abwehrkräfte nutzt ................ 131 10. Wie nutzt man das Potential der Natur? ..................................................... 157 11. Ihr persönlicher Beitrag zur Krebsbehandlung ........................................... 186 12. Ihr aktiver Beitrag als Pfleger oder Pflegeperson ....................................... 202 13. Wo stehen wir jetzt? ................................................................................... 225 14. Hindernisse für den Fortschritt ................................................................... 235 15. Wie geht es nun weiter?.............................................................................. 254 16. Wie können wir den Krieg gegen den Krebs gewinnen?............................ 290
VORWORT
Meine geliebte Frau Nancy hat 34 Jahre lang mit dem Krebs gelebt. 2012 ist sie schließlich daran gestorben. Das hat mich dazu veranlasst, möglichst viel über die Krebsforschung und -behandlung zu lernen. Die Tatsache, dass zwei Verwandte von mir an Krebs erkrankten, und der Zuspruch von Freunden bestärkten mich zusätzlich in meiner Entschlossenheit, mein erworbenes Wissen über Krebs mit anderen Menschen zu teilen. Krebs ist unvermeidbar. Er könnte Sie oder Ihre Angehörigen oder Freunde ebenso heimsuchen wie mich. Das ist möglicherweise auch der Grund warum Sie dieses Buch lesen. Sie wollen Informationen über die schlimmste und heimtückischste Krankheit der Welt, die einen von drei Menschen in den Vereinigten Staaten befällt. Ich habe versucht, dieses Buch so zu schreiben, dass der Laie es versteht und der Fachmann trotzdem einige nützliche Informationen darin findet. Man sollte dieses Buch zuerst lesen und danach bei Bedarf immer wieder als Referenz darauf zurückgreifen. Es gibt immer mehr Beweise dafür, dass Patienten, die sich selbst über ihre Krankheit informieren und an der Behandlung aktiv teilnehmen, bessere Resultate erzielen und weniger Kosten verursachen. Deshalb bemühen sich staatliche und private Gesundheitsorganisationen, die Menschen über ihren Zustand zu informieren und sie aktiv in den Behandlungsprozess einzubeziehen. Und auch ich folge diesem Trend. Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass wir dabei sind, den Krieg gegen den Krebs zu gewinnen. Leider muss ich mich den objektiven Beobachtern anschließen, die sagen, dass wir bei dem aktuellen Stand der Krebsforschung weit davon entfernt sind. Ich habe mit diesem Buch vier Ziele verfolgt: Zuerst einmal möchte ich Ihnen so verständlich wie möglich eine Übersicht über die verschiedenen Formen der Krebsbehandlung und Krebsforschung bieten. Zweitens möchte ich Sie mit so vielen technischen Einzelheiten wie möglich vertraut machen, damit Sie dieses Buch als Ratgeber für bestimmte Aspekte des Krebses verwenden können. Drittens möchte ich Ihr Interesse für ergänzende Methoden der Krebsbehandlung wecken. Und viertens möchte ich Sie als Laien oder Arzt dazu ermutigen, sich
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für die Unterstützung staatlicher oder privater Forschungsprojekte einzusetzen, mit denen die zugrunde liegenden Ursachen von Krebs angegangen werden. Ich bin kein Onkologe sondern Psychiater. Ich bin ein Mediziner, der acht Fachbücher und vier populärwissenschaftliche Bücher für Laien geschrieben hat. Ich betreibe meine eigenen Forschungen, um sicherzustellen, dass meine Bücher auf einer soliden Grundlage beruhen. Dieses Buch hat mir kritische Beurteilungen durch Onkologen und Krebsforscher in Bezug auf dessen technischen Inhalt eingebracht. Ich glaube, dass meine Sicht auf die Onkologie als außen stehender Beobachter den Vorteil hat, dass ich frei von der Voreingenommenheit bin, die bei Fachleuten unvermeidbar ist. Was mein eigenes Fachgebiet, die Psychiatrie, betrifft, habe ich immer die Ansichten von Außenseitern zu schätzen gewusst. Wenn ich mich mit Onkologen unterhalte, dann stelle ich immer wieder fest, dass sie in mir den Psychiater sehen und ihre Frustrationen mit mir teilen. Vielleicht können Sie sich vorstellen, wie man sich fühlt, wenn man zu einem Ärztekreis gehört, dessen Möglichkeiten lediglich darin bestehen, das Leben von Patienten mit einer tödlichen Krankheit so weit wie möglich zu verlängern. Glücklicherweise gibt es eine Menge Patienten, die sie erfolgreich behandelt haben. Es ist meine Absicht, sie zu unterstützen und die Ergebnisse bei den Patienten, die sie behandeln, zu verbessern. Ich hoffe wirklich, dass meine Bemühungen den Leuten, die mit dem Krebs leben müssen, sowie den Ärzten, die sie behandeln, nützlich sein werden. Als persönlich Betroffener weiß ich, wie man sich fühlt, wenn man die Diagnose „Krebs“ erhält und all die Behandlungen mitmachen muss, die diese Diagnose nach sich zieht. Ich kenne die Erleichterung, die man empfindet, wenn man Erfolg hat, und den Schmerz, wenn alles fehlschlägt. Ich weiß, wie es ist, wenn man ansehen muss, wie jemand an Krebs stirbt. Ich kenne sowohl die Stärken als auch die Schwächen unseres Gesundheitssystems allgemein und der Krebsfürsorge im Besonderen. Danksagung Ich bin besonders zwei Personen verpflichtet. Philip Krause drängte mich, dieses Buch zu schreiben, und beurteilte es aus der Sicht einer Person, die detailliert aber in verständlicher Form gesagt bekommen will, worum es bei Krebs eigentlich geht. Jim Koelsch nahm an meinem Projekt teil, indem er genaue Aufzeichnungen seines Lebens mit fortgeschrittenem Krebs führte, um den Einfluss bestimmter Behandlungen und Veränderungen in seinem Lebensstil zu bewerten, und indem er mir dabei half, die Literatur über Krebs zu durchforsten. 7
Außerdem arbeitete er sich durch die entsprechende Literatur hindurch, sowie durch den Bericht Accelerating Progress against Cancer von 2011 und Shaping the Future of Oncology: Envisioning Cancer Care in 2030 der Amerikanischen Gesellschaft für Klinische Onkologie, ebenfalls 2012, die beide zu dem Schluss gekommen waren, dass sowohl die Erforschung als auch die Behandlung von Krebs entscheidend verbessert werden können1. Ich habe besonders von den bahnbrechenden Arbeiten der folgenden Autoren profitiert: Der Onkologe Guy Faguet, Autor des Buches The War on Cancer: An Anatomy of Failure, A Blueprint for the Future and the Conquest of Cancer,2 sagt, dass „wir dem Nationalen Krebsinstitut (National Cancer Institute = NCI) die Fortschritte in der Molekularbiologie und der Genetik des Krebses zu verdanken haben.” Er kritisiert den NCI aber auch wegen „drei Jahrzehnte der Stagnation in der Krebsbehandlung.“ Dr. Michael Sporn ist Professor der Medizin an der Geisel School of Medicine in Dartmouth und seit drei Jahrzehnten Mitarbeiter beim National Cancer Institute. Er versucht seit Jahren, seine Kollegen davon zu überzeugen, dass es sich beim Krebs nicht um eine eindringende Gruppe schnell wuchernder Zellen handelt, sondern um einen Prozess, den man als Karzinogenese (Neoplasie) bezeichnet. Sporn weist darauf hin, dass es sich bei Krebs um einen Prozess handelt, der in mehreren Phasen abläuft, bei dem es zu Transformationen der Zellen kommt, und der manchmal über längere Zeiträume unterbrochen wird.3 Dr. Siddhartha Mukherjee, Autor des Buches The Emperor of All Maladies: A Biography of Cancer, beschreibt anschaulich die Geschichte des Krebses, als deren Höhepunkt man wohl das Cancer Genome Atlas Projekt ansehen kann.4 Seine Perspektive als Onkologe enthüllt die Ansichten eines Insiders in Bezug auf den vergangenen und gegenwärtigen Stand der Krebsforschung und behandlung. In seinem Artikel von 2010 in der Zeitschrift New Yorker “Cancer World: the Making of a Modern Disease,” fasst Steven Shapin den gegenwärtigen Stand der Krebsforschung und -behandlung zusammen.5 In seinem Buch von 2012 Cancer as a Metabolic Disease, weist Dr. Thomas Seyfried vom Boston College überzeugend nach, dass Krebs eine Stoffwechselkrankheit ist.6 Seyfried bezeichnet die Mutationen, die man in der DNS der Krebszellkerne beobachtet, als „Ablenkungsmanöver“, das man auf keinen Fall 8
als primäre Ursachen einer Neoplasie und Ursprung von Krebszellen ansehen kann. Jährliche Todesraten in den USA durch Krebs zwischen 1900 und 2013 Der ehemalige Chefredakteur des Magazins Fortune, Clifton Leaf gab in einem Artikel, der in dieser Zeitschrift erschien, seiner Verärgerung über die dürftigen Ergebnisse Ausdruck, die man bisher im Kampf gegen den Krebs erzielt hatte. Er trug den Titel „Warum wir den Krieg gegen den Krebs verlieren.“7 In seinem Buch von 2013 „The Truth in Small Doses: Why We're Losing the War on Cancer – and How to Win It“ (Die Wahrheit in kleinen Dosen: Warum wir den Krieg gegen den Krebs verlieren – und wie wir ihn gewinnen könnten)8 vertiefte und aktualisierte er dieses Thema. Leaf weist darauf hin, dass, obwohl die Zahl der offiziellen Todesfälle durch Krebs in den USA gesunken ist, die Gesamtzahl der Krebstoten dort von 12.500 im Jahre 1900 auf fast 580.000 im Jahre 2013 und um fast 50 % seit 1970 angestiegen ist. Der Anstieg wird allgemein dadurch erklärt, dass die Menschen älter werden, aber er steht in deutlichem Kontrast zu der Zahl der Todesfälle aufgrund von Herzkrankheiten, die während desselben Zeitraums um 19 % gesunken ist. Heute ist Krebs die weltweit häufigste Todesursache. Ich habe Leafs Gespräche mit wichtigen Persönlichkeiten auf dem Gebiet der Krebsforschung ausgiebig zitiert. Bill Saporito vom Time Magazine hat mit seinem Artikel von 2013 „The Conspiracy to End Cancer“, in dem er einen Ansatz der Krebsforschung beschreibt, der auf Teamarbeit basiert, über die Grenzen der einzelnen Fachgebiete hinausgeht und damit schnellere Resultate erzielt, der Öffentlichkeit einen großen Dienst erwiesen. 9 Als bei seiner jungen Frau die Diagnose Krebs gestellt wurde, bemühte sich der Journalist George Johnson, so viel wie möglich über die Krankheit Krebs in Erfahrung zu bringen.10 In seinem Buch The Cancer Chronicles legte er dar, dass die fein konstruierten Regelmechanismen, die die Zellteilung in Schach halten sollen, mit der Zeit ihre Wirkung verlieren. Das Resultat ist eine Krebszelllinie, die sich unkontrolliert ausbreitet und, was noch schlimmer ist, Metastasen in anderen Teilen des Körpers bildet.
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Ich bin den folgenden Fachleuten dankbar, die sich bereit erklärten, die Aspekte des Buches zu überprüfen, die in ihr Fachgebiet fallen: Peter Pedersen, Ph.D., der das Kapitel über die Entstehung und Ausbreitung von Krebszellen redigierte; Douglas McNeel, M.D., Ph.D., der das Kapitel über die Immuntherapie überprüfte; Dominic D’Agostino, Ph.D., für die Überprüfung des Kapitels über Ernährungstherapie, sowie Bharat Aggarwal, Ph.D., David A. Boothman, Ph.D., Gaurab Chakrobarti M.D., Ph.D., Farjana Fattah, Ph.D., Julio Morales, Ph.D., Zachary Moore, M.D., Ph.D., Praveen Patodar, Ph.D. und Ling Xiao, Ph.D., die ebenfalls ihren Beitrag leisteten. Ich bin auch den folgenden Personen dankbar, die Teile des Buches aus der Sicht des interessierten Laien überprüften: James Koelsch, John McCollough, David Williams, Philip Krause, Carolyn Swanson, Steven Swanson and Peter Westman.
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1. UNSERE KREBSODYSSEE
Warum ich dieses Buch schrieb 1978 nahm ich an einer Konferenz in San Francisco teil. Dort rief mich meine Frau Nancy an: „Jack, ich war gerade beim Arzt. Er hat eine Geschwulst in meiner linken Brust festgestellt.“ Nancy ließ die Geschwulst untersuchen. Sie stellte sich als Krebs heraus - als Ardenokarzinom. Man verwies uns an einen Arzt, der Nancy empfahl, eine radikale Mastektomie durchführen zu lassen. Das bedeutete, dass ihre linke Brust sowie ein Muskel darunter und die Lymphknoten in ihrer linken Achselhöhle entfernt werden sollten - eine Operation, die sie ziemlich entstellen würde. Wir fragten uns, ob das wohl notwendig wäre. Warum konnte man nicht durch eine Lumpektomie lediglich die Geschwulst entfernen? Ihr Arzt sagte, dass man nicht sicher sein könne, dass der Krebs sich nicht bereits ausgebreitet hätte. Es gab keine andere Methode festzustellen, ob einige oder eine Menge Krebszellen sich im umgebenden Gewebe oder in den Lymphknoten ausgebreitet hätten. Also entschieden wir uns für eine radikale Mastektomie. Meine Neugierde als Arzt führte mich dazu, mich mit der aktuellen Krebsforschung und -behandlung zu beschäftigen. Ich erfuhr einiges über die Chemotherapie und die Bestrahlung, die als Ergänzung zur Operation durchgeführt wurden. Ein paar Ärzte versuchten es mit der so genannten Immuntherapie und mit Ansätzen einer alternativen Ernährung, aber sie waren eine kleine Minderheit. Sechsundzwanzig Jahre lang gab es keinen Hinweis darauf, dass der Krebs bei Nancy wieder aufgetaucht wäre, und ich gab es auf, den Entwicklungen in der Krebsforschung zu folgen. Wir gingen davon aus, dass sie mit der radikalen Mastektomie die richtige Entscheidung getroffen hätte. Dann, im Jahre 2002, untersuchte Nancys Arzt die Narbe in ihrer linken Brust und bemerkte eine Geschwulst. Die Geschwulst wurde entfernt und eine Strahlenbehandlung ihrer linken Brust eingeleitet. Damit begann die zweite Phase unseres Lebens mit Krebs. Die radikale Mastektomie war sehr unangenehm, aber noch zu ertragen. Die Nebenwirkungen der Bestrahlung waren unangenehmer. An der Stelle der Bestrahlung wurde die Haut trocken, und sie juckte. Aufgrund einer Beschädigung des Medianusnervs (Mittelarmnervs) wurde ihr linker Arm taub. Im Lauf der Zeit wurde ihr linker Arm bewegungsunfähig. Das alles entwickelte sich im Laufe der folgenden neun Jahre. Aber wir waren trotzdem dankbar, dass Nancy ansonsten gesund war, und wir waren mit der Behandlung durch unseren Onkologen sehr zufrieden. 11
Nancy sollte eigentlich fünf Jahre lang Tamoxifen einnehmen, aber die Nebenwirkungen waren so unangenehm, dass sie die Einnahme nach drei Jahren abbrach. Im Juni 2011 wurde Nancy kurzatmig. Früher war sie eine aktive Sportlerin gewesen und hatte ein sehr gesundes Leben geführt. Wir fuhren in die Notaufnahme. Dort stellte man fest, dass sich in der rechten Pleurahöhle um die Lunge herum Flüssigkeit gesammelt hatte. Weitere Untersuchungen im Krankenhaus ergaben, dass der Krebs wieder aufgetaucht war und sich von der linken Brust in die Lymphknoten zwischen den Lungen und von dort auf ihre rechte Lunge ausgebreitet hatte. Damit begann wieder unser Kampf gegen den Krebs. Man versuchte es mit einer Methode der Vernichtung und wandte jetzt zusätzlich zur Operation und Bestrahlung auch noch die Chemotherapie an – das Dreigestirn der konventionellen Krebsbehandlung. Nancy unterzog sich dreimal einer Pleuradrainage. Wegen des Infektionsrisikos durch eine Pleurapunktion wurde eine Pleurodese durchgeführt, um die Pleurahöhle abzudichten. Da sie nach der Operation nicht ausreichend in Übungen zur Lungenausdehnung unterrichtet wurde, wurden ihre Lungen auf Dauer geschädigt, und sie war für den Rest ihres Lebens auf eine Sauerstoffbehandlung angewiesen. Man führte eine Chemotherapie durch, die auf dem Prinzip beruht, dass die Zerstörung sich bildender Zellen auch Krebszellen zerstören würde. Sie verlor ihre Haare und entwickelte ein so genanntes „Chemogedächtnis“, d.h. sie verlor ihr Kurzzeitgedächtnis und vergaß jüngste Ereignisse. Zuerst sah es so aus, als ob die Chemotherapie die Krebstumore schrumpfen lassen würde. Im Januar 2012 musste sie aufgrund von Komplikationen, die durch die Chemotherapie verursacht wurden, ins Krankenhaus eingeliefert werden. Dort wurde ihr intravenös zu viel Flüssigkeit injiziert, so dass sich Schwellungen in den Beinen bildeten, die im Laufe der Zeit aber wieder verschwanden. Im Juni 2012 wurde offensichtlich, dass die Chemotherapie nicht funktionierte. Deshalb wurde sie zur weiteren Behandlung in ein Hospiz eingeliefert. Nancy und ich sprachen über den Tod und das Sterben. Es war klar, dass sie den Tod nicht fürchtete, jedoch ein wenig Angst vor dem schmerzhaften Sterbeprozess hatte. Wir sprachen darüber, wie es im Moment des Todes sein würde, und dass ich das schon zweimal erlebt hatte. Ich war mit der Literatur über „Nahtoderfahrungen“ vertraut. Das erste Mal erlebte ich dieses mit meinem Vater, als 12
ich noch Medizin studierte. Mein Vater war nach einer Chemotherapie (Urethan) gegen ein multiples Myelom ins Koma gefallen. Als ich neben seinem Bett saß, bemerkte ich, dass er seine Augen geöffnet hatte. Dreißig Sekunden lang starrte er direkt nach oben. Dann lächelte er, schloss seine Augen und hörte auf zu atmen. Dasselbe Erlebnis hatte ich während meiner Zeit als Assistenzarzt. Ich saß neben einer sterbenden Frau, die ebenfalls ihre Augen geöffnet hatte und direkt nach oben starrte, dann ihre Augen schloss und aufhörte zu atmen. Nancy und ich äußerten die Hoffnung, dass wir zusammen sein würden, wenn der Zeitpunkt für sie kommen würde. Nancy und ich machten unser Testament, planten unsere Beerdigung und zahlten im Voraus dafür. Wir schrieben unsere Nachrufe, und da sie Redakteurin war, korrigierte sie meinen. Sie führte die letzten Korrekturen an ihren Memoiren Reminiscences durch. Wir hörten uns gemeinsam Musik an. Fernsehen war für uns nicht mehr interessant. Aber wir freuten uns auf Anrufe und Besuche von Familienangehörigen und Freunden. Während des letzten Monats ihres Lebens benötigte sie immer stärkere Dosen von Morphium, um den Schmerz zu lindern, den der Krebs verursachte, der sich in ihren Lungen ausbreitete. Am 31. August um 5 Uhr morgens wachte ich plötzlich durch ein Geräusch auf. Nancy war aus ihrem Bett mit dem Seitengitter gefallen. Sie hatte intensive Schmerzen, als ich sie zurück auf das Bett hob. Der Schmerz war so stark, dass sie mich aufforderte, sie umzubringen. Ich gab ihr etwas Morphium, und wir lagen für einige Stunden zusammen und hielten uns an den Händen. Nach einer Weile hörte ich sie weinen und sah, wie sie an die Decke starrte. Ich fragte sie, ob sie etwas sehen würde. Sie sagte „Nein“ und hatte Tränen in den Augen. Um etwa 9 Uhr stand ich auf und rief die Pfleger. Sie kamen sofort und taten alles, um es für Nancy ein wenig leichter zu machen. Ein Pfleger blieb bei ihr, nachdem die Schwester wieder gegangen war. Um 14.14 Uhr verließ ich sie, um etwas Morphium zu besorgen. Man rief mich zurück. Als ich mich Nancy näherte, schaute sie direkt nach oben. Sie lächelte, und um 14.15 Uhr setzte ihre Atmung aus. Ich fühlte eine Welle der Dankbarkeit, dass ich bei ihr sein durfte. Ich hielt ihre Hand bis der Mann vom Bestattungsinstitut kam. Ich weinte, und man wartete respektvoll bis ich mich von ihr losriss.
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Zum dritten Mal war ich beim Tod eines Menschen anwesend und hatte den Moment erlebt, wie er in der Literatur über Nahtoderlebnisse geschildert wird. Nancy und ich waren sehr dankbar für die Hilfe, die wir im Hospiz in Florida und Wisconsin erfahren hatten. Die gemeinnützigen Hospize sind die wirksamsten und mitfühlenden Einrichtungen, die wir während unserer Odyssee durch zahlreiche medizinische Institutionen erlebt haben. Die Menschen, die in diesen Einrichtungen arbeiten, sind äußerst engagiert, und sie führen ihre Arbeit mit bemerkenswerter Empathie und Sorgfalt gegenüber den Patienten aus. Dies galt auch für die Zeit meiner Trauerarbeit und der Hilfe, die ich dabei erfuhr. Zu dieser Erfahrung gehörte ein Wiedererleben meiner letzten Stunden mit Nancy. Wir hatten 34 Jahre gegen den Krebs gekämpft, oder besser gesagt, mit ihm gelebt. Nancys Immunsystem hatte dafür gesorgt, dass sie für den größten Teil ihres Lebens krebsfrei blieb. In ihren späteren Jahren hatte es die Krebszellen zweimal nicht erkannt, und schließlich wurde es ihnen gegenüber vollkommen blind. In gewisser Hinsicht hatten wir ziemliches Glück gehabt. Nancy hatte den Brustkrebs überdurchschnittlich lange überlebt. Andererseits verloren wir ganze Jahrzehnte, die wir zum Nutzen von Menschen mit Krebs hätten nutzen können. Bei der Krebsforschung beschäftigte man sich nicht so sehr darauf, wie sich Krebszellen entwickeln und ausbreiten, sondern darauf, wie man Krebszellen aufspürt und zerstört. Es ging ausschließlich darum, Krebszellen auszuschalten, anstatt die zugrunde liegenden Ursachen anzugehen. Im Jahre 2013 diagnostizierte man bei zwei meiner nahen Verwandten potentiell lebensbedrohlichen Krebs. Schlussfolgerung Ich habe das schmerzliche Gefühl, dass Nancy heute noch leben könnte, wenn ich bereits 2011 über die in Kapitel 11 beschriebenen ergänzenden Therapien zur konventionellen Krebsbehandlung Bescheid gewusst hätte. Meine Hoffnung ist, dass unsere Erfahrung andere dazu inspirieren wird, für ihre Gesundheit die Verantwortung selbst in die Hand zu nehmen, sich für eine Änderung der Krebsforschung einzusetzen, die sich bislang nur darauf konzentriert, Krebszellen abzutöten anstatt Neoplasien zu verhüten und zu heilen.
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Referenzen: 1. a) American Society of Clinical Oncology (2011) Accelerating Progress Against Cancer: ASCO’s Blueprint for Transforming Clinical and Translational Cancer Research. Alexandria, Virginia: American Society of Clinical Oncology; b) http://www.asco.org/sites/default/fi les/shapingfuture-lowres.pdf. 2. a) Faguet, Guy B. (2008) Th e War on Cancer: An Anatomy of Failure, A Blueprint for the Future. Springer; b) Faguet, Guy B. (2014) The Conquest of Cancer. Dordrecht, The Netherlands: Springer. 3. Sporn, Michael (2011) Perspective: Th e big C - for Chemoprevention. Nature. 471 (7339): S10-1. 4. Mukherjee, Siddhartha (2010) The Emperor of All Maladies: A Biography of Cancer. New York: Scribner. 5. Shapin, Steven (2010) Cancer World: The Making of a Modern Disease. The New Yorker. November 8. 6. Seyfried, Thomas (2012) Cancer as a Metabolic Disease: On the Origin, Management and Prevention of Cancer. New York: Wiley & Son. 7. Leaf, Clifton (2004) Why We’re Losing the War on Cancer. Fortune. March 22. 8. Leaf, Clifton (2013) The Truth in Small Doses: Why We’re Losing the War on Cancer-and How to Win It. New York: Simon and Schuster. 9. Saporito, Bill with Park, Alice (2013) The Conspiracy To End Cancer. Time. April 1. 10. George Johnson (2013) The Cancer Chronicles: Unlocking Medicine’s Deepest Mystery. New York: Knopf.
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2. KONVENTIONELLE KREBSBEHANDLUNG
Der konventionelle Ansatz der Krebsbehandlung (Operation/Bestrahlung/Chemotherapie), seine Methoden und Resultate wurden bereits beschrieben. Die Menschen reagieren unterschiedlich auf schlechte Nachrichten. Die Diagnose „Krebs“ kann für viele Menschen katastrophale emotionale Folgen haben. Andere scheinen sie fast gleichgültig aufzunehmen. Die meisten fühlen sich hilflos und verlassen sich vollkommen auf ihre Ärzte. Andere werden neugierig und versuchen, so viel über ihre Form von Krebs zu erfahren und zu seiner Behandlung beizutragen wie möglich. Die Tatsachen, dass Sie dieses Buch lesen, schienen darauf hinzuweisen, dass Sie zu der zweiten Kategorie von Menschen gehören. Einige nehmen die Sache selbst in die Hand und probieren alternative Methoden außerhalb des konventionellen Systems der Krebsbehandlung. Dieses Buch ist dazu gedacht, Ihnen dabei zu helfen, die grundlegenden Eigenschaften der Krankheit Krebs zu verstehen und die Möglichkeiten zu nutzen, die Ihnen zur Verfügung stehen. Führen wir zunächst einmal die wichtigsten Kategorien von Krebs auf:
Karzinome – treten zuerst auf der Haut auf oder im Gewebe, das die inneren Organe umgibt. Sarkome – treten zuerst in Knochen, Knorpeln, Fettgewebe, Muskeln, Blutgefäßen oder anderem Binde- oder Stützgewebe auf. Leukämien – treten zuerst im blut bildenden Gewebe, z.B. Knochenmark, auf, verursachen die Erzeugung großer Mengen von abnormen Blutzellen und treten in den Blutstrom ein. Lymphome und Myelome – treten zuerst in den Zellen des Immunsystems auf. Krebs des zentralen Nervensystems – tritt zuerst im Hirngewebe oder Rückenmark auf. Die einzelnen Phasen der Krebsentwicklung verlaufen wie folgt: Stadium 0 – Die frühesten und am leichtesten zu behandelnden Formen von Krebs sind die, die nur in den oberen Schichten innerhalb der betroffenen Körperregion auftreten. Solche Formen von Krebs werden oft als Carcinoma in situ bezeichnet, d.h. als abnorme Zellen sich nur an dem Ort befinden, an dem sie entstanden sind.
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Stadium I – Abnorme Zellen verklumpen und dringen innerhalb des Organs in dem sie entstehen von der oberen Schicht nach unten. Stadium II – Die Krebszellen verwandeln sich innerhalb des Ursprungsorgans in einen kleinen Tumor. Üblicherweise hat sich der Krebs in diesem Stadium noch nicht auf andere Gewebe oder Organe im Körper ausgebreitet. Stadium III – Während der Krebstumor wächst, breiten sich Krebszellen auf die Lymphknoten und das umgebende Gewebe aus. Stadium IV – Die Krebszellen breiten sich über die umgebenden Lymphknoten und das Gewebe auf andere Körperteile aus. Dieses Stadium nennt man metastatischen Krebs.
Die konventionelle Krebsbehandlung besteht aus Operationen, Bestrahlung, Chemotherapie, und bei einigen Krebsarten auch aus Hormontherapie. Durch Operation und Bestrahlung sollen die Krebszellen an bestimmten Stellen abgetötet oder beseitigt werden. Eine Operation kann zu einer langfristigen Genesung führen, wenn ein Krebstumor komplett entfernt werden kann. Wenn sich jedoch Krebszellen über den ursprünglichen Tumor hinaus ausgebreitet haben, dann kann eine Operation sogar zu ihrer Ausbreitung beitragen. Gezielte Bestrahlungstechniken, z.B. die multidimensionale Konformtherapie, die intensitätsmodulierte Strahlentherapie, die stereotaktische Radiotherapie, die Strahlentherapie mit Protononenstrahlen und die Strahlenimmuntherapie werden immer populärer. Bei der Brachytherapie werden radioaktive Pellets, Samen oder Katheder in oder nahe dem Krebsgewebe implantiert. Chemotherapie und Bestrahlung sind langfristig weniger erfolgreich als die Operation, weil dabei giftige Stoffe eingesetzt werden, die die gesunden Zellen schädigen, die sich schnell teilen – meist Zellen im Knochenmark, im Verdauungstrakt und in den Haarfollikeln. Deshalb können diese Methoden nicht ständig angewandt werden. Die häufigsten Nebenwirkungen einer Chemotherapie sind Myelosuppression (eine Einschränkung der Produktion weißer Blutzellen und Unterdrückung des Immunsystems), Mukositis (Entzündung der Innenwand des Verdauungstrakts), sowie Alopezie (Haarausfall). Der Patient muss sich erst von diesen Behandlungsmethoden erholen, bevor sie wiederholt werden können, und die Methoden selbst sind krebsfördernd, besonders die Bestrahlung. Sie können Krebszellen abtöten, aber jene, die nicht abgetötet werden, wachsen weiter und breiten sich aus. Dieses Phänomen erlebt man auch beim Einsatz von Antibiotika, wobei bestimmte Mikroben resistent werden. Die Chemotherapie schwächt auch das Immunsystem, die natürliche Abwehr des Körpers gegen den
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Krebs. Deshalb kann man die Chemotherapie und die Bestrahlung nicht als Heilmittel gegen den Krebs ansehen. Da die Medikamente, die man dazu einsetzt, um Krebszellen abzutöten, auch für die gesunden Zellen giftig sind, suchen die Forscher seit geraumer Zeit nach einer Methode, mit der es möglich ist, ausschließlich die Krebszellen abzutöten, ohne die gesunden Zellen zu schädigen. Aktuelle Beispiele dafür sind: 1. die Funktionelle Magnetische Resonanz-Tomographie (FMRI), bei der mit einem Medikament gefüllte magnetische Nanopartikel in den Tumorbereich gelenkt werden und 2. Nanohüllen mit Partikeln, die die Enzyme schützen, die die Krebszellen als Teil der Chemotherapie aushungern.11 Nach Aussagen des National Cancer Institutes sind gegenwärtig sechs solcher Nanopartikel für den weltweiten Markt zugelassen. Bislang scheinen sie die Sicherheit der Chemotherapie zu verbessern. Die konventionelle Krebstherapie hat spektakuläre Ergebnisse erzielt. Ein bemerkenswertes Beispiel wäre Lance Armstrong, der seinen Krebs überlebt hat, von dem seine Hoden, Lungen und das Gehirn betroffen waren. Die Therapie hat aus ihm ein Wrack gemacht. Sein kahler Kopf ist voller Narben. Im Jahre 1997 wurde er jedoch für geheilt erklärt. Kurz danach konnte er wieder auf Berge klettern.12 Armstrong wurde mit Cisplatin behandelt – einem einzigartigen Wirkstoff gegen Krebs. Mit seiner Entwicklung wurde in den sechziger Jahren begonnen durch einen reinen Zufall. Während eines Experiments, bei dem man feststellen wollte, was mit Bakterien in elektrischen Feldern geschieht, bemerkte man, dass diese aufgehört hatten sich zu vermehren. Anscheinend waren sie von etwas vergiftet worden, das aus einer der Elektroden austrat, die zur Herstellung des elektrischen Feldes verwendet wurden. Die Substanz wurde als Platin identifiziert. Cisplatin (das Platin enthält) wurde bei einer Reihe von Tumoren getestet. Insgesamt erwies es sich langfristig als wenig nützlich, außer gegen Hodenkrebs. Aber kein einziger chemotherapeutischer Wirkstoff, der gegenwärtig eingesetzt wird, tötet alle Arten von Krebszellen ab. Unglücklicherweise führte die allgemeine Erfahrung mit der konventionellen Krebsbehandlung Ezekiel Emanuel, Professor an der medizinischen Fakultät der Universität von Pennsylvania dazu, 2013 im Namen von zwanzig Onkologen, die dem bestehenden Behandlungssystem kritisch gegenüber stehen, einen Leitartikel in der New York Times zu schreiben. Er trug den Titel „A Plan to Fix 18
Cancer Care“ (Ein Plan zur Verbesserung der Krebsbehandlung).13 In dem Artikel stand, dass viele Patienten, nachdem man ihnen mitgeteilt hat, dass sie an einer schrecklichen Krankheit leiden, jede potentiell wirksame Therapie ausprobieren wollen, gleichgültig wie teuer sie ist. Aber der größte Kostenfaktor ist die Einzelleistungsvergütung. Je mehr die Ärzte für ihre Patienten tun, desto mehr Geld bekommen sie dafür. Je mehr Operationen durchgeführt werden, desto mehr verdienen die Chirurgen. Die Onkologen verdienen normalerweise mehr wenn sie erst kürzlich zugelassene Medikamente und die neuesten Bestrahlungstechniken einsetzen, als wenn sie zu billigeren und älteren Alternativen greifen, die ebenso gut funktionieren. Einige dieser neuen Therapien werden zu Recht als substantielle Fortschritte gefeiert, aber andere bringen nur wenige Verbesserungen. Von den dreizehn Krebsmedikamenten, die die amerikanische Food and Drug Administration im Jahre 2012 zugelassen hat, verlängert nur eines das Leben um mehr als sechs Monate. Zwei von ihnen verlängern die Lebenszeit nur um vier bis sechs Wochen. Aber sie alle kosten etwa 6000 Dollar pro Monat der Behandlung. Der Leitartikel schloss mit der Aussage, dass wir bessere Anreize für die Forschung benötigen. Viele teure Tests und Behandlungsmethoden werden eingeführt, ohne dass nachgewiesen wird, dass sie die Lebenszeit signifikant verlängern oder die Nebenwirkungen reduzieren. Auch gibt es nur wenige Informationen darüber, welche Patienten mit ihnen behandelt werden sollen. Zum Beispiel wurden in den Jahren 2011 bis 2013 mehr als 800.000 Roboter-Operationen durchgeführt, zumeist bei Krebsfällen, ohne dass nachgewiesen werden konnte, dass Roboter die Lebenserwartung erhöhen oder die Nebenwirkungen verringern... Und sie kosten bedeutend mehr als die üblichen Operationen. Ein weiteres Beispiel ist, wie viel Geld die großen Kliniken für Geräte zur Genomanalyse ausgeben bevor ihre Nützlichkeit überhaupt nachgewiesen wurde. In ähnlicher Weise kam der Bericht der Amerikanischen Gesellschaft für Klinische Onkologie (ASCO), Accelerating Progress Against Cancer (Beschleunigte Fortschritte gegen den Krebs) von 2011 zu dem Schluss, dass die Krebsforschung und -behandlung bedeutend verbessert werden könnten.14 Er fügte hinzu, dass unser Wissen in Bezug auf die molekulare Grundlage von Krebs zwar sehr schnell wächst, aber unser gegenwärtiger Ansatz der Entwicklung und der Tests neuer Therapien nicht geeignet ist, um dieses neue Wissen zu nutzen. Im Bericht der ASCO wurde außerdem behauptet, dass die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden durch Diagnosetests begleitet sein müsste, mit denen die 19
entsprechenden Patienten identifiziert und die Ergebnisse der Behandlungsmethoden in Realzeit überprüft werden können. Nur so könne man daraus den größtmöglichen Nutzen ziehen. Heutzutage werden die Diagnose- und Behandlungsmethoden jedoch üblicherweise nicht gleichzeitig entwickelt und getestet. Im Bericht der ASCO hieß es weiter, dass bei unseren Behandlungsmethoden gegen den Krebs nicht davon ausgegangen wird, dass alle medizinischen Eingriffe darauf beruhen, dass der Körper natürliche Heilkräfte besitzt, also die Fähigkeit, äußere oder innere Angriffe auf seine Gesundheit abzuwehren. Stattdessen sucht man nach Krebstumoren, um sie durch Operationen, Bestrahlungen und Chemotherapie zu zerstören. Letztere stört die natürlichen Abwehrkräfte des Körpers und verursacht Mutationen der Krebszellen, was zu einer Resistenz führt. Im Jahre 2013 sprach der Journalist Alexander Nazaryan mit Andrea HayesJordan, einer Fachärztin für Chirurgie und Kinderonkologie am M. D. Anderson Krebszentrum in Houston, Texas. Sie teilte ihm mit: „Unsere strategischen Methoden haben sich verbessert, und wir haben einige Schlachten gewonnen. Aber der Krieg ist noch nicht vorüber.“ Silvia Formenti, Leiterin der Abteilung für Strahlenonkologie am Langone Medical Center der Universität von New York, ist in ihrer Bewertung in Bezug auf den Krieg gegen den Krebs noch pessimistischer. Sie teilte ihm in einer E-Mail mit: „Es ist uns gelungen, den Krebs zu einem Riesengeschäft zu machen und ihn wie einen Terroristen zu bekämpfen, aber was die Zahl der Todesfälle betrifft, waren wir nicht sehr erfolgreich.“ Krebs bekämpfen, bevor er zuschlägt In seinem 2013 veröffentlichten Buch The Truth in Small Doses: Why We're Losing the War on Cancer – and How to Win It setzt sich Clifton Leaf dafür ein, den Krebs zu verhüten, bevor er zuschlägt.16 Im Stadium 0 kann eine Krebsgeschwulst entdeckt und entfernt werden, bevor sie sich ausbreitet. Wenn ein Tumor die Größe einer Traube erreicht hat, hat er bis zu einer Milliarde Zellen. Diese Zellen werden zunehmend heterogen. Sobald sie die Membrane durchdringen, die als letzte Grenze zwischen den Organen und dem Gewebe dient, können sie sich über den Blutstrom bzw. dem Lymphsystem im gesamten Körper ausbreiten. Leaf hält die von Michael Sporn vom Dartmouth College entwickelte Chemoprävention für viel versprechend. Sporn geht davon aus, dass die Behandlung präinvasiver Läsionen ebenso wichtig ist wie die Behandlung des voll entwickelten Krebses. Dies widerspricht der Philosophie des Abwartens, die 20