SEHEN, FÜHLEN, VERSTEHEN Begegnungstage für Familien mit Gebärdensprache
LEBEN IN DER STILLE Der Nachbar klopft schon lange an der Tür. Das Kindergeschrei aus der Wohnung nebenan stört ihn. Keiner öffnet. Wenn er die Mutter auf dem Flur trifft, gibt sie ihm keine Antwort. Was er im ersten Moment nicht weiß, sie kann ihn nicht hören und die Probleme lösen. Auch den Kinderlärm bekommt sie nicht mit. Als Gehörlose nutzt sie die Gebärdensprache. Familien, in denen Eltern gebärden, haben neben den Alltags- und Erziehungsfragen noch ganz andere Hürden zu meistern. Der Austausch mit Nachbarschaft, Schule, Behörden, sozialen Einrichtungen oder mit anderen Eltern ist mühsam und problembehaftet. Auch in der Kernfamilie und mit weiteren Familienmitgliedern kann die Kommunikation zu einer großen Herausforderung werden. SCHAU MICH AN, ICH ZEIG DIR MEINE GEDANKEN Erziehung mit Gebärden ist anders herausfordernd als für Lautsprachler. Hilfreiche Informationen zu Erziehungsfragen gehen an gehörlosen Eltern vorbei oder wurden extrem minimalisiert. Nicht hörende Kinder schauen einfach woanders hin oder schließen die Augen, wenn über ihr Fehlverhalten „gesprochen“ wird. Hörende Kinder erfahren als Übersetzer für ihre gebärdenden Eltern viele Dinge zuerst, ob bei Schule, Arzt oder Behörden. Alleinerziehende Gehörlose wollen der eigenen Familie und dem sozialen Umfeld beweisen, dass sie sich um die Kinder kümmern wollen und können. Das Leben in Familien mit Gebärdenden und Lautsprachlern birgt Missverständnisse oder Ausgrenzung, aber auch Chancen. Die hörende Familie lernt mit dem gehörlosen Baby das Gebärden. Sie merken jedoch ihre Grenzen, weil sie in dieser Sprachwelt nicht zuhause sind. In all diesen Situationen haben die Familien einen gesteigerten Bedarf an peer-counceling, am Austausch mit ähnlich Betroffenen. ZUSAMMENKOMMEN UND KONTAKTE KNÜPFEN In unserer Herbstfreizeit „Mit Kindern leben – von Kindern lernen“ laden wir gebärdende Familien zu Begegnung und Austausch mit anderen Familien ein. Schwerpunkt ist das Leben mit den Kindern sowie ihre Erfahrungen und ihr Umgang mit der Gebärdensprache. Derartige Angebote sind selten. Das merken wir an Anmeldungen aus ganz Deutschland. 14