celluloid Filmmagazin Nr. 4/2013

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celluloid Nr. 4/2013 Juli/August EUR 5.00

gegrテシndet 2000

filmmagazin

ARTIG. NICHT BRAV.

sofia coppola BRYAN ADAMS I Gテ傍Z GEORGE I LAURENT CANTET I PAOLO SORRENTINO I ANDREAS PROCHASKA I CANNES


INFORMIERT. KONFRONTIERT. REFLEKTIERT.

Von Split bis Zagreb und Pula – das Werden Neuer Musik in einem neuen Staat Das ����-��� ������� widmet sich dem Ö1 Kroatien-Schwerpunkt. Gemeinsam mit der Komponistin Mirela Ivičević reisen wir an die kroatischen Orte der Neuen Musik – von der »Musikbiennale« in Zagreb über die »Tage der Neuen Musik« in Split hin zum »Audioart Festival« in Pula. Wer arbeitet daran, wer fördert, wer kommt zum Zuhören, welche gesellschaftspolitischen und Gender-relevanten Themen werden angeschnitten? Gestaltung: Irene Suchy � Teil 1, Mittwoch, 26. 6., 23.03 Uhr � Teil 2, Donnerstag, 27. 6., 23.03 Uhr

dynamowien

Ö 1 D E R I N F O R M AT I O N S S E N D E R


artig , nicht bra v

celluloid

filmmagazin Ausgabe 4/2013 - 14. jahrgang Juli/AUGUST 2013

COVER

EDITORIAL

Liebe Leser,

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Sofia Coppola Ihr neuer Film „The Bling Ring“ erzählt von einer dreisten TeenagerEinbrecherbande und streift die Glitzer- welt, in der die Regisseurin selbst groß wurde. PLUS: Coppola im Interview

FEATURES 16 18 22 24 26 32 34 38

Der Tag, an dem Superman starb Seit 9/11 erlebt das Genre der Comic- Verfilmungen einen Boom Ort der Attraktionen Hollywood besinnt sich zurück auf die Frühzeit des Kinos: Schon damals zählte der Effekt mehr als die Handlung Laurent Cantet im Gespräch zu „7 Tage in Havanna“ Paolo Sorrentino hat mit „La grande bellezza“ eine Hommage an Rom und an Fellini gedreht. Ein Gespräch Portfolio: Bryan Adams Der Sänger hat sich einen Namen als Fotograf prominenter (Film-)Stars gemacht, derzeit zu sehen in Wien Götz George wird 75. Ein Porträt Am Set: Das finstere Tal Andreas Prochaska hat einen Alpen-Western mit Sam Riley gedreht Cannes 2013 Auf elf Seiten präsentieren wir Ihnen sämtliche Highlights der 66. Filmfestspiele. Plus: Cannes-Sieger Abdellatif Kechiche und Bernardo Bertolucci im Interview

FILMKRITIK 49 50 51 52 53 54 55 56 57

The Company You Keep Gambit Das Venedig-Prinzip Confession 7 Tage in Havanna Sag, dass du mich liebst Lügen auf kubanisch Die Unfassbaren - Now You See Me Die Werkstürmer

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TriviaScope: Lars von Trier, Naomi Watts, Daniel Brühl Neues vom österreichischen Filmwunder News & Events: Filmclicks.at, Sommerkinos 2013 Fernsehen & Heimkino: Ist Fernsehen das bessere Kino? Neue Bücher: „Haneke über Haneke“ DVD & Blu-ray Der kleine Stampf

Fotos: Tuma; Filmladen; Constantin; Mobilefilm

RUBRIKEN

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Der Wegfall der Gebührenrefundierung für den ORF ist derzeit das brisanteste Thema in der heimischen Filmbranche: 30 Mio. Euro werden dem ORF dadurch künftig fehlen - und am Küniglberg spricht man von dadurch bedingten Einsparungen von 35 Mio. Euro allein im Programmbereich. Das bedeutet: Heimische Filmproduzenten, die mehrheitlich von ORF-Aufträgen abhängig sind, werden dramatische Produktionseinbrüche erleben, im entsprechenden Fachverband bei der Wirtschaftskammer spricht man von einem „existenziellen Kahlschlag für die Filmwirtschaft“. Der Fachverband sieht die drohenden Einbußen von einer eigens erstellten Studie bestätigt: Die ORF-Einsparungen führten insgesamt zu einem Wegfall von 50 Mio. Euro an Produktionsvolumen in Österreich, was einem Drittel des Branchenumsatzes entspreche. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass von den 150 ORF-Zulieferfirmen im Programmbereich 120 vom Markt verschwinden, und direkt wie indirekt je 1.000 Arbeitsplätze verloren gehen werden. Das wäre katastophal. Die Politik will vor der Nationalratswahl im Herbst nichts mehr unternehmen. Aber der ORF könnte: Immerhin hat das Unternehmen einen Gesamtumsatz von 970 Mio. Euro, und nur ein Drittel davon (340 Mio.) wird für das Fernsehprogramm ausgegeben. Schwer zu glauben, dass sich die fehlenden 30 Filmmillionen nicht auf dem Verwaltungsweg einsparen ließen. Immerhin vermutet das Beratungsunternehmen Boston Consulting Group, das mit dem ORF an Sparmaßnahmen arbeitet, allein bei Verwaltung und Technik ein Sparpotezial von 20 Mio. Euro. Die mühevoll aufgezogene Pflanze „österreichischer Film“, die mittlerweile ob ihrer Schönheit allerorts bestaunt wird, bekommt bald kein Wasser mehr. Das werden ihre Betrachter hoffentlich nicht zulassen. In diesem Sinne viel Vergnügen beim Lesen wünscht Ihnen

Matthias greuling

Chefredakteur & Herausgeber celluloid@gmx.at

ce l l u l o id O N L I N E : w w w . ce l l u l o id - f i l mmaga z in . c o m celluloid 4/2013

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In der Welt des

LARS VON TRIER geht, in der ihre sexuelle Entwicklung nacherzählt wird. Um zu illustrieren, dass von Trier es mit seinen Sex- und Pornografie-Szenen ernst meint, wurde Anfang Juni von Zentropa untenstehendes Foto veröffentlicht. Es werde im Film auch echten Sex geben, so die Produktionsfirma. Nicht aber für die Stars: Wann immer Shia LaBeouf, Charlotte Gainsbourg, Willem Dafoe, Uma Thurman oder Stellan Skarsgard in einen „Akt“ geschickt werden, übernehmen Body-Doubles aus der Pornobranche ihre Rollen. Die Stars bleiben nur oberhalb der Taille zu sehen. Lars von Trier wird „Nymphomaniac“, der im Dezember 2013 Weltpremiere feiern soll, in zwei Versionen herausbringen: Eine Soft- und eine Hardcore-Variante für die unterschiedlichen Geschmäcker des Publikums. Ob der Film als weiteres Meisterwerk in Lars von Triers Filmografie eingehen wird, wird sich weisen. Immerhin: Ein Preis für aggressives Marketing scheint ihm sicher.

Interessantes, neues und amüsantes aus der welt des films

Zentropa

Filmmarketing, aber richtig, bitte sehr! Lars von Trier weiß, wie man die Erwartung auf seinen neuen Film „Nymphomaniac“ ins Unermessliche steigern kann. Seit 2011, nach seinem „Nazi“-Sager in Cannes, schweigt der Regisseur, doch im Mai wurde eine Presseaussendung verschickt, in der das Ende seiner Schweigephase angekündigt wurde. Der Aussendung wurde ein Bild beigefügt, auf dem von Triers Mund mit einem Stück GafferTape zugeklebt ist. Häppchenweise will er nun Infos zu seinem Pornodrama in die Welt bringen, darunter die Ankündigung, „Nymphomaniac“ begründe ein komplett neues Filmgenre namens „Digressionism“ (was mit „Depart from the main subject“ erklärt wird). Ab Ende Juni will Lars von Trier über acht Monate hinweg jedes Monat Details zu den acht Kapiteln des Films preisgeben. Bislang ist von der Handlung des Films kaum etwas bekannt; nur, dass es um die Geschichte einer Frau von ihrer Geburt bis zu ihrem 50. Geburtstag

TRI VIA SCO PE

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Das Leben der Princess of Wales, 1997 tragisch in Paris verunglückt (manche behaupten noch immer: ermordet) als großes Kinodrama: Dass da noch niemand früher draufgekommen ist! Jedenfalls wird Lady Di von Naomi Watts verkörpert, und sie sieht ihr nicht wirklich ähnlich, wie auf unserem ersten exklusiven Szenen-Foto zu sehen ist. Hinter der Kamera saß aber der deutsche Regisseur Oliver Hirschbiegel, und der hat ja in „Der Untergang“ schon Bruno Ganz eindrucksvoll zu Adolf Hitler gemacht, obwohl diese beiden Männer auch wenig Ähnlichkeiten aufweisen. „Diana“, so der schlichte Titel des Films, zirkelt um die letzten beiden Jahre im Leben der Prinzessin, die von ihrer Suche nach dem persönlichen Glück geprägt waren. Kinostart: 9.1.2014

Naomi Watts als

TRI VIA SCO PE

Interessantes, neues und amüsantes aus der welt des films

königin der herzen ZWEI

Im Oktober ist es soweit: Dann steigt Daniel Brühl im Niki-Lauda-Kostüm in seinen Formel-1 -Boliden, um seinen erbittertsten Renn-Kollegen James Hunt (gespielt von Chris Hemsworth) zu schlagen. Doch das Schicksal meinte es anders: 1976 ist Laudas Ferrari in der zweiten Runde des deutschen Grand Prix ins Schleudern geraten und er selbst ist bei dem Crash beinahe ums Leben gekommen. Er fiel ins Koma, erlitt schwerste Verbrennungen und verlor ein Ohr. Hunt hat das Rennen am Ende gewonnnen. Sechs Wochen später saß Lauda wieder am Steuer. Für die Verteidigung seines WM-Titels reichte es allerdings nicht: Der Engländer Hunt löste ihn 1976 als Champion ab. Jetzt gibt es erste Fotos aus dem Film, den Ron Howard inszeniert hat. Dem Vernehmen nach wird es auch eine eigene Österreich-Premiere geben, natürlich mit Niki Lauda, dem in Wien lebenden Drehbuchautor Peter Morgan - und vielleicht auch mit Daniel Brühl und Ron Howard.

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Chris Hemsworth (l.) als James Hunt und Daniel Brühl als Niki Lauda

Fotos: Universum/Constantin; Concorde

RIVALEN


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FOLGE 2 DER WEGFALL DER GEBÜHRENREFUNDIERUNG BESCHERT DEM ORF EIN MINUS VON 30 BUDGETMILLIONEN: ALLERORTS SUCHT MAN JETZT FIEBERHAFT AN ALTERNATIVEN BESCHÄFTIGUNGSMÖGLICHKEITEN FÜR DIE KÜNFTIG MASSENHAFT ARBEITSLOSEN FILMSCHAFFENDEN.

Der Haneke dreht eh nur mehr in Frankreich, den kömma im Budget ruhig einsparen. CHRISTOPH WALTZ HAT VORSORGLICH DIE STAATSBÜRGERSCHAFT ABGEGEBEN

Frau Zechner, Herr Wrabetz, wovon sollen wir denn jetzt leben?

Der Würstlstand da hinten sucht Leut‘, hab ich g‘sehn. Probiert‘s es doch dort amal.

Ich hau‘ ab. Gut, dass ich noch rechtzeitig berühmt geworden bin...

FORTSETZUNG FOLGT...

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Fotos: Alexander Tuma

UNTERDESSEN BAHNT SICH ANDERNORTS EBENSO EINE NEUE ZUSAMMENARBEIT AN


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cover

THE BLI

Fünf Teenies und die Lust am Promi-Stalken: „The Bling Ring“ erzählt eine wahre Geschichte

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SOFIA COPPOLA

steigt in „The Bling Ring“ in die Villa von Paris Hilton ein und lässt dort eine Truppe von Teenagern wilde Parties feiern. Ihr neuer Film zelebriert und kritisiert die zuckerlbunte Welt der Promis und wandelt damit auf den Spuren von „Marie Antoinette“.

Tobis

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cover

IM INTERVIEW

SOFIA COPPOLA zwischen

stalken, party & Facebook-fame

Abhängen, trinken, Party machen, fotografieren, auf Facebook posten. Das macht Spaß. Macht es Spaß?

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F

rau Coppola, Ihr Film basiert auf einem Artikel, den Sie in „Vanity Fair“ gelesen haben. Darin ging es um eine Gruppe Teenager, die in die Villen von Prominenten einstiegen und dort wilde Partys feierten - man kannte sie unter dem Namen „The Bling Ring“. Hatten Sie vor dem Artikel schon davon gehört? SOFIA COPPOLA: Ich erinnere mich vage an die Nachrichten darüber, ja. Aber ich habe mich damals nicht wirklich dafür interessiert. Das Interessante an dem Artikel in „Vanity Fair“ aber war, das er wie ein Film zu sein schien: Denn erstens war die Geschichte eigentlich unglaublich, und zweitens ging es um junge, hübsche Teenies, die sich in der Glamourwelt, in der sie lebten, schlimm daneben benahmen. Das, was sie über ihre Taten als „The Bling Ring“ sagten, hat mich dann auf die Idee zu diesem Film gebracht: Sie sahen überhaupt nicht ein, dass sie etwas falsch gemacht hatten, und es faszinierte mich, wie sie hauptsächlich an dem Ruhm

Fotos: Tuma; Tobis (2)

Sofia Coppola in Cannes, Mai 2013

interessiert waren, den ihnen ihre Einbrüche gebracht hatten. Die ganze Geschichte sagt doch so viel über unsere Zeit aus, und darüber, wie es ist, mit Facebook und Twitter aufzuwachsen. Wie haben Sie diese Geschichte in ein Drehbuch übersetzt? Ich hab das Transkript der Journalisten gelesen, das sie beim Interview mit den Kids anlegten, habe die Polizei-Akte eingesehen und natürlich einige der Protagonisten von damals getroffen, damit ich so viel wie möglich über sie erfahren konnte. Dann habe ich mich zu erinnern versucht, wie ich in diesem Alter gewesen bin und was wir damals für Dummheiten gemacht haben, um mich besser in die Teenager einfühlen zu können. Man weiß ja, wie das war: Man war mit einer Gruppe junger Leute zusammen und hat alles Mögliche gemacht, um irgendwie dazu zu gehören. Auch die Eltern der Kids haben mich interessiert. Eine der Mütter habe ich einmal in einer Talkshow gesehen und dann gleich diese Beobachtungen für eine der Mutter-Figuren im Film verwendet. Was denken Sie über diese Teenager? Ich wollte unbedingt einfühlsam an sie heran gehen, nicht mit Vorurteilen. Im Film sage ich nicht, dass das OK ist, was sie machen, sondern will dem Publikum die Möglichkeit bieten, sich selbst eine Meinung zu bilden. Ich mag es nicht, dem Zuschauer vorzugeben, wie er sich zu fühlen hat. Aber der ganze Fall zeigt, wie unsere heutige Alltagskultur junge Menschen in ihrer Entwicklung beeinflussen kann, wenn sie daheim keine Werte von ihren Familien vermittelt bekommen. Es ist doch tatsächlich unglaublich, dass man die Neiers-Schwestern, die Teil der „Bling Ring“-Bande waren, nach ihrer Verurteilung auch noch zu Stars einer Reality-Show gemacht hat… Ja, und ich habe mir gedacht, wie diese Jugendlichen wohl damit umgegangen sind. Reality-TV ist für sie heute so normal geworden, weil sie damit groß geworden sind. Die Idee,


Foto: Constantin Film

Friedliche Gören: Daheim hat keiner eine Ahnung, dass die Bande nachts in fremde Villen einsteigt

Filmkritik Filmstart: 15.08.13

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the bling ring

ier Teenage-Girls und ein Bursch brechen in die Villen reicher Hollywood-Stars ein und baden dort unter den Augen von Überwachungskameras stundenlang im Luxus ihrer Idole, ehe sie mit den schönsten Klunkern, DesignerSchuhen und –Taschen sowie den gefundenen Drogen und Dollarscheinen wieder abhauen. Alles tatsächlich passiert, im schönen Los Angeles: Die Geschichte zu Sofia Coppolas neuem Film „The Bling Ring“ hat Schlagzeilen gemacht, die Coppola zu diesem Film inspirierten. Es gibt hier etliche Stars (und zugleich Freunde der Regisseurin), die Kurzauftritte absolvieren, etwa Kirsten Dunst und Paris Hilton. Emma Watson hingegen ist nicht einer der bestohlenen Stars, sondern selbst Teil der Einbrecher-Gang. Filmfiguren übrigens, die an Oberflächlichkeit nicht zu überbieten sind und die beim Anblick eines Frauenschuhschranks ausflippen, als kämen sie aus einer ZalandoWerbung. Hatten die Protagonisten in Hans Weingartners „Die fetten Jahre sind vorbei“ wenigstens noch einen hehren Weltverände-

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rungsgedanken (sie wollten wie moderne Robin Hoods die Reichen verunsichern, indem sie ihre Villen verwüsteten), so sind die Protagonisten in Coppolas „The Bling Ring“ nur mehr noch verzogene Teenies mit zwei funktionierenden Gehirnzellen. Die linke davon bewältigt die lebensnotwendigen Aufgaben (Essen, Schlafen), während die rechte in einer Art Dauerpartymodus die zutiefst oberflächliche Welt der Hollywood-Stars und It-Girls zu imitieren versucht und zum Verbrauch von Unmengen an Koks animiert. AN DER OBERFLÄCHE  Eine ganze Stunde in „The Bling Ring“ vergeht, ehe die Regisseurin erstmals ihren redundanten Duktus von der Einbrecher-Routine durchbricht. Denn bis dahin ist man, in immer derselben grellbunten Partystimmung, mindestens acht Mal bei Paris Hilton zu Gast und muss zusehen, wie sich die Gören durch ihre Kleiderschränke wühlen. Was dramaturgisch zunächst völlig Fehl am Platz erscheint, weil sich die Geschichte durch die ewigen Wiederholungen nicht und nicht vom Fleck bewegt,

wird erst im Finale als durchaus überlegtes Regiekonzept sichtbar: Denn Coppola erzählt die Story genauso oberflächlich, wie es ihre Protagonisten im echten Leben sind – hier arbeitet die Regie mit denselben Belanglosigkeiten, die auch das Leben der Mädchen dominiert. Motto: Was wäre das für ein Dasein ohne Chanel, Prada, Antidepressiva und den Machtrausch, den eine Waffe hervorruft? Natürlich wird die Bande erwischt und muss sich vor Gericht verantworten – gerade hier übt sich Coppola in viel Zynismus über die Glitzerwelt, in der sie selbst groß geworden ist: Die Star-Einbrecher werden schließlich selbst zu Stars, weil die Medien sich auf solche bizarren Geschichten stürzen. Und die Mädels wissen damit professionell umzugehen – eigene Website inklusive. Wer übrigens einmal daheim bei Paris Hilton vorbeischauen will, weiß nach „The Bling Ring“, wo das It-Girl seinen Hausschlüssel (mit Eiffelturm-Anhänger!) versteckt: Er liegt links unter der Türmatte.  Matthias Greuling

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cover „Somewhere“ war ich außerdem in der Stimmung, etwas „Schnelleres“ zu drehen. Aber es gibt auch in „The Bling Ring“ lange Einstellungen. Zum Beispiel jene Szene, in der man das Haus, in das die Bande einsteigt, von schräg oben sieht, und die Kids von Zimmer zu Zimmer gehen. Diese Einstellung vom gegenüberliegenden Hügel zu drehen, war die Idee meines Kameramanns Harris Savides (er starb kurz nach dem Dreh im Alter von 55 Jahren, Anm.). Ich bin froh, dass er diese Idee hatte, denn es war uns ja wichtig, immer neue Arten zu finden, wie wir die zahlreichen Einbrüche der Bande filmen konnten. Sie haben etliche Szenen im Haus von Paris Hilton gedreht. Gab es noch andere Prominente, die Ihnen ihr echtes Haus zur Verfügung gestellt haben? Nein, Paris’ Haus war das einzig echte. Von den Häusern der anderen Einbruchsopfer haben wir unsere eigenen Versionen erfunden. Aber ich gebe zu, es war schon besonders, in

Cannes-Premiere für „The Bling Ring“ in der Reihe „Un certain regard“: Coppola (2.v.l.) mit ihrem Cast, darunter Emma Watson ((3.v.r.)

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einem der tatsächlichen Häuser zu drehen, wo auch die „Bling Ring“-Bande eingestiegen ist. In den Hauptrollen haben Sie außer Emma Watson nur bislang unbekannte Gesichter besetzt. Wieso? Ich dachte, dass Emma ideal für die Figur der Nicki wäre, aber generell drehe ich sehr gerne mit jungen Schauspielern, die noch ganz am Anfang stehen, weil diese eine gewisse Frische und viel Enthusiasmus mitbringen. In meinem Fall waren die Mädchen wirklich erst 16 oder 17. Ich habe sie animiert, immer wieder neue Dinge auszuprobieren und mir war wichtig, dass sie in der Vorbereitung auf die Dreharbeiten auch zusammen ausgingen und sich näher kennen lernten, damit man ihnen später abnimmt, wirklich eine Gruppe zu sein. Würden Sie „The Bling Ring“ als eine moralische Fabel bezeichnen? Vielleicht mehr als ein abschreckendes Märchen. 

Foto: Alexander Tuma

niemals wirklich „privat“ zu sein, ist die Norm geworden, nicht die Ausnahme. Ich bin mir nicht sicher, wie die Öffentlichkeit diese Mädchen sieht. Ich glaube, man ist fasziniert davon, weil sie so weit gegangen sind und ihre Stars gestalkt haben. Sie wussten immer bescheid, wann welcher Promi außer Haus ist, und stiegen dann in ihre Villen ein. Das hatten sie alles aus den Klatsch-Seiten im Internet erfahren. Jeder von uns liest mal eine Boulevardzeitung, aber diese Kids waren ein Extrem davon. Stilistisch unterscheidet sich „The Bling Ring“ doch deutlich von ihrem letzten Film „Somewhere“, für den sie in Venedig den Goldenen Löwen erhielten. Die Geschichte hier ist viel geradliniger erzählt, die Einstellungen sind kürzer. Warum? Den Stil, wie ich meine Filme drehe, lasse ich mir immer von meiner Geschichte diktieren. Diesmal war diese Machart für mich genau die richtige, sie passte zur Story. Nach


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helden

Der Tag, an dem

Superman starb MAN OF STEEL.

Klar definierte Retter, ein klar definierter Gegner: Superhelden erleben seit 9/11 einen Boom.

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Fotos: TM & (c) DC Comics. All rights reserved. / Warner

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itte der 50er Jahre war George Reeves ein Superstar. Jedes Kind kannte ihn, weil er zwischen 1952 und 1958 in 104 Folgen der TVSerie „Superman - Retter in der Not“ in das Kostüm des Titelhelden schlüpfte. Vor dem Filmstudio campierten seine Fans, die Kinder, und gerne ließ Reeves sie in dem Glauben, er wäre ein echter Held. Ben Affleck hat diesem Mann in „Hollywoodland“ (2006) ein Denkmal gesetzt. Nach Einstellung der Serie bekam Reeves kaum noch Rollen, denn das Heldenkostüm ging nicht ab. Der Tag, an dem Superman starb, war der 16. Juni 1959. Da schoss sich Reeves eine Kugel in den Kopf. Christopher Reeve, trotz der Namensähnlichkeit kein Verwandter des Toten, übernahm 1978 die Rolle in „Superman“, einer der wichtigsten Comicverfilmungen der Filmgeschichte, weil sie den Boden bereitete für den Comicfilm-Boom der letzten Dekade. Auch Reeve ist eine tragische Figur: Nach einem Reitunfall 1995 war er bis zu seinem Tod 2004 vom Kopf abwärts gelähmt. Zwei Supermänner und ihr Ende. In der Comic-Sprache würde man sagen: Über den Darstellern von Superman, jener amerikanischsten aller Heldenfiguren, liegt so etwas wie ein Fluch. Wahr ist: Die Schicksale von Reeve und Reeves stellen die Verhältnisse wieder her, die dieser Held entrückt hat. Superkräfte gibt es nicht, und auch fliegen kann er nicht, der Mensch. Genau darin lag aber das Konzept dieses „Übermenschen“, eines Immigranten vom fernen Planeten Krypton, den Jerry Siegel und Joe Shuster Mitte der 30er Jahre erdachten. Clark Kent sollte übernatürliche Kräfte haben, die er dem Guten widmet; das Konzept von Nietzsches „Übermensch“ schwingt da stark mit, und letztlich auch die Tatsache, dass

Unsere Abbildung entstammt dem für Comic-Fans fabelhaften Bildband „The Golden Age of DC Comics“, erschienen im Taschen Verlag (416 Seiten, Hardcover, EUR 39,99). Außerdem sind dort erschienen: „The Silver Age of DC Comics“ und der Mega-Band „75 Years of DC Comics. The Art of Modern Mythmaking“


Nietzsche von den Nationalsozialisten vereinnahmt wurde, um Hitlers Idee von der „Herrenrasse“ philosophisch zu legitimieren. Superman und Hitler? Geht das zusammen? Doch, das geht. Denn es war die Zeit, in der Hitler in Europa an Bedeutung gewann, als man in Amerika für bunte kleine Heftchen Helden mit außergewöhnlichen Fähigkeiten erfand. Superman war der Gegenentwurf zu einem immer bedrohlicher werdenden System globaler, menschenverachtender Politik: Er repräsentierte das Bild, wie Amerika sein wollte – eine weithin sichtbare, unschlagbare Macht, die sich für das Gute hält, und der man sich besser nicht entgegenstellt. Im Juni 1938 veröffentlichte National Publications die erste Ausgabe von „Action Comics“, auf dessen Titel Superman ein Auto stemmte. „Superman ist ein Jude“, sagte Joseph Goebbels 1942, und ließ die Comics in Deutschland verbieten. HELDEN FÜR DIE PROPAGANDA  Denn das sogenannte „Golden Age“ der amerikanischen Comics, das zwischen 1938 und 1956 datiert wird, war durchwegs von jüdischen Autoren, Zeichnern und Verlegern bestimmt: Siegel und Shuster waren Söhne jüdischer Einwanderer, ebenso wie Batman-Erfinder Bob Kane (geboren als Robert Kahn), oder auch Joe Simon und Jack Kirby, die beiden Schöpfer von Captain America. Die Comicverlage nutzten nach Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg ihre Hefte auch für US-Propaganda: Immer wieder kämpften Helden wie Superman, Batman oder Daredevil gegen Hitler höchstpersönlich. 1943 zeichneten Siegel und Shuster eine Geschichte, in der Superman zunächst Hitler entführt und dann mit ihm bei Stalin vorbeifliegt (Superman zu Stalin: „Joe, meet Adolf!“). Superman packt beide an der Schulter und liefert sie beim internationalen Gerichtshof in Genf ab. Der Richter verurteilt sie: „Adolf Hitler and Josef Stalin - we pronounce you guilty of modern history’s greatest crime – unprovoked aggression against defenseless countries“. Mit Superman wäre Hitler leicht zu besiegen gewesen, und der Krieg hätte vermutlich gar nicht stattgefunden. Der „Übermensch“ von Nietzsche war die Theorie, die Superman in seinen Abenteuern praktizieren durfte. Auch im Kalten Krieg wurde Superman immer wieder als politisches Propaganda-Instrument eingesetzt. Er war der Held der Freiheit, der das US-amerikanische Lebensgefühl propagierte; Freiheit durch Macht, durch Stärke, durch eisernen Willen. Seine Abenteuer waren immer mehr als bloße Unterhaltung; sie sollten auch volkserzieherisch wirken. Schon in den 40er Jahren erklärte Superman der Jugend auf Plakaten, dass Schwimmen, Laufen und tägliche Klimmzüge zu einem gesunden Lebensstil gehören. Auf das ein jeder über sich selbst hinauswachse, natürlich nur konform zu den stolzen Werten der USA.

Wann immer Superman selbst in Schwierigkeiten steckte, holten ihn seine Schöpfer bei DC Comics mit großer Kraftanstrengung aus dem Dilemma. In den 70er und 80er Jahren verloren Comics wegen des Niedergangs der Zeitungskioske massiv an Lesern, also versuchte man, mit einem Kinofilm nachzuhelfen: „Superman“ (1978) und seine drei Sequels waren übergroße Marketing-Aktionen zur Absatzsteigerung der eigenen Marke. 1989 hat man das Ganze mit „Batman“ noch erfolgreicher wiederholt. DAS KINO ALS RETTER  Das Kino als Zugmaschine funktioniert bis heute. Mit „Man Of Steel“ kommt kommenden Freitag ein neuer Film mit Superman in die Kinos. 225 Millionen Dollar flossen in den Neustart der Reihe, Henry Cavill spielt den Helden, der Film kommt in 3D heraus und Supermans zart genopptes Panzerkostüm ist optisch zeitgemäßer als Christopher Reeves blaue Ganzkörperstrumpfhose. Wenn man Superman & Co. aber auch als Spiegel einer Gesellschaft versteht, so hat sich das Bild des Helden in den letzten 75 Jahren kaum gewandelt, obwohl unsere Ängste heu-

te diffuser sind: Frühere Konfliktherde gegen das Böse hatten zumindest eine Konstante: Man wusste genau, wer der Feind ist. Hitler, Chruschtschow, Lex Luthor. Die Feinde von einst gibt es nicht mehr, denn im Zeitalter des Terrorismus ist nicht mehr so eindeutig, gegen wen man eigentlich kämpft. Genau deshalb hat die Comicindustrie seit 9/11 erneut richtig Auftrieb bekommen: Sie gewährt noch immer die vermeintliche Sicherheit, die uns abhandengekommen ist: Nichts ist seither mehr gefragt als klar definierte Helden, die uns vor einem ebenfalls klar definierten Bösen schützen. Nicht umsonst brachte das erste Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts Comicverfilmungen in einer nie dagewesenen Dichte: Von Spiderman über Green Lantern, von Daredevil bis X-Men, The Avengers und natürlich Iron Man reichten die Filmdebüts der Helden. Je verunsicherter eine Gesellschaft in Bezug auf die eigene Sicherheit ist, desto mehr Zulauf haben starke Schultern, markige Sprüche und klare Ansagen. Solange die Welt nach solchen Helden giert, gilt für Superman: Zum Sterben ist es noch zu früh. 

Henry Cavill als Superman in „Man of Steel“, dem Reboot der Franchise

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trend VERGNÜGUNGSSTÄTTE KINO: Über die Rückbesinnung

Hollywoods auf seine Wurzeln und die Auswirkungen auf das Kino.

Die große

attraktion I

Szenenbilder aus der handcolorierten Fassung von Georges Méliès‘ „Le voyage dans la lune“ (1902)

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Fotos: Tuma; Constantin

triefen aber nicht gerade vor Originalität und so sind die wenigen Wochen an Wartezeit bis zu einer Veröffentlichung für den Heimvideo-Markt meist einfach zu überbrücken. Um dementsprechend weiterhin Grund zum Verlassen des Hauses zu geben, setzt der vorwiegend nordamerikanische Mainstream, den wir alle so unablässig konsumieren, vermehrt auf Filme, die zwar im heimischen Technik Tempel genauso funktionieren, zur richtigen Entfaltung jedoch das technische Non-Plus-Ultra des Kinosaales benötigen. Blockbuster wie „Avatar“ oder „Der Hobbit“ lohnen sich für das Publikum primär in 3D, auf einer übergroßen Leinwand und mit ringsum platzierten Lautsprechern: Visuelles Spektakel, das alle technischen Möglichkeiten des Kinos voll ausnützt, steht im Mittelpunkt; für komplexe Handlungen oder besondere Schauspielleistungen bleibt folglich nicht allzu viel Platz. Es geht in erster Linie darum einen regelrechten

Fotos: StudioCanal

m Rennen um die Medien-konsumierenden Massen gerät das Kino zunehmend unter Druck, sich gegenüber immer luxuriöser ausgestatteten Heimkinoanlagen zu behaupten. Die Vorteile des häuslichen Konsums von Filmen sind evident: Vor- wie Zurückspulen, Pausieren oder gar Kommentieren ist problemlos möglich, ohne andere zu belästigen, im Gegenzug stören keine Essensgeräusche, unbequeme Sitze oder unförmige Kopfsilhouetten die Konzentration auf die immer größeren Bildschirme und die immer lauteren Lautsprecher. Darüberhinaus ist das Angebot, das zu Hause über Streamingplattformen, DVDs oder Blu Rays zur Verfügung steht um ein vielfaches vielfältiger, als die vergleichsweise spärliche Auswahl an aktuellen Kinofilmen. Wieso also noch ins Kino gehen? Freilich, das Kino bietet Filme vor allen anderen Plattformen an, die meisten Werke à la „Hangover 3“ oder „Fast And The Furious 6“


Bilderrausch zu erschaffen und alle Filme egal ob „The Last Stand“, „The Dark Knight Rises“, oder „Prometheus“ auf jenen Nenner zu bringen, der potentielles Publikum noch aus den eigenen vier Wänden lockt: Die Attraktion. Nicht zum ersten Mal ist dieser Terminus, die Attraktion, ein dominanter Grundbaustein des Kinos; ganz im Gegenteil, die frühen Filme bis ins Jahr 1907 waren in ähnlicher Weise darauf ausgerichtet. Der vom amerikanischen Filmwissenschaftler Tom Gunning geprägte Begriff „Kino der Attraktionen“ beschreibt eine Phase, die mittlerweile über 100 Jahre vergangen ist, deren Charakteristika vom gegenwärtigen Blockbuster-Kino aber wieder aufgegriffen, ja beinahe imitiert werden. Filmwerke wie „The Great Train Robbery“, „Le Voyage Dans La Lune“ oder „The Gay Shoe Clerk“ sind in mancher Hinsicht die Grundlage für heutige Filme, waren sie doch ebenso dem Ausstellen von Spektakel verschrieben, jenseits von intrikater Narration: Eine Reise zum Mond, ein entblößtes Frauenbein, oder Aufnahmen eines Überfalls – das waren die ehemals sensationellen Attraktionen, die dem Medium Film sein erstes Publikum verschafften. DIE URSPRÜNGE AM JAHRMARKT  Der Begriff Attraktion, der ursprünglich von Sergej Eisenstein stammt, suggeriert dabei nicht zu unrecht eine Nähe zu Jahrmärkten, nicht nur weil die ersten Filme dort aufgeführt wurden, tatsächlich war Film als Medium zur damaligen Zeit eine eigenständige Attraktion; die Werke von George C. Hale beispielsweise zeigen verschiedene Zugfahrten aus der Sicht der Lokomotive, vorgeführt in Räumen, die ausgestattet waren wie Waggons, mit eingespielten Soundeffekten und einem eigens engagierten Zugbegleiter. Narration war in dieser Periode höchstens Mittel zum Zweck, wenn Filme wie „Le Voyage Dans La Lune“ eine minimale Erzählung enthalten, ist diese reines Alibi für aneinandergereihte Sequenzen von

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trend

„Mulitplex-Kinos sind eine moderne Spielart des Vergnügungsparks“ Attraktionen, ein netter Zusatz, der aber das Gezeigte nur peripher beeinflusst. George Méliès sagte über den Stellenwert von Narration: „Was das Drehbuch betrifft, die ‚Fabel‘ oder die ‚Erzählung‘, bedenke ich diese erst am Schluss. Ich gebe zu, dass das auf diese Art konstruierte Drehbuch keinerlei Wichtigkeit besitzt, da ich es als reinen Vorwand für die ‚Bühnen-Effekte‘, die ‚Tricks‘ oder eine nett arrangierte Szene benutze“. Méliès’ Anschauung scheint ein unausgesprochener Leitgedanke des gegenwärtigen Hollywood Kinos geworden zu sein: Immer vollbusigere Frauen, immer spektakulärere Schlachten und immer gewagtere Welten werden als „Bühnen-Effekte“ aneinandergereiht und von zumeist eher plumpen Erzählungen zusammengehalten. Die Frage, ob derartige Filme das Publikum auch zufrieden stellen, lässt sich mit einer Anekdote, die der Regisseur Steven Soderbergh kürzlich erzählte, anschaulich beantworten: „Vor ein paar Monaten war ich auf diesem Flug von New York nach Burbank. In der Reihe vor mir war dieser Mann, der sein iPad herausnahm, um sich etwas anzusehen. Ich bin natürlich neugierig, was er sich ansehen wird und mir fällt auf, dass er sich etwa ein halbes Dutzend opulenter Actionfilme auf sein iPad geladen hat und sich nun jede einzelne Actionsequenz ansieht, aber all den Dialog und die Handlung dazwischen überspringt!“

Fotos: StudioCanal

KEINE LUST MEHR AUF GESCHICHTEN?  Nimmt man diese Zufallsbeobachtung und darüberhinaus die Einspielergebnisse der neuesten Blockbuster als Indikator, deutet einiges auf die tiefgehende Zufriedenstellung des Publikums durch heutiges Attraktionskino hin:

Das Erzählen von Geschichten scheint für den durchschnittlichen Zuseher in Kinofilmen bedeutungslos geworden zu sein. In dieser Hinsicht wäre es viel naheliegender, die MultiplexKinos, in denen Méliès’ Maxime Einzug hält, als moderne Spielart des Vergnügungsparks wahrzunehmen, wo man aus einer Reihe von Attraktionen wählen kann, deren wirklich einziger Zweck die Zerstreuung ist. Natürlich gibt es in diesen Parks das gelegentliche Spezialprogramm jenseits der großen, populären Attraktionen; eine kulturbeflissene Nischenvorführung, vorgesehen für die Werke von Autorenfilmern wie Haneke, Anderson oder Herzog, ja manchmal kommt es gar zu glücklicher Überschneidung von großem Spektakel und genießbarer Handlung – der Großteil des Erlebnis-Mainstreams kommt mit klassischen Konstanten des Kinos wie durchdachter Narration oder tiefgehendem Schauspiel jedoch kaum mehr in Berührung. Das Wesen des Kinos als Vorführort hat sich in den letzten Jahrzehnten schlichtweg gewandelt, weg von der Lichtspielkammer für kulturell Wertvolles, hin zum digitalen Vergnügungspark mit gelegentlichen Nostalgieprogrammen. Sicherlich geschah diese Metamorphose des Kinos aus Zwang, vorerst lässt es sich in dieser neuen Funktion aber scheinbar gut aushalten, schließlich sind die Einspielergebnisse höher als je zuvor. Heikel wird es erst, wenn die technischen Möglichkeiten, Filme zu Hause zu konsumieren so fesselnd und sättigend werden, dass selbst die größte Leinwand, das beste Lautsprechersystem oder das eingeübteste Ritual des Ins-Kino-Gehens davon in den Schatten gestellt werden und der Kampf um die Aufmerksamkeit für das Kino nicht mehr zu gewinnen ist.  Alexander Lohninger

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„Die Reise zum Mond“ von Georges Méliès, 1902 gedreht, erschien kürzlich erstmals auf Blu-ray: Für mehr als 400.000 Euro restauriert und aufwändig koloriert erstrahlt der Film mit der Musik von „Air“ in neuem Glanz. Als Bonus gibt es die schwarzweiße Fassung mit Musik von Lawrence Lehérissey aus dem Jahr 1902, sowie die Dokumentation „Eine außergewöhnliche Reise“ von Serge Bromberg und Eric Lange über Méliès und den Werdegang seines wichtigsten Films


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interview LAURENT CANTET

gewann für „Die Klasse“ 2008 eine Goldene Palme. Jetzt kommt der Episodenfilm „7 Tage in Havanna“ in die Kinos, für die er ein Segment gestaltet hat. Und „Foxfire“ heißt sein US-Regiedebüt. Kritik auf Seite 53.

S

ieben Regisseure, sieben Blickwinkel auf eine Stadt. Das ist beileibe kein neues Rezept, denn derlei Episodenfilme gab es in den letzten Jahren zuhauf. Dennoch gewinnt man solchen vielgestaltigen Städteporträts immer wieder interessante Aspekte ab; die Filmemacher sind zumeist keine Einheimischen, sondern bringen eine frische Sicht auf Land und Leute. So ist das auch in „7 Tage in Havanna“, einem Film, der als Momentaufnahme einer pulsierenden Stadt funktionieren will. Die Regisseure Benicio del Toro (neben einem Kurzfilm von 2005 ist dies sein erster Versuch hinter der Kamera), Pablo Trapero, Julio Medem, Elia Suleiman, Gaspar Noé, Juan Carlos Tabío und Laurent Cantet erzählen höchst unterschiedliche Geschichten über das Leben in der Stadt und zugleich tauchen sie auch tief ein in die Struktur dieser kubanischen Metropole, in der (nicht zuletzt durch das System Castro) die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Celluloid traf den französischen Regisseur Laurent Cantet, der für seinen Film „Die Klasse“ („Entre les murs“) 2008 mit der Goldenen Palme in Cannes ausgezeichnet wurde. Er hat eine der Episoden gestaltet. Außerdem hat Cantet mit „Foxfire“ kürzlich seinen ersten englischsprachigen Film in den USA gedreht.

Mit dem Blick von

Aussen 22

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celluloid: Monsieur Cantet, was ist das Spannende an einem Episodenfilm über Havanna? LAURENT CANTET: Was mich an dem Projekt interessierte, war Havanna als Drehort. Ich war vor zehn Jahren schon einmal dort. Was mir an dieser Stadt gefiel, war das Gefühl, dass man hier nach Freiheit giert. Das ist wirklich an allen Ecken spürbar. Außerdem gefiel mir die Idee der Produzenten, dass alle sieben eingeladenen Regisseure sehr persönliche Filme machen sollten, anstatt sie einer gemeinsamen Linie unterzuordnen. Jeder Film


Filmstart: 12.07.13

Eine etwas andere Sicht auf Kuba bietet der Episodenfilm „7 Tage in Havanna“

entstand unter unterschiedlichen Umständen. Mein Segment sollte sich durch einen leichten Zugang zum Thema auszeichnen, gedreht ausschließlich mit Laiendarstellern. Die einzige Bedingung, die es von seiten der Produktion gab, war, dass jeder von uns nur fünf Drehtage zur Verfügung hatte. Das brachte mich zurück in die Zeit, in der ich Kurzfilme drehte und mit limitierter Zeit auskommen musste. Wie hat sich Kuba seit Ihrem letzten Besuch verändert? Für mich war es natürlich ganz anders, als Filmemacher nach Kuba zurückzukehren, denn damals war ich ja Tourist. Da sieht man das Land mit völlig anderen Augen. Als Filmemacher hatte ich die Aufgabe, etwas von diesem Land zu berichten, das der Wahrheit entspricht, das die Realität reflektiert. Ich musste dafür viel tiefer in die sozialen Strukturen des Landes eindringen, um es zu verstehen. Als Tourist wäre mir dieser tiefe Einblick verwehrt geblieben. Mein Ausgangspunkt war: Ich bin kein Kubaner, und daher habe ich keine Möglichkeit, Aussagen über die kubanische Gesellschaft zu treffen. Von diesem Punkt aus entwickelte ich den Film: Ich wollte jenen eine Stimme geben, die normalerweise nicht gehört werden. Die Geschichte der Hauptfigur basiert auf einer wahren Begebenheit; ich wollte diese Geschichte mit der größtmöglichen Bescheidenheit und Demut inszenieren, um nicht zu behaupten, ich als Außenstehender könne wirklich die Wahrheit über Kuba berichten. Im Übrigen habe ich festgestellt, dass die Kubaner wahnsinnig begeistert vom Kino sind. Die würden sich für ein Kinoticket einen ganzen Tag lang anstellen, so viel Lust auf Kino haben die! Ist der Blick von Außen auf eine fremde Gesellschaft nicht generell sehr gesund? Die interessantesten Filme über Amerika wurden von Nicht-Amerikanern gedreht. Ich drehte schon immer gerne Filme im

Ausland. Eine Doku im Libanon zum Beispiel oder „Vers le sud“ in Haiti. Ich bin jemand, der sehr neugierig auf die Welt ist und sich in der Fremde auch absichtlich gerne als Außenseiter fühlt. Denn als solcher gelingt mir mitunter ein Blick von Außen auf Gesellschaften, deren eigener Blick auf sich selbst allzu verklärt ist, während ich diese Verklärungen in meinem Denken nicht zulasse. Sie haben mit Laien gearbeitet. Wie kitzeln Sie aus ihnen die Emotionen heraus, die Sie brauchen? Bevor ich drehe, gebe ich meinen Schauspielern sehr viel Freiheit zum Experimentieren. Sie sollen ihre Rollen und Figuren verinnerlichen, und dabei können sie auch gerne vom Geschriebenen abweichen. Sie erarbeiten sich die Figuren quasi. So werden ihre ganzen Energien freigesetzt. Beim Drehen sind diese

Änderungen dann meist so gut einstudiert, dass es wunderbar klappt. Aber selbst, wenn es beim Dreh Fehler und Veränderungen seitens der Schauspieler gibt, versuche ich nicht , den Take gleich neu zu drehen, sondern diese Fehler als weiteren Schritt in der Entwicklung zur Figur zu sehen und zu nutzen. Sie haben mit „Foxfire“ nun auch ihr englischsprachiges Filmdebüt gegeben, eine Geschichte um eine Frauengang in upstate New York in den 50er Jahren. Der Erfolg von „Die Klasse“ hat mir ermöglicht, das Projekt „Foxfire“ zu realisieren, ein Projekt in den USA. Meine Produzenten waren gewillt, ein großes Risiko einzugehen, nämlich, dass auf dem Filmposter von „Foxfire“ nicht ein einziges bekanntes Gesicht zu sehen ist. Das ist sehr wagemutig. Ich habe das Buch von Joyce Carol Oates, das dem Film zugrunde liegt, in einem Satz gelesen, denn darin waren all meine Themen, die mich bewegen: Gruppendynamiken, Widerstände, soziale Gewalt. Ich wollte den Roman in Frankreich verfilmen, aber das hätte nicht funktioniert. Wieso nicht? Im Frankreich der 50er Jahre gab es keine antikommunistischen Strömungen und auch keinen American Dream - beides sind zentrale Bestandteile des Buches. Den amerikanischen Traum sah ich immer als Mythos, und „Foxfire“ gab mir Gelegenheit, die dunkle Seite des Mythos zu beleuchten. Es ist die Antithese zum sonst so von Mythologie aufgeladenen amerikanischen Kino.  Interview: Matthias Greuling

Laurent Cantets Mädchen-Gangfilm „Foxfire“

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interview

die grosse

Schönheit

Filmladen

Filmstart: 26.07.13

PAOLO SORRENTINO wandelt mit „La grande bellezza“

auf den Spuren seines Vorbilds Federico Fellini betrunken von Schönheit und Opulenz durch ein glanzvolles Rom.

E

s beginnt mit einem opulenten Schwelgen in Bildern der ewigen Stadt: Rom ist ein Hauptdarsteller in Paolo Sorrentinos neuem Film „La grande bellezza“, der in Cannes im Wettbewerb uraufgeführt wurde. Die Kamera schwebt durch die ganze Schönheit dieser Stadt, zeigt Totalen aus Perspektiven, wie man sie nicht einmal aus dem aufwändigsten Tourismus-Werbespot kennt. Danach: Eine Party, auf einer römischen Dachterrasse; hunderte Gäste, gute Laune, laute Dance-Musik, ein Gelage der Freude, der Lust sowieso. Kaum jemand hat bisher eine Partyszene so

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wirkungsvoll in Szene gesetzt wie Sorrentino. Man sieht nicht nur zu, man ist dabei. Wozu das alles? Sorrentino lässt einen gealterten Schriftsteller namens Gambardella (Toni Servillo) durch seinen Film streifen; er gibt ihm den roten Faden, und dieser Faden handelt von Schönheit, von Reichtum, aber auch von Dekadenz und Niedergang. Eine philosophische, wortlastige Abhandlung über das Italien von heute ist das geworden, in der die wunderbaren Bilder genau das repräsentieren, wie man das Land im Allgemeinen wahrnimmt: Außen schön, innen hohl. Ein Klischee, ja, aber irgendwas ist da schon dran.

Gambardella war einst ein vielversprechender Autor, er hat einen großen Roman geschrieben, als er jung war. Aber eben leider nur einen, seither ist nichts Bedeutsames mehr nachgekommen. So ist er heute der reflektierende Betrachter einer Gesellschaft, in der die Schönheit mehr zählt als die Wahrheit. Gambardella ist eine traurige Gestalt: Er weiß, dass nicht nur er selbst am Leben gescheitert ist, sondern auch die Gesellschaft um ihn herum - das Bürgertum ebenso, wie der Adel, der Klerus und die Politik sowieso. Inmitten dieses prächtigen Streifzuges durch Schönheit und Niedergang wirkt „La


grande bellezza“ vor allem wie eine Hommage an große Vorbilder des Regisseurs: Inhaltlich spinnt Sorrentino zarte Fäden zu den Werken von Visconti, optisch wandelt er allzu offensichtlich auf den Spuren von Federico Fellini. „La grande bellezza“ wirkt zuweilen wie eine Fortschreibung von Fellinis „La dolce vita“ oder „Roma“, und doch wirkt bei PAOLO SORRENTINO Sorrentino alles ein wenig schwermütiger und angestrengter. Er hält kein Referat über die Schönheit, sondern über ihre Vergänglichkeit. Wir trafen Paolo Sorrentino in Cannes zum Gespräch.

Für mich ist Hässlichkeit das Fehlen von Zärtlichkeit in zwischenmenschlichen Beziehungen. Was sagen Sie den Kritikern, die „La grande bellezza“ mit Fellinis „Roma“ oder „La dolce vita“ vergleichen? Ich fühle mich geehrt, dass man solche Vergleiche mit „La dolce vita“ anstellt. Denn Fellinis Film ist nicht nur ein Meisterwerk, es ist auch ein Schlüsselfilm für eine ganze Epoche. Ich will meinen Film keinesfalls damit vergleichen, aber es ehrt einen. Ich wollte Fellini wirklich nicht imitieren, denn das wären zu große Schuhe für mich. Aber natürlich hat mich Fellini beeinflusst in meiner Arbeit, und die Filme, die ich von ihm am meisten schätze sind „La dolce vita“ und „Fellinis Roma“. Im Film gibt es eine lange Party-Szene auf einem Hausdach mit Blick über Rom, die in ihrer Inszenierung ungemein mitreißend wirkt. Ich bin mit dem Resultat der Partyszene wirklich sehr zufrieden. 70 Prozent der Statisten in der Szene waren übrigens professionelle Tänzer oder solche, die das Tanzen einmal professionell betrieben haben. Das ist der Trick, weshalb diese Szene so echt aussieht

„Ich will die Schönheit im Hässlichen finden“

Ihr letzter Film „This Must Be the Place“ mit Sean Penn spielte in den USA. Jetzt sind Sie in Ihre Heimat zurückgekehrt. Liegt Ihnen Italien emotional näher? PAOLO SORRENTINO: Ich bin ein sehr fauler Mensch und liebe es, daheim zu sein. Aber um ganz ehrlich zu sein: Dieser Film über Rom war viel anstrengender als jener, den ich in den USA drehte. Als ich mit Sean Penn damals Kontakt aufnahm, sagte ich ihm: Ich will nur diesen einen Film in den USA drehen, denn ich hatte nur diese eine Geschichte, die sich dafür eignete. Ich ziehe es vor, Filme in Europa zu drehen, denn da kenne ich mich viel besser aus. Was hat es denn mit der Obsession der Italiener mit der Schönheit auf sich? Das zieht sich nicht nur durch Ihren Film, sondern kann auch im alltäglichen Leben gut beobachtet werden. Die Herausforderung des Kinos besteht doch darin, die Schönheit im Hässlichen aufzuspüren, dort wo man Schönheit normalerweise nicht erwarten würde. Schönheit und Kino sind eng miteinander verbunden, aber es ist nicht notwendigerweise die Suche nach Schönheit, wo man Schönheit erwartet. Was die Besessenheit der Italiener in Hinblick auf Schönheit betrifft: Da haben Sie völlig recht. Vielleicht lässt sich mein Film „La grande bellezza“ auch in diese Richtung verstehen: Als Versuch, diese Obsession der Italiener abzubilden. Die Italiener sind aber zugleich in der Lage, diese von ihnen so geschätzte Schönheit zu verschwenden. Dennoch war es mir wichtig, keine traditionelle italienischen Stereotypen zu bedienen. Sie sprechen von der Schönheit im Hässlichen. Was finden Sie hässlich?

und so stark wirkt, weil ich mit ihnen eine Art Choreografie des Feierns entwickelt habe. Im Leben der Hauptfigur, des Schriftstellers Gambardella, gibt es im Film einen Wandel, der - wie so vieles in Italien - auch religiös motiviert ist. Die Hauptfigur stellt sich Fragen über den Sinn ihres Daseins. Und wenn man beginnt, sich so fundamental mit dem Leben auseinanderzusetzen, gelangt man zwangsweise früher oder später auch an religiöse Fragen. Zunächst konfrontiert er einen Kardinal mit seinen Gedanken, doch der ist ein noch ausschweifenderer Typ als er selbst und kann ihm nicht wirklich den Weg weisen. Später spricht Gambardella mit einer Nonne über Religion. Sie lehrt ihn, wie man Stille und Ruhe findet. Erst in diesem Kontext schafft er es, wieder mit dem Schreiben zu beginnen. Es gab auch Verrisse über Ihren Film. Wie nahe lassen Sie Kritik an sich heran? Natürlich lese ich die Kritiken zu meinen Filmen, aber ich muss sagen, ich bin als Regisseur schon gewachsen, denn das ist mein sechster Film, und ich bin in dem Sinne schon ein wenig egoistisch geworden – wenn ich mit meinem Werk selbst zufrieden bin, dann genügt mir das, und die Kritiken sind egal. Die echte Katastrophe wäre: Hier in Cannes mit einem Film im Wettbewerb zu sein, den  Paul Heger ich selbst nicht mag.

Paolo Sorrentino bei den Dreharbeiten zu „La grande bellezza“

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Der star-fotograf

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BRYAN ADAMS ist nicht

nur weltbekannter S채nger, sondern seit zehn Jahren auch Fotograf. Vor seine Linse treten Musiker und Hollywood-Stars, wie jetzt eine umfangreiche Ausstellung in der Wiener Galerie Ostlicht zeigt.

Bryan Adams im Selbstportr채t, fotografiert 2011 in London


Jagger, Queen Elizabeth II, Dustin Hoffman, Louise Bourgeois, Ben Kingsley, Pink oder Mickey Rourke. Viele von Adams Porträts und Modefotos entstanden für das Magazin Zoo, das er 2004 in Berlin gründete. Sie zeigen Mickey Rourke in der Badewanne, Dustin Hoffmann im Anzug angelnd in der Meeresbrandung oder den von seiner ParkinsonErkrankung gezeichneten Michael J. Fox. 2002 wurde Adams ausgewählt, Queen Elizabeth II. anlässlich ihres goldenen Thronjubiläums zu porträtieren. In seiner jüngsten Serie, die einen besonderen Stellenwert in seinem Oeuvre einnimmt, widmet er sich britischen Soldaten, die von Auslandeinsätzen in Afghanistan oder Irak versehrt heimgekehrt sind. “Adams Aufnahmen spielen mit den

Klischees der Darstellung von Celebrities in der Öffentlichkeit – manche zeigen die Stars in ironisch-humorvollen Situationen, andere in intimen Momenten. Immer jedoch zeugen Adams Fotografien von einem tiefen Interesse an den Menschen. Dabei beherrscht er sowohl das Handwerk der klassischen Studioaufnahme als auch die Ästhetik des Snapshots“, heißt es in einer Ankündigung der Wiener Galerie Ostlicht, die erstmals Adams’ Fotografien in Österreich ausstellt. BRYAN ADAMS: EXPOSED bis 22.09.2013 OSTLICHT. GALERIE FÜR FOTOGRAFIE Absberggasse 27, 1100 Wien, Tel +43 1 996 20 66

Bryan Adams/Galerie Ostlicht

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igentlich singt er ja Songs wie “Summer of 69” oder „Everything I Do (I Do It For You)“. Aber Bryan Adams, dieser Weltstar der Rock- und Balladenmusik, kann noch mehr: Seit bald 10 Jahren beschäftigt er sich eingehend mit Fotografie und hat sich mit seinen Porträts berühmter Persönlichkeiten aus Film, Musik und Politik einen Namen gemacht. Für die Kenner der Kunstfotografie ist Adams Schaffen von einer großen Intimität geprägt. Gerade weil er als Prominenter sehr leicht Zugang zu anderen Künstlern hat und mit ihnen auf einer kollegialen oder gar freundschaftlichen Ebene arbeiten kann, entstünden dadurch Fotos, die tiefe Einblicke in die Menschen hinter dem Star gewährten. Vor Adams’ Kamera standen schon Stars wie Amy Winehouse, Mick

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Danny Trejo, aufgenommen in Los Angeles 2011

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Fotos: Bryan Adams/Galerie Ostlicht

Lindsay Lohan zwischen zwei Klinik-Aufenthalten, fotografiert in Los Angeles 2011

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Intimer Moment mit Sir Ben Kingsley, London 2010

Bryan Adams/Galerie Ostlicht

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hommage GÖTZ GEORGE feiert am 23. Juli seinen 75. Geburtstag.

Seine Karriere war lang und bilanziert bei 180 TV- und Kinorollen. Aber sie ist noch nicht vorbei: George will weitere Schimanski-Folgen drehen und steht demnächst auch als sein eigener Vater Heinrich George vor der Kamera.

Die Schauspielerei ist sein

Sauerstoff

S

einen ersten Preis bekam Götz George für den Film „Jacqueline“, in dem er einen Boxer darstellte. Das war 1959. Der junge Mann war gerade mal 21 Jahre alt und schon überstrahlte seine Körperlichkeit alles. Wer Götz George beobachtet, dem fällt als erstes sein besonderer Gang auf, seine Maskulinität, sein Auftreten, in dem die Physis alles andere in den Hintergrund zu schieben scheint. Wer ihm zuhört, spürt, mit welchem Engagement er seine Rollen verteidigt und seinen Beruf als Berufung ansieht. Götz George lebt für seinen Beruf. In rund 180 Spiel- und TV-Filmen hat er bewiesen, wie wandelbar er ist. Man sah ihn als Bankräuber („Der Bruch“, „Die Katze“), als KZ-Kommandant („Aus einem deutschen Leben“), als Deserteur („Kirmes“) und als strammer deutscher Soldat („Himmelfahrtskommando El Alamein“), als Georges Danton („Dantons Tod“), als Massenmörder Fritz Haarmann („Der Totmacher“), Nazi-Arzt Josef Mengele („Nichts als die Wahrheit“) als Jude Schlomo Herzl („Mein Kampf“), und demnächst wird er als sein eigener Vater Heinrich George zu sehen sein. Es wird nicht einfach gewesen sein für den jungen Götz George, dem jüngeren Bruder von Jan, in einer Schauspielerfamilie aufzuwachsen, in dem beide Eltern Stars ihres Berufes waren. Bertha Drews und Heinrich George waren beides Theater- und Bühnenkoryphäen und warfen lange Schatten. „Für mich war in meiner Jugend Vater immer ein großes Vorbild. Er war für mich ein Ansporn, und meine Mutter hat mir viel Freiraum gegeben“, sagt

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er später. Doch der Vater stirbt, als Götz acht Jahre alt ist. Aus Torsten Körners Biografie „Mit dem Leben gespielt“ geht hervor, dass Götz das als Befreiung empfand: „Ich war deshalb sogar erst einmal erleichtert, als es hieß, er kommt nicht mehr zurück, weil ich jetzt keine Schläge mehr fürchten musste.“ Der Vater hat ihn mit der Reitpeitsche verprügelt. FILMDEBÜT MIT ROMY  Im Jahr 1950 steht der Sohn als Hirtenjunge in dem Stück „Mein Herz ist im Hochland“ erstmals auf der Bühne des Berliner Hebbel Theaters, lispelt ein wenig „wegen dem Stress“ und bekommt Magenprobleme. Doch die bekommt er in den Griff. Schon mit 13 ist er in dem Stück „Wilhelm Tell“ zu sehen. Dann geht es Schlag auf Schlag, denn Theaterstücke und erste Filmauftritte wechseln sich ab. Anfangs sind es vor allem Komödien, Krimis, Schulund Liebesgeschichten, eben die Genres, die das vom Krieg gebeutelte deutsche Publikum benötigt, um die Entsagungen zu vergessen. „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“ wird 1953 sein erster Film, an der Seite von Debütantin Romy Schneider. Zwischen 1953 und 1968 dreht er mehr als zwei Dutzend Filme, doch es sind auch Ausnahmen dazwischen, die schon darauf hinweisen, dass Götz George mehr sein will als ein weiterer Unterhalter. Außerdem wird er 1967 Vater. Ein Jahr zuvor hat er bei den Dreharbeiten des Films „Liebe will gelernt sein“ die Kollegin Loni von Friedl kennengelernt. Die Beziehung, die zehn Jahre hält, führt anfangs dazu, dass er mehr Rollen annimmt als er mag, um die Familie zu er-

nähren. 1968 dreht er allein fünf Filme, doch dann konzentriert er sich mehr auf einige wenige Werke, lehnt 1972 eine Rolle bei Rainer Werner Fassbinder für die TV-Serie „Acht Stunden sind kein Tag“ ab, weil der Regisseur sich seinen Änderungswünschen gegenüber taub stellt. Anfang der 80er Jahre tritt der Ruhrpott-Bulle Horst Schimanski in sein Leben und macht ihn fortan zum TV-Helden. Das war auch bitter nötig, denn zuvor, so enthüllt Torsten Körner, musste George sogar zum Arbeitsamt, um nicht mittellos zu sein. Schauspielerkollege Helmut Stauss machte ihm Mut, dort hin zu gehen. George hastete mit dunkler Sonnenbrille über den Flur, als er aufgerufen wurde, um nicht erkannt zu werden. In den 80ern dachten viele, George ist Schimanski. „Er hat diesen Rockercharme, ist wortkarg, hat seine beige Jacke, trinkt Dosenbier und agiert am Rande der Legalität“, beschreibt George seine Figur und ergänzt: „Ich bin ein kommunikativer, kein kalter Mensch, ich bin kein Einzelgänger und fahre gern ans Meer. Schimanski ist anders als ich. Der ist eher schlapp und pumpt sich auf. Schimanski muss sich ständig beweisen, George nicht. Schimanski war für mich eine belastbare Figur, über die man sehr viel transportiert hat politisch wie sozialkritisch. Und man kann bei den Filmen viele soziale Dinge einflechten.“ Doch die Körperlichkeit bleibt. Stunts lehnt er ab. In den bislang 29 „Tatort“-Folgen, den zwei Spielfilmen („Zahn um Zahn“ und „Zabou“, 1985 und 1987) und 17 „Schimanski“-Filmen, dessen jüngstes Werk mit dem Titel „Loverboy“ im Frühjahr 2014


Götz George, hier bei einem Wien-Besuch anläßlich der RomyVerleihung 2009

Tuma

gezeigt wird, bekommt er diverse Kratzer ab, musste sogar Brüche verkraften und isst auch mal bis zu zwölf rohe Eier wenn es die Szene erfordert. George hat sich nie geschont. Bis zu 120 Liegestütze sind sein tägliches Pensum. Er ist Vegetarier, treibt viel Sport und schreibt Tagebuch. Im April und Mai 2007 musste er eine Herzoperation über sich ergehen lassen und kommentierte ironisch, dass „ja nur ein Schlauch ausgetauscht werden musste, aber nicht der Motor.“ „Das liebenswerte Rauhbein“, lautet der Untertitel einer Biografie über ihn, die den Mann ganz treffen beschreibt. Kritisch macht er sich über Moderatoren lustig, wenn er denn schon mal in die Öffentlichkeit geht. Doch diese Auftritte sind selten, weil er selbst zu nervös ist und vordringlich über seine Arbeit spricht und nicht über sich selbst. Insider berichten davon, dass er zuweilen klitschnass geschwitzt ist, wenn er Interviews geben muss. KEINE ANGST VOR GÖTZ  „Götz George, das ist der große Bruder mit Herz - und mit breiten Schultern dazu, zum Anlehnen“, schrieb Alice Schwarzer 1994 und fügte hinzu: „Vor Götz George haben die Frauen keine Angst. Das ist es, was sie anmacht.“ Doch zwei Jahre später wären diese breiten Schultern beinahe nie wieder irgendwo aufgetaucht, denn am 30. Juli 1996 wird er bei einem Badeunfall vor Sardinien schwer verletzt, als ein Bootsfahrer ihm seinen linken Fuß aufschlitzt und das Knie zertrümmert. Erst nach mehreren Operationen war klar, dass George gerettet werden kann, und erst vier Jahre später wurde ihm in einem Prozess Schadensersatz in voller Höhe zugesprochen. Seit vielen Jahren hat George ein Haus in Sardinien und pendelt zwischen Hamburg, wo seine Freundin, die Journalistin Marika Ullrich lebt, und seiner Geburtsstadt Berlin. „Kein Handy, kein Computer und der Fernseher ist kaputt. Das ist alles nicht wichtig. Du musst dich auf dich selber konzentrieren“, sagte er mal zu seinem abgeschiedenen Leben auf Sardinien. Inzwischen hat George knapp 30 nationale und internationale Preise gewonnen. Dazu zählen drei Bambis, drei Grimme-Preise, zwei Goldene Kameras und ein Silberner Löwe als bester Schauspieler bei den Filmfestspielen in Venedig für „Der Totmacher“. Gerade hat er in einem Interview bekannt gegeben, dass er für weitere Einsätze als „Schimanski“ zur Verfügung steht, wenn die Bücher gut sind – und für weitere spannende Projekte sowieso. „Ich kann ohne die Schauspielerei nicht leben. Es ist für mich ein bisschen wie Sauerstoff“, hat er vor einigen Jahren gesagt. Wie schön, dass er sich noch nicht zur Ruhe setzt. PS: Was Götz George verwehrt blieb, gelang übrigens seinem Bruder Jan. Er spielte tatsächlich Rollen bei Fassbinder. Und noch etwas verbindet die beiden: Die graue Jacke, die wesentlich zur Definition des Kommissars Schimanski beitrug, stammt aus Jans Schrank. Sie wurde nur etwas kleiner gemacht.  Siegfried Tesche

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am set

„DAS FINSTERE TAL“: Regisseur

Fotos: Allegrofilm/Petro Domenigg

Andreas Prochaska verfilmt einen Alpen-Western mit Sam Riley, Tobias Moretti und Erwin Steinhauer. Prochaska und Produzent Helmut Grasser über das Mammut-Projekt

Greider (Sam Riley) kommt als Fremder in ein Hochtal und lernt dort Luzi (Paula Beer) kennen

Ein Film für

grosse BUBEN 34

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E Es werden die Colts rauchen und die Pferde wiehern in diesem Film. Es wird wenig gesprochen und viel geschaut. „Im finsteren Tal“ wird, wenn es nach der Vorstellung von Regisseur Andreas Prochaska geht, ein „AlpenWestern“. Prochaska macht damit erneut den Versuch, ein per se ur-amerikanisches Genre in unsere Breiten zu transferieren, so wie ihm das schon mit seinen beiden „In 3 Tagen bist du tot“-Filmen im Horror-Genre vortrefflich gelang. Diesmal also ein Western. „Der Western war meine erste filmische Sozialisation“, sagt Prochaska. „Ich bin aufgewachsen mit Serien wie ‚Bonanza’ und der erste Kinofilm, an den ich mich erinnern kann, ist ‚Der Schatz im Silbersee’“. Ein Bubentraum? „Mit Sicherheit“. Das sieht auch Helmut Grasser, Produzent der Wiener Allegro-Film so: „Bei ‚In 3 Tagen’ wollten wir einen Film machen, der unseren Kids gefällt. ‚Das finstere Tal’ ist jetzt der Film für uns. Ein Film für große Buben“, scherzt Grasser. Die österreichisch-deutsche Koproduktion, die federführend von Allegro und zu 49 Prozent von X-Filme hergestellt wird, ist mit 6,5 Mio. Euro Budget eines der teureren Projekte der letzten Jahre. „Hanekes Filme kosten noch mehr“, sagt Grasser, „aber die sind überwiegend mit französischen oder deutschen Geldern produziert. Bei ‚Das finstere Tal’ ist es eine mehrheitlich österreichische Produktion“. Der Film, den Prochaska Ende Mai nach 44 Drehtagen in Bayern, Südtirol und Salzburg abgedreht hat, ist 1875 angesiedelt. Ein Fremder namens Greider, der aus den

Erwin Steinhauer (oben) als Pfarrer, Hans-Michael Rehberg (unten) als der „Brenner-Bauer“

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am set

Konflikte spitzen sich zu, und es sprechen auch die Waffen: Links Sam Riley, rechts Tobias Moretti als Sohn des Brenner-Bauern

USA stammt, aber deutsche Vorfahren hat und deshalb auch Deutsch spricht, kommt vor Einbruch des Winters zu Pferd und mit einem Maultier im Schlepptau in ein Hochtal, in dem der mächtige Brenner-Bauer und seine sechs Söhne das Sagen haben. Greider will hier Fotos machen, so genannte Daguerreotypien, und richtet sich mit Erlaubnis des Brenner-Bauern bei der Witwe Gader und ihrer hübschen Tochter Luzi ein. Die soll heiraten, was durch den plötzlichen Tod eines der Brenner-Söhne fast vereitelt wird. Als ein weiterer Brenner-Bub stirbt, begreift der Vater mehr und mehr, dass Greider sein schreckliches Geheimnis kennt. Greider ist nicht wegen der Schönheit der Natur hier, sondern wegen - Vergeltung. KAMPF UM DIE RECHTE  Der Alpen-Western beruht auf dem Roman von Thomas Willmann, hinter dessen Rechte auch andere her waren. „Als Andreas den Roman entdeckte, wollte er sofort die Rechte erwerben“, erzählt Produzent Grasser. „Das Problem war, dass bereits die halbe deutsche Filmbranche hinter dem Buch her war“. Autor Willmann ließ sich aber nicht von groß budgetierten Produktionsfirmen blenden, sondern wollte sicherstellen, dass die Verfilmung in den Händen eines Regisseurs landet, der mit dem Stoff umzugehen weiß. „Es ging ihm nicht zu sehr um Geld, denn da hätten wir mit den

deutschen Produzenten nicht mithalten können“, ist Grasser überzeugt. Anfangs sollte Willmann auch beim Verfassen des Drehbuchs dabei sein, letztlich schrieben es Prochaska und Martin Ambrosch aber ohne Mitwirkung des Autors. „Mir war klar: Wenn ich diesen Film mache, dann muss es mein eigenes Ding werden“, sagt Prochaska. „Ich denke, der Romanautor ist auf jeden Fall zu nah dran an seinem eigenen Stoff. Er hat das eingesehen und mir vertraut. Wichtig war ihm, dass der Geist des Buches erhalten bleibt“. BESETZUNGS-COUP  Ein besonderer Coup ist der Produktion bei der Besetzung der Hauptrollen gelungen: Als US-stämmiger Greider ist der britische Schauspieler Sam Riley („Control“) zu sehen, der - auch dank seiner Beziehung zur deutschen Schauspielerin Alexandra Maria Lara - die deutsche Sprache beherrscht. „Ich suchte lange auf englischen Agenturseiten nach jemandem, der unsere Sprache mit einem englischen Akzent spricht. Als ich auf das Foto von Riley stieß, wusste ich, dass er der Richtige für die Rolle war. Er hat etwas von Alain Delon in ‚Der eiskalte Engel’ an sich, und genau so jemanden brauchte ich: Einer, der schon rein äußerlich mehrere nicht gleich durchschaubare Schichten mitbringt“.

„Der Western war meine erste filmische Sozialisation. Ich bin aufgewachsen mit Serien wie ‚Bonanza’ und der erste Kinofilm, an den ich mich erinnern kann, ist ‚Der Schatz im Silbersee’“ regisseur Andreas Prochaska

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Prochaska schickte Rileys Agentur das Drehbuch, doch die sagte postwendend ab. Erst, als sich der deutsche Koproduzent XFilme einschaltete und Riley das Drehbuch persönlich zu lesen bekam, klappte es. „Riley hat dann sofort zugesagt“, erzählt Helmut Grasser. Auch die weiteren Rollen sind hochkarätig besetzt: Als Brenner-Bauer ist Hans-Michael Rehberg zu sehen, Tobias Moretti ist der Älteste der Brenner-Söhne, und Erwin Steinhauer spielt den Dorfpfarrer. „Steinhauer ist wunderbar, ich habe mit ihm bereits drei Filme gedreht, und finde seine enorme Leinwandpräsenz unglaublich“, sagt Prochaska. Für die Rolle musste Steinhauer ein halbes Jahr mit Glatze und Bart herumlaufen. Tobias Moretti wiederum „ist charismatisch und männlich zugleich, und passt perfekt in die Bergwelt. So etwas gibt es sehr selten“, ist


Fotos: Allegrofilm/Petro Domenigg; Tuma

Logistisch aufwändig: 34 der insgesamt 44 Drehtage filmte die Crew im Freien in Bayern, Südtirol und Salzburg

Prochaska sicher. „Ein Western steht und fällt mit seiner Besetzung“. Prochaska hat einen dialogarmen Film gedreht, der seine Spannung durch die Blicke und Gesten der Figuren erzeugen will. „Natürlich gibt es auch die genreimmanenten Pferdeszenen und Schießereien. Aber die Spannung liegt in den Gesichtern“. Geprobt wurde im Vorfeld allerdings kaum. „Es macht wenig Sinn, solche Blicke und Gesten in einem Besprechungszimmer zu proben, denn erst oben auf der Alm sind die Schauspieler in ihrem Kostüm und in der richtigen Umge-

bung, um entsprechend spielen zu können“, meint Prochaska. KEIN SPAGHETTIWESTERN  Jetzt, nach den anstrengenden Dreharbeiten mit 34 (von insgesamt 44 Tagen) Außendreh, zieht sich Prochaska in den Schneideraum zurück. Der Film soll Anfang 2014 in die Kinos kommen. Prochaskas Bubentraum ist in Erfüllung gegangen, die Arbeit an der Zusammenstellung des Films liegt aber noch vor ihm. „Ich wollte das Projekt auf keinen Fall wie einen Spaghettiwestern anlegen“, sagt er. „Das

sind Filme, in denen alle so tun, als wären sie Amis. Stattdessen bot sich die Kombination des Genres mit lokalen, österreichischen Elementen in diesem Fall geradezu an“. Western sind im Kino rar geworden, auch, wenn Tarantino mit „Django Unchained“ erst zu Jahresanfang das Genre ordentlich wiederbelebte. „Bei Tarantino steht aber eindeutig die Verneigung vor der Geschichte des Western-Genres im Vordergrund, während mir von Beginn an die Idee einer Verschränkung von Elementen des Genres und dem Leben in den österreichischen Alpen gefiel. Mir ging es darum, den richtigen Grad zwischen Stilisierung und Authentizität zu finden“. Zugleich aber hat Prochaska auch auf ein wenig Tiefgang geachtet. „Je länger man sich mit der Geschichte beschäftigt, desto mehr Schichten entdeckt man unter der Oberfläche“, sagt er. „Wenn es gelingt, das rüberzubringen, dann ist es eine wirklich gute Geschichte“. Ob das im Fall von „Das finstere Tal“ klappt, kann Andreas Prochaska durchaus selbst überprüfen. „Ich habe ja einen Teil des Zielpublikums bei mir zu Hause“, lacht er. „Ich frage meine Söhne immer wieder, was sie über meine Drehbücher oder Filme denken und hole mir so wertvolle Anregungen“, sagt er. Und ist sich sicher, dass das Publikum großes Interesse an einem Alpen-Western hat, denn: „Als ich meinen Söhnen das erste Mal erzählt hatte, dass ich an einem Western arbeite, meinten sie nur: ‚Geil!’“  Matthias Greuling

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Beim 66. Filmfestival von Cannes siegte eine erotische Liebesgeschichte zwischen zwei Mädchen. Das hatte aber nichts mit der französischen Debatte um die HomoEhe zu tun, denn politisch ist dieses Festival nicht. von matthias greuling

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n Frankreich gibt es seit Wochen hitzige Debatten. In Paris gehen Hunderttausende auf die Straßen. In jedem Bus und in jeder U-Bahn, beim Bäcker, in der Kirche und natürlich im Café diskutieren die Menschen derzeit nur ein Thema: Die Homo-Ehe, vom Kabinett Hollande beschlossen, sie darf und kann so nicht kommen. Sagen die einen. Oder eben: Die Homo-Ehe, sie MUSS kommen dürfen. Sagen die anderen. Was das mit dem Filmfestival von Cannes zu tun hat, wenn im Staate der „Egalité“ die Wogen hochgehen? Bei den 66. Filmfestspielen wurde der Film „La vie d’Adèle“ von Abdellatif Kechiche mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. Es geht darin um die Liebe zwischen zwei Frauen, mit Sexszenen, die man lange nicht so explizit gesehen hat. Kein flammendes Plädoyer für die gleichgeschlechtliche Liebe, sondern eine ungemein sinnliche Filmerfahrung.

Die Goldene Palme, erstmals also eine politisch motivierte Auszeichnung, wie das die Berlinale so gern tut? Bei genauerer Betrachtung hält dieses Urteil nicht stand. Steven Spielberg, dem Jury-Präsidenten, hatte man eigentlich nicht zugetraut, dass er diese Palme verleihen würde. Spielberg gilt als Konservativer, was sich in seinen durchwegs prüden Filmen widerspiegelt. Doch bei der Preisverleihung stieg ihm keinerlei Schamesröte ins Gesicht. MEISTERSTÜCK  „La vie d’Adèle“ folgt der

18-jährigen Adele (Adèle Exarchopoulos), für die es eigentlich klar ist, dass Mädchen mit Burschen ausgehen – bis sie die extrovertierte Emma (Léa Seydoux) kennen lernt, die ihr beibringt, die eigenen Bedürfnisse zu erforschen. „Es ist die Geschichte einer absoluten Liebe zwischen zwei Frauen“, sagt Kechiche. Wer frühere Arbeiten von Kechiche kennt, etwa „Couscous mit Fisch“ oder den wunder-

baren „L’esquive“, der weiß, mit welcher Unmittelbarkeit sich der Filmemacher auf seine Themen stürzt. Er rückt seinen Protagonisten stets nah zu Leibe, um auch wirklich keine Regung in deren Gesichtern zu verpassen. Kechiche erzählt über diese kleinen Details ganz große Geschichten. Die drei Stunden von „La vie d’Adèle“ vergehen wie im Flug; es ist einer dieser Filme, bei denen man möchte, dass sie niemals aufhören. Das sexuelle Erwachen ist wieder ein großes Thema im Kino, besonders in Frankreich, wo das Lolita-Tum wie nirgends sonst traditionell ganz ohne Scham zelebriert wird. Auch François Ozon hat im Wettbewerb einen Film gezeigt, der sich damit befasst: In „Jeune & Jolie“ folgt er einer 17-Jährigen (Marine Vacth), die sich freiwillig prostituiert, um sexuelle Erfahrungen zu sammeln. Der Film erregte keine Empörung, wohl aber Ozons Aussage, dass „viele Frauen darüber phan-

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Foto: Alexander Tuma

Abdellatif Kechiche mit seinen beiden Hauptdarstellerinnen aus „La vie d‘Adèle“, Léa Seydoux (l.) und Adèle Exarchopoulos. Jury-Präsident Steven Spielberg verlieh die Palme ausdrücklich an alle drei, da Mehrfachauszeichnungen für einen Film in Cannes nicht möglich sind.

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filmzukunft tasieren, sich zu prostituieren. Begehrt und benutzt zu werden ist in der Sexualität nichts Neues. Es gibt eine Art von Passivität, nach der Frauen suchen“. Diese Aussagen zogen einen regelrechten Shitstorm in der französischen Presse nach sich. Ozon entschuldigte sich, er sei wohl missverstanden worden.

Foto: Festival de Cannes

Sinnlich: „La vie d‘Adèle“. Um dem Vorwurf der Pornografie zu entgehen, trugen die Darstellerinnen in den Nackt- und Sexszenen Vaginaprothesen, um de facto nicht nackt zu sein.

In Cannes steht dennoch die Filmkunst über dem Politikum, das zeigten die weiteren Preise. Der zweite Film, der sich mit Homosexualität befasste, Steven Soderberghs „Behind the Candelabra“ über den schwulen Las-VegasStar Liberace (Michael Douglas) und seinen Lover (Matt Damon), erwies sich als grandios gespieltes, sonst aber recht konventionelles TVMovie, und blieb ohne Preis. Also keine Tendenz zu einem Polit-Plädoyer. Der große Preis des Festivals ging an die Brüder Joel und Ethan Coen für „Inside Llewyn Davis“, eine stimmige und launige Auseinandersetzung mit der Folk-Musikszene im New York der 60er Jahre. Als besten Darsteller kürte man den 76-jährigen Bruce Dern (Vater von Laura Dern), der in Alexander Paynes Schwarzweiß-

Drama „Nebraska“ die Rolle eines zerstreuten Vaters spielt. Als beste Schauspielerin wurde Bérénice Bejo für Asghar Farhadis Ehedrama „Le passé“ ausgezeichnet, bester Regisseur wurde der Mexianer Amat Escalante für seinen Film „Heli“. Der Preis der Jury ging nach Japan an Kore-Eda Hirokazu für „Like Father, Like Son“. Jia Zhangke wurde zurecht mit dem Preis für das beste Drehbuch zu „A Touch of Sin“ ausgezeichnet, ein Film, der die wachsende Gewaltbereitschaft im modernen China nicht beim Regime, sondern bei den Menschen selbst verortet. Spielberg und seine Jury (der auch Christoph Waltz angehörte) haben sich auf die Filmkunst konzentriert, und es ist bloß Zufall, dass der beste Film dieses sonst durchschnittlichen Wettbewerbs zufällig mit dem Thema HomoEhe korreliert. Am Ende bleibt Cannes nämlich das, was es immer war: Ein Festival, das den Film feiert, ein Glamour-Schaulauf, der mit Politik und gesellschaftlichen Tendenzen wenig zu tun haben will. Anders gesagt: In Cannes wird gerne das gefeiert, wogegen man in Paris auf die Straße geht. 

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kechiche im gespräch

Monsieur Kechiche, „La vie d’Adèle“ basiert auf der Graphic Novel „Blue Angel“ von Julie Maroh. Wie kamen Sie auf die Idee, einen Film daraus zu machen? Abdellatif Kechiche: Der Film hat nur am Rande mit der Graphic Novel zu tun, denn er basiert auch auf einer alten Idee von mir, die ich seit meinem Film „L’esquive“ (2003) mit mir herumtrage: Ich hatte die Idee zu einem Film über eine französische Lehrerin mit großer Leidenschaft fürs Theater. Ich wollte eine Frau zeigen, die mit Passion für ihren Job lebt, die zugleich aber in ihrem Privatleben mit Beziehungen und enttäuschten Lieben hadert. Ich hatte bei „L’esquive“ viele Lehrerinnen kennen gelernt, die den Beruf als eine Art Berufung sahen, das hat mich bewegt. Aber das Drehbuch zu diesem Projekt kam niemals wirklich vom Fleck. Erst, als ich die Graphic Novel von Julie Maroh entdeckte, sah ich die Chance, das Projekt doch noch zu verwirklichen: Es ist einerseits die Geschichte zweier Frauen, die sich unendlich lieben, und zugleich ist es die Geschichte einer jungen Frau, die Lehrerin werden will. Der Film fokussiert dennoch stark auf die Liebesgeschichte zwischen den Frauen. Wenn man eine solche Lovestory erzählt, muss man mit seinen beiden Schauspielerinnen auf das Intensivste zusammenarbeiten. Diese Art der intimen Arbeit fasziniert mich, und sie wird für meine Filme immer wichtiger. Ich fragte mich selbst, was an der Geschichte mich am meisten begeistert hat: Die nackten Körper? Ich weiß es nicht, gut möglich. Nach welchen Kriterien haben Sie Ihre beiden Darstellerinnen ausgewählt? Zuerst sprach ich mit Léa Seydoux über die Rolle der Emma, denn sie teilt mit dieser Figur ihre Schönheit, die Stimme, die Intelligenz und den Freiheitsgedanken. Aber was mich letztlich überzeugt hat, ist, wie sehr Léa sich selbst in die Welt einbringt, in der sie lebt. Sie hat ein Gefühl für soziale Zusammenhänge, ist immer hellwach und bemerkt, was um sie herum geschieht. Und sie besitzt eine gewisse Melancholie, die ich für den Part suchte. Und Adèle Exarchopoulos? Wir machten ein großes Casting, und ich wählte Adèle gleich in dem Moment, als ich sie das erste Mal sah. Dann traf ich sie zu einem Lunch, und sie bestellte einen Zitronenkuchen. Als sie ihn aß, dachte ich: „Das ist sie, das ist Adèle“. Es war die Art, wie sie den Kuchen aß, wie sie dabei ihren Mund bewegte und wie sie kaute. Ihr Mund ist ein

wichtiges Element im Film, denn damit provoziert sie sehr viele Gefühle und Reaktionen. Es ist doch immer ein Teil eines Gesichts, der uns besonders berührt: Die Nase, die Augen, der Mund. So begann alles. Wieso haben Sie den Namen ihrer Rolle von Clémentine in Adèle geändert? Ich wollte, dass meine Schauspielerin auch im Film ihren echten Namen behält. Ich glaube, das half ihr, in die Figur zu finden. Und natürlich gefiel mir auch sehr, dass Adèle auf Arabisch „Gerechtigkeit“ bedeutet. Gerechtigkeit ist ein wichtiger Aspekt aller ihrer Filme, vor allem in sozialer Hinsicht. Auch hier treffen zwei Mädchen aufeinander, die aus komplett unterschiedlichen sozialen Klassen kommen. Das ist in der Tat ein wichtiges Thema für mich, beinahe schon eine Obsession. Wo liegt der soziale Unterschied? Ich glaube, das ist ein Finger am Puls einer Welt, der ich mich zugehörig finde, und der auch Adèle angehört: Die Arbeiterklasse. Emma hingegen gehört zu einer Elite, sie ist intellektuell und künstlerisch veranlagt. Beide Figuren sind letztlich in ihrer Klasse gefangen. Die Schwierigkeiten, die beide mit ihrer Beziehung haben, kommen aus diesen sozialen Unterschieden. Und ihre Homosexualität? Ich habe nie gedacht, einen Film über zwei Lesben zu machen, sondern eher, einen Film über ein Paar. Ich erachtete es nicht als nötig, Spezifisches über Homosexualität zu sagen. Sie sind ein arabisch-stämmiger Franzose, und in vielen arabischen Ländern wird Homosexualität keineswegs als selbstverständlich betrachtet. Als ich den Film abgedreht hatte, dachte ich: „Er wird der tunesischen Jugend richtig gut tun“. Eine Revolution ist niemals abgeschlossen, wenn es nicht auch eine sexuelle Revolution gibt. Die Sexszenen sind zentraler Bestandteil des Films. Worauf haben Sie geachtet? Mir war wichtig, alles so zu filmen, dass ich es als schön empfand. Wir drehten die Sexszenen also so, als wären sie Gemälde oder Skulpturen. Wir verbrachten viel Zeit damit, das richtige Licht zu setzen, der Rest der Choreografie ergab sich ganz natürlich. Ich wollte ästhetisch bleiben, ohne die sexuelle Dimension zu verlieren. Wir hatten im Vorfeld viel über die Sexszenen gesprochen, aber das führte zu nichts. Manchmal ist es wichtiger, nicht alles zu intellektualisieren, sondern sich mehr auf seine Intuition zu verlassen. 

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Fotos: Festival de Cannes, Greuling, StudioCanal

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Joel und Ethan Coen gewannen in Cannes den Großen Preis der Jury für „Inside Llewyn Davis“, eine Hommage an die Folk-Musikszene im New York der 1960er Jahre, aus der auch Bob Dylan hervorging. Zur Besetzung gehören Oscar Isaac (links) und Justin Timberlake (Mitte)

joel & ethan coen im rausch des folk

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in erfolgloser Musiker (Oscar Isaac), seine Ex-Freundin (Cary Mulligan), ein eifriger Musikerkollege (Justin Timberlake) und die rauchige Atmosphäre der Clubs im New Yorker Greenwich Village des Jahres 1961: Damit ist die Zutatenliste für den neuen Film der Regie-Brüder Joel und Ethan Coen fast komplett. Es braucht noch eine quirlige Katze mit rotem Fell, die „Inside Llewyn Davis“ zu dem außergewöhnlichen Film über die Folk-Musik der 60er macht, der er ist. „Manchmal beschweren sich die Leute, dass unsere Filme keine Handlung hätten. Das ist der Grund, weshalb wir den Part mit der Katze reingeschrieben haben“, sagt Joel Coen, nicht ganz im Ernst. Aber Ernst ist sowieso nicht die bisherige

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Domäne der Coens gewesen. Ihre Lust am Sarkasmus gibt es auch in „Inside Llewyn Davis“, doch diesmal schaffen sie eine Balance aus Humor und Ernsthaftigkeit, wie man sie in noch keinem Coen-Film gesehen hat. Es ist die Zeit, in der in den Clubs von Greenwich Village Legenden wie Bob Dylan aus der lebhaften Folk-Musikszene geboren wurden. Der Film folgt dem Sänger Llewyn Davis, der mit viel Inbrunst und Leidenschaft an seiner Musikkarriere arbeitet, dem aber letztlich trotz seiner wunderbaren Songs und der Qualität seines Könnens der Aufstieg aus den Hinterhof-Clubs verwehrt bleibt. Eine entlaufene Katze, die die Dramaturgie des Films bestimmt (und möglicherweise auch die Zukunft des Protagonisten), sowie eine wunderbare Jam-

Session zwischen Isaac und seinem Musikerkollegen im Film, gespielt von Justin Timberlake, gehören zu den Highlights des Films. „Inside Llewyn Davis“ ist auch voller herausragender Songs, aber letztlich geht es um das Scheitern in einem erbarmungslosen Geschäft: Für eine Karriere im Musikbusiness braucht es mehr als Talent, wie auch Justin Timberlake bestätigt: „Ich habe in dem Business so viele tolle Talente getroffen, die es nie nach oben geschafft haben. Ich war oft am richtigen Ort und traf dort die falschen Leute. Ich war aber auch am falschen Ort und traf dort die richtigen. Letzteres kann eine Musikkarriere ermöglichen“. Für Llewyn Davis bleibt diese Karriere ein Wunschtraum. Aber er wird weiterspielen. 


bertolucci fühlt sich immer noch jung

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r war der Regisseur von Skandalfilmen und Meisterwerken: Bernardo Bertolucci, 72, hat Filme wie „1900“, „Der letzte Tango in Paris“ oder „Prima della Revoluzione“ gedreht, und jetzt erscheint sein episches Drama "Der letzte Kaiser" in einer neu gestalteten 3D-Fassung. In Cannes stellte Bertolucci den Film voller Enthusiasmus vor. Ein neues Projekt hat er auch schon im Kopf und im August wird er als Jury-Präsident beim Filmfestival von Venedig fungieren. Bertolucci, der seit einer misslungenen Rückenoperation im Rollstuhl sitzt, empfängt uns gut gelaunt zu einem Gespräch im Hotel Carlton in Cannes. celluloid: Herr Bertolucci, war es Ihre Idee, "Der letzte Kaiser" als 3D-Version herauszubringen? Bernardo Bertolucci: Nein, es waren die Produzenten, die auf mich zukamen. Aber ich bin ein großer Fan von 3D-Filmen. Ich wollte ja schon meinen letzten Film ‚Io e te‘ in 3D drehen, aber damals kam das Budget dafür nicht zustande. Außerdem improvisiere ich sehr gerne beim Drehen, und das lässt das 3D-Equipment einfach nicht zu. Es ist zu unflexibel, und jede Einstellung muss millimetergenau geplant werden. Aber ich bin überzeugt davon, dass 3D dem Kino wirklich etwas Neues bringt, wenn man es richtig einsetzt. Die Illusion von Tiefe kann eine weitere Erzählebene sein, die es bisher so nicht gab. Sie haben am Wochenende der CannesPremiere von "Der letzte Kaiser 3D" beigewohnt. Wie war das denn für Sie? Es war toll zu sehen, dass der Film 25 Jahre nach seinem Entstehen wieder zurück auf die Leinwand kommt. An dem Abend, als der Film in Cannes in einem Zeltkino Premi-

ere hatte, regnete es so stark, dass man die ganze Zeit über das Prasseln an der Saaldecke hören konnte. Das hat überraschend gut zu den dramatischen Momenten des Films gepasst. Wir waren dadurch beinahe schon in der vierten Dimension, man spürte den Film regelrecht. Sind Filme wie „Der letzte Kaiser“heute aus der Mode gekommen? Es gibt kaum noch Epen dieses Ausmaßes… „Der letzte Kaiser“ war noch einer dieser großen, epischen Filme, bei denen es Massenszenen mit tausenden Statisten gab. Heute weiß man in Hollywood nicht mehr, wie man große Epen erzählt. Ein Produzent aus Amerika hat mir nach der Premiere gesagt: Ich mag den Film, weil er mich an die Gründe erinnert, weshalb ich überhaupt Filme machen wollte. Der Umstand, dass der Film heute als Klassiker gilt, macht mich sehr froh. Aber es macht mich natürlich auch ein bisschen älter (lacht). Spüren Sie immer noch die Leidenschaft fürs Filmemachen? Ja, ich fühle mich noch sehr jung, was meine Gedanken betrifft. Ich bereite ein neues Projekt vor, oder besser gesagt, ich forme gerade einige Ideen dafür zurecht. Seit ich nicht mehr gehen kann und auf den Rollstuhl angewiesen bin, sind neue Projekte allerdings schwieriger geworden. Anfangs konnte ich mit dieser Situation gar nicht umgehen, und dachte: Jetzt ist es vorbei. Jetzt wirst du nie mehr einen Film machen können. Man kann im Rollstuhl ja nicht wirklich durch die Kamera schauen. Erst, als ich meine Situation akzeptiert hatte, war ich in der Lage, "Io et te" zu machen, der im Vorjahr erschienen ist. Können Sie einen Film aus Ihrem Schaffen nennen, den Sie selbst besonders gerne sehen? Demnächst aufgemotzt als 3D-Version: Bertoluccis „Der letzte Kaiser“ (1987)

Unser Video-Interview mit Bernardo Bertolucci finden Sie unter http://tinyurl.com/n6tuzca

Ich schaue mir meine Filme niemals an. Wenn Sie mich über meine Filme fragen, kann ich nur aus der eigenen Erinnerung antworten. Manchmal kommt es vor, dass ich Filme verwechsle. Aber ich schaue sie nicht an. Ich würde nur die Fehler finden und außerdem finde ich es gut, wenn man eine gewisse Distanz zum eigenen Werk hat. Welche Erinnerungen haben Sie noch an "Der letzte Tango in Paris"? Der Film war 1972 ein Riesenskandal! Ich habe das nie verstanden. Ich wurde in Italien zu zwei Monaten Haft verurteilt. Das war für mich fast wie eine Auszeichnung! Aber die Zeiten damals waren anders. Ich selbst war manchmal meiner Zeit voraus, aber noch viel öfter hinkte ich der Zeit hinterher. Überhaupt heute, wo alles so schnelllebig geworden ist. Im August werden Sie Jury-Präsident beim 70. Filmfestival von Venedig sein. Was reizt Sie daran? Ich hoffe, dort viele neue Talente zu entdecken, die mir zeigen, was sie können. Es ist sehr schwierig, die heutige Zeit adäquat einzufangen und auf die Leinwand zu bringen. Deshalb freue ich mich so sehr auf diese Aufgabe und all die Filme. Und ich glaube nach wie vor an die Jugend. Nur sie kann unsere Welt verändern, davon bin ich überzeugt. 

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Fotos: Festival de Cannes (2); Alexander Tuma (2)

blutkonserven

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annes konnte dieses Jahr mit außergewöhnlichen Arbeiten zweier arrivierter Filmemacher aufwarten. Jim Jarmuschs „Only Lovers Left Alive“ erwies sich als vielschichtige Vampir-Farce, während Roman Polanski mit „Venus in Fur“ eine simple, aber umso geschicktere Heirat aus Theater und Kino herstellt. Beiden Regisseuren merkt man an, dass sie mit ihrem Kino die Welt nicht (mehr) verändern wollen; sie machen sich fast schon einen Jux daraus, mit den Spielformen des Kinos jovial und durchaus auch trivial umzugehen. Jim Jarmuschs „Only Lovers Left Alive“ kam als letzter Film in den Wettbewerb von Cannes, sozusagen eine Nachreichung – in einen Wettbewerb, der bis zuletzt auf den großen Wurf warten ließ, den man in Cannes eigentlich erwartet (und auch immer wieder zu sehen bekam). Dieses Jahr kam er nicht. Jarmusch, dessen Ruf als Ausnahmeerscheinung im US-Independentkino von lange zurückliegenden Filmen wie „Stranger than

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Paradise“, „Down by Law“ oder „Night on Earth“ herrührt, findet mit der skurrilen Geschichte um ein Vampir-Pärchen zu alter Hochform zurück. Zwischen Detroit und Tanger, wo Jarmusch die Handlung ansiedelt, sind der Untergrund-Musiker und Gitarrensammler Adam (Tom Hiddleston) und seine Frau Eve (Tilda Swinton) stets darauf bedacht, ihren Konsum von Menschenblut aus sauberen Krankenhaus-Blutkonserven zu stillen. Man lebt ja schließlich im 21. Jahrhundert, da beißen Vampire keine Menschen mehr zu Tode! Bis Ava (Mia Wasikowska), die junge Schwester von Eve, auftaucht, die sich über einen Freund der Vampire hermacht. „You drank Ian! Get out of my house“, tobt Adam. Familienzank auf Vampirisch. Jarmusch inszeniert einen überaus leisen und langsamen Film; nichts hier ist dem vermeintlich zugrunde liegenden (Sub-)Genre des Vampirfilms geschuldet, alles ist ihm diametral entgegengesetzt erzählt, und selten – schon gar nicht im verstaubten „Twilight“ –

gab es lässigere Blutsauger. Jarmusch durchsetzt den Film mit unzähligen Anspielungen auf die Film-, TV- und Literaturgeschichte. Wenn Eva ins Flugzeug steigt – sie fliegt mit der „Air Lumière“ – dann nennt sie sich gerne Daisy Buchanan, eine schöne Anspielung auf „Der große Gatsby“. Und weil Vampire ja hunderte Jahre alt werden, gibt es hier sogar einen kurzen Auftritt von John Hurt in der Rolle von Christopher Marlowe, der auf Shakespeare schimpfen darf, weil sämtliche Stücke natürlich von ihm selbst stammten. Jarmschus „Only Lovers Left Alive“ ist ein leidenschaftliches Traktat über das Außenseitertum; die Vampire sind Metaphern für Ausbrecher aus einer kurzsichtig agierenden Gesellschaft. Der Film will Weitblick, eröffnet ihn aber – auch in seiner musikalischen Untermalung mit etlichen Vinyl-Raritäten – wirklich nur engmaschig eingeweihten Kennern. Und er ist ein Jux, wie auch jener von Polanski. Polanski hat mit „Venus in Fur“ den über-


und die lust am schmerz

Jim Jarmusch (links) spickt seinen Vapirfilm „Only Lovers Left Alive“ (ganz links) mit unzähligen Anspielungen auf die Film-, TV- und Literaturgeschichte. Roman Polanski (mit Ehefrau und Hauptdarstellerin Emmanuelle Seigner und Hauptdarsteller Mathieu Amalric) hat mit „Venus in Fur“ nach „Carnage“ erneut ein Theaterstück verfilmt; die sonst nicht gerade als WeltklasseSchauspielerin bekannte Seigner gibt darin souverän die Performance ihres Lebens

raschend launigen Schlusspunkt des sonst mediokren Wettbewerbs gesetzt. Es ist die Adaption von David Ives‘ Boulevard-Stück vom Broadway, das wiederum auf Leopold von Sacher-Masochs „Venus im Pelz“ von 1870 basiert, das seinerzeit einen unglaublichen Skandal auslöste: Die Macht- und Unterwerfungsphantasien, die Masoch darin veröffentlichte, begründeten schließlich den Masochismus-Begriff. Der Theaterregisseur Thomas (Mathieu Amalric) empfängt bei einem Casting widerwillig noch eine letzte Schauspielerin (Polanskis Ehefrau Emmanuelle Seigner), um eine selbst verfasste Adaption des MasochBuches für die Bühne zu besetzen. Bislang waren alle Kandidatinnen ungeeignet, doch Vanda scheint nicht nur durch ihre perfekte Kenntnis der Rolle wie geschaffen für den Part. In einer ständig zwischen Rollenauslotung und Inszenierung pendelnden Leseprobe lassen sich sowohl Amalric als auch Seigner mehr und mehr in die Figuren der

beiden sexuell aufgeladenen Protagonisten fallen, und Vanda kitzelt peu-a-peu Thomas‘ wahre Phantasien aus ihm heraus; Mehr und mehr vermischen sich die Bühnenrollen mit den Persönlichkeiten ihrer beiden Darsteller, und bald wird das Bühnenstück selbst zur sexuellen Obsession. Polanskis Regieeinfälle dazu reichen von der akzentuiert eingesetzten Musik bis hin zur Lichtstimmung auf der Bühne, die Vanda zur Verblüffung von Thomas stets der geprobten Szene anpasst. Kaminfeuer inklusive. ANSPIELUNGEN  In einer Szene spielt Polanski dann gar auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs an: Vanda macht Thomas den Vorwurf, seine Adaption handle von Kindesmissbrauch. Thomas verteidigt sich: „Ist denn heute alles gleich Kindesmissbrauch? Gibt es gar keine Zwischentöne mehr?“ Bei Polanski klingt das wie Ironie, aber auch wie ein Stück verschämte Selbstkritik.

Wie schon in „Der Gott des Gemetzels“ wahrt Polanski bei der Adaption dieses Stücks ebenfalls die Einheit von Zeit und Ort: Ein Film, der in Echtzeit über eine Pariser Theaterbühne geht. Man mag „Venus in Fur“ schon ab der allerersten Einstellung, in der eine Kamera zu einem Unwetter über einen leeren Pariser Boulevard schwebt, bis sie schließlich die Türen zum Theater aufstößt. Ab diesem Moment beginnt das raffinierte, temporeiche und mit glänzenden Dialogen ausstaffierte Verführungs- und Obsessionsspiel, das bei Polanski gar nicht theaterhaft, sondern überraschend filmisch aussieht. Preiswürdig erschien der Jury unter Steven Spielberg keiner der beiden Filme. Emmanuelle Seigner ist im Wechsel zwischen Schauspielerin und Bühnenfigur allerdings derart souverän, dass man ihr den DarstellerinnenPreis gegönnt hätte. Für Jarmusch wiederum hätte man einen eigenen Preis erfinden müssen: Jenen für die wohlschmeckendste Blutkonserve. 

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nicolas winding refn fällt in cannes durch

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valeria golino mit einem starken regiedebüt

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is Mitte der 90er Jahre gehörte sie zu den gefragtesten europäischen Schauspielerinnen im US-Kino: Valeria Golino, 46, wirkte in Filmen wie „Rain Man“, „Hot Shots 2“ oder „Leaving Las Vegas“ mit, ehe sich ihre Karriere wieder vermehrt in Europa abspielte. Jetzt hat die in Neapel aufgewachsene Tochter eines Italieners und einer Griechin ein neues Karriere-Kapitel aufgeschlagen und präsentierte in der Reihe „Un certain regard“ in Cannes ihr überaus gelungenes Regiedebüt „Miele“. Der Film, der um die „Camera d’Or“ für das beste Erstlingswerk konkurrierte, wird auch in Österreich zu sehen sein, ein Verleih hat sich bereits gefunden. „Miele“ erzählt von einer jungen Italienerin, die mit viel Demut und Nüchternheit einen belastenden und verbotenen Beruf ausübt: Irene (herausragend: Jasmine Trinca) gibt unheilbar Kranken Sterbehilfe. Mit einem Gift, das zum Einschläfern von Hunden dient, und das sorgfältig angerührt werden muss, damit es beim Menschen wirkt. Die Tragödie des freiwilligen Sterbens folgt dabei konkreten Regeln, die nicht gebrochen werden dürfen: Die Patienten müssen das Gift unbedingt selbst einnehmen, Angehörige dürfen es nicht verabreichen. Im Hintergrund läuft dabei jene Musik, die sich Irenes „Kunden“ wünschen. Golino findet für das schwierige und anstößige Thema in „Miele“ genau die

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richtige Mischung aus Nähe und Distanz, wunderbar verkörpert von der kühlen und zugleich herzlich-emotional agierenden Jasmine Trinca. Es ist ein Regiedebüt von großer inszenatorischer Dichte, in dem die für viele italienische Produktionen typische Verkitschung der Gefühle ausbleibt. Nur am Ende setzt Golino dann doch noch einige Noten zu viel in dieser ansonsten so stimmigen Sinfonie über die scheinbare Diskrepanz zwischen Leiden und Lebenslust. STERBEHILFE  „Das Thema Sterbehilfe ist derzeit im Kino sehr gefragt“, sagt Golino. „In Frankreich und Italien wird es stark diskutiert, auch in den Filmen, und letztlich ist selbst Hanekes ‚Amour‘ ein Beitrag dazu“. Golino, die sowohl das Drehbuch verfasste als auch Regie führte, wollte selbst aber nicht im Film mitspielen. „Ich habe eine Zeit lang überlegt, ob ich eine Rolle für mich darin sehe. Aber ich habe mich dagegen entschieden, denn ich wollte voll auf den Job hinter der Kamera fokussieren“. Insgesamt vier Jahre bereitete Golino den Film vor, „weil es vor allem sehr schwer war, eine Finanzierung auf die Beine zu stellen“, sagt sie. Das liege auch am Thema. „Niemand will sich gerne mit dem Sterben konfrontieren, deshalb ließen viele Produzenten die Finger von dem Projekt. Aber es ist wichtig und auch die Aufgabe des Kinos, unangenehme Themen zu verhandeln“. 

011 hat der Däne Nicolas Winding Refn mit seinem Film „Drive“ für großen Beifall in Cannes gesorgt und auch den Regiepreis gewonnen. Sein neuer Film „Only God Forgives“ war dieses Jahr im Wettbewerb zu sehen, und wie schon in „Drive“ spielt Ryan Gosling die Hauptrolle. Er ist Julian, ein Drogenschmuggler in Bangkok, der auch einen Thai Boxclub betreibt. Als sein Bruder (Tom Burke) ermordet wird, ermuntert ihn seine Mutter (Kristin Scott Thomas), Rache zu üben. „Only God Forgives“ ist ein Film voller expliziter Gewalt (mit einer ziemlich schwer anzusehenden Folterszene mit Haarnadeln), und die Rache für den Bruder bekommt eine schwer nachvollziehbare Dimension, wenn man erst einmal weiß, was dieser Bruder eigentlich angestellt hat. „Die Geschichte erzählt aber auch von einer schwierigen Mutter-Sohn-Beziehung, die verschiedene Stadien durchlebt – von Rache über Hass bis hin zu Liebe“, sagt Refn. VERSTÖRENDES MÄNNERBILD  Für Refn typisch ist auch in „Only God Forgives“ die Auseinandersetzung mit einem umfassenden, mitunter auch verstörenden Männerbild. „Ich sage immer, ich mache feminine Filme, weil ich auch ein sehr femininer Mann bin“, so Refn. „Aber am Ende sind meine Filme doch allesamt Männerfilme. Die Figur von Julian hängt immer noch an der Nabelschnur der Mutter, und sein Ziel im Film ist es, diese Nabelschnur zu durchtrennen, um endlich auf die Welt zu kommen“. Dass Refn erneut mit Ryan Gosling zusammenarbeiten wollte, liege vor allem an dessen Mut. Refn: „Ryan ist ein sehr unerschrockener Schauspieler. Die innere Reise, die er anstellt, um in seine Figur zu finden, kann kaum jemand so nach außen transportieren wie er. Außerdem ist Ryan sehr intuitiv. Das kommt mir entgegen, denn ich mag es nicht, zu proben. Ich sehe lieber zu und warte, was passiert. In dieser Hinsicht sind wir uns ziemlich ähnlich. Ich glaube, wir sind in Wahrheit Zwillinge, die bei der Geburt getrennt wurden“. Die Reaktionen auf „Only God Forgives“ waren in Cannes sehr heftig: Kaum ein Kritiker konnte sich für den Film erwärmen, die Mehrheit sprach sogar von einem völlig misslungenen Werk.  Ryan Gosling in „Only God Forgives“


bruni-tedeschi einzige frau im wettbewerb

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it „Un chateau en Italie“ war Valeria Bruni-Tedeschi in Cannes als einzige Frau im Rennen um die Goldene Palme dabei, und zwar in Personalunion als Hauptdarstellerin und Regisseurin. In ihrer dritten Regiearbeit reflektiert Bruni-Tedeschi zum Teil auch autobiografisch über ihr familiäres Umfeld. Es geht um den finanziellen Niedergang einer einst wohlhabenden norditalienischen Industriellenfamilie, die über die Nutzung des Familienschlosses debattiert – soll man verkaufen oder das Schloss für die Öffentlichkeit zugänglich machen? Und was geschieht mit dem im Familienbesitz befindlichen Brueghel-Gemälde? Louise (Bruni-Tedeschi) beginnt während der innerfamiliären Beratungen eine Annäherung an den Schauspieler Nathan (Louis Garrel), ein um etliche Jahre jüngerer Mann, dem Louise nur anfangs widerstehen kann.

Fotos: Festival de Cannes (3); Alexander Tuma

„ABBILD MEINES LEBENS“  „Die Geschichte ist ein ziemlich genaues Abbild meines Lebens“, sagt Bruni-Tedeschi. „Ich erzähle von den Menschen, die mich seit meiner Kindheit umgeben, ich reflektiere auch die Träume, die Wünsche, die Gedanken, die in meiner Familie vorkamen“. Mit „Un chateau en Italie“ ist Bruni-Tedeschi heuer die einzige Frau im Wettbewerb in Cannes (nachdem im Vorjahr kein einziger Film von einer Regisseurin zu sehen war). „Ich denke nicht in solchen Kategorien“, sagt Bruni-Tedeschi. „Ich denke nicht, dass es etwas damit zu tun hat, ob man eine Frau oder ein Mann ist. Es wäre toll, wenn wir uns von dieser Debatte lösen könnten. Das einzige, was wirklich zählt, ist doch der Film. Über den sollte man diskutieren, nicht über die Geschlechter“. Als Frau einen Film zu machen, sei nicht schwerer, nur weil man weiblich ist. „Einen Film zu drehen, das ist für jeden schwierig“. 

Valeria BruniTedeschi mit Louis Garrel (l.) und Filippo Timi in Cannes

soderberghs abschied mit brillantem douglas

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infach grandios: Steven Soderbergh hat, sozusagen als vorläufigen Schlusspunkt zu seiner Regie-Karriere (er verordnet sich eine Zwangspause), ein BioPic über den einstigen Las Vegas-Showstar Liberace gedreht. „Behind the Candelabra“ erzählt vom schrillen Leben des Bühnenstars, der sich zeitlebens nie getraut hat, ein Coming-Out als schwuler Mann zu wagen, und der 1987 an AIDS verstarb. Michael Douglas ist in der Rolle des Liberace derart großartig, dass man durchaus behaupten kann, es ist eine der besten Performances seiner Karriere. Erzählt wird die Love-Story zwischen Liberace und seinem bisexuellen jungen Freund Thorson (beeindruckend in seiner Körperlichkeit: Matt Damon) – eine Beziehung, die über sechs Jahre ging und die die Basis für die Verfilmung war. Thorson beschrieb in seinen Memoiren das Verhältnis zwischen ihm und Liberace als „Vater und Sohn, aber mit Sex“. „ZU SCHWUL“ FÜR HOLLYWOOD  Dementsprechend schillernd ist die Geschichte von „Behind the Candelabra“ auch inszeniert, wobei Soderbergh eher auf konventionelle TV-Optik denn auf Kinoopulenz

setzt. Das hat seinen Grund: Weil sich keine Hollywood-Studios für die Produktion fanden (einigen war der Stoff „zu schwul“, wie ein Insider verriet), wurde der Film vom US-Bezahlsender HBO produziert. Er wird deshalb weltweit ins Kino kommen, außer in den USA, wo er exklusiv auf diesem Kanal ausgestrahlt werden soll. In Cannes hatte Hauptdarsteller Michael Douglas Gelegenheit, sein Verhältnis zu der Geschichte zu erklären: „Ich traf Liberace einmal, als ich 12 war und er gerade meinen Vater besuchte. Er trat mit Goldketten behangen, einem großen Lächeln und viel Charme auf und fuhr im Rolls Royce vor. Er war so etwas wie der Erfinder von schrillen Vögeln wie Elton John oder Lady Gaga“. Schon vor etlichen Jahren wollte Soderbergh Douglas zu dem Filmprojekt überreden. „Ich sagte nein, danke, und vergaß es.“ Michael Douglas Stimme versagt kurz. Er hat Mühe beim Sprechen, aber vom Kehlkopfkrebs gilt er als geheilt. „Sieben Jahre später fragte er mich erneut. Das war gerade nach meiner Krebsoperation. Diesen Film zu drehen war ein schönes Geschenk, ich bin Steven sehr dankbar“.  Gunther Baumann

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filmzukunft

KNIEFALL VOR HOLLYWOOD  Am Programm der 66. Ausgabe des Festivals war das wieder überdeutlich abzulesen: Niemand hier war wirklich ein Cannes-Neuling im Bewerb um die Goldene Palme, und auch außerhalb des Wettbewerbs bemüht sich Cannes um die größtmögliche GlamourShow: Der Eröffnungsfilm kam vom australischen Bombast-Könner Baz Luhrmann, der hier schon 2001 mit „Moulin Rouge“ die Sinne taumeln ließ: „Der große Gatsby“, ein

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Alte Herren und neue Technik: Jury-Präsident Steven Spielberg und Festival-Präsident Gilles Jacob erfreuen sich an der Fotofunktion eines Smartphones

analyse cannes und die macht der gewohnheit Mega-Spektakel, das seine Premiere bereits eine Woche vor Cannes in New York hatte. Bei allen Hintergedanken, die Cannes bei Eröffnungsfilmen traditionell hegt (große Stars bedeuten flächendeckende Berichterstattung in den Medien) ist das immerhin eine Art Novum: Bisher war es für Jacob und Frémaux nämlich unabdingbar, dass Filme, die in Cannes gezeigt werden, Weltpremieren zu sein hatten; doch für das Kommen von DiCaprio und Co. machte man diesmal eine Ausnahme – und geht somit auch in die Knie vor den US-Studios, die sich dem Diktat der rigorosen Cannes-Regeln offenbar nicht mehr unterwerfen wollen: Es ist ein Wechselspiel der Kräfte. Cannes braucht Hollywood, und Hollywood braucht Cannes. Nur dass es derzeit so aussieht, als hätte Cannes da an Boden verloren. Es ist wie in Beziehungen: einer liebt immer mehr – und ist am Ende der Verlierer. Die Selbstverständlichkeit, mit der Cannes sein Programm füllt, läuft dem festivalei-

genen Statut, neue Wege in der Filmkunst zu fördern, zuwider. Die meisten Wettbewerbsbeiträge stammten von den üblichen Verdächtigen: Mag sein, dass darunter einige ganz passable und wenige sehr gute Arbeiten zu finden waren, jedoch stellt sich erneut heraus, was bereits im Vorjahr eines der drängendsten Probleme des Festivals war: Es ist – wie auch bei den Oscars – in Wahrheit eine Altherrenveranstaltung, die sich zum gemeinsamen Feiern ausgetretener Pfade versammelt. Vielleicht gilt das für Cannes im Speziellen und für das Filmschaffen im Allgemeinen: Im sich selbst perpetuierenden System der Dominanzen in einer hierarchisch wenig demokratischen Branche kann die Innovation nur störend wirken; denn sie stellt die Institution in Frage. Der Kunstbetrieb in Cannes deckt diese Tatsachen gerne mit viel Pomp und Glamour zu, damit man vor lauter Funkeln nicht mehr sieht, dass darunter leise fließt, was eigentlich brodeln sollte. 

Alexander Tuma

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it Institutionen ist es ja genau andersrum wie mit Innovationen: Man kann sie so lange als solche bezeichnen, wie sie einem verlässlich das ewig Gleiche liefern. Das ist in der Welt von Finanzen, von Recht und Gesundheit womöglich der Weisheit letzter Schluss, denn genau dort braucht es Stabilität. Aber in der Kunst? Das Filmfestival von Cannes steckt seit vielen Jahren in einer Zwickmühle zwischen Institutionszwang und Innovationsdrang fest, ohne dass seine mehr als ergrauten Chefs jemals den Ausbruch aus dieser Situation gefunden hätten: Gilles Jacob, der 83-jährige Präsident des Festivals, der dessen Geschicke seit 1977 lenkt, und sein künstlerischer Leiter Thierry Frémaux, 53, und seit 2001 in dieser Position, haben in ihren Festivalprogrammen der letzten Dekade konstant auf sichere Quotenbringer und den Arthaus-Mainstream gesetzt. Ja, sie haben diesen Begriff sogar erfunden, indem sie mit schöner Regelmäßigkeit die immer gleichen Regisseure in ihren Wettbewerb eingeladen haben und dabei auf innovative, frische Zugänge weitestgehend verzichteten. Die finden in der zeitgleich stattfindenden, aber vom Festival völlig entkoppelten Reihe „Quinzaine des réalisateurs“ statt, in der auch Leute wie Haneke ihre ersten CannesSporen verdienten. Irgendwann, wenn sie genug künstlerische Ausdauer bewiesen hatten, übernahm man sie in den Wettbewerb. Aber muss man Jacob und Frémaux das zum Vorwurf machen? Nein. Sie verteidigen nur den Mythos ihrer Institution.


THE COMPANY YOU KEEP

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Robert Redford widmet sich in seiner neuen Regiearbeit wieder einem politischen Thema und spielt das Ex-Mitglied einer früheren Terrorgruppe.

Constantin

Film &Kritik

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obert Redford ist mit seinen 76 Jahren nicht nur nach wie vor als Schauspieler gefragt (soeben erst stellte er den umjubelten „All Is Lost“ von Regisseur J.C.Chandor vor, in dem er einen auf hoher See um sein Leben bangenden Schiffbrüchling spielt), sondern ist auch in seiner Regiearbeit konsequent wie eh und je: Denn Redford lebt dafür, mit seinen Filmen auch relevante Aussagen zum Zustand der Politik zu treffen. „The Company You Keep“, der seine Weltpremiere letzten Herbst außerhalb des Wettbewerbs beim Festival in Venedig hatte, befasst sich mit einem wahren Ereignis der US-Geschichte, aber Redford interessiert weniger das Historische an der Buchvorlage von Neil Gordon, sondern die Auswirkung einstiger Ereignisse auf das Heute. In seiner letzten Regiearbeit „Die Lincoln Verschwörung“ (2010) hat er das noch im historischen Gewand versucht, als er zwischen den Zeilen einen Brückenschlag vom 19. Jahrhundert zum Post-9/11-Trauma zog. Jetzt hingegen verhandelt er aus heutiger Sicht lange zurückliegende Ereignisse. Redford spielt den Anwalt Jim Grant, der von dem jungen Journalisten Ben Shepard

(Shia LaBeouf) mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird: Vor 30 Jahren war Grant Mitglied einer bis heute untergetauchten Terrorgruppe, die mit Anschlägen unter anderem gegen den Vietnam-Krieg protestierte. Als Shepard Grants wahre Identität lüftet, wird Grant zum Gejagten und taucht unter. Auch die übrigen Mitglieder der Gruppe leben unter verdeckten Namen und müssen sich ebenso vor der Enttarnung fürchten. Sie sind allesamt mit großen Namen des HollywoodKinos glänzend besetzt: Susan Sarandon, Julie Christie, Sam Elliot und Brendan Gleeson gefallen, einzig Nick Nolte wirkt ein wenig deplatziert. Das hat aber nichts mit seiner Figur, sondern mit seinem Allgemeinzustand zu tun: Nolte hat seine beste Zeit ganz offensichtlich hinter sich. SOLIDES POLIT-KINO  „The Company You Keep“ stellt sich als ein solide inszeniertes und ebenso gespieltes Polit-Drama heraus, das diese wahren Ereignisse rund um das radikale Manifest von „The Weather Underground“ thematisiert. Diese linksextreme Gruppierung ging in den 60er und 70er Jahren in den USA mit Bombenanschlägen gegen Regierungs-

gebäude vor, auch, um ihren Frust über die Kriegs-(Vietnam-)Politik der Mächtigen abzubauen. Die Protestler von einst hatten sich falsche Identitäten zugelegt und lebten jahrzehntelang unentdeckt. Dennoch wissen sie: Sie werden bis an ihr Lebensende Gejagte sein, und Redford verhandelt in „The Company You Keep“ das zaghafte Schreiten seiner Figuren auf dem brüchigen Eis, unter dem die Wahrheit liegt. Redford hat „The Company You Keep” als effektarmes, aber suspensegeladenes Drama inszeniert, das mit viel Dialog hantiert, ohne sich jemals zum Sprechstück zu reduzieren. Redfords Regie und auch sein Spiel sind überaus geradlinig, und das ist eine beinahe schon gängige Eigenschaft des anspruchsvolleren US-Unterhaltungskinos: Es will eine Message transportieren, und die soll von jedem verstanden werden.  Matthias Greuling THE COMPANY YOU KEEP USA 2012. Regie: Robert Redford. Mit Robert Redford, Shia LaBeouf, Julie Christie, Susan Sarandon FILMSTART: 26.07.2013

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filmkritik

GAMBIT

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Filmladen

Joel & Ethan Coen schrieben das Drehbuch zum Remake von „Gambit“. Die Gaunerkomödie ist unterhaltsam, doch die Meisterschaft eines echten Coen-Films erreicht sie nicht.

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s ist am besten, wenn der Fisch selbst anbeißt“, hat der Kunstkurator Harry Deane (Colin Firth) erkannt. Deshalb verwendet er all sein Hirnschmalz darauf, einen Köder zu basteln, an dem kein Fisch der Welt - und schon gar nicht der steinreiche Magnat Lionel Shahbander (Alan Rickman) – freiwillig vorbeischwimmen würde. Als Köder dient ein Gemälde von Monet („Heuschober in der Abenddämmerung“), und das Wort gebastelt trifft insofern zu, als das Bild, nun ja, nicht ganz echt ist. Es schaut dem wahren Monet zwar verdammt ähnlich, wurde aber von Harry Deans Freund Major Wingate (Tom Courtenay), einem begnadeten Kunstfälscher, gemalt. Harry malt sich nun aus, wie hinreißend es wäre, den „Heuschober“ dem kunstsinnigen, aber unausstehlichen Mr. Shahbander unterzujubeln. Das wäre gleich ein doppeltes Fest. Erstens der vielen Millionen wegen. Und zweitens, weil Harry dem Krösus als ständig vom Rausschmiss bedrohter Adlatus dient. Jetzt sinnt er auf Rache. Das ist der Plot von „Gambit“. Im Original von 1966 spielte Michael Caine den Harry Deane und Herbert Lom das Scheusal Shahbandar. Shirley MacLaine kam als erotischer

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Lockvogel hinzu. Bei den Oscars wurde die Komödie von Regisseur Ronald Neame mit drei Nominierungen belohnt. Im Remake von 2012 ist statt der dunkelhaarigen MacLaine die sehr blonde Cameron Diaz dabei. Doch fürs Oscar-Rennen kommt der neue Film trotz all seiner großen Namen kaum in Frage. KAUM IRONIE  Das liegt, so seltsam es klingen mag, zunächst einmal an den Autoren Joel & Ethan Coen. „Gambit“ fehlt es komplett an der ironischen Schärfe und dem schwarzhumorigen Sarkasmus, der für das Werk der Brüder so typisch ist. Das Lustspiel plätschert artig und brav dahin. Wenn überhaupt, dann erinnert „Gambit“ an den schwächsten aller Coen-Filme: An „The Ladykillers“ von 2004. Auch da schrieben die Brüder ein neues Drehbuch für einen Krimikomödien-Klassiker . Und anschließend setzten sie den Film trotz Star-Besetzung mit Tom Hanks artig und brav in den Sand. Bei „Gambit“ haben sie die Regie Michael Hoffman überlassen, der mit Filmen wie „One Fine Day“ (George Clooney & Michelle Pfeiffer) bewies, dass er ein gutes Händchen für

Komödien hat. Hier schafft er es nicht, das Kino-Werkl so richtig áuf Touren zu bringen. Man lacht über eine Reihe gelungener Pointen („Wie finden Sie London? – „Bei Grönland rechts abbiegen!“). Man hört schrullige Sinnsprüche wie „Ein Optimist ist ein Mensch, der die Nachrichten nicht gehört hat“. Man schaut begeistert dem Temperamentbündel Cameron Diaz zu, die ihre Rolle als texanisches Cowgirl mit Herz und Sex Appeal heftig ausreizt. Wirklich abheben aber will die Story nie. „Gambit“ bietet angenehme Unterhaltung, ohne Spuren zu hinterlassen. Colin Firth spielt filigran einen Mann, der immer wieder erkennen muss, dass zwischen Plan und Wirklichkeit Welten klaffen können. Alan Rickman liefert eindrucksvolle Brüll-Attacken. Stanley Tucci erheitert in einer Episodenrolle als deutscher (!) Kunstexperte namens Zaidenweber. Es gibt viele kleine hübsche Momente. Nur keinen großen Film.  Gunther Baumann GAMBIT USA 2012. Regie: Michael Hoffman. Buch: Joel & Ethan Coen. Mit Colin Firth, Cameron Diaz, Alan Rickman FILMSTART: bereits gestartet


DAS VENEDIG-PRINZIP

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Filmladen

Venedig droht der Untergang – nicht nur in der Adria, auch in der Touristenflut. Ein Dokumentarfilm von Andreas Pichler geht auf Spurensuche.

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5-stöckige Kreuzfahrtschiffe, die die Silhouette der Altstadt von Venedig überschatten, oder eine traditions-heuchelnde Touri-Gondel samt Live-Gesang, die von den längst motorisierten Booten der Einheimischen überholt wird – kontrastreiche Motive dieser Art bestimmen die Erzählung vom Ausverkauf des Mythos Venedig. In den Mittelpunkt seiner Beobachtungen rückt der Autor und Regisseur Andreas Pichler die Varianten des Lebens und Überlebens in einer Stadt, deren einziges Problem nicht mehr der steigende Wasserpegel ist. Kaum 60.000 Einwohner zählt das historische Zentrum noch. Etwa dieselbe Zahl Touristen drängt pro Tag durch ihre Gassen – Tendenz steigend. Das verrät ein Insert gleich zu Beginn des Films. Dabei hinterlassen sie der Stadt aber nicht viel mehr als Unmengen von Müll und Abwasser, welches ungefiltert in die Kanäle abfließt. Ihr Geld fließt dagegen zum Großteil ins Ausland an multinationale Konzerne ab. Das leere Geschäftslokal der aufgelassenen Hauptpostfiliale wird gezeigt. Benetton wird hier in Kürze einziehen. Jenes bißchen Geld, welches nicht im Ausland verschwindet, wird in Souvenirshops,

Restaurants, oder bei Führungen erwirtschaftet. Der Lastkahn-Spediteur Flavio Scaggiane ist einer der wenigen Einheimischen der Lagune, der noch nicht vom alle anderen Beschäftigungsformen verdrängenden Tourismusgeschäft leben muss oder bereits in Rente ist. Er erzählt davon, dass er immer öfter das Mobiliar von Inselbewohnern transportiert, die sich ihre explodierenden Mieten nicht mehr leisten können und ans Festland ziehen müssen. Schlussendlich wird er gar zu seinem eigenen Kunden. Ein Rest Idylle? Der Fall Venedig ist neu, sein Prinzip nicht. Zunehmende Abhängigkeit vom Massentourismus, lebensfeindliche und tourismusfreundliche Veränderung der Infrastruktur, Immobilienspekulation, Abwanderung und Überalterung der Einheimischen gehören dazu. „Das Venedig Prinzip“ ist die Fortsetzung eines Erzählkanons neoliberaler Globalisierungstendenzen – aber eine gelungene. Andreas Pichler gelingt es, die Groteske eines Sehnsuchtsorts zum Ausdruck zu bringen, der unterhalb der romantisierenden Postkarten- und Kinooberfläche dahinbröckelt. Einer

der bizarren Höhepunkte ist vielleicht der exklusive Maskenball, bei dem vor allem Jetset, Adelige und Industrielle in historischen Gewändern ein geheimnisvolles VenezianerFest nachspielen dürfen. Das sieht dann wie eine biederere Version der Logen-Orgie in Kubricks „Eyes Wide Shut“ aus. Zeitweise konstruiert der Film dann selbst ein bekanntes Venedig-Idyll, oder behauptet die Existenz dessen letzter Bastion. So erscheint es verkörpert in der bereits über 80-jährigen Tudy Sammartini, dem Typ der lebenslustigen und politisch engagierten Intellektuellen, oder als verlorene Vergangenheit in den nostalgischen Erzählungen des Ex-Gondolieros Giorgio Gross. Der Film sagt: Es gibt sie, die Magie des venezianischen Kulturerbes, und den Kampf dafür – aber wie lange noch?  Martin Krammer

DAS VENEDIG-PRINZIP D/Ö 2012. Regie: Andreas Pichler Dokumentarfilm FILMSTART: 12.07.2013

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filmkritik

CONFESSION

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Thimfilm

„Bekenntnisse eines jungen Zeitgenossen“: Pete Doherty und Charlotte Gainsbourgh mischen das Landleben auf.

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aris 1830. Nach der französischen Revolution haben die Menschen ihren Platz in der Gesellschaft verloren und die Zurückgelassenen des Ancien Régimes sind zwar befreit, aber voller Verzweiflung und Einsamkeit. In dieser Zeit hat es niemand leicht und ein junger Mann in den Wirren der Liebe umso weniger. Der junge Aristokrat Oktave (Pete Doherty) schwelgt in der französischen Romantik und Dekadenz. Er wird abrupt aus seinem Liebestaumel mit der schönen Elise (Lily Cole) gerissen, als er überraschend Zeuge ihrer Untreue wird. Octave ist daraufhin bestürzt, suhlt sich in Selbstmitleid, verlässt auf Tage sein Zimmer nicht und wird erst durch Unterstützung seines Freunds Desgenais (August Diehl) aus dem Sumpf des Selbstmitleids, der Depression und Melancholie gerissen. Man feiert ausschweifende Feste, frönt dem Alkohol, zelebriert Orgien und verbringt die Zeit mit Nichtstun, Exzessen und Maßlosigkeit. Als Octaves Vater stirbt, kehrt der junge Mann seinem bisherigen Leben den Rücken und zieht in das Landhaus seines Vaters. Außerhalb des städtischen Trubels lernt er die Witwe Brigitte (Charlotte Gainsbourgh) kennen,

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schätzen und lieben. Sie ist etwas älter als er und widersteht seinem Werben lange Zeit. Doch schlussendlich gibt auch sie Octave nach und beide werden trotz üblem Gerede ein Liebespaar. Doch schon bald erwacht Octaves Misstrauen und er grübelt, ob Desgenais doch Recht hat und die wahre Liebe gar nicht existiert. VERLORENE VERGANGENHEIT  Regisseurin Sylvie Verheyde wagt sich an Alfred de Mussets autobiographisches Buch, in dem er seine berühmte Beziehung zu George Sand aufgearbeitet. De Musset und Sand waren ein Paar, bis sie ihn in Venedig mit seinem behandelnden Arzt betrog. Der Roman war seine Abrechnung mit ihr und auch ein wichtiges Zeugnis der Literatur des „mal de siècle“: Die subtil gezeichnete Bestandsaufnahme einer Generation zwischen einer verlorenen Vergangenheit und einer noch unsicheren Zukunft. Eine interessante Wahl ist Pete Doherty als der junge Octave. Der gebürtige Brite passt perfekt in die Kostüme jener Zeit, strahlt Dekadenz und Verzweiflung aus. Charlotte Gainsbourgh als Gegenpart wirkt wie aus

einer anderen Welt. Leichtfüßig, scheu und schüchtern mimt sie die verwitwete Brigitte. Und als glaubwürdiger Dandy zeigt sich August Diehl, der auch schon in „Inglorious Bastards“ überzeugte. Doch trotz schöner Bilder, einem gelungenen Soundtrack (NousDeux the Band) und teilweise guter darstellerischer Leistungen der einzelnen Personen, schafft es Sylvie Verheyde nicht, alles zu einem kompakten Ganzen zu verbinden. Die Liebesbeziehung der beiden Hauptprotagonisten wirkt wenig überzeugend und der Film hat einige Längen. Pete Doherty und August Diehl verlangsamten den Dreh außerdem, weil sie betrunken in einen Musikladen eingebrochen waren und verhaftet wurden. Somit stimmt zumindest der Lebensstil der Schauspielers/ Rockstars mit dem des Protagonisten Octave überein.  Teresa Losonc

CONFESSION F/D/GB 2012. Regie: Sylvie Verheyde. Mit Pete Doherty, Charlotte Gainsbourg, August Diehl, Lily Cole FILMSTART: 05.07.2013


7 TAGE IN HAVANNA

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Thimfilm

Sieben Ansichten einer Stadt zwischen Vertrautheit und Distanz, inszeniert von sieben Regisseuren.

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avanna ist Che Guevara, Samba-Rhytmen, schwingende Hüften, Zigarrenqualm und alte Autos. Wie kommen sieben Regisseure – Benicio del Toro, Pablo Trapero, Julio Médem, Elia Suleiman, Gaspar Noé, Juan Carlos Tabío, Laurent Cantent –, von denen gerade mal Tabío Kuba seine Heimat nennen darf, an den populären Klischees vorbei? Wie der prominente Vertreter des kollaborativen Episodenfilms, „Paris, je t’aime“ (2006), ist auch die spanisch-französische Produktion „7 Tage in Havanna“ nicht aus einem Guss. Unterschiedliche Stile, vertraute und touristische Perspektiven, gelungene und mittelmäßige Inszenierungen treffen aufeinander – ein Fleckerlteppich aus Kurzfilmen also, der lose durch eine Wochenstruktur zusammengehalten wird – jeder Regisseur gestaltet einen Wochentag. Den Auftakt macht das Regie-Debüt von Oscar-Preisträger Benicio del Toro („Traffic“): Ein amerikanischer Jungschauspieler (Josh Hutchens) gerät bei seinen triebgesteuerten Ausflügen in Havanna unerwartet an eine Transsexuelle (Vladimir Cruz). Del Toros und Hutchens eher unauffälliges Handwerk bleibt hinter Cruzs Performance zurück. Überzeu-

gende schauspielerische Präsenz demonstriert Emir Kusturica im darauf folgenden von Trapero („Weißer Elefant“) inszenierten Beitrag. Stilistisch interessant, beruht das inhaltliche Konzept der Passage allerdings nicht auf viel mehr als einem cine-zentrischen Autoren-Narrativ. TAGEBÜCHER  Médems Mini-SchicksalsMelodram mit exotisierend-voyeurischer Sexszene und leidenschaftsträchtigen Blicken ist wahrscheinlich die schwächste Episode. Einer der interessantesten Abschnitte ist dagegen Suleimans („Göttliche Intervention“) „Tagebuch eines Ankömmlings“, in dem er selbst als Besucher Havannas zum verlorenen Beobachter absurder Begegnungen zwischen Touristen und der einheimischen Welt wird. Wiederholte Tableau-Kadrierungen und frontale Blickachsen generieren unerwartete Beziehungen. Der berüchtigte Tabustürmer Noé („Enter the Void“) inszeniert in flackerndem Lagerfeuer-Chiaroscuro das okkulte Reinigungsritual einer jungen Erwachsenen, die sexuellen Kontakt mit einer anderen Frau hatte. Gleichgeschlechtliche Sexualität wurde in Kuba lange Zeit tabuisiert und ist nach wie vor nicht

frei von Diskriminierung. Auch die Ritualdarstellung ist nicht gänzlich abwegig. Bis heute bestehen in Kuba neben der verbreiteten Santería-Religion auch afrikanische Kulte mit vergleichbaren Riten. Tabíos („Erdbeer und Schokolade“) Porträt des Lebens einer Kubanerin unter familiärer und beruflicher Mehrfachbelastung widmet sich kubanischen Kernproblemen, wie dem der Working Poor, die trotz mehrerer Jobs in Armut leben. Cantet („Entre les murs“) zeigt – als mögliche Antwort – in humoristischer Überzeichnung, mit welcher Selbverständlichkeit Hilfsbereitschaft gelebt wird, aber auch der Arbeitsplatz zum Selbsbedienungsladen wird, um eigene Engpässe auszugleichen. Am Ende sind auch in diesem Kubafilm wieder oft genug schwingende Hüften, Zigarrenqualm und alte Autos zu sehen - mal als Klischees, mal als deren Parodie, aber immer auch als Liebeserklärung.  Martin Krammer 7 TAGE IN HAVANNA F/E 2012, Regie: L. Cantet, B. Del Toro, J. Medem, E. Suleiman, J. C. Tabío, P. Trapero, G. Noé FILMSTART: 12.07.2013

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filmkritik

SAG, DASS DU MICH LIEBST

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Thimfilm

Eine berührende Tragikomödie um eine Frau, die sich bei der Suche nach ihrer Mutter selbst findet. Der Film ist allen voran eines: Perfekt. Und scheitert deshalb..

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ch hatte Lust, von jemandem zu erzählen, der unfähig ist zu lieben, aber sich trotzdem verleiten lässt, auf die Suche nach leidenschaftlicher Liebe zu gehen“, sagt Regisseur Pierre Pinaud über seinen ersten Langfilm „Sag, dass du mich liebst“. Hauptdarstellerin Karin Viard: „In diesem Film wird man an keiner Stelle manipuliert, es bleibt immer Raum zum Träumen und für echtes Kino.“ Entweder haben die beiden einen extremen Hang zum Schönreden oder sie sind überzeugt davon, ihr Werk reiht sich mühelos in die lange Riege funkelnder und lebenskluger Liebesfilme ein, wie sie in Frankreich im Wochentakt gedreht werden. Nur: „Sag, dass du mich liebst“ gehört leider nicht dazu. Dabei scheint hier doch so vieles zu stimmen: Die Story rund um die Radiomoderatorin Mélina (man kennt nur ihre Stimme, nicht aber ihr Gesicht), die sich mit 40 Jahren auf die Suche nach ihrer leiblichen Mutter begibt und sich am Ende dabei selbst findet, ist (scheinbar) perfekt inszeniert, beginnend beim Drehbuch: Die sich stets kollidierenden Welten, zwischen denen sich Claire (wie Mélina in Wirklichkeit heißt) bewegt, werden deutlich herausgearbeitet. Beruflich hat

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Claire das Feld der Worte erobert, hilft ihren zahlreichen Hörerinnen aus kleinen und großen Lebenskrisen. Privat spricht sie kaum und wird beherrscht von zahlreichen Neurosen. Die Welt der von einer Detektei aufgespürten Mutter (Nadia Barentin in ihrer letzten Rolle) und Claires Neffen (Nicolas Duvauchelle), der sich in die eigene Tante verliebt, ist chaotisch, laut, schmutzig. Während die einen Spaß haben, starrt Claire meist verschreckt vor sich hin. Dazu kommt die audiovisuelle Ebene: Claires Pariser Leben wird in kalten, unnahbaren Farben und oftmals in Totalen gezeigt; das Armenviertel, in der Claires Mutter wohnt, arbeitet mit Close-Ups, ist bunter und selbst die Tonspur ist rauer. Claire ist zierlich und unterkühlt, ihr Neffe Lucas sehr körperlich und voller sexueller Energie. Also: Perfekt, das Ganze. Perfekt, perfekt. Und deshalb ab der Hälfte der lediglich 89 Minuten auch etwas nervig. Selbst die an sich gut gemeinten Metaphern verleiten zu einem Augenrollen. Wenn Claire zum Beispiel auf ein kleines verirrtes Mädchen trifft oder sie am Ende den Sauerstoff der im Krankenhaus liegenden Mutter kurzzeitig abdreht (schließlich hat auch diese ihr wegen ihrer

Unfähigkeit, der Tochter Liebe zu schenken, keine Luft zu Atmen gelassen), möchte man schreien: „Ich habe verstanden! Die Gute hat einen Mutterkomplex!“ Genau hier tun sich bei genauem Hinsehen aber doch Ungereimtheiten auf: Denn dass Claires Neurosen nur auf eine mutterlose Kindheit zurückzuführen sind, ist Küchenpsychologie, und wie sie so überhaupt eine berühmte Radiomoderatorin werden konnte, bleibt unbeantwortet. Wieso Lucas gerade von der stocksteifen Claire so fasziniert ist, ist auch nicht nachvollziehbar. Und das alles, obwohl sich „Sag, dass du mich liebst“ vollends auf seine Protagonistin konzentriert und die anderen Figuren schmerzlich an den Rand schiebt. Bis zum kitschigen Ende bekommt man zu Claire keinen Zugang. Aber vielleicht ist das ja Absicht, genauso wie Viards gewöhnungsbedürftige Darstellung der Figur. Denn auch die ist, natürlich, absolut perfekt.  Manuel Simbürger SAG, DASS DU MICH LIEBST F 2012. Regie: Pierre Pinaud Mit Karin Viard, Nicolas Duvauchelle, Nadia Barentin. FILMSTART: 19.07.2013


LÜGEN AUF KUBANISCH

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Filmladen

Zu ernst für eine Komödie, zu wenig berührend für ein Drama, zu ereignislos und lang für eine Telenovela-Episode : „Lügen auf kubanisch“ ist ein Film, dem sein Wesen fehlt.

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n der kubanisch-österreichischen Koproduktion „Lügen auf Kubanisch“ hat sich Regisseur Daniel Díaz Torres gar Vieles vorgenommen. Mit komödienhaftem Zugang und „Film-im-Film“-Sequenzen widmet er sich auf gleich mehreren Realitätsebenen ernsten Themen wie Prostitution und Armut in seinem Heimatland Kuba. In den sechs Wochen Drehzeit ist dabei aber ein Film entstanden, dem sein Wesen fehlt. Dabei hätte die Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruhen soll, durchaus komisches Potential: Protagonistin Ana lebt mehr schlecht als recht von ihren Schauspielrollen in flachen Telenovelas. Mit ihren „kreativen“ Interpretationen stößt sie in diesen Low- bis No-Budget-Produktionen auf wenig Gegenliebe. Als dann noch der Familien-Kühlschrank kaputt geht und sie zufällig erfährt, dass ein österreichisches Filmteam eine Dokumentation mit dem (unwürdig an Glawogger verweisenden) Titel „Whores‘ Story“ über Prostitution in Kuba drehen möchte, beschließt sie aus Geldnot, heimlich in die Rolle der Hure zu schlüpfen und fidel aus dem Nähkästchen zu plaudern. Mit Erfolg: Das Filmteam ist begeistert von Anas scheinbarer sprühender

Authentizität – und will die geplante Fernsehproduktion auf einen Langfilm ausweiten. Spätestens jetzt droht das Lügengebilde zusammenzubrechen: Die Rolle erfordert nämlich zugleich immer mehr Schauspiel vor der eigenen Familie. VOLLER KLISCHEES  Schon den Prostitutionsbegriff legt der Regisseur, der bisher zu etwa gleichen Teilen an Dokumentar- wie an Spielfilmen gearbeitet hat, recht breit und schief an: „Das Konzept der Prostitution im Film hat nicht nur mit der Zahlung für den Geschlechtsverkehr zu tun. Es geht auch darum, dass man etwas gegen den eigenen Willen tun muss, um einen bestimmten Nutzen zu erhalten. Das ist auch eine Form der Prostitution.“ Klischees finden ausreichend Platz: In den Österreich-Aufnahmen des „Whores‘ Story“-Doku-Teams (verkörpert vom gebürtigen Steirer Michael Ostrowski und dem Deutschen Tobias Langhoff) wedelt eine Prostituierte aus dem Osten ganz dem Tourismusbild entsprechend die Schi-Piste hinab und trägt unter der lasziv geöffneten Winderjacke lediglich ein pralles Dekoltee. Die weitgehend eindimensional gezeich-

neten Figuren legen ihre Untiefen am deutlichsten offen, wenn sie versuchen, bedeutungsschwangere Töne zu treffen. Das Telenovela-Format, das Daniel Díaz Torres in „Lügen auf Kubanisch“ karikiert, bemächtigt sich selbst des Films. Woher kommen plötzlich all die Tränen? Weil Persönlichkeitsentwicklungen im Film nicht greifbar sind, teilen sie die Figuren besser gleich selbst mit. Etwa, wenn Ana über ihre Hurenrolle sinniert: „Für mich ist das die beste Rolle, die ich je hatte. Die einzige, die mir geholfen hat, aus der Mittelmäßigkeit herauszukommen.“ Wäre dieses Persönlichkeitswachstum also auch geklärt. Zu ernst für eine Komödie, zu wenig berührend für ein Drama, zu ereignislos und lang für eine Telenovela-Episode und vor allem zu schablonenhaft für einen großen Wurf: „Lügen auf Kubanisch“ verliert sich in der Belanglosigkeit.  Sandra Nigischer LÜGEN AUF KUBANISCH CU/AT 2012. Regie: Daniel Díaz Torres. Mit: Laura de la Uz, Yuliet Cruz, Michael Ostrowski, Tobias Langhoff. FILMSTART: 28.06.2013

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filmkritik

DIE UNFASSBAREN

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Thimfilm

Tempo, Tempo, Tempo: Jesse Eisenberg, Isla Fisher, Woody Harrelson und Dave Franco rasen als Magier in „Die Unfassbaren – Now You See Me“ durchs Reich der Illusion und machen mit einem kühnen Plot Millionen.

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rst kommt der Kartentrick von Atlas (Jesse Eisenberg). Der dreht die gesuchte Karte nicht nur einfach um – er lässt sie an einer Hochhaus-Fassade aufleuchten. Dann folgt der Mentalist Merritt (Woody Harrelson), der einem unbekannten Mann auf den Kopf zusagt, wann er seine Frau betrogen hat – und mit wem. Weiter geht’s mit dem Straßen-Zauberer Jack (Dave Franco), dessen Löffel-Biege-Trick nur als Vorwand dient, um die Brieftaschen von Passanten zu klauen. Schließlich kommt die EntfesselungsKünstlerin Henley (Isla Fisher) ins Bild. Sie lässt sich, mit Eisenketten verschnürt, in ein Wasserbassin fallen, das 60 Sekunden später von Piranhas besucht wird. Die Sekunden verrinnen. Die Entfesselung misslingt. Die Piranhas kommen. Schon färbt sich das Becken blutrot. Das Publikum erschaudert – da hüpft die tropfnasse Beauty plötzlich durchs Auditorium und lässt sich feiern. Vier Magier, vier Tricks, und das in ein paar atemlosen Minuten: Action-Regisseur Louis Leterrier („Transporter“) lässt seinen Film „Die Unfassbaren – Now You See Me“ vom ersten Moment an Fahrt aufnehmen wie ein Formel-

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1-Auto. Dann bremst er kurz ab, um seine Protagonisten zum Team zu schmieden: Alle vier finden eine Tarot-Karte, die sie zu einem geheimnisvollen Ort in New York lockt. Fortan tritt das Quartett gemeinsam als „The Four Horsemen“ auf. Und dann geht der Zauber erst richtig los. UNGLAUBLICHE TRICKS  Bühne frei in Las Vegas. Ein zufällig ausgesuchter Besucher – ein Tourist aus Paris - wird auf die Bühne gebeten. Die Horsemen fragen ihn, bei welcher Bank er sein Konto habe. Sie kündigen einen Trick an, den Tresor dieser Bank zu plündern. Der Tourist verschwindet durch eine Klappe, und das Publikum sieht per Video, wie er in einem Safe-Raum voller Euro-Scheine landet. Die Banknoten flattern davon und regnen auf die Zuschauer der Las-Vegas-Show herab. Das Absurde ist nur: Exakt in der gleichen Sekunde gehen im Safe der Pariser Bank, der genauso aussieht wie jener in Las Vegas, wirklich 2,5 Millionen Euro verloren. Wie in aller Welt soll das funktionieren? Der mit Stars nur so gespickte Film treibt sein doppeltes Spiel immer weiter voran. Ein FBI-Agent (Mark Ruffalo) und eine Polizistin

aus Paris (Mélanie Laurent) machen sich auf die Spur des Quartetts und der Millionen. Ein auf Magie spezialisierter TV-Moderator (Morgan Freeman) gibt sachdienliche Hinweise. Auch ein steinreicher Magnat (Michael Caine) sucht die Nähe der Horsemen, was ihn teuer zu stehen kommt: Er wird zum Opfer des zweiten Coups. Was ist da los? Wer steckt dahinter? Handeln die Horsemen auf eigene Rechnung oder agieren sie im Auftrag einer genialen Mastermind? Als Zuschauer ist man versucht, den Magiern selbst auf die Schliche zu kommen, und manches Rätsel wird auch gelöst. Doch am besten ist es, Fragen der Logik abzuschütteln und einfach mitzurasen in diesem lustvoll dahinbretternden Illusions-Express. Schließlich kann man nur dann so richtig über ein aus dem Hut gezaubertes Kaninchen staunen, wenn man nicht weiß, wie das Kaninchen in den Hut hineingekommen ist.  Gunther Baumann DIE UNFASSBAREN USA 2013. Von Louis Leterrier. Mit Jesse Eisenberg, Isla Fisher, Woody Harrelson, Mélanie Laurent FILMSTART: 12.07.2013


DIE WERKSTÜRMER

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Thimfilm

Regisseur Andreas Schmied gelingt mit seinem Kino-Erstling eine tolle Mixtur aus Klassenkampf-Drama und romantischer Komödie. Der Film mit Michael Ostrowski & Hilde Dalik hat das Zeug zum Publikums-Hit.

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in Fußballmatch in der steirischen Provinz. Der FC Stahlwerk liegt 1:6 hinten, als der Kicker-Captain Patrick (Michael Ostrowski) das Interesse am Sport verliert. „Die Babsi kommt zurück“, hat er aufgeschnappt. Das versetzt ihn in Wallungen. Denn die Babsi (Hilde Dalik) ist Patricks Ex. Die Liebe war groß und heiß, also gibt es noch unverheilte Wunden. Die Babsi kommt für einen Kurzbesuch ins Dorf am Erzberg, weil sie bei der Gewerkschaft arbeitet. Und die Gewerkschaft muss her, weil sich im örtlichen Stahlwerk ein gröberer Arbeitskonflikt anbahnt. Zu Patricks Unglück reist Babsi nicht allein. Sie erscheint mit dem smarten Gewerkschafter Ulf (Oliver Rosskopf). Im Hotel brauchen die beiden keine Einzelzimmer. Ein Doppel ist ihnen lieber. Und diese Tatsache bringt Patrick noch heftiger aus der Fassung. Hier eine schrille Romanze mit drei Beteiligten. Dort ein Klassenkampf-Konflikt, der in der Tradition britischer Sozialdramen steht: Autor/Regisseur Andreas Schmied vereint zwei Filmgenres, die auf den ersten Blick unvereinbar scheinen. Doch das Kunststück gelingt komplett.

Die Wirtschaftskrimi-Kapitel des Films behandeln einen Fall, wie er im HeuschreckenZeitalter oft genug passiert. Der Firmenerbe Erich Geigl (gierig und tapsig-naiv: „Cop Storys“-Star Holger Schober) hat die väterliche Metallfabrik an einen Finanzinvestor verkauft, dessen Repräsentant Berkovic (aalglatt: Manuel Rubey) nicht einmal Spuren von Interesse heuchelt. Ihm geht’s ums Geld - und den Arbeitern geht’s an den Kragen: Lohnminderung, Aussperrung, Knebelverträge. SCHMIRGELPAPIER  Der privat so unglückliche Patrick wird zum schlitzohrigen Kämpfer. Als ein Autobus mit Ersatzarbeitern aus dem Burgenland anrollt, organisiert er eine Blockade des Fabrik-Eingangs. Danach mischt er sich in die Verhandlungen ein, wo er bald befindet: „Mit Schmirgelpapier wixen ist lustiger.“ Filmemacher Schmied will, dass die Steirer den Konflikt gewinnen, und um dieses Ziel zu erreichen, setzt er auch märchenhafte Mittel ein. Macht nix: Mit seiner Mischung aus Realismus und Märchen, aus Liebeskummer und Romantik ist „Die Werkstürmer“ ein deftiges Dialekt-Drama, das seine ernsten Themen mit

sarkastischem Humor durchlüftet. Das Publikums-Potenzial ist gewaltig: Mit ein bissl Glück könnte der Film im Kino so richtig abheben. Aus dem famosen Ensemble, in dem auch Carola Pojer und Karin Kienzer Akzente setzen, ragen Michael Ostrowski und Hilde Dalik heraus. Sie spielen mit komödiantischem Biss und großem Temperament. In ihren gemeinsamen Szenen sprühen selbst dann die erotischen Funken, wenn sie einander gerade spinnefeind sind. Den Preis für den coolsten Auftritt gewinnen sie allerdings nicht. Der gebührt Karl Fischer in der eher uncoolen Rolle des Polizei-Postenkommandanten. Eins noch: Die Story des Films folgt den Regeln des Mainstreams, doch die optische Umsetzung hat Arthaus-Stil. Die Wiener Kamerafrau Petra Korner, die in den USA schon mit Regisseuren wie Wes Craven oder Jonathan Levine arbeitete, taucht das Steirer-Drama in betörend schöne Bilder.  Gunther Baumann DIE WERKSTÜRMER Ö 2013. Regie: Andreas Schmied. Mit Michael Ostrowski, Hilde Dalik, Manuel Rubey, Karl Fischer FILMSTART: 25.07.2013

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News &Events

online-magazin

Filmclicks.at

Das Logo ist Schwarz-Weiß, der Inhalt farbig Österreich hat ein neues Online-Magazin, das sich ganz auf Film & Kino konzentriert: www.filmclicks.at, Kinoprogramm inklusive.

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er Startknopf wurde in Frankreich gedrückt. Am 15. Mai gaben die Gründer von FilmClicks in Cannes grünes Licht für den Betrieb von filmclicks.at. So hatten sie – während die Filmwelt die FestivalEröffnung mit „Der große Gatsby“ beging – ihre eigene kleine Party zu feiern. Und sie registrierten erfreut, dass die neue Website bei den Österreicher-Treffen in Cannes gleich zum Gesprächsthema wurde. Selbstverständlich berichtete FilmClicks täglich ausführlich über die Events in Cannes. FilmClicks tritt mit dem Ziel an, ein OnlineMagazin zu liefern, das die Stärken von Printmedien und Internet miteinander verbindet. Das userfreundliche Fundament der Website ist das Kinoprogramm für ganz Österreich, täglich aktualisiert von der Austria Presse Agentur. Der zweite Baustein sind die Kritiken. Die FilmClicks-Rezensionen geben zu Beginn einen kompakten Überblick über die Qualitäten eines Films, sodass man sich auch per Smartphone im Kino noch rasch entscheiden kann, was man sehen will. Auf die Kurzkritik folgt in den meisten Fällen eine ausführliche Rezension. Und natürlich gibt es zu jedem Film auch den Trailer. Besonders wichtig im Konzept sind die Interviews. Am gleichen Tag, an dem Leonardo DiCaprio zur „Gatsby“-Premiere in Cannes schritt, konnten die FilmClicks-User schon das Interview mit dem Star lesen, wenige Tage zuvor aufgenommen von FilmClicksAutor Peter Beddies in New York. Auch Robert Downey Jr. („Iron Man 3“) und Olga Kurylenko („Oblivion“ ), Steven Soderbergh

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(„Side Effects“) und Vin Diesel („Fast & Furious 6“) kamen ausführlich zu Wort. Steven Soderbergh neben Vin Diesel? Aber klar doch! Die Offenheit gegenüber allen Filmgenres ist ein wichtiges Fundament im Konzept der Website. filmclicks.at ist kein Arthaus-Magazin, das über Blockbuster die Nase rümpft, aber auch kein BlockbusterJournal, das die vergleichsweise geringen Zuschauerzahlen der Arthaus-Szene belächelt. Das Redaktions-Motto lautet: Was immer auf Österreichs Kino-Leinwänden landet, kommt bei FilmClicks vor. Mit Lobeshymnen oder Verrissen, mit Interviews und manchmal auch mit schrägen Beiträgen. DIE JUNGEN IM FOKUS  Gründer und Chefredakteur von filmclicks.at ist Gunther Baumann, der auf eine lange Karriere als Filmund Kulturjournalist bei Medien wie dem „Kurier“ zurückblickt. „Ein Online-Magazin ist die ideale Plattform, um heute über Film zu berichten“, sagt er. „Film ist eine Kunst- und Unterhaltungsform, die sich sehr vehement an ein junges Publikum wendet. Und die Jungen bevorzugen zur Information das Internet.“ Gunther Baumann und celluloid-Chefredakteur Matthias Greuling arbeiten seit bald 15 Jahren in den unterschiedlichsten Funktionen immer wieder zusammen. Da war es nur folgerichtig, dass celluloid nun mit filmclicks. at kooperiert. Weil Film ein internationales Medium ist, wurde auch die FilmClicks-Redaktion international besetzt. Von Leipzig aus liefert Peter Beddies Interviews und Rezensionen, einer der renommiertesten deut-

schen Filmjournalisten, der seine Laufbahn mit einem Gespräch mit Clint Eastwood begann. Mit den Stars auf Du und Du ist auch Anna Wollner: Die Berlinerin hat mit klugen Beiträgen und coolem Humor in kurzer Zeit einen der heiß begehrten Spitzenplätze in der Filmpresse-Szene erobert. filmclicks.at hat in den wenigen Wochen seit der Gründung einen prächtigen Start hingelegt und sammelt täglich neue User. Oft gehörter Tenor: „So ein Magazin hat in Österreich bisher absolut gefehlt!“ Die Redaktion nimmt solchen Zuspruch natürlich gern zur Kenntnis. Und sie klatscht gleichzeitig ihren Partnern bei der famosen Wiener SoftwareSchmiede CSS Beifall, die das anspruchsvolle Content Management System (CMS) in Rekordzeit entwickelte. Besonderer Wert wurde auch auf das moderne und ruhige optische Erscheinungsbild von FilmClicks gelegt (Grafik-Design: Irene Fuchs). Wie schön die Website geraten ist, findet bereits international Beachtung. FilmClicks basiert technisch auf einer Plattform des Software-Multis Kentico, der weltweit mehr als 16.000 Websites betreut. Und Kentico wählte FilmClicks zu einer seiner Top-TenWebsites für den Monat Mai. Das bedeutet: Das Online-Startup aus Österreich wird jetzt in einem Atemzug mit Websites wie jenen des New York City Ballet oder der Steppenwolf Theatre Company aus Chicago (berühmteste Protagonisten: Joan Allen und John Malkovich) genannt, die jüngst zur gleichen Ehre kamen. www.filmclicks.at


Cinema Paradiso

Besonders viele Sommerkinos gibt es in Niederösterreich, so wie hier in St. Pölten, das vom Cinema Paradiso veranstaltet wird. Weitere Sommerkinos aus Niederösterreich finden Sie unter www.sommerkinoe.at

Hinwendung zum

spezialprogramm Sommerkino hat wieder Saison. In den letzten 20 Jahren hat sich in der Szene etliches geändert.

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or genau 19 Jahren, im Sommer 1994, lief vor dem St. Pöltner Dom das erste Mal ein Kinofilm unter freiem Himmel. Minimalistischer Titel des Programms, veranstaltet von einer Gruppe Cinephiler: „Film am Dom“. Heute, knapp zwei Jahrzehnte später, ist das Open Air vor dem Rathaus eines der beliebtesten des Landes, die Betreiber installierten aufgrund des großen Erfolgs mit dem Cinema Paradiso ein festes Programmkino (das noch heuer eine Dependance in Baden eröffnet), dessen Historie als Erfolg wider dem Kinosterben gilt, und beinahe symptomatisch für die Open Air Szene Österreichs ist: Einst aufgrund der hohen Kosten nur von wenigen Betreibern veranstaltet, hat sich Kinovergnügen ohne Dach mittlerweile zu einer festen Größe in allen Bundesländern etabliert, von Juni bis September, zwischen Wien und Bregenz, an den unterschiedlichsten Orten. Und der Phantasie der Veranstalter sind längst keine Grenzen mehr gesetzt: Klassisches Ambiente ist ebenso beliebt, wie Wanderkinos oder Vorführungen inmitten der freien Natur und in Schlössern. Reichte es Anfang der 2000er Jahre noch, ein „Best of“-Programm des vergangenen Jahres zu zeigen, müssen heute freilich schon

schwerere cineastische Geschütze aufgefahren werden, um das Publikum trotz sommerlicher Badetemperaturen ins Kino zu locken. Das bestätigt auch Alexander Syllaba, Geschäftsführer des Cinema Paradiso: „Die Mischung ist wichtig! Wir zeigen Premieren wie Rückschauen, Arthouse wie Blockbuster. Heuer haben wir zusätzlich Stummfilme mit Livemusik oder ein Mitsing-Kino mit der ‚Rocky-Horror-Picture-Show’ im Programm. Die Leute wollen diese Abwechslung.“ FREIER EINTRITT  Auch eine Entwicklung der letzten Jahre: Die Spezialisierung auf thematische Schwerpunkte, wie sie etwa das „Kino unter Sternen“ bietet. 2003 als kostenpflichtiges „Best of“-Freiluftkino im Wiener Augarten gestartet, bedienen die Veranstalter nun seit einigen Jahren eine gänzlich andere Schiene: Österreichisches Kino am stark frequentierten Karlsplatz bei freiem Eintritt. Dass es auch bei sommerlichem Kino gewisse qualitative Parameter geben muss, darin sind sich alle Betreiber einig: „Wichtig sind ein perfekter Ton, eine große Leinwand und eine sehr gute Projektion. Einfach nur eine DVD einzulegen – da kann man es gleich

bleiben lassen“, betont Judith Wieser, Programmchefin von Kino unter Sternen. Während das Publikum beim Cinema Paradiso gleichbleibend bunt gemischt ist, hat es sich in der Hauptstadt merklich geändert. Judith Wieser: „Es ist jünger geworden. Das liegt daran, dass wir Filme bei freiem Eintritt zeigen, und dadurch die Hemmschwelle für junge Leute sinkt. Wir bieten zwar 200 Sitzplätze, aber viele kommen mit Decken oder mitgebrachten Sitzgelegenheiten. Dadurch ergibt sich eine interessante Mischung an Leuten. Was mich besonders freut: Wir spielen an einem der stärkst befahrenen und frequentierten Plätze Wiens – und dennoch ist unser Publikum bei allen Screenings konzentriert, der Film selbst steht im Mittelpunkt.“ Stellt sich zu guter Letzt noch die leidige, aber trotz allem notwendige, Frage nach der Finanzierung: „Daran“, so Alexander Syllaba, „hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten leider nichts geändert. Es ist nach wie vor schwer, diese Art von Kino zu finanzieren, weil man einen hohen technischen Aufwand, jedoch nur eine kurze Spielzeit hat. Hinzu kommt der Unsicherheitsfaktor Wetter. In guten Jahren steigen wir kostendeckend aus. Da darf es aber nicht viele Regentage oder starken Wind geben“. Warum nehmen die Veranstalter das Risiko dann überhaupt in Kauf? Syllaba: „Das ist ganz einfach: Man erreicht gerade im Arthouse-Bereich dadurch eine Publikum, das sonst nicht ins Kino gehen würde. Aber bei Filmschauen unter freien Himmel ist die Hemmschwelle niedriger.“ Hoffnungsvoller Nachsatz: „Und jemand, der es einmal mit Open Air versucht hat, der kommt dann zukünftig vielleicht auch ins ,normale‘ Kino.“  Sandra Wobrazek

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news&events

Fernsehen ist Fernsehen das &Heimkino bessere Kino? Die Innovation findet im US-dominierten Unterhaltungsgeschäft längst nicht mehr im Kino statt - sondern in TV-Serien

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ie einst undurchlässigen Grenzen zwischen Fernsehen und Kino werden seit einigen Jahren von amerikanischen Hochglanzserien gekonnt verwischt; ein Phänomen, das im deutschen Sprachraum bisher kaum in der Öffentlichkeit diskutiert wurde, obwohl es längst integraler Bestandteil unseres Medienkonsums ist und dem Kino heftige Konkurrenz bereitet. Der Ausdruck „binge viewing“, abgeleitet vom englischen Ausdruck für Komasaufen, „binge drinking“, wurde durch Serien wie „Mad Men“ oder „Breaking Bad“ zu einem stehenden Begriff; bezeichnet er doch das immer häufiger auftretende Verhalten, ganze Staffeln einer Serie in marathonartigen Sitzungen anzusehen. In der Tat ist dieses Konsumverhalten so brisant, dass die Serie „House Of Cards“ primär als komplette Staffel veröffentlicht wurde, anstatt, wie sonst üblich, in einwöchigem Abstand kapitelweise zu erscheinen. Auf den ersten Blick könnte man meinen, es handle sich bei diesen Gelagen um die ultimative Berieselung, kultiviert von dem vor sich hin siechenden passiven Zuseher, der sich mit aneinandergereihten Episoden zu betäuben sucht. Dabei übersieht man leicht, dass die Gegenstände dieser obsessiven Schaulust Teil eines medialen Phänomens sind, das bisherige, gewöhnliche Fernsehserien in den Schatten stellt, gerade weil es sich von der Betäubungspolitik des üblichen Programms lossagt. Produktionen wie „The Sopranos“, „The Wire“ oder „Boardwalk Empire“ brachten und bringen frischen Wind in die eingefahrenen Konventionen des Fernsehens und gewinnen tatsächlich so schnell an Komplexität, dass dem Zuseher das Nebenbei-

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Hinsehen verübelt wird; ja, stellenweise ist eine Auseinandersetzung mit dem Inhalt und der Thematik schlichtweg erforderlich, um auf der Höhe des Geschehens zu bleiben. Die Bereitschaft des Publikums, zwischen fünfzehn und zwanzig Stunden durchgehend vor dem Bildschirm zu sitzen, hat ihren Ursprung also weniger im Bedürfnis nach Narkose; sie scheint vielmehr der unstillbaren Neugier auf die Welten, die Figuren und die Geschichten zu entstammen, und der Möglichkeit, der Realität in fiktive Universen zu entfliehen. Weltenflucht Tatsächlich sind diese Serien derart konstruiert, dass man als Zuseher wie im Treibsand in den Parallelwelten versinkt und alsbald wie vom Erdboden verschluckt ist, wenn man sich einige Folgen hintereinander ansieht. Jede dieser Serien will über die einzelnen Folgen hinweg einen derartigen Eskapismus erzwingen und eine vollständige Immersion ermöglichen; will dem Publikum ein Angebot machen, eine bestimmte Welt für eine gewisse Zeit nicht mehr verlassen zu müssen. Selbst wenn am Geschehen nicht mitgewirkt werden kann, so wird die Präsenz des Zusehers in der Diegese anerkannt, er bekommt einen Platz eingeräumt und wird manchmal – wie in „House Of Cards“ – sogar persönlich adressiert. Dieser respekt- wie anspruchsvolle Umgang mit dem Zuseher fällt mit der Konzentration auf eine bestimmte Zielgruppe zusammen: Vorrangig richten sich die erwähnten Serien an unterhaltungswillige Erwachsene, die die Verblödung privater Fernsehkanäle oder die immer drastischere Schwerpunktverlagerung des Kinos auf Minderjährige nicht mehr ertragen, und bereit sind, Zeit und Energie in niveauvolle, intelli-

gente Unterhaltung zu investieren. Um auch über lange Distanzen geistig präsent zu bleiben, wird der Zuseher auf eine Art und Weise angesprochen, die der viel beklagten verkürzten Aufmerksamkeitsspanne entspricht: Im Minutentakt werden die Handlungsstränge gewechselt, um das Interesse aufs Neue anzuregen, eine bestehende Erwartungshaltung wird weiter ausgebaut oder temporär erfüllt, nur um dann wieder den Schauplatz zu wechseln, wodurch Längen konsequent vermieden werden und das Publikum mit der Frage „Wie geht es weiter?“ an die komplizierten Handlungen gebunden wird. Alleinstellungsmerkmale Über diesen dramaturgischen Grundriss hinaus ist für die Bedeutung des Serien-Phänomens zudem entscheidend, inwiefern Filmschaffende den extremen narrativen Raum zu nutzen wissen. Das populärste Negativbeispiel ist wohl die Serie „Lost“, wo die Autoren aus reiner Sensationsgier eine Storyline nach der anderen hinzufügten, bis sie irgendwann vor dem Problem kapitulieren mussten, alle Stränge zu vereinen, und die Anhängerschaft schlussendlich mit eher mageren Erklärungen abspeisten. Im Gegensatz dazu hat Vince Gilligan, der Autor von „Breaking Bad“, die losen Enden am Schluss der vierten Staffel so verwoben, dass aller Erklärungsbedarf gestillt und zugleich das Potential des Formats unterstrichen wurde: Gilligan inszeniert einen dramaturgischen Stunt, der es Walter White erlaubt, seinen Erzfeind auszuschalten, obwohl er eindeutig unterlegen und zunehmend in Bedrängnis war. Die unfassbare Eleganz und kathartische Wirkung dieses Tricks, der an dieser Stelle nicht verraten sei, kommt


der Anwohner normalisiert sich. Dieses, über mehrere Folgen hinweg ausgespielte Gedankenexperiment des Produzenten David Simon zur ewigen Frage, ob die Legalisierung von Drogen zielführend ist, veranschaulicht die meditative Komponente, die den Serien inhärent ist, aber vom Kino kaum nachgeahmt wird. Theoretisch wäre es natürlich möglich, aber in der Praxis entscheiden sich die meisten Kinofilme letztendlich für Anderes.

erst durch die vorangegangenen desaströsen Machtspiele zur Geltung, die stundenlange Verstrickung in immer wüstere Schlachten eines Drogenkriegs, aus dem es kein Entrinnen mehr zu geben schien. Die Intensität, die jene Momente, in denen Walter White seinen Kopf aus der Schlinge windet, begleitet, ist eine Machtdemonstration gegenüber dem Kino, das in keinem Falle über derart viel Laufzeit und Raum verfügt, um denselben emotionalen Druck aufzubauen. In ähnlicher Manier kann man in „The Wire“ kuriose Augenblicke bezeugen, die es wohl kaum in einen Spielfilm schaffen würden, zum Beispiel jene Szene, die von zwei Polizisten fünf Minuten lang lediglich mit diversen Variationen des Wortes „fuck“ gestaltet wird, während sie einen Tatort untersuchen. Was in der Nacherzählung möglicherweise profan und trivial wirkt, ist in der Tat ein Moment fast irritierender Kreativität und Experimentierfreude, vor allem, wenn man bedenkt, dass auf manchen amerikanischen Sendern Schimpfworte bis heute durch Piepen übertönt werden. Diese Freude an der Unkonventionalität prägt in „The Wire“ nicht bloß einzelne Szenen, vielmehr ist sie eine wiederkehrende Facette: In der dritten Staffel startet ein Kommissar ein semilegales Projekt, indem er allen Drogenkonsum und -verkauf in einem bestimmten Eck von Baltimore legalisiert, alle Junkies und Dealer in einer neutralen Zone namens „Hamsterdam“ zusammentreibt, um den Rest der Stadt von ebendiesen Gruppen und der einhergehenden Gewalt zu befreien. Innerhalb kürzester Zeit erleben die befreiten Stadtteile durch die Loslösung aus dem eisernen Griff der Drogenbanden eine Renaissance und das Leben

„Breaking Bad“

„Lost“

Fotos: Warner; Sony; Disney

„The Wire“

Konkurrenzverhalten Diese Serien trotzdem oder gerade wegen dieser Eigenartigkeit als Konkurrenz für das Kino wahrzunehmen, scheint angebracht; sie als bloßes Fernsehen abzutun, wäre auf jeden Fall ein Fehler, denn sie sind mehr als das, fühlen sich an wie Kino und werden von denselben Leuten produziert. Mittlerweile mischen neben Fernsehanstalten auch Streaming-Plattformen wie Netflix oder Amazons Lovefilm mit, produzieren eigene, sündteure Serien („House Of Cards“ hat angeblich pro Staffel weit über 50 Millionen US-Dollar gekostet) und locken damit nach Martin Scorsese, Steve Buscemi und anderen weitere renommierte Namen wie David Fincher, Robin Wright oder Kevin Spacey in neue Gewässer. Inwieweit sich die beiden Formen beeinflussen und sich gegenseitig das Publikum wegnehmen, bleibt vorerst unklar; auf eine friedliche Koexistenz deutet jedenfalls wenig hin. Sicherlich wird dem bedauerlichen Trend, dass immer

weniger Leute die Multimediatempel ihrer Wohnzimmer in Richtung Kino verlassen, durch solch exzellente Langzeitunterhaltung kaum Einhalt geboten werden, eher wird er sich verstärken, auch hier in Europa. Denn trotz der Tatsache, dass es sich bei den hier beschriebenen Produkten um amerikanische Serien handelt, geht es um mehr als bloße Berichte aus einer fremden, den Europäern fernen Welt. Schließlich gibt es bereits einige lokale Ableger, allen voran das dänische „The Killing“, gefolgt von mehreren passablen Serien der BBC (beispielsweise „The Hour“ oder „Life On Mars“). Der deutschsprachige Raum scheitert zwar noch mit eigenen Produktionen (beispielsweise mit „Im Angesicht des Verbrechens“), aber das potentielle Publikum sieht längst die amerikanischen Originale im Internet, was unter anderem zu Piraterierekorden beim Erscheinen von „Game Of Thrones“ führte. Momentan scheint hierzulande das reguläre Fernsehen der Hauptverlierer der Serienwelle zu sein, wie an den immer ratloser und immer redundanter werdenden Programmen zu sehen ist. Bisweilen haben manche Kanäle unfassbar schlecht synchronisierte Versionen amerikanischer Serien gesendet, allerdings immer Monate nach dem ursprünglichen Veröffentlichungsdatum und kaum jemals mit zuschaltbarem Originalton. Sobald das Publikum aber sowohl im Internet als auch auf Fernsehkanälen die schier unendliche Gier nach fremden Welten befriedigen kann, wie es ehemals nur im Kino möglich war, wird es nicht mehr lange dauern, bis das Kino auf den gesellschaftlichen Status reduziert ist, den heute das Theater innehat.  Alexander Lohninger

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Bücher &Sounds

neue bücher

HANEKE SPRICHT, MORRICONE KLINGT HANEKE ÜBER HANEKE

Michel Cieutat, Philippe Rouyer, Alexander Verlag Berlin, 408 Seiten, 38,00 Euro

Seit dem Klassiker „Truffaut/Hitchcock“ aus den 60er Jahren haben sich viele Regisseure von Journalisten in ihre Karten blicken lassen, und nun hat auch Michael Haneke das Wagnis unternommen, seine Visionen vom Kino in gedruckter Form zu veröffentlichen. Dabei unterstützt haben ihn die beiden französischen Filmjournalisten Michel Cieutat und Philippe Rouyer, die beim Filmmagazin „Positif“ schreiben, aber auch an Universitäten lehren, und die seit Hanekes erstem Kinofilm „Der siebente Kontinent“ enge Begleiter und vor allem akribische Beobachter seiner Kunst sind. Ein „Wagnis“ ist ein solches Buch deshalb, weil gerade (im positiven Sinn gemeint) eigenwillige Filmemacher wie Haneke die Kontrolle über ihre Werke niemals hergeben würden - und so auch ein Buchprojekt zu einer großen Herausforderung für die Autoren werden kann. Das hat Haneke bei de Präsentation des Bandes im Österreichischen Filmmuseum auch klar gemacht: „Es ist ein mühsamer Prozess, so ein Buch zu machen. Denn man unterhält sich lange, aber die eigentliche Arbeit kommt erst danach: Dannmuss man ständig gegenseitig Texte hin- und hermailen, um Fehler auszubessern oder das Gesagte in die richtige Form zu bringen“. Das „Wagnis“ der wahren Autorenschaft eines solchen Buches haben die beiden Journalisten klug gelöst: Sie treten als Urheber dezidiert in den Hintergrund und überlassen Haneke das Feld: „Haneke über Haneke“ soll also vor

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allem ein Buch VON und nicht nur ÜBER Michael Haneke sein. Nur die thematischen Eckpunkte geben Cieutat und Rouyer vor, indem sie etwa das Buch nicht nur auf die Kinoarbeiten Hanekes beschränken, sondern in den Gesprächen auch auf seine frühen Fernsehfilme detailliert eingehen. Haneke verrät dazu auch Etliches aus seinem Werdegang, was bisher nur Insidern bekannt war. Der Aufbau des Buches folgt dem selben Konzept wie dereinst „Truffaut/Hitchcock“: Film für Film wird durchbesprochen, mit manchmal tiefgehenden, nicht immer spannenden oder vielsagenden, aber durchwegs eloquenten Bemerkungen. So wird „Haneke über Haneke“ zu einem umfangreichen Kompendium zum Werk des Regisseurs, kann dem letztlich sehr autonomen und akribischen Künstler aber keine allzu überraschenden Erkenntnisse entlocken. Das Buch ist aber definitiv ein neues Standardwerk über Haneke. Das einzige wirkliche Manko ist vielleicht der Umstand seiner Entstehung: Cieutat und Rouyer führten die Gespräche auf Französisch; Haneke spricht diese Sprache gut, es ist aber keine Muttersprache. Hernach diesen Text ins Deutsche zu übersetzen, und dabei die Nuancen zu treffen, die Haneke in Deutsch gewählt hätte, ist dann und wann schlicht nicht gelungen. So leidet das Buch auf Deutsch unter seiner Übersetzung, während es im Französischen nicht den Wortreichtum eines Native Speakers beinhaltet. Haneke, der die deutsche Übersetzung zwar durchgesehen hat, spricht dennoch durch einen Filter.  Klara Verthoer

ENNIO MORRICONE

Edel, Ear Books, 132 Seiten, 39,95 Euro

Ein wahrhaft prächtiger Band für die Liebhaber von Filmmusik ist in der Reihe „Ear Books“ bei Edel erschienen: „Ennio Morricone“ versammelt nicht nur über 300 zum Teil großformatige Abbildungen zu den Filmen, für die Morricone die Musik schrieb, sondern ist (dreisprachig) auch mit umfangreichen Texten dazu ausgestattet. Das Highlight sind aber die vier beiligenden Audio-CDs, auf denen 60 von Morricones besten Tracks aus insgesamt mehr als 500 Filmmusiken enthalten sind, darunter Klassiker wie „Spiel mir das Lied vom Tod”, „Zwei glorreiche Halunken”, „Für eine Handvoll Dollar”, „Es war einmal in Amerika”, „Mein Name ist Nobody”, „Ein Käfig voller Narren”, „Die Unbestechlichen” oder „Corleone - der Aufstieg des Paten.” Das Buch eröffnet einen bislang einzigartigen Blick auf die Vielseitigkeit des in Rom geborenen Komponisten, der unter anderem auch viel fürs Fernsehen gearbeitet hat und dort etwa die Titelmelodie zur Serie „Allein gegen die Mafia“ schuf. Bisher war Morricone im breiten Verständnis der Vater vieler Scores zu Italo-Western, tatsächlich hat er allerlei Genres mit Klängen beliefert und teilweise auch neu definiert. Die Werkzusammenfassung ist in dem großformatigen Band sehr anschaulich gelungen. Hinzu kommt noch ein recht umfangreicher Blick auf den Künstler selbst, indem man bislang zum Teil unveröffentlichtes privates Bildmaterial verwendet hat. Ein Buch, das in jede Film-Bibliothek gehört.  Doris Niesser


Fotos: Johannes Brunnenbauer; Concorde

DVD &Blu ray

Dreifach-Platin gab es in Österreich für mehr als 90.000 verkaufte „Twilight“-DVDs

Der DVD-markt bäumt sich auf

Online-Videos machen derzeit erst zehn Prozent am Umsatz aus.

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er Heimkino-Markt ist im Umbruch, und das hat vor allem mit dem Aufkommen digitaler Video-on-DemandDienste zu tun. Seit Jahren stagniert der Absatz von DVDs und Blu-rays regelrecht, während die Online-Angebote starke Zuwachsraten verzeichnen. Aber im Jahr 2013 ist alles ein bisschen anders. In Deutschland kann die Videobranche das beste erste Quartal in der Geschichte des Home Entertainment verzeichnen – mit insgesamt 443 Mio. Euro Umsatz (bisheriges Spitzenergebnis waren 406 Mio. im Jahr 2005). Augenblicklich ist auch keine Rede mehr vom vielfach beschwörten Ende des physischen Datenträgers (DVD, Blu-ray): Denn auch die einzelnen Sparten legten allesamt kräftig zu: Im Kaufmarkt gab es mit 358 Mio. Euro ein kräftiges Plus von 15 Prozent gegenüber 2012 (310 Mio.) So sind die Umsätze aller drei Formate DVD, Blu-ray und „Video on Demand“ (VoD) angestiegen. Nebst dem DVD-Verkaufsumsatz, der mit +7% auf 243 Mio. Euro eine ansteigende Form aufweist (nach 227 Mio. Euro in 2012), verzeichnet auch das Blu-ray-Geschäft mit +35% auf 98 Mio. Euro (nach 73 Mio. Euro in 2012) und die VoD-Nutzung mit einem Anstieg von +55% auf 17 Mio. Euro (nach 11 Mio. Euro in 2012) ungebrochen starke Zuwächse. Der Anteil des Online-Marktes am Gesamtbild ist momentan noch gering: Nur etwa jeder zehnte Euro wird auf diese Weise umgesetzt. Michael Ivert, Geschäftsführer bei Concorde Home Entertainment, ist einer der Gewinner des Home-Entertainment-Booms: Er hat kürzlich in Wien eine Auszeichnung für über 90.000 verkaufte Einheiten des Top-Titels „Twilight“ entgegen genommen. „Breaking Dawn – Bis(s) zum Ende der Nacht 2“ belegt Rang drei der bestverkauften Datenträger, hinter „Expen-

dables 2“ und „Skyfall“ auf Platz eins. Die hohen Wachstumsraten im VoD-Geschäft hingen mit der Änderung der Mediennutzung zusammen, meint Michael Ivert: „Der digitale Markt ist auf einem guten Weg, Anbieter wie Amazon haben diesen Weg bereitet und die so genannten ‚Digital Ager‘, also jene Menschen, die mit digitalen Inhalten aufgewachsen sind, treiben das Wachstum voran“. Jedoch, und das will Ivert mit Nachdruck unterstreichen: „Möglicherweise geht diesen Filmfans früher oder später die Haptik physischer Datenträger ab. Die Emotion des Anfassens einer Sammleredition verliert sich im digitalen. Es gibt unzählige Filmfans, die nach wie vor eine große Sammlung an DVDs oder Blu-rays bei sich zu Hause anlegen und diese auch stolz präsentieren“, so Ivert mit einem Verweis auf die Zuwachsraten. Der digitale Markt sei auch von einem An-

Concorde-Chef Ivert: „Video-on-Demand bringt der Home-Entertainment-Branche völlig neue Käuferschichten“

fangshype getrieben, meint Ivert. „Denn seit jeder Haushalt w-Lan-fähig ist, macht es natürlich Spaß, diesen neuen Vertriebsweg auszuprobieren. Online ist ein attraktiver Markt“. Für Ivert gibt es aber einen direkten Vergleich zu einem anderen Medium, das derzeit eine Renaissance feiert: „In den Saturn-Märkten gibt es beispielsweise wieder große Vinyl-Abteilungen. Die Leute gehen wieder auf dieses alte Medium zurück, weil es anders klingt und weil digitale Content-Libraries sie nicht so sehr zufrieden stellen wie eine Schallplatte“. EIN NEUER MARKT  Der Online-Markt entpuppe sich also nicht als Konkurrenz für bestehende Formate, sondern als Ergänzung, ja sogar als Erweiterung, findet Ivert. „Wir machen heute dadurch insgesamt mehr Umsatz, weil wir online Menschen erreichen, die bisher nicht zu den Käufern von DVDs und Blu-rays gehörten. Ohne digitales Angebot würden diese Kunden gar keine DVDs kaufen. Wir schaffen uns quasi einen neuen Markt. Insgesamt gehe der Trend aber in eine Spezialisierung der Märkte: „Während bei Online-Diensten besonders große Blockbuster und Actionfilme die Verleih- und Verkaufscharts dominieren, wird der Markt für physische Datenträger mehr und mehr von Boxen, Sammlereditionen und Sonderausgaben dominiert“, sagt Ivert. „Die DVD kann ein sinnliches Fanprodukt sein, das für die Käufer hohen Sammlerwert hat“. Die Situation im kleinen österreichischen Markt ist dabei ganz ähnlich wie bei den Nachbarn und spiegelt auch die zehn Mal so kleine Bevölkerungszahl wider: „Wir machen ungefähr acht bis 10 Prozent unseres Umsatzes in Österreich“, verrät Ivert. „Das ist für uns also wirklich kein kleiner Markt, sondern ein sehr wichtiger“.  Matthias Greuling

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DVD &Blu ray

ITALO-WESTERN

UNCHAINED

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eht es um qualitativ hochwertige Veröffentlichungen im deutschsprachigen Raum, gibt es kein Vorbei am Label Koch Media, das bereits seit knapp einer Dekade exzellenten Ruf unter Fans und Sammlern von Genrekino genießt: Technisch meist tadellose, mit interessantem Bonusmaterial angereicherte und liebevoll gestaltet und zusammengestellte Releases erfreuen seit jeher die Kunden. Aus der schon vor längerer Zeit produzierten 26-teiligen Regenbogenfarben-Edition, die eine ungeheure Bandbreite vermittelt (von Edeltrash aus der Fidani-Schmiede bis hin zu Damianis „Töte Amigo“), sind mittlerweile einige Titel vergriffen und so rief man zum Kinostart von „Django Unchained“ die Western Unchained Reihe ins Leben: Klar, vieles daraus gab es bereits vorher auf DVD, aber ein paar unveröffentlichte Kracher sind dabei, wie Giulio Peltronis Revolutionswestern „Tepepa“ (Tomas Milian in seiner Paraderolle als Rebell kämpft gegen Orson Welles, das Morricone-Titelthema ist nicht weniger als ein Evergreen und am allerwichtigsten: endlich ist der Film erstmals in seiner ungekürzten Originalfassung zu sehen) oder der grundsolide Genrebastard „Rocco – Der Mann mit den zwei Gesichtern“, der Western mit Elementen des Kriminalfilms und der Komödie kreuzt. Neben Einzelveröffentlichungen gibt es seit kurzem auch zwei je vier Filme umfassende Enzyklopädien. Deren Zusammenstellung mutet auf den ersten Blick willkürlich an, die Filmauswahl selbst lässt jedoch keine Wünsche offen: Box 1 bietet neben dem heiß ersehnten „Schweinehunde beten nicht“ – ein düsteres Spektakel mit Gianni Garko (Sartana) in der Hauptrolle als

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gebrochener Kriegsheld – den ebenfalls von Peltroni stammenden und zu Unrecht in Vergessenheit geratenen „Amigos“ mit Giuliano Gemma und Mario Adorf. Box 2 lässt selbst abgebrühtesten Westernfans das Wasser im Mund zusammen laufen: Den Anfang macht „Bleigericht“ (1968 – der italienische Originaltitel lautet schöner übersetzt: Gott erschuf sie, und ich leg’ sie um!) in dem es das spätere Teenie-Idol der DDR, der rote Elvis Dean Reed, mit einer Horde über Leichen gehender Bankräuber zu tun bekommt, die ihm ans Leder wollen. Da helfen die Songs von Frieden und Sozialismus wenig, die einzige Musik, die hier noch etwas auszurichten vermag, kommt aus den Läufen der Colts. Weiters aus der Blütezeit des Genres stammt „Die sich in Fetzen schießen“ (1967). Die Gier nach Gold lockt Outlaws in eine verlassene Kleinstadt – wo sie eine alte Frau und ihren Sohn so lange malträtieren, bis der zum Schießeisen greift. Sicherlich kein Highlight, aber recht brutal und daher einigermaßen stimmig. TEUFELSKERLE  1973 befindet sich der Italowestern bereits im Aussterben, da legt Giuseppe Rosati mit „Vier Teufelskerle“ eine echte Preziose nach: Held des Films ist Gianni Garko, der einen aus dem Koran zitierenden Kopfgeldjäger spielt, welcher mit Hilfe dreier Kavalleristen eine mexikanische Gangsterbande erledigen soll. Aus dieser Gruppendynamik ergibt sich ein recht spannender, abwechslungsreicher und atmosphärischer Film, den auch der melancholische Soundtrack von Nico Fidenco veredelt. Zum Abschluss wartet „Der Mann aus Virginia“ mit Giuliano Gemma. Dieser entstand 1977, also in einer Zeit, in der das Genre bis auf wenige Ausnahmen bereits tot war. Dementsprechend ist die Stimmung düster und die vom

Bürgerkrieg zerstörte USA in desolaterem Zustand als sonst. Dafür wartet er mit einer sehr ungewöhnlichen Geschichte und Erzählweise auf: In der ersten Hälfte funktioniert der Film quasi als meist ernsthaftes Buddy-Movie, erst im zweiten Teil wird der Film zum Western mit typischer Rachestory (Seewolf Raimund Harmstorf darf den äußerst schmierigen Antagonisten spielen). Insgesamt also lohnende Anschaffungen, die von informativem Bonusmaterial aufgewertet werden. Nicht aus der Welt des Italowesterns, aber trotzdem eine besondere Erwähnung muss noch folgender Eintrag aus dem Kuriositätenkabinett finden: Ascot Elite hat endlich „Django Nudo und die lüsternen Mädchen von Porno Hill“ auf DVD veröffentlicht. Das harmlose Filmchen (inzwischen ab 16 Jahren freigegeben) wäre eigentlich keine Erwähnung wert, würde es nicht über eine der unfassbarsten Synchronisationen verfügen, die je erstellt wurden. Da der Streifen – im US-Original „Brand of Shame“ – einschläfernd langweilig sein muss, fabrizierte man in der Berliner Synchron Kalauer um Kalauer, die man den Figuren auf die Lippen legte und so manchen Ritt durch oder in der Landschaft versüßte: „Was ist das?“ – „Gräser und Steine“ oder „Hinter dir, ein Kaktus“ sind die harmloseren Beispiele einer deutschen Bearbeitung, die ihresgleichen sucht. Zu verdanken haben wir dies der Schweizer Produktionslegende Erwin C. Dietrich, der schon bei den Credits Humor bewies: Aus Hauptdarsteller Steve Stunning (auch nicht schlecht) wurde John Eversteiff, die Damen hießen Paula Pleasure oder Darlene Darling und den Ton besorgte Speak Lauder. Ein informativer und unterhaltsamer Audiokommentar von Christian Kessler und Heinz Klett, rundet diese Must-Have Veröffentlichung für wirklich jeden ab.  Florian Widegger

Fotos: Fox; Koch Media; Camera Obscura

Tarantino sei Dank: Italo-Western boomen im Heimkino. Die wichtigsten Neuheiten.


italienische genrekunst Un bianco vestito per Marialé

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Promotion © 2013 TCFHE

ass das italienische Kino seine Glanzzeiten längst hinter sich hat, beweist einmal mehr eine Veröffentlichung aus dem Hause Camera Obscura, die bereits seit einiger Zeit in ihrer „Italian Genre Cinema“-Reihe ein Juwel nach dem anderen auf DVD veröffentlichen. Diesmal kam Regisseur Romano Scavolini zu längst überfälligen Ehren. Der – Digitalkameras sei dank – immer noch produktive Filmemacher ist vor allem für seinen Schocker „Nightmare in a Damaged Brain“ (1981) berühmt-berüchtigt, in dem ein albtraumgeplagter Killer seine Opfer auf besonders derb-kreative Weise zur Strecke bringt. Gesitteter geht es da in „Un bianco vestito per Marialé“ zu. Titelfigur Marialé (Ida Galli) muss ebenfalls ein Kindheitstrauma verarbeiten, da ihr Vater ihre Mutter und deren Liebhaber beim Tete-atete im Park erschossen hat. Viele Jahre später lebt sie mit ihrem missgünstigem Ehemann (Luigi Pistilli) und einem noch zwielichtigern Butler zurückgezogen in einem abgeschiedenen Schloss. Eines schönen Wochenendes beschließt sie, ein paar Freunde einzuladen – die mögen sich, so hat man den Eindruck, untereinander aber nicht sonderlich und so braucht es schon sehr viel Alkohol und ein fürstliches Gelage um die Stimmung etwas zu erheitern. Als einer der Gäste allerdings mit

eingeschlagenem Schädel auf dem Fußboden vorgefunden wird, ist Schluss mit lustig. So dezimiert sich nach und nach die Schar der im Schloss verbliebenen, bis – vielleicht – am Schluss sogar das Geheimnis des weißen Kleids, das Marialé trägt, gelüftet wird. Scavolini, der diesen Film aus reiner Geldnot machen musste und der ihn für aus seiner Filmografie vergessenswert erachtet, lässt üppigen Gothic-Horror auf dekadente Bürgertum-Farce treffen und peppt das ganze mit psychologischen und psychedelischen Elementen auf. „Marialè“ ist ganz klar ein Kind seiner Zeit, lebt vor allem von kräftigen Licht- und Farbspielen und Fiorenzo Carpis und Bruno Nicolais träumerischem Soundtrack. Vor der Kamera stehen erlesene Stars wie die geheimnisvolle Lady Ida Galli, der Schönling Ivan Rassimov und der düstere Luigi Pistilli. Ein Film für laue Sommernächte – wie üblich in vorbildhafter Umsetzung auf DVD. Da es keine deutsche Synchronisation gibt, allerdings im Originalton mit Untertiteln!  Florian Widegger Un bianco vestito per Marialé 85 min, 16:9 (2,35:1) Italienisch, UT: Deutsch, Englisch Bonus: Audiokommentar, Interview, Deleted Scenes, Trailer, Booklet Bereits erhältlich

Regisseur Scavolini drehte „Un bianco vestito per marialé“ aus reiner Geldnot.

Marilyn Monroe-Festspiele erstmals auf blu-ray

Neu: Von elvis bis „New girl“

Zwei Klassiker mit Marilyn Monroe erscheinen im August erstmals in der HD-Version auf Blu-ray:

ELVIS: LOVE ME TENDER (1956) Gegen Ende des US-Bürgerkrieges erfährt der junge texanische Farmer Clint (Elvis Presley), dass sein älterer Bruder Vance (Richard Egan) im Kampf getötet wurde. Ohne zu ahnen, dass Vance noch lebt, heiratet Clint dessen große Liebe Cathy (Debra Paget). Ein fataler Fehler, der aus den Brüdern erbitterte Rivalen werden lässt. Erhältlich ab 02.08.2013

BUS STOP (1956) Don (Beauregard ‚Bo‘ Decker) ist ein junger, naiver Cowboy aus der Provinz – da entdeckt er plötzlich Cherie (Marilyn Monroe), das Mädchen seines Lebens. Für ihn ist klar: Das wird meine Frau. Das Mädchen aber ist da ganz anderer Meinung. Kurz entschlossen packt Don seine Geliebte gegen ihren Willen in einen Bus – und ab geht´s in Richtung Montana. Doch die Fahrt ist schnell vorbei – eine Straße ist blockiert. Während der unfreiwilligen Nacht im Café muss die Entscheidung fallen. Erhältlich ab 02.08.2013

NIAGARA (1953) Der dramatische Hintergrund der tosenden Niagara-Fälle ist nichts gegen die wilde Kraft von Rose (Marilyn Monroe), die ihre beiden schärfsten Waffen – ein erotischer Körper und ein mörderischer Charakter – für ihre eigenen Zwecke nutzt. Der Mordplan an ihrem Ehemann (Joseph Cotten) ist raffiniert genug eingefädelt: Mit erotischem Feuer und eiskalter Perfidie bringt Rose ihr Opfer an den Rand des nackten Wahnsinns, während der geheime Liebhaber im Schatten auf seine Chance wartet... Erhältlich ab 02.08.2013 Beide Blu-rays beinhalten die Original-Kinotrailer und Hinweise auf weitere Filme mit Marilyn Monroe.

HELLO DOLLY (1969) „Wenn du schon von der Hand in den Mund lebst, dann nimm wenigstens beide Hände.“ So lautet das Motto der lebenslustigen Witwe Dolly Levi (Barbra Streisand), die sich auf überaus charmante Weise durch‘s Leben schlägt. Sie stiftet Ehen, erteilt Tanzunterricht, unterweist junge Männer in Sachen Liebe und ältere Herren in Sachen Geldanlage. Erhältlich ab 02.08.2013 NEW GIRL COMPLETE BOX Zooey Deschanel ist das „New Girl“ aus der charmanten und unkonventionellen Comedyserie über Beziehungen, Freunde und Affären, die jetzt erstmals als Complete Box auf den Markt kommt. Erhältlich ab 05.07.2013

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der kleine

stAmpf

IMPRESSUM

... lehnt rote Unterwäsche kategorisch ab

celluloid

FILMMAGAZIN Nummer 4/2013 Juli/August 2013 erscheint zweimonatlich Herausgeber, Eigentümer und Verleger: Verein zur Förderung des österreichischen und des europäischen Films Chefredakteur: Matthias Greuling Stv. Chefredakteurin: Sandra Wobrazek Freie AutorInnen: Gunther Baumann, Beatrice Behn, Jürgen Belko, Matthias Heschl, Paul Heger, Martin Krammer, Alexander Lohninger, Teresa Losonc, Doris Niesser, Sandra Nigischer, Carolin Rosmann, Manuel Simbürger, Clemens Stampf, Siegfried Tesche, Florian Widegger, Anna Wollner, Klara Verthoer Lektorat: Lydia Zemann Coverfoto: Tobis Anzeigen: Dieter Greuling Layout/Repro: Matthias Greuling Werbeagentur Druck: Kny und Partner, 2340 Mödling Die Beiträge geben in jedem Fall die Meinung der AutorInnen und nicht unbedingt jene der Redaktion wieder. Grundsätzliche Richtung der Zeitschrift: celluloid begreift Film als Kunstform und will dem österreichischen und dem europäischen Film ein publizistisches Forum bieten. celluloid ist unabhängig und überparteilich. Anschrift: celluloid Filmmagazin Anningerstrasse 2/1, A-2340 Mödling Tel: +43/664/462 54 44 Fax: +43/2236/23 240 e-mail: celluloid@gmx.at Internet: www.celluloid-filmmagazin.com Vertrieb: MORAWA; erhältlich in 600 ausgewählten Trafiken in ganz Österreich und in allen 60 Morawa-Verkaufsstellen, sowie bei Thalia, in ausgewählten Kinos, Fachgeschäften (z.B. SatyrFilmwelt, Wien) oder direkt bei der Redaktion. Preise: Einzelheft: EUR 5,- (zuzüglich Porto und Verpackung: EUR 1,70); Abonnement für 6 Ausgaben: EUR 18,90 (inkl. Porto und Verpackung); Ermäßigte Abos für Studierende gegen Nachweis: EUR 12,90. Abonnements können bis zwei Wochen nach Erhalt der 6. Ausgabe (nach einem Jahr) schriftlich gekündigt werden. Andernfalls verlängern sie sich um ein weiteres Jahr zum jeweils gültigen Vorzugspreis für Abonnenten. Preise gelten innerhalb Österreichs. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion und Quellenangabe. © 2013 by Verein zur Förderung des österreichischen und des europäischen Films. Diese Publikation wird unterstützt von

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m 1. Juni feierte Clark Kent seinen 75er. Besser bekannt unter seinem nom de voyage Superman, kämpft der letzte Überlebende des Planeten Krypton seit seinem ersten Auftritt in „Action Comics“ im Jahre 1938 für Freiheit, Gerechtigkeit und den American Way. Ersonnen von dem erst 17-jährigen Jerry Siegel und illustriert von Joe Shuster wurde der Mann aus Stahl bald zur popkulturellen Ikone und begründete ganz nebenbei auch noch das Superhelden-Genre. Unzählige wohlbekannte HeldInnen in Strumpfhosen folgten, doch unter Zuhilfenahme von Google (nannte man früher Recherche oder so), stößt man schon bald auf jene superheldischen Charaktere, die wohl niemals verfilmt werden – außer Tim Burton ist wieder mal fad, Ed Wood weilt unter den lebenden Toten oder die berüchtigte 80er Produktionsschmiede Cannon Films ist wieder am Werkeln. „Hey Moment“, werden Einige jetzt rufen, „Cannon hat ein paar meiner Lieblingsfilme produziert.“ Wie recht sie haben! „American Fighter“ etwa (der Titel sagt alles) mit Ex-Kinderpsychologiestudent (!) Michael Dudikoff (Schauspielausbildung: Das Leben. Gesichtsausdruck: Mami, ich glaube, ich krieg Dünnpfiff beim Anblick der amerikanischen Flagge) in der Titelrolle, oder „Masters of the Universe“, der erste auf Mattel-Spielzeug basierende Film, bei dem die Besetzung weniger mimische Fähigkeiten aufweist als jede Actionfigur. Aber Skeletor lebt! Einfach bis nach dem Abspann warten, gleicher Schmäh, so wie bei sämtlichen Marvel Universe Filmen. Und wer könnte die linksliberal angehauchten, psychologisch undichten Vietnam-Epen „Missing in Action“ 1, 2 und 3 vergessen? Jahre bevor Mr. G.L. überhaupt das Wort Prequel kannte, erzählte „MIA 2“ die Vorgeschichte des ersten Teils. Ist das nicht erzählerisches Genie? Überhaupt dient der Vietnam-Konflikt hier nicht nur als Vorwand für billige Ballerszenarien, nein, hier wird das Selbstverständnis des bärtigen amerikanischen Helden verhandelt, den Chuck mit seinem ganzen Norris verkörpert. Musste er sich zu Karrierebeginn noch von Bruce Lee am Rückenbewuchs durch die Luft wirbeln lassen, zeigte Chuck nun der Weltöffentlichkeit, wie mit einem nationalen Trauma umzugehen ist: Umlegen, nochmals umlegen, besser umlegen. Diese charmante, ungebrochene, einprägsam riechende Männlichkeit, die Chuck beim Fremdgenickbruch an den Tag legt, ist von solcher Schönheit, von solcher Anmut, von solc….Sorry, Chuck bringt mich kleinen Töpfchensitzer immer so zum Schwärmen. Chuck und Superman. Superman und Chuck. Wo ist da die Verbindung? Hu-

manistische Lebensphilosophien? Vorliebe für eng sitzende Kleidung? Cannon? Richtig. Cannon Films produzierte 1987 das superste Leinwand-abenteuer des Stählernen: „Superman 4 - The Quest for Peace“. Obwohl der Plot nicht mal so bescheuert klingt (Superman soll das Wettrüsten beenden) wurde der Film für keinen einzigen Oscar nominiert. Eine Frechheit angesichts der Jahrhundertleistung eines gewissen Mark Pillow als Supermans Gegenspieler Nuclear Man. Kinder sollen geweint haben, als Nuclear Man (alternative Namen: Stripper Boy, G-String. Look: Mischung aus Rudi Völler und Jane Fonda) Supie mit seinen langen, mutierten, silbern lackierten Fingernägeln beinahe erledigte. Vor Lachen. Danach war es erst mal vorbei mit Supermans Filmkarriere. Mitte der 90er sollte Nicolas Cage unter der Regie von Tim Burton den Superman geben, doch das Projekt wurde noch im Planungsstadium abgewürgt. Als nächster sollte Danny de Vito in den blau-roten Dress schlüpfen, aber kreative Differenzen, wie die Rolle anzulegen sei, verhinderten auch dieses Projekt. So wurde die Rolle William Shatner angeboten, der sich schließlich selbst für zu fett befand. Außerdem bemängelte er ständig P.H. Vazaks Drehbuch: „Warum kann Clark Kent nicht T. J. Hooker heißen? Kann Superman nicht vom Vulkan stammen? Muss dieser Köter namens Krypto eine Rolle spielen? Warum hat Lois Lane keine spitzen Ohren? Warum hat das Schiff, mit dem Superman zur Erde geschickt wird, nicht die Kennung NCC-1701?“ Tja, Zeit ging ins Land und pünktlich zum 75er startet Zack Synders Reboot „Man of Steel“. Ob damit Bryan Singers Schnarchversion „Superman Returns“ vergessen ist, bleibt abzuwarten. Sicher ist nur, dass Kal-El alias Clark Kent alias Superman keine roten Unterhosen mehr trägt. Sein ikonisches Kostüm wurde sowohl in den Comics als auch für den Film generalüberholt. Und das ist gut so. Denn die rote Untergatte war schon immer das einzig altmodische an Superman. Auf, auf und davon. Einen schönen Sommer wünscht der kleine Stampf. P.S: Wer aufmerksam mitgelesen hat, wird bemerkt haben, dass jene skurrilen Superhelden, deren Abenteuer wohl keiner je verfilmen wird, im Text nicht genannt wurden. Wird demnächst nachgeholt. Als Vorgeschmack gibt es aber noch ein paar lustige Namen als Anreger für die Phantasie: Arm Fall Off Boy, Codpiece, Doorman, Leather Boy, Squirrel Girl, Whizzer. Was es mit diesen GesellInnen auf sich hat erfahren Sie im nächsten Celluloid. derkleinestampf@stampf.at

die nächste ausgabe von celluloid erscheint am 26. AUGUST 2013! 66

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AB 5. JULI IM KINO


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