celluloid Beilage zur Wiener Zeitung 3a/2012

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celluloid Ausgabe 3a/2012 - 28. April 2012

gegründet 2000

filmmagazin

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Beilag

sie starb vor 30 jahren

© Eva Sereny / CameraPress / Gamma-Rapho

ARTIG. NICHT BRAV.

RomySchneider Mit ausgewählten beiträgen aus dem filmmagazin celluloid www.celluloid-filmmagazin.com



a r t i g , n i c h t b r av

celluloid

filmmagazin - BEILAGE ZUR WIENER ZEITUNG Ausgabe 3a / 2012 - 13. jahrgang Mai / JUNI 2012

LES

COVER

EDITORIAL

Liebe Leser,

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30 Jahre ohne Romy Die letzten Tage einer Legende. Plus: Neue Bücher, DVDs, TV-Termine

Einen „Feiertag“ für den österreichischen Film nannte Martin Schweighofer von der Austrian Film Commission den Tag der Bekanntgabe des offiziellen CannesWettbewerbs 2012. Gleich zwei heimische Produktionen treten um die Goldene Palme an: Michael Hanekes „Amour“ und Ulrich Seidls erster Teil seiner „Paradies“Trilogie „Liebe“. Dass beide Filme denselben Titel haben, ist aber wohl schon die einzige Gemeinsamkeit. Für den österreichischen Film ist es tatsächlich ein Grund zum Feiern: Nicht nur, weil die Erfolgsserie damit ungebremst weitergeht, sondern auch, weil damit erstmals zwei österreichische Filme im Cannes-Hauptbewerb antreten (Seidls Wunsch, alle drei Teile seiner Trilogie gemeinsam aufzuführen, wurde allerdings nicht entsprochen). Alle Hintergründe, sowie eine Reihe weiterer spannender Filmthemen (siehe links) erwarten Sie in unserer vollwertigen Ausgabe celluloid 3/2012, die ab 30.4. im Handel erhältlich ist. Wie Sie das Heft bestellen können, erfahren Sie auf Seite 15! Wir wünschen Ihnen viel informatives Vergnügen beim Lesen!

FEATURES 6 8 9 10 12 14

Evolution der Gewalt heißt Fritz Ofners Doku über Guatemala. Ein Gespräch Profile: Catalina Molina ist eine junge österreichische Filmemacherin mit argentinischen Wurzeln Crossing Europe: Das Linzer Filmfestival öffnet diese Woche seine Pforten Filmkritik: „Stillleben“, „Outing“ und Audrey Tautou in „Nathalie küsst“ Neu auf DVD und Blu-ray: Die Woody Allen-Collection Die Top-Filme im Mai und Juni

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WEITERE THEMEN

des celluloid Filmmagazins (Ausgabe 3/12 ist am Kiosk erhältlich) 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44

Der König bin ich Mads Mikkelsen im Interview zu seinem Kostümdrama „Die Königin und der Leibarzt“ Erwachsen werden? Wozu? Die Darsteller von „American Pie 4“ machten Filmwerbung in Wien Jean Reno, Michaël Youn im Interview über die Komödie „Kochen ist Chefsache“ Valérie Donzelli, Jérémie Elkaïm sprechen über ihren „Kriegsfilm“ „Das Leben gehört uns“ David & Stéphane Foenkinos drehten mit Audrey Tautou „Nathalie küsst“. Ein Gespräch Céline Sciamma über „Tomboy“ 17 schwangere Mädchen zeigen Muriel & Delphine Coulin Pierre Richard pfeift aufs Altersheim, wie er im Interview verriet Exotische Vögel Filmproduzentinnen sind in Österreich sehr selten Christopher Lee Kurz vor seinem 90. Geburtstag besuchte Lee Wien Am Set bei Gustav Deutschs SpielfilmDebüt „Visions of Reality“ Renaissance der Wanderkinos Evolution der Gewalt heißt Fritz Ofners Doku über Guatemala. Ein Gespräch Susanne Brandstätter über ihre Doku „The Future‘s Past“

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Matthias greuling

Chefredakteur & Herausgeber celluloid@gmx.at

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und die Wiener Zeitung

Große Freude: Ulrich Seidl und Michael Haneke sind beide im Cannes-Wettbewerb 2012 vertreten

Stillleben/Outing (mit Interview Sebastian Meise) / Kuma / Nathalie küsst / Lachsfischen im Jemen Life Size Memories / Wie zwischen Himmel und Erde / Tabu / Moneyball

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Greuling; Tuma; Poool, ORF

FILMKRITIK 48

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OB R EP

celluloid Filmmagazin Beilage. Nummer 3a/2012, Mai/Juni 2012 Beilage zur „Wiener Zeitung“ am 28. April 2012. Medieninhaber und Herausgeber: Werbeagentur Matthias Greuling. Printed in Austria. Die Beiträge in dieser Beilage wurden uns mit freundlicher Genehmigung vom Verein zur Förderung des österreichischen und des europäischen Films zur Verfügung gestellt. Die Interviews wurden von Mitgliedern der celluloid-Redaktion geführt. Die Beiträge geben in jedem Fall die Meinung der AutorInnen und nicht unbedingt jene der Redaktion wieder. Fotos: Filmverleiher. celluloid versteht sich als publizistische Plattform für den österreichischen und den europäischen Film und bringt Berichte über aktuelle Filme. Anschrift: Anningerstrasse 2/1, A-2340 Mödling, Tel: +43/664/462 54 44, Fax: +43/2236/23 240, e-mail: celluloid@gmx.at, Internet: http://www.celluloid-filmmagazin.com Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion und Quellenangabe. © 2012 by Werbeagentur Matthias Greuling

c e llul o i d O N L I N E : www . c e llul o i d - fil m m aga z in . c o m celluloid 3a/2012

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cover

„EINE KERZE,

die an beiden Enden brannte

Foto: ORF/3sat

ROMY SCHNEIDER starb vor 30 Jahren, am 29. Mai 1982. Die letzten Tage im Leben der großen Schauspielerin

Romy Schneider in „Der Swimmingpool“ (1968), Regie: Jacques Deray

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n den letzten Monaten ihres Lebens liest Romy Schneider ein Buch, die Autobiographie der Schauspiel-Diva Eleonora Duse. Darin unterstreicht sie einen Satz, den die Duse zitiert, es ist ein Satz des italienischen Dichters Gabriele D´Annunzio: „Ich weiß, was der Ruhm bedeutet und was das Nahen der Nacht.“ Und beides, das kennt auch Romy Schneider nur allzu gut, diesen unermesslichen Ruhm, und, ja, das Nahen der Nacht… Anfang Mai reist Romy mit ihrem Lebensgefährten Laurent Pétin in die Schweiz, nach Zürich, und sucht dort ihren Vermögensverwalter, Rechtsanwalt Dr. Jürg Henrik Kaestlin auf. Romy hat finanzielle Probleme, und sie will das alte Haus in Boissy-sans-Avoir doch kaufen. In der Nacht des 10. Mai 1982 setzt sie handschriftlich urplötzlich ihr Testament auf. Es ist, als nähme sie das bevorstehende Nahen der Nacht vorweg, als ahne sie ihr ei-

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genes nahendes Ende. Von den noch lebenden Verwandten – Tochter Sarah Biasini, ExEhemann Daniel Biasini, Bruder Wolf-Dieter Albach – tritt kurz darauf keiner das Erbe Romy Schneiders an, da vom Vermögen, an dem sich so manche aus ihrem Umfeld so ungehemmt bedienten, nichts mehr geblieben ist außer Schulden, französischen Steuerschulden vor allem, die Angaben variieren verschiedentlich zwischen drei Summen: sieben, neun und elf Millionen Francs. Am 28. Mai, es ist ein Freitag, da gehen Romy Schneider und Laurent Pétin zu Laurents Bruder Jérôme und dessen Frau Claude, sie essen alle gemeinsam in deren Wohnung, trinken, reden. Etwa über das im März neu gefundene Haus in dem Dorf Boissy-sansAvoir, knapp 50 Kilometer westlich von Paris, dort, wo sie sich noch richtig einrichten müssen, den Sommer verbringen wollen, nur sie beide und Töchterchen Sarah. An Pfingsten, am bevorstehenden Wochenende, da sind sie schon mit Jean-Claude Brialy verabredet, auch zum Abendessen. Romy und Jean-Claude, sie kennen sich seit den fünfziger Jahren, schon seit damals, als sie mit Alain zusammen in Christine spielten. Das ist fast 25 Jahre her. Eine Freundschaft über ein Vierteljahrhundert. Er kennt sie mit am besten. Und doch merkt auch er nicht, dass der Tod um seine Freundin Romy herum strich, wie er es später einmal formuliert. Zu dem Treffen mit diesem, einem ihrer ältesten Freunde überhaupt, soll es nicht mehr kommen. Und keiner scheint zu spüren, dass es das Nahen der Nacht ist. Am frühen Morgen des 29. Mai wacht Laurent Pétin allein im Bett in der im siebten Arrondissement unweit des Invalidendoms gelegenen Wohnung in der Rue Barbet de Jouy auf. Romy liegt nicht neben ihm. Es ist etwa sieben Uhr. Tochter Sarah schläft noch. Er geht durch die Wohnung und findet Romy im Salon, am Schreibtisch sitzend, kopfüber. Inmitten eines handschriftlichen Briefes an eine französische Zeitschrift bricht sie ab. Er spricht sie an, doch sie reagiert nicht. Romy Schneiders Herz, es hat gegen fünf Uhr in der Nacht einfach zu schlagen aufgehört. Herzversagen lautet die offizielle Todesursache. Sie konnte nicht mehr. Oder, wollte sie nicht mehr? Sie ist 43 Jahre alt. Romy Schneiders Begräbnis findet am Vormittag des 2. Juni 1982 in Boissy-sans-Avoir statt. Dort, wo sie eigentlich leben wollte, dort wird sie nun beerdigt. Hubschrauber kreisen über dem kleinen Friedhof mit der mittelalter-

lichen Dorfkirche Sankt Sebastian, Fotografen sitzen in den Hubschraubern, die als erste das beste Foto schießen und meistbietend an die Weltpresse verkaufen wollen. Das Foto vom Sarg und der Bestattung eines Weltstars. Zeitweise ist die Grabrede von Regisseur Jacques Rouffio nicht zu hören, die Motoren- und Propellergeräusche in der Luft sind zu laut. Eine geradezu pervertierte Situation. ALAIN DELON FEHLTE  Viele sind gekommen an diesem Tag. Neben Romy Schneiders Familie, Bruder Wolf-Dietrich mit Frau Alba und Tochter, Laurent Pétin sowie dem geschiedenen Ehemann Daniel Biasini, nehmen auch langjährige Wegbegleiter wie ihr Kollege Michel Piccoli oder Jean-Claude Brialy von ihr Abschied. Mutter Magda Schneider bleibt nach ihrem erlittenen Herzinfarkt in Deutschland. Nur einer fehlt sonst auf der Beerdigung. Er kommt später, an einem anderen Tag, als die gierige Meute weg ist und aller Rummel vorbei. Still und leise nimmt Alain Delon allein von seiner Romy, von seinem „Puppele“ Abschied. Und so ist denn auch jener umstrittene öffentliche Brief, der in Frankreich in Paris Match, in Deutschland zeitgleich auf Deutsch in der Quick erscheint, „Adieu ma Puppele“ überschrieben (Paris Match, 11. Juni 1982). Umstritten, da Delon ihn nicht allein aufsetzt, umstritten, da er bei aller von ihm stets betonten Diskretion seinen Abschied öffentlich macht. Ist das notwendig, fragen sich viele. Es war Romys Großmutter Rosa AlbachRetty, von der der viel zitierte und die Dinge so ambivalent antizipierende Satz stammt, den sie zu beider Lebzeiten äußerte: „Wer sich wie sie so hemmungslos von seinen Emotionen, Leidenschaften und Begierden treiben lässt, denkt sicher nicht daran, dass eine Kerze, die man an beiden Seiten anzündet, auch schneller abbrennt...“ Auch am 29. Mai 2012, an Romy Schneiders 30. Todestag, wird dieses leicht zu übersehende unauffällige Grab wieder vollgestellt sein, werden es die Menschen, die es wirklich finden wollen, auch finden: Diesen Ort, der so ganz eigen ist in seiner Atmosphäre und Stimmung. Der so abgelegen ist von allem, so weit weg. Der wie der Welt abhanden gekommen scheint. Diesen Ort, an dem Romy Schneider begraben ist.  Thilo Wydra Von Thilo Wydra ist unter anderem die Biografie „Romy Schneider. Leben – Werk – Wirkung“ im Suhrkamp Verlag erschienen.


Zum 30. Todestag

romy als Buch, auf DVD & im TV ROMY IN BUCHFORM

© R. Lebeck / Stern / Picture Press

„Wir wollen, dass dieses Buch abbildet, wer Romy Schneider wirklich war und was sie bis heute verkörpert. Wir wollen, dass unsere Leser von ihrer Anmut und ihrer Schönheit überwältigt werden, von diesem Leben, dass sich um sie spann mit all seinen Dramen“, schreibt Sarah Biasini, Herausgeberin und Tochter Romy Schneiders über dieses Buch. Der großformatige, in qualitativ hochwertiger Ausstattung produzierte Bildband versammelt seltene Dokumente und 300 zum Teil unveröffentlichte Fotografien. Das Buch ist bei Edel. Books erschienen. (EUR 36,00)

Romy Schneider, fotografiert 1976 von Robert Lebeck, mit der Mütze des Fotografen. Dieses Foto, sowie unser Titelbild sind Bestandteil einer großen Romy-Schneider-Ausstellung, die derzeit in der Bonner Bundeskunsthalle zu sehen ist. Infos: www.bundeskunsthalle.de

Romy überall: Neue (Hör-)Bücher erscheinen aus Anlass ihres 30. Todestages, und im Fernsehen widmet 3sat Romy Schneider eine große Filmreihe mit zehn Filmen und zwei Porträts (Details siehe Kasten unten). Außerdem erscheint bei StudioCanal eine umfangreiche (wenn auch unvollständige) neue DVD-Edition, mit insgesamt 13 Filmen, darunter die DVD-Premieren „Die Bankiersfrau“, „Die Geliebte des Anderen“ und „Le Train – Nur ein Hauch von Glück“

Das Leben von Romy Schneider als Hörbuch, erschienen in der Reihe „Berühmte Persönlichkeiten“ bei Monarda Publishing House (EUR 9,99)

Die Romy-Biografie von Günther Krenn (Filmarchiv Austria) wurde als E-Book neu aufgelegt, erhältlich im Amazon Kindle-Store (EUR 8,10)

Fotos: StudioCanal; ORF

ALLE TV-TERMINE auf einen Blick 19.05.2012, 11:20 Uhr: Christine, ORF 2 20.05.2012, 23:00 Uhr: Die letzten Tage einer Legende: Romy Schneider, ORF 2 20.05.2012, 23:45 Uhr: Die Spaziergängerin von Sans-Souci, ORF 2 21.05.2012, 01:55 Uhr: Die letzten Tage einer Legende: Romy Schneider, ORF 2 23.05.2012, 00:15 Uhr: Leih mir deinen Mann, ORF 2 27.05.2012, 17:20 Uhr: Monpti, 3sat 27.05.2012, 20:15 Uhr: Romy, 3sat 28.05.2012, 17:20 Uhr: Christine, 3sat 28.05.2012, 20:15 Uhr: Ludwig II, 3sat 28.05.2012, 02:25 Uhr: Ludwig II, 3sat 29.05.2012, 22:25 Uhr: Romy Schneider Eine Frau in drei Noten, 3sat 30.05.2012, 22:25 Uhr: Das wilde Schaf, 3sat 31.05.2012, 22:25 Uhr: Die Liebe einer Frau, 3sat 01.06.2012, 16:15 Uhr: Die Halbzarte, 3sat 01.06.2012, 22:25 Uhr: Die Spaziergängerin von Sans-Souci, 3sat

„Die Liebe einer Frau“ (31.05., 22.25 Uhr, 3sat) celluloid 3a/2012

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interview fritz ofner hat für seinen

Dokumentarfilm „Evolution der Gewalt“ als One-ManShow in Guatemala gedreht

Fotos: Poool Film

Filmstart: 04.05.12

die dynamik der

gewalt A

n einem Wochenende 50 Morde, das ist keine Seltenheit in Guatemala: In einem Land, das seinen Bürgerkrieg nie aufgearbeitet hat, dreht sich die Gewaltspirale immer weiter und immer tiefer in die Menschen selbst. Der österreichische Filmemacher Fritz Ofner versucht in seiner Dokumentation „Evolution der Gewalt“ eine Annäherung an die Kausalität der brutalen Dynamik. celluloid: Das Wort „Evolution“ ist positiv konnotiert, als „Weiterentwicklung“. Die Gewalt in Guatemala entwickelt sich aber nach innen, und kontraproduktiv ...

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FRITZ OFNER: Ich glaube, „Evolution“ ist weder positiv noch negativ gemeint, es bezeichnet einfach eine Veränderung und ihre Dynamik. Ich wollte keinen Film über Guatemala per se machen, sondern über die Mechanismen von Gewalt, unter welchen Bedingungen Gewalt zustande kommt. In Guatemala sind seit der Conquista Gesellschaftsformen geschaffen worden, die bis heute auf der Ausbeutung von Ressourcen und Arbeitskräften aufgebaut sind. Das ganze System wird durch Repression und Gewalt zusammengehalten, und die Strukturen haben sich nicht verändert. Das ging von Silber über Gold, über Kautschuk und

Bananen, jetzt ist es Soja in Brasilien. Die Güter, die gehandelt werden, haben sich geändert, aber die Mechanismen sind gleich geblieben. Um für diesen Film dem Mechanismus auch ein Gesicht zu geben, hat sich der Bananenhandel angeboten, weil die Geschichte des Bürgerkriegs mit der Geschichte des Bananenhandels zusammenhängt. Guatemala ist die archetypische Bananenrepublik. Dieses Wort kommt davon, weil die exportierenden Firmen, in diesem Fall die United Fruit Company, so mächtig waren, dass sie effektiv über die Politik des Landes bestimmt haben. Als es Anfang der 50er einen demokratischen Wandel gab und


unser video-interview auf youtube

http://www.youtube.com/celluloidVideo

der damalige demokratische Präsident eine Landreform durchführen wollte, die vorgesehen hätte, Land von den Bananenfirmen zu nehmen und es an landlose Bauern zu geben, hat die amerikanische Regierung gemeinsam mit der United Fruit Company eine militärische Intervention gestartet, die den demokratischen Frühling beendet und in weiterer Folge zum Bürgerkrieg geführt hat, der dann 36 Jahre lang dauerte und in einem Genozid endete. Die Geschichte des Genozids beinhaltet auch die Tatsache, dass Hunderttausenden jungen Männern beigebracht wurde, wie man tötet, vergewaltigt, wie man erpresst. Nach dem Krieg sind diese Männer mit genau diesen „Kenntnissen“ in den Alltag zurück. Daher also auch der Begriff „Evolution“: Etwas hat einen Mechanismus ausgelöst, der immer neue Formen und Konsequenzen hatte. Der Ausgangspunkt für diese Gewaltspirale sind ökonomische und politische Zusammenhänge. Der in Guatemala kulturell sehr tiefgehende Konflikt mit den Indiginas wird im Film thematisiert, aber nicht näher auf seine Ursprünge und Auswirkungen untersucht. Richtig. Ich habe die These der Bananenrepublik für den Film gewählt; ein Soziologe würde die Gewaltspirale vielleicht in anderen Mechanismen verorten. Mir war der Ausdruck der emotionalen Kraft dieser Gewalt wichtiger, als die Analyse, die im Film einfach nicht derart viel Raum haben konnte. Sie lassen auch einen Militär-Kämpfer zu Wort kommen, der über seine Gräueltaten berichtet – warum war es Ihnen wichtig, alle Seiten zu zeigen? Ich wollte die verschiedenen Aggregatszustände der Gewalt aufzeigen. Die erste Episode im Film zeigt den voyeristischen Blick der Journalisten, die zweite darüber, wie jemand innerhalb des Systems dagegen kämpft, also die Sozialarbeiterin. Genauso wollte ich Opfern, aber auch Tätern eine Stimme geben, um diese „Evolution“ der Gewalt darstellen zu können. Der Soldat ist ein integraler Bestandteil des Films, weil Täter generell selten zu Wort kommen. In der Dynamik des Konflikts in Guatemala sind die Täter oft zugleich Opfer. Dieser Soldat zum Beispiel hatte sich nicht freiwillig gemeldet, sondern das waren Zwangsrekrutierungen. Man konnte damals entweder zur Armee gehen oder fliehen und sich im Wald der Guerrilla anschließen. So oder so war man gezwungen zu kämpfen. Für ihn war die Teilnahme am Film sehr wichtig, um eine Form von Katharsis zu finden, indem er das, was er erlebt hat, auch einmal erzählen kann. Die Suche nach einem Soldaten war aber sehr schwierig, weil niemand vor

die Kamera wollte, denn die meisten haben Angst, deswegen umgebracht zu werden. Sie zeigen auch Gespräche in Therapiegruppen, die aber wie immer eigentich von den „Falschen“ besucht werden, nämlich den Frauen. Es sollten dort nämlich vor allem Männer sitzen... Die Gewalt gegen Frauen hat in Guatemala schon ein derartiges Ausmaß angenommen, dass man – in Anlehnung an Genozid – bereits von Femizid spricht. Die Selbsthilfegruppe im Film ist für minderjährige, vergewaltigte Mädchen. Sie arbeiten in den Gesprächen die Geschichte des Landes auf. Aber es gibt keinerlei Therapieform für Täter, das ist richtig. So wird sich die Gewalt weiter reproduzieren, weil sie keine Möglichkeit haben, selbst mit ihren Traumata sich an jemanden zu wenden. Erschreckend ist es, zu sehen, wie die Menschen in dieser alltäglichen Trauer schon wie gelähmt reagieren... Ich habe im Laufe der Recherchen mit einem Schamanen gesprochen, der mir von einer Krankheit erzählt hat, die „Susto“ heißt. Das ist ein ethnologisch definiertes Krankheitsbild; eine Art von „Seelenverlust“ aufgrund eines Traumas. Diese Angstkrankheit kann die Formen von Schlafstörungen über Essensstörungen bis hin zu Tod oder Selbstmord annehmen. Ich glaube, dass die gesamte Gesellschaft in Guatemala unter „Susto“ leidet, und auch, dass ich im Zuge der Dreharbeiten meine Portion davon abbekommen habe. Aber für mich war der Filmschnitt eine Form von Therapie, diese Bilder in meinem Kopf wieder raus und in eine andere Form zu bekommen. Was hatten Sie sich als formales Konzept überlegt? Weil ich als so genannte One-Man-Show drehe, müssen meine Filme mit den Mitteln funktionieren, die ich zur Verfügung habe. Diese Arbeitsweise definiert also bereits sehr viel. Das hat den Vorteil, dass ich mehr Zeit mit dem Dreh verbringen kann, aber den Nachteil, dass ich stilistisch eingeschränkt bin, weil ich eben kein Team habe, in dem sich einer um das Bild, ein anderer um den Ton kümmert. In diesem Fall wollte ich den Film mit dem Moment der Gegenwart beginnen und davon in die Vergangenheit gehen. Geschehnisse in der Gegenwart kann ich beobachten, Vergangenes muss ich mir aber erzählen lassen. Für mich war hier das Zen-Prinzip von „form follows function“ sehr nützlich; so hat der Film keine einheitliche stilistische Form, sondern mäandert zwischen verschiedenen hin und her. Ich hoffe aber, dass das wiederum eine eigene Form ergibt.  Interview: Alexandra Zawia celluloid 3a/2012

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profile Catalina MOLINA

Foto: Greuling

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„Unser Lied“ von Catalina Molina ist demnächst bei den Cinema Next-Filmnächten, z.B. am 10.5. im Topkino, Wien, 22.30 Uhr, zu sehen

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aheim spricht Catalina Molina mit ihren Eltern und ihrem Bruder noch immer Spanisch. Und das, obwohl die Familie der 28-jährigen Nachwuchs-Regisseurin von Buenos Aires nach Gröbming zog, als Catalina fünf Jahre alt war. „Ich fühle mich als Argentinierin genauso wie als Steirerin“, sagt Molina, in bestem Steirisch selbstverständlich. Schon als Kind hat Molina eine Begeisterung für das Medium Film entwickelt, vor allem, weil ihr Vater als Filmfreak ständig die Werke von Fritz Lang, Bergman oder Peter Greenaway zeigte. Und Catalina dabei aufmerksam zusah. Gerade erst hat Molinas Film „Unser Lied“ bei der Diagonale in Graz den Preis für den besten Kurzfilm gewonnen, nachdem sie das Drehbuch dazu mit der Wiener Stoffentwicklungsfirma Witcraft Scenario entwickelte. Die Regisseurin erzählt in „Unser Lied“ von einem jungen, alleinerziehenden Vater, gespielt von ihrem Bruder Conrado, der seine Arbeit, seine Erziehungspflichten und seine Karriere als Musiker unter einen Hut zu bringen sucht. Als eines Tages die Mutter (Emily Cox) der gemeinsamen Tochter plötzlich wieder vor der Tür steht, bringt das den jungen Mann vollends durcheinander. Molinas einfühlsame Beobachtung einer Vater-Tochter-Beziehung und ihr direktes, unmittelbares Filmerzählen machen sie zu einer der großen Nachwuchshoffnungen des österreichischen Films. Nach ihrer Matura hat Molina die Aufnahmsprüfung an die Wiener Filmakademie bestanden, und studiert seither Filmregie bei Michael Haneke und Drehbuch bei Walter Wippersberg. Molina ist aber nicht erst seit „Unser Lied“ ein Begriff in der Filmszene: Bereits ihre Filme „Talleres Clandestinos“ (2009), „Zeitfeld“ (2007) und ihr Matura-Film an der Ortweinschule Graz, „Waisenhaus“ (2004), sorgten für Aufsehen und wurden mehrfach ausgezeichnet. „Mit meinen Filmen will ich vor allem berühren“, sagt Molina, die sich gerne kleine Geschichten aussucht, um sie in ihren Filmen in größere Kontexte zu setzen. Ihr Herkunftsland Argentinien spielt dabei immer wieder eine zentrale Rolle. „Talleres Clandestinos“ handelte von heimlichen Nähwerkstätten in Argentinien, in denen Mitarbeiter ausgebeutet werden. Dafür gab es sogar eine Nominierung zum Europäischen Filmpreis. Auch ihr nächstes Projekt „Cordoba 1978“ wird wieder mit Südamerika zu tun haben. Darin will sie eine Brücke zwischen Österreich und Argentinien schlagen - der Konnex dürfte schon anhand des Titels unschwer zu erkennen sein - Fußball-Film wird „Córdoba 1978“ aber keiner. Catalina Molina: „Mich interessiert anhand einer Begegnung zweier Menschen während des legendären Matches, was hinter der kollektiven Erinnerung des ‚Wunders von Córdoba‘ noch verborgen steckt“. 


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um bereits neunten Mal hat sich Linz von 24. bis 29. April dem europäischen Film verschrieben: Dann findet in der oberösterreichischen Hauptstadt wieder das Crossing Europe Filmfestival Linz statt. Ziel des Festivals an der Donau ist es, hochkarätiges Filmschaffen aus Europa zu präsentieren, und zugleich dem jungen Arthaus-Film eine Plattform zu bieten – und das mit einem dicht geschnürten cineastischen Paket. So sind im offiziellen Programm heuer 146 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme aus 43 Ländern zu sehen, davon 96 Österreich-Premieren und 22 Ur-Aufführungen. Festival-Leiterin Christine Dollhofer: „Es ist uns wichtig, dass Crossing Europe auf ,Cross Over' und Querverweise setzet. Dabei sind die Synergien besonders wichtig.“ AUTORENKINO  Trotz der globalen Betrachtungsweise von Crossing Europe – im Mittelpunkt des zweitgrößten österreichischen Filmfestivals stand von Anbeginn an der europäische AutorInnen-Film. Die Wettbewerbssektion „Europäisches Kino" bietet neun Langfilmdebüts beziehungsweise zweite Langfilme, die bereits in den letzten Monaten auf anderen Festivals Erfolge feiern konnten. Dabei spielt 2012 neben der Darstellung bemerkenswerter Frauenfiguren

die Stille eine entscheidende Rolle. So kommt „Z daleka widok jest piekny"/„It looks pretty from a distance“ (Regie: Anna und Wilhelm Sasnal) mit der Geschichte eines abgelegenen Dorfes, für das es keine Hoffnung zu geben scheint, nahezu ohne Dialoge aus. Ebenso eine reduzierte Sprache verwendet Lisa Aschan in „Apflickorna“/„She monkeys“, wenn sie von den Schwestern Erna und Sara erzählt, die zwischen Sexualität und Scheinmoral gefangen sind. Welche enorme Bedeutung der beobachtende Film im internationalen Festivalgeschehen hat, wird in der Crossing Europe-Schiene „Panorama Europa Documentary“ deutlich, die die unkonventionelle Position des europäischen Dokumentarfilms in all seinen unterschiedlichen, bunten und kreativen Facetten beleuchtet. So werden unter anderem Arbeiten über das Leben mit Behinderungen („Louisa“), urbane Skater in der DDR („This ain‘t California“), junge, kämpferische Lybier („Libya Hurra"/„Free Lybia“) und die Vision eines modernen Stadtstaats in Estland („Uus Maailm“/„The new world“) gezeigt. Das diesjährige Tribut schließlich ist der rumänischen Filmemacherin Anca Damian gewidmet, die mit drei Lang-, sowie einem Kurzfilm in Linz vertreten sein wird.  Sandra Wobrazek Mehr Infos: www.crossingeurope.at

Foto: Crossing Europe

festival Crossing Europe startet in Linz

Crossing-Europe-Highlight: „Ave“ (l.), Regie: Konstantin Bojanov, BG 2011

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filmkritik

STILLLEBEN / OUTING

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STILLLEBEN

OUTING

Ö 2011, Regie: Sebastian Meise. Mit Fritz Hörtenhuber, Christoph Luser, Daniela Golpashin FILMSTART: 18. 05. 2012

Ö 2012, Regie: Sebastian Meise, Thomas Reider. Dokumentarfilm FILMSTART: 18. 05. 2012

in Projekt der Berliner Charite, das eine Therapie für Menschen mit pädophilen Neigungen anbietet, die nicht zu Tätern werden wollen, war die erste Inspiration für seinen Spielfilm „Stillleben“, erzählt Regisseur Sebastian Meise. Wo beginnt Schuld, und ist Pädosexualität synonym für strafbares Gedankengut?, waren die ersten, offensichtlichen Fragen, die sich daraus ergaben und die auch die – eigentlich als Nebenprodukt der Recherche parallel entstandene – Dokumentation „Outing“ prägen. Mit wenigen Strichen und Hinweisen entwirft Meise im Spielfilm „Stillleben“ ein Familienuniversum und zeichnet die Geschichte von vier Menschen – Vater, Mutter, Tochter und Sohn - die während langer Jahre mit sich und umeinander gerungen haben. Diese fragile Gemeinschaft implodiert beinah lautlos durch die Ahnung eines Inzests, eines pädophilen Übergriffs, als der Sohn den sexuellen Phantasien seines Vaters auf die Spur kommt, der seine Tochter zwar noch nie angerührt hat, aber Prostituierte dafür bezahlt, nach genauen Anweisungen in ihre Rolle zu schlüpfen. „Stillleben“ beschreibt das zerbrochene Familiengefüge, das sich nun auftut, ganz ruhig und intensiv.

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Dabei vergisst er nicht auf die Umgebung der Figuren: der kleine Vorort, die täglich gelebte Stagnation. Meise nähert sich seinem Thema unaufgeregt und aufmerksam und nimmt sich vom ersten Augenblick an Zeit, den Zuschauer mitatmen zu lassen. Mit geradezu schmerzlicher Wärme und auf schmalem Grat präzis inszeniert, beschreibt er den Verlust der Familiengemeinschaft, das Unwiederbringliche. Während sich der Bruder vorwirft, nicht rechtzeitig erkannt zu haben, was vor Jahren passiert ist, steht die Mutter fassungslos vor der Misere einer sexuellen Obsession, für die sich der Vater selber hasst und für die er geradezu nach einer Bestrafung für sich selbst sucht. Fritz Hörtenhuber verleiht diesem Vater den richtigen Ausdruck, beinahe unbeweglich nach außen, aber im Inneren ein grelles Durcheinander. „Soap and Skin“-Sängerin Anja Plaschg ist hier in ihrer ersten kleinen Rolle zu sehen und lieferte für den Film unter anderem eine grandiose Neuinterpretation von „Voyage Voyage“. OUTING  Das Thema Pädophilie beleuchten Meise und Ko-Autor Thomas Reider auch in ihrer Dokumentation „Outing“ genauer:

Anhand der Geschichte von Sven, einem pädophilen jungen Mann, der alles dafür tut, seine Neigung nie in die Tat umzusetzten, wirft der Film wichtige Fragen auf. Seit seiner Pubertät ist dem jungen Archäologen Sven klar, dass er sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlt. Als einer der ersten Pädophilen erzählt er hier ausführlich von seinen Träumen, seinen Ängsten und Hoffnungen. Er artikuliert sich extrem reflektiert, ist in Dauer-Therapie und weiß, er muss sich von kleinen Buben fernhalten. Und doch verschieben sich im Laufe der Zeit (die Dokumentation fängt dies gut ein) langsam die Grenzen, die er sich selbst setzt. Sven spricht offen über seine pädophile Neigung und sein Ziel, diese niemals in die Tat umzusetzen. Er verschleiert auch seine Identität nicht - man sieht sein Gesicht. Der Film begleitet ihn vier Jahre lang, zeigt seinen inneren Kampf und wirft Fragen auf nach moralischen Grenzen, und danach, welchen Platz Menschen wie Sven in der Gesellschaft haben können. Getragen vom echten menschlichen Interesse an ihrem Protagonisten, gelingt den Filmemachern hier eine Nähe und Atmosphäre der Offenheit, die schockiert und berührt.  Klara Verthoer

Stadtkino

Ein Spielfilm und eine Doku von Sebastian Meise über unausgelebte Pädophilie


NATHALIE KÜSST

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Filmladen

Dass ein einziger Kuss das gesamte Leben verändern kann, machen die Regie-Brüder David & Stéphane Foenkinos auf romantische Weise deutlich

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ur wenige Schauspielerinnen schaffen es, Kinopublikum und Filmkritiker gleichermaßen zu begeistern. Audrey Tautou gelingt dieses Kunststück seit ihrem internationalen Durchbruch in „Die fabelhafte Welt der Amélie“ immer wieder – auch in ihrem aktuellen Film. Als Titelheldin in „Nathalie küsst“ schlüpft das Ausnahmetalent in die Rolle einer feinfühligen aber willensstarken jungen Frau, die mit ihren Rehaugen und dem mädchenhaften Charme sogar Eisberge zum Schmelzen bringt. Ein solcher ist Markus: Der hünenhafte Büro-Angestellte ist zwar eine imposante Erscheinung, optisch aber das Gegenteil eines Märchenprinzen. Unscheinbar und unauffällig schleicht er als graue Maus durchs Leben, ist jeden Tag als erster im Büro, um pünktlich nach Dienstschluss zu Hause bei seinen Eltern zum Abendessen zu sein. Völlig anders sieht der Alltag seiner attraktiven Chefin aus, die sich nach dem Unfalltod ihres Mannes ganz auf ihre Karriere konzentriert, um ihren inneren Schmerz in Arbeit zu ersticken. Kurz: Nathalie und Markus haben nichts gemeinsam – bis auf einen unbedachten Kuss, der das Leben der beiden für immer verändert.

Eindrucksvoll führen die Gebrüder Foenkinos vor, wie fruchtbar die (filmische) Zusammenarbeit von Blutsverwandten sein kann: Während David das auf seinem gleichnamigen Roman basierende Drehbuch schrieb, sorgte Stéphane für die leinwandgerechte Umsetzung. INTELLIGENTE TWISTS  Das Resultat ist eine bezaubernde Tragikomödie, die mit Wortwitz und intelligent platzierten Plottwists gekonnt zwischen Drama und (Romantik-)Komödie balanciert. Mit großer Sorgfalt stellt das französische Filmemacher-Duo die Liaison des ungleichen Protagonisten-Paars auf jenen dramaturgischen Boden – der Tod von Nathalies Ehemann –, auf dem später eine neue Liebe sprießt. Aber was wäre eine Leinwand-Romanze ohne Intermezzo? An dieser Stelle kommt Bruno Todeschini ins Spiel: Als intriganter Nebenbuhler, der schon seit Langem ein Auge auf Nathalie geworfen hat, verzweifelt der virile Feschak auf sympathisch-bemitleidenswerte Weise an Markus’ menschlichen Qualitäten. „Er hat etwas von dem Gogol-Charakter an sich. Er vereint in sich diese groteske Zartheit von Figuren aus osteuropäischen

Romanen, die mich stark beeinflussen. Physisch war er perfekt für die Rolle. Ich hatte aber Befürchtungen, Damiens sei vielleicht zu extrovertiert, denn Markus ist schüchtern und diskret“, erzählt David Foenkinos über das Casting für die männliche Hauptrolle. Eine unbegründete Sorge, denn François Damiens, der zuletzt in „Nichts zu verzollen“ zu sehen war, erweist sich dank markanter Physiognomie und seinen Ecken und Kanten als Idealbesetzung, um seiner Rollenfigur Tiefgang und Wärme zu verleihen. Gemeinsam mit der feenhaft wirkenden Audrey Tautou ist es die schauspielerische Leistung des belgischen Humoristen, die die märchenhafte Botschaft des Films mit jener Authentizität auflädt, die man im Blockbuster-Mainstream zumeist vermisst: wahre Schönheit kommt von innen – in „Nathalie küsst“ von François Damiens.  Jürgen Belko

NATHALIE KÜSST F 2011. Regie: David & Stéphane Foenkinos. Mit: Audrey Tautou, François Damiens, Bruno Todeschini. FILMSTART: 11. 05. 2012 celluloid 3a/2012

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blu-ray und dvd

Diane Keaton und Woody Allen in „Manhattan“ (1979), ab 25. Mai erstmals auf Blu-ray

WOODY ALLEN-COLLECTION

20 Allen-Klassiker als Box und Einzel-Discs

Komödiant und Genie  Woody Allen sagte einmal: „Wenn man im Leben scheitert, kann das gefährlich sein. Wenn man in der Kunst scheitert, dann ist das peinlich.“ Doch das Schicksal des künstlerisch Gescheiterten ist Woody Allen erspart geblieben. Wer Lust auf einen garantiert unpeinlichen, dafür aber rundum unterhaltsamen Querschnitt durch das filmische Werk des kleinen großen Mannes aus Brooklyn hat, der kann sich auf die „Woody Allen Collection“ freuen. 20 Filme – von „Bananas“ (1971) bis „Melinda & Melinda“ (2004) – sind in der umfangreichen DVD-Box enthalten. Dass ausgerechnet Woody Allen in den 50er Jahren einen Filmkurs an der New York University hinwarf und auch als Stand-up-Comedian zunächst nur bedingt erfolgreich war, scheint heute fast unglaublich. Vielleicht brauchte er ja einfach etwas Zeit, um jene selbstzweiflerische und neurotische Wesensart zu akzeptieren, die bald darauf zu seinem Markenzeichen werden sollte. Sicher ist jedenfalls, dass der Mann, der eigentlich Allan Stewart Konigsberg heißt, seit Jahrzehnten zu den erfolgreichsten, vielseitigsten und produktivsten Filmschaffenden der Welt zählt. Seit Mitte der 60er

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Jahre liefert er mit schöner Regelmäßigkeit neue Filme ab, die mit ebenso schöner Regelmäßigkeit mit Kritikerlob und Auszeichnungen überhäuft werden. Viermal alleine wurden seine Filme mit dem Oscar ausgezeichnet, das letzte Mal im Februar dieses Jahres. DVD-PREMIERE  Insgesamt umfasst die Collection 20 der erfolgreichsten Werke des Autorenfilmers. Zum ersten Mal ist auch „Stardust Memories“ auf DVD dabei. Woody Allen spielt darin den schrägen Filmemacher Sandy Bates, der sich auf einem Filmfestival mit aufdringlichen Fans, Möchtegern-Drehbuchautoren und – nicht zuletzt – mit der holden Weiblichkeit herumschlagen muss. Zwei der oscarprämierten Streifen Woody Allens sind ebenfalls an Bord der Collection: „Der Stadtneurotiker“ von 1977 erhielt die begehrte Auszeichnung gleich zweimal, in den Kategorien „Beste Regie“ und „Bestes Drehbuch“. Für das beste Drehbuch bei „Hannah und ihre Schwestern“ durfte Allen die Trophäe 1986 noch einmal in Empfang nehmen. Die Filme der „Woody Allen Collection“ sind neben der DVD-Box auch als Einzel-DVDs erhältlich. In den Genuss aufwändiger Artworks kommen Woody Allen-Liebhaber dabei in beiden Varianten: Die Cover der Single-DVDs wurden in einem modernen, einheitlichen Look neu gestaltet, die Box liegt als hochwertiges DigiStack vor, den das stilisierte Antlitz des Meisters ziert. Wer nach dieser umfangreichen Woody-Werkschau noch einen Nachschlag möchte, der kann ihn sich mit „Manhattan“ (1979) holen. Der Film, auf den Allen selbst am allermeisten stolz ist, gibt es unabhängig von der Collection ebenfalls ab 25. Mai zum ersten Mal auf Blu-ray-Disc. Erhältlich ab 25.05.

Promotion (C) 2012 TCFHE

Am 25. Mai bringt Twentieth Century Fox Home Entertainment die „Woody Allen Collection“ in den Handel. Sie enthält 20 Filme, die das Genie des Filmemachers eindrucksvoll widerspiegeln – und jeder einzelne ist ein Klassiker. Ein ganz besonderer Leckerbissen: Erstmals ist auch „Stardust Memories“ dabei. Die Tragikomödie von 1980 war bei uns noch nie zuvor auf DVD erhältlich. Außerdem erscheint zeitgleich Woody Allens romantische Komödie „Manhattan“ zum ersten Mal auf Blu-ray. „Der Stadtneurotiker“ war bereits vor wenigen Monaten auf Blu-ray erschienen.


American Dad!

Die 6. Staffel, neu auf DVD

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enn WAHNSINNIG KOMISCH draufsteht, dann ist auch WAHNSINNIG KOMISCH drin: Dafür stehen die verrückten Komikerköpfe von Mike Barker, Matt Weitzman und Family Guy-Schöpfer Seth MacFarlane. Auch die sechste Staffel von „American Dad!“, die am 25. Mai als 3-Disc-DVD-Box erscheint, strotzt wieder vor sternübersätem Irrsinn – vor allem in der Episode „Die verrückte Entrückung“, wo Stan es mit dem Antichristen persönlich aufnimmt. Immer mit dem Finger am Abzug macht CIA-Agent Stan Smith vor nichts Halt, um alles zu schützen, was die Vereinigten Staaten zu einem großartigen Land macht – von Strip-Bars bis hin zu Amerikas Allerheiligstem, dem Kokain. Egal, ob er buchstäblich einem Rennpferd seinen Willen aufzwingt oder Roger vor blutrünstigen Revolutionären rettet - in dieser sagenhaft übertriebenen Hommage auf die USA kennt Stan keine Gnade, wenn es um die Segnungen der Freiheit geht. Erhältlich ab 25.05.

Futurama

Die 5. Staffel, neu auf DVD

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ie Crew von Planet Express hat die Rufe der Fans erhört: „Futurama“, die legendäre Animationsserie von „Simpsons”Schöpfer Matt Groening, ist zurück und unserer Zeit um Lichtjahre voraus! Die 5. Staffel erscheint am 25. Mai als 2-Disc-Box. Fry, Bender, Leela und der Rest der Gang sind also wieder da: 13 brandneue Episoden, die einige der heiß umstrittensten Themen der Galaxie behandeln, inklusive Katzen-Intelligenz, robosexuelle Ehe, Einweg-Zeitmaschinen und Evolution… Schließlich erfährt die Planet Express-Crew auch noch die wahre Bedeutung von Weihnachten, Robanukka und Kwanzaa… Die DVD-Box bietet auch jede Menge Bonusmaterial: So gibt es unter anderem Audiokommentare, entfallene Szenen, die Featurettes „Die Entstehung des Superhits ‚Shut up and love me‘“, „Was bisher geschah“, und „Die Abenteuer von Lieferjungen-Man“ von Philip J. Fry, sowie das „Bieg es wie Bender“-Musikvideo und die „Im Körper des Freundes“-Skriptlesung Erhältlich ab 25.05.

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Skurriler Humor von Wes Anderson: Zwei junge Pfadfinder büchsen 1965 aus einem Sommercamp aus, die Erwachsenen

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MOONRISE KINGDOM von Wes Anderson - ab 25.05. im Kino

beginnen eine aufwändige Suche. Mit Bruce Willis, Ed Norton, Bill Murray und Tilda Swinton.

abspann

Redaktion im Mai & Juni 2012

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UND WENN WIR ALLE ZUSAMMENZIEHEN? Ab 22.06. im Kino

Komödie: Jean Reno als Sternekoch, dessen

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KOCHEN IST CHEFSACHE Ab 07.06. im Kino

Ruf auf dem Spiel steht.

dem Altersheim.

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TOMBOY Ab 04.05. im Kino

TABU von Christoph Stark - ab 15.06. im Kino

Pierre Richard und Jane Fonda entkommen

als Bub aus.

Ein kleines Mädchen gibt sich bei Freunden

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Fotos: Tobis; Filmladen (2); Thimfilm; Constantin

5

Die Top der

Geschwisterliebe füreinander empfinden.

Lars Eidinger und Peri Baumeister als Geschwister Georg und Grete Trakl, die mehr als nur

Nr. 3/2012 ist ab 30. April 2012 im gut sortierten Zeitschriftenhandel erhältlich!


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