celluloid Ausgabe 3a/2013 - 2. März 2013
gegründet 2000
filmmagazin
ARTIG. NICHT BRAV.
e zur
NEU AUF BLU-RAY UND DVD
Skyfall © 2012 Danjaq, United Artists, CPII. TM Danjaq, LLC. © 2013 MGM. All Rights Reserved.
Beilag
JAMESBONDSkyfall Mit ausgewählten beiträgen aus dem filmmagazin celluloid www.celluloid-filmmagazin.com
AND
THE Kann der bitte jetzt aufhören zum Fotografieren?
TO
OSCAR
GOES
WAS DIE oscar-PREISTRÄGER WIRKLICH DACHTEN Ich LIEBE diese Red Carpets!
Na super, kaum geht man sich den Oscar abholen, hockt sich schon der Nicholson zur Susi.
Michael Haneke mit Ehefrau Susi: „She is the center of my life“
Wetten, die hat keine Ahnung, wer ich bin?
Funny, a European in a tuxedo. Nice beard, like Ben‘s.
Michael Haneke erhält seinen Oscar für den besten fremdsprachigen Film aus den Händen von Schauspielerin Jennifer Garner. „Amour“ war fünffach für einen Oscar nominiert, darunter für die beste Regie (bekam Ang Lee), das beste Drehbuch (bekam Quentin Tarantino) und für die beste Schauspielerin (Emmanuelle Riva unterlag Jennifer Lawrence)
ce l l u l oid O N L I N E : w w w . ce l l u l oid - f i l mmaga z in . com
Goddammit, I am sick of this supporting actor awards. I played the lead in this!
Golden boy! In my next movie you‘re gonna play all the roles. Even mine.
Sein zweiter Oscar dank Quentin Tarantino: Christoph Waltz, prämiert für „Django Unchained“, liebt den Regisseur, der ihn zum Weltstar gemacht hat What am I doing here? Why do they never oscarize my directing skills?
Stop talking, Grant! I need the time to address my marriage problems with Jennifer.
Oben: „Argo“ von Ben Affleck wurde überraschend bester Film. Links: Ang Lee dankt dem Filmgott für seinen zweiten Regie-Oscar für „Life of Pi“
celluloid Filmmagazin Beilage. Nummer 3a/2012, Mai/Juni 2012 Beilage zur „Wiener Zeitung“ am 28. April 2012. Medieninhaber und Herausgeber: Werbeagentur Matthias Greuling. Printed in Austria. Die Beiträge in dieser Beilage wurden uns mit freundlicher Genehmigung vom Verein zur Förderung des österreichischen und des europäischen Films zur Verfügung gestellt. Die Interviews wurden von Mitgliedern der celluloid-Redaktion geführt. Die Beiträge geben in jedem Fall die Meinung der AutorInnen und nicht unbedingt jene der Redaktion wieder. Fotos: Filmverleiher. celluloid versteht sich als publizistische Plattform für den österreichischen und den europäischen Film und bringt Berichte über aktuelle Filme. Anschrift: Anningerstrasse 2/1, A-2340 Mödling, Tel: +43/664/462 54 44, Fax: +43/2236/23 240, e-mail: celluloid@gmx.at, Internet: http://www.celluloid-filmmagazin.com Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion und Quellenangabe. © 2012 by Werbeagentur Matthias Greuling
Fotos: ©A.M.P.A.S.®
God, I still have no idea, how they animated that tiger, but I guess they did a great job.
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interview
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Fotos: Tuma
Filmstart: 08.03.13
MELANIE LAURENT. Die 30-jährige Französin ist seit „Inglourious Basterds“
ein internationaler Star. Jetzt kommt sie mit „Nachtzug nach Lissabon“ in unsere Kinos. Wir trafen eine Frau, die ganz genau weiß, was sie will und niemals mit Visitenkarten hausieren gehen würde.
Der Traum von der intellektuellen
revolution celluloid: Als ich Sie zu Beginn Ihrer Karriere traf, vor rund zehn Jahren, sprachen wir über ihre Pläne und Träume, und Sie meinten, eine internationale Karriere wäre toll. Nun, die haben Sie ja jetzt. Mélanie Laurent: Ach ja, damals hatten wir davon gesprochen? Das habe ich gesagt? Soll ich jetzt eine Prophezeiung für die nächsten zehn Jahre machen? (lacht) Was hat sich in dieser Zeit getan? Ach, viele Dinge! Ich bin natürlich reifer geworden, auch glücklicher. Ich gehe den Job heute ganz anders an als damals, weil ich andere Prioritäten im Leben gesetzt habe. Vor zehn Jahren ging es mir immer darum, eine Rolle zu bekommen, ich war sehr ehrgeizig. Heute sind mir die menschlichen Beziehungen zu den Leuten wichtiger, mit denen ich arbeite. Inzwischen ist mir klar geworden, wie schnell uns die Lebenszeit davonrast, und vier Monate mit einem Idioten zu arbeiten, das ist vergeudete Zeit. Ich suche mir die Menschen aus, mit denen ich arbeite. Ist der Ehrgeiz weniger geworden? Nein, ich habe nicht weniger Ehrgeiz, ich habe mich entwickelt. Ich bin weniger anfällig gegenüber der Kritik. Mit 20 war mir wichtiger, was jemand über mich gesagt hat. Inzwischen habe ich aber gelernt, das Leben zu genießen, und auch Projekte zu realisieren, die ich in erster Linie für mich selbst gemacht habe: Ich habe ein Album aufgenommen, weil Musik meine Leidenschaft ist. Ich habe einen Film inszeniert, weil mich das auch sehr reizt. Das alles trägt dazu bei, dass ich heute viel ausgewogener bin und eine innere Ruhe habe. Vor zehn Jahren war ich außerdem noch sehr naiv und ein bisschen verloren. Diese
Naivität ist aber nicht unbedingt schlecht für einen Schauspieler. Es gab auf meinem Weg viele Enttäuschungen und auch Mythen über diesen Beruf, die entkräftet werden mussten. Auf den Filmpartys bei Festivals laufen heute jede Menge junge Schauspielerinnen herum und verteilen an alle ihre Visitenkarten, auf denen ihre Fotos drauf sind. Das wirkt ein bisschen verkrampft. Wirklich? Das ist ja furchtbar! Mein erster Rat wäre: Keine Visitenkarten zu verteilen! Ich verurteile natürlich keinen, der das tut. Aber ich hätte das vor 15 Jahren nie gemacht, als ich am Anfang stand. Weil es auch irgendwie ein Zeichen ist, dass man kein Selbstvertrauen hat. Ich glaube, dass aber gerade in der Anfangsphase das Selbstvertrauen das Wichtigste ist, denn das strahlt man auch aus. Ich muss dazusagen, dass sich der Job unglaublich gewandelt hat. Vor 15 Jahren war das Geschäft nicht so schnelllebig wie heute. Da hat man einen Vertrag acht Monate vor Drehbeginn unterzeichnet. Heute ist es total ausgeflippt geworden. Jeder hat mehr Geltungsbedürfnis. Dieses Geltungsbedürfnis ist fast zu einer Obsession geworden. Dafür sind alle Mittel heilig, hat man den Eindruck. Ist Frankreich nach wie vor Ihre künstlerische Heimat, trotz Ihrer mittlerweile internationalen Karriere? Naja, ich kann dazu nur sagen: Ich habe die letzten acht Monate im Ausland verbracht. (lacht) Heuer werde ich einen Film in Kanada machen und danach meine nächste Regiearbeit in Frankreich. Zur Zeit habe ich fast nur internationale Projekte. In Ihnen steckt ein Multitalent: Die
spielen, führen Regie und singen. Das ist der Anfang der Freiheit, wenn man mehrere Eisen im Feuer hat. Wer sagt denn, dass man nur Schauspieler sein muss? Gerade in Frankreich kommt das gar nicht gut an, da sind die Leute schon ein bisschen komisch. Wieso? Weil die Leute einen gerne in Schubladen stecken. Da kann es halt nicht sein, dass jemand, der schauspielert, auch noch Regie führt. Schubladen. Überall! Und dadurch entsteht ein einheitliches Modell, unter dem eine ganze Gesellschaft zu leiden hat, weil eben jeder nur eine Rolle wahrzunehmen hat in dieser Gesellschaft. Multi-Talente sieht man nicht gerne. Weil sie andere Menschen überstrahlen würden? Nein. Die Menschen sind vorprogrammiert in der Gesellschaft. Das fängt schon bei der Nahrungsmittelindustrie an. Ich hatte kürzlich in einem Ökologie-Projekt mit einem Cerealienhersteller zu tun, der seinen Produkten Zusatzstoffe beimengt, auf die die Kinder süchtig werden. Das muss man sich mal vorstellen. Man weiß, dass diese Stoffe auch Auslöser für Fettleibigkeit sein können. Alles wird also so geordnet, dass die Menschen und ihre Lebensläufe vorprogrammiert sind. Und wenn einer mal nicht mit diesem Strom mitschwimmt, dann fällt er natürlich sofort negativ auf. Aktivistin werden Sie jetzt auch noch? Ja, ich träume von der Revolution. Ich stehe Gewehr bei Fuß. Aber ohne Waffen. Eine intellektuelle Revolution! Interview: Matthias Greuling
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filmkritik
„Das war das erste Mal in eineinhalb Jahren, dass du das Altpapier weggebracht hast! Das musst du dir mal geben! Du hast noch nie eine Flasche entsorgt!“ Markos Freundin Marlene ist wütend
marko doringer. Nach „Mein halbes Leben“ forscht der Filmemacher
wieder an Zwischenmenschlichkeiten: „Nägel mit Köpfen“ taucht ein in die wundersame Welt menschlichen Zusammenlebens.
Und wer bringt heute den
müll raus? I
n einer Zeit der unbegrenzten Möglichkeiten – welches Ziel verfolgt ein Mensch Mitte 30? Ist es die Liebe, Freiheit, oder doch ein sicherer Arbeitsplatz, ein Heim und Kinder? Marko Doringer hat seinem Publikum schon vor vier Jahren mit „Mein halbes Leben“ einen Einblick in sein Leben, seine Sorgen und Ängste gewährt. Der damals 34-Jährige hat am Ende dieses Films seine Freundin Marlene kennen und lieben gelernt. Nun ist er 38 und wird mit Marlene zusammen ziehen. „Mir ist schon klar, dass da eigentlich nichts dabei ist, doch ich hatte wirklich Angst davor: Zum ersten Mal an eine Frau gebunden zu sein – über einen Mietvertrag.“ Auf Grund dessen stellten sich ihm Fragen über das Leben. Können wir auch ohne die Liebe und konventionelle Lebenskonzepte glücklich werden? Trotz Angst vor Bindungen gehen wir diese doch immer wieder ein und versuchen uns im Konstrukt „Beziehung“. Marko zeigt anhand von vier beispielhaften Beziehungen, wie das Leben so spielt. Marko und Marlene Der notorische Zweifler Marko hat eigentlich alles, was er
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braucht. Eine liebevolle Frau, eine gemeinsame Wohnung, aber irgendetwas fehlt ihm für die Vervollkommnung seiner Bilderbuchwelt. Da wird schon die Erstellung des Putzplans zur Lebenskrise. „Und am Schluss ist von der Wurst nichts mehr da. Scheibe für Scheibe wird da runtergeschnitten vom Herrn Doringer.“ Silke und Klaus Die beiden leben als erfolgreiche Manager in Dubai und wünschen sich Nachwuchs zum Vollenden des privaten Glücks. Der stellt sich leider auch durch künstliche Befruchtung nicht ein und zermürbt durch viele Fehlschläge auch die Geduld von Silke. In Addis Abeba finden sie dann doch noch ihr Glück. Jenny und Hannes Jenny ist Musicaldarstellerin und ständig unterwegs, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. In der Zwischenzeit wartet ihr Freund Hannes in Berlin auf ihre Rückkehr und hofft auf ein Engagement als Drummer und auf mehr Zeit zu zweit. Die unstete Lebenssituation, die fehlende finanzielle Sicherheit und die rare Zeit als Paar macht den beiden zu schaffen. Thomas und Nikola Der Österreicher und der Serbe leben seit Jahren zusammen
in Belgrad. Obwohl sie unglaublich glücklich miteinander sind, gibt es Differenzen. Nikola ist arbeitslos und lebt vom Geld, das Thomas als Lehrer an einer deutschsprachigen Schule nach Hause bringt. Das homophobe Umfeld und die finanzielle Abhängigkeit macht den beiden das Leben schwer. Marko Doringer zeigt uns mit diesem sehr persönlichen und ironischen autobiografischen Autorenfilm, wie Menschen im digitalen Zeitalter versuchen, ihren Lebensweg zu finden. Der junge Regisseur präsentiert ein ungeschöntes, direktes und realistisches Generationenportrait und scheut nicht davor zurück, auch sein eigenes Leben auf den Präsentierteller zu legen. Sehr schnell fühlt sich der Zuschauer verbunden mit den Protagonisten. Der Wandel in den Partnerschaften, bekannte Strukturen und abrupte Richtungswechsel fühlen sich vertraut an. Doringer schafft es ein zweites Mal, einen berührenden und humorvollen Dokumentarfilm zu drehen. Teresa Losonc Ein ausführliches Interview mit Marko Doringer lesen Sie in unserer Kioskausgabe celluloid Nr 2/2013.
Polyfilm
Filmstart: 08.03.13
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interview HITCHCOCK. Jetzt können wir dem legendären Filmemacher über die Schulter
schauen. In dem Kammerspiel „Hitchcock“ geht’s um den Dreh von „Psycho“ - und um die Beziehung zwischen Hitch (Anthony Hopkins) und seiner ewigen Gefährtin Alma Reville, gespielt von Helen Mirren, die wir zum Interview trafen.
Ihre Liebe galt dem Film,
nicht dem sex
I
m Jahr 1959 war Alfred Hitchcock (1899 – 1980) auf der Höhe seines Ruhms. Im Kino hatte er mit „Der unsichtbare Dritte“ einen seiner elegantesten und spannendsten Thriller an den Start gebracht. Im US-TV war der wohlbeleibte „King of Suspense“ Stammgast mit seiner Serie „Alfred Hitchcock presents“. Alles bestens also – doch dann verstörte Hitch seine Partner bei Paramount mit einem Projekt namens „Psycho“. Die Story eines Muttersöhnchens und psychopathischen Killers, der als ungastlicher Motel-Besitzer eine schöne Blondine ersticht? Das war den Studiobossen zu eklig und schmuddelig. Sie lehnten die Finanzierung ab. Doch Hitchcock wollte den Film unbedingt machen. Also setzte er sein eigenes Vermögen aufs Spiel und finanzierte den Thriller (mit der heute lächerlich wirkenden Summe von 800.000 Dollar) selbst. Diese Ereignisse bilden den Rahmen des brandneuen Kino-Dramas „Hitchcock“. Regisseur Sacha Gervasi („Anvil! The Story of Anvil!“) öffnet die Tür zum Set und ins Privatleben des Thriller-Magiers. Auf der beruflichen Ebene zeigt der Film, dass es für Hitch gar nicht so leicht war, die sonnige Janet Leigh zur schlotternden „Psycho“-Schreckensgestalt zu machen. Und privat? Da erzählt das (häufig recht heitere) Drama, dass im Hause Hitchcock oft Alma Reville (1899 – 1982) das Sagen hatte. Die Frau, die 54 Jahre mit Hitchcock verheiratet war, doch stets im Hintergrund blieb, war seine wichtigste Mitstreiterin bei der Entwicklung der Filmprojekte. Zugleich war sie eine treu sorgende Gefährtin, die mäkelnd den Genussmittelkonsum ihres Mannes überwachte (eine andere Begierde, die Sexualität, spielte beim Ehepaar Hitchcock offenbar kaum eine Rolle).
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„Hitchcock“, der Film, ist ein Vergnügen für jeden Kinofan. Man kann nicht nur einen Blick hinter die Kulissen Hollywoods werfen, sondern obendrein einem erlesenen Ensemble zuschauen. Anthony Hopkins und Helen Mirren machen das Ehedrama mit tausend Facetten zum oscarreifen Fest für zwei große Schauspieler. celluloid traf Helen Mirren in London zum Interview. celluloid: Hitchcocks Filme handeln oft von Lust und sexuellen Obsessionen. Zwischen Alma und Alfred scheint Sex, so erzählt es der Film, aber kein Thema gewesen zu sein. Helen Mirren: Wenn ich mir die beiden so anschaue, habe ich das Gefühl, sie bekamen eine Tochter, und das war’s dann, was ihr Sexualleben betraf. Sie hatten andere Interessen; sie hatten, wie man in England sagt, „einen anderen Fisch zu braten“. Ich habe den Verdacht, dass ihnen Sex von vornherein nicht viel bedeutete. Was sie zueinander brachte, war die Liebe zum Film. Ich vermute – aber das ist meine Projektion, mit der ich komplett falsch liegen kann -, dass auch zu Beginn ihrer Beziehung nicht die sexuelle Anziehungskraft im Zentrum stand, sondern gegenseitiger Respekt und die Gewissheit, einen geistesverwandten Menschen getroffen zu haben. Beide hatten einen großen Sinn für Humor, beide liebten gutes Essen. Was soll falsch daran sein, wenn eine Beziehung auf solchen Grundlagen beruht? Was für ein Typ Frau war Alma Reville? Ich glaube, sie war eine sehr ungewöhnliche junge Frau. Sie bekam um 1920 einen Job im Twickenham Studio, und in diesen wundervollen frühen Jahren der Filmproduktion konnte jeder alles machen, denn alle waren noch dabei, dieses Handwerk
zu lernen. Es gab wenig gesichertes Wissen. Man erfand neue Dinge während des Arbeitsprozesses, man experimentierte herum. Dadurch wusste Alma über die unterschiedlichsten Aspekte des Filmemachens Bescheid. Ich glaube, dass sowohl Alma als auch Alfred Hitchcock absolut begeistert waren von dieser Atmosphäre. Die Filme und das Filmen waren für beide eine Obsession. Wie war das Gefühl, Anthony Hopkins in der Rolle von Hitchcock gegenüberzustehen? Ich sah ihn zuerst bei den Make-Up-Tests und verfolgte mit, wie er sich langsam verwandelte. Also war es kein besonderer Moment, in dem ich gerufen hätte, „oh Gott, da steht ja Alfred Hitchcock!“ Anthony Hopkins ist ein großartiger Filmschauspieler, da bereitet es großes Vergnügen, ihn bei der Arbeit zu beobachten. Er agiert mit winzigen Gesten, die man auf dem Set kaum sieht. Doch auf der Leinwand kommt das fantastisch rüber. Wie bereiteten Sie sich auf die Rolle der Alma vor? Sind Sie ihr jemals begegnet? Nein, ich habe Alma Reville nie kennengelernt und es gibt auch nicht viel Material über sie. Meine wichtigste Quelle war ein Buch ihrer Tochter. Es ist immer eine delikate Sache, eine reale Figur zu spielen, aber ich bin nicht der Typus Schauspielerin, der sich da mit irgendwelchen Tricks um Authentizität bemüht. Ich komme eher aus der Gérard-Depardieu-Schauspielschule, deren Grundregel lautet: Komm‘ auf den Set, lern‘ deinen Text und probiere die Dinge einfach aus (lacht). Ich mache mir da keinen großen Kopf. Ich versuche, alles so einfach wie möglich zu halten. Hitchcock war ein sehr populärer
Fotos: Fox
Filmstart: 15.03.13
Alma Reville (Helen Mirren) hatte im Hause Hitchcock die Hosen an. Mit ihrem Mann Alfred (Anthony Hopkins) dachte sie gemeinsam über Filme nach
Mann. Wie wichtig ist denn Ihnen öffentliche Anerkennung? Ich muss verschämt zugeben, dass mir Anerkennung heute eine Menge bedeutet. Das ist ein bisschen komisch, denn als ich meine Laufbahn begann, war ich eher wie ein Mönch. Ich war eine Puristin in der Kunst und hatte absolut kein Interesse an Ruhm und Reichtum. Ich arbeitete ein Jahr lang mit (dem Theater-Avantgardisten, Anm.) Peter Brook, für den das Schauspielen so etwas wie eine Religion war, der man sein Leben weihte. Die Idee, berühmt werden zu wollen, war für ihn vollkommen unakzeptabel. Dann begann ich, Geld zu verdienen. Da wollte ich zwar immer noch nicht reich werden, aber ich wollte Sicherheit – für Schauspieler ein schwer zu erreichendes Ziel. Meine Familie hatte kein Geld, ich stand komplett auf eigenen Füßen. Wenn ich also finanzielle Sicherheit wollte, musste ich selber dafür sorgen. Im Lauf der Zeit veränderte sich die Welt in meinem Metier: Popularität und Anerkennung wurden zu wichtigen Parametern für Schauspieler. Ich glaube, dass ein puristischer Zugang zum Beruf heute kaum mehr möglich ist, obwohl es natürlich tolle Theatertruppen gibt, die sehr anonym sehr gute Arbeit leisten. Wie schwer ist es, den einmal erreichten Status zu behalten? Wenn man lange genug aktiv ist, lernt man, dass dieses Geschäft in Zyklen verläuft. Mal ist man oben, mal ist man unten, und dann geht’s vielleicht wieder hinauf. Für einen Film wirst du geliebt, für einen anderen wirst du gehasst und sie werfen mit Dreck nach dir. Wenn man solch einen Flop erlebt, ist das natürlich kein Vergnügen. Das kann richtig weh tun. Merkwürdigerweise hat aber auch ein strahlender Erfolg nicht nur schöne Seiten. Denn das Übermaß an
Aufmerksamkeit, das man dann bekommt, kann einen erschöpfen und destabilisieren. Wie geschieht das? Man wird zu zwei Personen, sozusagen. Auf der einen Seite ist man ein gewöhnlicher Mensch, geht abends schlafen, lässt vielleicht mal einen Furz und führt ein Alltagsleben. Doch zugleich wird man diese erfolgreiche Person, der Star. Als ich für „The Queen“ den Oscar gewann, überschlug sich diese verrückte Atmosphäre. Das war kein Spaß mehr, und ich fing an, nachzudenken: Wer bin ich eigentlich? Ich bin nicht diese Person, für die man mich hält. Ich bin nur eine Schauspielerin, die ihren Beruf ausübt, und jetzt ging gerade ein Job sehr gut. Aber es gab auch Jobs, die daneben gingen. Warum ist der Name Hitchcock bis
heute ein weltweiter Begriff geblieben? Hitchcock hat so viel zur Entwicklung des Films beigetragen, dass sein Stil bis heute kopiert wird. Darüber hinaus war er auch ein sehr cleverer Selbstvermarkter, der in jedem seiner Filme und in seiner TV-Serie auch das eigene Bild verkaufte. Er war nicht nur ein großer Regisseur, sondern auch ein begnadeter Marketing-Mann. Sind Sie mit Hitchcocks Filmen groß geworden? Nein. In meiner Jugend spielten Filme keine Rolle. Ich ging nicht ins Kino und wir hatten keinen Fernseher. Ich hatte damals keine Ahnung, was in der Filmwelt geschieht. Aber ich hatte schon sehr früh den Wunsch, Theaterschauspielerin zu werden. Interview: Gunther Baumann
Hitchcock (Hopkins) am Set von „Psycho“ mit Janet Leigh (Scarlett Johansson) celluloid 2a/2013
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blu-ray & dvd
james bond: „Skyfall“
Promotion (C) 2013 TCFHE
der neue bond erscheint auf blu-ray und dvd
Bond (Daniel Craig) muss sich von Silva (Javier Bardem) betatschen lassen
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as neueste 007-Abenteuer gibt es ab 1. März 2013 auf Blu-ray und DVD: „Skyfall“ macht einen bedeutenden Rückschritt in James Bonds Vergangenheit: Einerseits scheinen die Tage seiner Vorgesetzten Judi Dench gezählt, weil man ihr im Secret Service Amtsmissbrauch vorwirft. Andererseits treibt der böse Schurke Silva (Javier Bardem) Bond dazu, zum Ort seiner Kindheit, in ein einsam und frei stehendes Haus hoch droben in Schottland, zurückzukehren. Ein Platz, „den ich schon immer gehasst habe“, sagt Bond, und man erfährt dabei mehr Privates über Bond, als man eigentlich wissen will. Trotz einer 15-minütigen Eröffnungssequenz mit Action auf einem türkischen Bazar und einem fahrenden Zug mündet „Skyfall“ letztlich in Retro-Flair: Bond ist am Ende mehr Macho-Killer denn je, und all die Ingredienzien der ganz frühen Abenteuer sind wieder da, bis hin zum holzgetäfelten Vorzimmer mit Hutständer und Miss Moneypenny und der rot gepolsterten Tür zum Chef. „Skyfall“ ist die Wiederentdeckung der 007Tradition: Der Held ist hier ein knallharter Typ, der zwar eine selbstreflexive, nachdenkliche Seite hat, aber der hemmungslos Whisky säuft und durch diverse Betten steigt. Nur Rauchen tut er nicht. Das wäre im zeitgenössischen Blockbuster-Kino eine Todsünde.
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Diese Rückkehr in alte Klischees setzt sich in „Skyfall“ auch bei der Wahl von Bonds Gegenspieler fort: In dem Schurken Silva keimt die Extravaganza früherer Bond-Villains wieder auf; er ist ein schriller, verrückter Vogel (der Bond sogar homoerotische Avancen macht, was tatsächlich neu für die Reihe ist), ein Charakter zwischen Genie und Wahnsinn, mit dem Unterschied, dass er nicht wie etwa Blofeld die Welt beherrschen oder zerstören will, sondern lediglich an persönlicher Rache interessiert scheint. Auch das macht den Kampf, den Bond hier ausficht, viel privater, und man muss zu keiner Zeit fürchten, dass diesem Silva „die Welt nicht genug“ wäre. Sam Mendes hat in seiner Inszenierung „Skyfall“ zu einem Retro-Bond gemacht, in dem auch Monty Normans alter Bond-Score knarzt, als stamme er von einer Tonspur aus den 60ern. Es ist ein Versuch, das ursprüngliche Agenten-Flair von Ian Flemings Büchern wieder herzustellen. Die Blu-ray bietet zahlreiche Extras, außerdem erscheint eine Daniel Craig-Box (auf Bluray und DVD), die alle bisherigen Craig-Filme beinhaltet. Noch dazu gibt es jetzt alle 22 bisherigen Bond-Filme ab sofort auch in einem neuen, einheitlichen Design auf Blu-ray im Handel. Erhältlich ab 01.03.13
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blu-ray und dvd
„New girl“, Season 1.2
Promotion (C) 2013 TCFHE
Zooey deschanel im serienhit, neu auf DVD und VOD
Bond (Daniel Craig) muss sich von Silva (Javier Bardem) betatschen lassen
Die DVD-Box mit zwei Discs beinhaltet über 26 Minuten Bonusmaterial: „Die Entstehung einer Episode“, „Auch lustig, aber anders: Alternative Witze“, Audiokommentar, Spaß am Set entfallene und erweiterte Szenen.
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E
ine Serie, die visuell und akustisch im Gedächtnis bleibt: „New Girl“ mit der charmant-verrückten Zooey Deschanel in der Hauptrolle. Am 1. März 2013 veröffentlichte Fox die Season 1.2 als DVD und Video on Demand. Damit ist die erste Staffel des neuen und erfrischenden Serienlieblings komplett. In zwölf kunterbunten Episoden und über vier Stunden Laufzeit spielt sich Shootingstar Zooey Deschanel (bekannt aus der romantischen Komödie „500 Days of Summer“) als charmant-schusselige Jess in die Herzen ihrer Fans und Kritiker. Trennungskakteen, Fruchttomaten und Männer beim Frauenarzt: In der zweiten Staffelhälfte der charmanten und unkonventionellen Comedyserie über Beziehungen, Freunde und Affären hat sich das „New Girl“ Jess (Zooey Deschanel) mehr oder weniger an das Zusammenleben mit den drei Junggesellen gewöhnt. Dennoch muss sie immer wieder feststellen, dass nicht nur Winston, Schmidt, Nick und ihre beste Freundin Cece (Hannah Simone) stets für eine Überraschung gut sind, sondern al-
len voran natürlich auch sie selbst. Die Versuche, die gegensätzlichen Ansichten unter einen Hut zu bringen, enden regelmäßig in abenteuerlichem WG-Chaos. Während Nick (Jake Johnson) Probleme mit seinen romantischen Valentinstagsplänen hat und die Frauen für eine Tomatenzucht aufgeben will, versucht Jess, einen Tyrannen an ihrer Schule zu stoppen und verabredet sich mit Mr. Perfect, dem Vater einer ihrer Schülerinnen. Cece dagegen wehrt sich vehement gegen ihre Gefühle für Schmidt, der zwischendurch Vater wird. Winston (Lamorne Morris) wagt zudem schließlich ein äußerst gewagtes Experiment mit seinem Ohr. premiere im US-Originalton
Übrigens: Für alle, die von Jess nicht genug bekommen können und die ihre Späße im Original erleben möchten, gibt es die 2. Staffel bereits seit einigen Wochen als Deutschlandpremiere im US-Original auf iTunes und Sony Video Unlimited, jeweils wahlweise mit oder ohne deutsche Untertitel. Erhältlich ab 01.03.13
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IMPRESSUM: celluloid Filmmagazin Beilage. Nummer 3a/2013, Beilage zur „Wiener Zeitung“ am 2. März 2013. Medieninhaber und Herausgeber: Werbeagentur Matthias Greuling. Printed in Austria. Die Beiträge in dieser Beilage wurden uns mit freundlicher Genehmigung vom Verein zur Förderung des österreichischen und des europäischen Films zur Verfügung gestellt. Die Interviews wurden von Mitgliedern der celluloid-Redaktion geführt. Die Beiträge geben in jedem Fall die Meinung der AutorInnen und nicht unbedingt jene der Redaktion wieder. Fotos: Filmverleiher. celluloid versteht sich als publizistische Plattform für den österreichischen und den europäischen Film und bringt Berichte über aktuelle Filme. Anschrift: Anningerstrasse 2/1, A-2340 Mödling, Tel: +43/664/462 54 44, Fax: +43/2236/23 240, e-mail: celluloid@gmx.at, Internet: http://www.celluloid-filmmagazin.com Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion und Quellenangabe. © 2013 by Werbeagentur Matthias Greuling
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Tizza Covi und Rainer Frimmel erzählen von einem realitätsentrückten Schauspieler (Philipp Hochmair als er selbst), dessen Onkel
DER GLANZ DES TAGES von Tizza Covi & Rainer Frimmel - ab 19.04. im Kino
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Die Top der
Redaktion im März & April 2013
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Schwarzhumorig: Ihr neuer Freund entpuppt
Kindesmissbrauch? Ein Kindergärtner (Mads
4 SIGHTSEERS Ab 08.03. im Kino
5 Ab 05.04. im Kino
DIE JAGD
Mikkelsen) unter Anklage
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HYDE PARK AM HUDSON von Roger Michell - ab 01.03. im Kino sich als eiskalter Killer
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3 Ab 08.03. im Kino
fangen von Marko Doringer
Beziehungsalltag von Mittdreißigern, einge-
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Anwesen des US-Präsidenten Roosevelt (Bill Murray).
Im Juni 1939 gastieren König und Königin von England ein Wochenende im New Yorker
Fotos: Tobis; Filmladen Polyfilm; Stadtkino
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(Walter Saabel) ihm wieder Bodenhaftung verschafft. Max-Ophüls-Preis 2013 in Saarbrücken!
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Nr. 2/2013 ist ab 5. März 2013 im gut sortierten Zeitschriftenhandel erhältlich!