cellu loid
diagonale portfolio 2016
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win win
von daniel hoesl celluloid filmmagazin diagonale sonderheft m채rz 2016
spielplan auf der r체ckseite
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Viel erfolg, burschen! Sebastian Höglinger (links), 31, und Peter Schernhuber, 27, sind das neue dynamische Duo der Diagonale: Die einstigen Leiter des Youki-Festivals in Wels arbeiten schon seit einigen Jahren im Hintergrund der Diagonale mit und kennen die Strukturen gut. Für die kommenden vier Jahre werden sie nun das Festival leiten. Sie wollen das Erbe von Vorgängerin Barbara Pichler einerseits hochhalten, andererseits wollen sie die Diagonale auch in eine neue Richtung treiben: Filme, die miteinander in Beziehung stehen, sollen roten Linien aufzeigen, die durch Kunst, Politik und Gesellschaft navigieren. Ein ehrgeiziges Vorhaben, einzelne, künstlerische Visionen unter einem großen Ganzen zu subsumieren. Wir von der Redaktion wünschen gutes Gelingen und freuen uns auf den neuen Grazer Elan!
Editorial Liebe Leser, Mit dieser Sonderausgabe zur Diagonale 2016 mit übersichtlichem Spielplan auf der letzten Seite Matthias Greuling möchten wir Ihnen etliche jener Herausgeber & Chefredakteur Filme und Filmemacher vorstellen, die das Festival prägen werden. Es handelt sich um vielversprechende Uraufführungen und ÖsterreichInfoline: Premieren. Bereits im Vorfeld haben +43 (0) 316–269 555 wir viele Filme aus dem umfangreiTickets online chen Programm gesichtet und hier diagonale.at/tickets für Sie zusammengestellt - das Heft stellt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern präsentiert Ihnen lediglich einige Filmempfehlungen der celluloid-Redaktion, damit sie leichter durch den Dschungel der unzähligen Filme finden, die in Graz angeboten werden. Wobei: Ein paar sehr schöne Filme haben es aus Platzgründen auch nicht mehr hier herein geschafft. Die finden Sie dann in unserem täglichen Festivalblog unter www. celluloid-filmmagazin.com! Viel Spaß im Kino,
Matthias Greuling Chefredakteur celluloid www.celluloid-filmmagazin.com
unser Youtube-Channel: www.youtube.com/ celluloidVideo DiGITAL EDITION: www.kiosk.at/celluloid unser Twitter-Account: www.twitter.com/ mycelluloid
Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber © Natascha Unkart
Unsere Website: www.celluloidfilmmagazin.com
celluloid FILMMAGAZIN Nummer 2a/2016 März 2016. Sonderausgabe zur Diagonale 2016. Herausgeber, Eigentümer und Verleger: Werbeagentur Matthias Greuling für den Verein zur Förderung des österreichischen und des europäischen Films. Chefredakteur: Matthias Greuling, BA. Stellvertretende Chefredakteurin: Mag. Sandra Wobrazek. Layout / Repro: Werbeagentur Matthias Greuling. Printed in Austria. Die Interviews & Texte in dieser Ausgabe stammen von der celluloid-Redaktion. Fotos, sofern nicht anders angegeben: Diagonale. Die Beiträge geben in jedem Fall die Meinung der AutorInnen und nicht unbedingt jene der Redaktion wieder. Anschrift: celluloid Filmmagazin, Spechtgasse 57/5, A-2340 Mödling, Tel: +43/664/462 54 44, Fax: +43/2236/23 240, e-mail: celluloid@gmx.at, Internet: http://www.celluloid-filmmagazin.com Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion und Quellenangabe. © 2016 by Verein zur Förderung des österreichischen und des europäischen Films.
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impressum
4-5 celluloid diagonale portfolio 2016 eröffnungsfilm
maikäfer flieg
Di 8. März, 21.00 Uhr, UCI Annenhof Saal 6 Sa 12. März, 11.00 Uhr, KIZ Royal „Es ist Krieg. Es ist schon lange Krieg. Ich kann mich überhaupt nicht mehr daran erinnern, dass einmal kein Krieg war“ sagt Christine zu Beginn von „Maikäfer flieg!“ in einem der zahlreichen inneren Monologe des Films. Und tatsächlich ist es eine Welt des tagtäglichen Ausnahmezustandes, in der die Neunjährige (Zita Gaier) im Jahr 1945 im Wiener Bezirk Hernals aufwächst. Bombenalarme und Übernachtungen im Luftschutzkeller wechseln sich in jenen letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs mit der verzweifelten und meist vergeblichen Suche ihrer Mutter (Ursula Strauss) nach Nahrung, mit Nervenzusammenbrüchen der Großmutter (Krista Stadler) und der Sorge um den geliebten Vater (Gerald Votava) ab. Der ist, gerade schwer verletzt aus Russland heimgekehrt, zum Deserteur geworden und versteckt sich bei seiner Familie vor der deutschen Wehrmacht. Und schließlich ist da noch die einmarschierende Rote Armee, die die Vorortvilla, in der Christines Familie nach der Zerbombung ihrer Wohnung bei einer Witwe und ihrem Sohn Gerald Zuflucht sucht, nach Abzug der Deutschen zur Kommandozentrale macht. Doch während die Soldaten aus dem Osten die Wiener Zivilbevölkerung in Angst und Schrecken versetzen, wecken sie bei dem WEITER AUF SEITE 13
eigensinn und ansichtssachen 10. März, 18.30 Uhr, Rechbauer, 13. März, 14.15 Uhr, Schubertkino 2
„Die Kriege gehören den Männern, daher auch die Kriegserinnerungen. Frauen haben keine Vergangenheit. Oder haben keine zu haben.“ In Judenburg begeben sich Brigitta Freigassner und Miriam Raggam auf die Suche nach den weiblichen Spuren in der NS-Geschichte Österreichs. Zu Wort kommen Zeitzeuginnen, die über das jüdische Leben unterm Hakenkreuz sprechen.
LOS FELIZ
9. März, 20.30 Uhr, Schubertkino 1; 10. März, 13.30 Uhr, KIZ Royal „Los Feliz“ ist das erste Roadmovie, das zur Gänze im Studio gedreht wurde.Vor der Weltpremiere im 21er Haus sprachen wir mit dem österreichischen Ausnahmekünstler Edgar Honetschläger über sein außergewöhnliches Filmexperiment. WEITER AUF SEITE 13
6-7 celluloid diagonale portfolio 2016
WINWIN
Do 10. März, 18.30 Uhr, KIZ Royal Sa 12. März, 14.00 Uhr, UCI Annenhof Saal 6 Drei Investoren ziehen der Reihe nach potenziellen Geschäftspartnern die Hosen aus. So simpel der Plot von Daniel Hoesls neuem Film „WINWIN“ klingt, so komplex ist der Unterbau für diese filmgewordene Kapialismuskritik von Hoesls „European Film Conspiracy“-Plattform, die auch schon das Label seines Erstlings „Soldate Jeannette“ war. Hier verhandelt Hoesl nun nicht mehr den Wert des Geldes, sondern seine Macht. „‚WINWIN‘ ist eine Satire“, sagt Hoesl über seinen Film. Das stimmt, und zugleich nicht: Denn „WINWIN“ zerlegt die internationale Finanzwelt nur allzu realistisch in ihre lokalen Parameter: Man sieht hier, wie finanziell bedrängte Firmenchefs, eine Ministerin, Gewerkschafts-Bosse und die Medien vor den Investoren in die Knie gehen, und sich und ihr Leben(swerk) letztlich bedingungslos an sie ausliefern. Realer kann man die Krise von Wirtschaft, Kaptial, Kapitalismus und Gesellschaft nicht zeichnen, wenngleich Hoesl in seinen oft statischen, streng kadrierten Bildern (Kamera: Gerald Kerkletz) und auch im Spiel seiner Akteure ganz bewusst auf Überhöhung und Künstlichkeit setzt. Die Räume und die Handlanger der Finanzhaie sind hingegen betont nüchtern, emotionslos, wie die Aura der Finanzwelt es auch ist. Aber deren Aufgabe ist sowieso nicht die Komödie, sondern eine andere: Nämlich, dem Geschäftspartner zu erklären, er befinde sich in einer Win-Win-Situation, nachdem man ihn gerade über den Tisch gezogen hat. Groß! mg
A GOOD AMERICAN Do 10. März, 21.00 Uhr, KIZ Royal Sa 12. März, 13.30 Uhr, KIZ Royal
Politische Krisen, Überwachung durch den Staat und der technische Aufrüstungswahn der USA. Friedrich Moser widmet sich in seiner Dokumentation „A Good American“ nicht nur der weltweiten Angst nach den Terroranschlägen von 9/11, sondern auch einem speziellen Wissenschafter: dem Whistleblower William Binney. Vor 9/11 beriet der als mathematisches Genie bekannte Mann den US-Staat und die NSA in Sicherheitsfragen. Sein Datenschutz- und Staatssicherheitsprojekt „ThinThread“ kam, obwohl fertig entwickelt, allerdings nie zum Einsatz. In ausführlichen Interviews mit Binney und anderen Experten, in aufwendig gestalteten Grafiken und historischem Archivmaterial diverser weltweiter Konflikte zeichnet der gebürtige Gmundner das Bild einer Gesellschaft nach dem Schrecken der Terroranschläge von New York und eines immer mächtiger werdenden Überwachungsapparates. Dabei steht nicht der Whistleblower Binney im Mittelpunkt, sondern die politischen Entwicklungen der letzten 50 Jahre sowie ihre Verknüpfung mit dem Wandel vom analogen zum digitalen Zeitalter sowie die massive Aushöhlung demokratischer Strukturen. sw
DRACHENJUNGFRAU Do 10. März, 17.30 Uhr, Schubertkino 1
Neues aus der erfolgreichen Landkrimi-Fernsehreihe des ORF: Diesmal ereignen sich im Bundesland Salzburg Mord und Totschlag. In „Drachenjungfrau“ wird am Fuße der Krimmler Wasserfälle, nahe dem Örtchen Krimml, die Leiche eines 15-jährigen Mädchens gefunden. Nicht sicher, ob es sich dabei um Selbstmord oder vorsätzlichen Mord handelt, wird von der örtlichen Postenkommandantin (Stefanie Reinsperger) Sonderermittler Martin Merana (Manuel Rubey) vom Landeskriminalamt Salzburg zu Rate gezogen. WEITER AUF SEITE 13
AGONIE
Fr 11. März, 17.30 Uhr, KIZ Royal Sa 12. März, 13.30 Uhr, UCI Annenhof Saal 5 Es sind zwei äußerst unterschiedliche junge Männer, von denen David Clay Diaz in „Agonie“ erzählt. Da ist David, der 27-jährige Jusstudent aus guten Hause, ein unscheinbarer und angepasster Mitläufer. Und dann ist da Christian, der 17-jährige Rapper, der in einem Sozialbau lebt, und der Tristesse der Vorstadt vergeblich zu entkommen versucht. Als David scheinbar aus dem Nichts heraus eine Frau tötet, die Leiche zerstückelt und sie auf mehrere Müllcontainer in Wien verteilt, bleibt die Frage nach dem Warum lange unbeantwortet. Aus einer Geschichte, die man zuallererst dem klassischen Krimi-/Thrillergenre zuordnen würde, hat David Clay Diaz ein hochkomplexes und analytisches Sozialdrama gemacht. Sein Langspielfilmdebüt „Agonie“ führt den Zuseher in die Wochen vor der Tat, zeichnet in zwei Erzähltsträngen (einmal kühl und distanziert, ein anderes Mal bunt und schrill), in denen die Protagonisten niemals aufeinandertreffen, die Geschichten dieser beiden gegensätzlichen Männer nach. „Agonie“ ist dabei nicht nur die Geschichte einer verstörten Seele, sondern zeichnet auch das intime Porträt einer Stadt und ihrer Gesellschaft. sw
8-9 celluloid diagonale portfolio 2016
DIE GETRÄUMTEN
Do 10. März, 20.30 Uhr, Schubertkino 1 Sa 12. März, 11.00 Uhr, Schubertkino 1 Es sind weit mehr als einfache Briefe, die Ruth Beckermann zum zentralen Thema ihres neuen Films gemacht hat. In „Die Geträumten“ lässt die Wiener Autorin und Filmschaffende („Those who go Those who stay“) die Gefühle zweier großer Literaten des 20. Jahrhunderts wieder lebendig werden: Anja Plaschg und Laurence Rupp lesen darin aus den berührenden Liebesbriefen zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan, die nur für wenige Monate ein Liebespaar waren und sich trotz einer langjährigen räumlichen Trennung dank ihrer Briefe emotional stets extrem nahe blieben. Beckermann hat die beiden Schauspieler nicht nur beim Einlesen der bewegenden und intimen Korrespondenz im Wiener Funkhaus gefilmt, sie begleitet sie mit der Kamera auch in den Pausen, beobachtet die beiden jungen Künstler, wie sie sich über die gerade gelesenen Texte unterhalten und dadurch nicht nur Bachmann und Celan, sondern auch sich selber Schritt für Schritt näher kommen. Eine faszinierende Mischung aus Spiel- und Dokumentarfilm, in der die Grenzen zwischen Realität und Fiktion, zwischen Erfüllung und Sehnsucht scheinbar mühelos verschwimmen. sw
HANNAS SCHLAFENDE HUNDE Mi 9. März, 21.00 Uhr, KIZ Royal Do 10. März, 11.30 Uhr, UCI Annenhof Saal 6
Nach etlichen Jahren hat Andreas Gruber („Hasenjagd“) wieder einmal einen Spielfilm gedreht. In „Hannas schlafende Hunde“ geht es um ein jüdisches Mädchen, das von ihren Eltern als katholisches Kind getarnt wird. Dies vor allem deshalb, weil auch noch Ende der 60er Jahre, wo sich die Handlung zuträgt, die NS-Ideologie omnipräsent gewesen ist, vor allem im ländlichen Raum, wo Hanna in Wels aufwächst. Hanna soll möglichst nicht aufwachsen, weshalb ihr die Mutter eintrichtert, so unauffällig wie möglich zu bleiben. Unnötig zu erwähnen, dass die dramatische Kraft dieses Films aus dem Umstand erwächst, dass Hanna ihre „schlafenden Hunde“, ihre Identität, nicht länger geheim halten will. kv
alles wird gut
im Kurzfilmprogramm 3 Mi 9.März, 16.00 Uhr, KIZ Royal Fr 11. März, 23.00 Uhr, UCI Annenhof Saal 6 Patrick Vollrath zeigt in seinem oscarnominierten Kurzfilm „Alles wird gut“, wie Zusammenleben (nicht) funktioniert. Die Geschichte eines geschiedenen Vaters (Simon Schwarz), der seine achtjährige Tochter entführt, ist ein Spiegel für die heute alltägliche, mannigfache Beziehungsgestörtheit im familiären Umfeld. Vollraths Film subsumiert all die jahrzehntelangen Entwicklungen in den Formen des Zusammenlebens, die eine moderne Gesellschaft heute ausmachen. mg
IM SPINNWEBHAUS
JEDER DER FÄLLT HAT FLÜGEL
Als eines Tages die alleinerziehende und psychisch labile Mutter dreier Kinder plötzlich und spurlos verschwindet, übernimmt der 12 Jahre alte Jonas den Part des Familienoberhauptes. Doch die Versorgung seiner beiden kleinen Geschwister beginnt den Burschen mehr und mehr zu überfordern – und die alleine in einem Haus lebenden Kinder ziehen sich in ihre ganz eigene Fantasiewelt zurück. Doch was als spannende Reise beginnt, entwickelt sich im Lauf von „Im Spinnwebhaus“ zu einem thrillerhaft-surrealen Überlebenskampf, in dem die Grenzen zwischen Realität und Phantasie immer massiver verschwimmen. WEITER AUF SEITE 13
Eigentlich sollte sich die 15-jährige Kati (Jana McKinnon) gemeinsam mit ihrer kleinen Schwester im Landhaus ihrer geliebten Großmutter in Ruhe von ihrer schweren Asthmaerkrankung erholen. Doch schon nach kurzer Zeit spürt das Mädchen, dass in diesem Sommer etwas anders ist – und es vielleicht die letzten gemeinsamen Wochen mit der geliebten Großmutter sein könnten. Filmemacher und Musiker Peter Brunner („Mein blindes Herz“) hat in „Jeder der fällt hat Flügel“ den Verlust seiner eigenen demenzkranken Großmutter verarbeitet. In seinem berührenden Drama geht es um solch universelle Themen wie Leben und Tod, Hoffnung und Abschied, Angst und Urvertrauen. WEITER AUF SEITE 13
THANK YOU FOR BOMBING
HISTORY OF NOW
Barbara Eder, eine von Österreichs engagiertesten jungen Filmtalenten, folgt in ihrer neuen Arbeit drei Kriegsberichterstattern bei der Arbeit. Der Wiener Ewald, ein alter Hase im Geschäft, wird unerwartet nach Afghanistan entsendet, wo er auf die Journalistin Jana und den US-Reporter Cal trifft. In Kabul gibt es nicht nur Krieg und Konflikte, sondern auch die reizvolle Aufgabe, sich zwischendurch die Socken waschen zu müssen - Eder fängt den Alltag der Korrespondenten in den Krisenländern mit einer großen Selbstverständlichkeit ein. kv
Ein bisschen Romantik wird ja noch sein dürfen. Weshalb Nadiv Molcho in „History of Now“ zwei junge Menschen, Eli und Maya, aufeinander loslässt, die eine wunderbare Liebesgeschichte miteinander beginnen - zwei ganz normale Liebende beziehen eine gemeinsame Wohnung in Wien. Die Mittzwanziger fühlen sich bald bereit, eine neue Phase in ihrem Leben zu beginnen, und zwar während einer Marokko-Reise: Dort soll aber alles anders kommen als gedacht... Der Film ist Ausdruck für die durchwegs junge Neuausrichtung der Diagonale. ph
8. März, 21.00 Uhr, UCI Annenhof Saal 6 12. März, 11.00 Uhr, KIZ Royal
Fr 11. März, 20.30 Uhr, UCI Annenhof Saal 6 Sa 12. März, 11.30 Uhr, UCI Annenhof Saal 6
Mi 9. März, 18.30 Uhr, UCI Annenhof Saal 5 Fr 11. März, 14.00 Uhr, UCI Annenhof Saal 6
Fr 11. März, 11.00 Uhr, UCI Annenhof Saal 5 Sa 12. März, 18.00 Uhr, UCI Annenhof Saal 6
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GESCHWISTER
Mi 9. März, 18.00 Uhr, KIZ Royal So 13. März, 14.00 Uhr, UCI Annenhof Saal 6 Nicht der einzige Film, der sich der Flüchtlingskrise widmet, aber einer der Filme, die das am eindringlichsten und direktesten tun: Es ist weit mehr als „nur“ die Geschichte zweier Flüchtlinge, die der Grazer Regisseur Markus Mörth („Austropo made in Styria“) in seinem ersten Langspielfilm „Geschwister“ auf die Leinwand gebracht hat. Sein Film erzählt auch von den Sehnsüchten, Hoffnungen und Träumen zweier junger Menschen: Von der Moldawierin Bebe (Ada Conceescu) und ihrem jüngeren Bruder Mikhail (Abdulkadir Tuncer). Auf der Suche nach einem besseren Leben fliehen die beiden aus ihrer Heimat und begeben sich auf eine wahre Odyssee durch Europa, in der sie unter anderem Rumänien, Serbien und Deutschland durchwandern. Doch Mörth thematisiert nicht nur die massiven und vielfältigen Strapazen und Hindernisse, die Menschen auf der Flucht zu überwinden haben: In zahlreichen Flashbacks beginnt sich Schritt für Schritt die wahre Geschichte der beiden Geschwister zu zeigen. Und während Bebe versucht, sich in Deutschland um jeden Preis zu integrieren, sich Arbeit als Putzfrau sucht und in erster Linie nicht auffallen möchte, wird ihr Bruder Mikhail immer wieder von den Geistern der eigenen Vergangenheit und seiner immer größer werdenden Furcht vor einer ungewissen Zukunft eingeholt. sw
GIRLS DON‘T FLY
Mi 9. März, 13.30 Uhr, KIZ Royal Do 10. März, 21.00 Uhr, UCI Annenhof Saal 5 Auf den ersten Blick klingt es nach einem humanitären und höchst sinnvollen Projekt, das der Brite Jonathan Porter gemeinsam mit seiner Frau im afrikanischen Ghana initiiert hat: er bietet jungen, unterprivilegierten Frauen an, sie zu Pilotinnen und Flugtechnikerinnen auszubilden, um ihnen eine berufliche Perspektive zu ermöglichen. Doch schnell wird in „Girls Don’t Fly“ klar, dass es sich dabei um männliche und kolonialherrschaftliche Strukturen handelt, in denen die jungen Auszubildenden von ihrem Lehrer in erster Linie ausgebeutet und in militärisch-strengem Stil wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden – bis sie sich dagegen wehren und sich Schritt für Schritt emanzipieren. Regisseurin Monika Grassl („Endzeiten“) zeigt sich in ihrem Film als stille Beobachterin, die zwar auf wertende Off-Kommentare verzichtet, mittels ironischer Schnitte und Montagen aber dennoch alle Ungerechtigkeiten, die den Frauen tagtäglich widerfahren, klar aufzeigt. sw
holz erde fleisch Mi 9. März, 18.00 Uhr, UCI Annenhof Saal 6 Fr 11. März, 11.00 Uhr, Schubertkino 2
Das Leben und Arbeiten in und mit der Natur, das Aufziehen und Schlachten eines Tieres – alles Dinge, die Filmer Sigmund Steiner („california“), ehemaliger Regiestudent bei Michael Haneke und Wolfgang Glück, in seiner eigenen Kindheit direkt erlebt hat, war doch sein Vater Bauer aus Leidenschaft. In seinem Dokumentarfilm „Holz Erde Fleisch“ beleuchtet Steiner auf berührende und private Weise Leben und den Alltag eines Forstwirts, eines Gemüsebauern und eines Schafzüchters. Dabei befasst er sich auch mit der eigenen Vergangenheit und dem Verhältnis zu seinem Vater, dessen Betrieb er einst ganz bewusst nicht übernehmen wollte. Im Mittelpunkt steht dabei die Beziehung der drei Protagonisten zu Natur und Tieren sowie die gerade in bäuerlichen Milieus relevante Frage, ob die Kinder den Betrieb übernehmen werden – und danach, was Frauen und Männer heutzutage noch antreibt, das harte Handwerk eines Bauern zu ergreifen und für zukünftige Generationen zu bewahren. sw
12-13 celluloid diagonale portfolio 2016 Gabriele Kranzelbinder
IN REFERENZ Sonderprogramm
Es wäre das, was ein Filmfestival im Optimalfall zu leisten imstande ist: Die vielen Einzelteile eines großen Ganzen in all ihren Facetten in Beziehung zueinander zu setzen. Genau das versucht die Diagonale in diesem Jahr erstmals mit der Programmschiene „In Referenz“ - ein Programm, das sich zur Aufgabe macht, übereinstimmende oder konträr laufende Linien zwischen Filmproduktionen aufzuspüren und aufzuzeigen, sowie Filme in größere Kontexte einzubinden, von historischen oder gesellschaftspolitischen Dimensionen. Damit erhält diese einstige Werkschau des österreichischen Films erstmals auch so etwas wie einen Cinémathèquen-Charakter, der für Filme zugleich einen Ausstellungscharakter und einen Bewegtbildfilter darstellt: Die Bilderflut wird übersichtlicher, gelenkter und im Optimalfall konzentrierter betrachtet. Teil dieser neuen Versuchsanordnung sind beispielsweise die Filme „Surf Nazis Must Die“ (Peter George) und „Putty Hill“ (Matt Proterfield), die im Rahmen des Programms „Österreich: Zum Vergessen“ gezeigt werden. Im ersten kämpft eine „Waldheim-SS“ gegen Amerika, im zweiten sieht man jugendlichen Paintball-Spielern bei ihrer Radikalisierung zu. Regisseur Porterfield wird in Graz ein Publikumsgespräch besuchen und eine Masterclass halten. Außerdem bei „In Referenz“ zu sehen: „Gayby Baby“ (Maya Newell) schildert das Großwerden von vier Kinder zwischen zehn und zwölf bei gleichgeschlechtlichen Paaren und stellt die spannende Frage, ob diesen Kids in der Vorbereitung auf das Leben etwas Entscheidendes fehlt. Spannend wird auch die Aufführung von „Fegefeuer“ (1988, Wilhelm Hengstler), dessen Film die Adaption von Jack Unterwegers gleichnamigem Roman ist. „Fegefeuer“ wird in Referenz zu Elisabeth Scharangs „Jack“ gezeigt und von den Filmemachern auch in der Reihe „Let’s Talk About Scripts“ ausführlich diskutiert. mg
ZUR PERSON: GABRIELE KRANZELBINDER Sonderprogramm der Diagonale
Zum Auftakt der Intendanz des Duos Schernhuber/Höglinger wagt man sich an Neuland in der Programmierung der Sonderreihen der Diagonale: Denn ab sofort soll jedes Jahr ein Filmschaffender im Zentrum eines Tributes stehen, der oder die mit ihrer Arbeit nicht zwangsläufig im Vordergrund sichtbar ist, sondern im Verborgenen für eine eigenständige Handschrift sorgt; das können Regisseure sein, aber auch Schnittmeister, Kameraleute, Kritiker oder Kinobetreiber. Den Auftakt macht jedenfalls die 1968 in Klagenfurt geborene Produzentin Gabriele Kranzelbinder, die sich über die letzten zehn, fünfzehn Jahre in der österreichischen Kunstfilm- und AvantgardeSzene den Ruf erarbeitet hat, Galionsfigur und Rückgrat gleichermaßen zu sein. Denn Kranzelbinder hat in ihren Arbeiten das Riskante, das Wagnis nie gescheut, selbst, wenn der Ausgang ungewiss war. Sie ist seit Mitte der 1990er Jahre als Produzentin aktiv, und betreibt heute mit KGP ihre eigene Produktionsfirma. Daraus entstammen zahlreiche Filme von großer Vielfalt, darunter etwa die Arbeiten von Thomas Woschitz („Universalove“ und „Bad Luck“), Virgil Widrichs „Copy Shop“, Edgar Honetschlägers „Il Mare e la Torta“, Ruth Maders „What is Love“, Jörg Kalts „Crash Test Dummies“, Gustav Deutschs famose Edward-Hopper-Hommage „Shirley - Visions of Reality“, Hubert Saupers „We Come As Friends“ oder auch „Maikäfer flieg“, der Eröffnungsfilm der diesjährigen Diagonale. Gerne blickt Kranzelbinder in ihrer Arbeit auch über die Landesgrenzen hinaus, sucht internationale Koproduktionspartner und war unter anderem bei der Arthaus-Großproduktion „Carlos“ von Olivier Assayas an Bord. Kranzelbinder sieht sich selbst in der Produzentinnen-Funktion als das „erste Publikum“, das ein Filmkünstler hat. „Das Wesentliche an meiner Rolle ist es, ein Gegenüber zu sein, aber natürlich hat man auch selbst Ideen, manchmal gar nicht die schlechtesten“, lacht Kranzelbinder. „Dann geht es darum, Impulse zu setzen, die sich für die Autoren stimmig in ein großes Ganzes einfügen“. Film begreift sie als Teamarbeit: „Es gefällt mir, wenn klar wird, dass man dasselbe will und an einem Strang zieht“. mg
Crash Test Dummies
We Come As Friends
Universalove
MAIKÄFER FLIEG
(Fortsetzung von Seite 4) intelligent-trotzigem Mädchen in erster Linie die Neugier auf eine fremde Welt, in die es trotz des Verbots der Eltern immer wieder erneut eintaucht. Es ist nicht nur ein filmischer Einblick in das Leben der österreichischen Zivilbevölkerung gegen Ende des Krieges, den „Maikäfer flieg!“ (regulärer Kinostart: 11. März) gibt. Der Eröffnungsfilm der heurigen Diagonale erzählt auch von der Kindheit einer der ganz Großen der österreichischen Literaturszene: Christine Nöstlinger. 1936 geboren, erlebte die Autorin von Kinderbuchklassikerin wie „Die feuerrote Friederike“, „Dicke Didi, fetter Felix“ und „Der geheime Großvater“ Nationalsozialismus, Zweiten Weltkrieg und Besatzungszeit mit den unbefangenen Augen eines Kindes. Erfahrungen, die Nöstlinger 1973 in ihrem teils autobiografischem und in zahlreiche Sprachen übersetzten Roman „Maikäfer flieg!“ (benannt nach einem bekannten deutschsprachigem Volks- und Kinderlied) niedergeschrieben hat. Regisseurin Mirjam Unger („Vienna’s Lost Daughters“, „Ternitz Tennessee“) hat sich, einem Besuch des Wiener Rabenhof Stücks „Iba de gaunz oaman leit“ (basierend auf der gleichnamigen NöstlingerGedichtsammlung), wieder verstärkt mit den Werken und der Sprache der Autorin befasst, die kommenden Oktober ihren 80. Geburtstag feiert. Nach der Lektüre von „Maikäfer flieg!“ hatte die Regisseurin schließlich nur noch einen Wunsch: daraus einen Film zu machen. sw
DRACHENJUNGFRAU
(Fortsetzung von Seite 7) Bei seinen Ermittlungen stößt der gebürtige Krimmler mit dem Hang zur Melancholie jedoch nicht nur auf veraltete und streng hierarchische Dorfstrukturen, sondern auch auf lange verborgene Geheimnisse seiner eigenen Vergangenheit. Die in Argentinien geborene und in Wien lebende Regisseurin Catalina Molina („Unser Lied“), eine Studentin der Wiener Filmakademie aus Michael Hanekes Regieklasse, verbindet in „Drachenjungfrau“ eine mystische Sage des Salzburger Pongaus mit der Analyse einer Gemeinschaft, in der erst ein tragischer Todesfall verkrustete Strukturen aufbrechen und tiefe Konflikte zutage treten lässt. sw
IM SPINNWEBHAUS
(Fortsetzung von Seite 9) Regisseurin Maria Eibl-Eibesfeldt („12x7“) beleuchtet Themen wie Verlust, Hilflosigkeit aber auch soziale Verwahrlosung aus der Sicht von Kindern und Teenagern – und verbindet, unterstützt durch bedrohlich-faszinierende schwarz-weiß Bilder, zahlreiche Elemente des klassischen Märchens mit der psychologischen Betrachtung einer bedrohlichen Ausnahmesituation. sw
JEDER DER FÄLLT HAT FLÜGEL
(Fortsetzung von Seite 9) Dabei verlässt Peter Brunner immer wieder die klassischen Pfade des Spielfilms, durchmischt seine Geschichte mit videoclipartigen Traumelementen, Zeitlupeneinschüben und mit Farbfilter überlagerten Bildsequenzen, die sich, unterstützt von Off-Texten, mit der höchst reduzierten Handlung des Films verweben.
LOS FELIZ
(Fortsetzung von Seite 5) Er selbst bezeichnet sich als bildender Künstler, der seit fast 20 Jahren Filme macht – und das eigentlich ziemlich anstrengend findet. Dennoch kann der Linzer Edgar Honetschläger (u.a. „Milk“, „AUN – Der Anfang und das Ende aller Dinge“, „omsch“), der in Wien, Umbrien und Los Angeles lebt, weder vom Kino noch von der Kunst die Finger lassen, sondern vermengt lieber Elemente beider Leidenschaften miteinander. So wie bei „Los Feliz“, seinem aktuellen und lang erwarteten Roadmovie. Edgar Honetschläger hat für dieses Werk allein dreieinhalb Jahre damit verbracht, ikonografische Bilder und Zeichnungen von Amerika zu schaffen, die – auf Leinwand gespannt – von einer eigens konstruierten Maschine transportiert werden, um die Illusion eines durch die Landschaft fahrenden Autos zu erzeugen. Die Malereien und das Drehbuch mussten im Lauf des Jahrzehnts immer wieder adaptiert, Filmbeteiligte aus 39 Nationen organisiert und drei Drehorte (Rom/Lazio, Los Angeles und ein Studio in Wien) bespielt werden, wodurch nicht nur eine logistische, sondern auch eine finanzielle Meisterleistung notwendig wurde. – Und nach 14 Jahren seinen krönenden Abschluss fand. Durch ein gemaltes, zweidimensionales Amerika rollt nun ein Mercedes Benz aus den 50er Jahren mit äußerst interessanten Insassen: dem britischen Teufel, einer französischen Museumswärterin und einer japanischen ShintoGöttin. Während der Teufel von drei Kardinälen angeheuert wird, um den Bedeutungsverlust des Westens zu verhindern, sucht das junge Mädchen nach Ruhm und die Göttin aus Fernost nach Liebe, die sie allerdings nicht ganz versteht… celluloid: „Die, die Bilder machen, regieren die Welt“. Können Sie das Leitmotiv Ihres Films näher erläutern? Edgar Honetschläger: Das Christentum ist die einzige Weltreligion, die das Bild zum Hauptträger seiner Überzeugungskraft gemacht hat. Im Judentum und im Islam ist es verboten. Rom beziehungsweise der Vatikan war über Jahrhunderte das Zentrum der Bilderproduktion. Im 20. Jahrhundert hat
diese Rolle Los Angeles, Hollywood, übernommen. Die Überlegenheit des Westens ist auf die Überzeugungskraft seiner kreierten Bilder zurückzuführen. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Sie würden in einem Teil der Welt aufwachsen, wo vollkommen andere Vorstellungen vom Leben herrschen, es gäbe also keinen Jesus oder Freud. Und dann sehen Sie Ihren ersten Hollywoodfilm. Die Bilder sind fremd, bringen Sie aus dem Konzept und erzeugen letztendlich Wünsche und Begehrlichkeiten. Mit welchen Bildern verführt „Los Feliz“? Los Feliz ist ein Stadtteil von Los Angeles, in dem viele Wohlhabende und Stars leben. Das Leben dort kennt keine Krise. Permanenz ist angesagt. In Südkalifornien ist der Himmel immer blau. Es gibt kaum Jahreszeiten. Wassersprenkler und Gärtner sorgen dafür, dass sich scheinbar nie etwas verändert. Das Einzige, das sich verändert, ist man selbst. Der morgendliche Blick in den Spiegel: eine Falte! Die muss weg, denn man will, wie seine Umgebung, immer gleich und ewig jung, bleiben. Also geht es ab zum Schönheitschirurgen. Hollywood trägt diese Botschaft seit Jahrzehnten in die Welt. Was ist dann das Besondere an diesem Film? Ich habe dreieinhalb Jahre damit verbracht, Amerika zu zeichnen und zu malen – Landschaften und Orte von der Ostbis zur Westküste; in japanischer Tinte auf Leinwand sowie Bleistift auf Papier. Mein Amerika ist Schwarz-Weiß, flach und zweidimensional. 2001 habe ich als Antwort auf 9/11 mit dem Kurzfilm „Enduring Freedom“ zum ersten Mal Zeichnungen mit Schauspielern kombiniert. Seit dem sind immer wieder Arbeiten in dieser Façon entstanden – darunter auch die Stadtoper, die ich mit Peter Ablinger und Yoko Tawada für den steirischen Herbst 2006 gemacht habe. „Los Feliz“ war und ist der lang ersehnte Höhepunkt dieser Auseinandersetzung: Ein Spielfilm aus Papier. Insgesamt sind 18 Leinwände je 16 x 4 m entstanden. Eine nach der anderen wurde auf eine extra dafür gebaute Maschine gespannt und im Kreis gedreht. Das Auto stand davor. Durch den Kamerawinkel entsteht der Anschein, als ob sich das Auto bewegen würde. Die
Leinwand mit dem Bild dreht sich und man ist mit wiederkehrenden Kadern, unendlichen Wiederholungen, konfrontiert – so, als ob man durch die USA fahren würde. Wenn die Protagonisten aussteigen, finden sie sich in einem Ambiente aus Papier, von der Tankstelle bis zum Motel. Jedes Ambiente zitiert auch – von Sidney Lumet über Godard bis Spielberg.
duzierten Filmen? Er kombiniert Kunst und Film wie ich es bisher noch nie konnte und gießt die Erfahrungen von einem Vierteljahrhundert Leben in verschiedenen Kulturkreisen in eine narrative Form. „Los Feliz“ ist radikaler als alles, was ich bisher gemacht habe, auch in der Musik, und ist so nah bei mir und meinem Denken wie keiner zuvor.
Welches Statement steckt hinter „Los Feliz“? „Los Feliz“ hinterfragt die zweifelhaften Ideen und Konzepte des Fame, der romantischen Liebe, der Prinzipien Gut und Böse, der Zentralperspektive/3D, des Monotheismus und der Vorherrschaft des Westens, dem wir die Kraft unserer Bilder und Geschichten verdanken und es verteidigt die allgegenwärtige Leere, die wir ständig zu füllen versuchen. Der Film ist ein umfassendes politisches Statement – und damit ist nicht Tagespolitik gemeint. Vielmehr geht es um die Grundlagen unseres Denkens und Fühlens, um das, was uns aus der Geschichte heraus zu dem macht, was wir sind. „Los Feliz“, das man mit ‚die Glücklichen’ übersetzen könnte, steht programmatisch für den Westen – für eine Stadt, eine Kultur, die sich der Manipulation der Welt verschrieben hat. Als Gegenpol dient die Natur, die das gegenteilige Prinzip verkörpert. Sie wird von einer Figur, die vom östlichsten Osten der Welt kommt, repräsentiert.
Kunst und Film – wie passt das eigentlich zusammen? Film kann Kunst und Kunst kann Film sein. Viele Künstler haben dem Filmschaffen maßgeblich Impulse gegeben. Man denke nur an Greenaway, Lynch und so weiter. Der Film ist gerade mal 100 Jahre alt und er wirkt traurig erstarrt, viel schematischer als die zigtausend Jahre alte Malerei. Alles läuft nach Formel, ob im großen Entertainment oder im Arthauskino. Der Film braucht die Kunst zum Atmen.
Mit „Los Feliz“ ist Ihnen also im wahrsten Sinn des Wortes ein Kunststück gelungen ... „Los Feliz“ enthält alle nur erdenklichen Formen der Kunst: Malerei, Zeichnung, Bildhauerei, Performance, Dialog, Drama, Ton, Musik. Sie werden in einem Werk, das in einer Projektion auf eine Leinwand gebunden ist, zusammengefasst. Der Film stellt Fragen, wie es die Kunst immer tut und führt humorvoll in ein dem Leben gleiches Labyrinth. All das geschieht bewusst artifiziell, schemenhaft, Klischees betonend. „Los Feliz“ erschafft eine Welt, träumt, lässt rätseln, entdecken und wundern. Der Film tut, was die Kunst tut: Er schafft Möglichkeiten, Dinge neu und anders wahrzunehmen. Was unterscheidet den Film von Ihren anderen bisher pro-
Sie haben schon in vielen Ländern gelebt und zahlreiche Erfahrungen gesammelt. Wie beurteilen Sie demnach die derzeitige Lage des österreichischen Films? 12 Jahre Japan, fünf Jahre USA, drei Jahre Italien und ein Jahr Brasilien prägen und lassen einen verstehen und fühlen, wie andere Kulturen ticken – man wird Teil ihres Denkens. Dem „Ösi-Film“ geht es, so denke ich, gut. Ich wünschte mir nur mehr Experiment, viel mehr avantgardistische Elemente. Im Grunde steht Österreich im Vergleich zu anderen Ländern relativ gut da – die Förderstrukturen lassen vieles zu und doch bräuchte es mehr Wagnis und kompromisslose Versuche, den immer gleichen Strukturen des Filmschaffens zu entfliehen. Es darf nicht nur ein Anliegen sein bei einem Festival zu reüssieren, es sollte doch darum gehen, die Kunst und den Film weiterzubringen – entgegen dem Druck der Konvention. Der Aufbau einer Klientel wäre nötig, die ein anderes Sehen schätzt – das hat aber mit Bildung zu tun. Wenn man den Menschen immer nur Hamburger zu essen gibt, dann werden sie einen Tafelspitz nicht mögen. Wir müssen Basisarbeit leisten, um einen Paradigmenwechsel in den Inhalten und der Rezeption des Mediums Film zu bewirken. Carolin Rosmann
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Fotos: Katharina Sartena
Erni Mangold
E
in Jahr nach ihrem Diagonale-Triumph für „Der letzte Tanz“ steht Erni Mangold wieder vor der Verleihung eines Preises: Diesmal bekommt die inzwischen 89Jährige den Großen Diagonale-Schauspielerpreis überreicht, der gleich zur Eröffnung des Festivals vergeben wird. In „Der letzte Tanz“, der im Vorjahr auch den Diagonale-Spielfilmpreis erhielt, hatte Mangold eine fabelhafte Altersrolle. Darin spielt sie Frau Eckert, eine Alzheimer-Patientin, die eine innige Beziehung zu dem jungen Zivildiener Karl (Daniel Sträßer) beginnt. Wir sprachen mit Erni Mangold über Sex im Alter, Schönheit und ihre Energiequelle. celluloid: Frau Mangold, wie ist das denn, eine Sexszene mit einem jungen Mann zu drehen? Erni Mangold: Ich habe mir dazu viel überlegt und mit Houchang Allahyari diese sehr schwierige Szene besprochen, in der der Liebesakt zwischen Frau Eckert und dem Karl passiert. Es ist meine allererste Sexszene überhaupt, ich habe so etwas zuvor noch nie gemacht. Auch nicht, als ich jung war. Aber das waren sowieso andere Zeiten, damals hätte es solche Szenen gar nicht gegeben. Ich hatte mal eine Nacktszene gedreht, aber auch nur züchtig und verkehrt. Damals musste man die ganze Crew aus dem Atelier schicken, denn die hätten ja rigoros Fotos gemacht, und das wäre in den Fifties nicht angenehm gewesen. Das ist ja auch der Knef passiert. Ist es ein befremdliches Gefühl, so eine Szene zu drehen? Nein, in der Praxis ist nichts Erotisches dabei, gar nichts. Du kannst bei einer solchen Sexszene ein Butterbrot essen und lachen, weil das so lächerlich ist. Der Film zeigt auch, wie es um die Realität der Altenbetreuung bestellt ist. Viel Zeit für Zuwendung gibt es in den Heimen nicht...
Dennoch glaube ich, es hat sich sehr Vieles zum Besseren gewandelt. Ich bin sehr begeistert von den Rumäninnen oder Slowakinnen, die als Heimhilfen bei uns arbeiten und alte Menschen betreuen. Ich wohne vis-à-vis von einer Dame im Waldviertel, die solche Heimhilfen in Anspruch nimmt. Ich höre nur die besten Dinge über diese Frauen. Hat sich der Umgang mit dem Alter gewandelt, weil die Gesellschaft insgesamt älter wird? Sicher. Die Leute sind besser beieinander, die Medizin hat große Fortschritte gemacht. Ich bin auch operiert links und rechts und habe zwei künstliche Hüften. Wenn ich die nicht hätte, wäre ich im Rollstuhl. Ich habe den grauen Star gehabt, wenn ich den nicht wegbekommen hätte, würde ich jetzt kaum mehr etwas sehen. Haben Sie sich Gedanken darüber gemacht, dass Sie auch einmal bettlägerig werden, wie ihre Frau Eckert im Film? Nein, ich hoffe, dass es anders passiert. Ich bin kein liegender Mensch, wissen Sie? Natürlich kann das passieren, aber ich werde da sehr dagegen arbeiten. Ich mache Krafttraining, um fit zu bleiben. Ich bin nicht der Meinung, dass es im Alter halt so ist, dass man ver-
fällt. Was ich aber niemals mitmachen würde, ist der Jugendwahn. Heute wäre es eh zu spät, aber ich würde mich niemals liften lassen, das ist albern. Schönheit ist in Ihrem Metier aber seit jeher wichtig für die Karriere. Wenn sich in Amerika die Schauspielerinnen mit knapp 40 unters Messer legen, dann beenden sie damit ihre Karriere noch viel früher, als wären sie nicht operiert. Denn nach der OP sind sie meistens nicht mehr zu gebrauchen. Was darunter leidet, ist der Ausdruck, und das ist das wichtigste für einen Schauspieler. Die Schauspielerin Lil Dagover war zum Beispiel unendlich geliftet. Die stand immer schon um fünf Uhr früh auf, brauchte dann drei Stunden fürs Make-up, und trotzdem konnte man sie nicht mehr fotografieren, weil die Haut schon so dünn war. Woher nehmen Sie eigentlich Ihre Energie? Ich bin ein Energiebündel seit ich auf die Welt kam. Ich war ein Acht-Monats-Kind und war damals schon so. Ich habe mir diese Energie bis heute erhalten. Ich kenne noch keine Ermüdungserscheinungen, aber will mich nicht mehr ausnützen lassen. Sobald man aber arbeitet, ist man Teil dieser Leistungsgesellschaft und wird ausge-
nützt. Das ist so. Jeder sagt: Erni, mach doch weniger. Aber ich sage: Entweder alles oder gar nichts. Es gibt nichts dazwischen, das ist ein Blödsinn. Was macht Ihnen am meisten Freude in Ihrem Leben? Ich habe ein entzückendes kleines Waldviertler Haus mit Garten, bin eine leidenschaftliche Spaziergängerin, und fahre unglaublich gerne Auto. Ich fahre auch sehr gut und mitunter bis zu 30.000 Kilometer im Jahr! Gut, dass der graue Star weg ist... (Lacht). Ich bin froh, dass meine Augen wieder sehr gut sind. Die Rolle in „Der letzte Tanz“ brachte Ihnen den Schauspieler-Preis in Graz. Auch eine Freude? In diesem Fall war ich glücklich über die Auszeichnung, weil ich bisher noch nie einen Preis für einen Film bekommen hatte. Nicht mal einen Händedruck. Ihre Autobiografie erschien 2011 unter dem Titel „Lassen Sie mich in Ruh“. Wieso? Weil ich es nicht mag, wenn man mich mit irrsinnig dummen Fragen löchert. Was wäre so eine dumme Frage? Diese zum Beispiel (lacht). Matthias Greuling
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Helmut berger, Actor Do 10. März, 11.00 Uhr, KIZ Royal Sa 12. März, 20.30 Uhr, UCI Annenhof Saal 6
Als Helmut Berger, 71 und Weltstar aus Bad Ischl, im Fünf-Sterne-Hotel in Saint Tropez eincheckt, und sich im hoteleigenen Bademantel und mitsamt seinen Initialen besticktem Necessaire auf der Couch niederlässt, da stehen vor ihm aufgebaut nicht nur zahllose Medikamente und Vitamine, sondern auch vier Fläschchen Bier und eine Flasche Vodka. Berger ist auf Urlaub hier, weil er der Enge seiner Heimat über die einsamen Weihnachtsfeiertage entfliehen wollte. Mit ihm mitgekommen ist der Salzburger Dokumentarfilmer Andreas Horvath, 47, der Berger mit seiner Kamera für den Film „Helmut Berger, Actor“ begleitet und ein Bild von diesem geschundenen Körper und mindestens ebenso geschundenen Geist entwirft, das an Tragik und auch an Komik kaum zu überbieten ist. Berger im Luxushotel sieht bald genau so armselig aus wie Berger in seiner Salzburger Wohnung, nur dass das Ambiente von den Zimmermädchen in Saint Tropez ein wenig verschönert wird. „Aber bevor sie das Zimmer machen, räumen sie bitte mein Gepäck aus“, schnarrt Berger. „Und alles sichtbar hinlegen, damit ich nichts suchen muss“. Helmut Berger ist der Star in einem Film über sich selbst; was hier abgemacht war und was nicht, weiß nur Andreas Horvath selbst, aber ein Stück weit wird bereits nach wenigen Filmminuten klar: Berger lebt nach dem Prinzip Zuckerbrot und Peitsche, überlässt nichts dem Zufall, aber alles seiner Improvisation - oder sollte man Laune sagen? Der Vorspann beginnt mit dem Titel „Helmut Berger in: ‚Helmut Berger, Actor‘„, und liefert damit schon den Hinweis, wie Horvath sein Filmporträt eines schrillen, gealterten Weltstars anlegt: Durchaus als Mischung aus Bühne und Erniedrigung, die der Regisseur bewusst in Kauf nimmt, um sich dem Objekt seiner filmischen Begierde (oftmals allzu intensiv) nähern zu können. Er muss ihn erst vorführen, um ihn zu entlarven. Gleich zu Beginn wacht Berger in seiner Salzburger Messie-Wohnung auf, sein nackter Hintern füllt das Bild aus, und seine erste Handlung wird es sein, sich in den Fernsehsessel zu setzen, inmitten der heillos chaotischen Restbestände einer durchgesoffenen Nacht, und dort zu onanieren - das Ganze wirkt zunächst wie eine Farce, die Berger zu seiner eigenen Erniedrigung inszeniert, aber später wird klar, dass nicht alles gespielt ist, was man an diesem Filmporträt nicht fassen kann. Zum eigentlichen Interview über die große Vergangenheit des als Helmut Steinberger geborenen Weltstars und Visconti-Schauspielers kommt es nicht: Horvath versucht immer wieder, Berger auf die gloriose Vergangenheit zu stoßen, doch der verfällt dann schnell in ein fantasierendes Koma vom Jet Set, der nur mehr noch in seiner
Erinnerung existiert. So bleibt Horvath nur das Sammeln von Bildern, von Indizien, die den seelischen Zustand des Schauspielers widerspiegeln könnten. Bilder von Visconti, seiner großen Liebe, aber auch von ehemaligen Filmpartnern wie Romy Schneider zieren seine Wände, dazwischen bröckeliger Putz und vergammelte Ecken, Ritzen, Kanten. Keine Küche, stattdessen kahler Estrich, wie auch seine Putzfrau moniert. Berger haust in einem alkoholischen Dauerrausch aus Erinnerungsfetzen, schweren Depressionen und einem unbändigen Selbstbewusstsein, in dessen Phasen er wilde Reden schwingen kann und sogar handgreiflich gegen seinen „Freund“, den Filmemacher, wird. Dem platzt dann irgendwann der Kragen: „Don’t you hit me, you fucking asshole“ schallt es nach einer durchzechten Nacht in Saint Tropez. Berger will daraufhin die Dreharbeiten abbrechen. Überhaupt ist die Beziehung des Schauspielers zu seinem Regisseur schwer belastet, denn Berger gesteht Horvath in einem intimen Moment seine Liebe. „So, jetzt weißt du es“, sagt Berger gespielt erleichtert. „Jetzt musst du damit fertigwerden“. So oft Berger das gemeinsam Filmprojekt im Laufe der sich dramatisch zuspitzenden Dreharbeiten abbricht, so reuig zeigt er sich in schlaflosen Nächten, in denen er seinem „Andreas“ die Mailbox mit mal wirren, mal sehr klaren Ansagen zuquatscht. Er hat Andreas Horvath längst als einen Teil seines Lebens akzeptiert, der genauso dazugehört wie Bier und Schnaps. Nur eines hat Berger Horvath bis zum Schluss nicht zugestanden: Dass dieser Bergers Welt auch nur im entferntesten verstanden hat: „Du hast keine Ahnung von dem Geschäft, du bourgeoiser Salzburger. Du hast keine Ahnung vom Jet Set“. Helmut Berger hat keine Vergangenheitsbewältigung geschafft in seinem turbulenten Achterbahnleben aus Höhepunkten und Verlusten. Ein armer, alter Mann voller (Sehn-)Süchte wird da vorgeführt, keiner, der süchtig ist nach Alkohol, sondern nach Liebe, nicht nach Drogen, sondern nach Leidenschaft und Anerkennung. Und bei all dem Theater ist niemals klar, wo seine Bühne anfängt, und wo sie aufhört. Am Ende, als Berger seinen Regisseur bittet, ihm beim tatsächlichen Onanieren mit abschließender Ejakulation als Fantasie zu dienen, löst sich die Distanz zwischen dem Filmemacher und seinem Star kurz gänzlich auf. „Der von Burt Lancaster sah genau so aus“, lacht Helmut Berger über das gute Stück von Horvath, nur um sich Minuten später unter lautem Gejohle und Gegrunze Erleichterung zu verschaffen. Der Schauspieler Berger hat am Ende dieses trivialen, aber intensiven Porträts kurz sein Innerstes gezeigt und musste dafür nicht einmal ein Wort sagen. Ein Blick auf das Bildnis Viscontis an der Wand hat ihm genügt. mg
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KINDERS
DESERT KIDS
Es sind die Faszination der Musik, die Liebe zu Noten und Musikinstrumenten, die die so unter schiedlichen jungen Burschen und Mädchen in „Kinders“, dem neuen Dokumentarfilm von Arash und Arman Riahi („Everyday Rebellion“), eint. Sie stammen allesamt aus schwierigen sozialen Verhältnissen, die meisten haben Migrationshintergrund, pendeln zwischen zwei gesellschaftlichen Welten. Und sie alle zweifeln an ihren Fähigkeiten. Doch dann kommen sie über den Musikunterricht in der Schule mit dem musikalischen Förderprojekt „((superar))“ in Berührung, spielen schließlich in einem speziellen Jugendorchester mit, treten bei Konzerten auf. In Folge entwickeln die Protagonisten wieder Glauben an die eigenen Fähigkeiten, fühlen sich wieder gehört und respektiert. Die Riahis halten sich bei der Beobachtung der jugendlichen Lebenswelten dezent im Hintergrund, lassen ihre Darsteller und die Musik lieber für sich sprechen. sw
Sie sind Mitglieder eines armen Beduinenvolkes, deren Tagesgeschäft aus Ziegenhüten besteht, angehende Akademiker, die gegen den Unwillen der Eltern kämpfen oder Söhne eines wohlhabenden Scheichs, die es in die fernen USA zieht. So unterschiedlich die sozialen Hintergründe der Protagonisten in „Desert Kids“ auch sind, eint sie doch alle, dass es junge Araber und Juden sind, die ihre Heimat in Israel haben. Als stiller Beobachter begleitet Filmemacher und Drehbuchautor Michael Pfeifenberger seine Darsteller durch ihren Alltag, beobachtet sie mit ihren Familien und Freunden, ist in ihrer Freizeit an ihrer Seite. Dabei wird in „Desert Kids“ eines deutlich: Auch, wenn die sozialen und religiösen Herkünfte noch so unterschiedlich sind – die Sorgen und Nöte von Teenagern bleiben in den Grundzügen immer die Gleichen. Es sind die Zukunftsängste, die Probleme des Erwachsenwerdens und die vielschichtigen Komplikationen der Liebe, die alle gleich beschäftigen. sw
FUTURE BABY
BRÜDER DER NACHT
Die Sehnsucht nach eigenem Nachwuchs, nach der Weitergabe der Gene und danach, etwas für die Zukunft hinterlassen zu wollen sind es, die Maria Arlamovsky („Eines Tages, nachts …“) in den Mittelpunkt ihrer Dokumentation „Future Baby“ stellt. Einst entwickelt, um Paaren den Wunsch nach dem eigenen Kind zu erfüllen, ist die Reproduktionsmedizin längst zu einem florierenden Wirtschaftszweig geworden, in dem die Selektion der besten Gene, das Einkaufen von Leihmüttern und der Wunsch nach dem perfekten Kind zum Alltag gehören. In ausführlichen Interviews mit medizinischen Experten, verzweifelten Paaren mit Kinderwunsch, Leihmüttern, Eizellenspenderinnen sowie Frauen und Männern der ersten Generation an „Retortenbabys“ stellt die Regisseurin dabei die Frage, wie weit Medizin gehen darf und wie sehr sich unsere Vorstellungen von den Gesetzen und Grenzen der Natur, der Elternschaft und allgemeingültigen Schönheits- und Gesundheitsidealen verschoben hat. sw
Es ist eine wahre Parallelwelt, die allabendlich in Wien jenseits der Donau aufs Neue ihre Pforten öffnet. In schäbigen Bars und Clubs der Vorstadt machen junge Romamänner aus Bulgarien die Nacht zum Tage: sie trinken, tanzen, lachen, feiern – und verkaufen ihre Körper. Es sind meist heterosexuelle Prostituierte, die sich ausschließlich Männern anbieten, die schwulen Sex suchen. Ihnen hat Patrick Chiha („Boys Like Us“) seinen Dokumentarfilm „Brüder der Nacht“ gewidmet. Dabei bewegt sich der Regisseur jenseits der klassischen Dokumentarpfade, mischt reale Szenen mit stark überzeichneten, mitunter spielfilmartigen, Sequenzen, in denen seine Protagonisten traumartige Momente erleben. Dabei zeigt der Regisseur die jungen Männer nicht als traurige Opfer einer brutalen Sexindustrie, sondern als schöne und strahlende Helden, die er in theatralischer Form inszeniert. Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen dabei im Lauf des Films, und in den Lebensgeschichten der „Brüder der Nacht“, mehr und mehr. sw
Fr 11. März, 18.30 Uhr, UCI Annenhof Saal 5 So 13. März, 11.30 Uhr, UCI Annenhof Saal 6
Fr 11. März, 18.00 Uhr, UCI Annenhof Saal 6 So 13. März, 13.30 Uhr, UCI Annenhof Saal 5
Fr 11. März, 13.30 Uhr, UCI Annenhof Saal 5 Sa 12. März, 21.00 Uhr, Schubertkino 2
Fr 11. März, 20.00 Uhr, KIZ Royal Sa 12. März, 11.00 Uhr, UCI Annenhof Saal 5