VIENNALe
celluloid filmmagazin Nr. 6a/2015 I Oktober/November I Sonderausgabe zur Viennale 2015
celluloid filmmagazin
„LAST SHELTER“ von Gerald Igor Hauzenberger wird bei der Viennale premiere feiern
die viennale-filmtipps der celluloid-redaktion
Mit programm
In Kooperation mit der
celluloid
filmmagazin Ausgabe 6a/2015 - 16. jahrgang 17. OKTOBER 2015
VIENNALe INFOS UND TICKETS: www.viennale.at I 0800 664 015 Vorverkauf ab 17.10.2015
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HURCH
s ist keine besonders originelle oder gewagte Feststellung zu behaupten, das Kino habe sich in den letzten 10 Jahren grundlegender verändert, als in den 100 davor. Das Kino war immer in einer Art permanentem Umbuch in technischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Hinsicht. Aber seit einigen Jahren hat dieser Umbruch eine ganz neue Qualität erlangt. Eine Art von Beschleunigung, von Auflösung, von Verschiebung. Das Kino, wie wir es kennen, das alte Dispositiv von Raum, Leinwand, Projektion, ist nur noch eine von vielen, von unzähligen Formen und Zusammenhängen, bewegte Bilder wahrzunehmen. Und es ist schon fast ein kulturkritisches Klischee, von dieser Allgegenwärtigkeit des Medialen, seiner Gleichzeitigkeit und Virtualität zu reden. Kino und inzwischen auch Fernsehen wirken da wie schwerfällige, beharrende, fast schon ein wenig sentimentale Apparaturen angesichts der vielen beweglichen, abrufbaren, mobilen, den Alltag durchsetzenden Tools und Machines, die einen unendlichen Strom an Bildern, Informationen, Tönen und Wahrnehmungen generieren. Der Einfachkeit halber content genannt. Und vielleicht liegt genau hier der Moment, die Erfahrung, die das Besondere eines Filmfestivals ausmacht. Daß es eine Art Rückkehr zum Kino ist. Zum Filmischen, in den Raum. In das gemeinsame, verbindende Erlebnis. In einen Moment der Verdichtung, der Konzentration, der Entscheidung. Wir haben die Viennale immer wieder und nicht ohne Koketterie als eine Art Ausnahmezustand bezeichnet. Aber vielleicht ist manchmal unser Alltag der Ausnahmezustand und erst im Festival kommt das Kino wieder ganz zu sich. Wird sozusagen zum Normalzustand. Das wäre eine schöne Vorstellung für die kommenden zwei Wochen: der Normalzustand Festival mit einem wunderbaren Angebot an ungewöhnlichen Arbeiten des Weltkinos. Eine Vielzahl an größeren und kleineren Filmen, an Altem und Neuem, Klassischem und Experimentellem, Fremdem und Vertrautem. Das Kino als Teil unseres Alltags, das wäre das wahre Abenteuer. Hans Hurch
170 Filme im hauptprogramm
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EDITORIAL Liebe Leser, Die Viennale ist immer die beste Zeit des Jahres für Filmliebhaber - hier können sie entdecken, was sie sonst im Kino eher nicht zu sehen bekommen. Hans Hurch hat mit seiner 19. Viennale eine sichere Hand bei der Wahl eines fundierten Überblicks über das aktuelle Weltkino bewiesen und zeigt auch, dass er nach so vielen „Dienstjahren“ den frischen Zugang zum Kino noch nicht verlernt hat. Wohl mit ein Grund, weshalb man seinen Vertrag erst vor kurzem bis 2018 verlängert hat. Wir vom Filmmagazin celluloid präsentieren als Medienpartner der Viennale wieder einen kleinen Überblick über die Highlights des Festivals in unserer Festivalausgabe, die Sie nun in Händen halten. In der Heftmitte finden Sie eine Programmübersicht. In diesem Sinne, Viel Spaß beim Schmökern, Matthias greuling Chefredakteur & Herausgeber celluloid@gmx.at
26. oktober - internationalfeiertag: filme zum thema vertreibung, migration und flucht im gartenbau
2 filme mit Tippi hedren: Hitchcocks „Marnie“ und „The Birds“, in anwesenheit der schauspielerin
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celluloid FILMMAGAZIN Nummer 6a/2015 Oktober 2015. Sonderausgabe zur Viennale 2015. Beilage zur Wiener Zeitung am 17.10.2015. Herausgeber, Eigentümer und Verleger: Werbeagentur Matthias
Greuling für den Verein zur Förderung des österreichischen und des europäischen Films. Chefredakteur: Matthias Greuling. Mitarbeiter dieser Ausgabe: Gunther Baumann, Christine Dériaz, Paul Heger, Kurt Hofmann, Katharina Sartena, Klara Verthoer. Layout / Repro: Werbeagentur Matthias Greuling. Printed in Austria. Fotos, sofern nicht anders angegeben: Viennale. Die Beiträge geben in jedem Fall die Meinung der AutorInnen und nicht unbedingt jene der Redaktion wieder. Anschrift: celluloid Filmmagazin, Spechtgasse 57/5, A-2340 Mödling, Tel: +43/664/462 54 44, Fax: +43/2236/23 240, e-mail: celluloid@gmx.at, Internet: www. celluloid-filmmagazin.com Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion und Quellenangabe. © 2015 by Verein zur Förderung des österreichischen und des europäischen Films.
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Eröffnungsfilm
todd haynes
Fotos: Katharina Sartena; Viennale
carol Viennale-Termine: 22.10., 19.30 Uhr (mit einladung), 23.30, Gartenbau I 24.10., 10.30 Uhr, Gartenbau
Die viennale eröffnet mit todd haynes‘ drama „Carol“, in der es um eine verpönte, ja verbotene lesbische liebesbeziehung in den USA der 50er Jahre geht.
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inreißende Schauspielerinnen, gloriose auch, dass sie dadurch einen schweren Weg Sets, elegante Bilder: US-Regisseur Todd auf sich nehmen. Haynes („Velvet Goldmine“) hat mit „CaDenn „Carol“ spielt 1953 – zu einer Zeit also, rol“ einen ausgesprochen edlen Film gedreht. als die gleichgeschlechtliche Liebe noch ein Die prächtige Fassung liefert den Rahmen für schweres Tabu ist. Carol gerät, wegen des Soreine neue Version einer der ältesten Storys, die gerechts für ihre Tochter, in heftige Turbulender Film zu erzählen hat. „Carol“ ist eine Liezen mit ihrem Mann, von dem sie sich gerade besgeschichte. „Boy Meets Girl“, nennt man scheiden lässt. Therese muss den jungen Mann das Genre in Hollywood. Nur, dass hier eine bedeutsame Kleinigkeit anders ist: Die Geschichte funktioniert nämlich unter dem Motto „Girl meets Girl“. Cate Blanchett spielt die Titelfigur Carol, eine bildschöne und kluge Dame der wohlhabenden New Yorker Gesellschaft. Ihre Leidenschaft entflammt, als sie der jungen, scheuen und etwas spröden Therese (Rooney Mara) begegnet. Wie sinnlich und sensibel hier der Zauber des ersten Blicks eingefangen wird, das ist ein Meisterwerk aller drei Beteiligten: Blanchett, Mara und Regisseur Haynes, der all das in überaus stimmige Bilder gießt. Carol und Therese wissen schon in diesem Moment, dass sie ihre Zuneigung ausLeinwand-Paar: Rooney Mara (l.) leben wollen. Und sie wissen und Cate Blanchett in „Carol“
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verabschieden, der sich ein gemeinsames Leben mit ihr und auch schon die Ehe ausmalt. „Carol“ basiert auf dem gleichnamigen Roman, den Patricia Highsmith, die als Thriller-Autorin weltberühmt wurde, schon 1950 schrieb. Highsmith hielt den Text erst einmal unter Verschluss, weil sie ihre lesbischen Neigungen nicht preisgeben wollte. Doch im Buch und jetzt auch im Film lassen Carol und Therese ihrer Leidenschaft freien Lauf. Todd Haynes inszeniert diese Liebe so einfühlsam und berührend, dass man als Zuschauer automatisch zum Verbündeten der beiden Damen wird. Vor allem dann, wenn Männer alles versuchen, die Zweisamkeit zu zerstören. In Summe ist diese Highsmith-Verfilmung ein nahezu perfektes Filmkunstwerk, das im Rennen um die Oscars im kommenden Jahr eine wichtige Rolle spielen könnte. Dabei ist es nicht auszuschließen, dass Cate Blanchett und Rooney Mara im kommenden Winter noch zu Rivalinnen in der Kategorie „Beste Schauspielerin“ werden. Großes Gefühlskino von erlesener Pracht. - Gunther Baumann
STEphAN RICHTER
Einer von uns
Fotos: Filmladen
Viennale-Termine: 31.10., 18.00 Uhr, Gartenbau I 3.11., 13.00 Uhr, Urania
„Einer von uns“
Begegnung im Supermarkt: Stephan Richter forscht in seinem Debütfilm über die räume jugendlicher entfaltung in der urbanen peripherie.
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erade erst hat Stephan Richter seinen ersten eindimensionalen Hier und Jetzt ab. Dennoch Langfilm dem Publikum beim Filmfestival in braucht diese Realität auch so etwas wie BeSan Sebastian gezeigt, die nächste Station täubung, weil sie so rosig eben nicht ist. Sie für den 1980 in Dresden geborenen Richter war braucht die Trance. das Filmfestival in Zürich, und nun wird „Ei„Die riesigen Regalwelten, gefüllt mit knalner von uns“ seine Österreich-Premiere bei der ligen, aber leeren Versprechungen, bilden im diesjährigen Viennale feiern. Es ist der einzige Film die zentrale Erzählperspektive auf eine GeLangfilm aus Österreich, der es in die Auswahl schichte über Identität, Freundschaft, Liebe, Angeschafft hat. Richter ließ sich für seine Geschichte von einem wahren Ereignis inspirieren: 2009 erschoss die Polizei einen 14-jährigen Teenager bei einem nächtlichen Einbruch in einen Supermarkt in einem Vorort von Krems. Richter greift vor diesem Hintergrund das Lebensgefühl junger Menschen auf, die in der Peripherie der urbanen Räume Supermärkte und Einkaufszentren als die letzten sozialen Treff- und auch Brennpunkte begreifen. Der 14-jährige Julian und sein Freund Marko geraten so in Konflikt zum angepassten StillStephan Richter (r.) am Set stand, der die Welt der Erwachsenen prägt. Ein Konflikt, der in einer unerwarteten Tragödie endet. erkennung und die Langeweile der Vorstadt“, „Einer von uns“ will auch und vor allem Misagt Richter über seinen Film. „Die erwachsenen lieustudie sein, will Jugendliche mitsamt der in Figuren fungieren dabei meist als systemtreue ihnen schwelenden Perspektivenlosigkeit abErfüllungsgehilfen, die eine spätkapitalistische bilden, ohne ihre Befindlichkeit allzu sehr zu Lüge am Leben erhalten, obwohl sie selbst darpsychologisieren. Es gibt hier keinen doppelin kaum Erfüllung finden. Gerade diese Tatsache ten Boden und keine Hintergründigkeit, denn macht die Geschichte eines unschuldigen Jundas Dasein der Kids spielt sich in einem recht gen, der diesem System sinnlos zum Opfer fällt,
in meinen Augen so unendlich traurig. Menschen sind hier in erster Linie Konsumenten, und lebendig sind scheinbar nur die Jugendlichen und ihre ziellose, aber mitreißende Rebellion.“ Für Richter soll „Einer von uns“ aber auch „ein Stück österreichischen Zeitgeist widerspiegeln“ - jenes Gebiet, in dem sich der rurale und der urbane Raum in seltsamen Auswüchsen von uninspirierten Beton-Shoppingcentern trifft. Warum die Örtlichkeit in dem von Arash T. Riahis „Golden Girl Filmproduktion“ hergestellten „Einer von uns“ so wichtig ist, erläutert der Regisseur so: „Es leitet einen meist ein Bauchgefühl, wenn man beschließt, sich einem Thema für mehrere Jahre zu verschreiben. Natürlich war ich auf der Suche nach einem Blickwinkel, den man noch nicht kennt, und es lag mir fern, den Fall zu benutzen, um ein reines Betroffenheitskino zu erzeugen. Ich wollte eine neue Perspektive auf den Fall entwickeln, der eine Neuinterpretation zulässt und die Möglichkeit bietet, den eigenen Standpunkt zu hinterfragen. So kam mir die Idee, den Supermarkt als Epizentrum, stummen Zeugen und Blickwinkel auf die Welt der Jugendlichen und den Kleinstadtkosmos zu entwickeln“. Schließlich ist „Einer von uns“ auch eine Abrechnung mit der Oberflächlichkeit des Kapitalismus. „Es ist eine Geschichte, in der es nur Verlierer gibt“, sagt Stephan Richter. Nur der Supermarkt ist am Ende der Gewinner. -Matthias Greuling celluloid 6a/2015
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woody allen
Foto: Warner Bros.
irrational man Viennale-Termine: 31.10., 21.00 Uhr, Gartenbau I 2.11., 11.00 Uhr, Gartenbau
Emma stone ist die muse von woody allen. behaupten die anderen. der regisseur selbst interessiert sich privat überhaupt nicht für sie.
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gen er nur zufällig mitgehört hat. Würde dieser Mensch nicht mehr leben, wäre die Welt ein Stückchen besser, ist der Professor überzeugt. Eine gewagte These, der Allen aber einiges abgewinnen kann. Ist ein Mord in manchen Fällen gar zu rechtfertigen, fragen wir ihn. „Natürlich“, sagt Allen entschlossen. „Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Wenn Sie wüssten, dass ein Mann in einer Schule eine Bombe legt, die 500 Kinder töten könnte, und Sie ihn aber im Vorfeld erwischten und ermordeten, würden Sie das dann nicht tun? Man könnte so 500 Leben retten“, sagt Allen. Gedankenexperimente wie dieses hat Allen in seinem Film durchdekliniert. In Joaquin Phoenix hat er jedenfalls den idealen abgewrackten, versoffenen Uniprof gefunden, der sich gegen Affären mit Studentinnen wehrt, dann aber doch mit seiner Lieblingsstudentin (Emma Stone) im Bett landet. Und auch mit Parker Posey. Die neuen Lebensgeister, die der Mord in ihm weckt, ändern sein Leben von Grund auf. „Joaquin war perfekt, weil er auch auf mich selbst so kompliziert und umständlich und völlig fertig wirkte, wie seine Figur zu sein hatte“, sagt Allen. „Er musste gar nicht wirklich spielen, finde ich“. Womit wir wieder bei den lästigen Schauspielern wären. „Ich gebe ihnen kaum Anweisungen. Ich vertraue darauf, dass sie mir geben, was sie können. Und meistens ist für mich was dabei“, lacht er, der im kommenden Dezember 80 Jahre alt wird. „Ich werde Filme machen, solange ich gesund bin. Mein Körper verfällt zusehends, ich habe ein Hörgerät und sehe schlecht“, sagt Allen. „Aber Ideen habe ich noch mehr als genug“. -M. Greuling Foto: Katharina Sartena
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ch weiß eigentlich nicht, worüber ich mit nervös, weil der Schauspieler nervös wird“. Also Schauspielern sprechen sollte“, sagt Woody belässt es Woody Allen bei der Besetzung seiner Allen. Der 79-jährige New Yorker Regisseur Filme meist bei einem kurzen Treffen, das selten hat seinen neuen Film „The Irrational Man“ fertig länger als eine Stunde dauert, erzählt er. „Ich und stellte ihn erstmals im Mai in Cannes vor. Au- habe keine Freunde, die Schauspieler sind. Was ßer Konkurrenz, versteht sich, denn Allen mag sich sollte ich mit ihnen denn reden?“ und seine Arbeit keinem Wettbewerb ausgesetzt Selbst seine „Musen“ Scarlett Johansson oder sehen. Weshalb er sich auch seine mittlerweile drei Emma Stone, die auch im neuen Film dabei ist, Oscars nie persönlich abgeholt hat, sondern bei zählen nicht zu Allens Freundeskreis. „Ich weiß, der Gala stets durch Abwesenheit glänzte. dass Emma Stone eine fantastische SchauspieIn Cannes trifft er uns zum Interview im noblen Hotel Emma Stone mit Woody Allen Martinez an der Croisette, das Interviewzimmer ist beinahe auf arktische Temperaturen herabgekühlt. Gerade noch saß Parker Posey im Interviewraum und lässt sich bei der letzten Frage zu ihrer Mitwirkung in „The Irrational Man“ viel Zeit. Woody Allen steht schon in der Tür und deutet ihr „Raus hier“. Allen ist eloquent in Interviews, aber auch er will diesen Interview-Marathon möglichst schnell hinter sich bringen, wie alle hier. Parker Posey nimmt den harschen Auftritt ihres Regisseurs gelassen, denn sie weiß: Allen hat eigentlich kein allzu lerin ist. Sie macht vor der Kamera immer alles großes Interesse an Schauspielern. Was er auch richtig, wieso sollte ich ihr dann Anweisungen im Interview mit celluloid deutlich macht. geben? Ich verzichte meistens komplett darauf“, „Schauspieler brauchen immer eine Ansprasagt Allen. „Und privat sehe ich wirklich keinen che, wollen einen kennen lernen, mit einem reGrund, Emma zum Essen auszuführen“. den, aber ich denke mir: Wozu?,“ fragt Allen. In „The Irrational Man“ erzählt Allen von ei„Ich habe meine Schauspieler bereits genau nem Literaturprofessor, gespielt von Joaquin studiert, kenne vorab all ihre Fähigkeiten und Phoenix, der zwischen Alkohol und Depression weiß, was sie können. Sie müssen bei mir nicht am Leben zu zerbrechen droht, bis er die Idee zum Casting kommen und Texte vortragen. Das hat, all dem Gerede seiner Lieblingsphilosophen ist doch albern. Der Schauspieler wird nervös, endlich Sinn zu verleihen: Er will den tyrannischen weil er Angst hat, zu versagen, und ich werde Ehemann einer Frau ermorden, deren Wehkla-
Thomas McCarthy
spotlight Viennale-Termine: 24.10., 20.30 Uhr, Gartenbau I 27.10., 10.30 Uhr, Gartenbau
Dnem Genre an, das selten geworden ist und
as spannende Drama „Spotlight“ gehört ei-
in Zukunft wohl noch seltener wird: „Spotlight“ singt das Hohelied engagierter Journalisten, die einen großen Skandal aufdecken. In der wahren Geschichte, die dem Film zugrunde liegt, geht es um ein RechercheTeam der US-Zeitung „Boston Globe“, das 2001/02 eine gigantische Affäre um den sexuellen Missbrauch von Kindern durch katholische Geistliche offenlegte. Mehrere Hundert Pfarrer waren in den Fall verwickelt, der schließlich zum Rücktritt von Bernard Francis Law, dem Kardinal der Diözese Boston, führte. Der Film verbeugt sich stilistisch vor dem Meisterwerk des Genres, dem WatergateDrama „Die Unbestechlichen“ mit Robert Redford und Dustin Hoffman. Die Story ist so spannend, dass sie das Publikum mühelos für 127 Minuten im Sessel festschraubt. Alles beginnt mit einem Auftrag des neu-
en Chefredakteurs des Globe (Liev Schreiber): Man möge doch einmal überprüfen, was es mit den stets versickerten Gerüchten um Miss-
brauchsfälle durch Priester auf sich habe. Das „Spotlight“-Team des Zeitung, das sich investigativ um Skandale im Raum Boston kümmert, macht sich an die Arbeit. Michael Keaton, Rachel
McAdams und Mark Ruffalo führen die Truppe an, die zunächst auf eine Mauer des Schweigens stößt. Und die dann bald einem Ring von geistlichen Sexualverbrechern auf die Spur kommt, deren Taten alle erwartete Ausmaße sprengen. Der prächtig gespielte Presse-Thriller zeigt auf mitreißende Art, wie professionelle Journalisten große Geheimnisse aufdecken, die von den Geheimnisträgern mit größter Energie unter den Teppich gekehrt werden. Zugleich ist „Spotlight“ ein melancholischer Schwanengesang auf diese aufwendige Form des Journalismus. Denn durch die globale Medienkrise werden teure Recherche-Teams immer häufiger eingespart. Regisseur Tom McCarthy: „Das Großkapital hat viele Zeitungen in den Boden gefahren. Vor allem im lokalen Bereich geht viel professioneller Journalismus verloren. Für korrupte Leute ist das prima – niemand hat mehr ein Auge auf sie.“ -G. Baumann
JACQUES AUDIARD
DHEEPAN Viennale-Termine: 29.10., 17.30 Uhr, Gartenbau I 31.10., 11.00 Uhr, Gartenbau
DAudiard gewann heuer die Goldene Palme in
Cannes und trifft inhaltlich genau den Nerv der Zeit: In „Dheepan“ geht es um einen Mann (Jesuthasan Antonythasan), der unter falschem Namen, mit einer „falschen“ Frau und „falschen“ Tochter aus Sri Lanka nach Frankreich flüchtet, weil „Familien leichter Asyl gewährt wird“. Auf der Einwanderungsbehörde hilft der Übersetzer Dheepan ebenfalls beim Lügen: Ein Leben ohne Krieg wolle er, sagt Dheepan, vor kurzem selbst noch Tamil-Kämpfer, Folterer, Mörder. Tatsächlich sind es provokante Verschiebungen der Blickwinkel, die diesen Film vor allem in seiner ersten Hälfte sehr bereichern. Dheepan will aus der Scheinfamilie eine echte machen, weil er an sein Recht auf ein gutes Leben glaubt - und gerade in Zeiten der Quota-Diskussion (vor allem auch in Frankreich), wirkt dieser Film wie weiterer Zündstoff. Audiard zeichnet Dheepans Weg in Frankreich zuerst sozialrealistisch, teils semidokumentarisch und mit Raum sogar für Humor. Dheepan und seine kleine „Familie“ kommen in einem Betonblock-Ghetto in einem Pariser Vorort unter, wo Dheepan als Hausmeister arbeiten kann. Erst am Ende stellt Audiard seinen Protagonisten doch noch eine gute Zukunft und eine echte Liebe in Aussicht: Ein grüner Garten in England ist eben für viele schon das Paradies. -K. Verthoer
Foto: Viennale; zVg
as Flüchtlingsdrama „Dheepan“ von Jacques
Für Jacques Audiard (kl. Foto) gab es heuer in Cannes die Goldene Palme für sein hochaktuelles und brisantes Flüchtlingsdrama „Dheepan“
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YORGOS LANTHIMOS
THE LOBSTER
Foto: Viennale
Viennale-Termine: 27.10., 18.00 Uhr, Gartenbau I 3.11., 11.00 Uhr, Gartenbau
In „The Lobster“ geht YORGOS LANTHIMOS auf die Suche nach dem idealen Beziehungspartner.
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Kino zwischen Jux und Ernsthaftigkeit; „Wir haben diesen Film einfach beim Reden entwickelt“, sagt der Regisseur. „Wir sprachen über Beziehungen, Paare und Singles, fanden kleine Szenen, und so entstand Stück für Stück der Film“, so Lanthimos. „Wir zeigen in dem Film das menschliche Bedürfnis, in Beziehungen leben zu wollen, und welchen sozialen Stress es mitbringen kann, dieses Bedürfnis zu stillen. Es ist ein Film über die Liebe und ob sie wirklich echt sein kann“. Dass Lanthimos in der Ausgestaltung seiner Szenen „maßlos übertrieben“ hat, weiß er selbst. „Das ist Absicht, obwohl ich eigentlich kein großer Anhänger von absurden Situationen im Kino bin. Ich wollte aber zeigen, wieviel Absurdität in der von uns gelebten Form der Liebe steckt.“ „The Lobster“ trägt eine gewisse Form von Understatement vor sich her, weshalb skurrile Situationen noch zusätzlich überhöht wirken. Ein bisschen rätselhaft will Lanthimos auch sein, und ein bisschen larmoyant. Denn so richtig glücklich ist in „The Lobster“ niemand – auch die nicht, die sich in Partnerschaften befinden. Manchmal, da ist sich David sicher, ist der Hund doch der beste Freund des Menschen. Auch wenn er mal der eigene Bruder war. -M. Greuling Foto: Katharina Sartena
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ls völlig absurd könnte man Yorgos Lanthiren Singles werden geflüchtete Singles gejagt: mos‘ neue Arbeit „The Lobster“ (dt. „Der Mit Betäubungsgewehren. Jeder erlegte Single Hummer“) bezeichnen, der in Cannes heu- bringt einen zusätzlichen Tag im Hotel, also eine er den Preis für das beste Drehbuch gewann. zusätzliche Chance, einen Partner zu finden. IrDabei ist das englischsprachige Filmdebüt des gendwann wird auch David die Zeit zu knapp, Griechen auch tief- und feinsinnig im Umgang und er reißt aus. Jetzt ist er ein Flüchtling und mit seinem Thema: In einer nicht allzu weit entfernten Zukunft ist das Single-Dasein verboten, und alle Menschen, deren Beziehung gerade gescheitert ist, werden angehalten, in ein speziell dafür vorgesehenes Hotel einzuchecken, wo sie innerhalb von 45 Tagen einen neuen, passenden Partner finden müssen. Gelingt das nicht, so werden sie unumkehrbar in Tiere verwandelt und in die Wildnis entlassen. Immerhin: Welches Tier sie werden, dürfen sie sich selbst aussuchen. „Die meisten nehmen Hunde“, sagt die Hotelchefin einmal. „Deshalb ist die ganze Welt voller Hunde“. Inmitten dieser skurrilen Geschichte findet sich unvermutet David (Colin Farrell) Rachel Weisz und Colin Farrell wieder, der als Mittvierziger nach einer Trennung nun kurz vor der Umwandlung zum Hummer steht. „Ein Hummer deshalb, weil trifft unterwegs auf andere Singles (darunter die 100 Jahre alt werden“, rechtfertigt er seine Léa Seydoux und Rachel Weisz). Doch auch in Wahl. Ins Hotel kommt er mit seinem Hund, der Freiheit, so lernt David schnell, gibt es mehr Reeinmal sein Bruder war. Der wird später eines geln als ihm lieb sind. brutalen Todes sterben. Yorgos Lanthimos‘ skurrile Partnerschafts-5 Bei gemeinsamen Ausflügen mit den ande- Suche ist spitzfindig ausgedachtes Metaphern-
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Guillaume nicloux
Valley of love
Fotos: Katharina Sartena; Viennale
Viennale-Termine: 24.10., 1.00 Uhr, Gartenbau I 4.11., 20.30 Uhr, Gartenbau
Isabelle Huppert und Gérard Depardieu auf den spuren eines toten sohnes in „valley of love“ von guillaume nicloux.
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ie landet man in Frankreich einen Filmhit? Ganz einfach: Man packt Isabelle Huppert und Gérard Depardieu in einen gemeinsamen Film, der in der Wüste spielt. Guillaume Nicloux hat genau das getan und sein Werk „Valley of Love“ getauft. Darin gehen die einstigen Lebenspartner Isabelle und Gérard (Huppert und Depardieu) auf die Suche nach der Lösung eines Rätsels. Ein Brief ihres toten Sohnes lockt sie an einem bestimmten Tag an den heißesten Ort der USA, ins Death Valley, wo der verblichene Sohn laut seinem Brief verspricht, seinen Eltern zu einem bestimmten Zeitpunkt noch einmal zu erscheinen. Zwischen den Elternteilen brechen im Laufe des Films alte Konflikte neu auf, aber es gibt auch Pha-
Huppert und Depardieu in Cannes
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sen der Annäherung. Insgesamt kann „Valley of Love“ wegen seiner unausgegorenen Dramaturgie in dieser Fassung jedoch nicht überzeugen. Immerhin bringt er die größten Namen des französischen Films zusammen vor die Kamera. Bei der Weltpremiere in Cannes im Mai beherrschten Huppert und Depardieu den roten Teppich. Das französische Kino feierte sich selbst, und Cannes muss ihm diese Bühne bieten, auch, wenn mancher Film einmal nicht so gelungen ist. Macht nix, könnte man sagen: Huppert und Depardieu könnten sogar das Telefonbuch überzeugend spielen, und deshalb retten sie „Valley of Love“ ein bisschen vor der Bedeutungslosigkeit. Bemerkenswert ist die neuerliche Zusammenarbeit zwischen Huppert und Depardieu - beide gelten als französische Nationalheiligtümer und würden jeden Film auch alleine tragen. „Ich habe bisher zwei Mal mit Gérard gedreht“, erinnert sich Huppert. „Komisch, dass sich unsere Wege nicht öfter gekreuzt haben. Als wir ‚Going Places’ und ‚Loulou’ (auch bei der Viennale zu sehen, Anm.) drehten, war ich noch ganz jung und nicht sehr lange im Geschäft. Ich hatte ja keine Ahnung, was Gérard für ein verrückter Hund war!“ Nachsatz: „Er ist immer noch ein verrückter Hund“.
Dépardieu, der mit der Annahme der russischen Staatsbürgerschaft und mit Aussagen zu seinem exzessiven Alkoholkonsum immer wieder für Schlagzeilen sorgte, streut Huppert ebenfalls Rosen: „Das Tolle an jemandem wie Isabelle ist, dass man sozusagen mühelos miteinander spielt. Wir schlüpfen über ganz normale Alltagsgespräche in unsere Rollen und reden dann einfach vor der Kamera weiter“, erklärt Depardieu das Arbeitsmodell. Dass Isabelle und Gérard in „Valley of Love“ auch die Rollennamen von Huppert und Depardieu sind und sie im Film zwei berühmte Schauspieler darstellen, ist natürlich beabsichtigt. „Aber wir spielen nicht uns selbst“, erzählt Depardieu. „Immerhin gab uns das die Gelegenheit, die Figuren, die wir spielen, ein bisschen näher an uns heranzulassen“, ergänzt Huppert. Diese Figuren sind Eltern, die ein Kind verloren haben - ein tragischer Umstand, den Depardieu selbst am eigenen Leib durchleiden musste, als sein Sohn Guillaume 2008 an einer akuten Lungenentzündung starb. „Wir haben darüber nicht gesprochen“, sagt Isabelle Huppert. „Aber ich habe gespürt, dass es ihn sehr beschäftigt. Zu dem Bereich seines Denkens hatte ich aber keinen Zugang. Vielleicht wollte er mir auch keinen geben“. Depardieu jedenfalls spricht von einem sehr spirituellen Film. „Ich mache nur mehr solche Projekte“, betont er. „Filme, in denen nichts theoretisiert wird. In denen keine Künstlichkeit mehr herrscht. Viele Regisseure scheitern daran, Wahrhaftigkeit herzustellen, weil sie ihren Schauspielern keinen Raum geben, zu sein, anstatt zu spielen“, sagt der 66-Jährige. „Dabei ist es genau das, was Schauspielen ausmacht: Zu sein.“ -M. Greuling
Charlie Kaufman & Duke johnson
ANOMALISA
Viennale-Termine: 24.10., 20.30 Uhr, Gartenbau I 27.10., 10.30 Uhr, Gartenbau
O„Being John Malkovich“ weltberühmt. Jetzt hat er mit scar-Preisträger Charlie Kaufman wurde als Autor von
Duke Johnson einen Trickfilm in Stop-Motion-Technik gedreht, der definitiv nicht kindertauglich ist. Es geht um Beziehungen, um Trennungen und sehr explizit auch um Sex. „Anomalisa“ begleitet einen erfolgreichen, aber vom Leben schwer gelangweilten Autor von Fachliteratur auf einer Dienstreise. Im Lauf des Trips begegnet dieser Mann, Michael Stone, einer gewissen Lisa, die sein Interesse weckt. So sehr, dass er kurzfristig sogar seine Familie für sie verlassen will. „Anomalisa“ ist ein eigenwilliges und sehr pointiertes Kino-Erlebnis geworden, im typischen, leicht verschrobenen Charlie-Kaufman-Stil. So haben zum Beispiel alle Menschen, denen der Protagonist Michael Stone (gesprochen von David Thewlis) begegnet, die gleiche, monotone männliche Stimme. Nur Lisa klingt zwischendurch weiblich (Stimme: Jennifer Jason Leigh). Zumindest, so lange sie für Stone das Objekt der Begierde ist. Nach dem Verfliegen des Rauschs klingt auch sie wieder wie ein Mann. Fazit: Ein feines Kino-Erlebnis, das ein angemessen großes Publikum finden sollte. -G. Baumann
MARCO BELLOCCHIO
Emin Alper
sangue del mio sangue
ABLUKA
Viennale-Termine: 28.10., 20.30 Uhr, Urania I 30.10., 13.00 Uhr, Gartenbau
Viennale-Termine: 1.11., 18.00 Uhr, Gartenbau I 3.11., 15.30 Uhr, URANIA
SSangue“ (zu
angue Del Mio
deutsch: Blut von meinem Blut) feierte seine Premiere beim Filmfestival Venedig. Regisseur Marco Bellocchio hat eine ziemlich krude Mi„Sangue del mio sangue“ von Marco Bellocchio schung angerührt. In der ersten Halbzeit ist das Drama ein historischer Kostümfilm, der drastisch vorführt, welch schlimme Folgen katholische Bigotterie haben kann, die von unterdrückter Sexualität befeuert wird. Nach dem Selbstmord eines Priesters wird eine junge Frau beschuldigt, den Mann verhext zu haben. Kirchliche Würdenträger foltern sie mit Wasser und Flammen, um ihr das Geständnis zu entlocken, vom Teufel besetzt zu sein. Da der Teufel aber nicht am Werk war und die arme Benedetta auch keine falsche Aussage machen will, gesteht sie gar nix. Und wird von den frommen Männern kurzerhand lebenslänglich eingemauert. Schnitt. Plötzlich sind wir, am selben Orte, im italienischen Bobbio, in der Gegenwart. Ein russischer Oligarch fährt mit dem Ferrari vor und will das Kloster, in dem sich die Schreckenstaten des ersten Teils abspielten, kaufen. Dagegen erhebt ein mysteriöser alter Conte Einspruch, der das Kloster heimlich bewohnt. Er schaltet seine Freunde ein, und jetzt wird der Film endgültig absurd: Man weiß bei diesen Honoratioren nicht recht, ob sie nun Vampire sind oder Steuerhinterzieher oder eine Mischung aus beidem. Jedenfalls wabert das Melodram noch ein wenig dahin, bis jene Mauern, hinter denen einst die junge Benedetta büßen musste, eingerissen werden. Und was geschieht? Die Dame tritt jung und schön wie ehedem (und obendrein nackt) aus dem Verlies hervor, als hätte sie keine volle Stunde darin verbracht. „Sangue Del Mio Sangue“ ist ein schwülstiger, verwirrender Film, den man vielleicht nur verstehen kann, wenn man aus Italien stammt. Ein Melodram mit vielen Rätseln, die ungelöst bleiben. -G. Baumann
Fden Spezialpreis der Jury: Dieser türkische Beitrag ist ein politischer ür Emin Alper gab es beim vergangenen Filmfestival von Venedig
Albtraum aus den tristen Vorstädten von Istanbul. In der dystopischen Geschichte steht ein Häftling namens Kadir im Zentrum der Handlung, der nach langer Haft auf Bewährung entlassen wird. Bedingung: Er muss bei der Müllabfuhr arbeiten, wo er die Bürger auf Terrorverdacht ausspionieren und Metallgegenstände auf Bombenverdacht untersuchen soll. Dummerweise legt ausgerechnet Kadirs jüngerer Bruder Ahmet ein so exzentrisches Verhalten an den Tag, dass er den Verdacht der Müllmanns erregt. „Abluka“ zeichnet ein sehr düsteres Bild von Istanbul und der in der Türkei grassierenden politischen Gewalt. Der Film kann insofern auch als kritisches Statement zur aktuellen politischen Lage in der Türkei gelesen werden. Allerdings verstricken sich die Protagonisten in so groteske Visionen, dass man irgendwann den Faden verliert, wo die Realität endet und der Albtraum beginnt.-G. Baumann
„Abluka“ von Emin Alper
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Fotos: Getty Images; Stadtkino (2)
Janis Joplin
AMY BERG
JANIS: Little girl blue Viennale-Termine: 25.10., 23.00 Uhr, Gartenbau I 28.10., 13.00 Uhr, Gartenbau
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m Kino war „Amy“ ein großer Hit, die Doku über Leben und Musik der großen Sängerin Amy Winehouse. Die Viennale wartet mit einer ähnlich gelungenen Doku über eine andere RockIkone auf, die – so wie Amy Winehouse – nur 27 Jahre alt wurde. „Janis“ widmet sich Janis Joplin. Eine Amy ist auch an „Janis“ beteiligt: Regisseurin Amy Berg. Ihrem Musikfilm gab sie über die kompletten 104 Minuten ein rockendes Fundament. Man hört fast alle Joplin-Hits: Mal live gespielt, mal als Musik aus dem Hintergrund. Dazu gibt’s Interviews mit Bekannten, Verwandten und vielen Musikern – von Janis‘ Geschwistern bis zum legendären CBS-Plattenboss Clive Davis. Da obendrein auch aus Janis‘ ganz frühen Jahren viel Bildmaterial existiert, entsteht ein lebendiges, farbenprächtiges Porträt.
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Die Privatperson Janis Joplin (1943 - 1970) wird als Provinz-Pflanze aus dem trüben Städtchen Port Arthur, Texas, vorgestellt: In ihren Teenager-Jahren litt sie darunter, ein Pummelchen zu sein und freute sich, wenn sie singen konnte (aus ihrem ersten Chor wurde sie freilich rausgeschmissen). 1963, mit 20 Jahren, übersiedelte Janis nach San Francisco. Und von nun an ging es Schlag auf Schlag. Bei Blues-Sessions wurde ihre mächtige Gesangsstimme entdeckt. Drei Jahre später, nach einer kurzen Rückkehr in die texanische Heimat, fand sie mit Big Brother and the Holding Company die Band, mit der sie zum Weltstar wurde. Ab 1969 landete sie dann, mit der Kozmic Blues Band im Hintergrund, endgültig im Rock-Olymp. Aus dem sie am 4. Oktober 1970, dem Tag ihres viel zu frühen Todes, wie-
der vertrieben wurde. „Janis“ ist ein mitreißender Film geworden, der einen immer wieder staunen lässt. Darüber, wie viele Rock-Evergreens Janis Joplin in den wenigen Jahren ihrer Karriere herausbrachte. Wie modern und wie berührend diese Titel auch heute noch wirken. Stimmlich hielt Janis, auch das ist bemerkenswert, ihren ungezügelten, lauten, fast schreienden Stil all die Jahre durch. Für ihren Lebensstil galt das nicht: Janis Joplin wirkte wie die Verkörperung des Slogans Sex & Drugs & Rock’n’Roll. Am Sex und am Rock’n’Roll ist diese Ausnahme-Künstlerin – auch das macht der Film deutlich – nicht gestorben. „Janis“ ist ein kolossal beeindruckendes Porträt einer JahrhundertSängerin. -G. Baumann
Gerald Igor Hauzenberger
LAST SHELTER Viennale-Termine: 24.10., 21.00 Uhr, Stadtkino I 26.10., 18.00 Uhr, Gartenbau
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s gibt wohl kaum einen aktuelleren Film zur Flüchtlingskrise als diesen: „Last Shelter“ von Gerald Igor Hauzenberger forscht tief im Inneren eines seit Jahren schwelenden Konfliktes zwischen Idealzustand und Realpolitik. Hauzenberger begleitet in seiner bei der diesjährigen Viennale zur Uraufführung gelangenden Doku „Last Shelter“ jene Flüchtlinge, die im Dezember 2012 die Wiener Votivkirche besetzt hielten. Junge Afghanen und Pakistani, die damals negative Asylbescheide erhalten hatten, nachdem man sie in einem Schnellverfahren durchgewunken hat, wollten sich nicht damit abfinden, kein Asyl zu erhalten. Die Abschiebung stand ihnen unmittelbar bevor, und das, obwohl sie aus prekären Bedingungen geflüchtet waren: Das Abbrennen von Schulen und Kopfabschneiden durch religiöse Fanatiker haben sie miterlebt, Familienmitglieder sind ermordet worden. Die Geschichte ging monatelang durch sämtliche Medien in ganz Österreich und auch in Europa: Bei Temperaturen weit unter Null mussten die abgewiesenen Flüchtlinge wochenlang ohne Bett und Unterkunft ausharren, traten teilweise sogar in den Hungerstreik, um besser auf ihre desaströse Lage aufmerksam zu machen. Trotz breiter öffentlicher Unterstützung werden einige von ihnen abgeschoben. Ihr Protest führt sie von Traiskirchen quer durch Österreich bis zur ungarischen Grenze, wo 2015 wieder an trennenden Zäunen gearbeitet wird.
Die Forderungen der Protestierenden waren etwa eine Grundversorgung für alle Asylwerber, der volle Zugang zum Arbeitsmarkt und Wohnungsmarkt, sowie uneingeschränkte Bewegungsfreiheit. Auch wurde die grundsätzliche Infragestellung der Dublin-II-Verordnung und die Löschung der Fingerabdrücke gefordert. „Last Shelter“ ist Hauzenbergers „Prelude“ zum aktuellen Massenansturm der Flüchtlinge auf Europa - der Film spürt feinsinnig den Mechanismen nach, die bei immer mehr Menschen zu einer schleichend eingetretenen Ablehnung der Flüchtlinge geführt haben: Es ist - wie so oft - nicht die Ratio, die Entscheidungen trifft, sondern der Bauch - und der ist in einem politisch aufgeheizten Reizklima sehr oft mit Verdauungsbeschwerden beschäftigt. Hauzenberger folgte den Flüchtlingen drei Jahre lang mit seiner Kamera. Seine dokumentarische Arbeit ist mehr als eine Chronologie des Lebens von gescheiterten Hilfesuchenden - „Last Shelter“ wird schnell zu einem zeitlosen Statement über den Kampf um Asyl, über Gerechtigkeit und den Rechtsstaat, über politische Systeme und ihre Bewahrer, über Menschen mit Mut und über Feigheit. Außerdem reflektiert der Film auch die aktuelle Lage in der Flüchtlingsdebatte: Er zeigt, wie hilflos eine hoch entwickelte Gesellschaft sein kann, wenn es darum geht, zwischen Hilfeleistung und vermeintlicher drohender Wohlstandsminderung abwägen zu müssen. „Last Shelter“ wird Teil
Gerald Igor Hauzenberger
des von der Viennale initiierten „Internationalfeiertags“ am 26. Oktober sein. Den gesamten Festivaltag hindurch beschäftigt sich ein Filmprogramm mit den Themen Flucht, Migration, Vertreibung und Fremde. „Last Shelter“ wird in Anwesenheit des Filmteams um 18 Uhr seine Premiere feiern. -P. Heger
Flüchtlinge in der Wiener Votivkirche 2012
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weitere viennale-tipps Kreise und hebeln die Justiz aus. Wer wie Christian nicht mitspielen und den Sumpf trockenlegen will, wird quasi für vogelfrei erklärt. Man überwacht ihn, ignoriert seine Privatsphäre, denunziert ihn öffentlich, stellt ihn schließlich kalt, nicht ohne ihn weiterhin zu bedrohen. 4.11., 15.30, urania 5.11., 21.00, Metro - Historischer saal
lu bian ye can
(Regie: gan bi) Der wohl schönste und formal spannendste Film dieses Jahres ist: „Lu bian ye can“ von Bi Gan, ein Vexierspiel auf der Zeitebene, in wunderbar verschrobenen Bildern erzählt. Ein Mann auf der Suche nach (s)einer verlorenen Zeit, aber das erschliesst sich erst gegen Ende des Films, denn zunächst nimmt man die einzelnen Szenen für elliptische Erzählbögen, die sich zeitlich dennoch in einer Vorwärtsbewegung befinden. Der Mann bei seiner Arbeit als Arzt, der Mann beim Spielen mit seinem Neffen, beim Erzählen, und dann auf der Suche nach dem Neffen, kleine Fragmente seiner Geschichte werden in beiläufigen Dialogen eingeflochten, aber erst am Ende ergeben sie einen Sinn. Es wird viel mit Spiegeln und Schatten erzählt, statt einer Auflösung in Totale und Naheinstellungen verschieben sich Blickwinkel durch in Spiegeln auftauchende Gesichter, Objekte; das ist keinesfalls manieriert oder übertrieben, sondern erscheint ganz organisch aus den Szenen heraus. Der einzige Moment im Film, in dem die Zeit sicher chronologisch und ununterbrochen läuft, ist in einer sehr langen, durchgedrehten Szene, in der die Kamera erst dem Protagonisten folgt, dann abschweift, andere Figuren aufnimmt, weiterschlendert, um am Ende durch die gleiche Gasse, durch die sie gekommen ist, wieder aus der Szene zu verschwinden. Diese Schlüsselszene entwirrt auch alle vorher angelegten Zweifel, ein Kreis, der einen vorwärts bringt, das ist spannend. 23.10., 15.30, gartenbau 2.11., 13.00, Metro - eric-pleskow-saal
„Der Nachtmahr“
Fotos: Viennale
DER nachtmahr
„Ma dar Behesht“
MA DAR BEHESHT
(Regie: sina ataeian dena) Eine junge Lehrerin aus Teheran arbeitet an einer Grundschule in einem trostlosen Vorort und will in die Hauptstadt versetzt werden: Das ist die Ausgangssituation in Sina Ataeian Denas „Ma dar Behesht“ (Paradise; Iran/D 2015). Doch das stößt auf Schwierigkeiten. Nicht allein, weil die Mühlen der iranischen (Schul-)Bürokratie langsam mahlen, sondern auch, weil man ihr, wie ein den Film einleitendes Gespräch im Off ergibt, die vorgetäuschte Linientreue nicht abnimmt. Zu Recht, denn Hanieh, 25, ist ein Chamäleon. Tagsüber mahnt sie eine Schülerin wegen Verwendens von Nagellack ab und verpetzt sie bei der Schulleitung, abends zieht sie durch Lokale und schert sich nicht um Gebote und Verbote… Die Opportunistin als Prototyp einer Gesellschaft, in der es auf das Durchlavieren ankommt. In Haniehs Gesichtszügen spiegelt sich ein Wechsel aus Teilnahmslosigkeit und Verachtung. Gelebt wird nach Dienstschluss,
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offener Widerspruch ist ein No Go. Denn um Karriere zu machen, muss sich eine wie Hanieh an das Mikado-Prinzip halten: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. There is no way to „Paradise“: Daran lässt Sina Ataeian Denas Sittenbild einer Generation, die dem Gottesstaat nicht traut, sich aber dennoch nicht aus der Deckung hervorwagt, keinen Zweifel. 25.10., 20.30, Urania 29.10., 13.00, Urania
De ce eu?
(Regie: Tudor Giurgiu) Christian, ein junger Staatsanwalt, dem der Ruf der Unbestechlichkeit vorauseilt, wird in „De Ce Eu?“ (RO/BG/HT) mit den Untersuchungen gegen einen älteren Kollegen, welcher der Korruption beschuldigt wird, betraut. Ein großer, bedeutender Fall, der ihn weiterbringen könnte. Doch bald schon merkt Christian, dass er von seinen Vorgesetzten manipuliert wird. Mitten im EU-Land Rumänien ziehen alte Seilschaften ihre
(Regie: akiz) „Der Nachtmahr“ von AKIZ schickt den Zuschauer zunächst in die falsche Richtung; basslastige Musik, dröhnend laut, dunkle Bilder, von einzelnen Lichtfetzen durchbrochen, Teenager, die sich zudröhnen, Dialoge auf einer Party, die fast unhörbar sind, so krachend laut ist die Tonebene, dann abrupte Schreckbilder, ein Mädchen wird überfahren, oder war sie nur ohnmächtig, kurz aufblitzende Fratzen, nichts ist greifbar. Dann Ruhe, ein schwelender Horror, eine Teenager-Horror-Story also. Aber nein! Was wie Horror anfängt mit Schreckeffekten und dunklen Ahnungen, entpuppt sich als eine Geschichte vom Erwachsenwerden, oder eher vom Zu-sich-selber-finden. Zunächst entsetzt von dem golumhaften Wesen, das außer Tina keiner je sieht, entsteht mit der Zeit eine Akzeptanz und schliesslich eine zarte Nähe zwischen Mädchen und Dämon, währenddessen hält ihre gesamte Umgebung sie für zunehmend krank und gestört. Sucht sie Anfangs nach Hilfe vor diesem Wesen, wird sie im Verlauf des Films eins mit ihm, freundet sich mit sich selbst an, nicht mehr abhängig von der Anerkennung von außen. Neben der sensationellen Hauptdarstellerin, Carolyn Genzkow, bestechen das Sounddesign und der Schnitt des Films. 23.10., 23.59, Gartenbau 24.10., 15.30, urania
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Alexander Sokurov
„Francofonia“
FRANCOFONIA
(Regie: Alexander Sokurov) Der Russe Alexander Sokurov legt mit „Francofonia“ eine überaus schlaue, vielschichtige Museums-Doku über den Pariser Louvre zur Zeit der NS-Besetzung von Paris vor. Sokurov zeigte den Film erstmals in Venedig, wo er 2012 einen Goldenen Löwen für seine „Faust“Adaption erhielt. Der Regisseur verdichtet in „Francofonia“ Historie aus einer völlig neuen Sicht: Für 90 Minuten wird die Geschichte ausnahmsweise einmal nicht von den Siegern geschrieben - und Sokurov findet dafür auch visuell eine beeindruckende Form. So ist „Francofonia“ die beeindruckendste Geschichtsstunde der jüngeren Zeit; in cleane Bilder gegossen, folgt sein Porträt des Pariser Louvre zur Zeit der NS-Besatzung keiner Mode, seine Bilder dienen Sokurov der Darstellung von komplexen Zusammenhängen, sind nicht in der Tiefe vielschichtig, sondern in der Ebene des zweidimensional projizierten Filmbildes. Eine visuelle Wucht und ein famos konzipierter Aufklärungsversuch über Geschichte, in der der Filmemacher höchstselbst als Figur auftritt. 27.10., 20.30, Gartenbau 1.11., 11.00, Stadtkino „Heart of a Dog“
Viennale
La Biennale di Venezia
Katharina Sartena
weitere viennale-tipps
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HEART OF A DOG
(Regie: Laurie Anderson) Über Laurie Andersons stimmigen, meditativen Filmessay „Heart of a Dog“ sollte man nicht zuviele Worte verlieren, denn der Film handelt vom Spüren und vom Erfahren. Anderson, die Witwe von Lou Reed, zeigt anhand ihres Hundes die Befindlichkeit sowohl ihres Mannes als auch des traumatisierten Post-9/11-New Yorks auf und verschafft sich so auch ein Ventil für ihre Trauer über den Verlust des Ehemanns. Das Stück von der Reflexion über das Leben ist wie ein wohliger Rauschzustand mit Sogwirkung, eine famos komponierte Bilderflut über ein langsames Absterben von Leben und Hoffnung. 27.10., 20.30, Gartenbau 1.11., 11.00, Stadtkino
Jigeumeun matgo geuttaeneun teullida
(Regie: hong sangsoo) In „Jigeumeun matgo geuttaeneun teullida“ („Right Now, Wrong Then“) vollführt Hong Sangsoo quasi einen doppelten Anlauf, um die älteste Geschichte des Kinos zu erzählen: Boy
Meets Girl. In diesem Fall trifft der bekannte, fiktive Filmemacher Ham Chun-su (Jeong Jae-yeong) auf eine junge Künstlerin namens Yoon Hee-jung (Kim Min-hee), Sie erkennt ihn zunächst nicht, doch beim gemeinsamen Kaffeeplausch und im Gespräch über Kunst kommt man einander näher. Chun-su, bald heillos verliebt, bekommt das Mädchen am Ende aber nicht. Dafür eine zweite Chance: Der Tag beginnt in der Mitte des Films einfach erneut - „Und täglich grüßt das Murmeltier“ auf Koreanisch. „Right Now, Wrong Then“ schlüsselt auf, wie schwer sich Menschen tun, einander kennen und lieben zu lernen - und wie sehr man sich, trotz des ganzen Geredes, doch missverstehen kann. Stilistisch mit seinen typischen Zooms und seinen theatralischen Figurenanordnungen versehen, setzt Hong Sang-soo zu einer stimmigen künstlerischen Auseinandersetzung über die Liebe an. Der Film gewann heuer den Goldenen Leoparden in Locarno. 2.11., 18.00, Gartenbau 5.11., 23.00, Urania
Entertainment
(Regie: Rick Alverson) Out of the desert: Freiwillig ziehen Stand Up-Comedians nicht auf Tournee durch die kalifornische Wüste. Aber der Spaß-Macher in „Entertainment“ hat wohl keine Wahl. Mit wirr in die Stirn gekämmten Haaren und einer Brille, die man in anderen Gesundheitssystemen als den USA als Krankenkassenbrille bezeichnen würde, tingelt er von Lokal zu Lokal, mit den ewiggleichen Witzen über Prominente und Frauen, abgeschmackt, sexistisch, „tief“. Irgendwer hat ihm vor geraumer Zeit vage ein Engagement in Hollywood in Aussicht gestellt… In vielen Clubs und Bars reagiert das Publikum nicht einmal ansatzweise auf die Pointen. Man trinkt und unterhält sich weiter. Einmal greift der Entertainer eine desinteressierte Zuschauerin an, beleidigt sie, wird hinausgeschmissen. Doch das kümmert ihn nicht, er macht weiter, steigt tiefer und tiefer ab - that’s Entertainment… Rick Alverson wirft einen mitleidlosen Blick auf seine Hauptfigur, versucht weder Sympathie noch Verständnis für sie zu erwecken. Ein Egozentriker und Misanthrop, aber auch ein Besessener: So spielt ihn der großartige Gregg Turkington. 24.10., 20.30, URANIA, 25.10., 23.30, Urania
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Österreichisches Kino
als online-Erlebnis Bei Flimmit gibt es über 5000 Filme zur Auswahl. Besonders Fans des österreichischen Films kommen nun auf ihre Kosten.
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ei Flimmit finden die Fans des anspruchsvollen und des unterhaltsamen Austrokinos auf jeden Fall das richtige: Denn die StreamingPlattform ist die erste Anlaufstelle für Filmfans, wenn es um heimisches oder europäisches Kino geht. Die Kollektion „Der Österreichische Film“ hat seit langem einen fixen Platz im FlimmitUniversum. Durch die Zusammenarbeit mit der Agentur Hoanzl kann die Kollektion nun um 15 neue Produktionen erweitert werden, die seit 9. Oktober als Stream und zum Download zur Verfügung stehen. Unter den 15 neuen Titeln sind viele bekannte Dramen dabei. So zum Beispiel „Amour Fou“ – ein vielfach prämierter Film über die Liebe zwischen Heinrich von Kleist und Henriette Vogl – oder der nach einer wahren Begebenheit gedrehte Film „Das Wunder von Kärnten“, der 2013 den renommierten iEmmy gewonnen hat. Auch zu sehen ist das Drama „Oktober – November“ von Götz Spielmann, der 2014 auf der Viennale lief, sowie Ulrich Seidls Kinofilm „Paradies: Glaube“. Aktuelle Zeitgeschichte, etwa die Flüchtlingssituation, steht im Mittelpunkt der Filme „Macondo“ von Sudabeh Mortezai, die über die Flüchtlingssiedlung am Rande Wiens erzählt, und „Little Alien“ von Nina Kusturica, die das tragische Schicksal jugendlicher Flüchtlinge thematisiert. Außerdem neu bei Flimmit: Die radikale Gesellschaftsdoku „Alphabet“ von Erwin Wagenhofer, „Everyday Rebellion“ und „Der Letzte der Ungerechten“, ein Film über überlebende Juden des Holoucaust. Damit nicht genug: Auch ganz aktuelle ös-
terreichische Filme, die gerade noch im Kino liefen, sind beim Flimmit schon abrufbar. Etwa „Gruber geht“ von Marie Kreutzer, nach dem gleichnamigen Roman von Doris Knecht, in dem Manuel Rubey einen krebskranken jungen Mann spielt. Oder „Ich seh Ich seh“, der preisgekrönte Horrorfilm von Veronika Franz und Severin Fiala, der heuer für Österrreich
Flimmit funktioniert auf allen gängigen Plattformen
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PROMOTION; Fotos: Flimmit
„Der Vampir auf der Couch“, zu sehen ab 30.10. auf Flimmit
ins Oscar-Rennen geschickt wird. In „Drei Eier im Glas“ geht das humorvolle Trio Dirk Stermann, Christoph Grisseman und Heinz Strunk nach „Immer nie am Meer“ zusammen in eine schrullige WG. Karl Markovics’ „Superwelt“ mit der grandiosen Ulrike Beimpold und „Der Vampir auf der Couch“ mit Tobias Moretti als Vampir, der sich von Sigmund Freud behandeln lässt, kommen Ende Oktober noch ins Programm hinzu. Ein besonderes Highlight gibt es zum runden Jubiläum „60 Jahre Fernsehen“: Dafür kramt Flimmit aus den Archiven die besten ORF-Serien aus sechs Jahrzehnten hervor und bereitet sie digital neu auf. Entstanden ist daraus die Kollektion „60 Jahre TV“ mit 30 legendären Produktionen, die schon lange auf eine Wiederaufführung gewartet haben. Neu im Programm sind Raritäten wie die symphatische Aussteiger-Saga „Der Sonne entgegen“ mit Erwin Steinhauer, Josef Meinrad und Heinz Petters. Die TV-Legende Alfred Böhm behauptet sich in seiner Paraderolle als „Der Leihopa“ und erlebt in 26 Episoden heitere, nachdenkliche und vor allem lustige Geschichten. Darüber hinaus beweist die Kaufhausfamilie „Wächter“ aus der Hitserie „Wenn das die Nachbarn wüssten“ wieder einmal, wie schnell unter gewissen Umständen aus Fremden Familie werden kann. Für Binge-Watching-Fans bietet die Kollektion mehr als nur ein Highlight: Mit Serien wie „Kottan ermittelt“, „Ein echter Wiener geht nicht unter“, „Kaisermühlen Blues“, „MA 2412“, „Copstories“ und natürlich dem Quotenhit des Jahres, „Vorstadtweiber“, ist man für die nächsten Wochen und Monate bestens versorgt.
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RETROspektive Das Tier und sein Verhältnis zum Menschen lässt sich wunderbar intellektualisieren, wie die ViennaleRetrospektive des Österreichischen Filmmuseums zeigt. In „Animals“ geht es den Kuratoren darum, anhand von 140 ausgesuchten Beispielen zu illustrieren, wieso der Mensch vielleicht nochmals darüber nachdenken sollte, ob er tatsächlich die Bezeichnung „Krone der Schöpfung“ verdient. Mit Filmen wie „Bambi“, „Die Vögel“, „King Kong“, „Godzilla“, „Moby Dick“, oder „Planet der Affen“. Infos: www.filmmuseum.at
Aus
Filmer Paul Poet kuratierte das Spezialprogramm „Fleisch und Blut“ zum Thema Genre-Kino aus Österreich und zeigt, wie wenig aufgearbeitet die Historie des B-Movies hierzulande ist. Mit GenrePerlen wie „Der Killer von Wien“ (Sergio Martino, 1971), „Das Mädchen mit dem Mini“ (Paul Milan, 1964), „Die Wölfin vom Teufelsmoor“ (Helmut Pfandler, 1978) oder „Asphalt“ (Harald Röbbeling, 1951). www.metrokino.at
10 und 10 Filme aus griechenland
zeigt die Viennale in einem Sonderprogramm, das das griechische Filmschaffen zwischen 2005 und 2015 im Spannungsfeld der Krise reflektiert. „Griechenland - noch einmal mit Gefühl“ (Stadtkino und Metro)
DIE 3 kultigsten viennale-events 2015 1 LISTEN TO ERIC Eric Pleskow, 91, seit 1998 Präsident der Viennale, kommt dieses Jahr wieder nach Wien und wird hier nicht nur über seine Flucht 1939 in die USA sprechen, sondern auch über die 14 Oscars, die er dort als Produzent gewann. 25.10., 19 Uhr, Viennale-Zentrale, 1010 Wien, Dominikanerbastei 11 2 Hans Hurch aka DJ ohannes Hans „Johannes“ Hurch, der Langzeitdirektor des Festivals hat keine Musiksammlung, legt an diesem Abend aber trotzdem auf. Nicht tanzbar, eigentlich ein Grund zum Fernbleiben, und doch sollte man das gesehen und gehört haben. 1.11., 21 Uhr, Viennale-Zentrale, 1010 Wien, Dominikanerbastei 11 3 Lusthausfest Nur mit Einladung, aber dafür gibt es ein überfülltes Buffet im noch überfüllteren Lusthausschloss im Prater, bei dem der Sauerstoff schnell sehr knapp wird. Spar dir die Luft zum Kauen. 28.10., 21 Uhr, Lusthaus, 1020 Wien, Freudenau 254
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MANOEL DE OLIVEIRA.
Im Vorjahr gestaltete er noch den Viennale-Trailer, heuer starb der älteste aktive Filmregisseur der Welt im Alter von 106 Jahren. Die Viennale widmet ihm ein von Pedro Costa kuratiertes Tribute, das nicht nur viele von Oliveiras Werken, sondern auch etliche seiner Lieblingsfilme beinhaltet.