celluloid Viennale Sonderheft 2012

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celluloid Sonderausgabe zur Viennale 2012 Ausgabe 5a/2012 - Oktober 2012

gegründet 2000

filmmagazin e zur

ARTIG. NICHT BRAV.

Beilag

mit programm

„Oh Yeah, She performs“ von Mirjam Unger

viennale2012 www.celluloid-filmmagazin.com

Polyfilm

Österreichische filme bei wiens grösstem filmfestival



celluloid Viennale viennale Infos & Tickets: 2012 special www.viennale.at Editorial

Matthias Greuling

Herausgeber & Chefredakteur

Liebe Leser, trotz des Wegfalls der von Ulrich Seidl zurückgezogenen Filme „Paradies: Liebe“ und „Paradies: Glaube“ hat die Viennale in ihrem 50. Jahr eine ganze Reihe hochkarätiger österreichischer Filme im Programm, die wir Ihnen im ersten Teil unserer Sonderausgabe vorstellen möchten. Im zweiten Teil nach dem Spielplan in der Heftmitte finden Sie unsere Viennale-Tipps aus dem internationalen Festivalprogramm. An dieser Stelle möchten wir der Viennale zu Ihrem Jubiläum gratulieren und uns für die langjährige gute Kooperation bedanken! Auf weitere 50 Viennalen!

vorwort

VORWORT

Matthias Greuling Chefredakteur & Herausgeber

celluloid

www.celluloid-filmmagazin.com

Foto: Viennale Tuma

viennale 2012

Hans hurch, direktor der viennale

Termin:

25.10. bis 7.11., Wien Festivalkinos: Urania

Uraniastrasse 1, 1010 Wien Gartenbau

Parkring 12, 1010 Wien Metro

Johannesgasse 4, 1010 Wien Stadtkino

Schwarzenbergplatz 7, 1030 Wien Künstlerhaus

Akademiestraße 13, 1010 Wien Retrospektive: Filmmuseum

Augustinerstrasse 1, 1010 Wien

Tickets: Info & Bestellung: A1 Freeline 0800 664 012 (ab 20.10.) Tickets für die Filme der Viennale sind ab 20. Oktober, 10 Uhr, sowohl an den Viennale-Vorverkaufsstellen Museumsquartier, Schottentor, Gartenbaukino als auch online unter www.viennale.at erhältlich.

VIENNALE ZENTRALE

Die Viennale-Zentrale ist das lebendige Festivalzentrum der Filmschau und wird 2012 erstmals im vorübergehend leer stehenden Gebäude der ehemaligen Unternehmenszentrale der Österreichischen Post in der Postgasse im 1. Bezirk untergebracht sein. Motto: „Jetzt geht hier die Post ab.“

celluloid FILMMAGAZIN Beilage zur Wiener Zeitung, 20.10. 2012. Nummer 5a/2012 Oktober 2012 Sonderausgabe zur Viennale 2012. Herausgeber, Eigentümer und Verleger: Werbeagentur Matthias Greuling für den Verein zur Förderung des österreichischen und des europäischen Films. Chefredakteur: Matthias Greuling. Layout / Repro: Werbeagentur Matthias Greuling. Printed in Austria. Die Beiträge geben in jedem Fall die Meinung der AutorInnen und nicht unbedingt jene der Redaktion wieder. Anschrift: celluloid Filmmagazin, Anningerstrasse 2/1, A-2340 Mödling, Tel: +43/664/462 54 44, Fax: +43/2236/23 240, e-mail: celluloid@gmx.at, Internet: http://www.celluloid-filmmagazin.com Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion und Quellenangabe. © 2012 by Verein zur Förderung des österreichischen und des europäischen Films.

Diese Publikation wird unterstützt von

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as Frühjahr und den Sommer hindurch feierte die Viennale mit einer Vielzahl von Aktivitäten und Projekten das Jubiläum ihres 50-jährigen Bestehens. Und die Feier geht weiter. Jetzt ist es Herbst, jetzt beginnt die Zeit des Festivals selbst, jetzt wird die Ernte eines langen Kinojahres eingeholt. Zum 50. Mal gibt die Viennale ihren höchst spezifischen und akzentuierten Ausblick auf das Kinogeschehen der Welt. Vieles, das allermeiste, was das Festival versammelt hat, wird niemals regulär in unseren Kinos zu sehen sein. Der kommerzielle Kinoalltag gibt nur mehr eine schwache Ahnung davon, was tatsächlich an Formen und Geschichten, Sprachen und Erzählungen im großen, internationalen Filmgeschehen existiert. Und es sind nicht die schwächsten und nebensächlichsten Arbeiten, die unterwegs verloren gehen. Aber die Viennale will mehr, als nur den aktuellen „state of the production“ dokumentieren. Sie will Zusammenhänge herstellen und Verbindungen schaffen, Filmgeschichte verlebendigen und wachsam sein, wohin das Kino der Zukunft geht. Große Persönlichkeiten des Kinos ehren und junge, unbekannte Filmemacher einem größeren Publikum vorstellen. Und sie will vor allem die wunderbare, kollektive Lust am Filme-Sehen wach halten, etwas, das längst keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Dieses Filme-Sehen im dunklen Saal eines Kinos mit anderen, die Erfahrung, allein unter vielen mit einer Welt aus Licht und Ton konfrontiert zu sein. Diese heute geradezu altmodische Vorstellung erhellt wieder etwas ganz und gar Modernes, Eigensinniges, Unverwechselbares. In diesem Sinne ist diese 50. Viennale auch ein großes und besonderes Fest. Ein Fest für das Kino. Ein Fest, das wir mit allen feiern. Wir danken celluloid und all seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, daß sie mit diesem Heft, das Sie in Händen halten, der Viennale und dem Publikum des Festivals ein so schönes und wertvolles Geschenk gemacht haben. Hans Hurch

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filme aus österreich bei der viennale 2012

der glanz des tages

der neue film von tizza covi & rainer frimmel ist eine der stärksten arbeiten im aktuellen heimischen filmschaffen. ein gespräch.

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er Glanz des Tages“ ist Zeugnis dafür, dass von dramaturgischen Konventionen und gängiger TV-Dramaturgie verstellte Charaktere nicht sein müssen, sondern dass die Wirkung authentisch gezeichneter Figuren mehr Sog entfacht, als jeder dramaturgische Kniff: Tizza Covi und Rainer Frimmel erzählen in ihrem neuen Film von einem Schauspieler (Philipp Hochmair als er selbst), in dessen von Textlernen und Theaterproben beherrschtes Leben plötzlich sein Onkel (herausragend: Walter Saabel) tritt, der ihm wieder so etwas wie Lebensnormalität vorzeigt. Das Aufeinandertreffen zweier Welten ist hier als wunderbar unprätentiöse Filmerzählung geglückt: Die Künstlichkeit in der Welt des Schauspielers, der in seinen Texten versinkt, anstatt mit beiden Beinen im Leben zu stehen, wird durch die Anwesenheit seines bodenständigen Onkels, eines einstigen Zirkusartisten, konterkariert. Nicht jeder, der auf einer Bühne besteht, besteht auch im Leben. Es scheint sogar, wie dieser Film zeigt, die Ausnahme zu sein, dass ein Schauspieler ein wirkliches Leben führen kann. Wie schon in ihren Vorgängerfilmen „Babooska“ und „La Pivellina“ arbeiten Covi

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und Frimmel mit großer dokumentarischer Präzision und starkem Hang zu Wirklichkeitsnähe und Natürlichkeit, diesmal aber skizzieren sie in scheinbarer Beiläufigkeit und mit einer unglaublichen authentischen Kraft Lebensentwürfe zwischen Schein und Sein. „Der Glanz des Tages“ feierte seine Weltpremiere im Wettbewerb des Festivals von Locarno, Hauptdarsteller Walter Saabel bekam einen Silbernen Leoparden, für die tatsächlich herausragendste, weil authentischste Schauspieler-Leistung des Festivals. Celluloid sprach mit dem FilmemacherPaar in Locarno. celluloid: In Ihren Filmen kommt immer wieder der Zirkus und seine bunte Wunderwelt vor. Was fasziniert Sie daran? Tizza Covi: Im Zirkus findet man die interessantesten Persönlichkeiten. Hinzu kommt diese Parabel auf das Leben. Man ist auf der Bühne jemand anderer als in Wirklichkeit. Das kann man eins zu eins auf das Leben an sich übertragen, denn man spielt immer jemanden, der man in Wirklichkeit gar nicht ist. Die Gegenwelt des Theaters ist im Grunde nichts anderes als ein Zirkus, vielleicht in

einem größeren oder intellektuelleren Rahmen: Auf der Bühne jemand sein, der man nicht ist. Sie zeigen in Ihrem neuen Film die doch recht einsame Welt von Bühnenkünstlern. Rainer Frimmel: Es geht in „Der Glanz des Tages“ ganz klar um diese Einsamkeit, im Fall von Philipp Hochmair, der sich selbst spielt, um einen sehr bekannten Bühnenschauspieler, der sein Leben in Texten verbringt und auf der Bühne steht. Es war eine Herausforderung für uns, mit Philipp daran zu arbeiten, dass er vor der Kamera sich selbst spielen muss. Mit Laien zu arbeiten, wäre dahingehend leichter, weil sie ihre Persönlichkeit mitbringen. Aber bei einem Bühnenschauspieler ist es schwieriger, seine vielen Ichs auf sein wahres Ich zu reduzieren. Führt mitunter ein trauriges Dasein, wer nur auf der Bühne lebt? Covi: Das kann man so oder so sehen. Es gibt auch tolle Erfolgserlebnisse auf einer Bühne, der allabendliche Applaus zum Beispiel. Das kann ein spannendes Leben sein,

Stadtkino (2); Greuling

Zwischen Lebensfreude und Einsamkeit: Walter Saabel (links) und Philipp Hochmair im famos komponierten „Der Glanz des Tages“ von Tizza Covi und Rainer Frimmel


aber das sind sicher sehr subjektive Erfahrungen, die da mitspielen. Mit den Texten zu leben, das hat sehr positive Dinge. Frimmel: Wir haben Hochmairs soziales Umfeld im Schnitt relativ stark ausgeblendet, um diese Verlorenheit zu dramatisieren. Aber natürlich hat Philipp auch ein ganz normales Alltagsleben. Aber Hochmair sagt im Film: Eigentlich habe ich keine Freunde. Frimmel: Das stimmt schon, denn wenn du immer wieder in einer anderen Stadt spielst und zwischen Hamburg und Wien pendelst, ist das auch schwierig. Wahre Freunde sind in diesem Beruf selten. Durch die Entscheidung, dass Hochmair sich selbst darstellt, bekommt „Der Glanz des Tages“ auch eine Art dokumentarischen Charakter. Covi: Wir sind auch Dokumentaristen, das interessiert uns am meisten. Dennoch ist „Der Glanz des Tages“ ein Spielfilm. Wie genau ist die Geschichte im Vorhinein ausgeschrieben, wieviel ist spontan entstanden? Frimmel: Wir haben stark mit Improvisation gearbeitet und auch die Geschichte hat sich während des Drehs verändert beziehungsweise entwickelt. Es gab nur ein 20-seitiges Skript, auf dessen Basis wir den Film beim Dreh aufgebaut haben. Covi: Man muss auch dazu sagen, dass alle Geschichten in dem Film tatsächlich wahr sind. Viktor ist tatsächlich ein moldawischer Tischler und auch seine Kinder im Film sind seine echten Kinder. Die Auftritte von Hochmair sind wahr, auch, dass er auf der Bühne dieses Blackout hatte, wo er den Text nicht mehr wusste. Das einzige, was nicht wahr ist, ist, dass Walter Saabel der Onkel von Philipp Hochmair ist. Walter Saabel ist in seiner Rolle unglaublich authentisch… Frimmel: Da es seine eigenen Geschichten sind, die er erzählt, ist es für ihn sicherlich schwierig gewesen, soviel persönliches von sich preiszugeben. Aber dafür sind wir ihm unendlich dankbar. Wie haben Sie das Gefühl des Gefangenseins eines Schauspielers in sich selbst eingefangen? Frimmel: Es war schon unser Blick von Außen, aber dass wir das so stark herausgearbeitet haben, ist eine Frage des Schnitts gewesen, um die Einsamkeit und Verlorenheit des Schauspielers abzubilden. Der Film beginnt mit einem Vorhang, der zugeht, und endet mit einem Vorhang der aufgeht. Das bedeutet: Für unseren Schauspieler geht das Leben weiter. Covi: Der Schnitt war wirklich aufwändig, vor allem, weil wir episodisch-fragmentarisch arbeiten. Wenn man nur eine einzige Szene entfernt, bricht das ganze mühsam errichte-

Tizza Covi und Rainer Frimmel beim celluloid-Gespräch in Locarno. Ein Video zum Interview finden Sie unter www.youtube.com/celluloidVideo

te Konstrukt zusammen und der Film funktioniert nicht mehr. Ich habe ein gutes Jahr an diesem fragilen Konstrukt gearbeitet. In der digitalen Welt drehen Sie beide immer noch gerne auf Film. Verkompliziert das Ihre Arbeitsweise nicht, die ja im Wesentlichen aus einem sehr kleinen Team - Ihnen beiden - besteht? Covi: Wir drehten auf Super16mm und hatten am Ende 25 Stunden Material. Wir lieben es nach wie vor, auf Film zu drehen, weil es ein viel konzentrierteres Arbeiten ist und außerdem Farbqualität und –dichte unübertroffen sind. Frimmel: Es kommt unserer Arbeitsweise eher entgegen, auf Film zu drehen. Denn Film ist viel unkomplizierter als Video. Wer bei Video schöne Bilder haben will, muss viel Aufwand treiben. Man sollte meinen, es sei genau anders herum. Frimmel: Ja, aber für unsere Arbeitsweise gilt das nicht. Man könnte natürlich viel Aufwand treiben, mit zahllosen Assistenten und so fort, aber das tun wir nicht. Wir laden das Magazin und drehen. Covi: Wir sind in der Regel auch nur zu zweit beim Dreh, denn Rainer macht neben der Regie auch noch die Kamera selbst. Diesmal hatten wir ein vergleichsweise großes Team, weil es erstmals auch einen Tonmann am Set gab. Aber mehr nicht. Wir kommen aus dem Analogen, und wir können auf diese Weise viel konzentrierter arbeiten. Wie funktioniert die Arbeitsteilung zwischen Ihnen beiden? Frimmel: Es überschneidet sich alles, aber grundsätzlich mache ich Kamera und Tizza die Schnittarbeit. Wir sehen unsere Filme aber als Gemeinschaftsarbeiten, als ein Ganzes.

Inwieweit wären Ihre Filme anders, wenn Sie sie jeweils ohne den anderen machen würden? Covi: Wir sind ein eingespieltes Team, denn normalerweise mache ich den Ton und Rainer die Kamera, und gemeinsam führen wir Regie. Das gibt uns eine enorme Konzentration, auf kein Team schauen zu müssen. Das funktioniert für uns sehr gut. Natürlich würden die Filme ganz anders aussehen, wenn jeder für sich einen Film machen würde, denn es stammt die Hälfte von mir und die Hälfte von ihm. Wir arbeiten deshalb so gut zusammen, weil wir komplett konträre Menschen sind. Wenn wir genau das gleiche wollen würden, könnten wir auch getrennt Filme machen. Daran scheitern auch viele Menschen, die sich denken, ich kann doch nicht hinaus gehen und einfach alleine einen Film machen, denn das ist ja anders als bloß einen Artikel oder ein Buch zu schreiben, wozu man kein Team braucht. Covi: Das stimmt. Diese Arbeitsweise ist eine große Chance. Wir haben das Glück, von der kleinen Filmförderung (im BMUKK, Anm.) unterstützt zu werden, und uns dadurch auch in verschiedenen Projekten ausprobieren zu können. Wir konnten immer etwas Neues wagen. Diese Möglichkeit, frei zu arbeiten, wollen wir uns erhalten. Denn bei einem Filmdreh, bei dem jeder Tag minutiös vorgeplant ist und man Rücksicht auf das Team nehmen muss, wird man unflexibel; da kann man Drehpläne morgens nicht einfach umwerfen. Unsere Filme sind eben anders. Und das ist ja das Schöne am Filmemachen: Dass es so viele unterschiedliche Zugänge dazu gibt.  Interview: Matthias Greuling VIENNALE-TERMIN: 31.10., 18.00, Gartenbau

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celluloid viennale 2012 special

let‘s play>!

VIENNALE-TERMIN: 3.11., 18.00, Künstlerhaus

mirjam unger über ihre neue musikerinnendoku „oh yeah, she performs“

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as geht eigentlich in einer Musikerin vor, bevor sie auf die Bühne tritt? Mit welchen Schwierigkeiten hat eine Künstlerpersönlichkeit zu kämpfen, wenn es ihr nicht um Quote, sondern um Qualität geht, in einem Business, das kreativen Künstlern einen immer kleineren Raum bietet, zugunsten rasch produzierter Einheitsware? Regisseurin Mirjam Unger („Wiens verlorene Töchter“) widmet sich in ihrem neuen Dokumentarfilm „Oh Yeah, She Performs“ vier jungen Frauen, die ihr Lebensglück in der Musik gefunden haben, die aber auch mit den Alltagsproblemen zwischen Proberaum und Mutterschaft fertig werden müssen. Gustav, Clara Luzia, Teresa Rotschopf und Luise Pop heißen die Künstlerinnen, die Unger eineinhalb Jahre mit ihrer Kamera begleitet hat. Die Regisseurin fand einen besonderen Zugang zum Thema: Sie streift unaufdringlich durch die Höhen und Tiefen des Musikgeschäfts, immer auf Augenhöhe mit ihren Protagonistinnen. Ungers Gespür für Musik ist gut sichtbar: Ihre zwei Jahrzehnte währende Radioarbeit hat ihr Feingefühl für Zwischentöne geschärft. „Oh Yeah, She Performs“ ist ein beeindruckendes Zeugnis, wie junge Frauen für die große Leidenschaft ihre Lebens kämpfen: Die Musik. Celluloid traf Mirjam Unger zum Interview über ihren Film.

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celluloid: woher kam der Drang, von weiblichen Musikerinnen zu erzählen? Mirjam Unger: Ich habe mich sehr intensiv mit der österreichischen Musikszene auseinandergesetzt, allein schon aufgrund meiner mittlerweile 20-jährigen Radiotätigkeit. Mir ist dabei aufgefallen, dass es bei den Line-ups auf Konzerten und Festivals immer bloß eine weibliche Band, oder eine DJane gab, und sie wurden alle als Einzelkämpferinnen dargestellt. Dabei gibt es seit gut zehn Jahren eine Art Aufbruchstimmung, gerade bei den weiblichen Musikern. Das hat sicher viel mit den neuen technischen Möglichkeiten zu tun: Jeder kann Musik selber machen, auch zu Hause. Das ist ein internationales Phänomen, das auch immer wieder Thema meiner Radioarbeit war. Was unterscheidet den Zugang ihrer Protagonistinnen zur Musik von jenem ihrer männlichen Kollegen? Der große Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Musiker ist – und das sieht man schön im Film – dass es dann plötzlich Kinder gibt, oder schwangere Sängerinnen, die alles regulierter machen müssen, mit begrenzten Probezeiten, Babysitter-Verhandlungen mit dem Partner – alles Dinge, die mit dem Rock’n’Roll zusammentreffen. Ansonsten arbeiten die Frauen an ihren Mikrofonen genauso hart wie ihre männlichen Kollegen.

Gibt es zwischen den Geschlechtern eine unterschiedliche Definition von Erfolg? Ich glaube, da kann man zwischen Männern und Frauen nicht unterscheiden. Das hängt stark von der eigenen Persönlichkeit ab. Ich habe bei den Performerinnen unterschiedliche Zugänge erlebt: Während die eine lieber von Album zu Album und von Song zu Song ihrer Liebe zur Musik nachgeht und das als Erfolg sieht, ist die andere schon wo angekommen, wo sie von Auftritten ganz gut leben kann. Was gefällt, ist die Offenheit der Protagonisten in Ihrem Film. Ja, besonders bei Clara Luzia, die im Film in einer Großaufnahme ihre Schnittwunden am Unterarm zeigt. Das hat sie gar nicht gestört, denn sie ist ein sehr offener Mensch. Sie ist immer authentisch, egal, ob auf der Bühne, im Studio oder bei Interviews. Sie steht zu sich, die Schnitte an ihrem Arm sind Teil ihrer Biografie. Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit sind, glaube ich, wichtig im Musikerberuf. Was denken Sie über „Pussy Riot“? Als ich hörte, dass sie zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden, habe ich überlegt, ob ich ihnen den Film widmen soll. Denn sie sind als Frauen auf die Barrikaden gestiegen, und haben mit ihren kritischen Texten und ihrer Aktion in der Kirche einen politischen Protest formuliert. Was mit ihnen geschehen ist, ist unfassbar.  Interview: Matthias Greuling


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psychologie mit „the strange case of wilhelm reich“ mit klaus maria brandauer feiert viennale-premiere. wir waren schon beim dreh am set dabei.

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enau genommen tut er wenig bis gar nichts. Sitzt, gekleidet in einen leicht schäbigen schwarzen Anzug und mit einer ledernen Aktentasche unter dem Arm, schweigend und mit steifer Körperhaltung auf der spartanischen Holzbank. Selbst, als der groß gewachsene Mann mit dem gestrengen Blick und dem sterilen weißen Kittel vor ihn tritt, um ihm mit knappen, emotionslosen Worten mitzuteilen, dass sein Traum auf eine Audienz mit dem großen Wissenschafter Albert Einstein geplatzt ist, verzieht er keine Miene. Doch alleine die Art, wie Klaus Maria Brandauer da am Gang des Wiener Instituts für Physik mit einem einzigen Gesichtsausdruck den Zustand seelischer Gebrochenheit, die Tragik eines ganzen, bewegten Lebens vermittelt, führt dazu, dass sämtliche Beobachter der kurzen, beinahe wortlosen Szene fast schon ehrfürchtig den Atem anhalten. Der große Schauspieler dreht an diesem

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KMB

nebelig-trüben Novembertag die letzte Szene des Bio-Pics „The Strange Case of Wilhelm Reich“. Und das ist in mehrerlei Hinsicht herausragend: Denn der Film ist nicht nur Brandauers erstes heimisches Kinoprojekt nach zehn Jahren, sondern auch einer der aufwändigsten österreichischen Kinofilme des Jahres. Regisseur und Drehbuchautor Antonin Svoboda hat sich in seinem erst dritten Langspielfilm (nach „Spiele Leben“ und „Immer nie am Meer“) einer bislang kaum beleuchteten österreichischen Biografie angenommen: Des Lebens des 1897 geborenen Psychiaters und Psychoanalytikers Wilhelm Reich. 1938 vor den Nationalsozialisten in die Vereinigten Staaten geflohen, begründete der Schüler Sigmund Freuds im amerikanischen Bundesstaat Maine seine „Orgon“-Theorie. Die Idee hinter der komplexen Lehre, deren Schriften zu einigen der wichtigsten Leitlinien der 68er-Bewegung werden sollten: Orgon, eine Urkraft, fließt durch jedes Individuum, und führt, erst

einmal belebt, zu Selbstverwirklichung und persönlicher Freiheit. VERBOTENE LEHRE  Reichs Traum, das Individuelle im Menschen zu entfesseln, sowie seine offen zur Schau getragene Ablehnung der amerikanischen Atompolitik des Kalten Krieges, machten den Grenzforscher jedoch zum Feind der erzkonservativen McCarthy-Ära. Mit tragischen Folgen: Seine Lehren wurden verboten, viele seiner Schriften verbrannt, er verhaftet und in einem Schauprozess als medizinischer Scharlatan und als Sympathisant Russlands und des kommunistischen Systems zu zwei Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Das Gefängnis sollte der große Denker, Philosoph und Humanist nicht mehr lebend verlassen: 1957, nur kurz nach Haftantritt, verstarb Wilhelm Reich unter mysteriösen Umständen in seiner Zelle. „Über Reichs Zeit in Österreich und Europa ist verhältnismäßig viel bekannt. Jedoch


nicht über sein Leben in den USA. Das, was dort passiert ist, ist eigentlich Vielen ein Rätsel. In der Geschichte meines Films geht es deshalb auch um Grenzüberschreitungen“, erläutert Antonin Svoboda, der sich bereits 2009 in seiner Dokumentation „Wer hat Angst vor Wilhelm Reich“ mit dem Forscher befasst hat. WALDVIERTEL & MAINE  Gedreht wurde der 3,4 Millionen Euro teure „The Strange Case of Wilhelm Reich“ (Produktion: coop99, Novotny & Novotny) in Südspanien, dem Waldviertel und Wien. Zwar spielen weite Teile des Films in der amerikanischen Wüste und dem Bundesstaat Maine, Reichs zweiter Heimat, doch aufgrund finanzieller Überlegungen entschlossen sich die Produzenten, das Waldviertel zu Maine und Spanien zur mittelamerikanischen Wüste zu machen. Svoboda: „Kompromisse muss man beim Drehen immer eingehen, ohne geht es leider nicht mehr. Aber man kann sehr wohl Prioritäten setzen – und irgendwann gibt es eine Liste, die man für sich abklopfen muss, um zu sehen, was möglich und was unmöglich ist.“ Hinter der Kamera der auf Englisch gedrehten Großproduktion: coop99-Produzent und Bildkünstler Martin Gschlacht („Revanche“, „Atmen“). Svobodas Hauptdarsteller Brandauer kann die Faszination seines Regisseurs nachvollziehen: „Ich will etwas tun für die Menschen, die die Minorität haben. Und da habe ich mich bei Reichs Leben wirklich sehr gut aufgehoben gefühlt. Dabei hat mich nicht in erster Linie der Wissenschafter interessiert, da ich davon zu wenig verstehe. Es war der Künstler Reich, der mein Interesse geweckt hat. Und ein Künstler, das war dieser Mann ganz sicher. Er war von seiner Sache immer mehr überzeugt, je mehr Erfahrung er hatte. Obwohl er prägende und schon damals weltbekannte Lehrer wie Sigmund Freud hatte, ist er schlussendlich doch seinen eigenen Weg gegangen. Ich bin deshalb sehr froh, dass Antonin mich vor ein paar Jahren gefragt hat, ob ich bei seinem Film mitmachen will. Ich habe gleich zugesagt – und ich kann Ihnen versichern, dass das nicht so oft passiert,“ erklärt ein als schwierig verschrieener, am Tag des celluloid-Setvisit jedoch glänzend aufgelegter Brandauer. Wieso hat der Oscar-Nominierte („Jenseits von Afrika“) nach „Jedermanns Fest“ knapp ein Jahrzehnt verstreichen lassen, ehe er sich entschloss, wieder für ein heimisches

Klaus Maria Brandauer mit Julia Jentsch (Bild links) und Birgit Minichmayr (oben), Regisseur Antonin Svoboda (rechts): „Ich will etwas tun für die Menschen, die die Minorität haben. Und da habe ich mich bei Wilhelm Reichs Leben wirklich sehr gut aufgehoben gefühlt“, sagt Brandauer über seine Rolle.

Filmprojekt vor der Kamera zu stehen? „Ich habe zehn Jahre lang keinen Film mehr gemacht, weil Österreich mich nicht gerade mit guten und spannenden Angeboten überschwemmt hat. Das hängt zum einen wohl auch damit zusammen, dass ich als junger Kerl in die Ferne, also nach Amerika, gegangen bin, um Filme zu machen. Zum anderen, und das meine ich jetzt gar nicht eitel, mache ich nur noch Sachen, bei denen ich glaube, dass ich etwas dazu zu sagen habe und auch etwas lernen kann. Das ist nämlich für mich das Entscheidende.“ JENTSCH & MINICHMAYR  Neben Brandauer unter anderem Teil des „The Strange Case of Wilhelm Reich“-Casts: Julia Jentsch („Sophie Scholl – Die letzten Tage“) als Reichs Tochter Eva, Jeanette Hain („Der Vorleser“) als Reichs Ehefrau Ilse und Birgit Minichmayr („Alle anderen“) als Reichs Mitarbeiterin Aurora. „Aurora verrät Reich aus einer Ohnmacht heraus. Aber es spielen viele Faktoren mit, warum man jemanden verrät, der einem sehr nahe steht. Es hat wohl aber auch damit zu tun, dass man oft aus

solchen Situationen nicht mehr raus kommt – obwohl man es eigentlich gerne wollen würde“, so die viel beschäftigte Schauspielerin. Ein weiterer Grund für Minichmayrs Zusage, bei „The Strange Case of Wilhelm Reich“ dabei zu sein: Die besondere Freundschaft zu Klaus Maria Brandauer. War er doch der Lehrer der 34-Jährigen am Max Reinhardt Seminar, gilt als ihr wichtigster Mentor und Berater. „Ich finde es sehr aufregend, mit Klaus zu drehen. Wir haben ja schon sehr viel am Theater miteinander gearbeitet – aber das war dann immer so, dass er als Regisseur unten gesessen ist und ich oben auf der Bühne gestanden bin. Und jetzt ist es endlich so weit, dass wir eine Ebene haben, auf der wir gemeinsam miteinander spielen – das finde ich fantastisch,“ so Minichmayr zu celluloid. Verschmitzter Nachsatz Brandauers: „Und wir haben sogar eine kleine Liebesgeschichte im Film. Ist das für so einen alten Sack wie mich, für solch einen alten Lehrer, nicht etwas Herrliches?“  Sandra Wobrazek VIENNALE-TERMIN: 28.10., 18.00, gartenbau

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im dreieck der gefühle Fotos: Thimfilm

Grenzsoldat Ronnie (Stefan Pohl) findet Gefallen an Jana (Andrea Wenzl) - mit Folgen

VIENNALE-TERMIN: 30.10., 18.00, Gartenbau

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lorian Flickers neuer Film „Grenzgänger“, der bei der Viennale seine Österreich-Premiere feiern wird, basiert auf Karl Schönherrs Stück „Der Weibsteufel“. Das Dreiecksdrama um eine Frau, ihren Mann, einen Schmuggler, und einen jungen Grenzjäger, sorgte in einer Inszenierung von Martin Kusej am Wiener Akademietheater für ausverkaufte Vorstellungen. Weibsteufel-Darstellerin Birgit Minichmayr war es auch, die Florian Flicker auf die Idee einer Verfilmung brachte. „Birgit hat gemeint, dass sich das Stück gut für einen Film eigenen würde. Ich habe gedacht, dass es einfach wäre, den Stoff von Schönherr zu adaptieren – aber dem war nicht so. Der ,Weibsteufel´ spielt vor 100 Jahren, und da waren die Moralvorstellungen ganz andere, als sie es heutzutage sind. Deswegen habe ich schlussendlich auch keinen einzigen Satz aus dem Theaterstück übernommen“, so der Filmemacher, der auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet. In „Grenzgänger“ gibt Andrea Wenzl, die zuletzt in „Die Vaterlosen“ an der Seite von Johannes Krisch überzeugte, jene Frau, die zwischen zwei Männer gerät. Wenzl: „Es geht um die Einsamkeit an diesem entlegenen Ort. Da sind zwei Menschen, und plötzlich wird ihre Existenz durch einen Dritten gestört und durcheinander gebracht. Anders als bei Schönherr ist meine Figur von Beginn an sehr stark, eine selbstbewusste Frau. Dadurch ist es ein heutiger Stoff geworden.“ Flicker transferiert Schönherrs Stoff aus den 1920er Jahren und der archaischen Bergwelt Tirols in eine andere unwirtliche Gegend: in die österreichischen March-Auen an der slowakischen Grenze. Die Geschichte der „dramatic romance“, bei Flicker im Jahr 2001 spielend, ist ein Versteckspiel aus Liebe, Leidenschaft und Verbrechen. In einem

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heruntergekommenen Wirtshaus, nur noch ab und zu von verirrten Wanderern oder gelangweilten Grenzsoldaten des Bundesheeres frequentiert, treffen drei Menschen aufeinander: Der verschrobene Au-Fischer Hans (Andreas Lust), seine Frau Jana (Andrea Wenzl) und der junge Präsenzdiener Ronnie (Stephan Pohl). Der soll Hans, der sich als illegaler Menschenschieber ein finanzielles Zubrot verdient, im Auftrag des Bundesheeres überführen und dem Spiel mit den Hoffnungen Verzweifelter ein für allemal ein Ende bereiten. Doch Hans weiß von Ronnies Plan, und instrumentalisiert seine Frau: Jana soll zum Schein auf die Annäherungsversuche des schüchternen und unbeholfenen Soldaten eingehen und diesen ablenken, damit Hans nachts weiterhin Flüchtlinge aus Osteuropa über die Grenze in den vermeintlich Goldenen Westen führen kann. Wie schon in Schönherrs Vorlage entwickelt sich das Dreiecksverhältnis schnell zum emotionalen Pokerspiel mit unsicherem Ausgang. „Es dreht sich in meinem Film“, so Flicker, „nicht um das Verhältnis Frau

Regisseur Florian Flicker

florian flicker erzählt in „grenzgänger“ eine lose adaption von karl schönherrs „weibsteufel“. – Mann, sondern um jenes zwischen Menschen. Eigentlich ist es viel mehr ein Western: Eine weite, unberührte Landschaft, wortkarge Figuren, bei denen sich alles um Macht, Ohnmacht, Rache und Liebe dreht. Aber auch Würde, die ja ein Thema des Westerns ist, spielt eine große Rolle.“ Den Fischer, dem die Natur vertrauter ist, als die Menschen, gibt „Revanche“-Mime Andreas Lust, der mit Flicker schon in dessen Road Movie „Suzie Washington“ (1998) arbeitete. „Ich bin mit Fischern durch die Au gezogen, habe mir alles über ihren Beruf erklären lassen. Diese Menschen leben tatsächlich noch im Einklang mit der Natur. Das hat etwas sehr Faszinierendes.“ GESTEN & BLICKE  Ähnlich wie schon in Kusejs mehrfach prämierter Theaterinszenierung legt Flicker den Schwerpunkt seines Films mehr auf die Taten seiner Figuren, denn auf deren Worte. „Wir haben beim Drehen vieles gestrichen, die Sätze immer weiter reduziert – bis oftmals minimale Gesten und Blicke schon alles gesagt haben. Aber genau das ist es auch, was zu diesen Menschen passt. Denn ihr Leben wird hauptsächlich durch die Natur und deren Gewalten bestimmt – da ist man mit Worten sparsam“, so Lust. 2006 drehte Flicker seinen letzten Film, die Westernstadt-Dokumentation „No Name City“. Warum hat sich der Regisseur solch eine, selbst für Autorenfilme, lange Zeit genommen, ehe er sich an „Das letzte Haus machte“? „Ich habe in der Zwischenzeit zwei Theaterstücke inszeniert und ein Hörspiel geschrieben. Außerdem war Zeit nötig, um die Idee, das Buch exakt zu entwickeln. Deshalb war es mir umso wichtiger, dass der Film einen speziellen Stil hat, alles bis ins Detail inszeniert ist.“  Sandra Wobrazek


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celluloid viennale 2012 special Olivier Assayas ist gern gesehener Gast bei der Viennale. Schon 2010 präsentierte er im Künstlerhaus seinen Film „Carlos“

VIENNALE-TERMINE: 28.10., 21.00, Gartenbau 1.11., 13.30, Urania

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ieser Film ist wirklich sehr persönlich“, sagt der französische Regisseur Olivier Assayas. „Après Mai“, der beim Filmfestival von Venedig im Wettbewerb zu sehen war, ist die Geschichte von jugendlichen Revoluzzern, die in den 70er Jahren in der Pariser Vorstadt für Unruhe sorgen, Protestplakate malen, Sprayer-Aktionen durchführen und Flugzettel mit politischen Parolen drucken – um gegen bestehende soziale und politische Verhältnisse aufzubegehren. Im Interview spricht der 57-Jährige über seinen Film. celluloid: Monsieur Assayas, inwieweit erzählt „Après Mai“ auch Ihre eigene Jugendgeschichte? Olivier Assayas: Es ist mein persönlichster Film bisher. Aber ich glaube nicht an ein autobiografisches Kino, und nicht alles, was man im Film sieht, ist tatsächlich passiert. Was mir wichtiger war, ist, eine gewisse Stimmung der 70er Jahre, so wie ich sie erlebt habe, einzufangen. Das beginnt ja bei den Drehorten, beim Dekor und den Autos. Auch bei der Kleidung, ja sogar bei den Flugzetteln, die wir damals von Hand druckten. Oder die Plattencover von damals. Das sind alles Dinge, die meine Generation definiert haben. Nach meinem Film „Carlos“ (2010) über den gleichnamigen Terroristen, der ja auch in den 70er Jahren spielt, hatte ich das Gefühl, diese Zeit nicht nur aus politischer, sondern auch aus persönlicher Sicht wiedergeben zu müssen. Das passiert mir häufig bei meinen Filmen: Dass sie sich quasi automatisch ergeben und sich mir aufdrängen.

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der welt

Dabei ist Ihnen wichtig, nicht von der 68er-Generation zu berichten, sondern bewusst von jener Zeit der 70er Jahre, in denen Revolutionen jeder Art gerade bei der Jugend beliebt waren. Genau. Die 70er waren eine Zeit, in denen man so ziemlich alles ausprobiert hat, was möglich ist. Das hat es zuvor und auch danach nie mehr gegeben. Ich schildere die sehr naiven Träume junger Menschen von damals, wie ich auch einer war. Alle erträumten sich eine bessere Welt und dachten, das sie wirklich etwas verändern könnten. Erst in den 80ern wurden sie alle brutal in die Realität zurückgeholt. Gerade auf der optischen Ebene funktioniert „Après Mai“ hervorragend. Die Stimmung ist ganz wunderbar rekonstruiert. Wie gehen Sie dabei vor? Steht das alles bereits im Drehbuch? Nein, gar nicht. Ich bin ein sehr knapp formulierender Drehbuchschreiber. Denn wenn ich da alles reinschreiben würde, was ich mir denke, würde mich das später beim Drehen verrückt machen, geradezu einengen. Ich mag es lieber, wenn ich die Geschichte nach dem Schreiben am Set noch weiterentwickeln kann. Bis zu einem gewissen Grad muss man natürlich vorplanen, wegen der Geldgeber und auch wegen der Schauspieler, die das Drehbuch ja als Arbeitsunterlage brauchen. Aber die visuelle Gestaltung lasse ich mir völlig offen, um den Stoff ständig überarbeiten und verbessern zu können.

Im Film geht es auch um Liebe und sexuelle Erfahrungen, dennoch scheinen diese Dinge anders als noch bei den 68ern eine Nebenrolle zu spielen. Damals in dem Alter fühlte es sich normal an, sich eher politisch oder künstlerisch zu engagieren als emotional. Ich erinnere mich, dass ich stets ein Beobachter der sexuellen Revolution der 60er war. Damals war das „Ich“ in einer Liebesaffäre nicht sehr bedeutend. In heutigen Filmen sind Jugendliche oft fanatisch obsessiv, wenn es um Sex geht; sie sind getrieben von Lust – solche Porträts finde ich grotesk. Die 70er brachten sicher ein Freiheitsdenken in sexueller Hinsicht, vor allem, weil Sex bis dahin kaum diskutiert wurde. Aber im Vordergrund stand nie der Sex, sondern immer die Sache, für die gerade gekämpft wurde. Die eigenen Emotionen waren sicher nicht das Zentrum der  Interview: Matthias Greuling Welt.

Tuma; Polyfilm

olivier assayas im interview über sein autobiografisch gefärbtes revoluzzer-drama „après mai“

sex war nicht das zentrum


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affleck geht auf oscar-kurs VIENNALE-TERMINE: 25.10., 19.30, Gartenbau (Einladung!) 25.10., 23.30, Gartenbau (freier kartenverkauf)

B

en Affleck hat sich gut positioniert. Poleposition könnte man auch sagen. Poleposition für die Oscars. Traditionell kommen im Herbst die Filme ins Kino, die sich Chancen auf die begehrten Goldjungen aus Hollywood machen. Filme, die in Venedig oder Toronto bei den jeweiligen Filmfestspielen ihre Weltpremiere hatten und sich damit eine gute Ausgangsposition erhoffen. Insofern hat Ben Affleck mit seinem neuen Film als Regisseur und Hauptdarsteller wirklich alles richtig gemacht. Aber nicht nur bei der Wahl des Starttermins. „Argo“ heißt der Film, der heuer die Viennale eröffnen wird, nach „Gone Baby Gone“ und „The Town“ seine dritte Regiearbeit. Ein Politthriller zur iranischen Revolution 1979. Als Rahmenhandlung dient ihm die Geiselnahme in der amerikanischen Botschaft in Teheran. Schnell aber verlässt er die Mauern der Botschaft und wechselt das staatliche Hoheitsgebiet. Sechs amerikanische Mitarbeiter konnten entkommen, haben sich im Haus der kanadischen Botschaft versteckt und auf Rettung gewartet. Die kam in Gestalt des CIA-Agenten Tony Mendez und eines auf den ersten Blick hahnebüchenen Rettungsvorschlages. Als Filmteam auf Locationsuche getarnt, sollten die Geflüchteten mit Mendez zusammen das Land verlassen. Vorher musste aber, um dem Ganzen einen realen Touch zu verleihen, eine gefakte Filmproduktion her. Inklusive Produktionsfirma, Drehbuch, Schauspielern, szenischen Lesungen und Werbekampagne – alles in Hollywood. Falls die Iraner die Geschichte

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argo heißt ben afflecks eröffnungsfilm der diesjährigen viennale. die arbeit zählte bereits zu den publikumsmagneten in toronto ‑ ein gutes vorzeichen für die oscars.

nicht glauben und nachforschen. „Argo“ sollte der Film heißen – ein Science-FictionFantasy-Abenteuer mit exotischen Locations – dem Nahen Osten eben. Um diese absurde Idee, die im Übrigen auf einer wahren Begebenheit beruht, strickt Affleck einen spannenden Politthriller und eine Hollywoodsatire zugleich, hochkarätig besetzt mit Alan Arkin, John Goodman, Bryan Cranston und ihm selbst. Für Affleck eine Doppelbelastung, die sich ausgezahlt hat. Nein, er wolle nicht schleimen, aber es sei schon einfacher, wenn man sich beim Regieführen gar nicht erst um die Schauspieler kümmern müsse. Alle seien pünktlich gewesen, gut vorbereitet und hätten Ideen beigetragen, die mitunter besser waren als seine eigenen. Und jetzt bekomme er auch noch die Anerkennung als Regisseur dafür. Besser könne es ja wohl nicht laufen. AFFLECKS UNI-ARBEIT  Für einen Regisseur und Schauspieler wie Affleck überrascht die Wahl des Stoffes auf den ersten Blick. Hat er sich gerade als Schauspieler in der Vergangenheit mit seiner Rollenwahl nicht immer mit Ruhm bekleckert, haben ihm viele ein so komplexes und explosives Thema wie die Politik im Nahen Osten nicht zugetraut. Zu unrecht. „Middle East Studies“ war sein Hauptfach am College, eine gewisse Nähe zum Thema war also gege-

ben. „Als ich das erste Mal von dem Skript gehört habe, habe ich einfach behauptet, ich hätte zu dem Thema promoviert. Klar, ich hab ein paar Hausarbeiten über die iranische Revolution geschrieben, die ich jetzt, mit dem nötigen Abstand und einer gewissen Reife als ziemlichen Müll bezeichnen würde, aber eine Promotion war schon ziemlich weit hergeholt. Ich habe mein Studium ja noch nicht mal abgeschlossen. Aber die Möglichkeit, über das Thema einen Film zu machen, war einfach zu verlockend“ sagt Affleck mit einem Augenzwinkern. Es sei ein Film, auf den er wirklich stolz sei, mit dem er sich identifizieren könne. „Bei meiner Filmographie keine Selbstverständlichkeit.“ Beim Thema Oscar wird er übrigens zögerlich. Er sorge sich im Moment eher darum, dass überhaupt jemand ins Kino kommen will. Echte Menschen – nicht nur Leute aus Hollywood, die über die Insiderwitze lachen. Menschen, die bereit sind, für ihr Ticket zu zahlen. Es ist eine relativ unbegründete Sorge. In Toronto war „Argo“ der Publikumsliebling. Und was das heißt, ist bekannt: „Precious – Das Leben ist kostbar“ ging es so, „Black Swan“, „The Kings Speech“ und „The Artist“. Der Rest könnte damit Geschichte sein. Geschichte, die bei den Oscars am 24. Februar 2013 für Ben Affleck ihr Happy End findet.  Anna Wollner

Warner

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weitere filmtipps zur 50. viennale „Dupa dealuri“ von Cristian Mungiu

um für den Sohn und Auftraggeber an die Lebensversicherung zu gelangen. 27.10., 1.00, Gartenbau 28.10., 16.00, Urania

LEVIATHAN

Wahre Größe, pure Schönheit: Die Doku „Leviathan“ von Lucien Castaing-Taylor und Véréna Paravel beobachtet in fantastischen Bildern unsere Umwelt. 29.10., 23.00, Gartenbau 31.10., 21.00, Urania

„Dupa dealuri“ (Beyond the Hills) des Rumänen Cristian Mungiu (Goldene Palme für „4 Monate, 3 Wochen, 2 Tage“, 2007) zeigt das Leben in einem orthodoxen Kloster in Rumänien als bedrückenden Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung: Die Geschichte, die sich um eine junge Frau dreht, der man den Teufel aus dem Körper treiben will, basiert auf wahren Ereignissen und ist in Rumänien landesweit bekannt. Wie groß der Einfluss der Kirche seit dem Ende des Kommunismus geworden ist, zeigen die Fakten: „Die Orthodoxen haben seither in unserem Land 4000 Kirchen errichtet. Sie sind allgegenwärtig“, sagt Mungiu. „Zum Vergleich: Es gibt in Rumänien gerade einmal 500 Krankenhäuser“. „Beyond the Hills“ ist ein straff und sparsam inszeniertes Drama, das von einer komplexen Mise-en-scène lebt: Hierin die Mechanismen des Glaubens und der Unterdrückung zu entdecken, macht den großen Reiz dieses Films aus. In Cannes wurde „Dupa dealuri“ mit dem Drehbuchpreis und die beiden Hauptdarstellerinnen mit dem Darstellerpreis ausgezeichnet.

Sound mixt. Als er jedoch einen italienischen Horrorfilm vertonen soll, treibt ihn die Story beinahe in den Wahnsinn. 30.10., 21.00, Metro 31.10., 11.00, Metro

DARK HORSE

Todd Solondz‘ „Dark Horse“ erzählt die Geschichte des introvertierten Abe (Jordan Gelber), der für seinen zynischen Vater (Christopher Walken) arbeitet und immer noch daheim lebt. Bald aber lernt er die junge Miranda (Selma Blair) kennen, die ganz ähnlich tickt wie er… 31.10., 16.00, Urania 2.11., 18.00, Gartenbau

DEATH ROW - celluloid-Tipp!

Werner Herzog folgt in dem 3-StundenDokument „Death Row“ etlichen zum Tod verurteilten Häftlingen und führt mit ihnen lange Gespräche. 4.11., 13.30, Künstlerhaus

AI TO MAKOTO

Neues von Takashi Miike: Sein Film „Ai to makoto erzählt eine bunte Musical-Adaption des gleichnamigen Mangas, in der sich zwei junge Menschen aus vollkommen verschiedenen Welten lieben lernen. 30.10., 23.00, Gartenbau

BERBERIAN SOUND STUDIO

Peter Stricklands „Berberian Sound Studio“ erzählt von einem Tonmeister in den 70er Jahren, der für Filme den perfekten

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„Meanwhile“ von US-Kultregisseur Hal Hartley folgt einem Mann durch New York, der den Schlüssel für das Apartment eines Freundes besorgen soll. 27.10., 17.00, Gartenbau 28.10., 11.00, Künstlerhaus 30.10., 6.30 (Frühstücksfilm), Künstlerhaus

MEKONG HOTEL

Neuer Film und künstlerisches Kleinod vom thailändischen Palmengewinner Apichatpong Weerasethakul. Schon mal das Aussprechen seines Namens üben! RAMPART

Ein saufender, drogenabhängiger Cop einer Spezialeinheit, gespielt von Woody Harrelson, findet sich nach einer Prügelattacke mitten in einem riesigen Korruptionsskandal wieder.

A perdre la raison

1.11., 21.00, Künstlerhaus 3.11., 24.00, Künstlerhaus

MEANWHILE

29.10., 13.00, Gartenbau

30.10., 15.00, Künstlerhaus 1.11., 14.30, Gartenbau

Murielle und Mounir heiraten. Ein väterlicher Freund unterstützt sie, doch bald schon will Murielle lieber unabhängig mit ihrem Mann in Marokko leben. Neues Drama von Joachim Lafosse.

„Meanwhile“, Hal Hartley

5.11., 23.00, Gartenbau 6.11., 21.00, Metro

„Jagten“, Thomas Vinterberg JAGTEN - celluloid-Tipp!

In „Jagten“ von Thomas Vinterberg spielt Mads Mikkelsen einen Kindergärtner, der des sexuellen Missbrauchs angeklagt wird - Mikkelsen gewann den Darstellerpreis in Cannes. 6.11., 20.30, Gartenbau 7.11., 23.30, Künstlerhaus

KILLER JOE

„Killer Joe“ von William Friedkin zeigt Matthew McConnaughey als Auftragskiller, der die Mutter eines Kunden erledigen soll,

TABU - celluloid-Tipp!

Neues von Miguel Gomes: Die alte Portugiesin Aurora und ihre kapverdische Haushälterin Santa leben Tür an Tür mit Pilar, deren Lebensinhalt es ist, Gutes zu tun. Was ihr kaum jemand dankt, schon gar nicht die notorisch misstrauische Aurora, die ihren Lebensabend damit verbringt, ihr knapp gewordenes Geld im Casino von Estoril zu verspielen. 3.11., 20.30, Gartenbau 4.11., 11.00, Metro

VOUS N‘AVEZ VUE ENCORE RIEN

„Vous n’avez vue encore rien“ von Altmeister Alain Resnais ist ein feines Stück

Alle Termine und Zeiten ohne Gewähr. Fotos: Viennale

DUPA DEALURI - celluloid-Tipp!


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weitere filmtipps zur 50. viennale stets ungesehen entkommen. Da passiert ein fünftes Verbrechen. 30.10., 21.00, Urania 31.10., 20.30, Gartenbau

THE DEEP BLUE SEA

„Vous n‘avez vue encore rien“, A. Resnais

Kino mit einem französischen All-Star-Cast: Unter anderem wirken in dem in Cannes uraufgeführten Drama des mittlerweile 90jährigen Regisseurs Mathieu Amalric, Lambert Wilson und Michel Piccoli mit.

Terence Davies adaptierte das gleichnamige Theaterstück von Terence Rattigan aus dem Jahre 1952, das die Geschichte der Frau eines Richters erzählt, die eine Affäre mit einem ehemaligen RAF-Piloten eingeht. In den Hauptrollen spielen Rachel Weisz und Tom Hiddleston. 28.10., 13.30, Urania 31.10., 15.30, Gartenbau

26.10., 11.00, Metro 27.10., 18.30, Metro

CAMILLE REDOUBLE

Camille verliebt sich mit 16 in Eric. Bald wird sie schwanger. 25 Jahre später lässt Eric Camille für eine Jüngere sitzen. Am Abend des 31. Dezember landet Camille in ihrer Vergangenheit. Sie ist wieder 16 und trifft auf ihre Eltern, ihre Freunde, ihre Pubertät und natürlich auf Eric. Feinfühlig inszeniert von Noémie Lvovsky. 5.11., 11.00, Künstlerhaus 6.11., 18.00, Gartenbau

CHERCHEZ HORTENSE

Pascal Bonitzers neue Komödie hat Herz und Charme und berichtet von einer Midlife-Crisis: Für Damiens (Jean-Pierre Bacri) ist plötzlich nichts mehr wie es war: Seine Frau (Kristin Scott Thomas) ist Workaholic und der gemeinsame Sohn ist Uni-Professor. So weit, so gut. Aber die Dinge laufen bald aus dem Ruder. 30.10., 21.00, Künstlerhaus 31.10., 13.00, Gartenbau

„O gebo e a sombra“ von Manoel de Oliveira

eines Unglücks: Die 17-jährige Lisa (Anna Paquin) wird Zeugin eines tödlichen Busunfalls und stellt sich die Frage, ob sie eine Mitschuld an den Ereignissen hat. 4.11., 20.30, Gartenbau 7.11., 15.30, Künstlerhaus

MUSEUM HOURS - celluloid-Tipp!

Jem Cohen drehte in Wien diesen Film, in dem es um eine Zufallsbegegnung zwischen einem Museumswärter und einer kanadischen Besucherin geht, die sich in den Räumen des Kunsthistorischen Museums kennen lernen. 5.11., 20.30, Gartenbau

NO - celluloid-Tipp! 1988 führt der chilenische Militärdiktator Augusto Pinochet auf internationalen Druck eine Volksabstimmung durch, die seinem Volk die Frage stellt, ob er weitere acht Jahre im Amt bleiben soll. Die Leader der Opposition engagieren einen jungen, wagemutigen Werber, René Saavedra, um die Gegenkampagne anzuführen. Meisterstück von Pablo Larrain, in der Hauptrolle Gael Garcia Bernal. 29.10., 20.30, Gartenbau 5.11., 23.30, Künstlerhaus

O GEBO E A SOMBRA - celluloid-Tipp!

Man glaubt es kaum: Manoel de Oliveira, der älteste aktive Filmregisseur, hat mit 103 Jahren ein neues Drama gedreht: Der Portugiese versammelt darin Jahrhundertstars wie Claudia Cardinale und Jeanne Moreau vor seiner Kamera. 2.11., 21.00, Künstlerhaus 3.11., 16.00, Metro

MARGARET

Kenneth Lonergan über die Verarbeitung

TONY CURTIS: DRIVEN TO STARDOM

Ian Ayres’ Dokumentarfilm ist eine sehr persönliche und intime Auseinandersetzung mit dem Leben und der Karriere von Tony Curtis (1925-2010) mit vielen Filmausschnitten und Statements zahlloser Weggefährten, von Hugh Hefner über Christine Kaufmann und Harry Belafonte bis hin zu seiner Tochter Jamie Lee Curtis. 31.10., 23.30, Urania 1.11., 21.00, Urania

„Csak a Szel“ von Bence Fliegauf

CSAK A SZEL

Der ungarische Regisseur Bence Fliegauf erzählt von einem Tag im Leben einer ungarischen Roma-Familie vom Tagesanbruch bis in die Nacht. Seit einiger Zeit werden Roma von einer Gruppe von Rassisten verfolgt, die bei nächtlichen Überfällen bisher vier Familien ermordet haben. Die Täter konnten

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Alle Termine und Zeiten ohne Gewähr. Fotos: Viennale

„No“ von Pablo Larrain


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Michael Caine

Fritz Lang spielt sich selbst, in Godards „Le Mépris“ (1963)

MICHAEL CAINE in WIEN Einen echten Weltstar können die Wiener in diesem Jahr bei der Viennale erleben: Niemand geringerer als Michael Caine kommt nämlich zur filmischen Hommage an seine Karriere am 26. 10. nach Wien und wird einige Tage bei der Viennale verbringen. Mehr als 80 Filme hat Caine gedreht, zuletzt war der im Jahr 2000 zum britischen Sir geadelte Schauspieler in „The Dark Knight Rises“ als Bruce Waynes Butler Alfred zu sehen. Caine stammt aus einfachen Verhältnissen, bezeichnet sich gerne als „Prolet mit Hirn und einer Million Dollar“. Viele seiner Rollen haben Legendenstatus erreicht, einige der interessantesten Arbeiten werden in Wien zu sehen sein, darunter „Alfie“ (1965), „Get Carter“ (1971), „Sleuth“ (1971), „Dressed to Kill“ (1980), „Hannah and her Sisters“ (1985) oder „The Quiet American“ (2002). Für Fans lohnt es sich sicher, vor den Kinos auf Autogramme zu warten – Caine hat einen guten Ruf, was seine Beziehung zu den Fans angeht.

VIENNALE-RETROSPEKTIVE: FRITZ LANG Zum 50. Jubiläum widmet die Viennale gemeinsam mit dem Österreichischen Filmmuseum ihre Retrospektive einem großen Sohn der Stadt: Fritz Lang, der 1890 in Wien geboren wurde, zählt heute zum Olymp der Filmgeschichte – auf einer Stufe mit Hitchcock, Chaplin oder Ford. Lang, der 1933 aus Nazi-Deutschland emigrierte, drehte davor bereits (Stummfilm-)Meisterwerke wie „M“ (1931) oder das Sci-Fi-Epos „Metropolis“ (1927). Auch seine „Mabuse“-Filme sind legendär. Die Retro zeigt aber auch Langs großes US-Werk – insgesamt 22 Filme, und damit mehr, als er zuvor in Deutschland gedreht hatte. Lang selbst wirkte auch in einigen Filmen mit, darunter in Jean-Luc Godards „Le Mépris“ (1963, Die Verachtung), in dem er sich selbst spielt – ein wunderbarer Auftritt! Info: 18. Oktober bis 29. November 2012. Österreichisches Filmmuseum, Augustinerstraße 1, 1010 Wien, Tel. 01/533 70 54, www.filmmuseum.at

Fotos: Viennale; António Pedro Ferreira/Expresso

SPECIALS & TRIBUTES

Manuel Mozos

Stimmung im Foyer des Gartenbau-Kinos

„Uchu daikaiju girara“ (JP 1967, K. Nihonmatsu)

Das Fantasma des Kinos Manuel Mozos – Die Entdeckung eines portugiesischen Filmemachers Das portugiesische Kino ist seit vielen Jahren eines der reichsten und vielfältigsten in Europa, ein Kino voller eigenwilliger und ungewöhnlicher Regisseure. Auf Einladung der Viennale hat Miguel Gomes eine Auswahl aus den Arbeiten von Manuel Mozos getroffen und kommentiert. Das filmische Werk des 1959 geborenen Mozos umfasst eine Handvoll Arbeiten zwischen erzählerischem und dokumentarischem Kino, filmische Essays zur Geschichte der portugiesischen Kinematographie ebenso wie über die Stadt Lissabon.

Event of the Day 13 Momente zum Festival-Jubiläum Im Programm der Viennale 2012 wird es an jedem Festivaltag eine ausgewählte Veranstaltung geben, die unter dem Zeichen des 50-Jahre Jubiläums steht. 13 besondere Events zwischen Kinopremiere und Buchpräsentation, Konzert und Gala-Screening, Ausstellung und Filmgespräch. 13 ausgewählte Momente. Abende in Anwesenheit von Viennale-Gästen, Experimente an ungewöhnlichen Orten, Galas im großen Gartenbaukino und Publikum-Events in der neuen Viennale-Zentrale. Detail-Infos ab Mitte Oktober unter www.viennale.at

„Something Different Saw Them First“: Eine kleine Geschichte des Unheimlichen Jörg Buttgereit hat unter dem Titel „Something Different Saw them First“ eine Filmreihe zum Thema Unheimlichkeiten zusammengestellt. „Es ist unsere offenbar unstillbare Lust auf das Außergewöhnliche, das Andere, das Abenteuer jenseits unseres Alltags, die uns immer wieder zum Verhängnis wird. Da ist unser unbändiger Forschungsdrang, die unermüdliche Suche nach dem Wissen, der vermeintlichen Wahrheit, mit der wir das Unglück immer und immer wieder heraufbeschwören. In unserer fortwährenden Ruhelosigkeit sind wir nur zu willig, Grenzen zu überschreiten. Zumindest im Kino“, findet Buttgereit und hat u.a. folgende Filme ausgesucht: „The Thing from Another World“ (1951), „Alien“ (1979), „Deliverance“ (1972) oder „Cannibal Holocaust“ (1979). Es wird gruselig.

Besuchen Sie unseren Video-Channel mit aktuellen Interviews unter www.youtube.com/celluloidVideo 22

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