Lichtspiele Juni 2014

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kino und film im herzen wiens

licht spiele nr. 93 eur 0.5

JUNI 2014

SPECIAL

CANNES: 2014 ALLE STARS

, ALLE F

OTOS

MAMAN UND ICH HIT-COMEDY AUS FRANKREICH programmtipps von apollo, artis, actors, urania und village cinemas wien mitte kino



licht spiele JUNI 2014

URANIA Maman und ich

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Words and Pictures

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Violette

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ACTOR’S studio Boyhood

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VILLAGE CINEMAS WIEN MITTE 6

APOLLO - DAS KINO Transformers: Ära des Untergangs

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Drachenzähmen leicht gemacht 2

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EIN CAFÉ MIT RICHARD LINKLATER

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Linklaters „Boyhood“ startet am 6. juni in den Kinos (Seite 10)

ARTIS international English Cinema in Vienna Kinoinformation Kinoprogramm & Erreichbarkeiten

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Lichtspiele-Chefredakteur

Matthias Greuling

lichtspiele@kabelplus.at

AUF UNSEREM COVER „Maman und ich“ (Filmladen)

Impressum Lichtspiele erscheint elf Mal jährlich wienweit bei Werbeagentur Matthias Greuling, Anningerstrasse 2/1, 2340 Mödling, Österreich. Telefon: +43 664 462 54 44 Fax: +43 2236 23 240 E-mail: lichtspiele@kabelplus.at. Internet http://www.celluloid-filmmagazin. com. VERTRIEB in folgenden Wiener Kinos: Actor’s Studio, Artis International, Urania Kino, Apollo Kino, Village Cinemas Wien Mitte, sowie in 200 Wiener Szenelokalen, traditionsreichen Cafés und Pubs. Herausgeber & Chefredakteur: Matthias Greuling. Grafik & Produktion: Werbeagentur Matthias Greuling. Fotos: Filmverleiher. Printed in Austria. Die Beiträge geben in jedem Fall die Meinung der AutorInnen und nicht unbedingt jene der Redaktion wieder. Grundsätzliche Richtung der Zeitschrift: Lichtspiele informiert über aktuelle Kinofilme und DVD-Releases Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion und Quellenangabe. © 2014 by Werbeagentur Matthias Greuling

Mr. Linklater, was reizte Sie, Ihren Figuren durch mehrere Jahre hindurch zu folgen? Mich hat immer die Frage interessiert, wie es mit den Figuren in meinen Filmen weitergeht, wenn der Film vorbei ist. Das Leben als Fluss zu betrachten, der langsam vor sich hin fließt. Man könnte zu jedem meiner Filme ein Sequel drehen, weil es keine endgültigen Geschichten sind, so wie auch das Leben nicht endgültig ist. Deshalb dachte ich, es wäre eine tolle Aufgabe, einen Film einmal in Echtzeit zu drehen, das heißt, die Personen altern im Film tatsächlich. Wir haben an „Boyhood“ seit 2002 gearbeitet und jedes Jahr einige Tage lang gedreht.

Ist das logistisch nicht sehr aufwändig? Das war ja genau die Herausforderung, denn eigentlich ist so ein Projekt technisch und logistisch unmöglich. Das beginnt schon bei der Finanzierung. Die Produzenten sagten: „Großartige Idee, aber das heißt, wir kriegen unser Geld dann erst in 12 Jahren zurück? Können wir nicht jedes Jahr ein paar Ausschnitte im TV zeigen?“ Ich antwortete: „Nein, das wird ein Kinofilm“. Sie sagten: „Wir sind keine Bank“. Schließlich haben wir sie aber doch überzeugt.

© Katharina Sartena

Words and Pictures


URANIA – Ab 06.06.

muttersöhnchen „Maman und ich“: Eine köstliche komödie aus frankreich

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ungs und Guillaume, zu Tisch!“ – seit Guillaume (Guillaume Gallienne) zurückdenken kann, werden er und seine Brüder mit diesen Worten von der Mutter zum Essen gerufen. Guillaume ist anders als die beiden älteren Söhne der Familie. Sehr zum Missfallen des Vaters interessiert er sich nicht für Sport und andere Jungsdinge. Guillaume ist auf Maman fixiert, die er über alles verehrt und der er jeden Wunsch erfüllen möchte. Und nach zwei Söhnen hätte sie doch so gern ein Mädchen gehabt! Also passt Guillaume die Realität immer mehr ihren Wunschvorstellungen an und schlüpft in die Rolle der Tochter, die Maman nie hatte ... Doch nach einigen Umwegen kommt auch für den heranwachsenden Guillaume die Frage: Wer oder was bin ich eigentlich? Wen darf, wen kann ich lieben? Bin ich schwul, wie Maman glaubt, oder was? Nach einigen komischen Probeläufen auf dem Parcours der sexuellen Möglichkeiten, die ihn nach Spanien, England und Deutschland führen,

wird der junge Mann durch ein himmlisches Zusammentreffen endlich von allen seinen Zweifeln erlöst. Er – aber nicht Maman ...Dieser Mut sollte am Samstag mit einem Bären belohnt werden. Berührend, hinreißend komisch, mit genauer Beobachtungsgabe, großer Wandlungsfähigkeit und selten feinem Humor erzählt der französische Autor, Regisseur und Darsteller Guillaume Gallienne seine eigene Ge-


©Filmladen

schichte vom Erwachsenwerden und der – auch sexuellen – Selbstfindung unter unglaublich komischen Bedingungen. MAMAN UND ICH KINOSTART 06.06., F 2014, REGIE Guillaume Gallienne MIT Guillaume Gallienne, Götz Otto BEZIEHUNGSWEISE NEW YORK KINOSTART 01.05., F 2014, REGIE Cédric Klapisch MIT Romain Duris, Cécile de France, Audrey Tautou

URANIA KINO Uraniastr. 1, 1010 Wien Tel.: 715 82 06


URANIA – AB 13.06. 6I7

Trinker und eiszapfen „Words and pictures“: Drama mit clive owen und juliette binoche


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eine besten Jahre als gefeierter Schriftsteller liegen hinter ihm. Dennoch zehrt Jack Marcus (Clive Owen), der an einem Internat in Neuengland unterrichtet, immer noch von seinem früheren Ruhm. Trinkt allerdings auch vor lauter Frust über seine lethargischen Schüler und nimmt selten ein Blatt vor den Mund. Als wäre sein Leben nicht schon kompliziert genug, taucht plötzlich Dina Delsanto (Juliette Binoche) an der Schule auf. Die Malerin übernimmt den Kunstunterricht und hat wegen ihrer unnahbaren Art im Nu einen Spitznamen weg: Eiszapfen. Fast noch schneller legt sie sich mit Jack an, denn sie ist davon überzeugt, dass die bildende Kunst der Sprache weit überlegen ist. Was Jack natürlich nicht widerspruchslos hinnimmt. Die beiden starten eine lustvolle Privatfehde, in deren Verlauf sie sich verbal so einiges um die Ohren hauen. Doch schließlich treibt Jack es zu weit: Als ihm wegen seiner Trinkerei gekündigt werden soll, tut er etwas Unverzeihliches, um den drohenden Rausschmiss zu verhindern…

© Constantin

WORDS AND PICTURES KINOSTART 13.06., USA 2013, REGIE Fred Schepisi MIT Clive Owen, Juliette Binoche, Valerie Tian

URANIA KINO Uraniastr. 1, 1010 Wien Tel.: 715 82 06


URANIA – AB 27.06.

Eine frau geht ihren weg

© Constantin

„VIOLETTE“: Martin provost inszeniert die geschichte der schriftstellerin violette leduc, gespielt von emmanuelle devos

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erkannt und ungeliebt - so fühlte sich Violette Leduc (Emmanuelle Devos), unehelich geboren. Aber sie hat den Mut, über intimste Gefühle und Erlebnisse zu schreiben - so stark, leidenschaftlich und poetisch wie keine Frau zuvor. 1945 begegnet sie Simone de Beauvoir und überreicht ihr den ersten Roman, der das Verhältnis zur ablehnenden Mutter behandelt. Simone ist hingerissen und beschließt, Violettes Karriere nach Kräften zu fördern. Damit beginnt eine lebenslange tiefe Freundschaft, getragen von Vi-

olettes unbändigem Durst nach Liebe und Selbstbefreiung durchs Schreiben und Simones unerschütterlicher Überzeugung, das Schicksal einer außergewöhnlichen Frau in ihren Händen zu halten ... In sechs traumhaft schön ins Bild gesetzten Kapiteln erzählt Martin Provost („Séraphine“) Violettes Schicksal von den harten Schwarzmarktjahren und unerwiderter Liebe


© Filmladen

zu Männern und Frauen bis zum späten Ruhm und Glück in der Provence. Emmanuelle Devos brilliert mit herber Intensität als Frau, die trotz aller Widerstände ihren Weg geht. Sich ihrer stürmischen Leidenschaft erwehrend hält ihr Sandrine Kiberlain als Simone de Beauvoir selbstlos die Treue. Die Starintellektuelle ermuntert die Unbekannte zum rückhaltlosen Selbstzeugnis und finanziert sie mit

verdeckten Zuwendungen: Violette ist für sie eine einzigartige Stimme des „anderen Geschlechts”. VIOLETTE KINOSTART 27.06., F 2013, REGIE Martin Provost MIT Emmanuelle Devos, Sandrine Kiberlain, Olivier Gourmet

URANIA KINO Uraniastr. 1, 1010 Wien Tel.: 715 82 06


ACTOR‘S STUDIO – AB 06.06.

JUGEND IN ECHTZEIT „Boyhood“: Richard Linklaters famoser film über das erwachsenwerden

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ichard Linklaters Langzeitprojekt „Boyhood“, das er seit 2002 drehte, war der Kritiker- und Publikumsliebling der diesjährigen Berlinale: Linklater gelingt in 164 Minuten ein einnehmendes, berührendes Porträt des Erwachsenwerdens mit all seinen Unwegsamkeiten: Einmal pro Jahr traf er sich mit den immer gleichen Darstellern, um am Film weiterzudrehen - am Ende ergibt sich daraus das Abbild des Heranreifens der zwei Geschwister Mason (Ellar Coltrane) und Samantha (Linklater-Tochter Lorelei), ohne dass man die Darsteller hätte tauschen müssen - ein Erwachsenwerden in Echtzeit, sozusagen. Das Ganze ist verpackt in eine Spielhandlung, die vom Volksschulalter bis zum Abschluss der Highschool reicht mit allen Leiden und Freuden, die das Aufwachsen parat hält. Die erste Liebe, der Streit der geschiedenen Eltern (Patricia Arquette und Ethan Hawke), gemeinsame Wochenendausflüge, die Abnabelung von Zuhause. Linklater beweist viel Fingerspitzengefühl in der Beschreibung der Jugendzeit, und reflektiert zugleich auch die Sicht der Erwachsenen, die sich dem alltäg-

lichen Kampf um Beziehung, Job und Karriere stellen. Das alles wäre natürlich noch kein filmisches Kunststück, sondern zeugt von guter Handwerkskunst in der Koordination und Continuity der Dreh-


© Filmladen

Die Vorfälle an der Fruitvale Station wurden mit Handys mitgefilmt

arbeiten. Trotz der langen Drehzeit mit je einem Jahr Pause dazwischen wirkt „Boyhood“ stilistisch und optisch wie aus einem Guss. Die wahre Leistung dieses stets unterhaltsamen Films ist aber, dass

Linklater ganz nebenbei auch einen Spiegel der US-Gesellschaft mit all ihren Widersprüchen entwirft: Es gibt die typischen All-American Homes, in denen der Großteil der Handlung spielt, mit großen Küchen, großem


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© Katharina Sartena

ACTOR‘S STUDIO – AB 06.06.

Richard Linklater (2.v.l.) mit seinem Cast bei der Berlinale

Garten, eventuell Pool. Es gibt die getrennten Paare, die die Narben ihrer Beziehungen mit neuen Partnern und Stress im Job zu betäuben suchen. Am Wochenende fährt Daddy mit den Kids zum Camping oder geht ins Stadion zu einem Baseball-Spiel. Morgens isst man ErdnussbutterSandwiches, und es ist obligatorisch, dass Mason zum 15. Geburtstag vom Opa ein Gewehr bekommt. Schließlich spielt der Film in Texas. Zwischen diesem scheinbaren Zelebrieren des US-Lebensgefühls fügt Linklater auch politische Töne ein: Er erteilt Bush eine Abfuhr (Masons Vater sagt 2004 zu seinen Kindern: „Wen soll man wählen? Egal, Hauptsache nicht George W. Bush“) und feiert 2008 Obamas Triumph: Gemeinsam mit seinen Kindern platziert Daddy Obama-Schilder in den Vorgärten der Nachbarschaft und

entfernt kurzerhand eines von Konkurrent John McCain. „Boyhood“ zeigt derlei Stimmungsbilder mit einer beiläufigen Leichtigkeit und ist gerade deshalb eines der vielleicht intensivsten Amerika-Porträts seit vielen Jahren. Sein Verdienst ist es, das Lebensgefühl einer Nation, die sich als einzige Weltmacht zementiert sieht, in all seiner Banalität freizulegen und das ganz ohne Ressentiments. Linklater liebt sein Land und hat gerade deshalb einen so ehrlichen Film gemacht.

BOYHOOD KINOSTART 06.06., USA 20022014, REGIE Richard Linklater. MIT Ethan Hawke, Patricia Arquette, Elar Coltrane

Actor‘S STUDIO Tuchlauben 13, 1010 Wien Tel.: 533 52 32


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0 2 CANNES

d vor ort un sie exklusiv en r d fü r zu a s w lle info „Lichtspiele“ stars und a n l. te ia SS ec Ö sp GR lm festiva bringt DIE a en in unsere rina Sarten gewinner-film reuling, Fotos: Katha G ias Text: Matth

Der Sieger: Nuri Bilge Ceylan gewann für sein dreieinhalbstündiges Opus „Winter Sleep“ die Goldene Palme


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Um Thurman kam zum 20-Jahr-Jubiläum von „Pulp Fiction“


festival de cannes 2014

Robert Pattinson spielte in David Cronenbergs neuem Film „Maps to the Stars“

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igentlich hätte es der Abend von Xavier Dolan werden müssen. Der frankokanadische Regisseur, der gerade einmal 25 Jahre alt ist und hier im Wettbewerb mit seinem furiosen Mutter-SohnStück „Mommy“ alle aufrüttelte, hatte schon am roten Teppich vor dem Palais des Festivals publikumswirksam Tränen vergossen, überwältigt vom Zuspruch für sein Werk. Die Tatsache, dass man ihn zur Preisverleihung einlud, konnte eigentlich nur heißen, dass er hier zu den großen Gewinnern zählen würde. Dass Dolan dann doch „nur“ den dritten Preis, den Prix du Jury, aus den Händen von Jury-Präsidentin

Jane Campion erhielt, ist eine herbe Enttäuschung. Besonders, weil er ihn mit dem 83-jährigen Regie-Übermenschen Jean-Luc Godard teilen musste, dessen erster Filmessay in 3D, „Adieu au langage“, ebenfalls im Wettbewerb lief. Godard kam nicht nach Cannes, das ließ Dolan dann viel Raum, sich in einer emotionalen, flammenden Rede für die junge Generation an Filmemachern stark zu machen. Es hätte eigentlich nichts anderes als die Goldene Palme sein dürfen für Dolan. Doch die Palme ging an den türkischen Regisseur Nuri Bilge Ceylan für dessen langsam erzähltes Drama „Winter Sleep“, das ausgiebig


Prix du Jury: Für Xavier Dolan (hier mit seinem Star Suzanne Clément) gab‘s nur den Trostpreis

Ryan Gosling versuchte sich erstmals als Regisseur - allerdings wenig erfolgreich


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Nicole Kidman, mit 46 noch immer faltenfrei, eröffnete das Festival mit „Grace of Monaco“


in uriger Landschaft schwelgt. Ceylan sei „überfällig“ gewesen für den Preis, und das ist offenbar manchmal Kriterium genug. Auch Haneke bekam seine erste Palme nicht für seinen besten Film „Caché“ (2005), sondern für „Das weiße Band“ (2009). Wer aber ist dieser Xavier Dolan? Wie kann der Drittplatzierte es schaffen, trotzdem wie der große Sieger dazustehen (Beispiele aus der Politik gibt es hierfür ja genug)? Um die Stimmung bei diesen 67. Filmfestspielen von Cannes zu verstehen, muss man Dolan verstehen.

Sein Charisma ist ausschlaggebend: Ein junger rotziger Hipster aus Quebec, der zwischen jedem Interview seine bunten Designer-Hemden wechselt und der ungestüme, wilde Filme macht. „Mommy“ ist schon sein fünfter Spielfilm, weil er gerne betont: „Ich weiß nicht, wieviel Lebenszeit mir bleibt, also muss ich hier und jetzt kreativ sein“. Seine Homosexualität war Thema seines Debüts „Ich habe meine Mutter getötet“ (2009), seine Filme verhandeln stets sehr persönliche Themen. Mit „Mommy“ hat er nun den ästhetisch wie erzählerischen Höhepunkt


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Auffallen um jeden Preis: Auf dem roten Teppich z채hlt das schrillste Outfit


Tommy Lee Jones (mit seinem Star Hilary Swank) beeindruckte mit seiner Regiearbeit „The Homesman“

seiner jungen Karriere erreicht. „Mommy“ ist ein mit viel Verve zugespitzter hysterisch-knalliger Reigen von Eklats: Zwischen seinen beiden Hauptfiguren herrscht Dauerkrieg: Der an ADHS leidende 15jährige Steve (Antoine-Olivier Pilon) wird aus dem Internat zurück in die Obhut seiner durchgeknallten Mutter (grandios: Anne Dorval) gegeben; schon beim Einzug ins gemeinsame Zuhause fliegen die Fetzen. Die kraftvollen Bilder in quadratischem Bildformat, die Dolan für dieses Beziehungsdrama findet, verunmöglichen jede Beschreibung: Sie sind eine Wucht, weil sie die Essenz von Emotionen wiedergeben. Wer kann

das sonst noch? Bis zu dem Zeitpunkt, als „Mommy“ in Cannes lief, entpuppte sich die 67. Ausgabe als schnarchfades Sammelsurium von Altherren-Kino: Neue Arbeiten von Ken Loach („Jimmy’s Hall“) und Mike Leigh („Mr. Turner“, Darstellerpreis für Timothy Spall als Maler William Turner) waren zwar anständig gemacht, Innovation sieht aber anders aus. Julianne Moore glänzte hingegen in David Cronenbergs immerhin mystisch-abgründigem „Maps to the Stars“ und erhielt den Preis als beste Schauspielerin. Fragwürdig hingegen die Prämierung von Bennett Miller als bester Regisseur für „Foxcatcher“.


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Luftsprünge machten Juliette Binoche (links) und Chloe Moretz beim Photocall zum Film „Sils Maria“ von Olivier Assayas


Sharon Stone, 56, tauchte zur alljährlichen AmfAr-Gala in Cannes auf

Da zumindest wäre Dolan besser aufgehoben gewesen, wenn es schon nicht für die Palme reichte. In Cannes geht man inzwischen gerne auf Nummer Sicher, zeigt die neuen Filme der eigenen Zöglinge, auch wenn sie bloß durchschnittlich sind. Selbst Godards filmische Phantasien sind schon im Vorfeld Gewohnheit, auch wenn niemand ihren Inhalt versteht. Einzig die Dardenne-Brüder (die schon zwei Palmen haben), legten mit „Deux jours, une nuit“ ein von Marion Cotillard famos interpretiertes Drama rund um die Auswirkungen der Wirtschaftskrise vor. Der Film ging überraschend gänzlich leer aus.

Ebenfalls überraschend: Der „Grand Prix du Jury“ für die italienische Produktion „La Meraviglie“ von Alice Rohrwacher. Dieser Film erzählt von einer kauzigen Familie, die in der Provinz Honig macht und deren Vater sich anfangs weigert, bei einem von Monica Bellucci angepriesenen Wettbewerb für lokale Agrarprodukte mitzumachen. Rohrwachers autobiografische Arbeit ist nicht ohne Fehler, sie feiert geradezu das Imperfekte: Sie drehte auf Film, weil das eine ganz eigene Textur ergibt, die in der digitalen Kinowelt längst verschwunden ist. „La Meraviglie“ will ein „handgemachter“ Film sein, einer, der mindestens ebenso gut


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Julianne Moore wurde als beste Darstellerin ausgezeichnet. In Cronenbergs „Maps to the Stars“ spielt sie einen neurotischen Hollywood-Star


Marion Cotillard gab in „Deux jours, une nuit“ der Brüder Dardenne eine herausragende Performance

Sophia Loren, demnächst 80, war Ehrengast des Festivals


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Eva Longoria ist dank ihres L‘Oréal-Vertrags Stammgast in Cannes

Cate Blanchett zieht am roten Teppich gerne außergewöhnliche Kleider an

schmeckt, wie der handgemachte Honig seiner Protagonisten. Bleibt noch Dolan. Der hat sich sichtlich bemüht, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Am Tag vor der Verleihung hat er im Interview noch lauthals verkündet, er würde die Goldene Palme verdienen. Auch als Signal an eine junge

Generation von Filmschaffenden. Die alten Herren in Cannes sahen das schon bei der Programmierung des Wettbewerbs eindeutig anders. Das ist schade, denn Dolan hat Recht. Doch er wird wiederkommen, wenn es seine Lebenszeit erlaubt. Matthias Greuling, Cannes


Salma Hayek und viele andere Stars hielten dieses Jahr die „#BringBackOurGirls“Tafeln hoch. Hinter Salma versucht Festivalchef Thierry Frémaux die Fotografen anzuleiten


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Quentin Tarantino und Uma Thurman

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Noch mehr Fotos und Texte finden Sie in unserer Online-Coverage des 67. Filmfestivals von Cannes bei unseren Partnermagazinen celluloid & Filmclicks: www.celluloid-filmmagazin.com www.filmclicks.at Alle Fotos: (C) Katharina Sartena www.katharinasartena.com


Die IMAX-Hits im SOMMER

die wiener Kinos apollo und donauplex zeigen brandneue filmhits in bester imax-qualität

TRANSFORMERS: ÄRA DES UNTERGANGS Vier Jahre nach der Schlacht, die in „Transformers 3“ in Chicago stattfand: Autobots und Decepticons, die für die Zerstörung verantwortlich gemacht werden, sind von der Erde verschwunden und für viele nur noch eine beängstigende Erinnerung. Auch Cade Yeager (Mark Wahlberg), ein Erfinder, der mit seiner Tochter zurückgezogen in Texas lebt, weiß nicht, dass einige Wissenschaftler noch immer mit allen Mitteln versuchen, das Geheimnis der Transformers zu ergründen und für das Militär nutzbar zu machen. Zu sehen ab 17.07.

© Fox

© Universal

DRACHENZÄHMEN LEICHT GEMACHT 2 Zurück in die fantastische Welt von Hicks und Ohnezahn - fünf Jahre später, nachdem die beiden die Drachen und Wikinger erfolgreich auf der Insel Berk zusammengeführt haben. Während Astrid, Rotzbakke und der Rest der Gang sich gegenseitig im Drachenrennen (der neuen beliebten Sportart der Insel) herausfordern, fliegen die unzertrennlichen Freunde Hicks und Ohnezahn durch die Lüfte, um neue Welten zu entdecken. Zu sehen ab 24.07.

APOLLO - DAS KINO Gumpendorferstraße 63, 1060 Wien Tel.: 587 96 51


Š Fotos: Fox; Universal; Constantin

ARTIS INTERNATIONAL - ENGLISH CINEMA IN VIENNA

english cinema in vienna

LOCKE JUNE 19

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USA 2014. Directed by Steve Knight. Starring Tom Hardy, Olivia Colman, Ruth Wilson, Andrew Scott, Ben Daniels, Tom Holland Ivan Locke, a dedicated family man and successful construction manager, receives a phone call on the eve of the biggest challenge of his career that sets in motion a series of events that threaten his careful cultivated existence. Trivia: The movie had an unconventional shooting schedule. Tom Hardy filmed his part in 6 days, shooting the movie twice per night as it was filmed in a single take. The other actors were in a hotel room, speaking on the phone with Hardy, who was on location.

BOYHOOD JUNE 6 USA 2014. Directed by Richard Linklater. Starring Ethan Hawke, Elar Coltrane, Patricia Arquette Richard Linklater tells the life of a young man, Mason, from age 5 to age 18, filmed for over more than ten years. ARTIS INTERNATIONAL Schultergasse 5, 1010 Wien Tel.: 535 65 70


kinoprogramm

Das aktuelle Kinoprogramm mit den genauen Beginnzeiten entnehmen Sie bitte cineplexx.at und den Tageszeitungen. Alle Angaben ohne Gewähr. MAMAN UND ICH (Seite 4)

URANIA

AB 06.06.

ACTORS

AB 13.06.

WORDS AND PICTURES (Seite 6)

URANIA + VILLAGE

AB 13.06.

ACTORS

AB 27.06.

VIOLETTE (Seite 8)

URANIA

AB 27.06.

BOYHOOD (Seite 10)

ACTORS

AB 06.06.

TRANSFORMERS: ÄRA DES UNTERGANGS (Seite 29)

APOLLO/DONAUPLEX

AB 17.07.

DRACHENZÄHMEN LEICHT GEMACHT (Seite 29)

APOLLO/DONAUPLEX

AB 24.07.

© Tuma

Next Issue (erscheint anfang JULI 2014)

„Weekend of a Champion“ (Kinostart: 04.07.2014)

Erreichbarkeiten ACTOR’S studio Tuchlauben 13, 1010 Wien, Tel.: 533 52 32 Öffentlich: Linie U1 und U3 bis Stephansplatz H Bus 1A, 2A und 3A APOLLO - DAS KINO Gumpendorferstraße 63, 1060 Wien, Tel.: 587 96 51 Öffentlich: U3 Neubaugasse / U4 Pilgramgasse, Bus 13A, 14A 57A Gumpendorferstr. ARTIS international Schultergasse 5, 1010 Wien, Tel.: 535 65 70 Öffentlich: Linie U1 oder U3 Stephansplatz H Bus 1A, 2A oder 3A Hoher Markt URANIA kino Uraniastraße 1, 1010 Wien, Tel.: 715 82 06 Öffentlich: Linie U1 und U4 Schwedenplatz H Straßenbahn 1, 2, N Julius-Raab-Platz VILLAGE CINEMAS WIEN MITTE Landstraßer Hauptstr. 2a, 1030 Wien, Tel.: 24240-418 Öffentlich: U4/U3 Landstr., Straßenbahn O, S1, S2, S3, S5 - S9, S15, Wien Mitte, Bus 74A.



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