BLUTGLETSCHER Marvin Kren Interview celluloid

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Fotos: Lunafilm

helden

Filmstart: 27.09.13 Ein Gletscher blutet: Die Folge sind reißende Bestien, die es auf die Menschen abgesehen haben

INTERVIEW

Blutende berge BLUTGLETSCHER. Nach „Rammbock“ hat

Marvin Kren einen neuen Horrofilm gedreht, diesmal in den österreichischen Alpen.

M

it „Rammbock“ zeigte Regisseur Marvin Kren sein Talent für die Inszenierung von Horror, mit „Blutgletscher“ setzt er das nun in größerem Maßstab fort: Auf einer Klimaforschungsstation in den Alpen geraten die Wissenschaftler ins Staunen, als aus dem nahe gelegenen schmelzenden Gletscher eine rote Flüssigkeit austritt. Die hat fatale Auswirkungen auf die lokale Tierwelt und stürzt die dort lebenden Menschen ins Chaos: Denn immer mehr Tiere monströsen Ausmaßes tauchen auf, und der Techniker Janek (Gerhard Liebmann) muss sich gegen die Meute verteidigen. Hinzu kommt, dass sich Janek auch noch mit einer komplizierten Liebesgeschichte herumschlagen muss. Marvin Kren gelingt ein famoser AlpenHorrorfilm, der dem Genre durch Setting und Inszenierung neue Seiten abgewinnen kann. Geschickt verwebt Kren in seine blutige Geschichte die über allem thronende Angst der Menschheit vor der Rache der Natur. Wir sprachen mit dem Regisseur über seinen Film. celluloid: Nach Ihrem Debüt „Rammbock“ ist „Blutgletscher“ nun ihr zweiter Horrorfilm. Was gefällt Ihnen an

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diesem Genre, das in den letzten zehn Jahren schon sehr repetitiv geworden ist, und wie schaffen Sie es, ihm neue Aspekte abzugewinnen? MARVIN KREN: Das Horrorgenre hat durch die Filmgeschichte hinweg eigentlich immer gut funktioniert, im Gegensatz zu anderen Genres, die ihre Blütezeiten hatten, aber danach wieder abgeflaut sind, wie etwa der Western oder der Politthriller. Ich glaube, beim Horrorfilm schätzt das Publikum die Grenz-Erfahrungen, die man dabei auf der Leinwand erlebt. Ich selbst pflege einen sehr persönlichen Zugang zu dem Genre, weil ich glaube, dass Filme nur dann gut sind, wenn sie aus einem persönlichen, autorenhaften Zugang heraus entstehen. Bei „Rammbock“ und „Blutgletscher“ habe ich gemeinsam mit Drehbuchautor Benjamin Hessler sehr wohl die äußere Hülle des Genres mit seinem kompletten Regelwerk übernommen, aber im Inneren versuchten wir, sehr persönliche Geschichten zu erzählen und das Genre stellenweise auch zu verlassen. Es ging uns um Kontraste zum Genre, um Hauptfiguren und ihre inneren Kämpfe. Die Hauptfigur in „Blutgletscher“ ist Janek (Gerhard Liebmann), ein von

der Liebe zu Tanja (Edita Malovcic) enttäuschter, eremitisch lebender Einsiedler in den Bergen. Was macht ihn zum Helden der Geschichte und wie passt eine Lovestory zu einem Horrorfilm? Lovestorys gibt es im Horrorgenre immer wieder, einfach, um eine gewisse Nähe und Identifikation des Publikums zu den Figuren herzustellen. Aber ich glaube, die Art und Weise, wie wir diese Lovestory in „Blutgletscher“ inszenieren, ist eher ungewöhnlich. Es geht in dem Film auch um das Thema des menschlichen Zusammenlebens, und ich selbst zähle mich zu den eher melancholischen Typen, die das dramatische Potenzial in schrecklichen Beziehungsgeschichten erkennen. Für Janek ist seine unglückliche Liebessituation schrecklicher, als all die Monster, die draußen wüten. Janek ist von seinem Wesen her eigentlich ein Antiheld. Sehen Sie das auch so? Ich wollte ein bisschen spielerisch mit dem „österreichischen Filmhelden“ umgehen. Wenn man am Land unterwegs ist und in den Gasthäusern die Bauern und Forstarbeiter und Holzfäller sieht, mit ihren von der Natur gezeichneten, ledrigen Gesichtern, dann sieht man, welch großartige Heldenfi-


In Marvin Krens „Blutgletscher“ sind unter anderem Edita Malovcic, Gerhard Liebmann, Adina Vetter und Michael Fuith (v.l.) zu sehen

guren es in Österreich gibt. Nur kommen die in den Filmen nicht vor. Dort sind die Helden meist Raunzer, Loser, impotent. Natürlich ist Janek ein Antiheld, aber er ist sehr potent, hat sehr viel Kraft. Janek, der Alkoholiker, der sich auf den Berg zurückgezogen hat, ist eine gute Parabel für die Welt, die wir zeigen wollten: Er ist weit weg von dem Ort, an dem er eigentlich sein sollte: Drunten im Tal, bei Frau und Kind. Das ist sehr konservativ, aber es zeigt anschaulich, was wir transportieren wollten: Jemand, der sich selbst verlassen hat und sich schrittweise vergiftet. Der Film zeigt apokalyptische Zustände: Ein Berg beginnt zu bluten, aus ihm heraus entwachsen Monster. Es geht um die Rache der Natur am Menschen, der sie zu lange geknechtet hat. Wir wollten mit dem Thema des Films ein kollektives Schuldgefühl mit einem zwinkernden Auge auslösen. Wir reflektieren auf die Zeit, in der wir uns befinden, und in der wir jeden Tag Bilder davon sehen, dass die Welt wohl bald dem Untergang geweiht ist, wenn wir weiterhin so mit ihr umgehen. „Blutgletscher“ ist ein kammerspielartiger Zombiefilm, dessen Motiv, ein blutender Gletscher, als Parabel dafür steht, dass es bergab geht. Für „Rammbock“ hatten Sie damals 200.000 Euro zur Verfügung. Diesmal ist wohl mehr Budget da gewesen? Ja, insgesamt rund zwei Millionen Euro. Produzent Helmut Grasser gefiel unser Motiv des blutenden Gletschers und die Verbindung von Monstern und den Alpen. Die erste Drehbuchfassung, die wir schrieben, hätte leicht 20 Millionen gekostet, also mussten wir mit kreativem Geist daran gehen, den Film trotzdem zu realisieren, ohne unsere Ideen zu verraten. Wir beschlossen, für das erste österreichische Creature Feature den Old-School-

Weg einzuschlagen: „Blutgletscher“ ist eine Verneigung vor den Filmen von John Carpenter, Joe Dante, Jon Landis und auch Ridley Scott. Vieles hier spielt sich in der Imagination des Publikums ab, man sieht die Monster immer nur sehr kurze Zeit, der Rest wird über Soundeffekte und Schnitte gemacht. Was am Ende viel weniger Geld kostet. Exakt. Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht. Ich finde, dass man vielen CGI-Monstern aus US-Filmen ihre Einsen und Nullen förmlich ansieht - das hat nichts Haptisches mehr. Hingegen sind tatsächlich

Marvin Kren (MItte) und sein Filmteam

handgemachte Monster viel authentischer. Und die Spannung steigt, je sparsamer man sie einsetzt. Sie haben aber auch humorige Szenen in „Blutgletscher“. Wie passt das zusammen: Humor und Horror? Es gibt zwei Arten von Humor im Horrorfilm. Die erste ist die Groteske. Das schlimmste Beispiel dazu ist „Scary Movie“, ein etwas gelungeneres „Shawn of the Dead“. Hier steht die Prämisse im Mittelpunkt, das Monster niemals ernst zu nehmen. Die zweite Art

ist jene, die wir versucht haben: Man etabliert eine phantastische Welt und nimmt sie auch zu 100 Prozent ernst. Da drin kann man dann mit Behutsamkeit eine humorvolle Bombe platzen lassen Vieles davon funktioniert auch über die Sprache, den Dialekt. Das ist für uns ganz wesentlich gewesen: Österreich hat zwar tolle Kulissen für Horrorfilme, weil die Natur so beeindruckend ist. Entscheidend ist aber, wie man mit dem Lokalkolorit umgeht. Ich glaube, österreichische Regisseure haben generell ein gutes Feeling für das eigene Land und die Leute. Aus der eigenen Kultur eines Landes heraus fiktionale Stoffe zu erzählen, ist extrem spannend. Unser Ziel war es, österreichische Atmosphäre mit den amerikanisch geprägten Regeln des Genres zu kombinieren. Ich finde zum Beispiel, dass etliche deutsche Kollegen das nicht so gut hinkriegen, weil sie sich zu sehr am US-Regelwerk orientieren und keine lokalen Eigenheiten zulassen. Das fängt schon bei der Sprache an: Dieses Filmdeutsch, das viel zu glatt klingt. Sie bereiten in Hamburg gerade Ihren ersten „Tatort“ vor. Auch da gibt es wohl ein strenges inszenatorisches Regelwerk. Fühlen Sie sich da als Regisseur im Korsett der TV-Regeln nicht unfrei? Es stimmt, man bewegt sich in abgesteckten Grenzen, aber trotzdem hat man mich engagiert, weil man meine beiden Filme gut fand. Grundsätzlich ist das Arbeiten mit Regeln belastend, aber ich bin gar nicht dagegen. Es kann sehr gewinnbringend sein für den kreativen Prozess, weil man mit Grenzen arbeiten muss und diese durch die eigene Kreativität durchbrechen kann. Das ist viel fordernder, als einen Film ohne Limits aus dem Nichts zu  Interview: Matthias Greuling stampfen.

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