Am Set: Malkovich Meets Mozart

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am set

Regisseur Michael Sturminger und Schauspielerin Victoria Guerra

Malkovich Meets MOZART DREHORT LISSABON:

Der österreichische Spielfilm „The Giacomo Variations“ erzählt vom Leben Giacomo Casanovas. In der Hauptrolle: John Malkovich. 34

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theater-Projekt „The Infernal Comedy“ hatte Sturminger den Text für Hauptdarsteller und Regisseur Malkovich geschrieben. Der war davon so begeistert, dass er 2009 einer europäischen Neuinszenierung im Wiener Ronacher zustimmte. In Folge wurde das Stück über den österreichischen Serienmörder Jack Unterweger in mehr als 40 Städten vor 100.000 Zusehern aufgeführt. 2011 folgte das nächste Projekt, erneut mit Malkovich in der Hauptrolle: Auch „The Giacomo Variations“ war ein Kassenschlager. Die Mozart/DaPonte/Casanova-Oper wurde unter anderem in Sidney, Versailles, Montreal und New York aufgeführt. Warum jetzt auch noch eine Leinwandadaption? Michael Sturminger: „Der Produzent Paulo Branco wollte einen neuen Kinofilm machen. Und er war von dem Thema und unserem Theaterstück so angetan, dass er es auf der Leinwand sehen wollte“.

John Malkovich im Theaterstück „The Giacomo Variations“

500 Statisten, das 35 Künstler umfassende Wiener Akademie Orchester, zahlreiche Opernstars und mittendrin John Malkovich, der in einer Theatervorstellung auf offener Bühne zusammenbricht und von einem Arzt versorgt wird. Als ihn dieser zur Ader lassen will, schießt ihm der Schauspieler beinahe das Ohr ab. Freilich, nichts davon ist Realität, alles nur (schöner) auf Zelluloid gebannter Schein. Jene Szene, die an diesem heißen Augusttag inmitten des Lissaboners Opernhauses Teatro Nacional gedreht wird, sie ist im wahrsten Sinn des Wortes eine große Oper. Dafür verantwortlich: ein Österreicher. Nämlich Theater- und Filmregisseur Michael Sturminger, der mit „The Giacomo Variations“ nach „Hurensohn“ (2004) und mehreren Dokumentarfilmen („Zur Lage“, „Malibran Rediscovered“) gerade seinen zweiten Kinospielfilm dreht. Inhalt des starbesetzten Streifens, der großteils in der portugiesischen Hauptstadt gedreht wird: Giacomo Casanova und sein Leben. Die Handlung ist zweigeteilt: So spielt der Film zum einen im Jahr 2013 in der Lissaboner Oper. Dort findet gerade die Vorstellung einer Oper nach Wolfgang Amadeus Mozart und Lorenzo DaPonte über den berühmten venezianischen Schriftsteller und Lebens-/Liebeskünstler statt. An der Spitze des Ensembles aus Schauspielern und Sängern steht John Malkovich als Giacomo Casanova. Parallel zur Handlung in der Oper zeigt der Film Casanovas Lebensende: In einem böhmischen Schloss trifft er auf die letz-

te Liebe seines Lebens, die Dichterin Elisa van der Recke (Veronica Ferres). Die attraktive und gebildete Frau lässt die Lebensgeister des alternden Casanovas, der auf dem abgelegenen gräflichen Landsitz ein einsames Leben als Bibliothekar fristet, ein letztes Mal erwachen. Doch während dieser von erotischem Begehren angetrieben wird, ist die Schriftstellerin in erster Linie an seinen tausende Seiten umfassenden Memoiren „Histoire de ma vie“ interessiert. Der Film (Kinostart: 2014), eine Koproduktion zwischen Österreich (Amour Fou/Ulrich Seidl Film Produktion), Deutschland (X Filme) und Frankreich (Alfama Films), ist eine schwer einzuordnende Mischung aus Theater- und Spielfilm. Neben Malkovich und Ferres mit dabei: Größen der internationalen Opernszene wie Jonas Kaufmann und Miah Persson. Doch wie kommt man als österreichischer Regisseur eigentlich zu einem auf viele Jahre ausgebuchten Leinwandstar wie John Malkovich? „So schwer“, erklärt ein beim celluloidInterview nach knapp zwei Wochen Dreh höchst entspannter Michael Sturminger, „ist das eigentlich nicht. Wir haben uns ja schon davor gekannt – und letztendlich waren die Dialoge dafür entscheidend, dass John zugesagt hat. Denn er kommt ursprünglich vom Theater, ist in seinem Selbstverständnis Bühnenschauspieler und hat eine große Affinität zu Europa. Ich habe ihm also die Idee zu dem Film vorgeschlagen, und es hat einen ersten Drehbuchentwurf gegeben. Dieser hat ihm jedoch nicht wirklich gefallen. Dann habe ich selber eine Version geschrieben – und Malkovich hat sofort zugestimmt“. Die intensive künstlerische Beziehung zwischen dem Österreicher und dem Hollywoodstar nahm im Mai 2008 auf einer Theaterbühne in Los Angeles ihren Anfang. Zu dem vom österreichischen Komponisten und Dirigenten Martin Haselböck initiierten Musik-

GERINGE GAGEN  Die Produktion von „The Giacomo Variations“ kostet knapp drei Millionen Euro. Für solch eine aufwendige Produktion mit großteils historischen Kostümen und Schauplätzen ein verhältnismäßig niedriges Budget. „Das ist nur möglich“, so Produzent Alexander Dumreicher-Ivanceanu, „weil viele Beteiligte sich bereit erklärt haben, zu reduzierten Gagen zu spielen. So ist es für uns möglich, den Film mit Darstellern wie John Malkovich oder Jonas Kaufmann zu realisieren. Wir haben auch das Glück, dass wir große Opernstars dabei haben, die noch dazu großes schauspielerisches Talent haben“. Giacomo Casanova lebte vor mehr als 200 Jahren. Warum seine Faszination heutzutage immer noch ungebrochen ist, weiß Michael Sturminger: „Weil er einer moderner Mensch und seiner Zeit eigentlich voraus war. Er war inmitten des Absolutismus ein echter Lebemann, hatte viele verschiedene Berufe, lebte in vielen unterschiedlichen Städten“. Alexander Dumreicher-Ivanceanu ergänzt: „Natürlich kommt auch noch die Verführung dazu, die zentrales Thema des Films ist; nicht nur in erotischer und sexueller Hinsicht. Und John Malkovich verkörpert diese Figur schlicht und einfach perfekt. Was ihn so besonders macht, ist, dass er ein hochintelligenter Schauspieler ist, jemand, der nicht nur eine Rolle spielt, sondern auch stets er selbst, John Malkovich, ist – das ergibt eine spannende Mischung“. Doch was genau ist „The Giacomo Variations“ eigentlich? Biopic, Theaterfilm, oder doch etwas ganz anderes? Die Antwort hat Regisseur Sturminger: „Unser Film lässt sich nicht so einfach einordnen. Er ist eine Mischung aus Oper, Film, Theater und Dokumentation. Wir versuchen, damit ein neues Genre zu schaffen – und hoffen, dass es uns gelingt“. Nachsatz: „Eines steht aber schon fest: Das ist in jedem Fall ein rießiges kleines Projekt“.  Sandra Wobrazek

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