Karl Markovics und sein neuer Film "Superwelt"

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am set

ein superfilm für

markovics KARL MARKOVICS. Nach seinem starken Regie-Debüt „Atmen“ arbeitet der

Schauspieler nun an seiner zweiten Filmarbeit „Superwelt“. celluloid war am Set.

K

arl Markovics dreht wieder. Der Wiener Schauspiel-Star, der 2011 mit seinem Regie-Debüt „Atmen“ einen Hit landete, hat zum zweiten Mal auf dem Regie-Sessel Platz genommen. „Superwelt“ heißt sein neuer Film, der jetzt im Osten Österreichs entsteht. Der Plot: „Die Supermarkt-Angestellte Gabi Kovanda (gespielt von Ulrike Beimpold), Ende 40, führt ein Leben zwischen Familie und Beruf. Als sie eines Tages von der Arbeit nach Hause

kommt, geschieht etwas, das ihr Leben mit einem Schlag verändert. Es ist nichts zu sehen, nichts zu hören, und doch trifft es Gabi wie ein Blitz aus heiterem Himmel – die Begegnung mit Gott.“ Teurer Tag. Freitag, der 13. (Juni) im Burgenland. Auf der riesigen Freilichtbühne im Römersteinbruch St. Margarethen wird für die Sommerproduktion von „Aida“ geprobt. Doch an diesem Tag hat das Opern-Team um Regisseur Robert Dornhelm das Areal früh verlassen. Die

Dreh im Römersteinbruch St. Margarethen: Produzent Dieter Pochlatko, Karl Markovics, Ulrike Beimpold und Junior-Produzent Jakob Pochlatko (v.l.)

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Filmleute ziehen ein, mit drei riesigen Kränen, mit Schläuchen und jeder Menge Licht. Später, wenn es Abend ist, werden noch 300 Statisten hinzukommen. Produzent Dieter Pochlatko schaut dem Treiben gefasst ins Auge. „Dieser Tag kostet 100.000 Euro“, sagt er. Die aufwendigste Szene von Karl Markovics‘ neuem KinoDrama „Superwelt“ steht gleich zu Beginn auf dem Drehplan. Was wird gefilmt? „Es geht um einen Opernabend in St. Margarethen“, erläutert Pochlatko. „Gabi Kovanda, die Hauptfigur, bekam von ihrer Tochter ein Ticket geschenkt. Die Tribünen sind voll, doch ein Platz bleibt leer – jener von Gabi. Denn sie versucht, mit Gott in Kontakt zu treten.“ Was ihr eine heftige Dusche erspart: In der Filmszene zieht nämlich ein schwerer Gewittersturm auf. Das letzte, was die Produktion beim Gewitter-Dreh brauchen könnte, ist ein echtes Gewitter. Das wäre zu unberechenbar. Da erzeugt man den Sturm lieber selbst. Mit Schläuchen wird eine Leitung gelegt, von einem Teich bis hinauf auf die Plattform eines Krans. Und die Leute oben am Kran spielen dann später die Regenmacher. „Karl Markovics war diese Szene wahnsinnig wichtig“, sagt Dieter Pochlatko, Chef der Wiener epo-Film. „Also haben wir in der Finanzierung darum gekämpft.“ Das Projekt steht finanziell auf einem soliden Fundament. „Superwelt“ kostet 2,5 Millionen Euro – für einen österreichischen Film ein sehr respektables, aber kein Spit-


Fotos: Katharina Sartena Fotos: Dieter Nagl/Thimfilm

„Geben‘s her, des Kapperl“: Erni Mangold schnappte sich beim celluloid-Interview die Kopfbedeckung des Redakteurs.

Markovics und Kameramann Michael Bindlechner besprechen eine Szene

zen-Budget (in Hollywood-Dimensionen wär’s die Portokasse). Förderungen gibt’s unter anderem vom Österreichischen FilmInstitut, vom ORF und von Landes-Töpfen aus Wien, Niederösterreich und dem Burgenland. Natürlich wird „Superwelt“, da ist Karl Markovics sicher, kein frommes Erbauungs-Traktat. „Man wird Gott nicht sehen und auch nicht hören“, sagt der Autor/Regisseur im celluloid-Gespräch (siehe nächste Seite). „Man wird ihn aber durch die Hauptdarstellerin Ulrike Beimpold spüren.“ Glaubt Markovics persönlich, dass es Gott gibt? „Ich wünsche es mir“, sagt er. „Und ich schildere ihn im Film so, wie ich ihn mir wünsche: Dass er verzweifelt versucht, mit uns Verbindung aufzunehmen, um uns zu sagen, dass wir ihm nicht egal sind.“ Ulrike Beimpold ist begeistert von ihrer Rolle. Die Wienerin wurde schon mit 15 ans Burgtheater engagiert und wuchs rasch zu einem der Stars des Hauses heran. Zu ihren Spezialitäten zählten die Stücke österreichischer Autoren, von Nestroy bis Schnitzler. In den letzten Jahren

hat sich die große Komödiantin verstärkt dem ernsten Fach zugewandt; mit einem bemerkenswerten Höhepunkt im letzten Winter: In „Zauberberg“, einer Folge der grandiosen TV-Thriller-Reihe „Spuren des Bösen“ von Regisseur Andreas Prochaska („Das finstere Tal“), porträtierte sie eine ehemalige Krankenpflegerin, die durch den Tod ihrer Tochter aus der Bahn geworfen wurde – mit furchterregenden Folgen. BEGEGNUNG MIT GOTT  Jetzt also spielt sie die Angestellte Gabi Kovanda, die in einem Supermarkt an der Kasse sitzt. Ulrike Beimpold: „Das ist eine im besten Sinne einfache Frau ohne Ups and Downs, die sich um ihre Familie und um das Essen kümmert und die nicht auf Sinnsuche ist. Die Begegnung mit Gott trifft sie völlig unvorbereitet.“ Die Beimpold schwärmt von dem Projekt. „Als ich vor dem Casting das Drehbuch bekam, schrieb ich Karl Markovics, dies sei eine Rolle, auf die man als Schauspielerin wartet. Der Dreh ist eine beglückende Reise.“

Für die Aufnahmen sind bis Juli 35 Drehtage angesetzt. Im Januar 2015 soll „Superwelt“ fertig sein. Produzent Dieter Pochlatko: „Damit wären wir allenfalls für die Berlinale bereit, aber auch für das Festival Cannes im Mai 2015.“ In Cannes hatte 2011 Karl Markovics‘ Erstlingswerk „Atmen“ Premiere. Das Drama gewann dort den „Label Europa Cinema“-Preis und trat einen internationalen Siegeszug an, der zu mehr als 40 Festivals führte. In Österreich wurde „Atmen“ mit 95.000 Kino-Zuschauern ein Hit. Bei der Erstausstrahlung im ORF sahen 550.000 Menschen zu. Solche Zahlen beeindrucken die Branche. Die Folge: Noch vor dem Drehbeginn von „Superwelt“ wurde bereits ein Weltvertrieb für den Film gefunden. Das renommierte Haus Films Distribution in Paris wird die internationale Vermarktung von Karl Markovics‘ zweiter Regie in die Hand nehmen.  Gunther Baumann Auf der nächsten Seite: Unser Interview mit Karl Markovics

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„Frau trifft Gott, Frau verliert Gott, Frau findet Gott wieder“ SET-VISIT. „Als Schauspieler ist man

celluloid: Herr Markovics, wie haben Sie das Thema Ihres neuen Films gefunden? Karl Markovics: Schon, während ich „Atmen“ drehte, hatte ich etliche Projekte im Kopf. Doch die Geschichte von „Superwelt“ hat sich dann so massiv in den Vordergrund gedrängt, dass für mich gar nicht daran zu denken war, an etwas anderem weiterzuarbeiten. Das war keine leichte Zeit: Ich wusste, entweder ist es das, oder es gibt keinen Film mehr von mir. Wäre ich mit diesem Projekt nicht weitergekommen, hätte ich nicht sagen können, na gut, dann schreibe ich halt eine andere Geschichte. Man könnte den Plot von „Superwelt“ mit einem Satz so formulieren: Eine Supermarkt-Angestellte begegnet Gott. Ja. Für die Einreichung des Projekts habe ich flapsig geschrieben: „Frau trifft Gott, Frau verliert Gott, Frau findet Gott wieder.“ Also eine Variation der klassischen Boy-Meets-Girl-Geschichte. Das ist eine von vielen Möglichkeiten, diesen Film zu beschreiben. Wie kamen Sie denn auf die Idee, einen Film zum Thema Mensch trifft Gott zu machen? Das Anfangsbild zu „Superwelt“ ist aus meinem privaten Leben gegriffen. Ich stand eines Tages im Supermarkt und beobachtete eine Kassiererin, die gerade keine Kunden hatte. Sie nahm eine Flasche Allzweckreiniger, den sie auf das Laufband sprühte. Dann setzte sie mit der Fußtaste das Band in Bewegung und reinigte es mit

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einer Küchenrolle. Währenddessen hat sie, wie man so sagt, ins Leere geblickt. Es war ein vollkommen entspannter, aber sehr verinnerlichter Blick. Nicht von dieser Welt. Und irgendwie entstand für mich das Reizerlebnis: Genau so einen Menschen würde ich gern mit Gott zusammenbringen. Die buchstäblich normalste Person, die man sich vorstellen kann. Keine zerrüttete Familie. Keine finanziellen Krisen. Keine intellektuellen Zweifel. Ein Leben, das noch in einer Generation stattfindet, deren Pensionen abgesichert sind. Nichts kann schiefgehen. Es fehlt nichts – außer das Eigentliche. Das begegnet ihr plötzlich, doch es verschwindet auch wieder. Ist diese Frau religiös? Überhaupt nicht. Die Frau hat mit der Kirche nichts am Hut; sie hat auch nichts gegen die Kirche. Das einzige, woran sie sich aus dem Gottesdienst noch erinnern kann, ist der Satz „Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, und meine Seele wird gesund.“ Das ist auch einer der wenigen liturgischen Texte, an die ich mich noch erinnern kann. Aus meiner Ministrantenzeit, groteskerweise. Denn ich bin Protestant. Mein bester Freund hat mich damals bei den Katholiken eingeschmuggelt. Wie halten es Sie persönlich? Gibt es Gott? Ich wünsche ihn mir. Dieser Film ist ein Versuch, ihn ein bisschen so zu zeigen, wie ich ihn mir wünschte. Ein Versuch über Gott. Wie würden Sie sich Gott denn wünschen?

Foto: Dieter Nagl/Thimfilm

Teil einer Welt“, sagt Karl Markovics. „Als Autor und Regisseur aber kann man eine ganze Welt erschaffen, nur mit seiner Phantasie.“ Ein Gespräch über „Superwelt“.

So, dass er verzweifelt versucht, mit uns Verbindung aufzunehmen, um uns zu sagen, dass wir ihm nicht egal sind. Aber er kann nichts tun. Wir sind in die Welt geworfen worden, es gibt so etwas wie den freien Willen. Es gibt etwas, das auch er nicht ändern kann und darf. Warum? Dafür habe ich keine Erklärung. Was auch immer – es ist ein empathischer Gott. Ein guter Gott. Ein Gott, der alles ist, ein Du und ein Ich. Wie es beim Religionsphilosophen Martin Buber steht: „Es gibt kein Ich ohne Du, und es gibt kein Du ohne ich“. Diesen Gott wünsche ich mir. Sie selbst treten in „Superwelt“, wie schon in „Atmen“, nicht selbst als Schauspieler auf. Ja. Ich habe darüber nachgedacht und ich habe gespürt, nein, das mag ich nicht. Ich gebe zu, dass es natürlich eine Überlegung war, mitzuspielen. Weil man über alles nachdenkt, was einem Film helfen kann, sein Publikum zu finden. Aber wir hoffen irgendwie auf den „Atmen“-Effekt (lacht). Dass die Leute sagen: Der erste Markovics-Film war okay – da schauen wir uns den zweiten auch an. Ich nehme an, dass man Gott nicht sehen wird in „Superwelt“. Nein. Und man wird ihn auch nicht hören. Als Zuschauer erleben wir Gott im Film über unsere Hauptfigur. Sie kommuniziert mit ihm. Über die Art, wie sie sich verwandelt, wie sie ihm begegnet – und der Welt anders begegnet –, dadurch werden wir ihn spüren.  Interview: Gunther Baumann


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