Glück auf!

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GLÜCK AUF! MONTAG, 2. JULI 2012

Sonderbeilage zum Ende des Bergbaus an der Saar

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Fahnenträger bei der letzten Mettenschicht. FOTO: ROLF RUPPENTHAL

Festakt in Ensdorf Was die

Letzte Mettenschicht Wie

Saar-Bergleute Wo der

Ministerpräsidentin zum Ende des Bergbaus sagte

die emotionale Feier die Menschen zu Tränen rührte

Bergbau à la Sarre noch ein paar Jahre weitergeht


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GLÜCK AUF!

쏆 E D I TO R I A L

Liebe Leserin, lieber Leser

Ihr Bernard Bernarding, stv. Chefredakteur IMPRESSUM Chefredaktion: Peter Stefan Herbst, Bernard Bernarding Chef vom Dienst: Aloisius Tritz Art-Direction: Robby Lorenz Redaktion: Thomas Schäfer, Sebastian Klöckner, Thomas Sponticcia, Johannes Schleuning, Jörg Wingertszahn Geschäftsführung: Dr. Joachim Meinhold (Vorsitzender), Christian Erhorn Verlagsgeschäftsführung: Thomas Deicke Verlagsleitung Vertrieb: Thomas Marx Anzeigen: Alexander Grimmer

te auch hier die Verhältnisse Frömmigkeit der Menschen um. Nach Napoleons Niederla- und ihrem Umgang miteinange kamen Preußen und Bayern der, überall ist der Einfluss des ins Land, deren ökonomische Bergbaus vorhanden, auch und militärische Interessen wenn das nicht immer auf den künftig das Schicksal der Region ersten Blick erkennbar wird. bestimmen sollten. Saarbrü- Das sind gewichtige Gründe, cken und Saarlouis wurden Gar- nicht einfach zur Tagesordnung nisonsstädte zum Schutz der überzugehen. Wir sollten die Grenze gegen Frankreich. Koh- materiellen und ideellen Hinle und Eisen ließen ein pulsie- terlassenschaften des Montanrendes Industrierevier entste- zeitalters mit Achtung und hen. War das Land in den ersten Sorgfalt behandeln. Um das Jahrzehnten des 19. Jahrhun- Land zu verstehen, müssen wir derts noch ein Auswanderungs- bewahren und auch erklären, land, so wendete sich das Blatt denn wir sehen nur das, von um die Jahrhundertmitte. Die dem wir Kenntnis haben. Und wie die Ringwälle der hier lebenden Menschen fanden nun Arbeit in Gruben und Kelten, die römischen Villen Hütten, aus der näheren Nach- und Städte, die mittelalterlibarschaft pendelten die Men- chen Burgen, die Schlösser der schen in das entstehende Revier Fürstenzeit und die Kirchenoder zogen in die Nähe ihrer Ar- bauten für die Zeiten stehen, in beitsplätze. Die einst ländliche denen ihre Erbauer mächtig waGegend verwandelte sich in eine ren und Land und Menschen ständig wachsende Agglomera- beherrschten, wie die Grenzverläufe, Festungen, tion im Schatten der Bunker und KriegsSchornsteine, der gräber von den unFördergerüste und sinnigen und unselider wachsenden gen Konflikten erHalden. Unter der zählen, die aber im Erde schufen die kollektive GedächtBergleute eine neue nis nicht auszulöWelt, der Mensch schen sind, so wird wurde – zeitweilig – der Bergbau für imin der Tiefe heiein Teil unserer misch. Nicht von „Die Kohle mer Identität sein. ungefähr sprechen In den Alpenlänwir auch heute noch wird weltweit dern prägen die Bervon den Grubengenoch lange ge das Bewusstsein bäuden. Und das gilt beiderseits der im- unverzichtbar der Menschen, in den Küstenländern sind mer wieder geänes dagegen der hohe derten und verschosein.“ Himmel, der endlose benen Grenzen. UnReinhard Klimmt Horizont und der Geabhängig von der ruch des Meeres. In politischen Zugehörigkeit höhlten die Menschen unserem von Flüssen und Bädie Erde, auf der sie siedelten, chen durchzogenen Hügelland unter sich aus, teuften Schächte sind es die mythenzeugenden ab, gruben Stollen, legten Strebe Berufe unter Tage und in den an und förderten die Steinkoh- Eisenwerken, die stets präsent le, den wichtigsten Energieträ- sind und den Charakter der ger des industrialisierten Euro- Menschen auch zukünftig mit pa. Damit veränderten sie auch prägen werden. Das Erbe der Montanarbeiter das Gesicht der Landschaft, schufen riesige künstliche Hü- ist die Bereitschaft zum Schafgel und ihre Siedlungen dräng- fen, die Kraft, sich unbequemen ten in die freien Räume des Lan- Aufgaben zu stellen, Solidarität des, füllten die Täler und er- zu üben, zu ihrem Erbe gehören Kameradschaft und Verlässlichoberten die Höhen. In den 1960er Jahren war die keit, das Gemeinschaftserlebnis Dominanz der Montanindustrie auch über Tage. Daher rührt noch überall spürbar. Das Land auch die Liebe zu den Mannpulsierte. Kohle und Stahl ga- schaftssportarten hierzulande ben Arbeit, harte Arbeit, aber und das rege Vereinsleben hat auch gut bezahlte Arbeit. Die dort seine Wurzeln. Nicht zu vergessen: Neben der Industriekathedralen mit ihren Frömmigkeit, Schornsteinen und Hochöfen, landeseigenen die Fördertürme und Förderge- neben der Verlässlichkeit in der rüste beherrschten das Bild in Arbeit, wohnte auch immer – der Landesmitte. Unter der Er- und wohnt noch – ein Stück de wuchs das Grubengebäude. Aufsässigkeit in den oft so gelasAber bald zeigte sich, dass die sen sich gebenden Menschen. moderne Welt andere Wege ein- Der Rechtsschutzsaal in Bildschlagen würde. Importkohle, stock ist ihr Symbol, das GegenÖl und dann das Gas nahmen in stück zu der Bergwerksdirektider Energieversorgung immer on, die den Machtanspruch des mehr Räume ein. Die Zeit von staatlichen Bergbaus in Stein 1812 bis in die 60er Jahre des 19. gemeißelt repräsentiert. Mit reJahrhunderts war die Phase des gulären und wilden Streiks emAufstiegs der Kohle. In den 60er pörten sich die Bergleute gegen Jahren des 20. Jahrhunderts Ungerechtigkeiten, traten für begann ihr Niedergang. Das ihre Interessen ein. Am Ende Jahr 2012 setzt an der Saar den blieb nur noch der Kampf für ihSchlusspunkt. Eine Epoche re Arbeitsplätze, ein Kampf, den geht damit zu Ende, die lebendi- sie zuletzt nicht mehr gewinnen ge Welt unter Tage wird zur konnten. Es ist das grausame Wüstung. Die Bauten über der Gesetz der schrumpfenden Erde bekunden dennoch ihre Zahl: mit dem Rückgang der fortdauernde Existenz. All diese Förderung schmolzen Bedeurealen Spuren sind heute Erin- tung und Einfluss. Die Kohle wird weltweit noch nerungsorte, sind Zeugnisse der Industriekultur und sollen es lange unverzichtbar sein. Mit auch in Zukunft bleiben, denn den an der Saar entwickelten lange Zeit materialisierte sich Technologien werden sich die in ihnen das Wesen des Landes. hiesigen Zulieferer noch einige Der Bergbau gab dem Land ei- Zeit im Markt halten. Außerne eigene Kultur. In der Archi- dem: Kohle ist nichts anderes tektur, in den bildenden Küns- als gespeicherte Sonnenenerten, in der Literatur, in der Mu- gie, oftmals mehrere hundert sik, in der Sprache, in der viel- Millionen Jahre alt. Photovolfach heute noch fortdauernden taikanlagen auf den ehemaligen Grubenstandorten nehmen dagegen den direkten Weg. Welch‘ optimistische Pointe, wenn es gelingen sollte, in den stillgelegten Schächten mit Pumpspeicherkraftwerken die Flüchtigkeit von Wind- und Sonnenenergien zu bannen. Mit unseren Nachbarn in Lothringen, Luxemburg und Rheinland-Pfalz müssen und wollen wir die Zukunft gestalten. Im Schoße der alten Industriegesellschaft ist eine Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft gereift, neue Generationen werden das Land, werden das Erbe der Bergleute weiterentwickeln und ebenfalls ihre Spuren hinterlassen. Schicht im Schacht. FOTO: B&B FOTO: DAPD

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s ist die letzte Revue. Mit dieser Sonderbeilage zum Bergbau im Saarland verbindet die Saarbrücker Zeitung ein letztes „Glück auf“ mit einer Industriebranche, die unser Land geprägt hat wie sonst nichts. Der SZ ist dabei durchaus bewusst, dass längst nicht alle Saarländerinnen und Saarländer traurig sind über das Ende der Kohleförderung, die ja nicht nur schwierig, teuer und schmutzig war. Sondern die vielen Menschen in den betroffenen Revier-Regionen auch viel Kummer und Ängste bereitet hat. Aber wir wissen auch, dass unsere eigene 250-jährige Geschichte ganz eng mit der über 250-jährigen Geschichte des Saar-Bergbaus verbunden ist. Die SZ hat den Bergbau in all seinen Facetten begleitet. Sie hat die Lebenswirklichkeit der Bergleute dargestellt, über Jahrhunderte hinweg den schweren Kampf der Kumpel um gerechte Bezahlung, ordentliche Arbeitsbedingungen und Mitbestimmung geschildert, die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verflechtungen des Bergbaus mit Staat und Bürgern en detail beschrieben, kommentiert und illustriert. In der Blütezeit des Bergbaus malochten weit über 60 000 Saarländer für den preußischen Bergfiskus, für die Mines Domaniales Françaises de la Sarre, für Saarberg oder am Ende für DSK und RAG. In den Revieren war fast jeder Haushalt mit dem Bergbau tangiert, nahezu jeder Saarländer hatte einen Verwandten und Bekannten, der untertage schuftete. Die Landschaft war davon geprägt, das Vereinsleben, der Sport, die Kneipen und vieles mehr. Der Bergbau war Saarland, Saarland war Bergbau. Eine Symbiose, die auch das Bundesland Saarland maßgebend geschaffen und den Lebensweg unserer Vorfahren geprägt hat. Die schließlich ein Teil unserer Identität wurde. Dieses Erbe gilt es zu bewahren. Allen Bergbauschäden, Bitternissen und Verwerfungen zum Trotz. Am Samstag war dieser Wille zu beobachten bei den sehr emotionalen Feierlichkeiten zum Ende des Bergbaus an der Saar. Ensdorf war die letzte Grube, die geschlossen wurde, es war die letzte Mettenschicht. In ihr wurde ein Stück Würde deutlich. Die Würde einer Arbeit, die mehr war als ein Job. Den vielen tausend Menschen, die zum Abschied leise Servus sagten, wurde zugleich bewusst, dass nach dieser Zäsur nun eine neue Ära beginnt. Eine Zeit ohne Schlägel und Eisen, ohne Loren und Schrämmaschinen, ohne Waschkauen und Fördertürme – aber nicht ohne Kohle. Denn die Steinkohle lebt nicht nur weiter in aller Welt, wo sie als Energiespender für unverzichtbar betrachtet wird, sondern – zumindest bis 2018 – auch in Deutschland. Dann soll der Bergbau auch im Ruhrpott eingestellt werden. Das Saarland geht voran und schreibt damit ein Stück Geschichte. Glück auf!

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Le dernier poste – die letzte Schicht, heißt das Gemälde der Saarbrücker Künstlerin Ruth Lavall. Es stammt aus dem Jahre 1997 und nahm das Ende des Bergbaus vorweg. REPRO: PRIVAT

Vom Ende einer Epoche Der Bergbau gab dem Saarland eine eigene Kultur. Deshalb markiert die letzte Mettenschicht im Saar-Bergbau auch mehr als das Ende der Kohleförderung. Eine persönliche Betrachtung des Historikers und Ex-Ministerpräsidenten Reinhard Klimmt.

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m Wochenende hat sich das Saarland mit einem Festakt und einer Mettenschicht vom aktiven Bergbau verabschiedet. Für die saarländische Wirtschaft im Jahre 2012 ist es nicht viel mehr als eine Zäsur, historisch gesehen markiert dieses Datum aber das Ende einer Epoche. Vor Jahrzehnten noch war die Kohle heiß begehrt, wurde als schwarzes Gold gefeiert. Mit der Kohle und dem Stahl aus den Revieren erstand Europa aus Schutt und Asche, begründeten andere Regionen ihre neuen Industrien, die heute das Feld beherrschen. Wegen Kohle und Stahl wurde mit der Montanunion die europäische Einigung begonnen. Tempi passati. Zwischen Aufstieg und Fall der Kohle liegen etwa 250 Jahre. In dieser Zeit gestaltete sich das Schicksal der Lande an der Saar auf, mit und wegen der Kohle wechselhafter als das vieler anderer Regionen in der Nachbarschaft. Dieser Landstrich in der Reibungszone zwischen Frankreich und Deutschland war vorher über viele Jahrhunderte nur dünn besiedelt und politisch zersplittert. Die Französische Revolution stürz-


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Als dem Saar-Bergbau die letzte Stunde schlug Versöhnlich verabschiedete sich das Saarland im Bergwerk Saar vom Kohleabbau – Über 10 000 kamen zur feierlichen Mettenschicht Von SZ-Redakteur Oliver Schwambach

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etzt sind es tatsächlich bloß noch zwei Stunden bis zur Endgültigkeit. Hans-Jürgen Becker, der Betriebsratsvorsitzende des Bergwerks Saar, spricht auf der großen weißen Bühne am Fuße des frisch gestrichenen Fördergerüsts der Anlage Duhamel. Mehr als einmal zittert seine Stimme „Nun blutet der Bergbau aus, ein Wirtschaftszweig, der noch so viel zu geben hätte, er stirbt.“ Über 10 000 noch aktive und ehemalige Bergleute, ihre Familien, ihre Freunde sind am Samstag nach Ensdorf gekommen, um beim Ende des Bergbaus an der Saar dabei zu sein. Ein einmaliges Ereignis in der Geschichte des Landes. Viele nicken zu Beckers Worten. Das Mannsbild mit dem markanten Bärtchen findet unter den vielen, vielen Rednern des Tages und des Abends die direktesten Worte, Worte, die zu Herzen gehen. 120 Minuten bleiben jetzt dem Bergbau noch, bis auch die Mettenschicht, die sonst zu Weihnachten untertage gefeiert wird, vorüber und alles vorbei sein wird, über ein Vierteljahrtausend staatlichen Kohleabbaus in einer Region, in der bereits die Kelten nach dem schwarzen Gold gruben. 120 Minuten sind es noch, bis die Grubenwehr mit Fackeln aufmarschiert zu dunklen Trommelschlägen, bis das letzte Stück Kohle übergeben wird. Und die Bergkapelle der RAG mit ihrem Dirigenten Bernhard Stopp „Time to say goodbye“ spielen wird. Box-Champion Henry Maske kletterte dazu oft in den Ring – und siegte. Heute Abend ist es keine Triumphmusik. Heute ist es das Abschiedslied. Das das Anzünden einer gigantischen Grubenlampe begleitet. Ein Hoffnungsschein, dass man zumindest das Erbe des Bergbaus nicht vergessen will. Und doch ist diese Mettenschicht, die den Bergbau im Lande endgültig beschließt, alles andere als eine düstere Trauerfeier. Wehmut statt Wut, Nachdenklichkeit statt Empörung – so lässt sich die Gefühlslage am besten skizzieren. Natürlich fehlt es nicht an kritischen Worten, die den Unmut vieler Bergleute untermauern, dass man eine nicht erschöpfte Lagerstätte aufgeben muss, wo doch noch so viel Kohle in der saarländischen Erde liegt. Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis sagt es klipp und klar und blickt auch auf die Ruhr und nach Ibbenbühren, wo nun auch saarländische Bergleute arbeiten: „Die IG BCE hält den bis 2018 geplanten Ausstieg Deutschlands aus der Steinkohleförderung für falsch.“ Viel Beifall erntet Vassiliadis dafür. Und vor der Bühne hält einer unentwegt in all die Foto- und Fernsehkameras, die zu-

schauen, eine Deutschlandfahne mit der Aufschrift „Nationale Energieversorgung“. Dahinter mahnt ein schwarzes Kreuz. Aber auch Stolz merkt man vielen an, weil der Bergbau hier eben doch nicht einfach so vorbei ist, wie man heutzutage schnell mal eine x-beliebige Fabrik zusperrt – und die Leute auf der Straße stehen. Der Bergbau lässt seine Leute nicht ins „Bergfreie“ fallen. „Wir sind stolz auf euch“, ruft Peter Schrimpf, Vorstandsmitglied der RAG. Und das Unternehmen tut was dafür. Die großen Debatten aber mit den Bergbaubetroffenen, die vielen harten Auseinandersetzun-

„Nun blutet der Bergbau aus, ein Wirtschaftszweig, der noch so viel zu geben hätte, er stirbt.“ Hans-Jürgen Becker, Betriebsratsvorsitzender des Bergwerks Saar gen mit der Politik, sie überschatten nicht den versöhnlichen Grundton dieses Abschieds. So ist auch die Landespolitik an diesem Abend selbstverständlich mit dabei. Viele Minister und Ex-Minister sind seit dem Festakt am Nachmittag geblieben. Wirtschaftsminister Heiko Maas (SPD) geht sogar mit dem Hütten- und Knappenvereinen mit,

als diese in einem prachtvollen Zug zur Bühne marschieren. Und Annegret-Kramp-Karrenbauer, nachmittags als Ministerpräsidenten noch offizielle Rednerin, ist am Abend quasi privat als Bergmannsfrau da. Manchmal staunt man aber auch, wie die Mettenschicht gerade zu Anfang auch merklich zum Volksfest hin ausfranst – mit vie-

gemeinsam unter freiem Himmel gebeteten „Vater unser“ bekommt der Abend seine Andacht, seine Besinnlichkeit. Nichts freilich rührt so sehr wie die sieben Strophen des Steigerliedes. „Fest und kräftig“ verlangt die Musizieranweisung auf dem Notenblatt. Bergkapelle und Saarknappenchor spielen und singen sie gemeinsam – fest und kräftig. Wie oft haben die beiden Werksensemble, die fest entschlossen sind, das Erbe des Bergbaus weiterzutragen, diese schlichten und doch so feierlichen Noten schon gespielt, gesungen? Die Zehntausend stehen jetzt wie ein Mann. Tränen laufen über raue Männergesichter. Im Gesicht Pranken, groß dieses Bergwie Kohlenschmannes spieaufeln, tasten gelt sich die suchend, fassen Gefühlswelt nach Frauenvieler Bergleute händen, um in und ihrer Angediesem schwehörigen. FOTO: ren Augenblick ROLF RUPPENTHAL Halt zu finden. Genau das werde ihm der schwerste Moment werden, wusste Engelbert Eisenbarth schon vor Tagen. Steiger war er, Berg- und MaschinenIngenieur. 70 ist der Quierschieder mittlerweile. Ganz unten in der Grube fing er an. Hat sich hochgearbeitet. Die Kohle, „sein Saarberg“, hat sein Leben geprägt, hat ihm als Lohn der Mühe ein gutes Auskommen gebracht, so wie einst dem halben Land. Wenn er von der Kameradschaft untertage redet, „vom Einstehen füreinander“, fliegt die Zeit zurück in die 60er, als noch Zehntausende in den saarländischen Gruben „schafften“. Und keiner von ihnen dachte, dass er mal das Aus für die Kohle miterleben müsse. Es sind Geschichten wie die seine, die hundertfach bei dieser Mettenschicht auch zu erzählen wären, ja, Geschichten, die das Saarland ausmachen. Unter den vielen Gästen in Ensdorf ist auch Jonas. Fünf ist er. Sein Opa, sagt er stolz, war „uff der Grub“. Davon erzähle ihm sein Opa oft. Wie er ganz tief aus dem „Bauch der Erde“ die Kohle holte. Das beeindruckt Jonas – und der Knirps len Schwätzchen unter alten Kol- hat sich ein Stückchen der „letzlegen, mit Popcorn, Softeis, Pasta, ten Kohle“ gesichert, die es als Rostwurst für zwei Euro und Andenken gibt. Wie viel aber von all dem, vom überlangen Schlangen an den Bierständen. Vielleicht liegt es ja Leben und Arbeiten der Bergleuauch an diesem schönen Som- te, von ihrer Kultur, ihrer Kamemertag, dass keine allzu trüben radschaft, ihrer universellen GeGedanken aufkommen. Vielleicht schicklichkeit wird bleiben? Und zeigt sich da aber auch jene saar- was wird Jonas das noch bedeuländische Grundfertigkeit, stets ten, wenn er groß ist? Wird er vor noch das Beste aus dem Unver- alten Fördertürmen, vor dem Saar-Polygon, dem noch zu baumeidlichen zu machen. Doch mit der Dämmerung, den enden Bergbau-Denkmal, stehen Worten des Trierer Bischofs Ste- und damit etwas anzufangen wisphan Ackermann, von Weihbi- sen? Um 22.40 Uhr, am 30. Juni schof Robert Brahm und den bei- 2012 ist es dann tatsächlich so, den evangelischen Oberkirchen- dass der Bergbau im Saarland Geräten Gottfried Müller und Bar- schichte ist. Nun ist es an uns, sie bara Rudolph, vor allem aber dem nicht zu vergessen.

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„Abgang mit erhobenem Haupt“ Festakt im Konflikt zwischen Wut der Bergleute über das Aus und dem Versuch der Würdigung ihrer Leistung Von SZ-Redakteur Thomas Sponticcia

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ine Mischung aus Stolz, Wut und dem Versuch, in Würde zu ertragen, was nicht mehr zu ändern ist, prägt den Festakt zum Abschied des Saar-Bergbaus. Vivian Loch (20) aus Schmelz spielt Klarinette in der Bergkapelle, die den musikalischen Rahmen bestreitet. Trotz des traurigen Anlasses strahlt die junge Frau. „Meine Familie, meine Großeltern waren schon Bergleute. Darauf bin ich stolz. Der Bergbau endet zwar, aber ich will ihn mit der Bergkapelle weiter repräsentieren.“ Hans Georg Schmitt (52), Vorsitzender der Bergkapelle, will das auch, hat aber eine klare Meinung zum Festakt. „Für mich spielen wir heute auf der eigenen Beerdigung.“ Längst nicht jeder will ruhige, versöhnliche Töne anstimmen. Zu frisch sind für viele noch die Erinnerungen an einen verlorenen Kampf. Es ist der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Ludwig Ladzinski, der deutliche Worte wählt. Nein, er könne sich nun wirklich nicht dem Dank der Regierungschefin an ihren Amtsvorgänger Peter Müller anschließen. Das Ende des Bergbaus sei eine kurzfristige und falsche Politik. Politische Stimmen, nicht nur aus der CDU, hätten das ohnehin problematische Ereignis des Grubenbebens in Saarwellingen im Februar 2008 ,,dazu genutzt, es für ihre Ideologien oder ihre Zwecke zu verwenden“. Zudem „war traurig, dass die Bergbaugegner unverhohlen nach dem sofortigen Aus des Bergbaus im Saarland gerufen Die Bergkapelle und der Saarknappenchor sorgten während des Festaktes für einen würdevollen Abschied vom Bergbau. FOTO: OLIVER DIETZE haben, ohne die Folgen für die Bergleute, deren Familien und die Region zu überdenken“, kri- gemacht. Sie können zurückblicken auf großartige Leistuntisiert Ladzinski. Ministerpräsidentin Anne- gen.“ Mehr noch. „Die saarlängret Kramp-Karrenbauer dischen Bergleute stellen die (CDU) verteidigt ihren Dank Hacke an den Stoß und verlasauch an den Amtsvorgänger mit sen ihr Bergwerk mit erhobeer Saarbergbau hat viele n zahlreichen Begegnunas Erderschütterungsdem Argument, dieser habe in nem Haupt.“ schwarze Stunden ergen in den letzten Tagen Ereignis am 23. Februar Besonders schmerzlich sei, der hoch emotionalen Phase lebt. Alleine seit 1844 wurde ich gefragt: Darf die 2008, gefolgt von der nach dem Beben standgehalten dass nicht eine erschöpfte La- sind 1440 Bergleute tödlich Politik diesen Tag des Abpolitischen Entscheidung für und nicht sofort einen endgülti- gerstätte das Aus war, das ihnen verunglückt. Das Ende der schieds mitbestimmen und auf ein vorzeitiges Ende des Berggen Bergbaustopp verhängt. ihre Arbeit genommen habe. Steinkohlenförderung an der dem Festakt reden? Eine baus an der Saar hat unsere Auch er habe sich für einen sozi- „Gerade die fehlende politische Saar ist ein Augenblick von his- schwierige, eine berechtigte Belegschaft ins Herz getroffen. alverträglichen Auslaufbergbau Rückendeckung hier im Lande torischer Dimension. Er beFrage. Meine Antwort ist: Ja. Verlegung, Weiterqualifizieeingesetzt. Ihre Rede beim Fest- in den schwierigen Jahren der wegt nicht nur uns Bergleute in Die Politik kann und muss prä- rung, Neuorientierung – das akt verteidigt sie mit den Wor- Erderschütterungen haben die sehr starkem Maße und erfüllt sent sein, weil sie zu vertreten sind Herausforderungen, deten, die Politik „kann und muss Bergleute sehr bedauert – und uns tief mit Wehmut – die End- hat, was sie beschlossen hat. nen sich viele unserer Beschäfpräsent sein, weil sie auch zu auch noch nicht ganz verwun- gültigkeit dieses Moments erDer Tag des Abschieds ist ein tigten stellen müssen. Und das vertreten hat, was sie beschlos- den.“ Tönjes zeigt noch einmal greift das ganze Land und seine Tag voller Gefühle, auch der tun sie. Denn aufgeben ist Stationen des Berg- Menschen, lässt sie für einen sen hat“. Dann Trauer. Ein Tag auch der Wut nicht eines Bergmanns Sache. baus auf. Das Gru- Moment innehalten. Eine bedankt sie den Bergbei denjenigen, die in ihrer Le- Und nun blutet der Bergbau benbeben im Feb- deutende Epoche geht zu Ende, bensplanung berührt sind, weil aus. Ein Wirtschaftszweig, der leuten für ihre gro„Bergleute ruar 2008 habe die weit mehr war als nur eine ße Leistung, die Arsie von ihrer Familie getrennt noch so viel zu geben hätte, dann die Zukunftsbeit zum Wohle des können auf perspektive des Landes. Dies werde großartige Bergwerks Saar zerman im Herzen bestört. Wobei Tönjes wahren. Auch ohne Annegret Hans-Jürgen Leistungen heute einräumt, Bergbau müsse es Kramp-KarrenBecker, Bernd Tönjes, „dass in der Tat gelingen, Wirtbauer, MinisBetriebsratsVorstandszurückauch Menschen schaftskraft zu stärterpräsidentin vorsitzender vorsitzender blicken.“ hätten zu Schaden ken sowie die Fides Saarlandes Bergwerk Saar der RAG kommen können. nanzen in den Griff Bernd Tönjes, Zum Glück ist es bei große Industrie-Epoche – und zu bekommen. werden. War der Ausstieg aus stirbt. Ich frage die in 2008 poVorstandschef Sachschäden geDann habe das Land eine neue Ära bricht an. Der dem Bergbau richtig, auch vor litisch Verantwortlichen: War der RAG blieben“. Am Ende Bergbau im Saarland war exiseine gute Zukunft. dem Hintergrund der Energie- dieses frühe Aus an der Saar sagt er: „Ich hoffe tenz- und identitätsstiftend für wende? Richtig, auch aus der Michael Vassilianicht abzuwenden? Wir wisdis, Vorsitzender der Gewerk- sehr, dass wir den Verzicht auf den Einzelnen und das gesamte Erleichterung derjenigen, die sen: Mit gebündelter Kraft hätschaft IG BCE, äußert Zweifel. die einzige heimische Energie- Land. Über lange Zeit war der unter dem Bergbau gelitten ha- te dies vielleicht gelingen könOhne Bergbau wachse das Risi- quelle neben der Braunkohle Bergbau größter Arbeitgeber, ben? Der Tag des Abschieds nen. Aber der Bergbau war poko, die industrielle Basis zu ver- nicht eines Tages bitter bereuen größter Auftraggeber, größter vom Bergbau ist kein Tag der litisch nicht mehr gewünscht. schlechtern. Nur mit einer müssen.“ Ausbilder. Viele sagen, ohne Gleichgültigkeit, weil niemanUnd dies ohne Wenn und Aber. Im Publikum sitzt der 82-jäh- den Bergbau gäbe es das Saarfunktionierenden Industrie den der Bergbau gleichgültig Seit Monaten redet jeder nur könne das Land seinen Wohl- rige Adolf Quinten aus Dudwei- land nicht. Die Schicksalsstunlässt. Es geht um viel mehr als noch von unserer saarländistand halten und steigern. Des- ler, der 1951 auf der Anlage Du- de schlug am 23. Februar 2008 das Erbe der Steinkohlenförde- schen Kohle. Das schwarze halb solle die Landesregierung hamel, dem Ort des Festaktes, um 16.31 Uhr, als eine Erderrung und eines IndustriezweiGold ist in aller Munde – leider attraktive Bedingungen für kon- seine Ausbildung begonnen hat. schütterung nicht erwarteten ges. Wir erleben heute eine Zä- zu spät. Den Ausdruck „unser ventionelle und erneuerbare Von 1983 bis 1989 war er Direk- Ausmaßes mit einem Schlag die sur. Und müssen uns jetzt alle schwarzes Gold“ hätten wir in Energien schaffen. Sie dürfe tor der Grube Reden. Quinten Perspektive des Bergwerks Saar der Aufgabe stellen, wie es mit 2008 so gerne gehört. Auch nicht jeder Protest-Initiative spricht nach dem Festakt von zerstörte. Eine Erschütterung dem Saarland weitergeht. Auwenn der Bergbau geht, bitte nachlaufen. Auch Vassiliadis einem „würdigen Abschluss“. mit einer Heftigkeit, wie sie bis ßerdem es geht um die Frage, ich jedoch darum, etwas zu behält das Bergbau-Ende für RAG-Chef Tönjes habe einen dahin niemand für möglich welches Erbe wir vom Bergbau denken: Wenn wir Saarländer falsch. Die Menschen, „die hier „schönen Abriss der Bergbauge- hielt. Das Bergwerk Saar mit bewahren wollen. Das Land hat nicht an unseren industriellen bis heute hart und erfolgreich schichte an der Saar aufge- seiner hervorragenden Lageraber vor allem eines zu tun: Arbeitsplätzen festhalten, wird gearbeitet haben, wollten noch zeigt“. Den Auftritt der Minis- stätte, mit Kohlevorräten weit Dank zu sagen an die Bergleuunser Bundesland zum Auslange für den Bergbau und für terpräsidentin hält Quinten für über 2020 hinaus und wettbete, die gearbeitet haben zum wanderungsland. Für uns das Saarland arbeiten. Sie woll- richtig. Zumal sie eingeräumt werbsfähigen Förderkosten Wohle des Landes. Auch 2012 Bergleute ist es nun zu spät. ten hier Steuern zahlen sowie habe, dass es mit den Bergbau- stand urplötzlich vor dem Aus verdanken wir ihnen noch ein- Dennoch stehen wir solidadie Basis für die Energie dieses betroffenen auch Menschen und mit ihm der gesamte Saar- mal einen Großteil des Wohlrisch zur Industrie im Saarland Industrielandes liefern“. Diese gibt, die vom Bergbau geplagt bergbau. Ich hoffe sehr, dass standes. Ich sage: Ihr Bergleute mit ihren Auswirkungen, denn Menschen, so stellt auch RAG- waren. Auch ihm sei klar gewe- wir den Verzicht auf die einzige könnt stolz sein auf das, was immer noch verdienen tausenChef Bernd Tönjes klar, „haben sen, dass der Bergbau enden heimische Energiequelle neben Ihr für das Saarland geleistet de Arbeitnehmerinnen und Arsich um den saarländischen wird, sagt Quinten. Nur nicht, der Braunkohle nicht eines Ta- habt. Das Saarland wird die beitnehmer hier ihr tägliches Bergleute nicht vergessen. Brot. Steinkohlenbergbau verdient dass es so schnell gehen würde. ges bitter bereuen müssen.

Viele schwarze Stunden erlebt

Stolz sein auf das Geleistete

Ein Bergmann gibt nicht auf

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FOTO: RUP

7. Jahrhundert vor Christus: Der keltische Bergbau auf Steinkohlen im 7./6. Jahrhundert v. Chr. ist belegt durch eine Perle aus so genannter Kännelkohle, einer schnitzbaren Steinkohle, die im Grab der Keltenfürstin in Rubenheim gefunden wurde. Diese Perle gilt als der bislang älteste Nachweis für den Abbau von Steinkohlen in Deutschland. 14./15. Jahrhundert: Eine erste urkundliche Erwähnung der Steinkohle entstammt dem Jahr 1357. Damals untersagten die „Edelleute Friedrich und Simon von Saarbrükken“ das Graben von Steinkohlen auf dem Bann von Dudweiler. Wichtigstes Dokument jener Zeit ist das aus dem Jahr 1429 stammende „Schöffenweistum von Neumünster“ bei Ottweiler. Dabei handelt es sich um ein Klosterbuch, in dem von der Kohlengewinnung und deren Nutzung berichtet wird. 1586: Bergordnung des Grafen Philipp zu NassauSaarbrücken. Sie regelt die Begrenzung der privaten Kohlengräbereien und enthält Bestimmungen über Kohlengewinnung und Kohlenverladung sowie Abgaben und Strafen. In die gleiche Zeit fällt eine Zunftordnung für die Kohlengräber der Gemeinden Dudweiler und Sulzbach. 1608: Als Kohlenverschiffungsplatz wird zum ersten Mal die bei Saarbrücken-St. Johann errichtete „Kohlrech“ (die spätere „Kohlwaage“) urkundlich erwähnt. 1751: Einziehung der Steinkohlengruben (Kohlengräbereien) durch den Fürsten Wilhelm Heinrich zu Nassau-Saarbrücken und Beginn der Bergmännischen Administration. Von diesem Zeitpunkt an steht der Saarbergbau im Wesentlichen ständig unter einheitlicher Leitung im Staatsbesitz – was ihn von allen anderen Bergbaurevieren des Kontinents unterscheidet. 1754: Durch Verordnung der Fürstlichen Regierung wird die Allgemeine Reservation der Steinkohlengruben und Abbaufelder vollzogen. Dieser Zeitpunkt gilt als der eigentliche Beginn der systematischen, wirtschaftlichen und rationellen Kohlengewinnung an der Saar. Anstelle der planlosen Kohlengräberei wird ein kunstgerechter Abbau, verbunden mit wirksamer Wasserlösung, eingeleitet. 1765: Anordnung der fürstlichen Rentkammer, sämtliche Gruben im Saarrevier zu markscheiden und ordentliche Risse anzufertigen. 1769: Durch Verordnung des Fürsten Ludwig zu Nassau-Saarbrücken wird eine Bruderbüchse für die Bergleute sämtlicher landesherrlicher Gruben eingerichtet, die freie Kur und Arznei sowie Krankengeld und eventuell weitere nötige Unterstützungen zu gewähren hat. 1793: Französische Revolutionstruppen besetzen die Besitzungen der Fürsten zu Nassau-Saarbrücken. Die Bergwerke werden Regiebetriebe der République Française. 1807: Napoleon I. gründet in Geislautern eine kaiserliche Bergakademie, zu deren Leiter der Bergdirektor Jean-Baptiste Duhamel ernannt wird. 1814/15: Die Gruben in der Region werden infolge der Bestimmungen des Pariser Friedens zum überwiegenden Teil von Preußen übernommen.

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FOTO: DPA

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Es bleiben Wehmut, Wut und Würde So denken Bergleute, Angehörige und Freunde über das Ende des Bergbaus an der Saar und die Feierlichkeiten

Jörg Müller, 46, Bexbach: „Ich hatte am Freitag meine letzte Schicht, ziehe jetzt nach Ibbenbüren und muss dort noch einige Jahre arbeiten. Ich pendele – montags hin und freitags zurück. Ich bleibe dem Bergbau an der Saar aber immer verbunden und werde weiterhin in verschiedenen Traditionsvereinen und dem Bergwerksmuseum Bexbach mithelfen.“

Ernst Maaß, 72, Schwarzenholz: „Ich schaue mit Wehmut und Groll auf das Ende des Bergbaus. Auch mein Vater und meine Brüder haben wie ich viele Jahre lang im Bergbau gearbeitet. Ich werde diese Zeit immer in guter Erinnerung behalten. Ich bin Fahnenträger im Bergmannsverein und werde die Tradition weiterpflegen.“

Elke Söhnel, 57, St. Ingbert: „Mein Mann hat 34 Jahre im Bergbau gearbeitet, und ich hatte oft Angst um ihn. Wir haben alle Höhen und Tiefen erlebt und dem Bergbau viel zu verdanken. Durch die Arbeit konnten wir sehr gut leben. Es gab eine große Verbundenheit unter den Kollegen, und wir haben viele schöne Feste miteinander gefeiert.“

Rolf Schultheis, 57, Bürgermeister von Friedrichsthal: „Jetzt ist es leider endgültig. Besonders schwer wird es für die, die noch viele Jahre in NRW einfahren müssen. Sie sind weit weg von der Heimat im Saarland. Das heute hier ist eine einmalige Veranstaltung, aber es muss weitergehen, wir müssen die Erinnerung an den Bergbau pflegen.“

Hans Berger, 74, Klarenthal: „Ich erlebe den Tag wutentbrannt, wegen all der Krokodilstränen, die heute hier geflossen sind. Es wäre unverantwortlich, wenn wir uns von fossilen Brennstoffen abhängig machen. Damit versperren wir der Jugend den Weg in die Zukunft. “ (Berger war in den 90er Jahren Bundesvorsitzender der IG Bergbau und Energie)

Günther Michel, 56, Fraulautern: „Ich bin sehr traurig. Ich komme seit über 20 Jahren hierher und habe viele Freunde auf der Grube. Ich habe das Gefühl, sehr viele Bergleute sind aus Protest heute nicht hierher gekommen. Das Saarland ist mit dem Bergbau groß geworden. Jetzt macht es sich von Energie aus dem Ausland abhängig.“

Anneliese Paul, 70, Bildstock: „Ich habe mein ganzes Leben mit dem Bergbau zu tun gehabt. Mein Mann war Bergmann, mein Sohn ist Bergmann und muss jetzt in einer ganz anderen Branche arbeiten. Auf der Grube haben die jungen Leute früher viel Geld verdient. Wenn ich heute in Göttelborn den Förderturm sehe, erinnere ich mich an gute Zeiten.“

Gerhard Ranker, 84, Kleinblittersdorf: „Ich erlebe den Tag heute mit gemischten Gefühlen. Ich war Bergmann von 1955 bis 1989 und zuletzt Leiter der technischen Eigenüberwachung. Die Veranstaltung heute ist für die Menschen hier sehr ansprechend, aber ich bedaure den Untergang des Bergbaus an der Saar.“ FOTOS: IRIS MAURER

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Die Karlsberg Brauerei und der Bergbau an der Saar Am 30. Juni 2012 wurde die letzte Schachtanlage des Saarlandes stillgelegt. Damit endete der Bergbau an der Saar – die besondere Verbindung zwischen der Karlsberg Brauerei und dem Bergbau aber bleibt. Schon in den Kaffeeküchen der Bergwerke gehörte ein kühles Karlsberg Pils genauso dazu wie der Ringel Lyoner. Ein Karlsberg Bräu steht für das gute FeierabendGefühl, für Genuss und Entspannung. Die Karlsberg Brauerei war als Getränkelieferant der Kantinen der Saarbergwerke immer vor Ort. Bis heute bleibt die Verbindung be-

stehen: Karlsberg war Hauptsponsor der Abschiedsfeier am Bergwerk Saar in Ensdorf. Die zahlreichen und abwechslungsreichen Werbekampagnen, in denen Karlsberg auf die Tradition des Bergbaus Bezug nimmt, machen die Zusammengehörigkeit deutlich. Schon 1937 existierte ein Werbeplakat, auf dem ein Bergmann mit Helm und Hacke zu sehen ist. Der Slogan des KarlsbergPlakates – „Je schwerer das Tagewerk um so froher der Feierabend bei einem leckeren kühlen Glas Karlsberg Bräu“ – beschreibt gleichzeitig das Lebensgefühl der Zeit und die Nachricht der Homburger Karlsberg Brauerei: „Karlsberg – Weil Leben nicht nur Arbeit ist“. Auf dem bei den Bergleuten beliebten „Bergmannskalender“ belegte Karlsberg von 1965 bis 1981 jeweils die Umschlagseite und warb zudem mit zahlreichen Anzeigen. Im Juni ging nun nach über 250 Jahren „Bergbau an der Saar“ eine

bedeutende Industrie-Epoche zu Ende. Wie kaum eine andere Branche hat die Kohle Land, Wirtschaft und Menschen geprägt. Die regionale Verankerung und die Verbundenheit zum Saarland ist die Stelle, an der die Karlsberg Brauerei und der Bergbau des Saarlandes immer wieder zusammentreffen. Und das auch in Zukunft.

Kohle, Kumpel, Karlsberg Bier! Seit jeher gehört Karlsberg zum Leben der Bergleute an der Saar.

Solidarität zum Bergbau Unter dem Motto „Kohle, Kumpel, Karlsberg Bier“ begleitet Karlsberg die ehemaligen Bergleute auch nach dem Ende des Saar-Bergbaus und bringt damit seine Solidarität zum Ausdruck. Denn auch hier gilt: „Karlsberg Bier-Gefühl ist Wir-Gefühl!“. Zum Dank erhielten alle ehemaligen Bergleute einen Gutschein für eine Kiste Karlsberg UrPils. Am „Tag des Abschieds“ am 30. Juni verteilte Karlsberg außerdem „Glück Auf“-Flaschenöffner an alle Besucher. PR 65. m Jahre 19 ige aus de ze n A rg e Karlsb

Links: In Werbekampagnen nahm die Karlsberg Brauerei immer auch Bezug auf den Bergbau. Rechts: Am „Tag des Abschieds“ am 30. Juni verteilte Fotos: Karlsberg Karlsberg „Glück Auf“-Flaschenöffner an alle Besucher.

Karlsberg UrPils. Frisch. Würzig. Herb.

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1848/52: Die Saarbrücker Eisenbahn verbindet St. Johann und Neunkirchen. An der neuen Bahntrasse siedeln sich die so genannten Eisenbahngruben an. 1877/80: Bau der Königlich-Preußischen Bergwerksdirektion in Saarbrücken. Heute ist dort das Einkaufszentrum Europagalerie untergebracht. 1908/11: Bau des Förderturmes Camphausen IV – es ist die weltweit erste Turmförder-Konstruktion in Stahlbeton. 1919/20: Inkrafttreten des Versailler Friedensvertrages und Gründung der Mines Domaniales Françaises de la Sarre durch Dekret der französischen Regierung. Der Gesellschaft unterstehen 29 Bergwerke mit über 65 Förder- und 88 Hilfsschächten sowie 26 Wäschen, eine Kokerei und vier Kraftwerke. 1935: Nach der Volksabstimmung vom 13. Januar kehrt das Saargebiet im März ins Deutsche Reich zurück. Die Gruben werden in die Saargruben AG eingebracht, deren Aktienbestand in Händen des Deutschen Reiches liegt. 1945: Am 21. März besetzen US-Truppen das Saarland. Die zum Teil stark zerstörten Bergwerke unterstehen zunächst der amerikanischen KontrollKommission (Saar Mining Mission). Am 10. Juli beendet sie ihre Tätigkeit und die Kontrolle geht auf die Mission Française des Mines de la Sarre über. 1948/49: Am 1. Januar übernimmt die Régie des Mines de la Sarre alle Güter und Rechte der Saargruben AG. 1954: Am 1. Januar tritt der von Frankreich und dem Saarland 1953 unterzeichnete Vertrag über den gemeinsamen Betrieb der Saargruben in Kraft. Er sieht die Ablösung der Régie des Mines durch die Saarbergwerke vor.


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1957: Nach der Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik wird am 30. September die Saarbergwerke AG mit Sitz in Saarbrücken gegründet. Anteilseigner sind die Bundesrepublik mit 74 Prozent und das Saarland mit 26 Prozent. 1958 besaßen die Saarbergwerke 99 in Betrieb befindliche Schächte. Schon im selben Jahr mussten infolge der veränderten Verhältnisse auf dem Energiemarkt die ersten Feierschichten gefahren werden. 1962: Am 7. Februar wird der Saarbergbau von dem folgenreichsten Grubenunglück seiner Geschichte getroffen. 299 Bergleute finden auf dem Bergwerk Luisenthal den Tod. 1988: Die Saarbergwerke AG verabschiedet das Drei-Standorte-Konzept. Dieses sieht unter anderem die Stilllegung der Förderung am Standort Camphausen im Jahre 1990 und die Schaffung des Verbundbergwerkes Göttelborn/Reden (Verbund Ost) vor. Die Anlagen Luisenthal und Warndt werden zum Verbundbergwerk West zusammengefahren. Das Bergwerk Ensdorf bleibt selbstständig. 1997: Im März kommt es zu einer harten Auseinandersetzung der Bundesregierung mit den Bergleuten und ihrer Gewerkschaft Bergbau und Energie (IGBE). Tagelang herrscht in der damaligen Hauptstadt Bonn Belagerungszustand. Die Reviere an Ruhr und Saar sind im Aufstand. Am 13. März wird ein Kompromiss zwischen der Regierung, der IGBE und den BergbauUnternehmen gefunden. Für die Saar bedeutet dies, dass die Steinkohlenförderung auf dem Bergwerk Göttelborn/Reden Ende 2000 eingestellt wird. 1998: Am 1. Oktober wird die Deutsche Steinkohle AG (DSK) mit Sitz in Herne gegründet. Sie übernimmt die Bergwerke an Ruhr, Rhein und Saar. 2004: Zum 1. Januar werden die Förderstandorte Ensdorf und Warndt/Luisenthal zum Bergwerk Saar zusammengeführt. 2006: Das Verbundbergwerk Warndt-Luisenthal (Verbund West) wird am 1. Januar stillgelegt. Jetzt ruhen alle Hoffnungen für den künftigen Bergbau an der Saar auf dem Flöz Schwalbach.

Mit brennenden Fackeln schufen Mitglieder der Grubenwehr am Ende der Mettenschicht eine bewegende Atmosphäre.

FOTO: OLIVER DIETZE/DPA

Momente des Abschieds Viel Prominenz und tausende Freunde des Bergbaus beim letzten „Glück auf“ in Ensdorf

Umweltminister Peter Altmaier, RAG-Chef Bernd Tönjes und Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer. FOTO: RUP

Wie wird sich dieser kleine Junge wohl einmal an den Bergbau im Saarland erinnern? FOTO: OLIVER DIETZE

Schutzpatronin: Bergleute in traditioneller Montur tragen die mit Blumen geschmückte Heilige Barbara aufs Festgelände des Bergwerks Saar. FOTO: OLIVER DIETZE

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Prominenz mit großen Verdiensten für den Bergbau: Ex-Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine und Reinhard Klimmt. FOTO: DIETZE

Mehr als 10 000 Menschen kamen am Samstag zur Mettenschicht auf das Gelände des Bergwerks Saar. FOTO: B&B

Bergwerksleiter Friedrich Breinig während seiner Ansprache. FOTO: OLIVER DIETZE


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,,Das Leben ist eine kostbare Leihgabe, die uns der göttliche Schöpfer anvertraut hat.“ Der Trierer Bischof Stephan Ackermann in seiner Ansprache

Die Kirchenvertreter Gottfried Müller, Robert Brahm, Stephan Ackermann und Barbara Rudolph (v.l.).

FOTO: ROLF RUPPENTHAL

Glockengeläut und kirchlicher Segen Ökumenische Gedanken während der Mettenschicht zum Leben nach dem Bergbau Von SZ-Redakteur Lothar Warscheid

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„Doch in Gottes Namen gibt es keinen freien Fall.“ Barbara Rudolph, Oberkirchenrätin der Evangelischen Kirche im Rheinland, zu den Bergleuten

ie Glocken waren es, die den Beginn der Mettenschicht zum Ende des Bergbaus an der Saar einläuteten. Anfangs war es die Anfahrtsglocke, die hell über das Gelände der Anlage Duhamel hallte. Danach läuteten in nahezu allen saarländischen Gemeinden die Kirchenglocken zum Gedenken an diese prägende Industrie-Epoche. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann wies darauf hin, wie selten ein solches Ereignis ist und diese Art der Glocken-Symphonie nur erklingt, „wenn ein neuer Papst oder ein neuer Bi-

schof gewählt ist“. Das Schwingen einer Glocke sei zwar nur ein mechanisches Geräusch, bei dem Metall auf Metall schlägt. „Doch ihre Schwingungen gehen unter die Haut, wecken tiefe Gefühle – vor allem an einem solchen Tag des Abschieds“, rief der Bischof den Versammelten zu. Er zollte dem Bergmanns-Beruf Respekt, „weil der Arbeiter untertage in lebensfeindliche Räume eindringt“. Man sei nahe an der Gefahr und sollte sich stets dessen bewusst sein, „dass das Leben nicht unser Eigentum ist, sondern nur eine kostbare Leihgabe, die uns der göttliche Schöpfer anvertraut hat“. Barbara Rudolph, Oberkirchenrätin der Evangelischen

Kirche im Rheinland, beschäftigte sich damit, dass ausgerechnet der biblische Unglücksrabe Hiob (Hiobsbotschaft) über den Bergbau die Weisheit findet. Sie, die Bergmannstochter, sei schon früh auf Hiob gestoßen, der schreibt, dass „tief in der Erde der Mensch nach Eisen und Kupfer gräbt“. „Bis in den letzten Winkel stößt er vor, aus tiefstem Dunkel holt er das Gestein.“ Die Weisheit Gottes reiche jedoch tiefer, machte Rudolph deutlich. „Die tiefste Tiefe sagt: Hier ist sie nicht!“, schreibt Hiob. Doch am Ende löst er das Rätsel auf: „Den Herren stets ernst zu nehmen, das ist Weisheit.“ Die Bergleute – aber auch die vom Bergbau Be-

troffenen – hätten viele Hiobsbotschaften ertragen müssen, erinnerte die Kirchenfrau. „Doch in Gottes Namen gibt es keinen freien Fall.“ Der Auftritt der katholischen und evangelischen Würdenträger hatte etwas Feierliches und trug Züge eines Gottesdienstes. Die anschließenden Fürbitten waren für die kommenden Generationen. Gemeinsam mit ihren Zuhörern beteten Ackermann und Rudolph mit Weihbischof Robert Brahm und dem Oberkirchenrat Gottfried Müller ein „Vater unser“, bevor zum Segen der Kirche am Ende feierlich das dreistrophige „Te Deum“ („Großer Gott, wir loben dich“) erklang.

2006: Bedingt durch mächtige Sandsteinbänke oberhalb der Flöze kommt es in der Primsmulde immer wieder zu Erderschütterungen, wenn die Bänke brechen. Die Bevölkerung macht ihrem Unmut immer stärker Luft. 2007: Ende des Jahres tritt das Steinkohlefinanzierungsgesetz in Kraft und legt das sozialverträgliche Ende des subventionierten Steinkohlenbergbaus für 2018 fest. 2008: Am 23. Februar kommt es zu der bis dahin stärksten Erderschütterung in der Primsmulde Süd mit der Stärke 4,0 auf der Richterskala. Die Landesregierung verfügt einen sofortigen Abbaustopp, weil sie Leib und Leben in Gefahr sieht. Mehr als 4100 Mitarbeiter des Bergwerks Saar gehen in Kurzarbeit. Die RAG beschließt, den Abbau in der Primsmulde aufzugeben und die künftige Förderung auf die problemlosen, aber wenig ergiebigen Strebe 8.6 und 8.7 Ost, Flöz Wahlschied, Feld Dilsburg Ost zu konzentrieren. Außerdem wird beschlossen, den Bergbau an der Saar Mitte 2012 auslaufen zu lassen. 2010: Bis zum Ende des Saar-Bergbaus müssen 1400 Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens ins Ruhrgebiet oder nach Ibbenbüren wechseln. 2012: Am 30. Juni wird der Bergbau im Saarland endgültig eingestellt. red 쐌 Hauptquelle: „Der saarländische Steinkohlenbergbau: Dokumentation seiner historischen Bedeutung und seines kulturellen Erbes“, Karlheinz Pohmer (Hrsg.), Krüger-Verlag.

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Bandbreite der Gefühlswelten Die DVD-CD-Box „Kaffeeküch’ und Schlagende Wetter – 250 Jahre Bergbau an der Saar“ vom Saarländischen Rundfunk zum Ende des Bergbaus ist ab sofort erhältlich. „Kaffeeküch’ und Schlagende Wetter“, der Titel unserer DVD-CD-Box anlässlich des Endes des Bergbaus an der Saar nach rund 250 Jahren, beschreibt sehr gut die extreme Bandbreite der Gefühlswelten, die der Bergbau in zweieinhalb Jahrhunderten im Saarland geprägt hat. Zwischen der „Heimeligkeit“, der warmen Geborgenheit der „Kaffeeküch’“, dem Treffpunkt der Bergleute auf dem Grubengelände, in dem es das Bergmannsfrühstück und ein „Schwätzje“ unter Kollegen gab und dem „Schlagenden Wetter“, einer Feinstaubexplosion unter Tage, die den Albtraum eines jeden Bergmanns darstellt und der 1962 im schlimmsten Grubenun-

Der Bergbau hat das Saarland geprägt.

glück Deutschlands in Luisenthal 299 Menschen zum Opfer fielen, liegen viele Grautöne bewegender Fakten und Ereignisse wie etwa der große Bergarbeiterstreik der 90er Jahre und die Auseinandersetzungen um die Bergbauschäden ab Mitte der 2000er-Jahre. Der Titel beschreibt die beiden Extreme: Das der Geborgenheit im Bergbau, der Arbeits- und Lebensumfeld definierte, den Lebensunterhalt absicherte, Kameradschaft und Miteinander förderte und über die Schicht hinaus die Saarländer in einen Wattebausch von sozialen Netzwerken packte. Auf der anderen Seite die körperlich extrem harte und oft sehr gefährliche Arbeit unter Tage, verbunden mit Hitze, Lichtentzug und langen An- und Abfahrtswegen im Stollen und von und zum Bergwerk. Hinzu kommen in neuester Zeit die enormen Schäden über Tage durch den Bergbau, die die Menschen in bestimmten Regionen des

Foto: RAG-Archiv

Saarlandes in Angst und Schrecken versetzen. Der Bergbau hat das Saarland geprägt, hat seinem sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben genau wie seiner Landschaft seinen Stempel aufgedrückt, der noch lange sichtbar bleiben wird. Der Saarländische Rundfunk hat über all die Jahre dieses ambivalente Verhältnis der Saarländer zu ihrem Bergbau ausgewogen, angemessen und fair begleitet, vermittelt und kommentiert. Der Bergbau in all seinen Facetten und mit all seinen verschiedenen Wirkweisen auf Mensch und Natur im Saarland, auf Wirtschaft und Gesellschaft, auf Politik und Kirche wurde seit Bestehen des Saarländischen Rundfunks vor 55 Jahren in Hörfunk und im Fernsehen und in jüngeren Jahren auch in unseren Telemedien-Angeboten abgebildet. Die wesentlichen und prägenden Momente des Bergbaus an der Saar mit ihren direkten und indirekten Auswirkungen auf das Leben der Saarländerinnen und Saarländer finden Sie auf der DVDCD-Box, die unsere Programme für Sie zusammen getragen haben. Auf den CDs finden sich erstklassige Radiofeatures zur Geschichte des Bergbaus an der Saar, zum Grubenunglück in Luisenthal, zur Kultur des Bergbaus und zu persönlichen Erinnerungen der Menschen, für die der Bergbau ihr Leben war und ist. Auf der DVD befinden sich zwei spannende Fernsehfeatures zu 250 Jahren Bergbau an der Saar sowie zur Schließung des letzten Bergwerks im Saarland. Erinnern Sie sich mit uns an eine bedeutende Zeit, verbunden mit Wachstum und Niedergang, Hoffnung und Verzweiflung, harter Arbeit und verbindender Kameradschaft, zwischen „Muddaglitzje“, „Kaffeeküch’“ und Schlagenden Wettern, die jetzt ihren endgültigen Abschluss findet. PR 쏆 Die DVD ist ab sofort für 14,95 Euro im „SR-Shop im Musikhaus Knopp“ sowie über SRshop.de erhältlich.

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Kaffeeküch' und Schlagende Wetter 250 Jahre Bergbau an der Saar


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Fördertürme, Bergehalden und Absinkweiher – das Saarland ist voll von Wahrzeichen des Bergbaus. Und von vielen kleinen Orten der Erinnerung.

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Bergbau-Ensemble in Landsweiler-Reden an der Klinkentalhalle.

Die sakral wirkenden Bleiglasfenster im Treppenhaus der Saarbrücker Bergwerksdirektion.

Denk mal: Orte der Erinnerung

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rinnerungen sind elementar, sie prägen Kultur und Verhalten, sie sind Brücken von der Vergangenheit in die Zukunft. Deshalb sind für eine Gesellschaft Erinnerungsorte so wichtig. Sie sind das kollektive Gedächtnis einer sozialen Gruppe, sie haben eine große symbolische Bedeutung, und sie stiften Identität. Die wahren Erinnerungsorte des Bergbaus an der Saar sind die Gruben selbst, ihre Fördertürme, Gerüste, Maschinenhallen, Mundlöcher. Aber auch eigene Denkmäler sollen an vielen Orten an den saarländischen Steinkohle-Bergbau erinnern. Das Saarland ist voller Erinnerungsorte, in zahlreichen Gemeinden stehen steinerne oder metallische Kunstwerke, die an die wichtigste Industrie der saarländischen Geschichte erinnern. Das monumentalste Denkmal ist noch nicht fertig, es wird das Polygon in Ensdorf sein (siehe letzte Seite). Besondere Erinnerungsorte sind auch der „Redener Hannes“, der Bronze-Bergmann am Eingang der Grube Reden; die Bergwerksdirektion in Saarbrücken mit ihren sakral wirkenden Bleiglasfenstern; das Ensemble mit Mini-Förderturm in Landsweiler-Reden; die stilisierte Barbara-Statue vor der Grube Luisenthal; der Bergmann mit Presslufthammer am Ortseingang in Sulzbach; die KohleLore mit Halbrad und Wappen am Ortseingang Fischbach; die aufgehängte Kohlelore mit Stahlelementen am Verkehrskreisel Riegelsberg; die Statue der Heiligen Barbara am Krankenhaus Sulzbach. Allesamt sind sie Gedächtnisspeicher für die Menschen im Saarland – und für kommende Generationen. bb

Bergmann bei der Arbeit, Denkmal am Ortseingang von Sulzbach.

Barbara-Statue an der Grube Luisenthal. FOTOS: OLIVER DIETZE

Grüne Idylle: Kohlelore mit Halbrad und Gemeindewappen am Ortseingang in Fischbach.

Der „Redener Hannes“ auf der Grube Reden gilt als „der Saar-Bergmann“, geschaffen von Fritz Koelle.

Montankunst: Kohlelore mit Stahlelementen am Verkehrskreisel Riegelsberg.

Die Heilige Barbara des Künstlers Ernst Alt vor dem Knappschaftskrankenhaus in Sulzbach.

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Wandern, Radfahren, Reiten – Urlaub in bewegter Landschaft Besuchen Sie das Historische Kupferbergwerk Düppenweiler. Tauchen Sie ein in die Unter-TageWelt des Besucherbergwerkes bei einer Führung mit der Licht- und Toninstallation ,,Mystallica“. Über Tage locken neue Attraktionen wie die neue Kupferhütte mit Pochwerk, Schmelzhütte und Maschinenanlagen. Wandern Sie auf dem Premium-Wanderweg der Gemeinde Beckingen, dem Litermont-Sagenweg. Genießen Sie wunderbare Aussichten auf dem PanoramaHöhenweg im Naturschutzgebiet Wolferskopf mit seiner einzigartigen Flora und Fauna, vielfältigen Tier- und Insektenarten sowie über 30 Orchideen- und Wildrosenarten. Der ,,SaarGarten“ Beckingen lädt zum Verweilen, Flanieren und Staunen ein. Auch Kunstfreunde kommen in diesem Skulpturengarten auf ihre Kosten! Im ,,SaarGarten“-Skulpturenpark lädt einer der schönsten Spielplätze im Saarland mit Piratenschiff, dem Leuchtturm mit seinen Riesenrutschen, großer Schaukel, Matschecke und Strandlandschaft Familien und Kinder zum Toben und Verweilen ein. Nähere Informationen: Tourist-Info Gemeinde Beckingen Tel. (0 68 35) 55-1 05 oder www.beckingen.de

Neue Attraktion in Beckingen Das Historische Kupferbergwerk in Beckingen-Düppenweiler fungiert seit 1986 als Besucherbergwerk, das einen abenteuerlichen Einblick in die harten Arbeitsbedingungen „unter Tage“ erlaubt. Dort werden außerdem mittels der Licht- und Toninstallation „Mystallica“ die „Herzstücke“ des Bergwerks mit Beleuchtung, Musik, Geräuschen und gesprochenen Texten präsentiert. Nach der Einfahrt über den Barbaraschacht gelangt der Besucher in den „Dom“, wo der Abbau der Erze in großen Räumen und Höhen mit Hilfe einer Bühnenbautechnik dargestellt wird. Im „Maschinenschacht“ wird über die Probleme, die das reichlich vorhandene Grundwasser mit sich brachte, informiert. Am „Unterirdischen See“ erlebt man während einer Zeitreise in die Erdgeschichte die Entstehung der Erze. Als neue Attraktion auf dem

Über-Tage-Gelände kann die neue Kupferverhüttungsanlage mit Pochwerk, Erzwäsche, Erzrösten und Schmelzhütte besichtigt werden. Die voll funktionsfähige, historische Kupferhütte veranschaulicht dem Besucher die Verarbeitung des Erzes nach seiner Förderung im Bergwerk des 18. Jahrhunderts. Am Samstag, 21. Juli, um 19 Uhr steht wieder „Blech im Bruch“ auf dem Programm. Mit der Produktion

Hier geht es zum „Unterirdischen See“.

„A Highland Symphony“ wird das Gebiet des sagenumwobenen Königs Artus und den Rittern der Tafelrunde betreten. PR 쏆 Öffnungszeiten des Bergwerkes: Von Anfang April bis Ende Januar jeden Freitag, Samstag und Sonntag im Monat sowie an Feiertagen (außer Weihnachten und Silvester) von 14 bis 18 Uhr, ansonsten nur nach Vereinbarung. Weitere Infos: www.beckingen.de.

Fotos: Gemeinde Beckingen


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Die Kohle hat den Landstrich, den wir heute Saarland nennen, geprägt wie sonst nichts. Ein paar Daten und Fakten zum Bergbau an der Saar:

1,5 Mrd. Tonnen Kohle wurden nach Angaben der RAG seit 1751 aus der saarländischen Erde geholt. Das entspricht der weltweiten Produktion von Obst und Gemüse im Jahr 2011 oder der Masse aller Tiere in den Ozeanen. Die höchste Jahresförderung wurde 1955 mit 17 Millionen Tonnen erreicht.

75 000 Menschen waren zu Spitzenzeiten im Bergbau an der Saar beschäftigt, das war 1924. Dabei hatte alles so klein angefangen: 1773 lag die Zahl der Mitarbeiter bei 141, im Jahr 1816 waren es knapp 1000, 1855 schon rund 10 000 und 54 000 anno 1910. 50 Jahre später setzte der Niedergang ein: Zwischen 1960 und 1970 halbierte sich die Zahl der Beschäftigten auf knapp 27 000.

450 Kilometer sind es von Saarbrücken bis Ibbenbüren, wo 2010 die ersten 175 Saar-Bergleute ihre Arbeit aufnahmen. Bis Mitte 2013 sollen insgesamt rund 1400 Beschäftigte von der Saar nach NordrheinWestfalen gewechselt sein.

299 Bergleute starben 1962 bei der schlimmsten Katastrophe des Saar-Bergbaus in Luisenthal. Auch in anderen Gruben gab es viele Tote. Zum Beispiel 1864 (34 Tote) und 1907 (150 Tote) in Reden, 1885 in Camphausen (175 Tote) oder 1930 in Maybach (99 Tote).

1712,70 Meter unter der Erde liegt der tiefste Punkt des Saar-Bergbaus – es ist zugleich der tiefste zugängliche Punkt in Europa. Die Seilfahrt bis zur 24. Sohle im Nordschacht des Bergwerks Saar bei LebachHoxberg dauerte zuletzt rund sieben Minuten.

94 Erderschütterungen

gab es von Juni 2007 bis Februar 2008 im Raum Saarwellingen. Das heftigste Beben am 23. Februar 2008 erreichte eine Stärke von 4,0 auf der Richterskala und Schwinggeschwindigkeiten von bis zu 93,5 Millimetern pro Sekunde.

27 500 Mitglieder hat der Landesverband der Bergmanns-, Hüttenund Knappenvereine des Saarlandes, der sich besonders der Pflege bergmännischer Traditionen verpflichtet hat.

1372 Pferde waren 1906 im Saar-Revier unter Tage im Einsatz. Schon 1875 sollen es 600 gewesen sein, 1910 über 1600. Bis Mitte der 1960er Jahre setzte man im deutschen Bergbau auf die Hilfe der „Gruwepäär“.

1908 setzte das Grubensterben an der Saar ein, als Geislautern geschlossen wurde. Massiv wurde es im Zuge der Weltwirtschaftskrise: 1931 und 1932 machten gleich fünf Gruben dicht. Zwischen 1958 und 1968 wurden weitere 13 Gruben aufgegeben. tho

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Wo der Saar-Bergbau weiterlebt Nach dem Ende von Ensdorf arbeiten viele Saarländer jetzt in Ibbenbüren Prozent die Familie nicht mitbringen. Sie pendeln spätestens jedes zweite Wochenende, was aarländische Bergleute nicht ohne Risiken ist. Denn alsind flexibel. Beim Ver- leine die vielen engen Großbausuch, an ihrer neuen stellen im Großraum Köln forWirkungsstätte in Ost- dern auch nach der Schicht westfalen zumindest höchste Aufmerksamkeit. Für eiein wenig heimatliche Atmosphä- ne Strecke muss man fünf Stunre zu schaffen, muss sich aber den einkalkulieren. Derzeit überlegt die RAG in Ibbenbüren, wie wohl noch einiges einspielen. So redet die 51 000 Einwohner man noch besser Fahrgemeinzählende Stadt Ibbenbüren heute schaften organisieren kann, etwa noch über die erste „saarländi- durch elektronisch vermittelte sche Kneipenfastnacht“. Sogar Angebote im Bergwerk. Auch fidie Lokalpresse erschien, als sich nanziell ist die Doppelbelastung im „Ledigs Anna“ zwei verkleide- einer Wohnung in Ibbenbüren te Herren einfanden, die sich als und der Wohnung oder des Hau„Mönch“ und „Robin Hood“ aus- ses an der Saar nicht so einfach zu gaben. Jörg Loosz, Prokurist für schultern. Manche tun sich diesen Stress Belegschaftswesen im Bergwerk Ibbenbüren, klärt lächelnd auf: erst gar nicht an, sondern haben „Fastnacht in Ibbenbüren geht Frau und Kinder mitgenommen ohne Verkleidung. Die trinken nach Ibbenbüren. Zumal dort ein Netz an Kinderbetreuungs-Einein Bierchen und gut iss.“ Einfacher verläuft die Annähe- richtungen und alle Schultypen rung der Mentalitäten in der täg- existiert. „Bei der Wohnungssulichen Arbeit im Bergwerk Anth- che wird versucht, alle Wünsche razit. Torsten Marquardt (45) aus zu berücksichtigen. Bisher hat es Überherrn, der seit 1. Februar keine Beschwerden gegeben“, 2012 vor Ort ist, rät seinen saar- sagt RAG-Arbeitsdirektor Buhländischen Kollegen, sich nicht ren-Ortmann. Jeder konnte sich zu verschließen, weder beruflich gemeinsam mit Ehefrau oder Lebensgefährtin drei noch privat. „Keiner bis vier Angebote beißt einen. So ansehen. schlimm ist das hier „Die Dass es bisher so oben gar nicht. Wir arbeiten da, wo an- Saar-Bergleute gut geklappt hat, ist auch auf Sabine dere Urlaub masind bei uns Lesch-Hoffmann chen.“ Wer will, zurückzuführen. kann viele Freizeitwillkommen. Die Saarländerin möglichkeiten nutzen. Zudem liegen Wir brauchen aus Schwalbach kümmert sich seit Hamburg, Bremen, sie.“ drei Jahren im VerMünster und auch legeteam der RAG die Niederlande vor Jörg Anthrazit um die der Tür. Buhren-Ortmann, Wohnungswünsche. Selbst an KleinigArbeitsdirektor im Was der Saarländer keiten lässt sich abRAG-Bergwerk sucht? „Eine kleine, lesen, dass die RAG Anthrazit Ibbenbüren schnuckelige Wohvieles unternimmt, nung mit etwas Garum den Saarländern die Umgewöhnung zu erleich- ten, wo man Schwenken kann.“ tern. Und von Zeit zu Zeit an ihre Für 300 bis 400 Euro Miete ist Heimat erinnert zu werden. So das machbar. Selbst Urlaubswünerscheint im Bergwerk überall sche werden möglichst erfüllt. auf Info-Bildschirmen gleichzei- Das Gleiche gilt für kulinarische tig die Wettervorhersage für Ost- Annehmlichkeiten, wenn man einige sprachliche Besonderheiten westfalen und das Saarland. 300 Saar-Bergleute haben be- verinnerlicht. „An der Saar wird reits in den vergangenen zwei geschwenkt, hier wird gegrillt. Jahren die Schicht in Ibbenbüren Wenn man beim Metzger also angetreten. Die heiße Phase be- Grillware bestellt, versteht der eiginnt jetzt mit dem endgültigen nen“, sagt Lesch-Hoffmann. Mancher „Geheimtipp“ ist Ende des Saar-Bergbaus. Direkt im Anschluss machen sich weite- auch schon bekannt. So weiß re rund 200 Bergleute auf den Steiger Achim König (42) aus Weg. Die Verlegung von 1000 Mandelbachtal zu berichten: Saarländern innerhalb des ge- „Man bekommt saarländisches samten Jahres ist eine große lo- Bier. Wenn man Ur-Pils will, gistische Herausforderung. Zu- muss man zum Marktkauf fahmal es jetzt verstärkt ganze Fami- ren. Nur Lyoner muss man sich lien trifft. Bisher wurden vorran- noch mitbringen“, sagt König, gig Junggesellen verlegt, um so- der sich seit dem 1. Juni 2011 um die Verbesserung von Arbeitsabziale Härten zu vermeiden. Jörg Buhren-Ortmann, Ar- läufen im Bergwerk kümmert. beitsdirektor im RAG Bergwerk „Man muss sich schon etwas anAnthrazit Ibbenbüren, und Be- passen, aber man sollte von Antriebsrat Reinhard Alkemeyer fang an Fragen stellen, nicht waräußern viel Lob über die Leis- ten. Man muss sich seinen Platz tungsbereitschaft und fachliche erkämpfen. Dann wird man auch Qualität der saarländischen Kol- respektiert“, rät König seinen legen. „Die Kollegen sind bei uns künftigen Kollegen aus dem Saarwillkommen. Die Saar-Bergleute land. Bergmann Marquardt empsind sehr gut ausgebildet. Wir brauchen sie“, sagt Buhren-Ort- fiehlt, die Freizeit zu genießen mann. Die hohe Wertschätzung und Sport zu treiben. So gibt es hat noch einen weiteren Grund. bei der RAG in Ibbenbüren ein ,,Der Bergbau ist hier noch sehr Gesundheitszentrum, in dem angesehen. Und mit 2400 Be- kostenlos trainiert werden kann. schäftigten gleichzeitig auch der Mit allen Annehmlichkeiten eigrößte Arbeitgeber in unserer nes Fitnesscenters. Ideal, um Region“, sagt der SPD-Bürger- auch hier neue Kontakte zu meister von Ibbenbüren, Heinz knüpfen. In Zusammenarbeit mit Knappschaft und BerufsgenosSteingröver. Nicht mehr so einfach wie noch senschaft werden viele Aktivitävor zwei Jahren ist die Woh- ten angeboten: vom Kochkurs nungssuche. Eckhard Ferlemann über Rücken-Schulungen bis vom Immobiliencenter der zum Lauftraining mit Nordic Kreissparkasse Ibbenbüren be- Walking. Auch viele Fahrrad- und stätigt, „dass gute Zwei-Zimmer- Wanderwege sind vorhanden. Wohnungen schwer zu bekom- Gerne werden die Saarländer men sind. Das führen wir schon auch in den Vereinen gesehen. Es auf den Zuzug der saarländischen gibt einen Musikverein, ein SinBergleute zurück.“ Von denen 95 fonieorchester, eine Bergmanns-,

Von SZ-Redakteur Thomas Sponticcia

S

Saar-Bergleute in Ibbenbüren. Das Bild zeigt am Nordschacht des Bergwerks Anthrazit (von links) Stefan Schmitt (Losheim am See), Torsten Marquardt (Überherrn) und Achim König (Mandelbachtal). FOTO: RAG und eine Blaskapelle. Gesucht sind Freiwillige, die sich um den Erhalt des Brauchtums im Bergbau kümmern. Ein Saarländer führt schon Besuchergruppen durch das Bergbaumuseum, ein anderer bereichert den „Harley Davidson Club“. Bergmann Stefan Schmitt (47) aus Losheim am See hat seine anfängliche Scheu abgelegt. Und sich gut eingear-

beitet. Die Wohnung hat er mit seiner Frau ausgesucht. Ihm gefällt es in Ibbenbüren. Er wird wohl fünf bis sechs Jahre bleiben. Und dann? An diesem Punkt wird es heikel. Das Heimweh kommt zur Sprache, von dem in Ibbenbüren die meisten Saarländer betroffen sind. „Für immer will ich hier nicht bleiben“, sagt Schmitt. Kol-

lege Marquardt ist offener. ,,Mal sehen, was das Leben noch bringt. Vielleicht mal am Meer leben.“ Für Achim König sind solche Vorstellungen völlig ausgeschlossen. „Ich werde zurückgehen ins Saarland. Jetzt, wo ich weg bin von daheim, lerne ich die Heimat erst so richtig schätzen. Man klebt eben an seiner Scholle. Dahemm is dahemm!“

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Das große Denkmal auf der Bergehalde Ensdorf

D

ie Vorbereitungen zur Realisierung des großen Denkmals, das auf der Bergehalde Duhamel in Ensdorf an die technischen und sozialen Leistungen im saarländischen Bergbau erinnern soll, laufen auf Hochtouren. Die Grundsteinlegung ist für September 2012 vorgesehen. Das Saar-Polygon soll im April 2013 fertig sein. Nach Angaben des Vorsitzenden des Fördervereins Bergbau-Erbe-Saar, Hans-Jürgen Becker, werden die Baukosten 1,1 Millionen Euro betragen. Man lege dabei Wert auf Qualität und Langlebigkeit. Der Clou des einmaligen Wahrzeichens: Durch die besondere Konstruktion sieht es aus jeder Himmelsrichtung anders aus. Ursprünglich sollte das Saar-Polygon zum Ende des Bergbaus am 30. Juni 2012 fertiggestellt sein. Bis vor kurzem war jedoch die Finanzierung noch nicht sichergestellt. Ein Vorstands-Beschluss schreibt die komplette Finanzierung vor, bevor mit dem Bau des Denkmals begonnen wird. Dies ist jetzt der Fall. Auch die Landesregierung habe nunmehr ihren Anteil bewilligt, sagt Becker. Die Belegschaft selbst trägt 250 000 Euro durch den Verkauf von Treppenstufen bei, die zum Denkmal führen. Dabei erhält derjenige, der eine Stufe erwirbt, ein Namensrecht. 78 Stufen können noch käuflich erworben werden (bis zu 1000 Euro). Auch Unternehmen können als Sponsoren auftreten. Die Bezeichnung Polygon stammt aus dem Griechischen und bedeutet Vieleck. Die begehbare Großskulptur der Berliner Architekten Katja Pfeiffer und Oliver Sachse ging als Sieger aus einem Wettbewerb „Landmarke zum Ende des Bergbaus“ hervor, den die RAG AG zum Ende des Bergbaus ausgeschrieben hatte. ts

MONTAG, 2. JULI 2012

Von Johannes Kühn

Bergmann, du warst der Mensch, der Reichtum brachte, und ob auch als Arbeitsmann angesehen, erlebtest du, wie die Wölkchen am Himmel spielten, wie Schnee lag bei Weiden am Bach – und gleich, was sich sonst begab an Erfreulichem über der Erde – du musstest hinab in den Schacht zu Arbeitsqual, in die Gefangenschaft der Schicht an Löhnung denkend. Dein Leben war kein Lustspiel. Man bewunderte dich, man bedauerte dich, man höhnte dich. Schwarzes Gold heißt die Kohle mit gehöhtem Namen. Bergmann, dich, der es förderte, sah man jahrhundertelang in unserem Land. Das ist vorbei, es schließen alle Stollen, Knappe, begreif es! Nun such dir andere Arbeit! Was Fluch war, das war auch Segen. Ich stolpere nicht in Verneinungen. Ich stolpere nicht in Bejahungen. Ich habe wie viele sonst, gar keine Macht dir zu helfen. Bedauernd prophezei ich: Du wirst zur Erinnerung. Die haltet in Ehren, Menschen der Heimat!

Wahrzeichen der Bergbau-Ära im Saarland: So soll es aussehen, das Saar-Polygon auf der Halde Duhamel in Ensdorf. Die begehbare Skulptur kostet rund 1,1 Millionen Euro. ENTWURF: KATJA PFEIFFER/OLIVER SACHSE

쐌 Der Lyriker Johannes Kühn (78) aus Tholey-Hasborn stammt aus einer Bergmannsfamilie. Dieses auch persönlich gefärbte Gedicht hat er eigens für die SZ zum Ende des Bergbaus verfasst.


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