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Möglichkeiten, Chancen und Grenzen der Besuchsmittlung
CLAUDIA WEISS*
Im Jahr 2023 blickt die bundesweite Familiengerichtshilfe auf ihr zehnjähriges Bestehen zurück. Anlässlich dieses Jubiläums werden in der iFamZ Beiträge und Erläuterungen Einblick in die einzelnen Aufgaben der Familien- und Jugendgerichtshilfe geben.
In diesem Beitrag wird den Fragen nachgegangen, was eine Besuchsmittlung können soll, was eine solche tatsächlich kann und woran sie scheitert.
I.Was ist Besuchsmittlung?
* In Verfahren zur Regelung oder Durchsetzung des Rechts auf persönliche Kontakte kann die Familiengerichtshilfe als Besuchsmittlerin eingesetzt werden (§ 106b AußStrG). Dies geschieht nicht auf Antrag der Parteien, sondern ausschließlich durch Gerichtsbeschluss. Grundsätzlich kann eine Besuchsmittlung fünf Monate dauern; bei Bedarf kann sie allerdings verlängert werden, wobei die Verlängerung Gerichtsgebühren von derzeit 236 € pro Elternteil auslöst.
Ziel jeder Besuchsmittlung ist es, jene Konfliktpunkte, die zur Störung der Kontakte geführt haben, herauszuarbeiten, Kontakte zwischen Kindern und deren getrennt lebenden Elternteilen zu planen, anzubahnen, zu unterstützen und in weiterer Folge ins Laufen zu bringen. Außerdem wird an einer konstruktiven Elternkommunikation und Kooperation gearbeitet, sodass die Eltern nach dem Ende der Besuchsmittlung (wieder) in der Lage sind, diese Aufgaben selbständig wahrzunehmen.
Je nachdem, ob die Besuchsmittlung zur Regelung der Kontakte oder zur Durchsetzung installiert wurde, wird der Fokus mehr auf der Erarbeitung eines für alle Beteiligten passenden und lebbaren Kontaktrechts liegen oder aber darauf, dass das bereits bestehende Kontaktrecht tatsächlich zur Umsetzung gelangt.1
II.Möglichkeiten der Besuchsmittlung
Da die Bearbeitung dieses Auftrags zahlreicher Instrumente bedarf, sind dafür verschiedene Wege und Herangehensweisen möglich, wobei manchmal durchaus Kreativität und Fantasie gefragt sind.
Folgende Instrumente können eingesetzt werden:
■ Gespräche mit den Eltern, einzeln und als Elterngespräche;
■ neutrale Außensicht auf die Situation;
■ Deeskalation des Elternkonflikts durch Triangulierung;2
■ Bewusstseinsbildung, Beratung und Aufklärung über die Auswirkungen der elterlichen Handlungsweisen für das Kind; Psychoedukation;
■ Beobachtung von Übergaben mit nachfolgender Reflexionsmöglichkeit;
1 Vgl Erhart/Wohlfarter, Besuchsmittlung in Kontaktrechtsverfahren, iFamZ 2016, 194; Erhart/Raffelsberger, Praxishandbuch Kinder- und Jugendschutz (2018) Kap2.11.
2 Triangulierung bedeutet, dass eine dritte Perspektive eingebracht und damit der Diskussionsraum dreidimensional wird.
■ Beobachtung von Kontakten bzw Verhaltensbeobachtung mit nachfolgender Reflexionsmöglichkeit;
■ direktes Einwirken durch die nachgehende Arbeit bei zB Übergaben oder Hausbesuchen;
■ Gespräch mit dem Kind: Dieses erfährt Unterstützung, wird gehört, ernst genommen und berücksichtigt;
■ notwendige Erhebungen im Umfeld (zB Schule, Kindergarten etc);
■ Fokus auf das Kind sowie dessen Gefühle und Wahrnehmungen;
■ Erstellung von (Stufen-)Plänen und Erprobung von Kontakten während des mehrmonatigen Verlaufs;
■ praktische Anleitung für Elternkommunikationsstrategien und einen respektvollen Umgang;
■ Kontrollfunktion bezüglich der Einhaltung von Vereinbarungen.
III.Chancen der Besuchsmittlung
Aufgrund der zahlreichen Möglichkeiten innerhalb des Auftrags eröffnen sich viele Chancen für die Parteien, eine grundlegende oder wenigstens teilweise Änderung und somit Verbesserung der belastenden Ausgangssituation zu erreichen. Durch die sehr intensive und nachgehende monatelange Arbeit mit den Eltern findet durchaus auch Beziehungsarbeit statt, im Rahmen derer im Idealfall ein Vertrauen entsteht, durch das sich die Eltern möglicherweise auf Entwicklungsprozesse einlassen können.
In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass durch die neutrale und professionelle Mitwirkung der Besuchsmittler:innen Entlastung und Beruhigung eintreten kann, wenn der betreuende Elternteil diverse Ängste und Sorgen iZm den Kontakten hat, indem zB Kontakte beobachtet werden oder im Vorfeld mittels Hausbesuchs die Eignung des Wohnumfelds für einen Kinderbesuch festgestellt werden kann.
Da viele Eltern schon längere Zeit mit ihrem Konflikt beschäftigt sind, ist oftmals Mut- und Hoffnungslosigkeit zu beobachten. Wenn es in der Besuchsmittlung gelingt, durch motivierende Haltung die Eltern zu einem Neuanfang zu bewegen, kann mitunter ein Herausführen der Beteiligten aus der Problemtrance und ein Hinführen zur Lösungstrance gelingen. Manche Eltern können sich nur noch schwer vorstellen, dass sich die bestehenden Probleme tatsächlich lösen lassen und sind verwundert, was sich alles verändert, wenn das gelungen ist.
Weiters kann der Rahmen der Besuchsmittlung als Übungsfeld genützt werden, um neue Kontaktrechtsmo- delle auszuprobieren und diese im Rahmen der Elterngespräche weiterzuentwickeln, festzulegen oder – wenn sich das Modell doch nicht bewährt hat – wieder zurückzunehmen. Es können erste Anbahnungskontakte (entweder nach längerer Unterbrechung oder wenn es noch nie Kontakte gegeben hat) geplant, gestaltet und ausprobiert werden, wobei sich der neutrale Boden, die Anwesenheit der Mitarbeiter: innen und die nachfolgende Reflexion sehr unterstützend auswirken.
Nicht zu unterschätzen ist auch der Lerneffekt, durch den bei den Eltern ein Bewusstsein dafür geschaffen wird, wie sie ihre Kooperation und Kommunikation besser gestalten können. Dabei besteht die Chance, dass die Eltern jene Gesprächsregeln verinnerlichen und auch weiterhin umsetzen, auf die sie im Verlauf der Besuchsmittlung hingewiesen wurden. Es wird mit ihnen erarbeitet, wie Übergaben idealerweise ablaufen und wie Kontakte verlaufen sollten, damit sich das Kind unbelastet und stressfrei zwischen ihnen bewegen kann. Aufgrund der monatelangen Dauer der Besuchsmittlung kann das erwünschte und dem Kindeswohl entsprechende Verhalten lange genug geübt werden, um es als ständige Verhaltensweise zu verinnerlichen. Eltern können von der Besuchsmittlung profitieren, indem sie sich der eigenen Befindlichkeiten bewusstwerden und diese hintanstellen, damit die Bedürfnisse des Kindes an die erste Stelle rücken können. Sensibilität und Empathie dem Kind gegenüber werden geschärft und gefördert, wenn im Verlauf der Besuchsmittlung immer wieder thematisiert wird, wie sich das Kind fühlt.
Zudem lässt sich in den fünf Monaten der Besuchsmittlung echtes Interesse am Kind von vorgeschobenem Interesse unterscheiden, und die Zuverlässigkeit des besuchenden Elternteils wird im Interesse des Kindes überprüft.
Gespräche mit dem Kind haben in erster Linie ein Kennenlernen zum Ziel, aber auch das Hören und Ernstnehmen der kindlichen Sichtweise sowie die Aufklärung und Entlastung. Entlastung kann erfolgen, indem dem Kind erklärt wird, dass sich die Eltern bemühen, an einer für alle Beteiligten guten Lösung zu arbeiten, und dass das Kind keine Schuld am Elternstreit hat.
IV.Grenzen der Besuchsmittlung
Bei vielen Besuchsmittlungen ist es trotz größter professioneller Bemühungen nicht möglich, eine Umkehr zu erreichen. Letztlich müssen die Eltern selbst wollen, dass sich etwas ändert – und sie müssen es selbst tun.
Wenn Väter oder Mütter die Kampfebene nicht verlassen können, weil die Konflikte schon zu lange anhalten und so intensiv sind, dass andere Optionen als Kampf gar nicht mehr in Betracht gezogen werden können, bleiben die sinn- vollsten Interventionen mitunter wirkungslos. In diesen Fällen der Hochstrittigkeit kann man als Besuchmittler:in mitunter nur auf die negativen Folgen und gefährdenden Auswirkungen der elterlichen Unversöhnlichkeit auf das Kind hinweisen und hoffen, dass die eine oder andere Botschaft zumindest gehört wird.
Sind die Verletzungen noch so frisch, dass die eigene Emotion und Bedürftigkeit alles überlagert und Mütter oder Väter es nicht schaffen, die Empfindungen des Kindes als etwas Eigenes zu sehen, kommt die Besuchsmittlung an ihre Grenzen. Betrachtet ein Elternteil die Besuchsmittlung als Bühne, um den eigenen Befindlichkeiten möglichst viel Raum und Aufmerksamkeit zu verschaffen, wird er/sie die Kooperation beenden, sobald die Bühne nicht (mehr) zur Verfügung gestellt wird. Auch in diesen Fällen bleibt oft nur die Möglichkeit, auf den Schaden, der durch dieses Verhalten beim Kind ausgelöst wird, hinzuweisen.
Elternteile, die sich wenig in die Gefühlswelt ihres Kindes hineinversetzen können und ihr Kontaktrecht überwiegend als Recht betrachten, das es gegen jeden Widerstand durchzusetzen gilt, bringen die Besuchsmittlung ebenfalls häufig an die Grenzen.
Bei Persönlichkeitsstörungen oder Persönlichkeitsakzentuierungen der Eltern muss zur Kenntnis genommen werden, dass die Bemühungen im Rahmen der Besuchsmittlung oft ins Leere gehen.
Es sind mitunter aber auch die Kinder, die in der Besuchsmittlung Grenzen aufzeigen So zB jene verweigernden Kinder, die den (vermeintlich) schwächeren Elternteil stärken und stützen wollen, sich deshalb zu 100 % loyal verhalten möchten und Kontakte zum anderen Elternteil nicht zulassen.
Schwer aufzulösen sind auch jene Konstellationen, bei denen Elternteile die Verweigerungshaltung ihres Kindes induzieren und bestärken, um sich beim Ex-Partner/bei der Ex-Partnerin auf diese Weise zu rächen oder ihn/sie zu bestrafen. Nicht immer gelingt es hier, dem Vater oder der Mutter zu vermitteln, dass mit dieser Haltung in erster Linie das Kind bestraft wird, indem es einen Elternteil opfern muss, um beim betreuenden Elternteil bestehen zu können.
Wurden Kinder tatsächlich persönlich gekränkt oder haben sie das Gefühl, von einem Elternteil verlassen, belogen oder getäuscht worden zu sein, sind sie je nach Entwicklungsstufe mitunter sehr unversöhnlich und wehren sich massiv gegen Kontakte.
Zum Glück hat sich in den zehn Jahren, in denen das Instrument Besuchsmittlung zur Verfügung steht, gezeigt, dass es oft genau das war, was den meisten Familien in ihrer schwierigen Lage geholfen hat: neue Perspektiven zu finden und im Interesse der Kinder auch umzusetzen.