DEMOLIERT.VERFALLEN.ADAPTIERT
FREI.RAUM.FLUSS
2 Untere Donaulände, Fotografie um 1900 1
Schloss Hagen, Grafik 1677
NEUES LEBEN FÜR ALTE STRUKTUREN
18
16
3 Mural Harbor, Fotografie 2016
LAND.SCHAFFT.INDUSTRIE 15
4 Traunspitz mit Schlackebergen und Blick zum großen Weikerlsee, Fotografie 2016
VOM DOM BIS ZUR NEUSTADT
6 Blick vom Höhenrausch auf die Stadt Linz in südöstlicher Richtung, Fotografie 2016
SIEDLUNG UND GEMEINSCHAFT
5 Luftbild Bindermichl, Fotografie 1960
Bebaute Flächen building area
Grünflächen green area
Gewässer water
Fußgängerzone traffic-free environment
Straßenbahn tramway
i
Tourist Information Tourist Information
Turm Tower
Copyright by Magistrat Linz, InformationsTechnologie, Stand 11/2016. Für inhaltlich fehlerhafte Angaben sowie deren Folgen kann trotz sorgfältiger Überprüfung keine Haftung übernommen werden.
IMPRESSUM: Kunstuniversität Linz, Reindlstraße 16 - 18, 4040 Linz und Katholische Privat-Universität Linz, Bethlehemstr. 20, 4020 Linz; Projektleitung: Anna Minta, Marion Starzacher, Johann Zaunrieth; in Zusammenarbeit mit dem Tourismusverband Linz, Adalbert-Stifter-Platz 2, 4020 Linz; Konzeption und Texte: Theresa Büchler, Paul Ess, Stefan Gassenbauer, Doris Kanzler, Lukas Kirschbichler, Franz Koppelstätter, Silvia Mair, Nderime Mamuti, Anna Minta, Konstantin Obereder, Christina Peichler, Adina Sokoliuc, Marion Starzacher, Julia Steiner, Nino Wallisch, Georg Wilbertz, Michael Wlaschitz, Hannah Zauner, Johann Zaunrieth; Wissenschaftliche Begleitung: architekturforum oberösterreich: Franz Koppelstätter, Georg Wilbertz; Fotos: Titelbild – © Robert Maybach; Grafik: Lukas Eckerstorfer, Marlene Freynschlag, Marion Starzacher; Druck: Friedrich VDV | Stand September 2018 Fotonachweise: Seite 1 (im Uhrzeigersinn): 1. DEMOLIERT.VERFALLEN.ADAPTIERT, Schloss Hagen, Grafik 1677, Abriss 1963 aus: Georg Matthäus Vischer TOPOGRAPHIA AUSTRIÆ. SUPERIORIS MODERNÆ, Wien 1677, zur Verfügung gestellt durch: Oberösterreichische Landesbibliothek; 2. FREI.RAUM.FLUSS, Untere Donaulände, Fotografie um 1900, © Archiv der Stadt Linz; 3. NEUES LEBEN FÜR ALTE STRUKTUREN, Mural Harbor, Fotografie 2016, © Philipp Greindl, www.flap.at; 4. LAND.SCHAFFT.INDUSTRIE, Traunspitz mit Schlackebergen und Blick zum großen Weikerlsee, Fotografie 2016, © voestalpine AG; 5. SIEDLUNG UND GEMEINSCHAFT, Luftbild Siedlung Bindermichl, 1941-43, im Zentrum die Ernst-Koref-Schule (F. Fanta/W. Teichtmeister, 1961) und Kirche St. Michael (F. Reischl, 1957), © Nordico, Fotoarchiv, NA-033470; 6. VOM DOM ZUR NEUSTADT, Blick vom Höhenrausch auf die Stadt Linz in südöstlicher Richtung, © M. Starzacher; Seite 2 (im Uhrzeigersinn und Projekt): Projekt 1: 7 Bau des Turms Nr. 17 mit Blick auf den Pöstlingberg, Aquarell um 1835, Johann M. Monsorno, © OA L II 59/2, Oberösterreichische Landesmuseum; 8 Innenansicht der begehbaren Turmruine Nr. 15, Fotografie 2018, © M. Wlaschitz; 9 Turm Nr. 2 des Forts auf dem Pöstlingberg, heute Grottenbahn, Fotografie 2018, © M. Wlaschitz; 10 Aussichtsplattform Pöstlingberg, Turm Nr. 4 des Forts, Fotografie 2018, © M. Wlaschitz; 11 Innenhof der Anton Bruckner Privatuniversität, Fotografie 2018, © L. Kirschbichler; 12 Ehemalige Bierhalle des Schloss Hagen neben der Anton Bruckner Privatuniversität, Fotografie 2018, © L. Kirschbichler; Projekt 6: 13 Mariendom, 1862-1924, Pläne von Vincenz Statz, Baufortschritt 1883, © Diözesanarchiv Linz, Bild A, M III 144; 14 Neustadt, 1817, © Franziszeischer Kataster; 15: Donaulände Linz, Fotografie 2012 © Gregor Graf; Projekt 2: 16 Hochwassermarke 1501, Gedenktafel, © Foto: Archiv der Stadt Linz; 17 Wassertheater, Entwurfszeichnung 1785, © Foto: Archiv der Stadt Linz; 18 Donaupark mit „forum metall“, Großplastik „Die Schlange“ (1986) von Mathias Goeritz, Fotografie 2018, © D. Kanzler; Projekt 3: 19 Arbeiterwohnsiedlung Sintstraße, 1927, © Foto: Archiv der Stadt Linz; 20 Wohnanlage im Winterhafen, 2007-13, Hohensinn Architektur, © Foto: Archiv der Stadt Linz; 21 Franckviertel, Luftbild, © Foto: Archiv der Stadt Linz; 22 Wimmhölzl-Bogen, 1921, © N. Mamuti; 23 Volkshaus Franckviertel (ehem. Dorfhalle), 1919, Kurt Kühne, © N. Mamuti; 24 Füchselstraße, 1921, © N. Mamuti; Projekt 4: 25 St. Peter, Aufbau der Hochöfen der Linzer „Hermann-Göring-Werke“, Sommer 1938, © voestalpine AG; 26 Denkmal Konzentrationslager Linz I + III, Lunzerstraße, Fotografie 2018, © S. Mair; 27 solarCity, Zentrum, Fotografie 2018, © A. Socoliuc; 28 solarCity, Wohnhausanlage WSG, Fotografie 2018, © A. Socoliuc; Projekt 5: 29 Siedlung Spallerhof, Glimpfingerstraße mit Ledigenwohnheim, Fotografie August 1941, © Nordico, Fotoarchiv, NA-0238731; 30 Siedlung Bindermichl, Fotografie 1940er Jahre, © WAG Wohnungsanlagen GmbH, www.wag.at; 31 Spallerhof Scheibenpogenstraße, Fotografie 2018, © T. Büchler / J. Steiner; 32 Sog. Judensiedlung am Bindermichl, Fotografie 1947, © Foto Feichtenberger, Archiv der Stadt Linz Archiv, Nr. 7662, Neg. Nr.605/05.
DEMOLIERT.VERFALLEN.ADAPTIERT Die baulichen Relikte der Maximilianischen Befestigungsanlage
LINZ - [ALTE] STADT NEU DENKEN KULTURELLES ERBE EINER STADT Die Geschichte der Stadt Linz ist geprägt von Zäsuren und Wandlungsprozessen: Gewerbeansiedlungen und die Industrialisierung führen ab Mitte des 19. Jahrhunderts zu städtebaulichen Erweiterungen und innovativen Bauprojekten. Auf soziales Engagement im „Roten Linz“ folgt nach 1938 der Ausbau der Stahlindustrie und eine vom Nationalsozialismus indoktrinierte Wohnbaupolitik. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, bis 1955 entlang der Donau geteilt, expandiert die „Stahlstadt“ als Industrie-, Wirtschafts- und Kulturstandort.
Aufgrund der Niederlagen in den Napoleonischen Kriegen wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts an neuen Strategien zur Verteidigung des habsburgischen Kaiserreiches gearbeitet. Erzherzog Maximilian Joseph von Österreich-Este entwickelte hierfür das Konzept der Turmlinie, dessen Umsetzung er an einem strategisch bedeutsamen Ort, dem Linzer Becken, plante. 1838 wurde die Wehranlage bestehend aus 32 Türmen, einem Fort und einigen Ergänzungsbauten in Betrieb genommen. Bereits 20 Jahre später gab man sie jedoch wieder auf. Sie hatte auf Grund der rasanten Entwicklungen in der Herstellung neuer Waffentechnologien ihren strategischen Nutzen verloren. Zeitgleich setzte mit der beginnenden Industrialisierung europaweit ein Wandel der Städte ein. Die Eingrenzung des städtischen Gebiets durch einen Festungslinie widersprach den neuen strukturellen und ökonomischen Bedürfnissen an die moderne Stadt. Der Großteil der Maximilianischen Befestigungsanlage fiel der Stadterweiterung und dem Ausbau von Industrie und Verkehrsanlagen zum Opfer Heute sind einige Türme am Pöstlingberg noch in Form von Ruinen erhalten und teilweise begehbar. Andere werden heute als Wohnraum (Turm 10) und als Stadtmuseum Leonding (Turm 9) genutzt. Das ehemalige Fort am Pöstlingberg beherbergt die Endstation der Pöstlingbergbahn, die Grottenbahn als Wahrzeichen von Linz, einen Ausstellungsraum und die beliebte Aussichtsplattform.
7
Bau des Turms Nr. 17 mit Blick auf den Pöstlingberg, Aquarell um 1835
1947 wird die Kunstschule der Stadt Linz (heute Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung oder Kunstuniversität Linz), 1966 die Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (heute Johannes Kepler Universität) und 1978 die Katholisch-Theologische Hochschule (heute Katholische Privat-Universität Linz) gegründet. 1970 erfolgt der Ausbau des Brucknerkonservatoriums (heute Anton Bruckner Privatuniversität), 1974 die Eröffnung des Brucknerhauses und 1977 des „forum metall“ mit Plastiken internationaler Künstler. 1979 findet das erste Ars Electronica Festival zur Verbindung von Kunst, Technologie und Gesellschaft statt. 2009 wird Linz neben Vilnius zur „Kulturhauptstadt Europas“ ernannt.
In einer gemeinsam abgehaltenen Lehrveranstaltung der Kunstuniversität Linz und der Katholischen Privat-Universität Linz sowie in Kooperation mit dem afo (architekturforum oberösterreich), unterstützt durch den Tourismusverband Linz, erforschten Studierende die Architekturund Kulturgeschichte der Stadt Linz in ihren historischen Dimensionen, (un)sichtbaren Strukturen und Transformationsprozessen. An Beispielen aus den Bereichen Wohnbau, Industrie, Kultur, Verwaltung, Freizeit und Freiflächen wurden urbane Räume in Beziehung zur Umgebung analysiert und das menschliche Handeln im soziokulturellen, wirtschaftlichen und politischen Kontext nachvollzogen. Inspiriert vom Europäischen Kulturerbejahr 2018 „Sharing Heritage“ sind Orte und Geschichte(n) neu entdeckt worden. Es gilt, das Wissen um die Vielfalt von lokalen, regionalen und grenzüberschreitenden Traditionen in die breite Öffentlichkeit zu vermitteln. Ziel ist das „gelebte Erbe“, mit dem Wissen über die Vergangenheit an der (Mit-)Gestaltung der Gegenwart und Zukunft teilzuhaben. Dieser Folder soll Neugierde an der kulturellen und städtebaulichen Vielfalt von Linz wecken und eröffnet individuelle Zugänge zu einzelnen Stadtquartieren und Zeitschichten. Anna Minta, Marion Starzacher und Johann Zaunrieth 15 Donaulände Linz, Fotografie 2012
8
Innenansicht der begehbaren Turmruine Nr. 15, Fotografie 2018
VOM DOM BIS ZUR NEUSTADT
FREI.RAUM.FLUSS
Linz wächst
„Schau her, ich bin das Zeichen, wie groß die Masse der Wellen war, dessen Zeuge ein im Sumpf lebender Vogel war, der sehr traurig auf den Dächern in jener Zeit saß, als sich die beklagenswerte Flut ereignete.“
Der traurige Vogel
In der Linzer Neustadt ist der wirtschaftliche und gewerbliche Aufschwung seit den 1860er Jahren bis heute deutlich spürbar. Etwa zeitgleich wurden wichtige Stadtentwicklungsimpulse gesetzt: Hierzu zählen der Bau des spendenfinanzierten Mariendoms, der über einen innovativen eisernen Dachstuhl verfügt, des Allgemeinen Krankenhauses und der ersten eisernen Donaubrücke. Die Industrialisierung brachte neben infrastrukturellen Verbesserungen, wie dem Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel und dem Anschluss an das Gasnetz auch die Verlagerung der großen Fabriken und Manufakturen an den Stadtrand, während vom damaligen Zentrum aus, Wohnraum für die arbeitenden Personen geschaffen wurde. Die Neustadt weist eine dominierende rasterartige Struktur der Straßen auf, diese lässt das Viertel übersichtlich und geordnet wirken. 9
Turm Nr. 2 des Forts auf dem Pöstlingberg, heute Grottenbahn, Fotografie 2018
10 Aussichtsplattform Pöstlingberg, Turm Nr. 4 des Forts, Fotografie 2018
AUF DIE STADT UND AUS DER STADT Am Hang des Pöstlingberges, umgeben von vorstädtischer Idylle, dominiert heute die Anton Bruckner Privatuniversität, am Standort des 1963 abgerissenen Schlosses Hagen, das Wohngebiet in Urfahr. Vom Linzer Architekturbüro entworfen, wurde sie 2015 eröffnet. Mit über 850 internationalen Studierenden und den Schwerpunkten Musik, Tanz und Schauspiel ist mit der Universität ein Ort vielfältiger kultureller Aktivitäten entstanden. Die markant vertikal gegliederte zeitgenössische Architektur schottet sich straßenseitig ab und öffnet sich großzügig auf der Gartenseite. Tonleitern und Sonaten vermischen sich mit den Geräuschen der Umgebung. Der Bau bietet neue Blickperspektiven auf
11 Innenhof der Anton Bruckner Privatuniversität, Fotografie 2018
die Stadt Linz. Die Anton Bruckner Privatuniversität veranstaltet jährlich mehr als 500 Veranstaltungen aus den Bereichen Ensemble- und Orchesterkonzert, Jazz Performance, Schauspiel sowie zeitgenössischer Musik und zählt zu den größten Kulturveranstaltern der Region. An das einstige Schloss Hagen, das unter anderem Wolfgang Amadeus Mozart, Adalbert Stifter und Franz Schubert besuchten, erinnert heute nur noch die ehemalige Bierhalle.
Aktuell finden sich neben Wohngebäuden aus der Gründerzeit, auch moderne Hochhäuser und bekannte Wahrzeichen, wie beispielweise das 2013 eröffnete Musiktheater, mit offenem Foyer und Blick auf den Volksgarten, nach Entwürfen des britischen Architekten Terry Pawson erbaut. Weitere kulturelle Angebote bilden das Eisenhandkino, welches heute als Theater fungiert, sowie die Landesgalerie in der Museumsstraße im prächtig anmutenden Francisco Carolinum, geplant vom Berliner Architekten Bruno Schmitz, eröffnet 1895. Das multikulturell geprägte Neustadtviertel mit seinen Geschäften und Lokalen ist ein Beispiel für gelebte Integration Die prägnantesten Gebäude am Bahnhofsvorplatz sind die drei in letzten Jahren entstandenen Hochhäuser Power Tower Linz, Terminal Tower und der Wissensturm. Sie bilden einen wichtigen sozioökonomischen Bestandteil der Stadt Linz und der Metropolregion. Die vielen Baustellen und Kräne sind Zeichen einer florierenden Wirtschaft. Beim Durchqueren der Neustadt finden die Besucherinnen und Besucher neben stark befahrenen Verkehrswegen wie der Humboldtstraße auch idyllische Stadtgärten und den einladenden Südbahnhofmarkt. Dieser besteht bereits seit über siebzig Jahren. Das Viertel bietet für die Linzerinnen und Linzer eine gute Wohnqualität, eine hohe Zahl an Arbeitsplätzen und eine funktionierende Verkehrsanbindung. Der Hessenplatz, ursprünglich als Zentrum der neuen Stadt geplant, ist heute neben dem deutlich größeren Volksgarten und dem Schillerpark eine weitere öffentliche Grünfläche.
Der in eine Marmorplatte gravierte Vogel markierte den Wasserhöchststand der Donau vom August 1501. Die Tafel, die ursprünglich am ehemaligen Wassertor angebracht war, ist eine der ältesten Hochwassermarken in Oberösterreich. Sie erinnert an die Naturkatastrophe aus der Zeit Kaiser Maximilians, als Linz eines der verheerendsten Hochwässer seiner Stadtgeschichte erlebte. Heute hängt sie am Haus Obere Donaulände 7. Dieses Gebiet, vor den Stadtmauern zur Donau hin, wurde immer wieder von heftigen Überflutungen heimgesucht. Dennoch schlug in vorindustrieller Zeit hier das wirtschaftliche Herz der Stadt, es war der Bezirk der Handwerker. Im Anschluss daran erstreckte sich das Areal des alten Hafens mit seinen Schiffsanlegestellen. Der Stadt am Fluss boten sich hier Entwicklungsmöglichkeiten und Freiräume im Überfluss.
Inszenierung am Wasser Wanderschauspielgruppen und Gaukler, die in die Stadt kamen, wurden infolge eines Zensurerlasses Maria Theresias von den Straßen verwiesen. Als Spielstätte wurde ihnen ein alter Salzstadl an der Donau zur Verfügung gestellt. Der Komödienstadl war das erste öffentliche Bühnenhaus der Stadt. Bald darauf übernahm die Kommune das beliebte Haus, das unter der Leitung der Theatersocieté fortan als „Wassertheater“ bekannt war. Dort, wo einst die Gaukler hin vertrieben wurden, saß nun der Adel mit dem Bürgertum, wenn auch in Parterre und Logen getrennt, unter einem Dach und lauschte der Aufführung von W. A. Mozarts „Linzer Sinfonie“ (Uraufführung 04.11.1783 in Linz).
13 Mariendom, 1862-1924, Pläne von Vincenz Statz, Baufortschritt 1883
Kähne und Kunst Trotz ihrer scheinbaren Gelassenheit und Ruhe, inszeniert sich die Donau alle paar Jahre wieder als divenhafte Hauptdarstellerin und macht die Zwiespältigkeit der Lage einer Stadt am Wasser deutlich. Darum versuchte man Ende des 19. Jahrhunderts, den Strom durch eine umfangreiche Flussregulierung zu bändigen. Die Donau wurde in ein neues Bett gezwungen und nach dem Jahrhunderthochwasser von 1954 mit einem Schutzwall versehen. Nun war die Stadt geschützt vor den Fluten, jedoch durch den hohen Damm auch abgeschnitten vom Fluss. Der heutige Straßenverlauf der Unteren Donaulände markiert noch ungefähr die alte Uferlinie.
14 Neustadt, Franziszeischer Kataster 1817
12 Ehemalige Bierhalle des Schloss Hagen neben der Anton Bruckner
Die Stadtteile Spallerhof und Bindermichl, die durch den Bau der Autobahn getrennt wurden und seit 2005 durch eine begrünte Überplattung wieder verbunden sind, entstanden aus einem Mangel an Wohnungen während des nationalsozialistischen Regimes. Vor 1938 war die Fläche großteils unbebaut, lediglich drei Vierkanthöfe waren auf diesem Areal zu finden, welche als Namensgeber für Spallerhof und Bindermichl fungierten.
„Hitlerbauten“ Die Wohnbauten, die nach dem Entwurf des Architekten Roderich Fick als Zeilenbebauung mit Satteldächern sowie markanten Tür- und Fensterrahmen ausgeführt wurden, orientieren sich formal an Vorbildern des ländlichen Bauen. In ihrer städtebaulichen Gruppierung als Siedlung sollten sie zum ideologisch geprägten Lebensraum der NS-Gemeinschaft werden. Übersichtliche Hofanlagen und Zeilenbauten mit Fensterfronten dienten zur sozialen Kontrolle der Bewohnerinnen und Bewohner. Die gemeinschaftlichen Grünflächen, die durch die hofartige Anlage der Bauten entstehen, sollten den Bewohnerinnen und Bewohnern ein bodenständiges, familiäres Gefühl vermitteln. Tradition, gesundes Leben und kinderreiche Familien standen im Vordergrund. Torbögen die einerseits in die begrünten Innenhöfe einladen, wirken anderseits auch als Begrenzung, denn ausschließlich Soldaten, Beamte sowie Angestellte und Arbeiter des Linzer Standorts der Reichswerke Hermann Göring AG Berlin durften die ungefähr 1400 Wohnungen beziehen. Dadurch wurde ein Gefühl vermittelt, in die neue Gemeinschaft aufgenommen zu werden.
29 Siedlung Spallerhof, Glimpfingerstraße mit
Ledigenwohnheim, Fotografie August 1941
Trügerische Idylle Die Siedlungen dienten der Inszenierung einer idealen Gemeinschaft, das Individuelle war nicht wichtig. Das Ideal der „völkischen Gemeinschaft“ ist heute kaum mehr spürbar. Die Siedlungsstruktur dagegen wird von jungen Familien bis hin zu älteren Menschen durchaus geschätzt. Jeder kennt jeden, die Kinder spielen gemeinsam in den übersichtlichen Innenhöfen. Die Uniformität der einheitlichen Zeilenbebauung wird durch individuelle Farbgebung gebrochen.
NEUES LEBEN FÜR ALTE STRUKTUREN
Veränderung - von Dorfstrukturen zur Industrielandschaft
Industrie und Arbeit
St. Peter und Zizlau waren bekannt für ihre dörflichen Strukturen sowie für Gemüseanbau und Fischzucht. Die umliegende Auenlandschaft wurde von zahlreichen Linzer und Linzerinnen als Naherholungsgebiet genutzt. Der Anschluss Österreichs an Deutschland im Jahr 1938 bedeutete das Ende dieser Gemeinde. Aufgrund der Baumaßnahmen zum Hüttenwerk der damaligen Reichswerke Hermann Göring AG Berlin am Standort Linz – heute voestalpine AG – mussten die 4.500 Bewohner und Bewohnerinnen in leerstehende Wohnungen und neuerrichtete Wohnbauten in andere Stadtteile umsiedeln. Die Gräber des Dorfes wurden in den Friedhof von Kleinmünchen umgebettet, die Pfarre in späterer Folge in den Stadtteil Spallerhof transferiert. Sie existiert heute noch als Pfarre Linz –St. Peter, in Erinnerung an ein Dorf, das der Eisenhüttenindustrie weichen musste.
Eine erste Aufarbeitung der Vergangenheit des Linzer Industriegebietes erfolgte nach dem Zweiten Weltkrieg nur langsam und in kleinen Schritten: An die Schicksale der Häftlinge, die hier in zwei Außenlagern des Konzentrationslagers Mauthausen zum Aufbau der Reichswerke AG Alpine Montanbetriebe „Hermann Göring“ Linz ihr Leben verloren, erinnert ab 1965 lediglich ein schlichter Gedenkstein. Von ehemaligen französischen Häftlingen an der Schnittlinie zwischen heutigem Naherholungsraum und Industriegebiet errichtet – unscheinbar am Ende eines Parkplatzes gelegen – kennzeichnet er den Ort des ehemaligen Außenlagers Linz III. Hier und im nahegelegenen Lager Linz I waren zwischen 1943 und 1945 rund 7000 Häftlinge des KZ Mauthausen interniert, die großteils in den Rüstungsbetrieben am Standort Zwangsarbeit leisten mussten. Eine interne Aufarbeitung dieser Hintergründe beginnt erst ab dem Jahre 1998 durch eine unabhängige Historikerkommission. Inzwischen beleuchtet das firmeneigene Zeitgeschichtemuseum sehr detailliert und achtsam das eigene dunkle Kapitel der Gründungsjahre: Der Fokus liegt dabei auf den Lebens- und Arbeitssituationen der NS-Zwangsarbeiterinnen und bietet einen sensiblen Einblick in einen Abschnitt der Linzer Stadt(entwicklungs) geschichte.
Die 1927 vom Stadtbaumeister Kurt Kühne erbaute Siedlung Sintstraße steht exemplarisch für das Wohnen am Existenzminimum und für das Hafenviertel als Ort von Industrie und Arbeit. Die dominierenden Betriebe waren die seit 1840 bestehende Schiffswerft und der in den 1950er Jahren fertiggestellte Hafen.
Innovation und Kultur
25 St. Peter, Aufbau der Hochöfen der Linzer „Hermann-Göring-Werke“, Sommer 1938
31 Spallerhof, Scheibenpogenstraße, Fotografie 2018 27 solarCity, Zentrum, Fotografie 2018
32 Sog. Judensiedlung am Bindermichl, Fotografie 1947
In den letzten Jahrzehnten hat das Viertel eine radikale Neuausrichtung vollzogen: Inspiriert von vergleichbaren Hafenprojekten in Europa soll auch Linz näher ans Wasser rücken. Urbanität und ökologisches Bauen sowie neue Impulse für den Wirtschaftsstandort stehen dabei im Vordergrund. Am deutlichsten erkennbar ist diese Vision an den Wohntürmen am Winterhafen, wo 2012 Wohnungen für gehobenere Ansprüche geschaffen wurden. Nicht weit entfernt beherbergen das „Tech-Center Winterhafen“ und das „Technologiedock Neue Werft“ Start-up-Unternehmen aus der IT-Branche. Hier präsentiert sich eine Stadt, die nicht mehr nur Industriestandort, sondern auch technologisches Innovationslabor sein will. Auch der Ausbau von Kultur- und Freizeitangebote gehört zur Vision: 1990 eröffnete der Posthof als Zentrum für „Zeitkultur am Hafen“ und 2014 stieß die Hafengalerie Mural Harbor hinzu, die das Hafenareal als Experimentierfeld für renommierte internationale Graffiti-Künstler und Künstlerinnen nutzt.
19 Arbeiterwohnsiedlung Sintstraße, Fotografie um 2015
20 Wohnanlage im Winterhafen, Fotografie um 2013
Industriegebäude in neuem Gewand 26 Denkmal Konzentrationslager Linz I + III,
Lunzerstraße, Fotografie 2018
Erneuerung - solarCity
Nachkriegsjahre In den Nachkriegsjahren von 1945-49 wurden am Bindermichl Wohnblocks zur Einquartierung für befreite Jüdinnen und Juden zur Verfügung gestellt. Die sogenannten jüdischen Displaced Persons (DP) erhielten einige Privilegien, sie lebten unter eigener Verwaltung, bekamen höhere Kalorienrationen und waren von der allgemeinen Arbeitspflicht ausgenommen. Geschützt wurden sie durch die USMilitärbehörde. Bis zur Schließung des DP Lagers am Bindermichl 1949, wanderten die meisten Jüdinnen und Juden in die USA, Kanada oder Israel aus.
Auf dem durch großflächige Aufschüttungen gewonnenen Land wurde in den späten 1950er Jahren ein Naherholungsgebiet, der Donaupark, errichtet. Die Uferzone, jetzt urbaner Raum mit hohem städtebaulichen Wert, wird seit den 1960er Jahren stetig zur Kunst- und Kulturmeile ausgebaut. Mit der veränderten Nutzung der Uferzone entwickelte sich auch das Bild der Stadt weiter. Angetan von der fließenden Untermalung des Flusses zieht es kreative Köpfe und Gemeinschaften an die Donau, um sich von ihr inspirieren zu lassen. Mit dem Brucknerhaus, entworfen 1962 von den international renommierten finnischen Architekten Kajia und Heikki Siren, errichtet 1969–1974, kehrte die hohe Kunst wieder an die Donau zurück. Die Ausstellung „forum metall“ (1977) mit Großplastiken nationaler und internationaler Künstler markierte einen wichtigen Schritt von der Industriestadt zur Kulturstadt. Das Lentos Museum (errichtet 2003, Architekten Weber & Hofer, Zürich) und das Ars Electronica Center (Um- und Erweiterungsbau 2008, Treusch architecture, Wien) sowie die jährlich stattfindende Klangwolke und verschiedenste Festivals am Fluss schlagen Brücken zu kreativen Denk(frei)räumen.
LAND.SCHAFFT.INDUSTRIE
Erinnerung - Gedenkstätte für die Opfer der Nebenlager des KZ Mauthausen
30 Siedlung Bindermichl, Fotografie 1940er Jahre
17 Wassertheater, Entwurfszeichnung 1785
18 Donaupark mit „forum metall“, Großplastik „Die Schlange“ (1986) von Mathias Goeritz, Fotografie 2018
Privatuniversität, Fotografie 2018
SIEDLUNG UND GEMEINSCHAFT
16 Hochwassermarke 1501, Gedenktafel
Weitere Beispiele für die kulturelle Nachnutzung von Industriestrukturen sind die 1928-35 von Peter Behrens und Alexander Popp errichtete Tabakfabrik am Rande des Hafenviertels und die Fehrer Matratzen-Fabrik im Franckviertel, die 1912 von der Baufirma Fabgian & Feichtinger errichtet wurde. Die Tabakfabrik, eine Ikone des Neuen Bauens, ist heute ein prominenter Standort für Innovation und Zukunftsgestaltung und bietet Platz für Experimente zwischen Kunst, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Matratzenfabrik bietet unter dem Namen „Atelier Schlot“ Räume für Veranstaltungen im Kultur- und Kunstbereich an. Vor allem junge Kunstschaffende werden hier gefördert.
22 Wimmhölzel-Bogen, Fotografie 2018
In den 1990er Jahren bestand ein Wohnbedarf für über 12000 Personen in Linz. Die Stadtregierung beauftragte den Architekten Roland Rainer aufgrund innerstädtischen Flächenmangels für einen Generalentwicklungsplan des Areals südlich der Traunauen. Die Entwicklung der einzelnen Bebauungen erfolgte durch internationale Architekturbüros. Vision war es, unter den Schlagworten Niedrigenergiebauweise und leistbares Wohnen ein Modell für eine „Stadt des 21. Jahrhunderts” als Paradebeispiel für ökologische Stadtentwicklung zu errichten. Von den Bewohnerinnen und Bewohnern heute sehr geschätzt werden die familienfreundliche Infrastruktur (Stadtplatz, Bank, Kaufhaus, Tabak- und Kaffeehäuser, Stadtteilbüros, Pastoralzentrum, Familienzentrum, Kindergärten, Schule) sowie Natur und Freiraum in fußläufiger Entfernung. Der Plan eines autofreien Stadtteils hat sich nur teilweise erfüllt: Eine nicht ausreichende Anbindung an den öffentlichen Verkehr fördert die private PKW-Nutzung. Chronischer Parkplatzmangel im Stadtviertel ist daher ein drängendes Problem, dem über künftige Infrastrukturprojekte (Seilbahn, weitere Straßenbahnlinien etc.) entgegenzukommen versucht wird. Die SolarCity gilt als Pionierprojekt für ein nachhaltiges, ökologisches und zukunftsorientiertes Wohngebiet. Sie steht auch beispielhaft für die menschliche Gestaltung der Natur – aus den ehemaligen Schottergruben der voestalpine AG wurde der hochwertige Naherholungsraum der Weikerlseen.
II
I III II
23 „Volkshaus Franckviertel“, Fotografie 2018
III
21 Franckviertel, Luftbild
28 solarCity Wohnhausanlage WSG,
I
24 Füchselstraße, Fotografie 2018
Fotografie 2018
Unglaublich ge g e nwär t ig, Ob e rö ste r re ic h
www.ufg.at I www.ku-linz.at I www.afo.at I www.linztourismus.at
FREI.RAUM.FLUSS Doris Kanzler, Christina Peichler, Hannah Zauner VOM DOM BIS ZUR NEUSTADT Paul Ess, Konstantin Obereder DEMOLIERT.VERFALLEN.ADAPTIERT Michael Wlaschitz AUF DIE STADT UND AUS DER STADT Lukas Kirschbichler
#v is itlinz NEUES LEBEN FÜR ALTE STRUKTUREN Stefan Gassenbauer, Nderime Mamuti LAND.SCHAFFT.INDUSTRIE Silvia Mair, Adina Socoliuc, Nino Wallisch SIEDLUNG UND GEMEINSCHAFT Theresa Büchler, Julia Steiner,
Im Projekt „Linz – [Alte] Stadt neu denken“ erforschten Studierende der Kunstuniversität Linz und der Katholischen PrivatUniversität Linz die Architekturund Kulturgeschichte der Stadt Linz in ihren historischen Dimensionen, (un)sichtbaren Strukturen sowie Transformationsprozessen und untersuchten die städtebauliche Entwicklung. Über eine Zeitspanne von 200 Jahren werden exemplarische Teile der Stadt betrachtet. Ziel ist das „gelebte Erbe“: mit dem Wissen über die Vergangenheit an der (Mit)Gestaltung der Gegenwart und Zukunft teilhaben. Eine Kooperation der Kunstuniversität Linz, der Katholischen Privat-Universität Linz, des afo architekturforum oberösterreich und dem Tourismusverband Linz.
Sechs Projekte zum Einfluss des kulturellen Erbes auf den Alltag
w w w.l i n z tour ismus.at
www.linztourismus.at/linzcard
Entdecken Sie die kulturelle und städtebauliche Vielfalt von Linz. Erkunden Sie dabei an sechs Schauplätzen unterschiedliche Schwerpunkte der Entwicklung und Veränderung der Stadt an der Donau.
Gültigkeit ab Entwertung: 1-Tages-Karte bis 13:00 Uhr des Folgetages 3-Tages-Karte an 3 aufeinanderfolgenden Tagen. Preise 1-Tages-Karte 18 € (erm. 15 €) 3-Tages-Karte 30 € (erm. 25 €) Zusätzliche Leistungen der 3-Tages-Karte: • Ticket für eine Berg- und Talfahrt mit der Pöstlingbergbahn • 5 € Gastrogutschein • Eintritt in Museen und Ausstellungen • Fahrt mit Bus und Straßenbahn der Linz AG Linien • Ermäßigungen auf touristische Leistungen und Ausflugsziele • 10 € Donau-Kultur-Gutschein für Schiff, Konzert, Theater
www.linztourismus.at Öffnungszeiten: Oktober bis April: Mo. bis Sa. 9:00 bis 17:00 Uhr So., Feiertag 10:00 bis 17:00 Uhr Mai bis September: Mo. bis Sa. 9:00 bis 19:00 Uhr So., Feiertag 10:00 bis 19:00 Uhr Änderungen vorbehalten! Tourist Information im Alten Rathaus Hauptplatz 1, 4020 Linz Tel. +43 732 7070 2009 tourist.info@linz.at
Entdecken Sie Neues, Spannendes und Inspirierendes mit der Linz-Card. Sie öffnet Ihnen Türen zum Kulturerlebnis und zu vielen Vorteilen:
Tourist Information
Linz-Card 2019
LINZ VERÄNDERT KULTURERBE # visitlinz