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WINTERDEPRESSION
from 0831 (11/12.2023)
Winterdepression - Mythos oder Realität?
Die Tage werden kürzer, das Sonnenlicht schwächer und die Temperatur sinkt. Im Winter haben viele das Gefühl, plötzlich energielos zu sein und diagnostizieren sich teils selbst mit Winterdepressionen. Doch kann der Winter wirklich Depressionen auslösen? Wir haben beim Leiter des Bezirkskrankenhaus Kempten Prof. Dr. Markus Jäger nachgefragt.
Wir müssen ständig Leistung bringen, unterwegs sein: Lassen Sie uns doch die Zeit im Winter nutzen, um ein bisschen ruhiger zu werden und die Aussenaktivitäten herunterzuschalten.
Können Jahreszeiten Depressionen verursachen?
Winterdepressionen sind zwar in der Literatur beschrieben, ich habe sie in meinen 25 Jahren Klinikerfahrung aber noch nie gesehen. Also tatsächlich spielt die Winterdepression, wenn es sie gibt, eine ganz klar untergeordnete Rolle im Alltag. Was einen geringen Einfluss auf den Körper hat, ist der Wechsel von viel Licht zu weniger Licht. Darum haben wir bei den klassisch affektiven Erkrankungen, Depression und Manie, Spitzen im Frühling und im Herbst. Die Ursache dafür sind endogene Vorgänge im Hirnstoffwechsel. In der Klinik merken wir trotzdem nicht, dass wir zu bestimmten Jahreszeiten plötzlich große Depressionswellen haben.
Wo liegt der Unterschied zwischen normalen Stimmungsschwankungen und Depressionen?
Depression ist viel mehr als das Gefühl „Mir gehts ein bisschen schlecht“. Depression ist eine Krankheit. Es handelt sich um eine tiefe Verstimmung, die gepaart ist mit einem Antriebsmangel und erheblichen Denkstörungen.
Warum meinen Menschen, sie haben Winterdepressionen, wenn es sich gar nicht um Depressionen handelt?
Im Winter geht es uns eben anders als im Sommer, weil die Situation draußen anders ist. Man macht weniger, ist mehr drinnen. Vielleicht sehnt man sich nach Sonne im Winter, aber das ist alles eine ganz normale Reaktion und hat mit Depressionen überhaupt nichts zu tun. Genauso sehnt man sich vielleicht im Sommer danach, dass es wieder kühler wird und regnet.
Lichttherapie wird oft als Mittel gegen Depressionen vorgeschlagen. Wie wirkt sich das auf den Körper aus?
Wir machen in der Klinik Lichttherapie bei allen Formen von Depressionen, auch im Winter. Die Therapie wirkt auf den Melatoninstoffwechsel in unserem Körper. Dies hat antidepressive Effekte. Darüber hinaus stimuliert die Lichttherapie die Vitamin-D-Produktion, was wiederum vor allem bei älteren Patient:innen für die Knochen gut ist. Bei Sonne draußen zu sein tut somit dem Menschen gut, weil man so Vitamin D tanken kann.
Haben Sie abschließend einen Tipp, wie man mit Energielosigkeit im Winter umgehen kann?
Ich würde eher fragen: Warum müssen wir etwas dagegen tun? Wir müssen ständig Leistung bringen, unterwegs sein: Lassen Sie uns doch die Zeit im Winter nutzen, um ein bisschen ruhiger zu werden und die Außenaktivitäten herunterzuschalten. Natürlich kann ich woanders hinfahren, wo es die vier Jahreszeiten nicht gibt, aber ich weiß nicht, ob ich mich da wohl fühlen würde. In der bayerischen Kultserie „Der Monaco Franze“ gibt es eine schöne Szene, in der die Hauptdarstellerin auf die Bahamas fliegt. Sie sagt, sie möchte endlich das ganze Jahr über Sonne haben und dann kommt sie wieder völlig gefrustet zurück und erzählt ihrer Freundin: „Du wachst in der Früh auf und schon wieder scheint die Sonne und es ist so deprimierend, das hältst du gar nicht aus, da brauchst du erstmal Alkohol.“ Deshalb sage ich allen Menschen: Genießen wir doch diese vier Jahreszeiten mit allen Vor-und Nachteilen!
von Nadina Jörg