Julia Boehme • Julia Ginsbach Tafiti – Die schönsten Vorlesegeschichten
Tafitis Welt: Band 1: Tafiti und die Reise ans Ende der Welt Band 2: Tafiti und das fliegende Pinselohrschwein Band 3: Tafiti und das Riesenbaby Band 4: Tafiti und Ur-ur-ur-ur-ur-uropapas Goldschatz Band 5: Tafiti und ein heimlicher Held Band 6: Tafiti und die Affenbande Band 7: Tafiti und der Honigfrechdachs Band 8: Tafiti und das große Feuer Band 9: Tafiti und die doppelte Majestät Band 10: Tafiti und das verschwundene Geburtstagskind Band 11: Tafiti und das schlecht gelaunte Nashorn Band 12: Tafiti und die Löwen-Schule Band 13: Tafiti und die Savannen-Detektive Band 14: Tafiti und das Geheimnis der Sterne Band 15: Tafiti und die Geisterhöhle Band 16: Tafiti und die Rettung der Gnus Band 17: Tafiti und der große Zauberer Band 18: Tafiti und die Expedition zum Halbmondsee
Tafiti - Die schönsten Vorlesegeschichten Mit Tafiti lesen lernen: Tafiti und der Löwe mit dem Wackelzahn Tafiti und die Weihnachtsüberraschung Tafiti – Nur Mut, kleine Fledermaus! Tafiti schläft woanders Meine Freunde (Eintragbuch) Tafiti – Mein Malbuch Das große Tafiti-Liederalbum (Lieder-CD) Tafitis Savannenparty – Lernspiele (App) www.TafitisWelt.de
Julia Boehme
Illustriert von Julia Ginsbach
ISBN 978-3-7432-1411-8 1.Auflage 2022 © 2022 Loewe Verlag GmbH, Bühlstraße 4, D-95463 Bindlach Dieser Titel enthält die Einzeltitel Tafiti und die Reise ans Ende der Welt, Tafiti und Ur-ur-ur-ur-ur-uropapas Goldschatz, Tafiti und das verschwundene Geburtstagskind aus der Reihe Tafiti © 2013, 2014, 2018 Loewe Verlag GmbH, Bühlstraße 4, D-95463 Bindlach Umschlag- und Innenillustrationen: Julia Ginsbach Umschlaggestaltung: Elke Kohlmann Printed in the EU www.loewe-verlag.de
Inhalt
Tafiti und die Reise ans Ende der Welt Tafitis Traum .......................................................... Die Reise beginnt .................................................... King Kofi ................................................................ Mister Gogo ............................................................ Das große Unwetter ................................................ Reißendes Wasser ................................................... Am Ende der Welt ...................................................
13 19 22 29 32 39 44
Tafiti und Ur-ur-ur-ur-ur-uropapas Goldschatz Ein geheimnisvoller Brief ......................................... 49 Schatzsuche mit Umleitung ...................................... 54 In der Falle ............................................................. 60 Ab durch die Mitte .................................................. 65 Ein Festmenü für Seine Majestät ............................... 72 Das Geheimnis der Süßkartoffeln ............................. 76 Noch ein Schatz ....................................................... 83
Tafiti und das verschwundene Geburtstagskind Große Geburtstagsüberraschung................................ 88 Ein letzter Regenschauer............................................ 95 Auf dem reißenden Fluss.......................................... 103 Verloren!................................................................ 113 Torte für alle........................................................... 118
Tafitis Traum
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afiti! Spinnst du? Bleib hier!“, fiept Tutu aufgeregt und schaut seinem Bruder hinterher. „Denk an Mister Gogo!“ „Pfff, der kommt schon nicht“, murmelt Tafiti und huscht noch etwas weiter vom Bau weg. Rüber zum großen Stein. Von hier hat er eine wunderbare Aussicht über die weite Ebene. Rote Erde, gelbes Gras und hier und da einzelne riesige Bäume. Doch was Tafiti am meisten interessiert, ist der geheimnisvolle hohe Hügel fern am Horizont. Was mag dahinter sein? Tafiti streckt sich noch ein wenig mehr. Als ob das was nützen würde! Um zu sehen, was hinter dem Hügel ist, müsste man schon auf den Hügel selbst klettern. Aber das ist eine viel zu weite und gefährliche Reise für so ein kleines Erdmännchen. Tafiti seufzt. „ACHTUNG! Mister Gogo im Anflug!“, brüllt Tutu plötzlich. ZACK! Schon sind alle Erdmännchen in ihren Löchern verschwunden. Alle? Tafiti rutscht vom Stein und spurtet durch den Sand. Schnell zum nächsten Eingang! „Da ist ja noch einer“, freut sich Mister Gogo und lässt sich wie ein Stein vom Himmel fallen. 13
Mit einem gewaltigen Satz springt Tafiti kopfüber in die Höhle. Puh, war das knapp! „So ein Mist! Schon wieder kein anständiges Mittag essen“, flucht Mister Gogo draußen. „Boah, da hast du aber Glück gehabt!“ Tutu ist ganz blass. „Das kann man wohl sagen“, nickt Opapa. „Du solltest wirklich vorsichtiger sein, Tafiti!“ „Ja, ja“, keucht Tafiti noch ganz außer Atem.
Abends, als es kalt und dunkel wird, sitzen alle Erdmänn chen gemütlich im Wohnzimmer am Kamin. Tutu röstet Nüsse. Und Opapa erzählt mal wieder seine alten Ge schichten. Die vom Ur-ur-ur-ur-ur-uropapa, der damals eine gefährliche Reise unternahm, bis er endlich hier sein neues Zuhause fand. Tafiti kennt die Geschichten schon in- und auswendig. Trotzdem hört er immer wieder gerne zu. „Alles war überschwemmt“, erzählt Opapa. „Nirgends mehr ein trockenes Fleckchen. Was blieb ihm und seiner Familie anderes übrig, als sich ein neues, trockenes Zuhause zu suchen? Und so zogen sie los und erlebten eine Menge Abenteuer!“ Tafiti seufzt. Er würde auch so gerne Abenteuer erleben. Manchmal wünscht er sich fast, ihr Bau wäre auch mal überschwemmt. Dann müssten sie sich auf die Suche nach einem neuen Zuhause machen. Tafiti wüsste schon, wo sie hinziehen könnten: auf den hohen Hügel! Dann könnte er endlich sehen, was sich dahinter verbirgt! Tafiti überlegt. Muss
denn alles unter Wasser stehen? Muss denn erst etwas Schlimmes passieren, bevor er losgehen kann? Könnte er sich nicht einfach so auf den Weg machen? Aus reiner Neugier? Tafiti kratzt sich am Ohr. Da muss er gleich mal Opapa fragen. „Bist du verrückt?“ Opapa schnappt nach Luft. „Hörst du denn gar nicht zu, wenn ich Ur-ur-ur-ur-ur-ur opapas Geschichte erzähle? Dann wüsstest du genau, wie gefährlich das ist!“ Opapa schaut sich im Familienkreis um. „Was sind die größten Gefahren?“ Tafiti seufzt. Er weiß, was jetzt kommt. Jeder von ihnen kennt die Gefahren. „Da ist die Gefahr aus der Luft“, sagt Opapa. „O ja!“ Tutu nickt. „Denk an Mister Gogo, Tafiti!“ „Die Gefahren an Land“, zählt Opapa weiter auf. „Die zischende Schlange“, murmelt Omama. „Und die tödlichen Pranken von King Kofi“, haucht Tutu zitternd. Schon der Gedanke an den grässlichen Löwen lässt ihm alle Haare zu Berge stehen. „Und nicht zu vergessen“,
schließt Opapa, „die Gefahr des reißenden Was sers!“ „Aber Ur-ur-ur-ur-ur-uropapa hat es doch auch geschafft“, meint Tafiti trotzig. „Ja, der!“ Opapa nickt bedächtig. „Der schon!“ „Vielleicht schaffe ich’s ja auch“, sagt Tafiti leise. „Und dann kann ich sehen, was hinter dem hohen Hügel ist!“ „Hinter dem hohen Hügel? Aber Tafiti, das weißt du doch!“ Opapa schaut ihn über den Rand seiner Brille an. „Hinter dem hohen Hügel ist nichts. Da ist die Welt zu Ende!“ „Nein“, flüstert Tafiti. „Ist sie nicht!“ Er hat es beobachtet: Von dort kommen die Gnus und die Zebras und viele andere! Die können doch nicht aus dem Nichts auftauchen. „Aber natürlich ist dort die Welt zu Ende“, lacht Opapa. „Das weiß doch jeder! Und jetzt gute Nacht!“ Tafiti ringt nach Luft. Die Sonne brennt von oben auf ihn herab. Er ist müde und durstig. Aber zugleich unendlich glücklich. Denn jetzt hat er es fast geschafft. Trotz aller Gefahren ist er hier, am Fuße des hohen Hügels! 17
Er klettert los, rutscht an einer steilen Böschung wieder ab. Doch er macht unermüdlich weiter. So steigt er höher und höher. Gleich ist er oben. Und dann wird er endlich, endlich sehen, was sich hinter dem Hügel verbirgt. Nur noch ein paar Schritte. Tafiti reckt erwartungsvoll den Hals – und wacht auf. So ein Mist aber auch! Nicht mal im Traum kann er sehen, was hinter dem Hügel ist! Tausendmal schon hatte er diesen Traum. Und tausendmal ist er aufgewacht. Immer ein paar Sekunden zu früh! Statt mit seinen Freunden herumzutollen, sitzt Tafiti am nächsten Tag im Schatten der großen Akazie. Gedankenverloren lässt er roten Sand durch die Pfoten rinnen. „Soll ich nicht einfach doch losziehen?“, überlegt er. „Selbst wenn es stimmt, dass die Welt hinter dem Hügel zu Ende ist – wie sieht dieses Ende wohl aus?“ Tafiti seufzt. Wenn bloß die Gefahren nicht wären: die Gefahr aus der Luft, die Gefahren an Land und die des reißenden Wassers … Aber wenn Ur-ur-ur-ur-ur-uropapa den Gefahren getrotzt hat, warum sollte er es dann nicht auch schaffen? Tafiti springt auf. Es geht gar nicht anders: Er muss es zumindest versuchen!
Die Reise beginnt
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utu ist der Einzige, den Tafiti einweiht. „O nein, das darfst du nicht!“ Tutu schaut ihn erschrocken an. „Ich muss einfach“, erklärt Tafiti. Er zwinkert seinem Bruder zu. „Für eine so lange Reise brauche ich natürlich Proviant. Hilfst du mir packen?“ Als alle schlafen, schleichen sie zur Speisekammer. Die Tür quietscht verdächtig. Doch keiner wacht auf. Heimlich schmieren sie ein paar Brötchen. „Willst du auch von Omamas Kuchen?“, fragt Tutu. „Klar doch, jede Menge“, sagt Tafiti. Omamas Kuchen ist nämlich der beste der ganzen Savanne. Leise huschen sie zurück 19
ins Schlafzimmer. „Und zu keinem ein Wort, bis ich weg bin“, flüstert Tafiti noch. „Versprochen?“ Tutu nickt schweren Herzens. So macht sich Tafiti am nächsten Morgen in aller Frühe auf den Weg. „Komm gesund wieder! Und bald!“ Tutu winkt ihm nach, während Tafiti mit einem großen Vorratsbündel der aufgehenden Sonne entgegenläuft. Schon ist er am großen Stein vorbei. Seine Schnurrhaare zittern ein bisschen. So weit war er noch nie vom Bau weg. Und mit jedem Schritt entfernt er sich mehr und mehr. Natürlich passt Tafiti auf. Er sucht sich seinen Weg unter Bäumen und Büschen, wenn es geht. Oder er wuselt durchs hohe Gras. Und immer wieder bleibt er stehen. Schaut sich um, horcht und wittert. Vor allem den Himmel lässt er nicht aus den Augen. Aber Mister Gogo scheint zu schlafen. „Hoffentlich schläft er noch lange“, denkt Tafiti, als er wenig später an eine gefährliche Stelle kommt. Dort wächst kein Gras, kein Busch und kein Baum. Nur Kiesel gibt es und 20
knochentrockenen Schlamm. Hier kann er sich nicht verstecken. Nirgends. Sorgsam sucht Tafiti den Himmel ab. Nichts. Nicht mal Wolken. Tafiti spurtet los. Nach ein paar Metern bremst er ab. Ein schmales Rinnsal plätschert vor seinen Pfoten. Ist das die Gefahr des reißenden Wassers? „So ein Quatsch!“ Tafiti lacht. „Was soll an dem bisschen Wasser gefährlich sein?“ Mit ein paar Sprüngen von Stein zu Stein hat er den Bach schon überquert. Tafiti hat nicht mal nasse Füße bekommen! Jetzt aber schnell! Tafiti taucht unter im struppigen, stachligen Gras. Puh, geschafft. Hier ist er wieder sicher! Tafiti läuft weiter, bis die Sonne hoch am Himmel steht. Unter einem riesigen Affenbrotbaum macht er Pause. Hier hat er Schatten und ein sicheres Versteck zwischen den Wurzeln. Er trinkt aus seiner Flasche und isst eine Stulle und etwas Kuchen. Mhm, ist der köstlich! Omama ist eine wahre Meisterbäckerin. Nach dem Essen nickt Tafiti ein. Und träumt zum 1001. Mal, wie er den hohen Hügel erklimmt …
King Kofi
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o, ho, ho! Hab ich dich!“ Ein raues Lachen schreckt Tafiti auf. Mit einem Schlag ist er hellwach und schaut sich um. Dort, nicht weit von seinem Baum, ist ein Löwe. Ein großer Löwe mit beachtlicher Mähne und scharfen, blitzenden Zähnen. Tafitis Haare stellen sich auf. Mit seiner riesigen Pranke drückt der Löwe ein Schwein zu Boden. Er muss es gerade erwischt haben. „Du kannf st dich freuen“, lispelt der Löwe vergnügt. „Und wieso?“, keucht das Schwein. Es klingt nicht sehr glücklich. „Weil du von mir gefref ssen wirf st. Vom König der Löwen, von King Kofi perf sönlich! Vom f stärkf sten und f schönf sten Löwen weit und breit.“ King Kofi schüttelt stolz seine Mähne. „Da hab ich ja wirklich Glück“, seufzt das Schwein. „Ganz außerordentliches Glück!“ „Ja, daf s haf st du!
Und du haf st f sogar noch die Ehre, mir guten Appetit zu wünf schen, nett, nicht? Ho, ho, ho“, lacht er wieder und schleckt sich das Maul. Das Schwein schluckt. Seine Kehle ist staubtrocken. Wie kann es guten Appetit wünschen, wo es doch selbst der Braten ist? „Momentchen mal, Momentchen!“, fiept es plötzlich. Tafiti konnte es nicht länger mit ansehen. Er ist aus seinem Versteck gesprungen und läuft zu King Kofi hinüber. „O, da if st ja auch noch ein Nachtiss !“ King Kofi strahlt. „Komm nur näher, mein Nachtiss chen, komm!“ „Nein, nein, nicht der Nachtisch“, stellt Tafiti klar. „Ich bringe Ihre Hauptspeise, Majestät!“ „Die Hauptf speif se?“, fragt der Löwe verwirrt. „Ganz genau“, sagt Tafiti. „Schauen Sie, Majestät, Schweinebraten können Sie jeden Tag haben, was ist das schon Besonderes? Aber hier habe ich etwas, das gibt’s nicht alle Tage. Das ist eine echte Königsspeise!“ Tafiti schwenkt sein Bündel. „Und waf s f soll daf s f sein?“, fragt King Kofi lauernd. Immer noch drückt er das zappelnde Schwein fest auf den Boden. „Ich habe hier zufälligerweise den besten Kuchen der Welt“, posaunt Tafiti los. 23
„Kuchen?“, knurrt King Kofi. „f Zeig her!“ Tafiti entrollt feierlich sein Bündel. „Hier, Majestät, sehen Sie selbst.“ King Kofi beugt sich vor. Er schnuppert. Er schnuppert noch mal. „Mmmmh, riecht gar nicht übel!“ „Gar nicht übel? Na, hören Sie mal, Majestät! So etwas Köstliches haben Sie noch nie probiert!“ „Dann HER DAMIT!“, brüllt der Löwe. Tafiti ist flugs mit dem Kuchen ein paar Meter zurückgesprungen. „Nicht so schnell, nicht so schnell!“, beschwichtigt er den Löwen. „Den Kuchen gibt es nur, wenn Sie mich und den Braten dort gehen lassen.“ „Hä?“ King Kofi fällt die Kinnlade runter. „Und nur dann. Sie haben mich schon verstanden“, sagt Tafiti mit fester Stimme. „Sie lassen das Schwein frei oder ich bin mit dem Kuchen verschwunden!“ King Kofi schielt zum Kuchen hinüber. Tafiti kann förmlich hören, wie ihm das Wasser im Maul zusammenläuft.
„Und ef s f schmeckt f so gut, wie ef s duftet?“, fragt der König. „Noch besser. Noch viel, viel besser!“, sagt Tafiti. King Kofi überlegt. Am liebsten möchte er alles haben: das Schwein, das Erdmännchen und den Kuchen. Die Frage ist nur: wie? „Kein Interesse?“, fragt Tafiti. „Dann esse ich den Kuchen lieber selbst!“ „NEIN!“, brüllt der Löwe. „HER DAMIT!“ Mit einem Satz springt er los. In Windeseile rappelt sich das verdutzte Schwein auf und rast davon. Tafiti lässt Kuchen Kuchen sein und bringt sich schnell in Sicherheit. King Kofi schaut sich verdutzt um. Er weiß nicht, wem er als Erstes hinterherjagen soll.
Ein Glück, denn so gewinnen beide einen erheblichen Vor sprung. „Mifst, Mifst, Mifst!“, flucht King Kofi. Doch da steigt ihm wieder der köstliche Kuchenduft in die Nase. Als Tafiti von Weitem einen Blick zurückwirft, kaut King Kofi laut schmatzend Omamas Kuchen. Sein Schwanz schwingt wohlig hin und her. Ja, es scheint ihm wirklich zu schmecken! Tafiti beeilt sich, außer Sicht zu kommen. Nur für den Fall, dass King Kofi nach dem Kuchen immer noch Hunger hat. Schnell wuselt er durchs hohe, verdorrte Gras. Immer weiter dem hohen Hügel entgegen. „He, du“, schnauft es auf einmal hinter ihm. „Nun warte doch mal!“ Tafiti wirbelt herum. Es ist das Schwein, das er eben gerettet hat. Außer Atem trabt es heran. „Ich wollte mich bedanken“, keucht es. „Du hast mir das Leben gerettet!“ 26
„Na ja, hatte zufällig Kuchen dabei“, nuschelt Tafiti verlegen. Das Schwein schüttelt den Kopf. „Du bist wirklich sehr mutig! Kein anderer hätte das getan und wenn er eine ganze Bäckerei dabeigehabt hätte! Also, noch mal vielen, vielen Dank!“ „Das ist doch ganz normal“, nuschelt Tafiti. „Erdmänn chen helfen einander. Basta!“ Das Schwein wird etwas rot um den Rüssel herum. „Aber ich bin kein Erdmännchen, das sieht man doch, oder?“, meint es. „Übrigens, ich heiße Pinsel!“ „Und ich Tafiti“, sagt Tafiti und reicht ihm die Pfote. „Bist du auf Reisen?“, fragt Pinsel. Tafiti nickt. „Ich auch!“, sagt Pinsel. „Eigentlich komme ich aus dem Norden. Wollte mal sehen, wie es hier im Süden so aussieht, und vielleicht ein paar hübsche Bilder malen.“ „Du malst?“, fragt Tafiti neugierig. „Nun, ich bin nicht umsonst ein Pinselohr schwein.“ Pinsel wackelt 27
vergnügt mit den Ohren. „Und was machst du für ’ne Reise?“ „Ich will zu dem hohen Hügel dort“, verrät ihm Tafiti. „Opapa meint, dort wäre das Ende der Welt“, fügt er flüsternd hinzu. „Das Ende der Welt, soso“, grunzt das Schwein. „Das wollte ich schon immer mal sehen!“
Mister Gogo
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o machen sich die zwei gemeinsam auf. Sie sind nicht die Einzigen unterwegs: Ein Nashorn walzt an ihnen vorbei. In der Ferne wirbeln Gnus und Zebras eine Menge Staub auf. Giraffen ziehen vorüber. Und Elefanten lassen die Erde unter ihren Füßen beben. „Was guckst du denn immer hoch?“ Pinsel grinst. „Der Himmel fällt schon nicht runter.“ „Das ist wegen Mister Gogo. Manchmal zieht er da oben seine Kreise. Und wenn er mich sieht, stürzt er zur Erde und holt mich“, erklärt Tafiti. „Ach, der. Den kenn ich“, nickt Pinsel. „Bin zum Glück viel zu dick und zu schwer für ihn!“ Tafiti seufzt. Wäre er doch auch groß und dick und schwer! Doch weil er es nicht ist, wandern seine Augen immer wieder über den blauen, blassen Himmel.
„Da!“, quiekt er auf einmal. „Da kommt er!“ Pinsel schaut nach oben. Mister Gogo segelt mit weit ausgebreiteten Schwingen durch die Luft. Schon hat er sie entdeckt. „Jippieh! Endlich was zum Knabbern!“, jauchzt er und schießt nach unten. Tafiti schaut sich hektisch um. Wo soll er bloß hin? Kein Loch, keine Höhle weit und breit! „Schnell unter meinen Bauch!“, ruft Pinsel. Schwupps, ist Tafiti darunter verschwunden. Gerade noch rechtzeitig. „He, das ist nicht fair!“, kreischt Mister Gogo. „Gib ihn sofort raus! Das ist mein Essen!“ „Ach, halt doch den Schnabel!“, grunzt Pinsel. „Sonst bekomme ich noch Appetit auf Brathähnchen!“ „Brat… – WAS?“, schreit Mister Gogo erbost und sieht zu, dass er an Höhe gewinnt. „Du Schwein, du!“, schimpft er von oben. 30
„Ja, ja, reg dich ab, Piepmatz“, lacht Pinsel. „Und jetzt schwirr ab! Mach die Fliege, okay?!“ „Fliege? Ich, Mister Gogo?“ Laut schimpfend dreht er noch eine Runde am Himmel, bevor er tatsächlich die Fliege macht. Tafiti krabbelt unter Pinsels Bauch hervor. „Ein Glück, dass ich dich getroffen habe“, sagt er. „Das finde ich auch“, sagt Pinsel. „Ein ganz saumäßiges Glück sogar!“ Sie wandern noch eine ganze Weile. Erst als es dämmert und die Sonne eilig hinter den Horizont huscht, suchen sie sich ein Plätzchen zum Schlafen. Sie finden eine weiche Kuhle unter einem Dornbusch. „Kein Himmelbett, aber ganz gemütlich“, schnauft Pinsel. Tafiti nickt müde und gähnt. Er fühlt sich hier so wohlig und sicher … ob das wohl an Pinsel liegt?
Das gro e Unwetter
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ls sie am Morgen aufwachen, ist etwas anders als sonst. Aber was? „Es riecht nach Regen“, sagt Pinsel und streckt den Rüssel. „Ja, stimmt!“, nickt Tafiti. Das ist es. Die Sonne scheint nicht wie sonst. Es ist dämmrig, fast wie am Abend. Sie blicken zum Himmel. Er ist voller Wolken. Große, schwere, dunkle Wolken. „Endlich“, grunzt Pinsel. „Das wird ja auch Zeit!“ Tafiti zittert ein wenig. Nicht nur, weil es kälter ist ohne Sonne und weil der Wind heftig weht. Zum ersten Mal ist er bei Regen nicht in seiner sicheren Höhle. Denn wenn es hier regnet, tröpfelt es nicht. Der Regen bricht wie ein gigantischer Wasserfall aus den Wolken hervor und die ganze Luft wird zum Meer! Schon zuckt ein erster Blitz. „W…wir sollten einen Unter schlupf suchen“, stottert Tafiti aufgeregt. „Schnell!“ Fieberhaft schaut er sich um. Wo ist nur das nächste Loch?
Im grellen Schein eines Blitzes entdeckt er endlich, wonach er sucht. Und es ist groß! Groß genug für sie zwei! „Mir nach!“, johlt er und springt kopfüber hinein. In dem Moment schüttet es los. Pinsel saust hinterher. „Das war in letzter Minute“, keucht er. Die beiden rücken eng zusammen. Tafiti seufzt. Es ist so gut, nicht allein zu sein! Draußen grollt der Donner und hört gar nicht mehr auf. „Eigentlich feiern wir sonst immer, wenn es regnet“, erzählt Tafiti. „Aber da sitzen wir sicher im Trockenen.“ „Jetzt sitzen wir doch auch im Trockenen“, meint Pinsel gut gelaunt. Tafiti nickt. „Ja, zum Glück!“ Plötzlich zischt es hinter ihnen. Tafiti blickt sich um und das Herz rutscht ihm in die Kniekehlen: Eine Kobra hat sich hoch über ihnen aufgerichtet. 33
„Wohl in der Tür geirrt?“, zischt sie und kommt mit ihrem Kopf noch etwas näher. „Ja, in der Tat, in der Tür geirrt!“, ruft Tafiti. Im selben Moment wirbelt er mit dem Schwanz Sand auf. Und eine riesige Staubwolke nebelt die Schlange ein. „Hä? Un-ver-schämt-heit!“, hustet die Kobra. Aber da sind Pinsel und Tafiti schon längst wieder draußen im strömenden Regen. Blitze zucken, Donner grollt. Das Gewitter ist direkt über ihnen. KRACH! Schon schlägt ein Blitz ganz in der Nähe ein. Und ein Busch steht in Flammen. Tafiti zittert am ganzen Leib. „Wir müssen weg hier! Nur unter der Erde sind wir sicher!“, ruft er schrill und schlüpft gleich ins nächste Loch.
„Pass auf, wer da wohnt!“, ruft Pinsel und kommt vorsichtig hinterher. „EINDRINGLINGE!“, grunzt es da schon. Zwei Stachelschweine haben sich vor Tafiti aufgeplustert. „Zieh Leine, aber dalli!“, schnaubt das eine. „Hallöchen!“, ruft Pinsel. „Wir sind bei Verwandten. Das ist ja nett!“ „Bei Verwandten? Wieso?“, fragt das eine Stachelschwein verdutzt. „Na, wenn ich mich nicht täusche, seid ihr Stachelschweine. Und ich bin ein Pinselohrschwein“, erklärt Pinsel geduldig. „Da sind wir doch verwandt. Schweineverwandt. Und da dürfen wir uns bei diesem Höllenwetter sicher bei euch unterstellen, nicht wahr?“ „Mhm?“ Die Stachelschweine mustern ihn mit stechendem Blick. „Okay, du kannst bleiben“, sagt das eine
schließlich. „Aber der da …“, er nickt zu Tafiti hinüber. „Der da nicht!“ „Aber das ist mein Freund!“, sagt Pinsel laut. „Na und?“, grunzen die Stachelschweine. „Also, wenn wir Freunde werden“, meint Pinsel mutig. „Und ich glaube, das könnte eine saustarke Freundschaft werden. Dann könnte er ja auch euer Freund werden.“ „Ein Erdmännchen als Freund?“, schnaubt das stachligere der beiden Schweine. „Wieso nicht?“, fragt Tafiti. „Ihr könnt mich dann auch mal besuchen. Dann gibt’s leckeren Kaffee und Kuchen. Omama kann nämlich erstklassig backen!“ Pinsel nickt. „Das würde ich mir nicht entgehen lassen!“ „Kuchen?“ Das eine Stachelschwein schleckt sich unwill kürlich das Maul. „Na ja, wieso eigentlich nicht? Freunde kann man nicht genug haben.“ „Das finde ich auch“, sagt Tafiti.
Tafiti und Pinsel dürfen also bleiben. Bei Pix und Pax, so heißen nämlich die beiden Stachelschweine. „Du hast nicht zufällig ein bisschen Kuchen dabei?“, fragt Pix. „Nee, leider nicht. Nur noch ein paar Brötchen.“ Tafiti leert sein Essensbündel. Die vier machen sich darüber her und trinken dazu frischen Regenwassertee. Köstlich! Und dann erzählt Tafiti, wer seinen Kuchen gefressen hat. „Ihr habt King Kofi ausgetrickst?“, kichert Pax. „Ich glaub, ich werd verrückt!“ Pix grinst. „Vielleicht sollten wir das auch mal ausprobieren?“ „Au ja“, johlt Pax. „Am besten mit Stachelbeerkuchen!“ Schon nach einer Stunde ist das Gewitter vorbei. Draußen tropft alles. Und im matschigen Boden werden Tafiti und Pinsel kaum vorankommen. „Bleibt doch heute Nacht bei uns“, bietet Pax ihnen freundlich an. „Ihr könnt morgen weitergehen!“ 37
„Au ja“, ruft Pix. „Es ist so schön, Besuch zu haben!“ Also bleiben die beiden Freunde noch. Sie erzählen einander die lustigsten Geschichten, spielen und schmausen. Und Pinsel malt ein Bild von allen. Als Erinnerung! In der Nacht darf Pinsel auf dem Sofa schlafen. Tafiti rollt sich auf dem plüschigen Sessel zusammen. Ist das gemütlich!
Rei endes Wasser
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m nächsten Tag ziehen sie weiter. Die Luft duftet klar und frisch. Und überall auf der roten Erde zeigt sich ein erster grüner Schimmer. Der hohe Hügel wird langsam immer größer. Er wächst bei jedem Schritt. Und dann, nach zwei weiteren Wandertagen, ragt er ganz nah vor ihnen auf. „Bald sind wir da, Pinsel!“, jubelt Tafiti begeistert und hopst vor Glück immer wieder auf und ab. Doch kurz darauf ist das ganze Glück mit einem Schlag weg. Am Fuße des Hügels schlängelt sich ein reißender, rauschender Fluss. Sie müssen hinüber ans andere Ufer, um auf den Hügel zu kommen. Alle Gefahren hat Tafiti gemeistert. Doch mit einem Blick wird ihm klar, dass es Irrsinn wäre, in den Fluss zu steigen. So klein und leicht wie er ist, würde er in den Wellen und Wirbeln ver sinken. Kurz vor dem Ziel zu scheitern! Es ist wie in seinem 39
Traum. Tafiti seufzt. Alle Gefahren, der weite Weg – alles war umsonst! Alles! Alles? Tafiti blickt zu Pinsel hoch. Hätte er sich nicht auf den Weg gemacht, hätte er Pinsel nicht getroffen. Von dem gäbe es wahrscheinlich nur noch abgenagte Knochen. Und er hätte keinen großen dicken Freund gewonnen! Einen, unter dessen Bauch er für immer vor Mister Gogo sicher ist! „Komm, Pinsel“, sagt Tafiti schließlich. „Komm, wir drehen um!“ „Du willst aufgeben? So kurz vor dem Ziel?“ Pinsel schaut ihn erstaunt an. „Du kannst wohl nicht schwimmen?“ Tafiti schüttelt den Kopf. „Nie probiert“, gibt er zu. 40
„Macht nichts. Ich kann schwimmen. Setz dich einfach auf meinen Rücken“, meint Pinsel gut gelaunt. Tafiti sträubt sich das Fell. „Du willst da rüber?“, fragt er zitternd. „Das ist nun wirklich lebensgefährlich!“ „Ach was!“, schnaubt Pinsel. „Doch nicht für ein Schwein wie mich! Ich kann saumäßig gut schwimmen. Und dieses Flüsslein ist für mich ein Klacks!“ Tafiti schaut aufs reißende Wasser. Dann blickt er Pinsel an und holt tief Luft. „Ehrlich?“ „Hoch und heilig, ein Klacks“, sagt Pinsel. „Wenn du willst, schwimme ich erst eine kleine Runde ohne dich. Dann wirst du’s ja sehen!“
„A…also, wenn du dir ganz sicher bist …“, stottert Tafiti. „Dann steige ich gleich auf, okay?“ „Okay!“, lacht Pinsel. Tafiti klettert auf seinen Rücken.
„Halt dich an meinen Ohren fest!“, ruft Pinsel. Dann springt er ins Wasser und schwimmt los. Unter seinem Bauch rauscht und gluckert es. Tafiti kann gar nicht hingucken. Er umklammert die Pinselohren so fest er kann. Pinsel schwimmt wie ein Weltmeister. Die starke Strö mung bringt ihn kaum außer Kurs. Schon nach wenigen Minuten klettert er ans andere Ufer. 42
„Alles absteigen!“, ruft er. Und dann schüttelt er sich, dass die Tropfen fliegen. Tafitis Beine sind immer noch ganz zittrig. Sie haben es geschafft! Selbst das reißende Wasser konnte sie nicht aufhalten. Er lehnt sich an Pinsels nassen Bauch. „Wenn ich dich nicht hätte!“ „Ja, wir sind ein tolles Team!“ Pinsel stupst ihn mit der Schnauze an. „Los jetzt! Rauf auf den Hügel!“
Am Ende der Welt
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afiti kann es kaum glauben. Es ist so weit. Er steigt den Hügel hinauf. Doch ganz anders als in seinen Träumen ist er nicht allein. Sein Freund Pinsel und er laufen Seite an Seite. Keuchend und schnaufend haben sie es schließlich geschafft. Sie sind oben. Ganz oben! Und sie blicken hinab auf die andere, geheimnisvolle Seite. Vor ihnen liegt eine weite Ebene. Mit saftig grünem Gras, blühenden Büschen und stolzen Bäumen. Und mit Blumen. Blumen in jeder Farbe! Giraffen recken ihre Hälse aus dem meterhohen Grün. Ein Elefant trompetet einen Schwarm Schmetterlinge hoch in den Himmel. Vögel geben dröhnende Konzerte. Tafiti schnappt nach Luft. „Ist das wunder-, wunder-, wunderschön!“ 44
„Ja“, grunzt Pinsel andächtig. „Wirklich sauschön!“ Dann stehen sie lange, lange schweigend da und schauen. „Die Reise hat sich doch gelohnt“, flüstert Tafiti bewegt. „Und wie!“, stimmt ihm Pinsel zu. Er sucht nach Farben und beginnt, Bilder zu malen. Eins nach dem anderen. „Wenn hier das Ende der Welt ist“, murmelt Tafiti, „dann ist dort das Paradies!“ Sie können sich nicht sattsehen. Und es dauert sehr, sehr lange, bis sie sich schließlich umdrehen. Und da traut Tafiti seinen Augen nicht. Auf ihrer Seite, dort, wo sie hergekommen sind, da ist es ganz genauso schön! Blühende Büsche, grünes Gras, bunte Blumen – und Bäume, stolz und stark!
„Weißt du“, sagt Pinsel schließlich, „wenn ich mich so umschaue … Hinter dem Hügel, vor dem Hügel: Ich weiß gar nicht, wo ich’s am schönsten finde!“ „Ich schon“, sagt Tafiti leise. „Wo denn?“ Pinsel guckt ihn neugierig an. „Vor dem Hügel. Dort hinten, wo ich herkomme!“, sagt Tafiti und zeigt ins grün-bunte Tal hinunter. „Und dorthin gehe ich auch wieder zurück und erzähl es den anderen.“ Pinsel schluckt. „Du willst nach Hause?“ Tafiti nickt. Pinsel ist auf einmal ganz still. „Meinst du …?“, fragt er schließlich und sein Rüssel ist zartrosa vor Verlegenheit. „Meinst du, ich könnte mit? Ich bin schon so lange unterwegs. Da wäre es schön, mal ein wenig nach Hause zu kommen.“ „Klar kommst du mit!“, ruft Tafiti. „Mein Zuhause ist auch dein Zuhause. Das ist doch logo!“ „Wirklich?“ Pinsel richtet seine Ohren auf, dass die Pinselhaare steil aufragen. „Juhu!“, jauchzt er. Und hoch oben auf einem grünen Hügel, am Ende der Welt, tanzt ein Pinselohrschwein mit einem Erdmännchen. Ausgelassen und wild! 46
Ein geheimnisvoller Brief
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s ist ein ganz besonderer Tag“, meint Opapa am Morgen. „Denn heute vor vielen, vielen Jahren ist Urur-ur-ur-ur-uropapa mit seiner Familie hierhergezogen.“ „Vorher haben sie eine lange, gefährliche Reise gemacht“, erklärt Tafiti seinem Freund Pinsel und seine Augen blitzen. „Eine Reise voller Abenteuer!“ „Wirklich?“ Pinsel wackelt aufgeregt mit den Ohren. Er liebt Abenteuer nämlich mindestens genauso wie Tafiti. „Sie mussten umziehen!“, stellt Opapa klar. „Sie hatten keine andere Wahl. Ihr alter Bau war überschwemmt. Sonst wären sie niemals losgezogen. Eine Wanderung durch die Savanne ist für unsereins ja schrecklich gefährlich!“ Wie um Zustimmung zu erlangen, dreht sich Opapa zu Ur-ur-ur-ur-ur-uropapas Porträt um. „Na, so was, das Bild hängt ja schief!“ Er steht auf. Schließlich muss alles seine Ordnung haben. In dem Moment, als er es gerade rückt, passiert es: Ein großer Umschlag flattert zu Boden. Er war wohl hinter dem Bild versteckt. 49
„Nanu, ein Brief!“, ruft Tafiti und hebt den recht großen, ein wenig schmuddeligen Umschlag auf. Er dreht und wendet ihn. Es steht nichts darauf. Gar nichts! „Na, mach schon auf!“, ruft sein Bruder Tutu aufgeregt. Schon zieht Tafiti ein vergilbtes, zusammengefaltetes Blatt Papier hervor. „Und?“ Pinsel, Omama, Opapa, Tutu und der kleine Baba, alle wollen es sehen. Vorsichtig faltet Tafiti den Zettel auseinander. Auf der einen Seite ist eine Karte gezeichnet. Die Rückseite ist bis auf den letzten Quadratmillimeter mit unzähligen, winzig kleinen Buchstaben vollge schrieben. Opapa schiebt die Brille zurecht. „Das gibt’s doch gar nicht. Das ist ein Brief von Ur-ur-ur-ur-ur-uropapa!“ „Los, lies vor!“, ruft Pinsel und wackelt gespannt mit den Ohren. Opapa nimmt den Zettel, räuspert sich und beginnt zu lesen:
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Meine Lieben, dies hier ist eine wahre Geschichte! Wir lebten damals weiter im Süden beim großen See. Ihr werdet es nicht glauben, aber eines Tages fanden wir beim Graben eine alte Kiste. Mit klopfendem Herzen öffneten wir sie: Sie war randvoll mit Goldmünzen! Wir hatten einen echten Schatz gefunden! Kurz darauf kam die schreckliche Katastrophe. Der große See schwoll an, trat über die Ufer und alles wurde überschwemmt: unser Garten, unsere Höhle – unser Zuhause! Wie durch ein Wunder kam keiner zu Schaden. Aber wir mussten uns eine neue Bleibe suchen. Wir retteten vieles aus dem schlammigen Bau. Auch die Kiste mit dem Gold. Doch es war viel zu gefährlich, mit ihr durch die Lande zu ziehen. Hätte sie jemand entdeckt, man hätte uns überfallen! Da hatte ich eine Idee: Ich schmolz das Gold einfach um. So hatten wir auf unserer Reise keine Kiste mit Münzen dabei, sondern einen ganz normalen, wertlos erscheinenden Gebrauchsgegenstand. Ich malte ihn grün an, damit er nicht glänzte. Dann zogen wir los, meisterten unzählige Abenteuer und schafften es hierher. Unseren Schatz haben wir draußen vergraben. Wollt ihr ihn finden? Die Karte weist euch den Weg!
Umständlich dreht Opapa den Brief um. Gespannt beugen sich alle über die Karte. „Da ist der Schatz!“ Feierlich legt Opapa seine Pfote auf ein großes rotes Kreuz. „Aber wo ist da?“, fragt Tutu. „Da ist, wo drei Bäume dicht beisammenstehen“, erklärt Tafiti andächtig. „Drei Bäume? Wo mag das sein?“, wundert sich Omama. „Am besten, wir suchen gleich mal los!“, ruft Tafiti abenteuerlustig. Schon schnappt er sich die Karte. „Komm, Pinsel, worauf wartest du?“ „HALT!“, dröhnt Opapa. „Kein Gold der Welt ist es wert, dass ihr euer Leben riskiert! Ihr wisst doch, was für Gefahren euch drohen, wenn ihr euch von unserem Bau entfernt!“ „Ja, schon“, sagt Tafiti. „Aber Pinsel passt ja auf mich auf. Wenn Mister Gogo im Anflug ist, verstecke ich mich – schwupps – unter seinem dicken Bauch.“ 52
„Von wegen dick. Mein Bauch ist ganz normal!“ Pinsel grinst verlegen. „Vielleicht hilft er dir bei Mister Gogo. Aber vor King Kofi kann dich Pinsel nicht beschützen“, gibt Opapa zu bedenken. „Ihr zwei seid ein gefundenes Fressen für ihn!“ Pinsel schluckt. Einmal schon hat ihn der Löwe gefangen und er wäre als Schweinebraten geendet, wenn Tafiti ihn damals nicht gerettet hätte. „Ach, King Kofi, mit dem werden wir schon fertig“, meint Tafiti leichthin. „Na, ich weiß nicht“, murmelt Pinsel. „Denk an den Schatz“, wispert Tafiti. „Und an die Abenteuer!“ Abenteuer? Ja! Pinsel nickt. „Wir passen auf, wie immer“, verspricht er grunzend. Aus Omamas Gartenschuppen holen sie sich zwei Spaten und schon ziehen die Freunde los.
Schatzsuche mit Umleitung
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eißt du, wo drei Bäume dicht beisammenstehen?“, fragt Pinsel. „Nö“, sagt Tafiti. „Aber es muss irgendwo in der Nähe sein. Erdmännchen gehen nie weit von ihrem Bau weg. Zumindest, wenn sie nicht Tafiti heißen“, meint er und zwinkert Pinsel zu. So suchen sie erst einmal die nächste Umgebung ab. Hier und da wächst ein einzelner Baum. Selten stehen mal zwei beieinander. Aber drei Bäume, so wie auf der Schatzkarte, können sie nirgends entdecken. „Ganz nah ist es wohl doch nicht“, brummelt Pinsel. „Ur-ur-ur-ur-ur-uropapa war auch ungewöhnlich mutig“, gibt Tafiti zu. „Genau wie wir!“ Pinsel grinst. „Stimmt, genau wie wir“, grunzt er und zieht mit Tafiti immer weitere Kreise um die Erdmännchenhöhle. Und noch jemand zieht seine Kreise – und zwar hoch oben am Himmel.
Raketengleich stürzt Mister Gogo plötzlich auf sie herunter. Doch Tafiti ist noch schneller. Wupps! – schon ist er unter Pinsels Bauch verschwunden. „Mist!“, flucht der Adler. „So eine Unverschämtheit. Erdmännchen sollten nicht mit Schweinen befreundet sein! Das ist gegen die Regeln! Merkt euch das!“ „He, Mister Gogo!“, ruft Tafiti frech. „Du kannst uns mal einen Gefallen tun und gucken, ob du von da oben drei Bäume siehst, die dicht beisammenstehen?“ „Hä, geht’s noch?“, krächzt Mister Gogo empört. „Trickst mich mit deinem dicken Schweinefreund aus und dann soll ich euch noch helfen? Nicht eine Feder krümm ich für euch!“, schreit er beleidigt und zieht schleunigst ab. „Das merk ich mir“, kichert Pinsel. „Wenn ich Mister Gogo loswerden will, bitte ich ihn einfach um Hilfe!“ Gut gelaunt marschieren die beiden weiter. Und dann, 55
hinter einem kleinen Hügel, stehen wirklich drei Bäume dicht zusammen. „Juhu!“ Tafiti und Pinsel liegen sich in den Armen. Tafiti faltet die Schatzkarte auseinander. „Der Schatz liegt exakt zwischen den drei Bäumen. Vom größten aus sind es genau 35 Schritte. Das messe ich gleich mal nach!“, ruft er. Schon hat er den großen Baum erreicht. „Eins“, zählt er, „zwei, drei …“ Pinsel läuft neben ihm her und zählt leise mit. „… 34, 35!“ Tafiti macht einen letzten großen Schritt. „So, hier muss es sein!“ „Na ja, aber …“, druckst Pinsel auf einmal herum.
„Ich hab’s genau abgemessen. Es sind schließlich Erdmännchen-Schritte, keine Schweine-Schritte!“ „Schon“, nuschelt Pinsel. „Aber guck doch mal, wo wir hier sind.“ Tafiti dreht sich einmal um die eigene Achse. „Wo sollen wir hier sein? Mitten in Afrika, denk ich mal!“ „Schau mal nach unten. Wir stehen auf einem Pfad. Einem Privatpfad, um genau zu sein, und dieser Pfad gehört …“ Weiter kommt Pinsel nicht. Die Erde beginnt zu zittern: wumms, wumms, wumms. Erst leise, dann immer lauter. WUMMS, WUMMS, WUMMS! „Mach Platz!“, quiekt Pinsel und zieht Tafiti zur Seite. Denn da kommt, wie eine riesige Lokomotive, ein Koloss angerauscht. Und der Pfad, auf dem Pinsel und Tafiti noch vor wenigen Sekunden gestanden haben, ist sein Gleis. WUMMS, WUMMS, WUSCH!, ist er vorbei. Hätte Pinsel seinen Freund nicht fest gehalten, Tafiti wäre vom Fahrtwind davongeweht worden.
„Upps“, keucht er. Jetzt weiß er, was Pinsel meint: „Das ist wirklich keine ideale Stelle, um zu graben!“ Die beiden Freunde schauen sich an. Aber Tafiti wäre nicht Tafiti, wenn er sich aufhalten ließe. Schon gar nicht von einem vorbeiwalzenden Nashorn. Und wenn sein Horn noch so groß und spitz ist! „Jede Straße wird mal gesperrt“, meint er. „Was wir brauchen, ist eine Umleitung!“ Bevor sie also nach ihrem Schatz graben können, haben Tafiti und Pinsel alle Pfoten und Hufe voll zu tun: Sie malen Schilder, bauen eine recht robuste Absperrung und vor allem eine nashorngerechte Umleitung! Kaum ist der neue Trampelpfad fertig, bebt schon wieder die Erde. 58
„Er kommt!“, brüllt Pinsel. Und tatsächlich: Norbert Nashorn ist im Anmarsch. Aus sicherer Entfernung schauen die beiden, was passiert. Norbert kommt angedonnert und bremst ab. Eine riesige rote Staubwolke steigt zum Himmel. Norbert Nashorn schnaubt verächtlich. Tafiti und Pinsel halten die Luft an. Bestimmt nimmt er jetzt die Absperrung aufs Horn und schleudert sie kilometerweit in die Savanne! Aber nichts da: Eingenebelt vom Staub muss Norbert niesen. Pinsel fliegen fast die Ohren weg! Norbert schüttelt sich, scharrt mit den Hufen – und nimmt die Umleitung. Einfach so! „Jippie!“ Tafiti und Pinsel klatschen ab. Ihrer Schatzsuche steht nun nichts mehr im Weg.
In der Falle
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afiti wirft Pinsel eine Schaufel zu. „Also los, jetzt wird gebuddelt!“ Die beiden graben, was das Zeug hält. „Sicher hat Ur-ur-ur-ur-ur-uropapa den Schatz ganz tief vergraben“, vermutet Tafiti. „Damit ihn niemand aus Versehen findet.“ „Bestimmt“, schnauft Pinsel.
Unter der heißen Sonne Afrikas k ommen sie ordentlich ins Schwitzen. Doch den beiden Freunden ist das egal. Sie schaufeln unermüdlich weiter. Trotzdem hält Pinsel beim Graben ständig seine Ohren gespitzt. Sie müssen auf der Hut sein. Nicht nur 60
vor einem ungeduldigen Norbert, auch sonst könnten sie unliebsamen Besuch bekommen. Und hier unten in der Kuhle säßen sie in der Falle. Doch alles, was Pinsel hört, sind ein paar Vögel und der Wind, der durch die Gräser streift. So wird das Loch tiefer und tiefer und tiefer. Und der Erdhaufen draußen höher und höher und höher. Die beiden buddeln und graben. Bis auf einmal der Sand, den sie mit ihrer Schippe nach oben schleudern, auf sie zurück rieselt. Weil sie nämlich gar nicht mehr hoch genug werfen können: So tief unten sind sie schon! Pinsel und Tafiti schauen sich an. Dann schauen sie nach oben. „Huch!“, grunzt Pinsel. „Upps!“, macht Tafiti. Sie sitzen in einem tiefen, tiefen Erdloch mit hohen, steilen Wänden. So steil, dass man
nmöglich u daran hinaufklettern kann. „Ich glaub, hier ist der Schatz nicht vergraben“, sagt Pinsel.
„Nee, war wohl doch die falsche Stelle“, gibt Tafiti zu. Denn sooo ein tiefes Loch hätte selbst Ur-ur-ur-ur-ururopapa nicht gebuddelt. „Und jetzt?“, schnauft Pinsel und seine Ohren zittern ein bisschen. „Wie kommen wir hier jemals wieder raus?“ Tafiti muss nicht einmal nachdenken. „Ganz einfach“, meint er lässig. „Ich grab einen Notausgang.“ Erdmännchen können so was. Nicht mal eine Schaufel brauchen sie dazu. Schon legt Tafiti los. Und nach nicht allzu langer Zeit hat er es geschafft: Ein kleiner, gewundener Gang führt nach oben, in die Freiheit. Für Erdmännchen ist er gerade richtig. Für Pinselohrschweine ist er allerdings viel, viel, viel zu klein! Gerade mal Pinsels Schnauze passt hinein … „Und ich?“, grunzt er kläglich, als Tafiti ihm von oben zuwinkt. 62
„Keine Sorge, ich hol dich schon raus“, verspricht der. „Du musst bloß ein klitzekleines Momentchen warten!“ „HALT, KOMM ZURÜCK!“, brüllt Pinsel. Aber da ist Tafiti schon verschwunden und Pinsel sitzt ganz allein im Erdloch rum. Ohne seinen Freund Tafiti ist es ihm auf einmal sehr unbehaglich hier unten. Vor allem, als plötzlich die Erde zu zittern beginnt: wumms, wumms, wumms. Erst leise, dann immer lauter. WUMMS, WUMMS, WUMMS! Und dann: RUMMSDIBUMMSDIWUMMS. Holz kracht und splittert! „Das war wohl die Absperrung“, durchzuckt es Pinsel. Und recht hat er: Norbert Nashorn hat sie einfach aufs Horn genommen und durch die Gegend geschleudert. Im nächsten Moment steckt er sein riesiges Horn in die Grube und schaut zu Pinsel herunter. 63
„Nur gut, dass wir so tief gegraben haben“, denkt Pinsel verzweifelt. Sonst hätte ihn Norbert wohl versehentlich aufgespießt. „Hallo, Norbert“, grüßt Pinsel mit zitternder Stimme. „Schönes Wetter heute!“ Norbert schnaubt bloß. Er ist kein Freund großer Worte. Aber er hat genug von der Baustelle. So viel ist klar! „Wir schütten auch alles wieder zu“, nuschelt Pinsel kleinlaut. Norbert schnaubt gleich noch mal. Und Pinsel spürt seinen heißen, feuchten Atem. „Ehrlich, sobald ich draußen bin“, stottert Pinsel. Norbert funkelt ihn mit seinen kleinen grauen Augen an. Dann zieht er sein riesiges Horn aus der Grube und trabt – WUMMS, WUMMS, WUMMS – davon. Puh! Pinsels Herz schlägt mindestens so laut, wie Norberts Nashornstampfen tönt. Hoffent lich kommt Tafiti bald zurück!
Ab durch die Mitte
T
afiti ist schon auf dem Weg. Die große Leiter schleppt er auf dem Rücken. Für seinen Freund Pinsel ist ihm nichts zu schwer. „Juhu! Hallöchen!“, ruft es plötzlich von oben. Tafiti schluckt. Das kann nur Mister Gogo sein! Und wirklich, hoch über ihm zieht der Adler eine elegante Schleife. „Mal ohne den Schweinefreund unter wegs, was?“, krächzt er gut gelaunt. „Pech für dich, mein Lieber!“ Und damit lässt sich Mister Gogo, wie es so seine Art ist, vom Himmel fallen. Tafiti denkt nicht lange nach. Er beugt sich vor und beginnt, sich zu drehen. Die Leiter auf seinem Rücken dreht sich mit. Schneller und schneller – wie ein riesiger Propeller. „HIIILFE!“ Mister Gogo kratzt in letzter Sekunde die Kurve. Nicht ohne ein paar Federn zu lassen. „Das ist ja lebensgefährlich!“, kreischt er und flattert in die Höhe. „Wohl verrückt geworden? So
ein mieser Trick! Das ist hundsgemein – äh, erdmännchengemein!“ Und damit fliegt er schimpfend davon. „Puh!“, japst Tafiti. Jetzt aber schnell zu Pinsel! Zum Glück ist es bis zu den drei Bäumen nicht mehr weit. „Da bist du ja!“, freut sich Pinsel wenig später. Sprosse für Sprosse klettert er vorsichtig die Leiter nach oben. „Geschafft! Dem Himmel sei Dank!“, grunzt er glücklich und zieht die Leiter hoch. „Lass uns mal schnell das Loch zubuddeln, bevor da noch jemand reinfällt. Norbert hat aus der Absperrung nämlich Kleinholz gemacht!“ „Okay, dann los!“ Tafiti schnappt sich seine Schaufel. Die beiden haben kaum angefangen, als hinter ihnen Zweige knacken. „Ho, ho, ho!“, lacht es heiser. Tafiti und Pinsel wirbeln herum. King Kofi steht nur wenige Löwensprünge von ihnen entfernt. „f Super“, lispelt er begeistert. „Da ifst ja fschon mein Mittagefssen! f Schweinefschinken alfs Hauptfspeifse und alfs Nachfspeifse gibt’fs knufsprigefs Erdmänn chen am f Spiefß!“ Er schleckt sich grinsend sein 66
r iesiges Maul. „Jetfzt brauche ich nur noch eine f Serviette!“ „Erst mal musst du uns fangen! Versuch’s doch!“, ruft Tafiti frech und streckt ihm die Zunge raus. „Nichtf s leichter alf s daf s!“ Schon setzt King Kofi zum Sprung an. „Bist du völlig bekloppt?“, fährt Pinsel Tafiti an. „Ich zähl bis drei und dann springst du zur Seite“, raunt Tafiti ihm zu. „Eins, zwei …“
Und bei „DREI!“ springt Pinsel nach rechts, Tafiti nach links und King Kofi geradeaus: WOMPS, kracht er mitten in die Grube! „AUTf SCH!“, brüllt er. „f Spinnengift und f Schlangen f spucke! Holt mich rauf s – f sofort!“ „Damit du uns frisst?“, fragt Pinsel. „Niemals!“ „Euch f zeig ich’f s!“ King Kofi beginnt wie bekloppt, die steilen Wände hochzuspringen. Doch die sind selbst für ihn zu hoch. Tafiti beugt sich über die Grube. „Pech gehabt, Majestät. Mittagessen fällt heute wohl aus!“ „f SO EINE ELEFANTENKACKE!“ King Kofi brüllt, dass der Boden wackelt. „Wusste gar nicht, dass so große Tiere wie Sie, Majestät, so fluchen können“, stellt Pinsel kichernd fest. „RETTET MICH! RETTET KING KOFI! IRGENDWER! f SOFORT!“, dröhnt King Kofi aus seinem Gefängnis.
„Lass uns lieber abhauen“, meint Pinsel. „Da kommt bestimmt gleich einer!“ „Das will ich sehen“, piepst Tafiti aufgeregt. Blitzschnell schiebt er die Leiter ins Gebüsch und zieht auch Pinsel hinter sich her ins Versteck. „Ich wette, es kommt niemand. Kein Einziger!“ Und Tafiti hat recht. King Kofi brüllt und schreit, doch es kommt einfach keiner. Nicht mal die Hyänen, die sonst immer um den König herumscharwenzeln. „f Schmach und f Schande“, donnert King Kofi wütend. „Kein f Schwein kommt und rettet mich!“ „Welches Schwein sollte auch so doof sein?“, grunzt Pinsel vergnügt. „Ich bin f so waf s von f SAUER“, grölt King Kofi. „Wenn ich drauf ßen bin, fref ss ich euch alle. ALLE!“ „Jetzt kommt erst recht keiner!“, kichert Tafiti. Und damit hat er natürlich recht. King Kofi schimpft, brüllt, flucht, droht, wettert, schnaubt, grollt, grölt und tobt – bis irgendwann nur noch ein raues Krächzen erklingt. 69
„Auch König und Kaiser werden mal heiser“, reimt Pinsel und grinst. Tafiti kratzt sich nachdenklich das Fell. „Wir können ihn da unten doch nicht wirklich versauern lassen!“ „Niiicht?“ Pinsel zieht das Wort wie Kaugummi auseinander und klimpert unschuldig mit den Augen. „Nee!“, meint Tafiti kurz und knapp. „Können wir nicht!“ „Aber kaum holen wir ihn raus, frisst er uns“, gibt Pinsel zu bedenken. „Nicht unbedingt“, flüstert Tafiti. „Hä? Wie soll das denn gehen?“, wundert sich Pinsel. Tafiti grinst. „Na, rate mal!“ „Das geht nur …“, Pinsel überlegt, „wenn King Kofi einen Maulkorb trägt!“ Tafiti schüttelt den Kopf. Pinsel legt die Stirn in Falten. „Wenn wir ihm alle Zähne ziehen?“ „Also, wirklich.“ Tafiti rollt mit den Augen. „Wenn er satt ist. So richtig pappsatt, dass nichts mehr reinpasst. Nicht mal ein Nachtisch.“ 70
„Ja, das ist es!“ Pinsel wackelt fröhlich mit den Ohren. „Los, wir holen Essen!“ Sie schieben die Leiter noch ein bisschen tiefer ins Gebüsch. Und während King Kofi in seiner Kuhle weiter vor sich hin krächzt, machen sie sich auf den Weg.
Ein Festmen f r Seine Majest t
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ing Kofi gefangen in einer Grube?“, fragt Tutu zu Hause. „Können wir ihn nicht da drinnen lassen?“ „Besser wär’s“, meint Opapa. „Doch wenn wir’s täten, wären wir keinen Deut besser als er. Aber wir sind besser: Wir sind Erdmännchen!“ Pinsel reckt seinen Rüssel. „Und Ehren-Erdmännchen“, ergänzt Opapa schnell. „Und die helfen Tieren in Not. Egal was für Halunken sie auch sein mögen.“ Alle finden Tafitis Idee gut: King Kofi muss pappsatt sein, bevor er freigelassen wird.
„Dann ran an den Speck!“, ruft Omama und schließt die Speisekammer auf. Tafiti und Pinsel packen zusammen, so viel sie tragen können. Dabei muss natürlich hier und da probiert werden. „Hungrige Schweine können auch sehr gefährlich werden“, behauptet Pinsel schmatzend und beißt gleich noch einmal vom Kuchen ab. „Jetzt aber los“, drängt Omama. „Nicht dass euch noch jemand zuvorkommt und King Kofi hungrig freilässt!“ „Nicht auszudenken!“, ruft Tutu erschrocken und hält sich die Pfoten vors Gesicht. „Wir gehen ja schon“, beruhigt ihn Tafiti und schultert ein großes Bündel. Das meiste aber trägt Pinsel auf seinem starken Rücken. Als sie zu den drei Bäumen kommen, schaut er sich ängstlich um. „Was, wenn King Kofi schon draußen ist?“ Aber da hören die beiden Seine Majestät King Kofi immer noch vor sich hin krächzen. „Ich armer f Schlucker“, jammert er. „f So allein, f soll daf s mein Ende f sein?“ 73
„Nee, das ist erst der Anfang“, sagt Tafiti und grinst zum Löwen nach unten. „Hier, fang auf!“ Verdutzt schnüffelt der König an dem Essensbündel. „Kuchen, Paf stete, ich bin gerettet!“, winselt er erfreut. „Hier kommt noch mehr!“, ruft Pinsel. „Fresspakete ahoi!“ „Köf stlich!“ Von unten hört man es nur noch schmatzen. Und dann – ein wenig später – stöhnen. „Uff, mein Bauch! Ich platf ze gleich! Oje, wie f schön!“ Pinsel und Tafiti schauen sich an: Es ist Zeit für die Leiter! 74
„Ach herrje“, schnauft der König, als er mühsam Sprosse um Sprosse erklimmt. Mit einem dicken, vollgeschlagenen Bauch gar nicht so einfach. Kaum ist er oben, schleppt er sich zum nächsten Baum, legt sich in den Schatten und schläft sofort ein. Pinsel und Tafiti hat er nicht mal angeschaut. „Gute Gelegenheit, das Loch zuzubuddeln“, flüstert Pinsel. „Stimmt!“ Tafiti sieht ein letztes Mal in die Grube. Dort liegen nur noch ein paar Krümel. King Kofi hat ganze Arbeit geleistet. „Schade, dass wir den Schatz nicht gefunden haben“, seufzt er. „Ach, den finden wir schon irgendwann“, sagt Pinsel. „Es waren wohl einfach nicht die richtigen Bäume!“ Tafiti nickt und wirft die erste Schippe Sand ins Loch. Und schneller, als sie sie ausgebuddelt haben, ist die Grube wieder zugeschüttet. King Kofi schnarcht immer noch, als sich die beiden Freunde auf den Heimweg machen. 75
Das Geheimnis der S kartoffeln
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ch, da seid ihr ja wieder“, freut sich Omama. „Hat alles geklappt?“ „Logo!“, meint Tafiti lässig. „Dann könnt ihr gleich weiterbuddeln!“ „Was?“ Eigentlich haben Pinsel und Tafiti für heute genug geschaufelt. „Na ja, unsere ganzen Vorräte sind alle“, erklärt Omama. „Jetzt brauche ich Süßkartoffeln fürs Abendbrot. Oder wollt ihr etwa nichts essen?“ „Doch!“, grunzt Pinsel und schleckt sich die Schnauze. „Komm, Tafiti, das geht ganz schnell!“
Süßkartoffelauflauf ist nämlich Omamas Spezialität. Und ganz zufällig: Pinsels Leibspeise! „Süßkartoffeln muss man mit Gefühl ausgraben“, erklärt Pinsel und steckt statt der Schaufel seine Schnauze in die weiche Erde. Genüsslich schnüffelnd wühlt er darin herum. „Hier habe ich schon eine und da ist die nächste!“ Tafiti muss keine Pfote rühren. Pinsel gräbt immer weiter und befördert eine Süßkartoffel nach der anderen ans Tageslicht. „Autsch!“, ruft er plötzlich und reibt seine Schnauze. „Da ist was Hartes! Ein Stein oder so!“ Tafiti beugt sich über Pinsels Loch. „Was ist das?“ Etwas großes Grünes steckt in der Erde. Vorsichtig legt er es mit den Pfoten frei. „Eine Gießkanne?“, staunt er. „Wer hat die denn verbuddelt?“ „Hemhem“, räuspert sich da jemand. Eine Maus hat sich vor der Gießkanne aufgebaut. Sie muss wohl aus der Tülle gekrochen sein. „Entschuldigen Sie die Frage“, piepst sie aufgeregt, „aber was haben Sie vor?“
„Wir schauen nur, was hier unter den Süßkartoffeln vergraben liegt“, antwortet Tafiti verdattert. „Unser Zuhause“, erklärt die Maus. „Wir wohnen hier. Solide Metallkonstruktion, krallensicher, mit Haupteingang und Notausgang.“ „Aha“, nickt Tafiti. „Schau doch mal“, meldet sich Pinsel. Er zeigt auf einen Kratzer an der grünen Gießkanne. Der Kratzer schimmert gelbgolden. „Ja, ja“, piepst die Maus. „Innen hat es auch diesen warmen Goldton. Ausgezeichnete Wohnatmosphäre.“ Tafiti sieht genauer hin. „Das ist nicht nur ein Goldton, das IST Gold – grün lackiert.“ „Tja, mag schon sein.“ Die Maus zuckt mit den Schultern. Tafiti zieht Ur-ur-ur-ur-ur-uropapas Brief hervor:
Ich schmolz das Gold einfach um. So hatten wir auf u nserer Reise keine Kiste mit Münzen dabei, sondern einen ganz normalen, wertlos erscheinenden Gebrauchsgegenstand. Ich malte ihn grün an, damit er nicht glänzte.
„Das ist der Schatz! Ur-ur-ur-ur-ur-uropapas Gold schatz!“, jubelt er. „Und wir haben ihn gefunden! Obwohl der Plan hinten und vorne nicht stimmt!“ Tafiti betrachtet noch einmal die Karte und schaut sich um. Auf einmal stutzt er. „Da sind ja die drei Bäume von Ur-urur-ur-ur-uropapas Karte. Die Akazie, der Baum der Webervögel und da!“ Er zeigt auf den alten ausgehöhlten Baumstumpf, den Omama als Geräteschuppen nutzt. „Nur weil der eine schon abgestorben ist, haben wir’s nicht erkannt!“ Er hält Pinsel die Schatzkarte unter dessen erdverschmierte Schnauze. „Tatsächlich“, grunzt er. „Der Schatz! Wir haben ihn!“ „JUPPYDUPPYDU!“ Pinsel und Tafiti tanzen vor Freude und strahlen dabei wie die Äquatorsonne. Dann sausen sie los und holen Omama und Opapa und Tutu 79
und Baba. Alle sollen sie den Schatz sehen. „Wahnsinn!“, japst Tutu. „Nein, wirklich!“ Omama schüttelt fassungslos den Kopf. „Unglaublich!“ Opapa streicht vorsichtig über den grünen Bauch der goldenen Gießkanne. „Haben!“, lallt Baba sein neuestes Lieblings wort und streckt die kleinen Pfötchen aus. Tafiti und Pinsel platzen fast vor Stolz. „Hemhem“, räuspert sich die Maus erneut. „Vielleicht darf ich Ihnen meine Familie vorstellen?“ Ein Mäusekind nach dem anderen klettert aus der Gießkannentülle. Eins kleiner als das nächste – acht Stück. Tafiti zählt unwillkürlich mit. Und am Schluss kommt Mama-Maus mit noch zwei Babys auf dem Arm. „Wünschen Sie wirklich, dass wir umziehen?“, fragt der Mäusepapa. 80
Die Mäusekinder gucken Tafiti und Pinsel mit großen, dunklen, feuchten Augen an. „Wir wollen nicht umziehen“, schnieft das eine. „Nicht?“ Tafiti und Pinsel schauen zu Opapa hinüber. „Das müsst ihr entscheiden“, meint dieser. „Ihr habt den Schatz gefunden!“ Tafiti kratzt sich verlegen. „Was wollen wir eigentlich mit einer goldenen Gießkanne?“ „Hast recht.“ Pinsel wackelt mit den Ohren. „Was sollen wir schon damit?“ „Ich hab doch meine aus Blech“, sagt Omama eifrig. Tafiti betrachtet die Mäusekinder, die sich schüchtern um ihre Eltern scharen. „So einen Schatz kann man sich ja nicht einfach ins Wohnzimmer stellen. Man muss ihn irgendwo vergraben.“
Sein Schwanz schlägt nachdenklich hin und her. „Da können wir ihn auch gleich hierlassen.“ „Klar, warum nicht?“ Pinsel nickt. „Hier liegt er doch gut uuund …“, Pinsel beginnt schon wieder zu strahlen, „hier haben wir sogar eine ganze Wachmannschaft. Zwölf aufgeweckte Wachleute, die unseren Schatz be wachen. Was will man mehr?“ „Ja, ja, ja!“, jubeln die Mäuse los. „Wir bewachen den Schatz! Für immer und ewig, wenn ihr wollt!“ „Klar wollen wir!“, sagt Tafiti. „Dann schütten wir das Loch am besten schnell wieder zu“, schlägt Pinsel vor. Und das machen sie dann auch.
Noch ein Schatz
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ch hätte mich niemals anders entschieden“, meint Tafiti am Abend. „Aber ein bisschen schade ist es ja doch. Ich meine, wenn man schon mal einen Schatz findet …“ „Ach, mach dir nichts draus“, tröstet ihn Pinsel. „Beim nächsten Mal ist alles anders!“ „Beim nächsten Mal?“ Tafiti kichert. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass wir noch eine Schatzkarte finden. Nie im Leben!“ Aber Pinsel wackelt nur mit den Ohren. „Och, man kann nie wissen!“ Am nächsten Morgen beim Frühstück schüttelt Opapa den Kopf. „Na, so was, Ur-ur-ur-ur-ur-uropapas Bild hängt schon wieder schief. Kannst du es nicht mal ge rade rücken, Tafiti?“
Tafiti steht auf und schiebt es zurecht. Und da passiert es: Ein großer Umschlag flattert auf die Erde. Er ist etwas kleiner als der Brief von Ur-ur-ur-ur-ur-uropapa und gar nicht schmuddelig. Aber darin ist wieder eine Schatzkarte. „Nanu?“, wundert sich Tafiti und legt seine Pfote auf das große rote Kreuz. Omama lächelt. „Da musst du wohl gleich noch mal auf Schatzsuche gehen.“ „Das mach ich auch!“ Tafiti lässt Frühstück Frühstück sein. „Los, Pinsel, kommst du?“ „Na klar!“, nuschelt Pinsel ein wenig verschlafen und gähnt. Merkwürdig, sonst ist er morgens eigentlich nie müde.
Aber Tafiti hat keine Zeit, darüber nachzudenken. Er will den Schatz finden. Wenn er die Karte richtig liest, dann muss der ganz in der Nähe von Omamas Geräte schuppen sein. 84
Und wirklich: Hinter dem Schuppen, tief im Gebüsch versteckt, steht eine Kiste! Tafiti öffnet sie an Ort und Stelle. „Ohooo!“, staunt er. In der Kiste ist zwar kein Gold, dafür aber leckerer Schokoladenkuchen nach Omamas Geheimrezept. Und noch etwas ist darin: ein wunderbares Bild. Und darauf ist Tafiti gemalt, mit Pinsel, Omama und Opapa, Baba und Tutu. Und ihnen zu Pfoten liegt die grüne Gold kanne, bewacht von der Mäusefamilie. „Ist das schön!“, flüstert Tafiti andächtig. „Als Erinnerung an unser Abenteuer!“, grunzt Pinsel. Denn niemand anderes hat dieses wunderschöne Ge 85
mälde gemalt. Wenn man genau schaut, sieht man sogar noch etwas grüne Farbe an seinen Pinselohren. „Ein Schatz, den man behalten kann“, erklärt Omama. „Alles davon lässt sich aber nicht sehr lange behalten“, meint Tafiti und schielt auf den Kuchen. Der hält genau bis nachmittags um kurz nach drei. Da nämlich kommt Familie Maus zum Kaffee. Alle schmausen den Kuchen und bestaunen Pinsels Bild, das nun neben Ur-ur-ur-ur-ur-uropapas Porträt hängt. „Jetzt kannst du den Schatz immer sehen, wenn du willst“, sagt Pinsel. „Deine Schätze, wolltest du wohl sagen“, schmunzelt Omama. „Stimmt!“ Tafiti grinst. „Und die Schätze mit Fell und Ohren sind mir sowieso die liebsten!“
Gro e Geburtstags berraschung
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ie Regenzeit ist fast vorbei. Aber heute trommeln noch einmal unzählige dicke Tropfen auf den Savannenboden. Durch den dichten Wasservorhang ist kaum etwas zu sehen. Und wer draußen ist, wird von einem Moment auf den anderen klatschnass. Da b leiben selbst Tafiti und Pinsel lieber in der Erdmännchenhöhle. Außerdem haben sie jede Menge zu tun. Tafitis Bruder Tutu hat nämlich morgen Geburtstag und da brauchen sie natürlich Geschenke. Zusammen sitzen sie in ihrem Zimmer. Pinsel malt ein wunderschönes Bild für Tutu. Eifrig tunkt er seine Ohren in die Farbe. Wozu ist er ein Pinselohrschwein?! Und Tafiti schnitzt seit Tagen schon an einer Flöte. Tutu liebt Musik und alles, was damit zu tun hat. Damit Tutu sie nicht erwischt und die Über raschung
vermasselt, verrammeln sie die Tür. Und wer kommt natürlich vorbei? Tutu! Er rüttelt an der Klinke. „Nanu? Warum ist da zu?“, ruft er verwundert. „Lasst mich rein!“ „Nein“, grunzt Pinsel. „Doch“, widerspricht Tutu. „Geht nicht“, antwortet Tafiti. „Natürlich geht das“, behauptet Tutu. „Nein, tut uns leid“, sagt Tafiti hinter verschlossener Tür. „Tut euch gar nicht leid!“, ruft Tutu sauer. „Immer hängt ihr zusammen. Ihr seid echt gemein!“ „Aber Tutu“, grunzt Pinsel. „Das stimmt doch gar nicht!“ Überraschung hin oder her – Tafiti und Pinsel öffnen die Tür. Aber da ist Tutu schon verschwunden. Mit einem Knall schlägt seine Zimmertür zu. Tafiti klopft zaghaft an. „Dürfen wir reinkommen?“ Und als keine Antwort kommt, drückt er vorsichtig die Klinke hinunter. Aber Tutu hält seine Zimmertür zu. 89
„Tutu, lass uns rein, bitte!“, ruft Tafiti. „Nein, ihr habt mir ja auch nicht aufgemacht“, brummt Tutu. „Aber es war doch wegen deines Geburtstags!“, erklärt Pinsel. „Mir doch egal“, ruft Tutu zurück. Und die Tür bleibt zu. So bekommt Tutu auch gar nicht mit, dass sie später Besuch bekommen. Die alte Matemba nutzt eine Regen pause, um vorbeizuschauen. Freundlich winkt sie mit dem langen Rüssel zur Höhle hinein. Und Omama, Opapa, Tafiti und Pinsel kommen zu ihr nach draußen. Ein Elefant ist für eine Erdmännchenhöhle nämlich einfach zu groß! „Morgen hat doch Tutu Geburtstag“, weiß Mama Matemba. „Und weil er doch Musik so mag, wollen wir ihm ein Ständchen bringen.“ „Das ist ja wunderbar!“, ruft Omama entzückt. „Wie 90
wäre es gleich am Morgen? Dann können wir danach alle zusammen frühstücken?“ Opapa nickt. „Das Geburtstagsfrühstück ist bei uns immer etwas Besonderes!“ „Ja, da gibt es Kuchen!“, grunzt Pinsel und schleckt seine Schnauze. Wenn es nach ihm ginge, müsste eigentlich jeder Tag Geburtstag sein. „Abgemacht“, trötet Mama Matemba. „Wir s ehen uns morgen!“ Und damit stampft sie davon. „Wir müssen auch noch die anderen ein laden“, ruft Tafiti. „Los, Pinsel, das machen wir jetzt. Es regnet gerade nicht!“ „Es wird auch nicht mehr regnen. Die Regenzeit ist vorbei“, verkündet Omama.
„So?“ Opapa schaut sie ungläubig an. „Das sagt mir meine Schwanzspitze“, erklärt Omama. „Und auf die ist Verlass.“ „Wenn du meinst …“ Opapa schiebt etwas umständlich seine Brille zurecht. Omamas Schwanzspitze hat er noch nie getraut. „100-prozentig!“, stellt Omama klar. „Umso besser“, grunzt Pinsel. „Dann mal los, Tafiti!“
Opapa hebt die Pfote. „Passt nur auf, wenn ihr über den Fluss wollt. Ihr wisst ja: Wer von der Strömung erfasst wird, …“ „… der kommt nie zurück!“, beendet Tafiti den Satz. Den kann er auswendig. Opapa hat ihnen das schon tausendmal gesagt. 92
„Keine Sorge“, grunzt Pinsel. „Wir passen auf!“ Die meiste Zeit des Jahres ist der Fluss nahe der Erdmännchenhöhle nichts weiter als ein kleines Rinnsal, das man bequem mit einem kleinen Sprung überqueren kann. Jetzt aber, nach der Regenzeit, ist das Flussbett voller Wasser. Und der Fluss so breit, dass man ein Boot braucht, um ans andere Ufer zu kommen. Zumindest als Erdmännchen. „Denkt an die Strömung!“, ruft Opapa nochmals. Die ist tatsächlich nicht zu unterschätzen. Aber Pinsel ist stark. „Ich schaff das schon!“, grunzt er und rudert los. Ein klein wenig werden sie tatsächlich abgetrieben. Dennoch erreichen sie sicher das andere Ufer. Hau-ruck! Sie ziehen das Boot an Land und laufen los, um ihre Freunde einzuladen.
„Wir haben nur ein Problem“, meint Opapa am Abend. „Wenn die Elefanten kommen, können wir nicht wie sonst im Wohnzimmer feiern.“ „Dann frühstücken wir eben im Garten“, ruft Tafiti. „Cool“, schnauft Pinsel. „Da gibt es dann nicht nur einen Geburtstagsblumenstrauß, sondern ganze Blumen beete!“ „Aber ja!“ Omama klatscht in die Pfoten. „Tutu wird Augen machen!“
Ein letzter Regenschauer
K
aum geht am nächsten Morgen die Sonne auf, stehen Omama, Opapa, Tafiti und Pinsel auf. Ganz leise natürlich. Selbst Baba ist schon wach. Nur Tutu schlummert noch in seinem Bett. Bevor er aufwacht, gibt es noch jede Menge vorzubereiten. Schließlich soll es ein super Geburtstag werden. Tafiti und Pinsel decken im Garten den Frühstückstisch und bauen die G eschenke auf. Omamas Schwanzspitze hat sich nicht getäuscht: Der Himmel ist blau, kaum ein Wölkchen ist zu sehen. „Glaubst du, mein Bild wird ihm gefallen?“, fragt Pinsel. „Klar doch!“, sagt Tafiti. „Und meine Flöte?“ „Na logo!“, grunzt Pinsel.
„Ich hoffe, das reicht für alle!“ Omama schleppt einen Kuchen nach dem anderen aus der Küche. Opapa kocht gleich kannenweise Kakao. Wenn Elefanten zu Besuch kommen, kann man gar nicht genug auftischen! Tafiti und Pinsel hängen währenddessen Luftballons und bunte Fähnchen auf. Da kommen auch schon die ersten Gäste: Pix und Pax, die Stachelschweine, Gina, die Giraffe, Chifu und seine Affenbande und schließlich auch Mama Matemba mit ihrer Blaskapelle. Selbst das Erdferkel Kukukifuku schaut vorbei. Eigentlich geht es schlafen, wenn die Sonne aufgeht. „Heute bleibe ich etwas länger wach“, meint es und gähnt. Alle legen ihre Geschenke auf den Gabentisch.
„Wir haben ein Kuscheltier gestrickt“, verrät Pix. Die Affen verschenken Kokosnüsse und Gina Halsbonbons. „Sollen wir helfen?“ Die Affen schnappen sich Laternen und Girlanden und turnen flugs den großen Baum hinauf, um alles aufzu hängen. Inzwischen strahlt die Sonne hell am H immel. Alles ist gedeckt und vorbereitet. Zeit fürs Frühstück. Jetzt fehlt nur noch Tutu. Der rekelt sich in s einem Bett. Noch bevor er seine Augen aufschlägt, fällt ihm ein, dass heute ein ganz besonderer Tag ist: sein Geburtstag! „Juhu!“ Sofort springt Tutu aus dem Bett. Er weiß genau, was ihn erwartet: ein köstliches Frühstück, lauter Geschenke und überhaupt ein wunder voller, toller Tag! Tutu flitzt ins Wohnzimmer und schnappt nach Luft. Was? Der Frühstückstisch ist ja noch gar nicht gedeckt! 97
Und Geschenke gibt es auch nicht! Ist er etwa zu früh aufgewacht? Schnell schaut Tutu nach, ob die anderen verschlafen haben: Aber alle Betten sind leer! Das kann doch nicht sein! Tutu schluckt. Denn Omama, Opapa, Tafiti, Baba und Pinsel haben seinen Geburtstag vergessen! Allesamt! Tutu muss sich erst einmal setzen. Und dann ist doch noch einmal Regenzeit: Unzählige dicke Tropfen klatschen auf den Boden – nicht draußen, sondern drinnen in der Erdmännchenhöhle. Doch wie auch der Regen hören die Tränen irgendwann auf. Tutu schnäuzt in Omamas Küchenhandtuch. „Die sind selber schuld, wenn sie meinen Geburtstag vergessen“, schnieft er. „Ich werde schon jemanden finden, der mit mir feiert, jawohl!“ 98
Tutu nimmt den kleinen versteckten Notausgang hinter der Besenkammer. Seinen Lieblingsausgang. Da ist er schon fast am Fluss. Und dort muss er hinüber, wenn er Freunde zum Feiern finden möchte.
Tutu schiebt das Boot ins Wasser und springt hinein. Er ist noch nie alleine mit dem Boot gefahren. Aber er schafft das. Er ist ja schon groß. Schließlich hat er heute Geburtstag! Tutu löst den Knoten, mit dem das Boot am Ufer vertäut ist, und rudert los. Schon erfasst die Strömung das Boot. Man muss ganz schön stark sein, um sich dagegen zu behaupten. Stärker als Tutu: So heftig er auch rudert, die Strömung reißt sein Boot mit sich fort. 99
„Hilfe!“, ruft Tutu. „Hilfe!“ Weglaufen und mit Freunden feiern ist eine Sache. Wiederkommen eine andere. Und natürlich wollte Tutu nur mal kurz verschwinden. Eine halbe Stunde vielleicht, wenn’s hochkommt. Aber doch nicht für immer! Doch wen die Strömung erwischt, der kommt niemals wieder, sagt Opapa immer. „HILFE!“, schreit Tutu noch einmal, so laut er kann. Laut genug, dass es die anderen im Garten hören. „Ist das nicht Tutu?“ Tafiti stürmt sofort los. Pinsel galoppiert hinterher. Auch Omama und Opapa laufen, so schnell sie können. Und da sehen sie gerade noch, wie Tutu auf dem Fluss davongetrieben wird. „Tutu!“, rufen sie entsetzt. „Helft mir!“, schreit Tutu, bevor er hinter der Flussbiegung verschwindet.
Tafiti und Pinsel schauen sich an. Natürlich helfen sie. Aber wie? „Wir brauchen ein Boot!“, ruft Tafiti. „Das Boot hat Tutu“, seufzt Opapa. „Und ein zweites haben wir nicht.“
„Aber zu Fuß holen wir ihn niemals ein! Wir brauchen ein Boot, irgendeins!“ Tafiti flitzt in die Höhle und schaut sich um. Und da e ntdeckt er Omamas hölzernen Waschtrog. Der ist nicht gerade groß, aber es wird schon irgendwie gehen. Es muss einfach! „Komm, Pinsel, wir haben keine Zeit zu verlieren!“, ruft Tafiti. Und während das Schwein den Trog nach draußen 101
schleppt, schnappt sich Tafiti schnell noch eine Schaufel als Paddel. „Aber ihr könnt doch nicht …“, ruft Omama. Doch, sie können: Tafiti und Pinsel haben ihr Boot bereits zu Wasser gelassen und springen hinein. Schon hat die Strömung sie erfasst und sie treiben den Fluss hinab. Am Ufer stehen Omama und Opapa und schlagen die Pfoten über den Köpfen zusammen. „Ojemine, wenn das nur gut geht“, jammert Omama. „Das kann nicht gut gehen“, brummt Opapa. „Niemals!“
102
Auf dem rei enden Fluss
D
er Trog dreht sich. Kipplig ist es und Wasser schwappt über den Rand. Aber sie kommen voran – und das ist die Hauptsache. Tafiti versucht, mit der Schaufel auf Kurs zu bleiben. Das ist nicht gerade einfach: Eine Schaufel ist nicht eben das beste Ruder. Und der Fluss schlängelt sich im Zickzack durch die Savanne. Hin und wieder sehen sie von Weitem Tutu in seinem Boot. Doch bei der nächsten Biegung ist er schon wieder verschwunden. „Halt, f stehen bleiben!“, faucht es plötzlich. Am Ufer steht Seine hochwohlgeborene Löwenmajestät King Kofi. „Erdmännchen haben an Land f zu f sein“, befiehlt er.
„Und f Schweine auch! Wo kommen wir denn da hin, wenn die Braten neuerdingf s auf dem Waf sser fahren. f Sapperlot!“ „Wenn du uns fressen willst, muss du uns schon holen“, ruft Tafiti frech.
Der Löwe verzieht sein Gesicht. Vorsichtig tunkt er eine Kralle in die Fluten und zieht sie blitzschnell wieder heraus. Tafiti und Pinsel fahren johlend an ihm vorbei. „Wohl wasserscheu?“, lachen sie. „Ich? Waf s? I wo!“, faucht King Kofi. „Und ihr kommt f sofort anf s Ufer!“ 104
„Tut uns leid, aber wir sind landscheu. Vor allem, wenn da Löwen sind!“, ruft Tafiti. „Unverf schämtheit!“, brüllt Seine Majestät. Doch Pinsel und Tafiti fahren winkend davon. King Kofi wird ihnen diesmal kein Kopf zerbrechen machen. Dafür gibt es ein anderes Problem. „Das Vertrackte ist, dass Tutu und wir gleich schnell sind“, meint Tafiti. „Er wird von der Strömung mitge rissen und wir werden von der Strömung mitgerissen. So holen wir ihn nie ein!“ „Dann müssen wir eben doller rudern“, grunzt Pinsel und paddelt mit dem Spaten, so gut es geht. Aber wirklich schneller sind sie damit auch nicht. „Wir können nur hoffen, dass Tutu irgendwann ans Ufer treibt“, überlegt Tafiti. „Hoffentlich treiben wir dann auch ans Ufer“, schnauft Pinsel. „Sonst fahren wir nämlich an ihm vorbei. Und vorbeifahren ist fast schlimmer als hinterher!“ Tafiti nickt. 105
Vielleicht hätten sie doch nicht so schnell in Omamas Waschtrog springen sollen? Aber andererseits, wenn sie erst lange überlegt hätten, wäre Tutu längst auf und davon. Da ist es schon besser so! Auch wenn es nur wenig zu helfen scheint: Pinsel und Tafiti lösen sich mit dem Spatenpaddel immer wieder ab. Ihre Arme werden langsam lahm. Aber egal, sie müssen Tutu unbedingt erwischen! Über das tosende Wasser hören sie seine verzweifelten Hilferufe. Wären die beiden Freunde nicht so besorgt, sie würden die Flussfahrt genießen. Die Regenzeit hat die sandige Savanne in eine grüne Welt verwandelt. Mit lauter bunten Blumen und B lüten. Je weiter sie fahren, desto üppiger wird die Pflanzenwelt. Büsche und Bäume wachsen am Ufer. Lange Äste reichen über das Wasser. Und daran hängen reife
Früchte. Wenigstens das fällt Pinsel schließlich auf. Denn er hat Hunger. „Schau mal da! Das sieht lecker aus!“, grunzt er und schleckt sich die Schnauze. „Lass uns ver suchen, eine davon zu pflücken. Wir haben nicht mal gefrühstückt!“ Tafiti schüttelt streng den Kopf. „Frühstücken können wir später, erst einmal müssen wir Tutu retten.“ „Wir müssen dafür ja nicht mal anhalten!“ Pinsel streckt die Vorderbeine nach oben und versucht, eine der Früchte zu erhaschen. Doch sie hängen zu hoch. Nur einen kleinen Tick. Pinsel hopst auf und ab. Das macht sich in einem schwimmenden Waschtrog allerdings nicht so gut, denn nach jedem Sprung schwappt eine gehörige Portion Wasser hinein. „Nicht, Pinsel!“, ruft Tafiti. „Hör auf!“ Pinsel starrt auf seine nassen Hufe. „Ups, Entschuldigung“, murmelt er. Aber dann hüpft er gleich noch mal. Lieber etwas Wasser im Boot als verhungern. 107
Das Dumme ist nur, dass er die Frucht schon wieder nicht erwischt. „Mist!“, schnauft er. Da entdeckt er vor ihnen eine schwimmende Affenbrot frucht. Die muss er erwischen! „Gib mal das Ruder!“ Pinsel schnappt sich die Schaufel und paddelt wie verrückt. Und wirklich: Sie kommen näher und näher. „Hier, mach weiter!“ Pinsel drückt Tafiti die Schaufel in die Pfoten und macht sich bereit, die Frucht zu schnappen. „Pinsel, pass auf!“, ruft Tafiti. „Wieso?“ Aber da sieht Pinsel es auch. Nicht nur er hat Hunger, sondern auch die Krokodile. Und die wollen kein Obst, sondern Schweinebraten. Schon umkreisen sie Omamas Waschbottich. Pinsel wird blass, als er die vielen scharfen Zähne sieht. „King Kofi in Grün“, raunt er Tafiti zu. Was hilft es, dass Löwen wasserscheu sind, wenn es Krokodile gibt? Tafiti nickt. „Aber solange wir im Boot sind, kriegen sie uns nicht.“ 108
Das ist auch den Krokodilen aufgefallen. „Na, hol dir schon dein Frühstück!“ Ein Krokodil zwinkert listig und stupst mit der Schnauze die Frucht ganz nah an den Bottich. Aber Pinsel bleibt stark. „Mir ist der Appetit vergangen“, grunzt er leise. PLATSCH! Ein Stück vor ihnen plumpst etwas ins Wasser. Diesmal aber keine Frucht, sondern ein kleines Affenkind! Ein Pavianbaby. Es muss vom Ast abgerutscht sein. Es rudert mit den Armen. „Mami!“, kreischt es. „Mami!“ Doch statt der Mama kommen blitzschnell die Kroko dile angeschossen. Schon ist das Kleine umzingelt. „Das gehört mir“, zischt das eine Krokodil. „Nein, mir“, knurrt das andere. 109
„Ich hab’s zuerst gesehen“, mault ein anderes. Den Streit nutzt Tafiti aus. Er paddelt wild mit dem Spaten. „Wir müssen den Kleinen retten!“
Auch wenn es vielleicht wenig nützt, Pinsel hilft und rudert mit den Hufen. So gelingt es ihnen irgendwie, sich zwischen den Krokodilen hindurch zu manövrieren. „Schnapp es dir!“, ruft Tafiti Pinsel zu. Pinsel beugt sich gefährlich weit vor und packt zu, gerade als eins der gefräßigen Krokos zuschnappen will. Doch es klappt: Pinsel hat den Kleinen gerettet. Sofort klammert sich das Äffchen an seinen Retter. Die beiden Ärmchen sind fest um Pinsels Hals geschlungen. „Du bist mir ein schönes Früchtchen“, grunzt Pinsel leise. „Hab keine Angst. Wir passen auf dich auf!“ 110
Aufgeregt turnen die Paviane von einem Baumwipfel zum nächsten. „Juhu!“, jubeln sie. „Danke! Jetzt kommt ans Ufer!“ Tafiti schaut das Affenbaby an. Natürlich muss es zurück zu seiner Mama. Aber wenn sie jetzt an Land fahren, haben sie Tutu vielleicht für immer verloren. Das Kleine liegt ruhig in Pinsels Armen. Pinsel wiegt es und grunzt ein Liedchen dazu. Dem kleinen Pavian scheint das zu gefallen. „Los, ans Ufer!“, schreien die Affen.
„Wir müssen erst meinen Bruder retten“, erklärt Tafiti. „Dann bringen wir euch den Kleinen sofort zurück!“ „Was?“ Die Paviane schnattern aufgeregt. Pinsel schaut Tafiti an. „Hast du schon mal daran 111
edacht, wie wir zurückkommen sollen?“, fragt er. „Der g Fluss ist eine Einbahnstraße. Gegen die Strömung kommen wir nicht an. Nicht einen Zentimeter!“ „Ich weiß“, murmelt Tafiti. „Aber man kann immer nur ein Problem auf einmal lösen, sagt Omama immer. Erst retten wir Tutu. Dann b ringen wir das Kleine zurück. Und dann sehen wir zu, wie wir wieder nach Hause kommen. Eins nach dem anderen. Wir finden schon eine Lösung. Irgendwie.“ „Na, hoffentlich“, schnauft Pinsel. Also, er hat keinen blassen Schimmer, wie das alles gehen soll.
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Verloren!
T
afiti paddelt wie verrückt. Sie müssen endlich Tutu einholen! Und wirklich: Sie werden immer schneller. „Wir nehmen richtig Fahrt auf“, grunzt Pinsel anerkennend. Tafiti schaut den Fluss entlang. Aber Tutu ist immer noch nicht zu sehen. So schnell das Boot fährt, die Paviane sind schneller. Mit rasanten Sprüngen preschen sie durch die Baumkronen und haben Tafiti und Pinsel längst überholt. Ein paar Flussbiegungen später warten sie auf die beiden Freunde und werfen ihnen von den Bäumen lange Lianen zu. „Haltet euch daran fest, dann können wir euch ans Ufer ziehen!“, brüllen sie über die tosenden Fluten. „Später, bitte“, ruft Tafiti. „Wir müssen doch erst Tutu einholen!“
„Jetzt!“, schreien die Affen schrill. „Das ist die letzte Chance!“ „Letzte Chance?“ Tafiti schluckt. „Wieso?“ „Nehmt die Lianen, los!“, brüllt da eine vertraute Stimme. Tafiti schaut zum Ufer. Da steht ja Tutu! „Schnell, die Affen haben mich damit auch an Land gezogen“, ruft Tutu. „Tutu ist gerettet!“, jubelt Tafiti. „Juhu!“ „Schnapp die Liane“, grunzt Pinsel. Er hat immer noch das Baby auf dem Arm. „Schnell!“ Aber da sind sie schon an der letzten Liane vorbei. „Tafiti! Pinsel!“, schreit Tutu verzweifelt. „Sie sind verloren!“, kreischen die Paviane und halten sich Augen und Ohren zu. Verloren? Ach was! Sie werden es schon irgendwie ans Ufer schaffen. Doch wie sie auch paddeln, der Fluss zerrt sie in seine Mitte und das Boot wird schneller und schneller. Und was noch schlimmer ist: Das Brausen und Tosen, das sie schon seit einer Weile hören, steigert sich zu einem Brüllen. Ein Brüllen, das lauter und gefährlicher klingt als King Kofi. 114
„Da kommt ein Wasserfall!“, ruft Tafiti und seine Schnurrhaare zittern. Den beiden Freunden wird heiß und kalt. Was sollen sie jetzt bloß machen? Wenn nicht gleich ein Wunder passiert, stürzen sie in die Tiefe! Sie rasen direkt auf den Abgrund zu! „Besser nicht hingucken!“ Pinsel drückt das Paviankind an sich und macht die Augen zu.
RUMMS! Was war das? Vorsichtig macht Pinsel die Augen wieder auf: Sie sind auf einen Felsen gefahren. In letzter Sekunde, was für ein Glück! Zu dumm nur, dass der graue Fels gar kein Fels ist, sondern ein Nilpferdpopo. „Was fällt euch ein! Lümmel!“, schimpft die Nilpferddame.
„Halt, stopp! Nicht bewegen, sonst sind wir verloren!“, grunzt Pinsel. Die Nilpferddame wackelt missmutig mit den Ohren. „Wir bitten höflichst um Entschuldigung. Das war keine Absicht“, erklärt Tafiti. Er räuspert sich. „Ohne Sie wären wir den Wasserfall hinuntergestürzt. Sie sind eine Heldin! Sie haben uns das Leben gerettet! Ganz herzlichen Dank!“ „So, so, das hört sich schon besser an“, schnauft das Nilpferd. „Ihr dürft mich Fräulein Ottilie nennen“, erlaubt sie gnädig. „Bitte helfen Sie uns!“, quiekt Pinsel. „Und wie?“, fragt Ottilie. „Ziehen Sie uns an Land“, grunzt Pinsel. „Wie stellt ihr euch das vor?“, fragt Fräulein Ottilie 116
e mpört. Sie hat vier Beine, und die braucht sie zum Stehen, sonst reißt die Strömung sie auch noch mit. „Wir könnten auf Ihnen ans Ufer reiten“, überlegt Tafiti. „Wie bitte?“ Das passt dem Fräulein ganz und gar nicht. Und außerdem gibt es da ein Problem. „Ich stehe hier auf einer Sandbank. Das Wasser drumherum ist deutlich tiefer. Und ich schwimme nicht. Ich laufe.“ Tafiti schluckt. Unter Wasser lässt es sich schlecht reiten. „Dann rühren Sie sich bitte nicht vom Fleck“, bittet er. „Bis uns was einfällt!“ Fräulein Ottilie schnaubt unwillig. „Sie wollen doch nicht, dass dem Baby etwas passiert?“, fragt Pinsel. Das Paviankind schaut die Nilpferddame mit großen Augen an. „Na gut“, meint Fräulein Ottilie großzügig. „Ein bisschen kann ich ja noch hier stehen bleiben.“ „Das wäre toll“, seufzt Tafiti. Pinsel und er gucken sich an. Wie kommen sie nur ans Ufer? Tutu und die Paviane hocken ratlos am Strand. Sie haben auch keine Ahnung.
Torte f r alle
P
lötzlich hört man ein Tröten und Trampeln. Das kann nur Mama Matemba sein. Und tatsächlich kommt sie mit ihrer Elefantenherde angestapft. „Ach, du liebe Güte!“, trompetet sie. „Das war knapp!“ Schon watet sie durch den Fluss, angelt den Waschbottich mit ihrem Rüssel und zieht ihn an Land. „Das wurde ja auch Zeit“, grummelt Fräulein Ottilie und marschiert ebenfalls Richtung Ufer. Und zwar unter Wasser. Am Ufer überreicht Pinsel den kleinen Pavian seiner Mama.
„Habt tausend Dank!“, ruft sie beglückt und drückt den Kleinen an sich. „Tumbilli, mein kleiner Schatz!“ Auch Tutu und Tafiti fallen sich in die Arme. „Ich bin ja so froh, dass du gerettet bist“, ruft Tafiti. „Und ich erst“, seufzt Tutu. „Warum bist du denn bloß weggefahren?“, fragt Pinsel. „Weil ihr meinen Geburtstag vergessen habt“, murmelt Tutu. „Das haben wir doch gar nicht!“, ruft Tafiti. „Wir wollten bloß im Garten feiern“, erklärt Pinsel. Tutu macht große Augen. „Ehrlich?“ „Aber ja“, mischt sich Mama Matemba ein. „Weil wir doch mitfeiern wollten!“ Sie dreht sich zu ihrem Trupp um. „Ständchen“, posaunt sie. Und die Elefanten trompeten los und alle anderen singen mit:
„Happy birthday, lieber Tutu!“ „Danke!“, ruft Tutu gerührt. „Jetzt brauche ich ganz dringend ein riesengroßes Stück Geburtstagstorte!“, seufzt Pinsel. 119
„Das brauchen wir wohl alle“, meint Tafiti. „Dann auf nach Hause“, schlägt Mama Matemba vor. „Ihr seid alle zu meinem Geburtstag eingeladen!“, ruft Tutu. Die Paviane sind begeistert. Auch Fräulein Ottilie hätte gerne Kuchen. „Ist es weit?“, fragt sie. Sie läuft nicht gerne lange Strecken. „Wer nicht laufen will, reist huckepack“, bietet Mama Matemba an.
Mit Lianen werden die beiden Boote aufgeschnallt. In einem reist Fräulein Ottilie. Im anderen sitzen Tutu, Pinsel und Tafiti. Der kleine Tumbilli und seine Mama und der Rest der Paviane reiten auf dem Elefanten. „Zum Glück ist der Weg ganz einfach“, meint Pinsel. „Immer am Fluss entlang!“ „Ach was, der schlängelt sich ewig dahin!“, trötet Mama Matemba. „Ich weiß eine prima Abkür zung. Wir Elefanten kennen uns aus!“ Und schon marschieren sie los. Dichtes Unterholz ist kein Problem für die Elefanten. Wie Bulldozer bahnen sie sich einen Weg durchs Gestrüpp. Und schneller als gedacht erreichen sie Omamas Gemüsegarten. „Da sind sie ja!“ Omama und Opapa sind überglücklich. „Und jetzt wird gefeiert!“, ruft Tafiti. „Ran ans Büfett“, johlt Pinsel. Das lassen sich die anderen nicht zweimal sagen. Fräulein Ottilie schiebt sich einen Kuchen nach dem anderen ins Maul. Leben retten lohnt sich! 121
Als alle schließlich satt sind und die Teller leer, gibt es noch einmal ein Ständchen. Das weckt endlich Kukukifuku auf. Der arme Kerl war eingeschlafen. Aber nun ist ja sowieso fast Zeit zum Aufstehen. Zumindest für Erdferkel. Tutu darf seine Geschenke auspacken. „Eine Flöte“, ruft er begeistert und beginnt gleich, mit den Elefanten Musik zu machen. So wird getanzt, gespielt und gelacht, bis die Sonne am Horizont versinkt und der Mond am Himmel leuchtet. „Was für ein schönes Geburtstagsfest!“, findet Tutu und gähnt. „Nur leider etwas kurz.“ „Dann feiern wir morgen gleich noch mal“, schlägt Tafiti vor. „Und zwar den ganzen langen Tag!“
„Au ja“, grunzt Pinsel. „Mit allem Drum und Dran!“ „Auch mit Geburtstagstorte?“, erkundigt sich Fräulein Ottilie. „Natürlich!“, ruft Omama. „Ihr kommt doch alle?“, fragt Tutu. „Was für eine Frage!“, trötet Mama Matemba. Denn gegen eine zweite Geburtstagsparty hat niemand etwas einzuwenden. Wirklich kein Einziger!
Julia Boehme studierte Literaturund Musikwissenschaft und arbeitete danach als Redakteurin beim Kinderfernsehen. Eines Tages fiel ihr ein, dass sie als Kind unbedingt Schriftstellerin werden wollte. Wie konnte sie das bloß vergessen? Auf der Stelle beschloss sie, jetzt nur noch zu schreiben. Seitdem denkt sie sich ein Kinderbuch nach dem anderen aus.
Julia Ginsbach wurde 1967 in Darmstadt geboren. Nach ihrer Schulzeit studierte sie Musik, Kunst und Germanistik. Heute arbeitet sie als freie Illustratorin und lebt mit ihrer Familie und vielen Tieren auf einem alten Pfarrhof in Norddeutschland.