Entwürfe

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VALLE MAIRA

Leitfaden zur Erkennung von Entwicklungspotentialen und zur räumlichen Neudefinition zweier gemeinden des Miratales

Casa Corte

Canosio

Urzustand: starke Verfallserscheinungen Dach teils eingestürtzt Westflügel renoviert

Maßnahmen: Stabilisierung der gesamten Struktur Abbruch des Westflügels Gesamtoptimierung der Hülle

Umgang: Säuberung und Akzentuierung der Mauerstruktur NeubauWestflügel fachgerechte Rekonstruktion des Tragwerk

Perspektive

Terrasse

Die “Casa Corte” ist ein verlassenes und heute teils stark verfallenes Gebäude im südlichen Teil der Gemeinde. Es wird in der räumlichen Neuordnung der Gemeinde als erhaltenswerter Ort eingestuft. Im Zuge der erhaltenswerten Schutzhütten im der südlichen, hochalpinen Zone Canosios wird ein weiteres hinzugefügt. Das Gebäude ist eines der größten Einzelgebäude und hat einen hohen kulturellen Stellenwert. In der Zeit von relativem Wohlstand im 19. Jahrhundert tauchte dieser neue Gebäudetyp auf. Er ist sehr offen gestaltet und zeichnet sich durch den Einsatz von massiven Säulen als Träger eines sehr großen Daches aus. Diese Häuser zählen zu den größten Bauten, die es im Tal je gegeben hat und kamen fast überall im Mairatal zum Einsatz. Die sogenannte „casa villaggio“ entkoppelt die Tragstruktur und das Dachtragwerk teilweise von der Wand. Dies erlaubte den Bau von größeren und offeneren Strukturen. Holz wird zu einem wichtigen Baustoff. Die Dachtragwerke dieser Häuser sind wesentlich komplexer als alles bis dahin Gebaute, da die Spannweiten des Daches größer werden. Am eindrucksvollsten kann man dies an dem “Hofhaus” in Canosio sehen. Die „casa corte“ offenbart die komplexe Tragstruktur des Daches. Anfangs noch als einfaches Haus für eine Familie gedacht, wurde die Struktur im Laufe der Jahre erweitert. Um den zentralen überdachten Hof wurden Räume für mehrere Familien eingerichtet, die alle dem dreigeteilten Prinzip der romanischen Bauernhäuser entsprachen. Im ebenerdig zugänglichen Steingewölbe waren die Ställe untergebracht. Im ersten Obergeschoss, das über Treppen und Terassen erschlossen wurde, befanden sich die Wohnräume der Familien. Im 2. Obergeschoss, das, durch das starke Gefälle der Topografie von der Rückseite des Gebäudes direkt zugänglich war, legten die Bauern das Heulager an. So waren alle Räume für Tiere und die Zufuhr für Heu direkt von außen zugänglich, was die Arbeit wesentlich erleichterte und im Inneren des Gebäudes wurden keineTreppen benötigt. Am Ende dieser Entwicklung gab es teils ganze Dörfer, die unter einem Dach vereint waren. Straßen, Plätze und Arbeitsflächen, Lagerflächen und Aufenthaltsflächen waren komplett überdacht und eigneten sich optimal für handwerkliche Arbeiten im Winter. Daneben entstanden kollektiv genutzte, mehrgeschossige Heulager, sehr viele Wohneinheiten und eigene öffentliche Backöfen. Die Ortschaft L’Ubac (okzitanisch: im Schatten) im Gemeindezentrum von Canosio ist ein gut erhaltenes und noch bewohntes Beispiel. Die Casa Corte stellt also einen architektonischen sowie einen sozioökonomischen Ausnahmewert dar. Die engen sozialen Beziehungen der romanischen Bergbauern und deren einzigartigen Bauten sind Zeuge einer hochfunktionalen Gesellschaft des Agrarzeitalters. Die verfallene Struktur steht heute einerseits an einem Kreuzungspunkt mehrerer Wander- und Forstwege, andererseits nahe an der Hauptverkehrsachse durch das Seitental und bietet sich optimal für eine Neuinterpretation der Typologie Schutzhaus an.

Einbindung: Gebäude als zentraler Treffpunkt für Wanderer

Erdgeschoss Bestand 1:200

2. Obergeschoss Bestand 1:200

Im Zuge der Errichtung neuer Wanderwege, die eine Verbindung zu den großen Weitwanderwegen GTA und Mairaweg herstellen, wird das Gebäude zum zentralen Treffpunkt für Wanderungen aller Art. Neben Unterkünften werden ein Wanderzentrum, ein Lebensmittelladen und eine Bar in das Raumprogramm aufgenommen. Über die Hauptstraße gelangt man direkt zum zentralen, nach Süden hin offenen Hof. Über diesen wird das gesamte Bauwerk erschlossen. Im Erdgeschoss befinden sich in den alten Ställen die ersten Unterkünfte. Über eine neu angelegte Treppe erreicht man das erste Obergeschoss, wo sich das Wanderzentrum, weitere Zimmer und der Zugang zu einem Appartment für den Betreiber der “Casa Corte” befinden. Im 2. Obergeschoss befindet sich die große, neue Terasse mit Blick über das Tal. Von der Terasse aus wird das restaurierte, scheinbar wirr angelegte Tragwerk des Daches deutlich sichtbar. Der Bau ist in seinem Urzustand aus zwei Materialien erbaut worden. Die Wände wurden aus dem typischen Schieferstein mit einem billigen Mörtel verfugt, die Decken, Terrassen und das Dach wurden aus lokalem Lärchenholz gefertigt. Diese zwei Materialien werden in ihrer Art und Weise weiterverwendet. Die Mauern, teilweise mit einem abbröckelnden, schlecht verarbeiteten Putz versehen, werden durch neue Steine stabilisiert und in ihrer Gesamtheit gesäubert. Die Ästhetik der länglich aufeinandergestapelten Steine wird dadurch hervorgehoben. Die alten Fenster und Türen werden entnommen.

Schnitt längs Bestand 1:200

Im Inneren des Gebäudes kommt das Lärchenholz in einer neuen Form zum Einsatz. Aufgrund der schlechten Wärmedämmeigenschaften der Außenwände, aber der Notwendigkeit, die äußere Erscheinung des Bauwerkes zu erhalten, fällt die Entscheidung auf eine innen gelegte Wärmedämmung. Dies wird so umgesetzt, dass die Räume im Inneren mit eingesetzten Holzboxen versehen werden. Diese Boxen treten nur bei den Maueröffnungen nach Außen in Erscheinung. Sie schieben sich als Rahmen über die Mauern hervor.

Ansicht Bestand 1:200

ALT

NEU


1. Obergeschoss 1:100

2. Obergeschoss 1:100

Schnitt BB 1:100


Ansicht Ost

1:100

Ansicht SĂœD

1:100

Ansicht West

1:100


VALLE MAIRA

Leitfaden zur Erkennung von Entwicklungspotentialen und zur räumlichen Neudefinition zweier gemeinden des Miratales

Reinero

Reinero liegt auf einem hervorspringenden Hügel auf einem Südhang zwischen zwei weithin sichtbaren kleinen Kirchen. Die Bebauung zieht sich von der am äußersten Punkt liegenden Kirche nach Norden den Hang hoch. Die ersten Häuser entstanden im hohen Mittelalter und sind in veränderter Form heute noch erhalten. In Reinero leben heute 24 Personen. Viele Gebäude stehen leer, werden nur saisonal bewohnt oder verfallen zusehends. Das Dorf verandelt sich voraussichtlich in den nächsten Jahrzehnten zu einem Geisterdorf, das nur in den Sommermonaten bewohnt sein wird.

Marmora

Reinero ist eines der Dörfer, dass seit dem 19. Jahrhundert kaum Veränderungen in seiner Bebauungsstruktur erfahren hat. Es ist praktisch so erhalten, wie es in seiner Blütezeit im Agrarzeitalter ausgesehen hat. Aufgrund der vorangegangenen Analyse ist Reinero einer der Orte in Marmora, die als Rückzugszonen für die Bevölkerung gelten wird. Die Straße nach Reinero wird dort enden und es werden ausschließlich Fußwege bzw. Wanderwege durch und aus dem Dorf führen. Reinero wird sozusagen die letzte Bastion der Zivilisation vor der Wildnis.

Das Dorf wird einer grundlegenden Neuorientierung unterzogen. Die für die Dorfstruktur wichtigen Gebäude werden erhalten, verlassene bzw. verfallene Gebäude werden umgenutzt. Der Vorschlag besteht aus einem zusammenhängenden Konzept aus Lebensmittelproduktion, Unterkünften, kulturellen Einrichtungen und Wohnraum. Mehrere beispielhaft angeführte Gebäude werden hierfür umgenutzt. Es werden zwei alte Bauernhäuser zu Unterkünften umfunktioniert, ein leer stehendes Herrenhaus wird zum Museum, weitere leerstehende Gebäude werden zu Wohnhäuser für die Bevölkerung umgebaut. Eines der größten Gebäude im Dorf im Südosten wird wieder zum Bauernhof. Dieser wird zum zentralen Lebensmittelproduzenten und gleichzeitig zum Pfleger der umliegenden Kulturlandschaft. Die Ruine des alten Gemeinschaftsbackofen wird als solche erhalten. Sie ist Sinnvild für eine vergangene, heute nicht mehr existie-

Unterkunft 1

Unterkunft 2

Musuem

alter Gemeinde - Backofen Ruine Sinnbild der vergangenen romansichen Bergbauerngesellschaft

Herrenhaus “casa a Vela”, teils verfallen Museum Reinero

restauriert für zuziehende vorgesehenes Gebäude

Das markante Bauernhaus am Hauptplatz wird zum zentralen Punkt des Dorfes. Es wird als verbindendes Element zwischen Besucher und Einheimische angesehen. Einerseits wird es zum Ort des Geschehens im Dorf, andererseits zum Ankommenspunkt aller Besucher.

altes romanisches Bauernhaus,teilweise restauriert Unterkünfte für Besucher

Herrenhaus, umgebaut (nicht mehr erkennbar) Unterkünfte für Besucher

Wohnraum

rende Gemeinschaft der romanischen Bauerngesellschaft.

Zentrum

Bauernhof

gut erhalten Gaststätte, Zimmervermittlung, Post, Internet,Zubringerdient, Unterkünfte

in Teilen verfallen unterkünfte, Viehzucht, Käserei, Ställe, Landschaftspflege


VALLE MAIRA

Leitfaden zur Erkennung von Entwicklungspotentialen und zur räumlichen Neudefinition zweier gemeinden des Miratales

Zentrum

Reinero Urzustand: gesamtes Gebäude weitgehend erhalten Renovierter nördlicher Teil ansonsten verlassen

Maßnahmen: Stabilisierung der gesamten Struktur Abbruch des nordwestlichen Teils Gesamtoptimierung

Umgang: Teilweise Abbruch der Innenmauern neue Grundrissaufteilung neue Nutzungen

Perspektive Zentrum

Die einfachste Behausung in den Westalpen bestand aus einem viereckigen Grundriss mit einem flachen Satteldach. Der Dachfirst ist dabei senkrecht zu den Höhenlinien angelegt. Die meisten dieser Häuser hatten drei Geschosse. Das unterste Geschoss ist auf der Bergseite vollständig in der Erde versenkt, wurde meist als Steingewölbe ausgebildet und fungierte als Stall. Das erste Geschoss diente als Wohnraum, das oberste Geschoss diente als Lager für die Mahd. In praktisch jeder Siedlung des Mairatales finden sich noch diese einfachen Behausungen. Meistens wurde diese Grundstruktur um angelehnte Anbauten erweitert. Die sogenannte „casa semplice“ ist die am häufigsten anzutreffende Typologie im Tal. Es war unüblich, Gebäude direkt angrenzend an die dazugehörigen Nutzflächen zu errichten. Die Bewohner organisierten sich in Familien. So war es Gang und Gebe, dass sich mehrere Familien vom gleichen Stamm in einem Gebäudekomplex zusammen lebten. Grundstock dafür waren die einfachen Häuser mit Satteldach, an deren Seiten die neue Behausung einfach angelehnt wurde. Man sparte sich damit den Bau einer kompletten Fassade und musste nur das Dach erweitern.

Einbindung: Verbindung Verkehrsstraße und Hauptplatz Gebäude als zentraler Ort des Dorflebens und als Kommunikationsraum zwischen Einheimische und Besucher

Dieses Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert ist das prägende Gebäude des Hauptplatzes, auf dem auch der alte Gemeinschafts - Backofen steht. Das Bauwerk wurde in verschiedenen Abschnitten erbaut. Die ältesten noch erhaltene Teile, die Ställe, wurden schon Mitte des 18. Jahrhunderts gebaut, werden heute aber nicht mehr genutzt. Das Nord - Süd orientierte, freistehende Haus schliesst den Platz im Westen ab, die Längsfassade bildet den prägnanstesten Teil mit einem großen Eingangsportal und angeschlossener Rampe im Erdgeschoss und teils umlaufenden Balkonen in den Obergeschossen. Im Gegensatz zu den traditionell aufgeteilten Bauernhäusern, wurde hier aufgrund der weniger steilen Topographie und dem einfacheren Zugang von der Westseite eine andere Unterteilung gewählt. Während die Ställe in den traditionellen Steingewölbekellern im Untergschoss untergebracht waren, wurde das Erdgeschoss zum kollektiven Heulager für mehrere Bauernfamilien, das über die Rampe und dem Eingangsportal im Westen erschlossen wurde. Die oberen Geschoss waren über außenliegende Treppen und Balkone zugänglich. Das Gebäude wird im Gesamtkonzept Reinero zum zentralen Punkt des Dorfes. Auf einer öffentlichen Ebene werden mehrere Nutzungen untergebracht, die sowohl der einheimischen Bevölkerung als auch den Besuchern zur Verfügung stehen. Neben der klassischen, kleinen, italienischen Stehbar gibt es einen Lebensmittelladen und eine Post- und Internetstelle. Diese Einrichtung ermöglicht den Bewohnern neben der Verbindung zu virtuellen Welt auch die Inanspruchnahme von Dienstleistungen wie ein Zubringerdienst und ein Lieferservice, je nachdem was von den Einwohnern gewünscht bzw. gefordert wird. Im nördlichen Teil des Bauwerks befindet sich ein Gemeinschaftsraum, der felxibel für kulturelle Veranstaltungen genutzt werden kann. Für den Besucher wird eine Zimmervermittlung eingerichtet, die die ankommenden Gäste auf das Dorf und dessen umliegenden Unterkünfte verteilt werden. Das Gebäude wird in seiner ursprünglichen 3 Teilung weitgehend erhalten. Die alten Ställe werden zu einem Restaurant umfunktioniert. Das Erdgeschoss wird weiter direkt vom Platz aus zugänglich bleiben und zu einem öffentlichen Raum umfunktioniert. Im Obergeschoss werden Zimmer untergebracht. Die ursprünglich verwendeten Materialien Stein und Holz werden auch hier wieder für den Umbau benutzt. Das Bauernhaus ist heute mit einem erdfarbenen bzw. weißen Putz versehen. Der alte Putz wird abgetragen, einsturzgefährdete Mauern repariert und das ganze Gebäude wird außen gedämmt und mit weißem Putz versehen. Die maroden Balkone werden erneuert. Im Inneren erfährt das Gebäude die eigentliche Veränderung: Die Steinmauern werden gesäubert und erhalten die Charaketristik westalpiner Bauernhäuser. Marode Innenwände werden abgerissen und durch Holzwände ersetzt. Eine bewusst inszenierte Fuge zwischen Alt und Neu unterstreicht den Eingriff und betont den starken Unterschied zwischen dem unfachmännisch ausgeführtem aber bestimmenden Element Mauerwerk und dem klar und präzise gearbeitetem Holz.

ALT

NEU


Zimmer 1

Gemeinschafts bad

Zimmer 2

Zimmer 3

1. Obergeschoss 1:100

Alimentari

WC

Schnitt AA

1:100

Ansicht S端d

1:100


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