LOUISe - Stadtmagazin - Ausgabe 9/2021

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STADTGESPRÄCH

JUNGE

KUNST Junge Kunst – ein weites Feld! Über Jahrhunderte hinweg wurden Ölgemälde und Grafiken sowie Stein- und Bronze-Skulpturen als Kunst angesehen. Die zeitgenössische Kunst umfasst dagegen etliche Techniken mehr: Fotografie zum Beispiel, Film und Video, Installationen, Streetart. Will man etwa diesem unbekannten Wesen, das sich Banksy nennt, absprechen, ein Künstler zu sein? Nein! Weniger, weil seine Werke für Millionen von Pfund Sterling oder Dollars gehandelt werden, seitdem sich sein „Girl With Balloon“ nach dem Verkauf zum Teil selbst zerstörte, sondern weil er etwas zu sagen hat. In diesem Fall war es Banksys Kritik am Kunstmarkt. Und seine Streetart spricht sowieso von allen Misslichkeiten dieser Welt. Junge Kunst ist, wie die überlieferte auch, die Abbildung von Beobachtungen, Gedanken und Visionen, aber sie hat neue Erzählweisen. Man denke an die jüngste Schau „O! Hölderlin“ im Gustavsgarten. Studenten der Offenbacher Hochschule für Gestaltung setzten ihre Interpretationen von Hölderlins Dichtungen in dreidimensionale Bilder um. Ein weiteres Beispiel ist der „ISO 5000 Award“, der jedes Jahr eine Ausstellung junger Fotokunst in die Englische Kirche bringt. ISO 5000 bezieht sich auf hoch lichtempfindliches Filmmaterial, das mit bloßem Auge kaum zu erkennende Einzelheiten wiedergibt. Die diesjährige Preisträgerin Johanna Schlegel thematisierte mit „Memories I don’t have“ das Nichterinnern trotz vorliegender Fotos. Durch chemische Prozesse ließ sie die Bilder ihre Funktion als Gedächtnisstütze verlieren und sie zu Projektionsflächen von Assoziationen des Betrachters werden.

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D

iese Beispiele junger Kunst kann man nun nicht mehr ansehen, ein anderes wird jedoch noch lange erhalten bleiben: die Sprühmalerei in der Unterführung „Am alten Wehr“, die die U-Bahn-Endhaltestelle Gonzenheim mit dem Wohngebiet verbindet. Die Stadt hatte es in Auftrag gegeben, um den Durchgang freundlicher zu gestalten. Nun begleiten große, stilisiert dargestellte Menschen die Passanten auf ihrem Weg zur Arbeit oder nach Hause: eine Frau mit dunklen langen Haaren, die in der einen Hand einen Coffee-to-goBecher, in der anderen das Smartphone am Ohr hat, zwei junge Männer mit Umhängetaschen, in denen Studenten gern ihre Unterlagen transportieren, eine


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