2 minute read
Susanna“ von Alex Capuss
EINE STARKE FRAU IM „WILDEN WESTEN“
Vom Baseler Ufer des Rheins in die Weiten der Prärie an den Missouri – erstaunlicher konnte ein Frauenleben Mitte des 19. Jahrhunderts kaum verlaufen. Die Frau, deren Leben hier in gekonnter Kombination aus Fakten und Fabulieren erzählt wird, hat es wirklich gegeben: Die Porträtmalerin Susanna Faesch, die sich später als Frauenrechtlerin Carolyn Weldon nannte, gelangte zwar nie in den Olymp der Unvergessenen, berühmt aber wurde ihr Porträt von Sitting Bull, dem legendären Häuptling der indigenen Sioux. Der Schweizer Autor Alex Capus erzählt von ihr in seinem neuen Roman „Susanna“.
Alles beginnt mit dem Wilden Mann beim jährlichen Volksfest in Basel. Der landet mit einem gewaltigen Sprung vom Schiff am Rheinufer. Das fünfjährige Kind Susanna durchschaut die kostümierte Inszenierung und wehrt sich energisch gegen seine vermeintliche Bedrohung. Überhaupt blickt Susanna wie aus der Deckung heraus auf die strenge bürgerlich-pietistische Welt ihrer Baseler Heimat: Da ist der Vater, der nach Jahren bei der Fremdenlegion in Nordafrika alle Abenteuer seines Lebens hinter sich gelassen hat und nun die Familie bei Tisch mit endlosen, freudlos-frommen Vorträgen ermüdet. Auch die vermeintlich angepasste Mutter hört ihm schon längst nicht mehr zu.
Dann der Wendepunkt: Als ein ehemaliger Kriegskamerad ihres Mannes, der junge deutsche Arzt Valentiny, zu Besuch kommt, verliebt sich Susannas Mutter in ihn, nimmt ihr erspartes Geld und folgt ihm, der als politisch Verfolgter der Revolution von 1848 aus seiner Heimat fliehen musste, als Auswanderin in die Neue Welt. Die drei Söhne lässt sie zurück – aber Susanna, die Jüngste, nimmt sie mit. Die alte Ehe ist rasch geschieden, in ihrem neuen Stiefvater findet Susanna einen Freund und Förderer.
Schlaglichtartig begleiten wir Susanna in ihrem neuen Leben in New York. Selbstbewusst belegt sie Kurse an der Kunstakademie und entdeckt die Porträtmalerei als einträglichen Verdienst. Im freien Kopieren der damals noch neuen und steifen Fotografien haucht sie ihren Modellen individuelle Züge ein. Ihre eher pragmatisch geschlossene Ehe mit einem jungen Kollegen ihres Stiefvaters löst sie bald auf, nachdem die anfängliche Leidenschaft verflogen ist und sie ein Kind von einem anderen Mann erwartet.
Dass die gepriesenen Errungenschaften der Elektrizität den Alltag der Menschen immer schneller takten, sieht Susanna kritisch. Gleichzeitig empört sie die Missachtung der Indigenen, die von Regierungstruppen bekämpft und deren Lebensräume unter dem Druck der neuen Siedler aus Europa immer kleiner werden. Durch Erbschaft finanziell unabhängig geworden, bricht sie schließlich mit Eisenbahn und Pferdewagen ins Unbekannte auf: Mit ihrem 13-jährigen Sohn Christie reist sie quer durchs Land Richtung Westen ins Gebiet der Sioux. Unbedingt will sie Häuptling Sitting Bull vor militärischen Angriffen warnen. Capus schildert das Zusammentreffen der beiden mit dichterischer Freiheit.
Die „echte“ Susanna alias Carolyn Weldon lebte einige Zeit als Sekretärin und Fürsprecherin bei Sitting Bull. Unbeirrt, unabhängig und selbstbewusst ging sie ihren Weg. Der Roman erzählt einige Kapitel ihres Lebens. Wir lesen dabei auch von politischen Konflikten, dem Aufbruch in moderne Zeiten und von der Bedrohung der indigenen Völker Nordamerikas. Ein starkes Buch über eine starke Frau.
Uta Koch, Dipl. Bibliothekarin, Stadtbibliothek Bad Homburg
Alex Capus Carl Hanser Verlag, SUSANNA btb-Verlag, ISBN 978-3-446-27396-2, 285 Seiten 25,00 €.
Das Buch kann auch in der StadtBibliothek ausgeliehen werden.
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag 11.00 bis 18.00 Uhr, Samstag 11.00 bis 14.00 Uhr, Tel. 06172-921360