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Lausitzer Rundschau
Wir in
Ortsporträt Casel
Elbe-Elster-Rundschau
S A/S O, 1 2./1 3. S EPTEMBER 2009
Lebensgeschichten einer Dorfkirche
Casel
Die Caselerin Erika Peschel (80) verpasst den Gottesdienst nie / Jede Kerze steht für gefallenen Soldaten ST I M M E N
Für Bürger ist Casel ein Wohlfühl-Dorf
Die Caseler Dorfkirche gehört fest zum Dorfbild. Lebensgeschichten sind mit ihr verbunden – auch die von Erika Peschel (80). Die Caselerin wurde in der Kirche als Baby getauft und heiratete auch hier.
Detlef Liebelt (54), Löschmeister: „Der Ort ist schön und das
Mathias Klinkmüller
Vereinsleben sehr aktiv. Vor allem in der Feuerwehr fühle ich mich wohl. Hier gibt es reichlich zu tun, und ich bin stolz darauf, was wir aus dem Feuerwehrhaus gemacht haben. Das kann sich sehen lassen.“ Das gemütliche Beisammensein, wie das Grillen, gehöre zum Feuerwehrleben und zu Casel.
Den schmalen Trampelpfad, der von der Straße zur Kirche führt, ist Erika Peschel schon hunderte Male gegangen. Die Kirche gehört zu ihrem Leben. Hier wurde Familiengeschichte geschrieben. „Ich wurde hier getauft, konfirmiert und heiratete am 11. April 1953 auch vor diesem Altar“, sagt die Rentnerin auf einer Holzbank davor sitzend. Und auch ihre Kinder und Enkel seien hier getauft worden. Das sei Tradition. Den
Erika Peschel vor der Dorfkirche. Fotos: Mathias Klinkmüller
monatlich stattfindenden Gottesdienst habe sie noch nie verpasst. „Beim Gottesdienst darf ich nicht fehlen. Schließlich ist er nur einmal im Monat“, sagt die treue Kirchgängerin. Neben ihr liegen Gebetsbücher. Die Kirche ist wie eine zweite Wohnstube für die Rentnerin, die in Casel beboren wurde. Sie fühlt sich wohl hier, sagt sie. „Das ist die schönste Kirche der Gegend“, sagt Erika Peschel. Sie sei zwar nicht riesig, aber „sie habe Seele“, sagt die Caselerin. Dabei wurde die Caseler Dorfkirche in der Vergangenheit gern übersehen. Denn das Gebäude an der Straße sei vor lauter Bäumen nicht zu erkennen gewesen. „Erst die Kommission von ,Unser Dorf hat Zukunft’ hat uns die Augen geöffnet, und wir fällten ein paar
Bäume“, erzählt die Caseler Ortvorsteherin Sabine Rescher. Heute sei sie froh über die Kritik der Kommission. „Von außen macht die Kirche zwar nicht viel her, aber von innen ist sie ein Schmuckstück“, versichert die Ortsvorsteherin. Dorfschmied Manfred Domaschk steckt den riesigen schwarzen Metallschlüssel in Anzeige
Das Ortsporträt wird präsentiert von
das alte Schloss der Kirche. Und sofort beim Eintreten wird dem Betrachter klar, dass dieser Ort etwas Besonderes ist. Keine riesigen goldenen Statuen, keine pompösen Wand- und Deckengemälde und keine wohlklingende Orgel erwartet den Besucher. Der Raum ist klein und hat einen unscheinbaren Altar. Das Auge fällt aber sofort auf das Mobilar. Der Blick darauf ist eine kleine Zeitreise. Die Holzbänke und die Holztreppe wirken, als sei hier seit Jahrhunderten die Uhr stehen geblieben. Die Kirche, welche vor der Reformation eine katholische Wallfahrtskiche war, hat noch eine Besonderheit, sagt der Dorfschmied: „Jede Kerze auf dem Kronleuchter über den alten Holzbänken steht für einen gefallenen Soldaten.“
Erika Peschel (40), Tischlerin:
„Ich bin zwar zugezogene Caselerin, aber es lebt sich hier gut.“ Mit dem Ausbau des Nebengebäudes des Gutshofes habe sie einen Traum erfüllt. Die Natur habe sie gereizt. „Ich habe auch sieben Schafe. Auch aus dem Dorf habe ich schon einige Aufträge zur Aufarbeitung alter Möbel bekommen. Das Dorfleben ist sehr angenehm.“
Dörflicher Zusammenhalt
„Kaiser Wilhelm“-Apfelbaum gedeiht vor dem Gebäude
Manfred Domaschk, Schmiedemeister: „Ich bin jetzt schon die
vierte Schmied-Generation der Familie. Doch nach mir endet diese Tradition. Dass nach der Wende so viele Arbeitsplätze vom Tagebau weggefallen sind, ärgert mich.“ Dass jetzt Windräder aufgestellt würden, verteuere nur den Strompreis, verschandele die Landschaft und bringe keine Arbeitsplätze für Casel. „Und beim Tourismus bin ich noch skeptisch. Das sind saisonale Jobs. Trotzdem fühle ich mich wohl in Casel. Ich bin selbst in Vereinen aktiv.“ kli
Altes Handwerk im Dorf erhalten
Am Steuer des Ortes Casel sitzt Ortsvorsteherin Sabine Recher (M. vorn). Damit lenkt sie auch die Geschicke von Illmersdorf maßgeblich mit. In llmersdorf befinden sich in der im Jahr 1742 erbauten Dorfkirche die Mumien des Oberwachtmeisters Caspar Ernst von Normen sowie einiger seiner Familienmitglieder. Casel ist mit Illmerdorf und dem
Wohngebiet Göritz mit mehr als 3000 Hektar der flächenmäßig größte Ortsteil der Stadt Drebkau. Der Ort Casel ist in der Lausitz und über die Region hinaus vor allem durch das traditionelle Johannisreiten bekannt. Jedes Jahr im Juni setzen sich junge Caseler auf die Pferde, um den Zuschauern diesen alten Brauch nahe zu bringen. Fotos: Mathias Klinkmüller
Feuerwehr-Leute schwingen Paddel Depot am Gräbendorfer See mit Schlauchboot ausgerüstet
Arbeitsplätze werden im Ort Casel immer seltener. Erhalten ist noch die Dorfschmiede. Diese wird vom Schmied Manfred Domaschk betrieben, der diese Berufstradition in der vierten Generation fortführt. „Eine fünfte Generation wird es nicht mehr geben“, stellt der Handwerker jedoch fest. Erfreut ist die Neuansiedlung einer Tischlerei im Dorf aufgenommen worden. Die Holzwerkstatt Casel wird von Angela Krohn geleitet, die sich eigenen Angaben zufolge auf die Restaurierung alter Möbel spezialisiert hat. Casel hat noch zwei Gaststätten und eine chirurgische Praxis in Illmersdorf. kli
Ein orangenes Schlauchboot liegt aufgeblasen und einsatzbereit im Caseler Feuerwehrdepot. Der Gräbendorfer See macht die Kameraden nun praktisch auch für die Seerettung zuständig. „Ein Kamerad hat in Eisenhüttenstadt extra einen Bootsführerschein gemacht“, sagt Löschmeister Detlef Liebelt. Mit diesem dürften die Kameraden das Schlauchrettungsboot auch mit einem Motor antreiben. Doch bislang gebe es keinen Motor, und die Kameraden seien auf ihre Muskelkraft und die Paddel angewiesen. Im vergangenen Jahr hätten alle Kameraden am Gräbendorfer See eine Seenot-
Rettungsschulung absolviert. „Vor allem der Umgang mit Ertrinkenden wurde trainiert. In Notsituationen können Menschen schnell hysterisch werden“, erklärt der Löschmeister. Auch zwei Rettungsschwimmer habe die Caseler Feuerwehr. Das Schlauchboot hat übrigens auch Kufen. „Für den Wintereinsatz“, erklärt Detlef Liebelt. Somit sei die Caseler Feuerwehr für eventuelle Wasser- und Eiseinsätze in der Zukunft gut gerüstet. Doch bislang musste die Caseler Feuerwehr hauptsächlich wegen Waldbränden ausrücken, da es im Caseler Einzugsgebiet größe Baumbestände gibt. Der größ-
Einwohnerzahl in Casel stabil geblieben Wie viele Dörfer der Region hat Casel mit dem Wegzug von jungen Leuten zu kämpfen. Zu wenig Arbeit, zu wenig Perspektiven werden als Gründe genannt. „Unser Jugendklub hatte mal 30 Mitglieder. Heute sind es nur noch sieben“, sagt die Ortsvorsteherin. Doch nach Angaben der Stadt Drebkau ist die Einwohnerzahl des Ortes stabil. Dies liege vor allem daran, dass Casel und Illmersdorf viele neu zugezogene Einwohner haben. Diese schätzten die Ruhe und Abgeschiedenheit des Ortes am Gräbendorfer See. Derzeit hat Casel 336 Einwohner. Der Ort wurde im Jahr 1447 erstmals erwähnt. kli
Das Gemeinschafthaus ist der Mittelpunkt des dörflichen Lebens
Das Schlauchboot gehört zum Feuerwehr-Inventar.
te Einsatz habe nichts mit Bäumen zu tun gehabt, sondern wiederum mit Wasser. „Beim Elbhochwasser in Mühlberg haben wir im Jahr 2002 die Dämme mit Sandsäcken befestigt“, erinnert sich der Löschmeister. Die Feuerwehr sei sonst vor allem auch für das Dorfleben im Einsatz. „Viele Mitglieder sind auch im örtlichen Feuerwehrverein“, sagt der Löschmeister. Dadurch würden Feste wie das Maibaumfest oder das Johannisreiten gemeinsam organisiert. Derzeit habe die Caseler Feuerwehr, die im nächsten Jahr 80 Jahre alt werde, 46 Mitglieder. Davon gehörten sechs zur Jugendfeuerwehr. „Der älteste Feuerwehrmann ist 84 Jahre alt“, berichtet Detlef Liebelt. Stolz ist die Caseler Feuerwehr auch auf ihr neues, modernes Feuerwehrhaus, das zwischen den Jahren 2002 bis 2008 errichtet wurde. „Vorher war unsere Feuerwehr in der Scheune nebenan untergebracht“, erklärt der Caseler Feuerwehrmann. Um Kosten zu sparen, geschah vieles in Eigenleistung. Vor allem die sanitären Anlagen, der Aufenthaltsraum und die Decke, so der Löschmeister, seien durch die Muskelkraft der Mitglieder in deren Freizeit entstanden. Auf dem Sportplatz wird derzeit die 400-Meter-Bahn ausgebaut, um den Wettbewerb um die Leistungsspanne der Jugendfeuerwehren in Casel dauerhaft etablieren zu können. kli
Die Caseler Dorfmitte ist ein Schmuckstück. Vor allem auf das Dorfgemeinschaftshaus sind wohl auch bedeutend größere Orte neidisch, sagen die Caseler. In den 60er-Jahren wurden in dem Gebäude Hort- und Schulkinder mit Essen versorgt. Nach der Wende drohte der Verfall. „Der Sanierungsbedarf war enorm“, erzählt die Ortsvorsteherin. Doch im Dezember 2004 wurde das renovierte Dorfgemeinschaftshaus eingeweiht und ist nun ein beliebter Treffpunkt. In dem Gebäude befindet sich der Jugendklub des Ortes. „Auch die Seniorengruppe trifft sich im Gemeinschaftshaus jeden Monat zu Vorträgen und Kaffeerunden“, sagt Ortsvorsteherin Sabine Rescher. Auf der Straßenseite, vor dem Gebäude, steht Kaiser Wilhelm. Dies ist der Name des jungen Apfelbaumes, den der Ort für seinen Sieg beim Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ im vergangenen Jahr gewonnen hat. Die Außenanlage wurde im Jahr 2005 eingeweiht und ist ein kleines Idyll. Eine kreisförmige Sitzbank
ist ein gemütlicher Treffpunkt für Dorfgespräche. In der Mitte der Sitzgruppe steht ein junger Baum, der erst in ein paar Jahren für Schatten sorgen wird. Gleich daneben können sich die Kinder von Casel austoben. Klettergerüst, Tischtennisplatte, Wippe, Schaukel, Rutsche und Fußballtor stehen für Spaß an der Bewegung bereit. kli
Das Dorfgemeinschaftshaus.
Gutshof in katastrophalem Zustand Ortsbildprägendes Gebäude verfällt Der Gutshof ist der Schandfleck im Dorfbild. Seit Jahrzehnten ist am und im Gebäude nichts mehr repariert worden. Die Fassade ist grau, und innen blättert die Blumen-DDR-Tapete von den Wänden. „Der Gutshof ist eine echte Katastrophe. Dabei wäre er richtig ortsbildprägend“, sagt Ortsvorsteherin Sabine Rescher. Allein der Weg zum Gutshof ist eine Augenweide. Neu verlegtes Kopfsteinpflaster, ein schmucker Gehweg, von jungen Bäumen gesäumt, und viele Laternen – der Weg wirkt einladend. Doch er führt auf ein graues Gebäude zu, das mit seiner grauen Fassade beinahe gespenstisch wirkt. Vor dem Gutshof steht auch ein Baum mit einer gemütlichen Sitzgruppe. Doch Platz nehme dort keiner. Zum Verweilen und Betrachten
lädt das Gebäude nicht ein. Das Einzige, was beinahe modern wirkt, ist ein gläsernes Schaufenster. Es passt allerdings überhaupt nicht zum Gebäude. „Einst war hier der Dorfkonsum untergebracht. Neben dem Konsum waren eine Arztpraxis sowie Schule und Hort“, berichtet Sabine Rescher. Derzeit bewohnen das verfallene Gebäude drei Mieter. Neben dem Gutshof präsentiert sich auch die seit dem Jahr 1998 leer stehende alte Schule aus dem Jahr 1908 stark sanierungsbedürftig. Der neu gegründete Traditionsverein wolle nun Ideen für eine Nachnutzung erarbeiten. Denkbar sei es, hier Übernachtungsmöglichkeiten für Touristen zu schaffen. „Die alte Schule ist solide gebaut“, sagt die Ortsvorsteherin. kli
Der verfallene Gutshof in Casel ärgert die Bürger.