Spielplanpräsentation des Staatstheaters Cottbus

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Eine SonderverÜffentlichung zur Spielplanpräsentation des Staatstheaters Cottbus am Sonntag, 26. August 2012


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Lausitzer Rundschau

E D I TO R I A L

So ein verruchtes Theater! Gibt es etwas Schöneres als einen Mord? Nicht dass Sie mich falsch verstehen, liebe Leserinnen und Leser, nichts und niemand wird mir je etwas nachweisen können und mich ins Gefängnis bringen. Ich bin im Grunde nicht einmal wahrnehmbar. Bin nur einer von vielen, vielen Millionen, die völlig unauffällig durch die Straßen laufen, jedoch ein dunkles Geheimnis hüten. Einer Leidenschaft frönen. Unter der Leselampe. Vor der Kinoleinwand. Und immer wieder und besonders gerne im Theater. Doch irgendwann drängt das Geheimnis nach draußen, irgendwann will jeder gestehen und sich befreien – und heute ist es wohl mein Tag. Ja, ich gebe es hiermit unumwunden zu: Ich bin schuldig! Ich gebe zu, es macht mir Spaß, wenn irgendwo in der Welt in dunklen Gassen Meuchelmörder warten, wenn gehörnte Liebhaber voller Leidenschaft ihre Nebenbuhler beseitigen, wenn geld- und machtgierige Soziopathen Auftragskiller anheuern oder

AUF DEN NÄCHSTEN SEITEN Seite 3 Verraten, betrogen, getötet: Interview mit dem Intendanten des Staatstheaters Cottbus, Martin Schüler Seite 4 Mann lässt Frau verschwinden Seite 5 Giftmischerinnen gefasst Seite 6 Rache und Wut Seltsames Wrack am Mahlstrom Seite 7 Speer-Killer brüstet sich mit Mord an Siegfried Liebe bis in den Tod Seite 8 Sarggeheimnisse

I MPRESSUM EINE SONDERPUBLIKATION DER LAUSITZER RUNDSCHAU VERLAG UND HERAUSGEBER: LR Medienverlag und Druckerei GmbH Straße der Jugend 54 03050 Cottbus GESCHÄFTSFÜHRUNG: Andreas Heinkel CHEFREDAKTEUR: Johannes M. Fischer REDAKTION: Felix Johannes Enzian, Ida Kretzschmar, Bettina Friedenberg, Renate Marschall, Tim Albert FOTOS: Marlies Kross MAGAZINGESTALTUNG: Katrin Janetzko DRUCK: LR Medienverlag und Druckerei GmbH

RUNDSCHAU DIREKT: Servicetelefon: 0355 481 555 Fax: 0355 481 111

Johannes M. Fischer Chefredakteur

undurchschaubare Frauen listig-mörderische Fäden spinnen. Dann schlägt mein Herz höher – und Hand aufs Herz: Ihnen geht es doch auch so? Warum Menschen das Verbrechen lieben, solange es nur gespielt ist, darüber haben schon viele Psychologen, Soziologen und sonstige Vertreter welcher Logie auch immer nachgedacht. Vielleicht ist es aber ganz einfach: Angesichts der Abgründe, die sich bei jedem Verbrechen auftun, erfreuen sich Leser und Zuschauer an der eigenen heilen Welt. Erfreuen Sie sich! Erfreuen Sie sich an diesem Extrablatt, das Ihnen die mörderischen Abgründe des Theaterlebens aufzeigt. Sie werden erkennen, dass die Bühne nicht nur für den feinfühligen und feingeistigen Theaterwissenschaftler gebaut wurde. Bei aller Kunst und allem Kunstverständnis, welches ein Theater einfordert, auch im ambitioniertesten Stück geht es zuweilen reichlich derb und mörderisch zu. Lassen Sie sich darauf ein . . .

Blutige Rache seit mehr als 2000 Jahren Gemordet wurde in der Geschichte des Theaters schon immer und ausgiebig. Was sich mit den Zeiten ändert, sind die Motive und auch die moralischen Wertungen der schaurigen Taten auf der Bühne. In den antiken Tragödien war Rache der populärste Beweggrund, um einen Menschen umzubringen. Beispiel „Elektra“: Dieses um das Jahr 413 vor Christus uraufgeführte Stück handelt von einem regelrechten Rachekreislauf. Als Erstes verbrennt Agamemnon seine Tochter Iphigenie als Opfer für die Jagdgöttin Artemis. Zur Strafe wird er von Iphigenies Mutter Klytaimnestra und deren Geliebten Aigisthos im Badezimmer mit einem Beil erschlagen. Anschließend bereiten Agamemnons Kinder Orest und Elektra dem Mörderpaar das gleiche Schicksal. Und jeder der gezeigten Täter hält seine Handlungsweise für gerecht. Der griechische Dichter Sophokles wollte die Zuschauer mit seinem Stück „Elekt-

ra“ allerdings auch zum Nachdenken bringen: Ist Rache tatsächlich die beste Antwort auf einen Mord? Ähnlich blutrünstig wie in „Elektra“ geht es rund 2000 Jahre später in „Macbeth“ zu. Anders als Sophokles stellt Shakespeare seinen Titelhelden jedoch nicht als edlen Rächer, sondern als Bösewicht dar: Macbeth erdolcht König Duncan, um auf dessen Thron zu gelangen, zur Vertuschung und aus Angst vor Strafe lässt er dann noch seinen Mitwisser Banquo und die Familie seines Widersachers Macduff über die Klinge springen. Mordmotiv diesmal: Machtstreben. Als mildernder Tatumstand ließe sich nur anführen, dass Macbeth zum Königsmord aufgehetzt wurde: nämlich von weissagenden Hexen und seiner ehrgeizigen Ehefrau. Noch mal etwa 430 Jahre später, in Bertolt Brechts „Die Maßnah-

me“, spielen die klassischen persönlich-emotionalen Mordmotive wie Rache, Neid und Habgier keine Rolle. In diesem marxistischen Lehrstück wird stattdessen für vermeintlich hohe gesellschaftliche Ziele getötet. Eine Gruppe von russischen Agenten versucht, in China die kommunistische Revolution in die Wege zu leiten. Einer von ihnen wird jedoch enttarnt. Damit nicht die ganze Gruppe auffliegt, erschießen die anderen ihn. Er hat sich mit dieser angeblich notwendigen Maßnahme einverstanden erklärt. Also kein böser Mord, sondern ein edles Opfer? Darüber sind Brechts Zuschauer und Interpreten bis heute geteilter Meinung.

Einen kleinen Videofilm zur Spielplanpräsentation finden Sie unter diesem QR-Code.

Enthauptung nach biblischer Überlieferung in Cottbus: die Oper „Salome“


Lausitzer Rundschau

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Betrogen Verraten Getötet Intendant Martin Schüler: „Gemeiner geht es gar nicht“ Richard Wagners Oper „Götterdämmerung“ erzählt als Abschluss der „Ring“-Tetralogie von einem der heimtückischsten Morde in der Geschichte des Theaters. Der strahlende Held Siegfried wird vom finsteren Ritter Hagen von Tronje bei der Jagd hinterrücks mit einem Speerwurf getötet. Staatstheater-Intendant Martin Schüler inszeniert die Oper in der neuen Spielzeit. Im Interview schildert er ihr Krimi-Potenzial.

WIE LOCKT HAGEN SIEGFRIED INS VERDERBEN? Siegfried tappt als Halbgott völlig unbedarft in die fiese Gesellschaft der Menschen auf Burg Gibichung. Als Erstes reicht Hagen ihm einen Zaubertrank, der seine Erinnerung auslöscht. Als Zweites bringt er den Ahnungslosen dazu, seine Geliebte Brünnhilde zu vergewaltigen und sie mit König Gunther zu vermählen. Anschließend klagt Hagen Siegfried des Meineids an und bringt ihn um. Gemeiner geht es gar nicht. Ein Grundthema der „Götterdämmerung“ ist die Manipulation von Menschen zu ihrem Unheil. Richard Wagner spricht damit eine Warnung an sein Publikum aus. Macht es besser, ist seine Botschaft.

WELCHES MORDMOTIV HAT HAGEN? Er will Siegfried den Ring des Nibelungen rauben. Dieser Ring verleiht große Macht, aber auf ihm liegt ein Fluch: Er stürzt seinen Träger unweigerlich ins Verderben. Erst ganz zum Schluss, als der Untergang der alten Götterwelt nicht mehr aufzuhalten ist, gibt Brünnhilde den Ring den Rheintöchtern zurück und löst damit den Fluch.

WIE WÜRDEN SIE HAGEN VOR GERICHT VERTEIDIGEN? Hagen wurde von seinem Vater Alberich gezeugt und erzogen, um Siegfried zu töten. Dieser Mord ist sein einziger Lebenszweck. Bevor Hagen die Tat ausführt, erscheint ihm Alberich im Traum und flüstert ihm ein, ihm den Ring zu verschaffen. Hagen handelt also nicht aus eigenem Antrieb. Er ist bloß ein Werkzeug und wird selbst manipuliert. Deshalb würde ich auf mildernde Umstände plädieren. Hagen sollte eine harte Strafe bekommen – aber mit Bewährung.


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Der Geschäftsmann Shui Ta (oben) steht unter Verdacht, seine Cousine Shen Te umgebracht zu haben.

Lausitzer Rundschau

Seit Wochen verschwunden: Von Shen Te (oben) fehlt jede Spur. Es wird vermutet, dass sie ermordet wurde.

Mann lässt Frau verschwinden in „Der gute Mensch von Sezuan“ Sezuan. Der Prozess um das rätselhafte Verschwinden einer Tabakhändlerin wird fortgesetzt. Angeklagt ist ihr Vetter Shui Ta. Er wird verdächtigt, seine Cousine Shen Te ermordet zu haben. Die junge Inhaberin eines Tabakwarengeschäftes wird seit Wochen spurlos vermisst. Sie ist in der ganzen Stadt wegen ihrer guten Taten beliebt. Unter anderem hat Shen Te ein Asyl für Wohnungslose eingerichtet. Der Angeklagte Shui Ta dagegen ist als skrupelloser Geschäftsmann bekannt. Er hat aus dem Ob-

dachlosenheim seiner Verwandten inzwischen eine Tabakfabrik gemacht und lässt dort Frauen und Kinder für sich arbeiten. Nachbarn und Kunden von Shen Te vermuten, dass Shui Ta die Tabakhändlerin getötet hat, um ihr Geschäft zu übernehmen. Bisher wurde ihr Leichnam allerdings nicht entdeckt. Shui Ta hat zu den Vorwürfen bisher geschwiegen. Doch nun will er eine Aussage machen.

PREMIERE „Der gute Mensch von Sezuan“ Schauspiel von Bertolt Brecht mit Musik von Paul Dessau Premiere: 24. November 2012


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Lausitzer Rundschau

Giftmischerinnen gefasst Mit diesen Damen ist nicht gut Tee trinken.

Die Spuren am Tatort sind eindeutig.

in „Arsen und Spitzenhäubchen“ New York. Graue Locken und adrette Spitzenhäubchen: Abby und Martha B. sehen aus wie nette alte Damen von nebenan. Aber sie sind KillerOmas! Eiskalte Serienmörderinnen! 13 Leichen fand die Polizei im Keller des Wohnhauses der beiden Rentnerinnen. Die Getöteten sind durchweg ältere Männer, alle starben an Vergiftungen. Wie die beiden Rentnerinnen bei ihrer Verhaftung zugaben, haben sie ihre Opfer mit Wein, Kaffee und Kuchen ins Haus gelockt. Dort flößten die Killerinnen ihren arglosen Gästen mit Arsen, Strychnin und Zyankali versetzte Getränke ein. Ob noch mehr Menschen den mörderischen Giftcocktails zum Opfer fielen, ist bisher nicht bekannt. „Wir haben aus Mitleid getötet, um die armen

alten Herren von ihrer Einsamkeit zu erlösen“, rechtfertigten die Giftmischerinnen ihre unfassbaren Verbrechen. Womöglich sind die Rentnerinnen geisteskrank, sie wurden zur Untersuchung in eine Nervenheilanstalt eingewiesen. Wie die Polizei meldete, wurden die Körper der 13 Getöteten bei einer zufälligen Kontrolle des Tatortes entdeckt. Dabei wurde neben den beiden greisen Killerinnen ein weiterer Serienmörder festgesetzt. In dem Wohnhaus soll auch der prominente Theaterkritiker und Neffe der Täterinnen, Mortimer B., leben. Er befindet sich zurzeit auf Hochzeitsreise.

PREMIERE „Arsen und Spitzenhäubchen“ Schauspiel von Joseph Kesselring Premiere: 27. April 2013


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Rache und Wut

Der mutmaßliche Täter hält die Tote für eine Puppe.

PREMIERE

in „Hoffmanns Erzählungen“ Berlin. Der entsetzliche Tod eines wunderschönen Mädchens: Vor den Augen ihres Bräutigams hat ein Unbekannter der Sängerin Olympia den Kopf abgerissen. „Es ist doch bloß eine Puppe“, soll der womöglich psychisch gestörte Täter geschrien haben. Der Verlobte des Opfers ist der bekannte Schriftsteller E.T.A. Hoffmann. Er erlitt einen schweren Schock und ist bis jetzt nicht ansprechbar. Augenzeugen zufolge ereignete sich das Verbrechen am Ende eines friedlichen Hauskonzertes: Olympia sang und tanzte vor Gästen ihres Vaters, des Physikers Spalanzani. Plötzlich

stürmte der Täter in den Saal und griff nach dem Kopf der jungen blonden Frau. Olympias schöner Körper fiel enthauptet zu Boden. Ob der Mörder eine Waffe benutzt hat, ist nicht ermittelt. Auch seine Identität ist noch unbestätigt. Nach Angaben mehrerer Konzertgäste war der Mann in Berlin unter dem Namen Coppelius bekannt. Er soll mit Spalanzani in dunkle Geschäfte verstrickt gewesen sein. War der Mord an Olympia ein Racheakt unter Kriminellen? Oder fiel sie einem Verrückten zum Opfer?

„Hoffmanns Erzählungen“ Phantastische Oper von Jaques Offenbach Premiere: 27. Oktober 2012

Seltsames Wrack am Mahlstrom PREMIERE

in „20 000 Meilen unter dem Meer“ Lofoten. Welches Geheimnis steckt hinter diesem Wrack? Auf den norwegischen Lofoten-Inseln haben Fischer seltsame Trümmer gefunden. Eine Kommission internationaler Schifffahrtsexperten rätselt über die Identität des vermutlichen Wasserfahrzeugs. Seine Bauweise gleicht keinem bisher bekannten Schiffstyp. Einer der herbeigerufenen Ingenieure wird von norwegischen Zeitungen mit den Worten zitiert: „Wir haben keine Ahnung, was das ist. Vielleicht ein Schiff, das unter Wasser fahren kann.“ Die Kommission vermutet, dass das Objekt in den Mahlstrom zwi-

schen den Lofoten gerissen wurde und am Meeresgrund zerschellt ist. Spekulationen zufolge könnte sein Fund mit einer weltweiten Serie von mysteriösen Schiffsunglücken im Zusammenhang stehen. Suchtrupps halten nach der Besatzung des Wracks Ausschau. Die Küstenwache hat ein Ruderboot mit drei Insassen aufgegriffen. Noch unbestätigten Angaben zufolge ist einer von ihnen der seit Langem vermisste französische Wissenschaftler Pierre Aronnax.

„20 000 Meilen unter dem Meer“ Musical von Jan Dvoøák Premiere: 14. Juni 2013


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Speer-Killer brüstet sich mit Mord an Siegfried in „Götterdämmerung“

Gibichung am Rhein. Es war doch kein Jagdunfall, sondern heimtückischer Mord. „Ja, ich schlug ihn zu Tod“ – mit diesen Worten hat Hagen von T. zugegeben, dass er Siegfried mit einem Speerwurf in den Rücken niedergestreckt hat. Reue zeigte der Killer nicht, stattdessen brüstete er sich mit seiner Tat. „Meineid rächt’ ich“, behauptete von T. bei seinem überraschenden Geständnis. Wie er aussagte, hat Siegfried seine Frau, die Königsschwester Gutrune, mit falschen Schwüren in die Ehe gelockt. Die Männer des Königs Gunther auf Burg Gibichung glauben diesen Anschuldigungen allerdings nicht. Die Ermordung Siegfrieds, des stärksten Helden der Welt, hat bei ihnen große Bestürzung ausgelöst. Sein Leichnam soll nun in allen Ehren verbrannt werden. Hagen von T. dagegen gilt unter den Höflingen als unehrlich und verschlagen. Zunächst hatte er den Tod seines Opfers als Jagdunfall dargestellt. Wie es heißt, wollte von T. einen Goldring rauben, den Siegfried am Finger trug. Angeblich verleiht dieser Ring seinem Träger die Weltherrschaft. Anderen Gerüchten zufolge steckt hinter dem Mord ein Eifersuchtsdrama: Demnach hatte Königin Brünnhilde vor ihrer Ehe mit Gunther ein Verhältnis mit Siegfried. Um sich für seine Untreue zu rächen, könnte sie von T. als Auftragskiller angeheuert haben.

PREMIERE „Götterdämmerung“ Musikdrama von Richard Wagner Premiere: 30. März 2013

Liebe bis in den Tod in „Romeo und Julia“ Verona. Sie waren so schön und so verliebt – doch jetzt sind beide tot. Julia Capulet und Romeo Montague wurden auf dem Friedhof gefunden. Er hat Gift getrunken, sie seinen Dolch in ihren Bauch gerammt. Im Tod hielt sich das Liebespaar umarmt. Neben ihren Leichnamen lag auch Graf Paris erstochen in seinem Blut. Die Polizei vernimmt derzeit einen Franziskanermönch namens Lorenzo zu den Hintergründen des erschütternden Vorfalls. „Es war kein geplanter Doppelselbstmord, sondern ein tragisches Unglück“, soll der Geistliche im ersten Verhör berichtet haben. Bekannt ist außerdem, dass die Toten aus verfeindeten Familien stammen. Romeo Montague hat bei einem Degenkampf Tybalt Capulet getötet. Ein Detail der Geschichte ist besonders mysteriös: Julia war eigentlich schon wenige Stunden zuvor aus unbekannten Gründen gestorben und beerdigt worden.

PREMIERE „Romeo und Julia“ Ballett von Sergej Prokofjew Premiere: 5. Oktober 2012


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Lausitzer Rundschau

Sarggeheimnisse „Wenn gestorben werden muss . . .“

Damit Morde auf der Bühne so richtig schön-schaurig realistisch aussehen, ist eine kreative Ausstattung gefragt. Ronald Mischok, Leiter der Requisite am Cottbuser Staatstheater, plaudert einige „Sarggeheimnisse“ aus. Zwischen unschuldigen Bühnenrequisiten wie Koffern, Tellern und Büchern schlummert im Keller des Verwaltungsgebäudes des Cottbuser Staatstheaters in der Lausitzer Straße das reinste Horrorkabinett. An den Wänden ordentlich aufgehängt oder in Fächer sortiert lagern hier: blutige Gedärme, abgetrennte Gliedmaßen, Galgenstricke, Ketten und Handschellen, Messer, Schwerter, Säbel, Macheten, antike Musketen oder moderne Maschinenpistolen sowie sonstiges Mordund Meuchelzubehör. „Es gibt nichts, was es nicht gibt“, schmunzelt Ronald Mischok. „Wenn gestorben werden muss, findet sich für alles eine Lösung.“ Wenn das Stück und der Regisseur es verlangten, könnte der 41-jährige Requisitechef auch irgendwoher „originalgetreue Kalaschnikows“ auftreiben. Allerdings habe der Ausstattungsaufwand auf der Bühne Grenzen, räumt Mischok ein. „Das Machbare ist eine Frage der Finanzierung.“ Da die Geldmittel am Staatstheater wie an fast allen Bühnenhäusern äußerst knapp sind, heißt das für die Requisiten: Sie sollten stets so wenig wie möglich kosten. Also behelfen sich Ronald Mischok und seine Mitarbeiter mit allerhand Ersatz. Was nach schwerem Metall aussieht, besteht in Wahrheit oft aus Pappe oder Plastik. Scharfe Waffen sind wegen der sehr strengen Sicherheitsauflagen auf der Bühne ohnehin nicht erlaubt. Doch die Gewalt muss bei Bedarf natürlich echt aussehen – und hier kommt

Tricktechnik ins Spiel. Nicht alles davon möchte Ronald Mischok verraten: Wie sich der Hauptdarsteller in der aktuellen „Harold und Maude“-Inszenierung lebensecht die eigene Hand abhackt,

bleibt geheim. Nicht näher beschrieben werden dürfen hier auch einige noch blutbefleckte Apparaturen, mit deren Hilfe scheinbar Bäuche von Schwertern oder Köpfe

von Pfeilen komplett durchbohrt werden. Weniger mysteriös ist ein Messer, dessen Klinge bei Widerstand statt im Schauspielerkörper im Griff verschwindet: sehr wichtig für die Selbstmordszene in „Romeo und Julia“. Manche Klingen können auf

Knopfdruck oder mit anderen Auslösemechanismen im passenden Moment Blut verströmen. „Modernes Theaterblut ist geruchlos, geschmacksneutral und auswaschbar“, schwärmt Ronald Mischok vom Fortschritt der Theatertechnik. Damit die rote Flüssigkeit auf dem Gewaltopfer richtig gut zur Geltung kommt, empfiehlt der Requisitechef „ein weißes und saugfähiges Kostüm“.

Im Theater lässt sich ganz leicht ein abgeschlagener Kopf zum Abendbrot servieren.

Gemunkelt wird: Es soll ein MordsAbo mit allen mörderischen Stücken im Ticket-Paket geben. Mehr darüber demnächst in der Lausitzer Rundschau.


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