Rede von Luk Peceval, anlässlich der ersten Bachelor- und Master-Verleihung der Akademie für Darstellende Kunst in Ludwigsburg, am 30. Juni 2012 Als ich vor ungefähr 5 Jahren gefragt wurde, ob ich als Studiengangleiter für Schauspiel und Regie an der neu zu gründenden Akademie in Ludwigsburg den Studienplan mitgestalten könnte, habe ich mir die Frage gestellt: Was sollte ein Student in Regie oder Schauspiel überhaupt üben? Und, wie könnte man eine Ausbildung realisieren, die es nicht schon an anderen Schauspielschulen gibt? Eine Ausbildung, die schon allein durch ihre Spezifität ihre Berechtigung hat? Aus einer Frage entstanden zwei neue Fragen: Was ist der Gegenstand einer Regie- und Schauspielausbildung, und was ist das Ziel dieses Fachs? Nüchtern betrachtet, könnte man sagen, dass eine Schauspiel- und Regie-ausbildung die Studenten konfrontiert mit der Frage nach der Beziehung zwischen SPIELER und ZUSCHAUER, oder zwischen einem Menschen auf der Bühne und einem Menschen im Zuschauerraum. Was ist es, dass diese Beziehung spannend, faszinierend, lebendig, inspirierend, kurz: sinnlich macht? Ist es die technische Virtuosität der Künstler? Meine Antwort auf diese Frage ist eindeutig: nein. Die auf Perfektion hin trainierenden Eiskunstläufer werden erst dann spannend, wenn sie scheitern, wenn die Perfektion scheitert, und das menschliche Scheitern uns nicht nur Schadenfreude bringt, aber vor allem dass was Kunst zu Kunst macht: Empathie, Mitgefühl, Verständnis, Vergebung, Katharsis. Und so die Liebe spürbar macht, die in ihrer Essenz uns in unserem tiefsten Wesen miteinander verbindet. Eine Liebe, die wir am stärksten spüren, wenn wir konfrontiert werden mit unserer Vergänglichkeit, wie zum Beispiel bei einer Beerdigung. War es nicht Heiner Müller, der behauptet hat, das Theater sei ein Ritual, in welchem wir uns mit dem Tod versöhnen? In der Komödie lachen wir über den Tod, in der Tragödie beweinen wir den Tod. Sowohl für den Clown, als auch für den tragischen Helden entsteht diese mitfühlende, sich wieder erkennende Liebe der Zuschauer, erst beim Scheitern, beim menschlichen Unvermögen. Also braucht man auf einer Schauspielschule nicht nur die Wiederholbarkeit des Darstellungsaktes zu üben, das ist selbstverständlich. Vielmehr muss man auch einen Raum schaffen, für diese besondere Art von Mitgefühl, ich nenne es: universelle Liebe. Disziplin und Liebe wurden also die zwei Pfeiler dieses Gründungsjahrgangs. Wobei das eine nicht ohne das andere existieren kann. Ohne Liebe keine Disziplin. Ohne Disziplin kann die Liebe sich auch nicht manifestieren. Ich wollte eine Schauspielschule gründen, die eine Liebesschule ist. Eine Liebesschule für Lebenskünstler. Wobei mir nicht irgendwelche wohlriechenden esoterischen Kuschelkurse vor Augen stehen. Aber eine grundsätzliche Auseinandersetzung