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Jean Sibelius

Jean Sibelius – Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 43

Jean Sibelius ist der erste grosse Sinfoniker des Nordens. Dennoch polarisiert seine Musik zum Teil bis heute, weniger in England und in den USA, wo sich die Werke von Sibelius grosser Beliebtheit erfreuen, als in deutschsprachigen Ländern, wo das Publikum bisweilen bis heute mit leichter Zurückhaltung reagiert. Immer noch scheint Sibelius’ Musik unter dem Verdikt des deutschen Star-Philosophen Theodor W. Adorno zu leiden, der ihr, sarkastisch bösartig, eine «Originalität der Hilflosigkeit» attestierte und ihr zudem unterstellte, dass in ihr «das ästhetisch Ungeformte als Stimme der Natur» sein künstlerisch fragwürdiges Unwesen treibe.

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Eine fragwürdige, ja mehr noch: eine un gerechte Unterstellung, die von wenig Einfühlung und Sachkompetenz zeugt. Sicher, die Sinfonien von Sibelius reden ebenso sehr von der Weite nordischer Wald- und Seelandschaften wie sie Finnlands Mytho logie reflektieren. Dennoch, Programm musik ist das in keinem Fall, und eine hilflose erst recht nicht. Seine Musik, so sagte Sibelius, beginne erst dort, wo jedes Programm aufhöre: «Meine Sinfonien sind Musik.»

Übrigens, nicht nur solche seit Jahrzehnten kolportierten Vorurteile können täuschen, auch Bilder können täuschen. Auf CDs mit Sinfonien von Jean Sibelius werden nämlich mit einfallsloser Vorliebe eisige, rau zerklüftete nordische Winterlandschaften abgebildet. Aber Sibelius skizzierte zum Beispiel seine Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 43 in Italien, in Rapallo an der Riviera di Levante, wo er mit Frau und Tochter den

Jean Sibelius, 1920

Winter 1900/01 verbrachte. Er vollendete die Partitur nach seiner Rückkehr nach Finnland und unterzog das fertige Werk im Dezember 1901 nochmals einer umfassenden Revision. Die Uraufführung fand am 8. März 1902 unter der Leitung des Komponisten in Helsinki statt und wurde vom Publikum begeistert aufgenommen. Bis heute gilt die zweite als die populärste unter Sibelius’ sieben Sinfonien.

Die Sinfonien von Sibelius reden ebenso sehr von der Weite nordischer Wald- und Seelandschaften wie sie Finnlands Mythologie reflektieren. Dennoch, Programmmusik ist das in keinem Fall. Seine Musik, so sagte Sibelius, beginne erst dort, wo jedes Programm aufhöre: «Meine Sinfonien sind Musik.»

Ainola, Jean Sibelius’ Rückzugsort ab 1904

Mit ihr setzte sich Sibelius endgültig von seinen sinfonischen Vorbildern ab – von Bruckner, Dvořák, aber auch von Tschaikowsky. Sogar an neuartige Experimente mit der sinfonischen Form wagte er sich. Der erste Satz beeindruckt vor allem durch eine bemerkenswerte Logik der Binnenstruktur, denn er beruht fast ausschliesslich auf den drei ansteigenden Noten der Streicher, die den Satz eröffnen. Ein echtes sinfonisches Keimmotiv, auch wenn uns später die jauchzenden Fanfaren auf dem Höhepunkt des Satzes in die imaginierte Welt nordischer Götter oder mythischer Helden zu versetzen scheinen. Das Andante weist durchaus dramatische Züge auf. Eine Melodie des Fagotts soll laut Sibelius an Don Juan und dessen Steinernen Gast (in Mozarts Oper «Don Giovanni») erinnern – also an den Auftritt des Todes. Eine lang gezogene, hymnisch sich steigernde Passage soll entsprechend Trauer ausdrücken, aber in gleichem Masse auch Trost spenden. Als dritter Satz folgt ein Scherzo von dämonischer Wildheit und Rasanz. Aus den berückenden Klängen, die den Satz beschliessen, erhebt sich – wie in Beethovens fünfter Sinfonie, wenn auch mit anderen musikalischen Mitteln – das sieghafte Thema des Finalsatzes. Ein machtvoller Orgelpunkt führt die Sin fonie schliesslich zu einem glanzvollen, heroisch apotheotischen Schluss.

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