Programmheft «WHITE OUT - Begegnungen am Ende der Welt», Luzerner Theater

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WHITE OUT – Begegnungen am Ende der Welt

IMPRESSUM

Premiere: 15. März 2017

MIT Lukas Darnstädt Matthias Kurmann Verena Lercher Maximilian Reichert Jakob Leo Stark Alina Vimbai Strähler

Dauer: 1 Stunde 40 Minuten, keine Pause

INSZENIERUNG Alexander Giesche

Herzlichen Dank an unsere Impulsgeberin Dr. Sibylle Jean-Petit-Matile, ärztliche Leiterin der Stiftung Hospiz Zentralschweiz und an den Unternehmer Albert Geisser für die spannenden Einblicke in mögliche und unausweichliche Enden der Welt.

BÜHNE UND KOSTÜME Nadia Fistarol

Intendant: Benedikt von Peter Verwaltungsdirektor: Adrian Balmer Künstlerische Leitung Schauspiel: Regula Schröter Redaktion: Friederike Schubert Probenfoto von der 1. Hauptprobe: Ingo Höhn Gestaltung: Studio Feixen Druck: Engelberger Druck AG

ein Visual Poem von Alexander Giesche

MUSIK Georg Conrad DRAMATURGIE Friederike Schubert LICHT David Hedinger REGIEASSISTENZ UND ABENDSPIELLEITUNG Melanie Durrer

Herausgeber: Luzerner Theater Theaterstrasse 2, 6003 Luzern www.luzernertheater.ch Spielzeit 16/17

Diese Drucksache ist nachhaltig und klimaneutral produziert nach den Richtlinien von FSC und Climate-Partner

INSPIZIENZ Lothar Ratzmer

L WHITE OUT Begegnungen am Ende der Welt

BÜHNENBILDASSISTENZ Nadine Moroni KOSTÜMASSISTENZ Coline Jud

TECHNISCHER STAB Technischer Direktor: Peter Klemm, Produktionsassistent: Julius Hahn, Assistent der techn. Direktion: Michael Minder, Produktionsleiter: Roland Glück, Bühnenmeisterin: Riki Jerjen, Chefrequisiteurin: Melanie Dahmer, Requisite: Simone Fröbel, Olivier Villforth, Leiter der Beleuchtungsabteilung: David Hedinger, Leiter der Tonabteilung: Jürgen Kindermann, Ton: Gerard Gisler, Video: Rebecca Stofer, Leiter Proben­bühnen: Thomas Künzel, Transporte: Ido van Oostveen, Hamzi Gashi, Chefmaskenbildnerin: Lena Mandler, Leiterin der Kostümabteilung: Angelika Laubmeier, Gewandmeisterin Damen: Ulrike Scheiderer, Gewandmeisterin Herren: Andrea Pillen, Kostümmalerin: Camilla Villforth, Leiterin Ankleidedienst: Monika Malagoli, Fundusverwalterin: Rhea Willimann, Werkstättenleiter: Ingo Höhn, Leiterin Malersaal: Brigitte Schlunegger, Schlosser: Nicola Mazza, Leiter Schreinerei: Tobias Pabst, Tapezierer: Alfred Thoma, Leiter Statisterie: Sergio Arfini

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Das Prinzip der radikalen Hoffnung Gedanken zu WHITE OUT – Begegnungen am Ende der Welt Wir befinden uns in einem neuen Erdzeitalter. Das «Anthropozän» (das menschlich gemachte Neue) hat das «Holozän» (das völlig Neue) abgelöst. Der Mensch hat sich mit seinen Tunneln und Löchern so tief in den Stern Erde gegraben, dass man von einer neuen geologischen Epoche sprechen kann und muss. Wir Menschen, so erkennt jetzt auch die Wissenschaft an, nehmen unwiderruflich Einfluss auf unseren Planeten. Das haben noch nicht einmal die Dinosaurier geschafft. Wie begegnen wir diesem selbst gemachten Ende der Welt? Welchen Phänomenen begegnen wir? Welche Strategien entwickeln wir? Was kann uns jetzt noch retten? Und wollen wir das überhaupt? – Was wollen wir? Ein «White Out» ist ein meteoro­ logisches Phänomen, das vor allem, in Polargebieten und im Hochgebirge – also am Ende der Welt – auftritt. Es beschreibt die Helligkeit, die bei schneebedecktem Boden und gedämpftem Sonnenlicht beobachtet werden kann. In dieser Stimmung

kommt es zu starken Kontrastver­ ringerungen, das gesamte Blickfeld scheint gleichmässig hell zu sein. Es entsteht der Eindruck, man befinde sich in einem ausgedehnten grauen Raum, in dem keinerlei Orientierung möglich ist. Inspiriert von den Phänomenen «Anthropozän» und «White Out» entwickelt Alexander Giesche gemein­sam mit den Akteuren ein neues Visual Poem für das Luzerner Theater. Seine Bildgedichte entwerfen bruchstückhafte Geschichten, die viel mehr ein Drama der Sinne als ein Drama des Wortes sind. Dem Publikum begegnet auf der Bühne ein assoziativer, sinnlicher und mitunter rätselhafter theatraler Bilder­bogen, der sich im Grenzbereich von Ton-, und Lichtinstallation, Theater und Performance bewegt. Wir als Zuschauende sind eingeladen, uns auf den Rhythmus des Abends einzulassen, der sich eher durch Entschleunigung als durch dramaturgisch geraffte Zeit auszeichnet und so die Möglichkeit einer neuen Art von Begegnung zwischen Zuschauerraum und Bühne bietet. Die gemeinsam verbrachte und erlebte Zeit kreiert einen Raum, in dem wir Zuschauende zum aktiven Assoziieren eingeladen sind:

Ist das Ende der Welt aufregend? Warum tue ich mich so schwer, konkret zu sein? Warum muss ich plötzlich Dinge sagen? Was ist ein EMP? Was ist der Zustand der Welt? Kann uns Recycling retten? Wusstest du, dass 1kg Vollkornbrot genau so viele Kilokalorien hat wie 3l Vollmilch mit 3,5% Fettanteil? Und dann? Stehen wir kurz vor einer neuen Eiszeit? Sind wir vielleicht schon mitten drin? Frische Mandarinen oder Mandarinen aus der Dose? Sind wir Menschen vom Wasser ans Land gekommen, weil es im Wasser zu grausam war? Haben wir die Ausfahrt verpasst? Was ist emotionale Eiszeit? Leben wir Menschen in Maschinen weiter? Gibt es einen Freund am Ende der Welt? Wieviele Kilokalorien haben 150g Thunfisch? Wo sind die kleinen Freuden? Is love the answer? Seit wann befinden wir uns im «Anthropozän»? Was liegt im Dunkel? Ist da jemand? Welches Live-Video auf Facebook hat die meisten Likes? Kann man an gebrochenem Herzen sterben? Darf man das? Gibt es ein Mittel gegen Flugangst? Wann muss ich die Rettungsleine ziehen? Was liegt unter dem Eis? Wie kalibriere ich einen Kompass? Macht Grimassen ziehen glücklich? Can I dance the pain away? Was brauche ich, um zwei Wochen überleben zu können? Warum sind wir nicht zusammenge­ blieben? Wie wäre eine Welt ohne Musik? Gibt es künstliche Intelligenz? Können Maschinen Emotionen haben? Warum gehst du zum LachYoga? Worauf kann ich verzichten? Welche Telefonnummern kann ich auswendig? Wie schwarz ist das schwärzeste Schwarz? Was ist derbes Schuhwerk? Would you change? Wer stellt eigentlich die Doomsday Clock? Wann war es das letzte Mal fünf vor zwölf? Wie fühlt sich radikale Hoffnung an ?

Der amerikanische Philosoph Jonathan Lear (*1948) hat über «radikale Hoffnung» als Modell für den Umgang mit dem unausweichlichen Ende geschrieben. «Was diese Hoffnung radikal macht, ist, dass sie sich auf eine zukünftige Tugend beruft, die in die gegenwärtige Fähigkeit des Ver­ stehens was sie ist, hineinreicht.» Radikale Hoffnung ist also viel weniger etwas, das man hat, als etwas, das man tut; sie verlangt Flexibilität und Offenheit. Die radikale Hoffnung ist unsere beste Waffe gegen die Verzweiflung, selbst wenn die Verzweiflung angebracht zu sein scheint. Radikale Hoffnung ist die Möglichkeit, das Ende der Welt überleben zu können. Allein radikaler Hoffnung ist es also zu verdanken, dass die Menschheit in der heutigen Form überhaupt existiert. Jetzt, in diesem Moment begegnen wir uns. Hier, im Theaterraum. In dem Flirren zwischen Bühne und Sitzreihen. Zwischen Parkett und erstem Rang. Das ist vielleicht die radikalste Hoffnung. – Friederike Schubert

The future is dark, which is the best thing the future can be, I think. Virginia Woolf


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