DIE GROSSHERZOGIN VON GÉROLSTEIN
MUSIKALISCHE LEITUNG Alexander Sinan Binder
Opéra-bouffe in drei Akten und vier Bildern von Jacques Offenbach
INSZENIERUNG Lennart Hantke
Libretto von Henri Meilhac und Ludovic Halévy Deutsch-Französische Fassung von Lennart Hantke und Johanna Wall In deutscher und französischer Sprache mit deutschen Übertiteln
BÜHNE Natascha von Steiger KOSTÜME Elke von Sivers LICHT Clemens Gorzella DRAMATURGIE Johanna Wall
Premiere: 13. April 2019
CHOR EINSTUDIERUNG Mark Daver
Dauer: ca. 2 Stunden 45 Minuten mit Pause (nach dem 2. Akt)
CHOREOGRAFISCHE MITARBEIT Emmanuel Gázquez
Aufführungsrechte: Kritische und praktische Ausgabe von JeanChristophe Keck, Boosey & Hawkes, Bote & Bock, Berlin, vertreten durch Atlantis Musikbuch-Verlag, AG, Zürich
STUDIENLEITUNG Valeria Polunina KORREPETITION William Kelley, Valeria Polunina SPRACHCOACHING Pia Lux INSPIZIENZ Lothar Ratzmer REGIEASSISTENZ UND ABENDSPIELLEITUNG Caterina Cianfarini BÜHNENBILDASSISTENZ Sophie Prölss KOSTÜMASSISTENZ Medea Karnowski
ABENDSPIEL LEITUNG UND REGIEHOSPITANZ Natalia Voskoboynikova ÜBERTITEL REDAKTION UND DRAMATURGIEHOSPITANZ Talisa Walser KOSTÜMHOSPITANZ Rebecca Ehl
DIE GROSSHERZOGIN Marina Viotti PRINZ PAUL Christian Joel FRITZ Robert Maszl WANDA Diana Schnürpel GENERAL BUMM Jason Cox BARON PUCK Maximilian von Lütgendorff
L Die Gross -herzogin von Gérolstein
BARON GROG Vuyani Mlinde CHOR DES LT Marco Bappert Agnes Fillenz Wieslaw Grajkowski Kyung-Bin Joo Hanna Jung Efstathios Karagiorgos Ivo Kazarow Kihun Koh Robert Hyunghoon Lee Judith Machinek Sofía Pollak Xenia Romanoff Chiharu Sato Livio Schmid Miriam Timme Peter Wigger Koichi Yoshitomi LUZERNER SINFONIE ORCHESTER STATISTERIE DES LT Ronja Bucheli, Nadèche Bucheli, Kerstin Grüner, Alessandra Gut, Markus Eng, Yves Bielmann
Bühne ←
T
Handlung
4
5
I. AKT
III. AKT
Am Hof der Grossherzogin von Gérolstein: Es wird der Einzug in den Krieg gefeiert. Die Grande-Duchesse steht an der Spitze des kleinen Staates und soll baldmöglichst politisch günstig verheiratet werden. Doch es ist der Füsilier Fritz, der es ihr angetan hat. Kurzerhand wird er von der Grossherzogin vom einfachen Soldaten zum General befördert, was den eigentlichen Machthabern General Bumm und Baron Puck gar nicht in den Kram passt. Ihr favorisierter Kandidat ist Prinz Paul. Der stösst allerdings auf keinerlei Interesse bei der Duchesse, obgleich er ihr die allseitig drohende Rufschädigung plastisch vor Augen führt. Fritz, bewaffnet mit dem Säbel des Herrn Papa der Grossherzogin, ist bereit, sich dem Feind zu stellen, und zieht stracks ins Feld. Seine Geliebte Wanda wie auch die Duchesse warten halb bangend, halb hoffend auf seine Rückkehr.
Allein in ihrem Gemach siniert die Grande-Duchesse über die in ihr widerstreitenden Gefühle, als die mordlustig die Messer wetzende Verschwörerbande – inzwischen verstärkt durch eine Reihe Verbündeter – hereinstürmt. Mit dabei: Baron Grog, der Heiratsvermittler des verschmähten Prinz Paul, auf den prompt der Blick der Grande-Duchesse fällt – und hängen bleibt. Fritz ist vergessen, die ganze Verschwörung abgeblasen. Den tiefenttäuschten Baron Puck und General Bumm wird allerdings zugestanden, sich nach Herzenslust in seiner Hochzeitsnacht an Fritz zu rächen. Gesagt getan – Fritz’ und Wandas Hochzeitsnacht wird zum Albtraum an dessen Ende Fritz zurück in den Krieg geschickt wird. Die Duchesse willigt gerade ein, Prinz Paul (und damit um die Ecke Baron Grog) zu heiraten, da tritt mit einem Mal Fritz auf: Er hat genug von seiner neuen gesellschaftlichen Stellung. Kurzerhand quittiert er den Dienst und entledigt sich aller Titel, die sich Bumm und Puck nur allzu schnell wieder ans Revers heften. Die Grossherzogin hat ohnehin nur noch Augen für Baron Grog. Doch als sie nach gewohnter Manier nun ihn in den für sie angemessenen Rang befördern will, erfährt sie: Grog freut sich über die neuen Ehren – besonders aber: seine Frau! Jetzt hat die Duchesse endgültig die Nase voll von der Liebe, aber es gibt ja auch noch andere Möglichkeiten, sich die Zeit zu vertreiben …
II. AKT
Bald kehrt das Heer zurück. Wieder aller Erwarten hat Fritz die Schlacht erfolgreich geschlagen. Bumm und Puck wollen sich diese Farce nicht länger ge fallen lassen und planen mit Prinz Paul eine Verschwörung. Das Ziel: General Fritz muss eliminiert werden! Als Ort des Anschlags soll das historisch be währte «Rote Zimmer» dienen. Auftritt General Fritz: Voller Stolz berichtet er von seiner raffinierten Kriegstaktik – Gegner besoffen machen, dann fällt er von alleine um – und sogleich bittet ihn die Grande-Duchesse um eine Privataudienz. Durch die Blume gesteht sie ihm ihre tiefe Zuneigung, doch Fritz hält, trotz kurzen Schwankens, zu seiner Wanda. Gekränkt lädt die Duchesse zum abendlichen Ball, wo Fritz und Wanda vor aller Augen Hochzeit halten sollen. Da ertappt sie das Verschwörer-Trio, das die ganze Szene bespitzelt hat. Wider Erwarten droht den dreien keine harte Strafe, sondern die Grande-Duchesse ordnet an, Fritz möge der Garaus gemacht werden, sollte sie beim Ball anordnen, das Carillon – das Glockenspiel ihrer Grossmutter – erklingen zu lassen. Beim abendlichen Ball geben sich Fritz und Wanda tatsächlich das Ja-Wort und die Grande-Duchesse den Befehl zum Carillon … – PAUSE –
Im Krieg und in der Liebe … Jacques Offenbach erfuhr früh, dass die Gründe, warum einem Menschen etwas gestattet oder verboten ist, nicht immer einfach nachzuvollziehen sind. Als Sohn eines jüdischen Kantors 1819 in bescheidene Verhältnisse in Köln geboren, wird sein musikalisches Talent früh entdeckt und gefördert. Doch sind die Entwicklungsmöglichkeiten für einen jüdischen Künstler im kon servativen Köln, trotz inzwischen ge lockerter Verordnungen, denkbar schlecht. Der Vater tut alles für eine gute Ausbildung des Sohnes, der eine herausragende Begabung für das Cello-Spiel zeigt, und möchte ihn an das renommierte Pariser Konser vatorium vermitteln. In Paris spielt die Zugehörigkeit zum Judentum zwar keine besondere Rolle, doch nimmt das Pariser Konservatorium unter Luigi Cherubini grundsätzlich keine ausländischen Studenten an. Dass es Offenbach nichtsdestotrotz gelingt, einen Studienplatz zu ergattern, zeugt von seinem grossen Talent, vermeintlich sakrosankte Regeln einer Insti tution, sei es eine Akademie, sei es der Staat, als genau das zu begreifen, was sie sind: Spielregeln, von Menschen gemacht und dazu da, sie zu beherrschen, um nicht von ihnen beherrscht zu werden. Offenbach war ein Spieler! Im Glücksspiel gewann er immer wieder
8
grosse Summen, die er in Kürze wieder verschleuderte. Sein Patriotismus war ein pragmatisches Spiel. Als er während der Pariser Revolution 1848 aus Paris nach Köln zurückkehrt, so in erster Linie, um sich mit der Komposition pa triotischer Liedchen über Wasser zu halten. Derlei «politisches Engagement» wird Offenbach zum Teil noch heute als «heuchlerisch» vorgeworfen. Warum aber sollte gerade er sich dem deutschen Land so tief verbunden fühlen? 1867 fand in Paris die zweite grosse Weltausstellung statt, die insbesondere die herausragende Stellung Frankreichs in Wissenschaft, Technik, aber auch als Garant des Weltfriedens zeigen sollte. 11 Millionen Zuschauer, darunter zahlreiche gekrönte Häupter gehörten zu den Besuchern. Die Uraufführung von «La Grande-Duchesse de Gérolstein» am 12. April 1867 fiel nicht zufällig mit diesem Grossereignis zusammen, versprach sie doch ein ebenso zahlungskräftiges wie illustres Publikum. Wenngleich die Welt ausstellung den Gestus der Völker verständigung feierte, standen die Zeichen in Europa allenthalben auf Krieg. Das Hauptinteresse war damals wie heute nicht nur machtpolitisch sondern vor allem ökonomisch motiviert. Deutschlands industrielle
9 Überlegenheit im Stahlbau wurde auf der Weltausstellung durch die Präsentation einer 50 Tonnen schweren Kanone der Firma Krupp aller Welt vor Augen geführt. Tatsächlich entstand Offenbachs «Grande-Duchesse de Gérolstein», anders als die Antikentravestien «Orpheus in der Unterwelt» und «La Belle Hélène», nicht nur als eine Karikatur auf die aktuellen französischen, sondern auch die deutschen Verhältnisse. Insbesondere wurde darin die Kleinstaatenpolitik, in der winzige Herzogtümer einen sinnlosen Krieg nach dem anderen gegeneinander anzettelten, aufs Korn genommen. Über allem aber schwebte der DamoklesSäbel einer drohenden militärischen Vormachtstellung der Preussen auf dem Kontinent. Die im Entstehungsjahr der Opéra-bouffe von den Preussen gegen die Habsburger gewonnene Schlacht bei Königsgrätz dient als Folie für die Geschehnisse im fiktiven Staate Gérolstein. Halévy legte dem Füsilier Fritz in seiner Schlachtbeschreibung Worte in den Mund, die bei der Zensur keine Gnade fanden, deren Sprengkraft heute allerdings kaum noch einer versteht: Der Satz, in dem Fritz behauptet, er habe «in nur 18 Tagen den Feind vernichtend geschlagen» musste in «in nur sechs
Tagen» geändert werden. Warum? Die Schlacht von Königsgräz hatte genau 18 Tage gedauert. 400 000 Männer zogen in den Krieg, die 8 000 Gefallenen und 14 000 Verletzten gingen nicht zuletzt auf das Konto selbstherrlicher Möchtegern-Generäle, die in ungeordneten Scharmützeln, sich weniger um das Wohl der Soldaten, als um ihren eigenen kleinen Ruhm sorgten. Bis heute gilt diese Schlacht als eine Zäsur in der Weltgeschichte, vergleichbar der ungleich berühmteren Schlacht von Waterloo. Die Aufrechterhaltung oder gar Wiederherstellung der «alten Ordnung», wie sie Offenbachs Zeit des seconde Empire unter der Regentschaft des politisch unfähigen Napoleon III. kennzeichnet, prägte ebenso wie die Kriegsstimmung die Realität Europas. Nicht zuletzt in den historistisch rückwärtsgewandten Architekturen der zahlreichen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts gebauten Theatergebäude, die sich häufig an den höfischen Theatern der Zeit vor der Französischen Revolution orientierten, geben ein beredtes Zeugnis davon. Der zentrale Blick auf die Bühne und die gleichberechtigt gute Akkustik war in diesen Architekturen – anders als in den Amphietheater der Antike – kein Kriterium. Viel wichtiger war der
10 L Blick auf die sogenannte Fürstenloge im Zentrum des ersten Ranges und die Plätze daneben, wo sich die Haute volée der Stadt tummelte. Die Rang struktur wiederum sortierte das Pu blikum, je nach finanzieller und damit auch gesellschaftlicher Potenz von Parkett bis zweiter Rang. Neben dem Parkett beheimatete – beheimatet bis heute! – der erste Rang, sozugagen die «Belle etage» des Zuschauerraums, die Plätze der Privilegierten. Hier sieht man am besten, hier wird man am besten gesehen. Es war nahezu undenkbar, dass sich die Persönlichkeiten der herausgehobenen Plätze in die Nie derungen des einfacheren Volks begaben. Selbst ein Haus wie das Luzerner Theater orientiert sich in seinen Grundzügen an dieser Architektur, und es Bedarf nur eines bisschen Stoffs und einiger Pappmachée-Ornamente und fertig ist das perfekte NeoBarocktheater in der Mode des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die sich darin zeigende «Umkehrung» der Entwicklung war schon damals bezeichnend für eine Epoche, die sich mit aktuellen Entwicklungen überfordert, nach der guten, alten Zeit sehnt, in der die Welt, wenn auch eng, so doch überschaubar und kalkulierbar war. Jacques Offenbachs GesellschaftsKritik und die seiner Librettisten
Henri Meihlac und Ludovic Halévy zeigt sich vor allem in einer schonungslosen Spiegelung dieser Verdrehtheit der Welt. Im Staate Gérolstein ist der Krieg Normalzustand und Volksbe lustigung zugleich. Die den zugrundeliegenden Machtstrukturen inhärente Gewalt zeigt sich hier weniger in offen zutage tretenden Bluttaten, als in der angstgetriebenen Panik der zweiten Riege vor dem Statusverlust und die Hilflosigkeit der Grossher zogin angesichts eines Phänomens, auf das sie keinen Zugriff hat: die bedingungslose Liebe zweier Menschen. Denn Liebe ist die einzige Macht, die das Wohl des anderen vor das eigene stellt, bedingungsloses Zueinanderstehen der beste Schutz vor Korruption, die einander zugewandte Gleichberechtigtheit beider Liebender bewahrt vor blindem Kadavergehorsam. All diese Mechanismen sind potentiell systemgefährdend und: machen hoffen. Angst macht nur, was aus denen wird, denen diese Liebe verwährt bleibt …
Die Grossherzogin von Gérolstein
Bühne ←
T
Grosse «Bring a Mitglied» -Aktion des Theaterclub Luzern am 22. Mai Diese Produktion wird unterstützt vom Theaterclub-Luzern Besucherinnen und Besucher, die Theaterclub-Mitglieder werden wollen, erhalten Karten für den Vorstellungsbesuch der «Grossherzogin von Gérolstein» am 22. Mai zu CHF 50 (anstelle von CHF 100 ) und eine TcL-Mitgliedschaft für ein halbes Jahr ebenfalls zu CHF 50 = CHF 100 ! Dafür gibt es im Anschluss an den Besuch der Operette einen Apéro und ein heiter-witziges Gespräch mit Intendant Benedikt von Peter und TcL-Präsident Philipp Zingg über die Höhepunkte des Spielplans 19/20. www.luzernertheater.ch/ theaterclubluzern
Can’t buy me love Regisseur Lennart Hantke im Gespräch über Alphaschafe, Sack gassen und den schroffen Streit am Frühstückstisch. Johanna Wall — «Die Grossherzogin von Gérolstein» entstand auf dem Hintergrund der zunehmenden Spannungen zwischen Preussen und Frankreich und wurde 1867 uraufgeführt. Während des vier Jahre später ausgebrochenen deutsch-französischen Krieges war das Stück verboten, doch schon im 1. Weltkrieg wurde das Werk nurmehr als harmloser Kriegsschwank wahrgenommen und be denkenlos gespielt. Welche Bedeutung hat für Sie die Tatsache, dass «Die Grossherzogin von Gérolstein» in der Kriegszeit spielt? Lennart Hantke — Interessant ist für mich, dass der Krieg als «Mittel zum Zweck» quasi frei erfunden wird, um eine Person bei Laune zu- und damit von anderen Aktivitäten abzuhalten. Der Krieg wird am Stück beginn mit den Worten eingeführt: «Die Stunde naht wo sie marschieren, doch heute soll die Lust kommandieren.» Man singt vom Krieg, aber eigentlich geht’s um die Lust, ums Vergnügen daran. Und darum, eine Person davon abzuhalten, sich in die Politik einzumischen …
14
JW — … die Grossherzogin … LH — Genau. Puck und Bumm sagen es explizit: «Haben sie jemals darüber nachgedacht, was ist, wenn sie sich einen Geliebten sucht?» Ich meine, was kann dann passieren? Der Geliebte könnte jemand sein, der politisch so stark ist, dass er alle Macht an sich reisst, oder einfach den emotionalen Haushalt der Grossherzogin so aufrüttelt, dass diese plötzlich zur willkür lichen Regentin wird. Eben das darf nicht passieren in Gérolstein. Und deshalb zettelt man einen Krieg an. Getreu des römischen Mottos: «Panem et circenses – Brot und Spiele!» JW — Zeigt sich der drohende Kont-
rollverlust auch in Ihrer Inszenierung? LH — Wir fangen zwar in der Königsloge an, doch schon mit der ersten Nummer verlässt diese Frau die ihr zugewiesenen Sichtachsen. Da stürzt sich jemand ins Geschehen, hält alle Bälle in der Luft, lässt sie fallen und wirft damit um sich. Die anderen müssen hüpfen und zusehen, wie sie ihren Kopf aus der Schlinge ziehen. Dabei bilden sich zwei Fronten, auf der einen Seite die der drei Verschwörer, auf der anderen Fritz und Wanda.Und die Duchesse steht dazwischen, mit all ihrer Sehnsucht und Projektion und Liebe und weiss eigentlich nie: Auf
15 wessen Seite gehöre ich? Der Hofstaat – der Chor und das Volk – sind da keine Orientierungshilfe. Sie stehen immer auf der gleichen Seite, der Seite des Gewinners und mähen, sobald das Alphaschaf auch mäht. Am Ende entscheiden sich nicht die Machthaber sondern Fritz und Wanda, aus diesem Zirkus auszutreten. Die Duchesse steckt da schon längst in der Sackgasse … JW — Der Chor, das Volk spielt bei
Ihnen, nicht zuletzt durch die Ein beziehung des Publikums, eine tragende Rolle. Dennoch haben Sie sich entschieden, das Heer der Soldaten am Stückbeginn oder die Gruppe der auf die Kriegsheimkehrer wartenden Frauen am Anfang des zweiten Aktes maximal zu reduzieren. Warum? LH — Grosse Kollektive machen zwar Spass, sind aber emotional und psychologisch nicht so interessant wie eine einzelne Person, an die man eine Lupe ran hält. Gerade bei Fritz geht es um eine individuelle, persönliche Entwicklung. Fritz ist der Auserwählte, das Würmchen, das die Laderampe runtergekickt, den Löwen zum Frass vorgeworfen wird. Wir lenken den Fokus auf Fritz, die Duchesse und Wanda und deren Beziehungsdreieck: Was passiert, wenn zwei Frauen in den gleichen Mann verliebt sind, aus
ganz unterschiedlichen Gründen und diesen Mann aus unterschiedlichen Gründen auch verlieren, oder beinahe verlieren. Wie sieht deren jeweilige Sehnsucht aus, wenn sie warten, dass dieser Mann aus dem Krieg heimkehrt? Mehr als die anonyme Masse von Frauen, die quasi als globales Prinzip auf den Kriegs-Heimkehrer warten, interessieren mich die indi viduellen Menschen und die Möglichkeiten, dass Wanda und Duchesse sich dadurch im Stück einmal wirklich begegnen können. JW — Und der arme Prinz Paul? LH — Der hat eine wunderschöne Arie in der er sehr wahrhaftig erzählt, wie es ist, wenn man liebt und nicht zurück geliebt wird. Das passiert aber so früh im Stück, dass vor allem die Anderen, auch wir, das noch überhaupt nicht ernst nehmen können. Es wird ganz grausam darüber gelacht, nachdem jemand da unten auf der Bühne steht und sich komplett geöffnet hat, seine Seele, sein Herz, auch wenn er ein holländisches Tagesblatt, eine KlatschKolumne zitiert. Das ist natürlich schrecklich. Da steht jemand jeden Tag und kratzt an der Tür und sagt: «Bitte heirate mich!» Auch wenn diese Ehe politisch arrangiert ist, glaube ich, dass Prinz Paul sich diese Ehe mit der Duchesse wirklich wünscht. Die
16 Duchesse hingegen hat gerade einfach kein Interesse daran, zu heiraten. Und sie merkt auch, dass diese Ehe mehr bedeutet als ein politisches Abkommen … JW — Die Grande-Duchesse der Ur-
aufführung, Hortense Schneider, war ein gefeierter Star mit ihren 33 Jahren aber kein naives Mädchen mehr … LH — Ich bin sehr froh, dass wir mit Marina Viotti so eine junge, starke, attraktive, auch überdrehte, Frau haben, und keine eiserne Lady oder alte Schreckschraube, die an einem jungen Typen rumbaggert. Bei der Begegnung von Fritz und Duchesse sprühen Funken, da britzelt es. Fritz fühlt sich von dieser Frau durchaus angezogen. Mit der Royal Highness könnte sein Leben komplett anders aussehen als mit Wanda. Doch Fritz er innert sich, dass es da eine emotionale Verbundenheit zwischen Wanda und ihm gibt, die es mit der Duchesse so nicht geben kann. Fritz ist jemand, der immer eine Sekunde zu lange denken muss. Dann aber ist er auch konsequent genug, eine Entscheidung zu fällen und z. B. gegenüber der Grossherzogin ganz frank und frei Wanda anzusprechen. Eigentlich müsste er das nicht tun. Die Duchesse hat keine andere Handhabe, als mit Orden und Abzeichen, mit Macht und mit Prunk,
17
Menschen für sich zu gewinnen. Aber, frei nach den Beatles: Can’t buy me love.
sondern eher wie ein schroffer Streit am Frühstückstisch.
JW — Keine Rettung für die Grande
fassung fällt besonders die Raum theaterlösung ins Auge. Benedikt von Peter hat seine Intendanz unter die Maxime gestellt, den Theaterraum zu öffnen. Sollte deshalb der ganze Raum bespielt werden?
Duchesse?
LH — Sie merkt im Laufe des Stücks, was schief läuft, aber sie ist in dieser Spirale gefangen. Es ist mir wichtig, zu zeigen, dass diese Frau erkennt, dass sie sich verzockt hat. JW — Die Ordnung der Gesellschaft
bildet sich in Ihrer Inszenierung nicht zuletzt in der Textfassung ab … LH — Wir machen ein kleines lin guistisches Experiment und setzen Sprachen bewusst gegeneinander. Deutsch ist bei uns – ganz entgegen, der Konvention – die Sprache der Liebe, des Privaten und Persönlichen, des Alltäglichen. Französisch hin gegen ist die offizielle Sprache, in der man vor dem ganzen Hofstaat po litische Reden hält. Man kann sie im Privatgebraucht aber auch dazu ein setzen, die eigene Macht zu demonstrieren. Das ist besonders spannend, wenn Fritz und Wanda reden und die Duchesse knallhart auf französisch dazwischen grätscht. Wenn die Duchesse mit Prinz Paul – anders als mit Fritz – französisch redet, klingt die Sprache alles andere als romantisch
JW — Neben der bilingualen Text
LH — Benedikt hat mir in dieser Hinsicht – Gott sei Dank – keinerlei Vorgaben gemacht! Aber nach fünf schlaflosen Nächten war mir plötzlich klar, dass dieses Stück den ganzen Raum bespielen muss, um direkt und nah werden zu können, wie ich das wollte. In einer Guckkasten-TheaterSituation ist es viel einfacher, sich vom Gesehenen abzukapseln, als wenn ich als Vertreter des Hofstaates mitten drin sitze, mitlache und mitschreie: «Vive la Grande-Duchesse!» Gleichzeitig spielen wir bewusst mit den optischen Leerstellen, dem, was in unserem Rücken geschieht, dem, was wir nur erahnen können. Hier wird im wahrsten Sinne des Wortes «über unsere Köpfe hinweg gesprochen». Das Gerücht, die Intrige, die in unserem Rücken gesponnen wird, spielt nicht nur in dieser Gesellschaft eine entscheidende Rolle. Und nicht nur in Offenbachs Operetten kann die öffentliche Meinung Existenzen – wie die
des Prinz Paul – vernichten. Auch können wir uns nie sicher sein, was ist hier Aktion, was Reaktion – das kommt ganz auf die Perspektive an. Die Ar chitektur dieses Theaters bietet sich wunderbar für unsere Inszenierung an. Wir streichen dieses kleine, schmucke Hufeisen-Theater einfach golden an und behaupten: Hier ist Versailles, von hieraus scheint die Sonne ins ganze Land! In der Königsloge aber sitzt die Duchesse, die traurige Macht in unserem Nacken.
Biografien MARINA VIOTTI
DIANA SCHNÜRPEL
absolvierte ein Studium der Literaturwissenschaften und ein Querflöttenstudium ehe sie den Gesang in Form von Jazz, Gospel und Metal für sich entdeckte. Dem schloss sie ein Studium des klassischen Gesang in Wien bei Heidi Brunner an. Engagements führten und führen sie an die Opernhäuser in Lausanne und Genf, ans Gran Teatre del Liceu (Barcelona) und an die Opéra national du Rhin nach Strasbourg. Am LT war sie zuletzt in «Flow My Tears – Das letzte Fest» und in «Maria Stuarda» zu erleben und gibt nun ihr Rollendebut in «Die Grossherzogin von Gérolstein» ehe sie auf dem Sonnenberg bei «Zappa on the Hill» ihre künstlerische Vielseitigkeit unter Beweis stellt.
studierte Gesang an der Chorkunstakademie in Moskau und an der Hochschule für Musik und Theater Leipzig unter Prof. Regina Werner-Dietrich. Die Partie der Königin der Nacht in Mozarts «Die Zauberflöte» sang sie bereits in Braunschweig, Detmold, Klagenfurt, Salzburg, Graz und Weimar. Seit 16/17 ist sie Ensemblemitglied am LT. Hier sang sie u. a. Gepopo / Venus, in «Le Grand Macabre» und die Titelpartie von «Maria Stuarda». In der Spielzeit 18/19 war sie zuletzt in «Tanz 30: Orfeo ed Euridice» zu erleben.
ROBERT MASZL
studierte am Wiener Konservatori um Gesang. Engagements führten den Tenor u. a. an die Burgarena Reinsberg, an die Wiener Volksoper und mehrfach zu den Bregenzer Festspielen. Seit August 2009 gehört Robert Maszl fest zum Ensemble des Luzerner Theater, wo er in zahlreichen Partien zu erleben war, u. a. als Oronte («Alcina»), Monostatos («Die Zauberflöte») und Tony («West Side Story»). Zuletzt stand er als Tybalt in «Roméo et Juliette» sowie in der Uraufführung «Im Amt für Todesangelegenhei ten» auf der Bühne des LT. In Lennart Hantkes Inszenierung von Humperdincks «Hänsel und Gretel» begeisterte er das Publikum als Hexe.
JASON COX
wurde an der Manhattan School of Music als Bariton ausgebildet. Er war Mitglied des Opernstudios «OperAvenir» am Theater Basel und gastierte am Theater Magdeburg, am Theater Bremen und am Salzburger Landestheater. Seit der Spielzeit 16/17 ist er festes Ensemblemitglied des LT. In der aktuellen Spielzeit ist er unter anderem in der Titelrolle von «Don Giovanni» zu erleben. Seit der Produktion «Feeling Gatsby» verbindet ihn eine enge Zusam menarbeit mit Regisseur Lennart Hantke. MAXIMILIAN VON LÜTGENDORFF
absolvierte sein Gesangsstudium an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Er war Mitglied des Extrachors der Wiener Staatsoper. Gastengagements führten ihn zuletzt zu den
18 Salzburger Festspielen, ans Landestheater Linz, ans Schlosstheater Schönbrunn nach Gars am Kamp, an die Oper in Bratislava und an das Theater an der Wien. CHRISTIAN JOEL
Der aus Trinidad and Tobago stammende Tenor studierte zunächst am Conservatoire de Lyon und später an der Haute Ecole de Musique de Lausanne Gesang. Bereits während seines Studiums übernahm er die Titelrolle in George Bizets «Le docteur Miracle» und Monsieur Olivé an der Opéra de Lausanne. Als Prinz Paul gibt er sein Gesangsdebut am Luzerner Theater. VUYANI MLINDE
absolvierte sein Gesangsstudium an der Free State Musicon in Sudafrika und am Royal College of Music in London. Von 10/11 bis 15/16 war er festes Mitglied des Opernensembles der Oper Frankfurt. Ausserdem trat er u. a. beim Edinburgh International Festival, am Opernhaus von Oviedo, an der Cincinnati Opera, der Houston Grand Opera und in der Carnegie Hall New York auf. Zur Spielzeit 16/17 wechselte er ans LT. In der Spielzeit 18/19 war er in «Im Amt für Todesangelegenheiten» und in «Roméo et Juliette» zu erleben. Zuletzt begeisterte er als Leporello in Benedikt von Peters Inszenierung des «Don Giovanni» das Publikum.
19 ALEXANDER SINAN BINDER
studierte an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf und an der Zürcher Hochschule der Künste. Er war Stipendiat des Dirigentenforum des Deutschen Musikrates. Er stand am Pult international renommierter Klangkörper wie dem Tonhalle Or chester Zürich, Lucerne Festival Strings, WDR Funkhausorchester Köln, Musikkollegium Winterthur, Philharmonisches Staatsorchester Mainz, Staatsoperette Dresden, Staatskapelle Halle, Belgrade Philharmonic Orchestra und der Musikalischen Komödie Leipzig. Seit der Spielzeit 18/19 ist er als Kapellmeister und Korrepetitor am Luzerner Theater engagiert, wo er die musikalische Leitung von «Tanz 30: Orfeo ed Euridice» sowie «Die Grossherzogin von Gérolstein» innehat. LENNART HANTKE
Lennart Hantke, stand als Solist des renommierten Knabenchors der Chorakademie Dortmund bereits als Kind in zahlreichen Inszenierungen auf der Opernbühne, u. a. als Miles in Brittens «Turn of the screw» an der Seite der jungen Anna Prohaska als Flora. Für seine Arbeit als Regisseur prägend war die intensive Zusammenarbeit an der Seite von Lisa Stöppler und Benedikt von Peter als Regieassistent. Engagements führten ihn daraufhin an die Staatsoper Unter den Linden und die Komische Oper Berlin, u. a. bei Calixto Bieito, später ans Theater Bremen, wo er mit Regisseuren wie Sebastian Baumgarten,
Andreas Kriegenburg und Christiane Pohle zusammenar beitete. Ab der Spielzeit 16/17 war Lennart Hantke als Regisseur, Regieassistent und Abendspielleiter am Luzerner Theater engagiert und inszenierte dort u. a. «Hänsel und Gretel», «Konzert der Tiere», den Musiktheater-Abend «Feeling Gatsby» sowie «The Golden Age of Hollywood» ( 17/18 ). In der Spielzeit 18/19 kehrt er mit «Die Grossherzogin von Gérolstein» als Regisseur nach Luzern zurück. NATASCHA VON STEIGER
Natascha von Steiger wurde in Bern geboren und studierte Bühnengestaltung an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Seit 1996 arbeitet sie als freischaffende Bühnenbildnerin für Schauspiel, Tanz und Oper in der Schweiz, in Österreich und Deutschland mit Regisseuren wie Benedikt von Peter, Armin Petras, Sebastian Baumgarten, Hans Neuenfels, u.a. Sie war Ausstattungsleiterin am MaximGorki-Theater in Berlin und am Schauspiel Stuttgart. 2011 wurde ihr Bühnenbild von «Das Erdbeben in Chili» (Regie: Armin Petras) für den deutschen Theaterpreis « DER FAUST » nominiert. ELKE VON SIVERS
Elke von Sivers studierte Modedesign an der Kunsthochschule Berlin Weißensee. Seit 1999 ist sie als freie Kostümbildnerin für Film und Theater tätig. Eine enge Zusammenarbeit verbindet sie mit dem Regisseur Mirko Borscht u. a. am Schauspiel Hannover,
am Theater Bremen und am Maxim Gorki Theater in Berlin sowie für seinen Film «Kombat Sechzehn» ( 2005 ), am LT zuletzt bei der Produktion «Cybercity». Weitere Kostümbilder entstanden für Kinoproduktionen wie «Torpedo» (Regie: Helene Hegemann), «Feuchtgebiete» und «Er ist wieder da» (jeweils Regie: David Wnendt) u. a..
MACHT SOMMER-FESTIVAL 16. August – 15. September 2019
Info: lucernefestival.ch
. 12. – 15ber: Septeom zar t/
M lus te-Zyk n o P a r D odo mit Te ntzis Curre
Hauptsponsoren
Impressum TEXTNACHWEISE
BILDNACHWEISE
IMPRESSUM
Alle Texte sind Originalbeiträge für dieses Heft. Die Handlung verfasste Talisa Walser. Das Interview führte Johanna Wall. Der Text «Im Krieg und in der Liebe» stammt von Johanna Wall.
Seite 6/7: Seite 12/13: Umschlag aussen:
Herausgeber: Luzerner Theater Theaterstrasse 2, 6003 Luzern www.luzernertheater.ch
Vuyani Mlinde, Diana Schnürpel, Robert Maszl, Jason Cox, Chor des LT Vuyani Mlinde, Christian Joel, Herrenchor des LT Marina Viotti
Ingo Höhn fotografierte die Klavierhauptprobe am 3. April 2019.
Spielzeit 18/19 Intendant: Benedikt von Peter Verwaltungsdirektor: Adrian Balmer Operndirektorin: Johanna Wall Redaktion: Johanna Wall, Talisa Walser Gestaltung: Studio Feixen Druck: Engelberger Druck AG Diese Drucksache ist nachhaltig und klimaneutral produziert nach den Richtlinien von FSC und Climate-Partner.
TECHNISCHER STAB
Technischer Direktor: Peter Klemm, Technischer Leiter: Julius Hahn, Produktionsleiter: Roland Glück, Produktionsassistentin: Marielle Studer, Bühnenmeisterin: Riki Jerjen, Chefrequisiteurin: Melanie Dahmer, Requisiten: Simone Fröbel (Stv. Chefrequisiteurin), Nicole Küttel, Leiter Beleuchtungsabteilung und Beleuchtungsmeister: David Hedinger-Wohnlich, Beleuchtungsmeister: Clemens Gorzella, Leiterin Ton- und Videoabteilung: Rebecca Stofer, Leiter Probenbühnen: Thomas Künzel, Transporte: Ido van Oostveen, Hamzi Gashi, Chefmaskenbildnerin: Lena Mandler, Leiterin Kostümabteilung: Ulrike Scheiderer, Gewandmeisterin Damen: Hanni Rütimann, Gewandmeisterin Herren: Andrea Pillen, Kostümmalerin: Camilla Villforth, Leiterin Ankleidedienst: Monika Malagoli, Fundusverwalterin: Rhea Willimann, Werkstättenleiter: Marco Brehme, Leiterin Malsaal: Brigitte Schlunegger, Schlosser: Nicola Mazza, Leiter Schreinerei: Tobias Papst, Tapeziererin: Fernanda von Segesser, Leiter Statisterie: Sergio Arfini
Danke unserem Hauptsponsor