DIE TRAGÖDIE VON ROMEO UND JULIA
CAPULET Adrian Furrer
Von William Shakespeare
LADY CAPULET Wiebke Kayser
STATISTERIE DES LUZERNER THEATER Gerard Bürgisser, Salvator Lleshi, Caroline Reich, Chantal Rieger, Peter Schmitt, Marlene Schürch
GRAF PARIS Samuel Braun
INSZENIERUNG Nina Mattenklotz
JULIA Sofia Elena Borsani
BÜHNE Johanna Pfau
ROMEO Jakob Leo Stark
KOSTÜME Lena Hiebel
TYBALT Matthias Kurmann
MUSIKALISCHE LEITUNG Carsten Meyer
MERCUTIO Lukas Darnstädt
LICHT David Hedinger
BENVOLIO Alina Vimbai Strähler
DRAMATURGIE Regula Schröter, Friederike Schubert
Aus dem Englischen von Frank-Patrick Steckel Premiere: 26. Januar 2017 Dauer: ca. 3 Stunden, eine Pause Für Menschen ab 14 Jahren Aufführungsrechte: Verlag der Autoren, Frankfurt am Main Herzlichen Dank an den Luzerner Autor und Journalisten Erwin Koch, der uns als Impulsgeber aus seinem Buch, «Was das Leben mit der Liebe macht» gelesen und mit uns darüber diskutiert hat, wie schwierig es ist, Liebe zu definieren.
AMME Stefanie Rösner LORENZO Yves Wüthrich LIVE-MUSIK Jon Hood ( Joan Seiler, Mario Hänni, Martin Schenker)
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Romeo und Julia
REGIEASSISTENZ UND ABENDSPIELLEITUNG Oliver Lau INSPIZIENZ Yasmine Erni-Lardrot BÜHNENBILDASSISTENZ Debbie Sledsens KOSTÜMASSISTENZ Moana Lehmann REGIEHOSPITANZ Meret Feigenwinter
TECHNISCHER STAB Technischer Direktor: Peter Klemm, Produktionsassistent: Julius Hahn, Assistent der techn. Direktion: Michael Minder, Produktionsleiter: Roland Glück, Bühnenmeister: Markus Bisang, Chefrequisiteurin: Melanie Dahmer, Requisite: Nicole Küttel, Olivier Villforth, Leiter der Beleuchtungsabteilung: David Hedinger, Leiter der Tonabteilung: Jürgen Kindermann, Ton: Thomy Lötscher, Leiter Probenbühnen: Thomas Künzel, Transporte: Ido van Oostveen, Hamzi Geshi, Chefmaskenbildnerin: Lena Mandler, Leiterin Kostümabteilung: Angelika Laubmeier, Gewandmeisterin Damen: Ulrike Scheiderer, Gewandmeisterin Herren: Andrea Pillen, Kostümmalerin: Camilla Villforth, Leiterin Ankleidedienst: Monika Malagoli, Fundusverwalterin: Rhea Willimann, Werkstättenleiter: Ingo Höhn, Leiterin Maalersaal: Brigitte Schlunegger, Schlosser: Nicola Mazza, Leiter Schreinerei: Tobias Pabst, Tapezierer: Alfred Thoma, Leiter Statisterie: Sergio Arfini
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Zum Stück
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MONTAGUE
Hinüber über Mauern trugen mich / Der Liebe leichte Schwingen, denn kein Stein / Sperrt Liebe aus, und das, was Liebe tun kann / Will Liebe stets auch wagen;
CAPULET
Zwei Adelshäuser, gleichauf herrscherlich / In Verona, das hier sich erhebt / Verstricken neu in alte Zwietracht sich / Die Bürgerblut an Bürgerhände klebt / Aus schlimmem Schoss entspringt den beiden Streitern / Ein Liebespaar, dem seine Sterne feind / Das nach unselig klagenswertem Scheitern / Nur durch sein Sterben sich die Eltern eint.
Romeo II, 3
If Love Is The Answer, 7 You’re Home Dramaturgin Friederike Schubert und Regisseurin Nina Mattenklotz im Gespräch
FS – Shakespeares «Romeo und Julia», die tragische Geschichte zweier Liebender, die den verfeindeten Familien Capulet und Montague angehören, zählt seit Jahrzehnten zu den meistgespielten Stücken im deutschsprachigen Raum. Warum wolltest du das Stück inszenieren?
NM – Ich trage seit einigen Jahren den Stoff mit mir herum. Regula Schröter bat mich, bei den Vorsprechen für das neue Ensemble dabei zu sein, um mit den Kandidaten zu arbeiten. So hatte ich Darsteller für Romeo und Julia vor Augen, als ich mich für das Stück entschied. Aber wesentlicher ist, dass mich Shakespeares Menschenbild beeindruckt. Alle seine Figuren haben einen reichen Horizont an Sehnsüchten, Begierden und Abgründen. Diese finden nicht nur in ihren Köpfen statt, sondern werden ausgelebt. Seine Protagonisten entwickeln sich, weil sie sich immer wieder neu begreifen. Er intellektualisiert nicht, ist aber wahnsinnig klug und liebevoll zugleich.
FS – Warum grade jetzt?
NM – Für mich ist es ein Stück der
Stunde. Romeo und Julia leben in einer rauen Umgebung, in der die Menschlichkeit verloren gegangen ist, in einer kalten, kriegerischen Welt. Seit Jahrzehnten tobt die Fehde zwischen den zwei Familien. Es geht nur ums Gewinnen, um Machterhaltung und sinnentleerte Vergeltung. Der Grund, warum die Familien verfeindet sind, ist vergessen. Auch wir leben global gesehen in einer beängstigenden Zeit. In einer Zeit, in der es eine internationale Jugendbewegung gibt, die IS heisst. In einer Zeit, in der der Präsident der USA offenkundig ein Rassist, Fanatiker und Chauvinist ist. In einer Zeit von Flüchtlingsströmen, von Hyperkapitalismus und Hassreden. Wir haben uns gemeinsam mit dem Ensemble die Frage gestellt, was passiert in so einer dunklen Welt, wenn dort Liebe entsteht? Kann sie überhaupt Platz haben? Und dies vor dem Hintergrund einer ganz einfachen Aussage, die mir wichtig ist: Jeder Mensch ist kostbar.
FS – Was kann Liebe bewirken?
NM – Romeo sehnt sich von Beginn an nach Liebe, ist verliebt in die Liebe. Doch sein Weg als Kämpfer ist vorbestimmt. Julia hingegen ist
8 in einem Umfeld emotionaler Kälte eingesperrt, auch ihr Weg ist determiniert: Sie soll verheiratet werden. Ab dem Momement in dem sie sich begegnen, können sie sich aus ihren Bestimmungen befreien. Sie reifen zu Persönlichkeiten, die für ihre Liebe einstehen. Ich lese die Liebe von Romeo und Julia als einen Gegenentwurf zu der Welt, in der sie stattfindet.
FS – Also ist die Liebe die Lösung für alles?
NM – Romeo will der Liebende sein und verneint das Duell mit Tybalt. Doch Tybalts Mord an Mercutio verändert alles. Romeo entgeht seiner Prägung nicht und wird ebenfalls zum Mörder, worauf er verbannt wird. Julia wird von ihrem Vater an Graf Paris «verkauft» und soll seine Frau werden. Sie darf nicht über sich, ihr Leben und ihren Körper entscheiden. Indem sie mit Hilfe Pater Lorenzos ihren eigenen Tod vortäuscht, entgeht sie der Hochzeit. In der Familiengruft treffen Romeo, der Täter, und Julia, die vermeintlich Tote, wieder aufeinander. Ich glaube nicht daran, dass eine Zweierbeziehung oder ich als Einzelmensch mit meinem Glauben an die Liebe diese rohe Welt verändern kann. Es bräuchte politisch radikale
Veränderungen, damit Menschenwürde und Liebe die wichtigsten Koordinaten in unserem System werden könnten. Ich glaube aber, dass Liebe letztlich ein dem Menschen übergeordneter Sehnsuchtsort ist. Wir müssen uns vor Augen halten, dass auch wir kurz davor sind, die Momente von Liebe, Leichtigkeit und Miteinander zu verlieren. Wir wollen Geschichten erzählen, die uns die Tragweite dieses drohenden Verlusts klar machen. Der Glaube der beiden an die Liebe geht nicht verloren. Ihr Selbstmord ist viel mehr die Erkenntnis, dass ihre Liebe in dieser Welt nicht stattfinden kann und der Versuch, ihre Liebe in dieser Welt nicht schuldig werden zu lassen.
FS – Du sprichst von Selbstmord.
NM – Romeo und Julias Tod ist kein Versehen. Es ist wichtig, sich am Ende die Frage zu stellen: Was passiert jetzt mit ihnen? Was passiert mit dem grossen Entwurf der Liebe? Dafür ist es mir wichtig, dass der Tod eine gemeinsame Entscheidung ist.
FS – Die Inszenierung zeigt eine Welt voller Gegensätze. Liebe steht Hass gegenüber, Leidenschaft Vernunft, Sehnsucht staatlicher Ordnung. NM – Romeo und Julias radikale Antwort auf die Fesseln der gesell-
9 schaftlichen Realität lautet: Sie wollen einen eigenen Weg gehen, nicht die Konflikte ihrer Elterngeneration austragen und ihrer Leidenschaft folgen. Auch, wenn diese sie in den Tod führt. Viele Szenen sind in ihrer Traurigkeit dennoch schön. Die Band Jon Hood verhilft diesen krassen Gegensätzen zur Realität. Joan Seiler, Mario Hänni und Martin Schenker gelingt es mit ihrer Musik Liebe und Tod zu vereinen.
FS – Das bühnengestaltende Element ist ein Kettenkarussell. Ein Artefakt aus einer glücklicheren Zeit? NM – Das Karussell ist kaputt. Es ist zerstört worden. Und trotzdem, der Anblick lässt einen innerlich jubeln und an Schwerelosigkeit und Höhenflüge denken. Wie dunkel und brutal die Welt auch sein mag, es gibt dieses einfache und nicht zu erstickenden Gefühl der Liebe und die Sehnsucht nach Leichtigkeit in uns allen. Wenn Liebe aufkeimt, überstrahlt sie eigene und fremde emotionale Trümmerfelder.
FS – Alle Figuren, egal ob Liebende, Mörder, Vergewaltiger, Amme oder Geistlicher singen gemeinsam «If love is the answer, your home». NM – Jede Figur hat Sehnsüchte. Nicht alle wollen oder können dem System entfliehen. Wenn das so
wäre, gäbe es keine Tragödie. Ich finde nicht alle Figuren sympathisch und doch hat jede ihre Berechtigung zu sein. In der Szene, die du ansprichst, haben wir als Zuschauer die Möglichkeit, für einen Moment alle auf uns wirken zu lassen. Da steckt das Potenzial der Geschichten, die unerzählt bleiben.
Plädoyer – Für die unglückliche Liebe
Die Welt ist aus den Fugen
Warum trennt man sich, obwohl man sich liebt? Die Antwort ist einfach: Aus Angst vor dem Tod. Denn Liebe ist Sehnsucht «ins Ungebundene». Ihre Erfüllung ist tödlich; entweder für die Liebe oder für die Liebenden. Angenommen, das trifft zu, warum verabschiedet man sich dann aber auch, wenn man sich nicht liebt? Weil auch das Zusammensein ohne Liebe tödlich ist. Das weiss man doch: Leben ohne Liebe ist kein Leben. Was bleibt, ist die nicht erwiderte oder die unglückliche Liebe. Sie hält uns am Leben und das ist das einzige Glück, das wir haben können. Und zwar alle: Niemand ist zu hässlich, niemand ist zu schön, niemand ist zu jung und niemand ist zu alt.
Täglich erreichen uns Nachrichten von Folter und Mord. Die Barbarei vermeintlich überwundener archaischer Zeiten hat uns eingeholt. Rund um die Uhr können wir auf Propaganda- und Abschreckungs-Videos des Islamischen Staats die scheusslichsten Gewaltexzesse ansehen. Wir sind nur einen Mausklick von der Hölle entfernt. Die Errungenschaften von Humanismus und Aufklärung sind ein dünner Firnis. Sicher sind wir nirgends mehr. Weil Shakespeare ein universaler Geist von hellem Verstand und sinnlicher Sprachkraft war, weil Energie, Humor und Melancholie in ihm zu einer einzigartigen Kernfusion zusammenschossen, ist er nicht nur der genaueste Seismograf seiner Zeit und grösste Dramatiker der Literaturgeschichte geblieben, sondern bietet auch Erklärungen für unsere Zeit. In seinen Stücken hat er Figuren geschaffen und Verhaltensmuster geschildert, die uns in unserer Gegenwart auf Schritt und Tritt begegnen. Der eiskalte Zynismus Wladimir Putins, das dumm-dreiste «Frechheit siegt»-Gehabe Donald Trumps, der schamlose Opportunismus Boris Johnsons, die hektische Tatenlosigkeit François Hollandes – das alles ist in seinen Dramen vorgebildet. Dass Shakespeare so sensibel für menschliche und politische Abgründe war, mag damit zusammenhängen, dass er in einer Zeit des Umbruchs lebte. Die mittelalterlichen Hierarchien wurden im elisabethanischen England durch den Aufstieg des niederen Adels erschüttert. Bei ihm jedoch sind die Schurken intelligent, und die Feinde begegnen sich auf Augenhöhe. Sie streiten nicht nur mit Waffen, sondern auch mit Worten. Das mag uns im Zeitalter der Fernlenkwaffen und Selbstmordattentate antiquiert vorkommen. Gleichwohl hat Shakespeare die Fragen gestellt, die auch uns beschäftigen: Wodurch sind Regierungen legitimiert? Wann dürfen, ja müssen sie geschützt werden? Hier hat der Dichter ein ganz klares Wertesystem: Die Vernunft muss die niederen Instinkte, die ebenfalls zum Menschen gehören, in Schach halten. Wenn ein Herrscher Unheil anrichtet, weil ihm das nicht gelingt, dann hat er seine Legitimation verspielt und muss weg. So umfassend Shakespeare die menschliche Natur gedeutet hat – in einem Punkt scheint er seiner Zeit nicht ganz gerecht zu werden. Seine Schurken brechen Gesetze, aber sie haben einen Begriff von ihnen. Das ist beim globalen Terrorismus, der uns heute bedroht nicht mehr der Fall. Manfred Papst
Carl Hegemann
O, sprich mir nicht von Furcht. / Die Liebe stärkt mich, wies nur Liebe kann.
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Julia IV, 1
IMPRESSUM Herausgeber: Luzerner Theater Intendant: Benedikt von Peter Verwaltungsdirektor: Adrian Balmer Redaktion: Regula Schröter, Friederike Schubert Probenfotos von der 1. Hauptprobe: Ingo Höhn Gestaltung: Studio Feixen Druck: Engelberger Druck AG Diese Drucksache ist nachhaltig und klimaneutral produziert nach den Richtlinien von FSC und Climate-Partner.
TEXTNACHWEISE BILDNACHWEISE Seite 6: Matthias Kurmann, Yves Wüthrich Seite 10: Sofia Elena Borsani, Jakob Leo Stark Rückseite: Samuel Braun, Sofia Elena Borsani
«Plädoyer für die unglückliche Liebe» aus: Hegemann, C.: «Konkursbuch 6: Erotik», Tübingen 1980, S. 55–58 «Die Welt ist aus den Fugen. Das wusste schon Shakespeare.» Manfred Papst, NZZ am Sonntag, 28. Februar 2016
Wo Luzern am schönsten isst.
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