5 minute read

Lokalredaktion im Gespräch: Von den Anfängen zum Digitalen 10, 12

„Es sind oft die kleinen, leisen Geschichten, die den Lokaljournalismus

Die REDAKTIONS-MANNSCHAFT DER DAZ spricht im dritten Teil des großen Interviews über die veränderte Welt der

Der digitale Wandel ist keiner, bei dem die Lokalredaktion der Döbelner Allgemeinen Zeitung eine Wahl hat. Nicht nur, dass das eigene Blatt heute mit großer Lust auch online befüllt wird. Social-Media-Kanäle wie Facebook geben mitunter schon bei der Entscheidung, welche Themen die Redaktion anpacken möchte, den Takt vor. Im dritten Teil des großen Redaktionsgesprächs berichten Olaf Büchel, Manuela Engelmann-Bunk, Steffi Robak, Stephanie Helm, Thomas Sparrer und Simon Ecker über neue Wege, die lokale Informationen gehen, den Spaß und den Frust mit Facebook und guten Argumenten, warum es Lokaljournalisten geben muss.

Muss man als Redakteur heute im digitalen Wandel noch andere Dinge beachten als die reine journalistische Lehre, wie sie in der Zeit vor den Online-Kanälen zählte? Manuela Engelmann-Bunk: Ja. In Zeiten digitaler Angebote müssen wir noch schneller sein als andere Anbieter. Oder ein Thema anders, besser aufbereiten. Immer möglichst spannend, immer mit dem Anspruch, die Neugier des Lesers zu wecken, der vielleicht nur zufällig im Netz über unsere Schlagzeile stolpert. Überschriften und die ersten Zeilen eines Beitrags für den Online-Auftritt müssen deshalb anders gestaltet werden als die für die Print-Ausgabe. Wer unsere Beiträge auf Papier liest, hat sich bereits für den Kauf entschieden. Online ist es anders: Hier steht jeder Beitrag für sich allein und muss im Überangebot an Nachrichten und Informationen jedweder Art einen so großen Leseanreiz bieten, dass der Nutzer bereit ist, über die Schlagzeile hinaus zu lesen.

Thomas Sparrer: Der Wandel in die digitale Welt sorgt bei mir manchmal für etwas Verzweiflung. Vor allem Kommentare unter unseren Beiträgen bei Facebook lassen mir manchmal die Haare zu Berge stehen. Manche Menschen vergessen, wenn sie aus ihren eigenen vier Wänden ihre Postings verfassen, dass sie bei Facebook eine große Öffentlichkeit erreichen. Da werden unter Gerichtsberichten die Namen der Täter und der Opfer preisgegeben, ohne Rücksicht darauf, was das für Folgen haben kann. Bei Unfällen wird aus der Ferne darüber gefachsimpelt, wer Schuld hatte. Da muss man manchmal eingreifen und die Kommentatoren vor sich selbst schützen.

Thomas Sparrer: Durchaus. Man merkt es vor allem bei Blaulicht-Einsätzen, dass viele Menschen unbedingt wissen wollen, warum jetzt gerade die Feuerwehr mit Blaulicht durch die Stadt rollt. Natürlich möchten Lokalredakteure das dann herausfinden und mit gebotener Sachlichkeit über den Unfall, den Brand oder den sonstigen Einsatz berichten.

Simon Ecker: Definitiv. Durch die Sozialen Medien verbreiten sich Themen heutzutage nicht nur innerhalb von Sekunden, auch die Menge an Informationen hat sich exponentiell gesteigert. Wer da nicht umgehend reagiert, dem kann es passieren, dass Themen am nächsten Tag schon wieder kalter Kaffee sind oder die Konkurrenz schneller war. Bei allem Druck, Geschichten als Erstes zu veröffentlichen, muss jedoch weiterhin der journalistische Grundsatz gelten: „Be first, but first be right!“ – sei der Erste, aber versichere dich erst, dass die Geschichte auch stimmt.

Sind Lokalredakteure heute durch die sozialen Medien mehr unter Druck, Themen schnell anpacken zu müssen?

Olaf Büchel: Unter Druck sollte sich die Redaktion eigentlich nicht setzen lassen. Aber ja, die Ansprüche und Anforderung sind auch durch die sozialen Medien gewachsen. Wenn zum Beispiel viele Nutzer von Facebook und Co. über ein bestimmtes Problem in Döbeln auf den Kanälen berichten, dann kann das die DAZ nicht kalt lassen. Unsere Aufgabe besteht aber nicht nur darin, etwas mitzuteilen oder zu kritisieren, wie es häufig in den sozialen Medien passiert. An dieser Stelle beginnt erst die redaktionelle Arbeit: recherchieren, hinterfragen, überprüfen, beurteilen der Relevanz und im besten Fall zu einer Lösung des Problems beitragen. Es gilt: Sorgfalt vor Schnelligkeit. Aber natürlich tragen auch die sozialen Medien dazu bei, den journalistischen Arbeitsalltag schnelllebiger zu machen. Steffi Robak: Es wirkt sich auf nicht aus. Bösartig oder fahrlässig es immer gegeben und es wird reicht vom gedankenlos weitergetragenen hin zur gezielt verbreiteten mation und übler Nachrede. gern unterhalten lassen mit daran ändert sich nichts – wird sein. Journalistisch arbeitende schon immer konfrontiert. Die Teil auch darin, sich davon nicht ziehungsweise sich mit einer von abzugrenzen.

Wir leben heute in Zeiten von Fak manche mit einem Nachrichtenk

aljournalismus liebenswert machen“

der regionalen Berichterstattung

ake News im Internet, dubiosen „Nachrichtenseiten“ und dem Netzwerk Facebook, das enkanal verwechseln. Wie wirkt sich all dies auf den Redakteursalltag aus? sich auf den Redakteursalltag gar fahrlässig gestreutes Gerede hat es wird es immer geben. Das weitergetragenen Gerücht bis verbreiteten manipulativen Falschinfor-

Nachrede. Solange sich Menschen mit Storys über andere – und – wird Derartiges im Umlauf arbeitende Menschen waren damit Die Aufgabe besteht zu einem davon nicht einfangen zulassen beeiner gewissen Gelassenheit daStephanie Helm: Es ist ein ständiges Ringen um Vertrauen. Manchmal gleicht es einem Kampf gegen Windmühlen. Es ist gerade dann umso wichtiger, beständig zu sein. Ich glaube fest daran, dass die Menschen in der Region wissen, dass sie sich auf uns verlassen können. Dass diese Artikel, die wir veröffentlichen, immer hinterfragen und nie nur eine Seite der Medaille darstellen. Das ist nicht immer einfach, aber unbedingt notwendig.

DAS (FAST) KOMPLETTE TEAM der Döbelner Allgemeinen Zeitung, von SachsenSonntag und der Ticketgalerie am Obermarkt 8 (von links): Dirk Wurzel, Simon Ecker, Katrin Wittig, Thomas Sparrer, Steffi Robak, Manuela Engelmann-Bunk, Grit Wachsmuth-Schmidt, Olaf Büchel, Ulf Baensch und Annett Hamann. Nicht mit im Bild sind Stephanie Helm und DAZ-Fotograf Sven Bartsch, der diese Aufnahme gemacht hat. Foto: Sven Bartsch

Ich wünsche mir das klare Verständnis dafür, dass Lokaljournalismus online nicht nebenbei entsteht und darum nicht unentgeltlich sein kann.

Was wünschen Sie sich von Ihren Leserinnen und Lesern im Umgang mit Ihrer Zeitung? Olaf Büchel: Zunächst, dass sie uns die Treue halten, dass sie weiterhin erkennen und anerkennen, wie viel Arbeit, Recherche, Sorgfalt hinter den meisten Beiträgen steckt – und dass das auch in der Online-Berichterstattung seinen Preis hat. Natürlich gehören sachliche Kritik und Hinweise dazu, wie wir noch besser sein können, und selbstverständlich Tipps und Anregungen, was die Leserinnen und Leser gern in ihrer DAZ lesen wollen. Vor diesem Hintergrund hat unsere LVZ-Chefredakteurin Hannah Suppa das Format der Leser-Stammtische wiederbelebt. Die gibt es künftig in regelmäßigen Abständen und zu bestimmten Themen, damit die DAZ weiterhin dicht dran ist an ihren Lesern.

Stephanie Helm: Wir als Reporter sind darauf angewiesen, dass die Menschen in der Region Lust darauf haben, uns ihre Geschichten zu erzählen. Dabei sind es oft die kleinen, leisen Geschichten, die auf den ersten Blick weniger wichtig erscheinen. Gerade sie machen den Lokaljournalismus so liebenswert. Dafür sind wir hier.

Thomas Sparrer: Ich wünsche mir besonders von unseren Online-Lesern das klare Verständnis dafür, dass Beiträge zu recherchieren, zu bebildern und zu schreiben, keine Arbeit ist, die mal irgendjemand nebenbei und unentgeltlich ausführt. Die Aufregung mancher Nutzer darüber, dass unsere Beiträge im Internet nicht komplett umsonst lesbar sind, ärgert mich dann immer wieder. Ebenso würde ich mir in der Online-Welt wünschen, dass Beiträge nur diejenigen kommentieren, die sie auch gelesen haben. Denn wie kann man sich zu etwas eine Meinung bilden, wenn man nur die Überschrift gelesen hat, die Fakten also gar nicht kennt.

This article is from: