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Lokalredaktion im Gespräch

„Mit Vertrauen zu den Menschen blicken wir auch unter die Oberfläche“

Die REDAKTIONS-MANNSCHAFT DER OAZ berichtet im großen Interview über alte Techniken, neue Informationskanäle

Die Redaktions-Mannschaft der Oschatzer Allgemeinen Zeitung ist so bunt gemischt wie die Themen in der Redaktion. Manch einer hat die OAZ schon vor 30 Jahren erlebt und damit auch den ersten digitalen Wandel von der Schreibmaschine hin zum Computer. Heute müssen sich Nico Fliegner, Hagen Rösner, Jana Brechlin, Kristin Engel, Frank Hörügel, Christian Kunze und Axel Kaminski in vielen digitalen Kanälen behaupten – aber sie betonen im großen OAZ-Interview, dass es der persönliche Kontakt zu den Menschen in der Region Oschatz ist, der den Lokaljournalismus so wertvoll macht.

Wer es noch mitgemacht hat: Unterscheidet sich eigentlich das Schreiben von Lokalgeschichten auf einer Schreibmaschine von dem am Computer? Frank Hörügel: Aus heutiger Sicht mutet mein Start in den journalistischen Berufsalltag am 1. August 1990 wie ein Ausflug in die – technische – Steinzeit an. Es gab nicht einen einzigen Computer in der Redaktion, stattdessen regierten die Schreibmaschinen. Jeder Tippfehler musste umständlich ausgemerzt werden. Auf dem Seitenspiegel (eine große Seite weißen Papiers) wurde mit einem lineal-ähnlichen Gerät vorher ausgemessen, wie lang der Beitrag sein musste. War die Geschichte getippt, wurde es noch verrückter. Eine Sekretärin gab den Text in eine riesige Maschine ein. Dieses Monstrum verwandelte die Buchstaben und Satzzeichen in Löcher in einem Papierband. Das Band wurde dann zum Oschatzer Bahnhof gefahren, erreichte per Zug Leipzig und wurde vom Hauptbahnhof in die Druckerei gebracht. Im September 1990 setzten wir dann zum Sprung ins neue Zeitalter an. Mit dem Auto holten eine Sekretärin und ich nagelneue Apple-Computer im Leipziger Haupthaus ab. Zum Glück konnten wir die wertvolle Fracht unfallfrei und damit unversehrt nach Oschatz bringen. Nach einer kurzen und intensiven Schulung beherrschten die Redakteure die Geräte schon bald, konnten jetzt selbst die Seiten mit Fotos und Textbeiträgen gestalten. Tippfehler wurden mit einem einfachen Klick auf die Taste zum Löschen ausgemerzt. Da es aber noch keine ordentlichen Datenleitungen gab, blieb das Prozedere weiter umständlich. Es gab jedoch einen entscheidenden Unterschied zu der Zeit vorher: Jetzt wurden Disketten mit den abgespeicherten Zeitungsseiten aus Oschatz per Zug nach Leipzig befördert. Die Lochbänder hatten ausgedient.

Bei einem Dorffest muss man als Redakteur dabei sein. Schließlich haben die Organisatoren viel Mühe in die Vorbereitung gesteckt.

Kristin Engel

Sind Lokalredakteure heute durch die sozialen Medien mehr unter Druck, beispielsweise Themen schnell anpacken zu müssen? Hagen Rösner: Der Informationsfluss hat sich in den vergangenen Jahren durch die sozialen Medien stark verändert. Früher bekamen wird beispielsweise Veranstaltungsankündigungen und Informationen per Brief, als Zettel über unseren Hausbriefkasten oder als Fax. Heute schauen wir in den sozialen Netzwerken, was die Vereine veröffentlichen. Die OAZ konkurriert als Digitalmedium mit den sozialen Netzwerken. Polizei-Meldungen oder Unfallmeldungen verbreiten sich im Internet unheimlich schnell. Da müssen wir auch schnell und korrekt sein. Insofern sorgen die sozialen Medien schon für einen gewissen Druck.

DAS REDAKTIONSTEAM DER OSCHATZER ALLGEMEINEN ZEITUNG: Frank Hörügel, Hagen Rösner, Christian Kunze, Jana Brechlin, Axel Kaminski, Nico Fliegner und Kristin Engel (von links) blicken auf 30 Jahre zurück und auf die digitale

Zukunft. Foto: OAZ

Bei Social Media wie Facebook muss man schnell und korrekt sein. Und das sind wir auch!

Hagen Rösner

Wie sah ein typischer Redakteurstag für Sie vor zehn oder 15 Jahren aus, und wie hat sich das zu heute geändert? Jana Brechlin: Vor zehn, 15 Jahren gab es in unserem Arbeitsalltag eine deutlich striktere Trennung der Disziplinen, so nach dem Motto: Ich bin Redakteurin, also schreibe ich. Konkret hieß das, dass ich zu einem Termin meist mit einem Fotografen unterwegs war, der sich dann um das Bildmaterial gekümmert hat. Das ist heute nur noch selten so, jetzt kommen Texte und Fotos meist aus einer Hand. Junge Kolleginnen und Kollegen kennen das nicht anders und sind von Anfang an mit großer Selbstverständlichkeit schreibend, fotografierend und filmend unterwegs. Doch auch in der Kommunikation mit den Leserinnen und Lesern hat sich die Arbeit gewandelt: Früher liefen die meisten Absprachen übers Telefon und oft trudelten auch Faxe ein. Heute schreiben viele schnell eine Mail oder tippen eine WhatsApp-Nachricht. Dennoch: Auf das direkte Gespräch möchte ich nicht verzichten. Oft ist es hilfreich, wenn sich Fragen schnell am Telefon klären lassen, aber der Termin vor Ort ist – besonders, wenn man sich erst einmal kennenlernen will – ein Kernpunkt meiner Arbeit. Ist es überflüssig geworden, in der Stadt und den Dörfern Kristin Engel: Auf dem Land flüssig, dass Redakteure vor Gegenteil. Schafft man es als persönlich bei einem Dorffest täuschung oft groß. Schließlich viel Mühe in die Vorbereitung Platz in der Lokalpresse verdient. Gesprächspartner den persönlichen dass man das Interview gerne möchte, hört man am anderen enttäuschtes Seufzen. Natürlich einfacher, seine Fragen schnell am Telefon zu klären und besonders Behörden ist das für alle Beteiligten Variante. Doch bei den menschlichen das etwas ganz anderes, bei ben und was diese Menschen Wenn man die Bürger dann den besucht, bekommt man einen Einblick von dem, was Tasse Kaffee und ein paar Keksen die Stimmung heiter und das erfährt man nicht nur die Informationen che, sondern auch die Geschichten, Beitrag richtig lesenswert machen.

Oberfläche“

anäle und die tiefen Wurzeln in der Region

den, dass Lokalredakteure vor Ort ern präsent sind? Land ist es definitiv nicht übervor Ort recherchieren. Im es als Lokalredakteur mal nicht Dorffest dabei zu sein, ist die Ent-

Schließlich haben die Organisatoren orbereitung gesteckt. Das hat einen verdient. Zudem schätzen die persönlichen Kontakt. Sagt man, gerne am Telefon besprechen anderen Ende der Leitung oft ein Natürlich ist es für den Redakteur schnell und ohne Umschweife und besonders bei Gesprächen mit Beteiligten die einfachste menschlichen Geschichten ist bei den Berichten über das Le-

Menschen alles geleistet haben. dann in ihren eigenen vier Wänman auch als Redakteurin gleich was man sich dann oft bei einer paar Keksen berichten lässt. So ist und das Vertrauen geweckt. Dann die Informationen auf der OberfläGeschichten, die einen echten lesenswert machen. Hat sich durch die digitalen Kanäle wie Facebook oder Twitter die Recherche für einen Redakteur verändert, bekommt er durch Social Media heute mehr mit als früher? Christian Kunze: Ja, die Informationsflut ist dadurch definitiv noch größer geworden. Wie bei allen Quellen gilt es, die Netzinformationen auf Herz und Nieren zu prüfen. Was wünschen Sie sich von Ihren Leserinnen und Lesern im Dank guter Vernetzung lässt sich das bei rein lokalen InUmgang mit der Zeitung? halten mit wenigen schnellen Nachfragen klären – und soAxel Kaminski: Von denen, für die die Zeitung auf dem mit auch der Verunsicherung bei Leserinnen und Lesern Frühstückstisch, zur Mittagspause oder im Bauwagen zur vorbeugen, die falschen Meldungen auf den Leim geganguten Gewohnheit gehört, kann man sich nur wünschen, gen sind. In den Kommentaren unter den Beiträgen finden dass sie bleiben, wie sie sind: vielfältig interessiert. Und sich zudem breit gefächerte Meinungen und Informatiowählerisch. Das Informationsangebot ist – egal ob in der nen, die helfen, ein Thema mit lokalen Stimmen aufzugreigedruckten Ausgabe oder über die Kanäle im Internet – fen oder „weiter zu drehen“. Allerdings ist in den verganbreit gefächert. Neben den lokalen Neuigkeiten bietet die genen Monaten die Hemmschwelle bei Kritikern nochOAZ ihren Konsumenten einen Überblick über das Wich- mals deutlich gesunken. Anfeindungen, Beleidigungen tigste aus Sachsen, der Innen- und der Außenpolitik, Rat- und Drohungen sind im Netz noch krasser geworden. geber, Sport und Kultur. Kann schon sein, dass man an Auch das bekommt man deutlicher zu spüren. manchen Tag gar nicht die Zeit hat, alles zu lesen, was auf den ersten Blick interessant erscheint, und deshalb auswählen muss. Das bitte ich zu bedenken, wenn man an anderen Tagen mit den Inhalten, die sich mit den persönlichen Interessen decken, schneller fertig ist. Über diese persönlichen Interessen kann man natürlich gern mit uns reden. Es hat noch nie geschadet, im Kontakt zu bleiben, also auch mal zu sagen, schreiben oder mailen, Lot to- u nd Ze it u ngsshopwas man sich von „seiner“ Zeitung wünscht. Eine Einschränkung gibt es dabei allerdings und das soll auch so Sylke Zeller bleiben. Und deshalb informieren Sie sich schließlich mit Bahnhofstr. 22 • 04758 Oschatz • Tel./Fax 03435/623648 der Zeitung: Die OAZ hat zwar kürzlich einen Stammtisch mit Leserinnen und Lesern veranstaltet, aber die Nachrichten, Meldungen und Reportagen kommen auch in ZuHermes-Paketshop kunft nicht direkt von digitalen oder realen Stammtischen, sondern beruhen auf nachprüfbaren Fakten. Im Angebot: Unser super-leckeres Softeis!

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