30 Jahre Oschatzer Allgemeine | Eine Sonderbeilage der Leipziger Volkszeitung | Oschatz 2021

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12 | LOKALREDAKTION IM GESPRÄCH

30 JAHRE OSCHATZER ALLGEMEINE ZEITUNG

„Mit Vertrauen zu den Menschen blicken wir auch unter die Oberfläche“ Die REDAKTIONS-MANNSCHAFT DER OAZ berichtet im großen Interview über alte Techniken, neue Informationskanäle

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ie Redaktions-Mannschaft der Oschatzer Allgemeinen Zeitung ist so bunt gemischt wie die Themen in der Redaktion. Manch einer hat die OAZ schon vor 30 Jahren erlebt und damit auch den ersten digitalen Wandel von der Schreibmaschine hin zum Computer. Heute müssen sich Nico Fliegner, Hagen Rösner, Jana Brechlin, Kristin Engel, Frank Hörügel, Christian Kunze und Axel Kaminski in vielen digitalen Kanälen behaupten – aber sie betonen im großen OAZ-Interview, dass es der persönliche Kontakt zu den Menschen in der Region Oschatz ist, der den Lokaljournalismus so wertvoll macht.

Wer es noch mitgemacht hat: Unterscheidet sich eigentlich das Schreiben von Lokalgeschichten auf einer Schreibmaschine von dem am Computer? Frank Hörügel: Aus heutiger Sicht mutet mein Start in den journalistischen Berufsalltag am 1. August 1990 wie ein Ausflug in die – technische – Steinzeit an. Es gab nicht einen einzigen Computer in der Redaktion, stattdessen regierten die Schreibmaschinen. Jeder Tippfehler musste umständlich ausgemerzt werden. Auf dem Seitenspiegel (eine große Seite weißen Papiers) wurde mit einem lineal-ähnlichen Gerät vorher ausgemessen, wie lang der Beitrag sein musste. War die Geschichte getippt, wurde es noch verrückter. Eine Sekretärin gab den Text in eine riesige Maschine ein. Dieses Monstrum verwandelte die Buchstaben und Satzzeichen in Löcher in einem Papierband. Das Band wurde dann zum Oschatzer Bahnhof gefahren, erreichte per Zug Leipzig und wurde vom Hauptbahnhof in die Druckerei gebracht. Im September 1990 setzten wir dann zum Sprung ins neue Zeitalter an. Mit dem Auto holten eine Sekretärin und ich nagelneue Apple-Computer im Leipziger Haupthaus ab. Zum Glück konnten wir die wertvolle Fracht unfallfrei und damit unversehrt nach Oschatz bringen. Nach einer kurzen und intensiven Schulung beherrschten die Redakteure die Geräte schon bald, konnten jetzt selbst die Seiten mit Fotos und Textbeiträgen gestalten. Tippfehler wurden mit einem einfachen Klick auf die Taste zum Löschen ausgemerzt. Da es aber noch keine ordentlichen Datenleitungen gab, blieb das Prozedere weiter umständlich. Es gab jedoch einen entscheidenden Unterschied zu der Zeit vorher: Jetzt wurden Disketten mit den abgespeicherten Zeitungsseiten aus Oschatz per Zug nach Leipzig befördert. Die Lochbänder hatten ausgedient.

Bei einem Dorffest muss man als Redakteur dabei sein. Schließlich haben die Organisatoren viel Mühe in die Vorbereitung gesteckt. Kristin Engel

Sind Lokalredakteure heute durch die sozialen Medien mehr unter Druck, beispielsweise Themen schnell anpacken zu müssen? Hagen Rösner: Der Informationsfluss hat sich in den vergangenen Jahren durch die sozialen Medien stark verändert. Früher bekamen wird beispielsweise Veranstaltungsankündigungen und Informationen per Brief, als Zettel über unseren Hausbriefkasten oder als Fax. Heute schauen wir in den sozialen Netzwerken, was die Vereine veröffentlichen. Die OAZ konkurriert als Digitalmedium mit den sozialen Netzwerken. Polizei-Meldungen oder Unfallmeldungen verbreiten sich im Internet unheimlich schnell. Da müssen wir auch schnell und korrekt sein. Insofern sorgen die sozialen Medien schon für einen gewissen Druck.

DAS REDAKTIONSTEAM DER OSCHATZER ALLGEMEINEN ZEITUNG: Frank Hörügel, Hagen Rösner, Christian Kunze, Jana Brechlin, Axel Kaminski, Nico Fliegner und Kristin Engel (von links) blicken auf 30 Jahre zurück und auf die digitale Zukunft. Foto: OAZ

„ Bei Social Media wie Facebook muss man schnell und korrekt sein. Und das sind wir auch! Hagen Rösner

Wie sah ein typischer Redakteurstag für Sie vor zehn oder 15 Jahren aus, und wie hat sich das zu heute geändert? Jana Brechlin: Vor zehn, 15 Jahren gab es in unserem Arbeitsalltag eine deutlich striktere Trennung der Disziplinen, so nach dem Motto: Ich bin Redakteurin, also schreibe ich. Konkret hieß das, dass ich zu einem Termin meist mit einem Fotografen unterwegs war, der sich dann um das Bildmaterial gekümmert hat. Das ist heute nur noch selten so, jetzt kommen Texte und Fotos meist aus einer Hand. Junge Kolleginnen und Kollegen kennen das nicht anders und sind von Anfang an mit großer Selbstverständlichkeit schreibend, fotografierend und filmend unterwegs. Doch auch in der Kommunikation mit den Leserinnen und Lesern hat sich die Arbeit gewandelt: Früher liefen die meisten Absprachen übers Telefon und oft trudelten auch Faxe ein. Heute schreiben viele schnell eine Mail oder tippen eine WhatsApp-Nachricht. Dennoch: Auf das direkte Gespräch möchte ich nicht verzichten. Oft ist es hilfreich, wenn sich Fragen schnell am Telefon klären lassen, aber der Termin vor Ort ist – besonders, wenn man sich erst einmal kennenlernen will – ein Kernpunkt meiner Arbeit.

Ist es überflüssig geworden, in der Stadt und den Dörfern Kristin Engel: Auf dem Land flüssig, dass Redakteure vor Gegenteil. Schafft man es als persönlich bei einem Dorffest täuschung oft groß. Schließlich viel Mühe in die Vorbereitung Platz in der Lokalpresse verdient. Gesprächspartner den persönlichen dass man das Interview gerne möchte, hört man am anderen enttäuschtes Seufzen. Natürlich einfacher, seine Fragen schnell am Telefon zu klären und besonders Behörden ist das für alle Beteiligten Variante. Doch bei den menschlichen das etwas ganz anderes, bei ben und was diese Menschen Wenn man die Bürger dann den besucht, bekommt man einen Einblick von dem, was Tasse Kaffee und ein paar Keksen die Stimmung heiter und das erfährt man nicht nur die Informationen che, sondern auch die Geschichten, Beitrag richtig lesenswert machen.


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