Vorarlberger Sparkassen - UPDATE 01/2013

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Eine neue Bürgerlichkeit formiert sich. Leistungsbereitschaft, Eigenverantwortung, Freiheit, Selbstverwirklichung und Toleranz sind ihre Kernwerte. Seite 1 und 2

Caritas-Seelsorger Elmar Simma im Interview über jene Werte, die heute zählen und warum die Liebe ihr Fundament ist. Seite 3

Österreichische Post AG Info.Mail Entgelt bezahlt

UPDATE 1/2013

Immer mehr Männer kümmern sich um den Nachwuchs. Frauen sind beruflich selbstbewusster geworden. Freiheit und Selbstverwirklichung stehen hoch im Kurs.

WERTE IM WANDEL

EDITORIAL

Der Mensch erinnert sich immer stärker an seine Einheit mit der Natur

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser!

Die Welt ist im Wandel. Und mit ihr der gesellschaftliche Konsens über jene Werte, die sich der Mensch in diesem Kulturkreis als Grundgerüst für ein harmonisches Zusammenleben gezimmert hat. Eine von Rationalität und Wissenschaftlichkeit, von traditionellen Moralvorstellungen geprägte Zeit scheint zu Ende zu gehen. Neue Werte treten hervor und müssen gefestigt werden. Als müsse man der guten, gesitteten Gesellschaft in all ihrer Wohlhabenheit die Maske ständig vom Gesicht reißen und die darunter liegende Fratze immer wieder aufs Neue zur Schau stellen, entschließen sich daher immer mehr so genannte Meinungsbildner dazu, dem traditionellen bürgerlichen Lager und mit ihm den klassischen bürgerlichen Werten – oder zumindest dem, was sie dafür halten – sooft es nur geht eine Breitseite zu verpassen: Das bisherige Bürgertum sei nur noch ein abgekapselter, nadelstreifgekleideter Stand ohne Rückrat, das neue Bürgertum müsse daher schleunigst zu einer für alle Gesellschaftsschichten offenen Gesinnung werden, der Mensch müsse endlich zum selbstbewussten aber nachhaltigen Bürger werden. Zugegeben: Das klassische Bürgertum mitsamt seinen traditionellen Werten ist ein antiquiertes Konstrukt des 19. Jahrhunderts – ein Ausdruck der Emanzipation bürgerlicher Schichten, die Wirtschaft und Gesellschaft trugen und zunehmend politische Rechte bekamen. Damals war das Bürgertum eine Gesellschaftsschicht, die sich durch Besitz, Umgangsformen und selbstverständliche Rechte und Freiheiten vom Nicht-Bürgertum abgrenzte. Heute aber herrschen zunehmend andere Voraussetzungen. Nach der Bildungsoffensive, die einen freien Zugang zur

Bildung mit sich gebracht hat, ist Bildung kein Privileg wohlhabender Schichten mehr. Auch haben sämtliche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger die gleichen Voraussetzungen zur Beteiligung am kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Leben. Und selbst wenn es noch eklatante Unterschiede zwischen Arm und Reich gibt, so hat die große Mehrheit der österreichischen Bevölkerung doch ein ausreichendes Einkommen und kann sich somit einen gewissen Lebensstil leisten. Die damaligen Unterscheidungen zwischen Bürgertum und Nicht-Bürgertum sind heute nahezu verschwunden. Heute scheint alles in einer konturlosen Mitte aufzugehen, sämtliche Parteien tanzen ihren Rechts- oder Linkswalzer nach dieser Grundmelodie. Jeder will Mitte sein. Wer nicht Mitte ist, hält sich für verloren. Linke Mitte, rechte Mitte, aber Mitte in jedem Fall. Von der Linken ist die Mitte oft kritisiert worden, freilich nicht, wenn sie an die Macht wollte. Und den Verlust der Mitte hat niemand so inbrünstig bedauert wie die Konservativen, die Rechte. Soziologisch und kulturell ist die Republik Österreich heute durch die Vorherrnicht einmal mehr als Tarifrunde, sondern maximal noch abstrakt und abgehoben als Auseinandersetzung zwischen Globalisierungsgegnern und Globalisierungsbefürwortern statt. Angesichts dieser buntscheckigen österreichischen Gesellschaft aus Golf spielenden Metzgern, Haus bauenden Fabrikarbeitern, aus Thailand importierten Ehefrauen, Universitätsprofessoren mit Schrebergarten, Firmenchefs mit Biogärtchen und Theologen im Warentermingeschäft möchte man gar zynisch werden: Die Gesellschaft ist nicht nur Mitte, sondern vor allem mittelmäßig. Weiterlesen auf Seite 2 ...

Seit dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 hat die Auseinandersetzung mit Werten stark zugenommen. Der Sparkassengedanke erlebte deshalb in den vergangenen fünf Jahren förmlich eine Renaissance. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts hatten ausschließlich Vermögende Zugang zu Bankgeschäften. Dies sollte sich ändern, als Pfarrer Baptist Weber 1819 die erste Sparkasse in Österreich ins Leben rief. Seine Vision bestand darin, dass „es in dem Bezirke, wo eine Sparkasse besteht, weit weniger Arme geben wird“. Er ebnete dadurch der breiten Bevölkerung den Weg zu ihrer Bank und schuf für diese zu können. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden in Österreich rund 200 Sparkassen gegründet, die ihre Gewinne neben der Eigenkapitalstärkung für gemeinnützige Zwecke in ihrer Region verwendeten. Sie ermöglichten dadurch den Bau von Schulen, Krankenhäusern, Theater und Museen und unterstützten die Gemeinden beim Aufbau ihrer sozialen Infrastruktur. Bis heute ist diese Gemeinnützigkeit den Sparkassen durch ihre Satzung vorgeschrieben. Das Umfeld für Banken hat sich seit 1819 dramatisch verändert. Anders unser Gründungsgedanke: Er bleibt aktueller denn je.

Werner Böhler Vorstandsvorsitzender Dornbirner Sparkasse


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