EINST uNd JETZT BEE SKOW
CULT URC ON medien
Frank Mangelsdorf (Hg.)
EINST uND JETZT BEESKOW
Texte: Dieter Gutsche Fotos: Jörn Tornow, Dieter Gutsche (S. 47) Historische Aufnahmen: Stadtarchiv Beeskow, Stadtverwaltung Beeskow (S. 72), Privatarchiv Krumnow (S. 48), Privatarchiv Keil (S. 52, S. 62)
Dank an die Mitarbeiter der Beeskower Stadtbibliothek und des Stadtarchivs für die Unterstützung bei der Recherche.
ISBN 978-3-941092-76-1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. CULTURCON medien Bernd Oeljeschläger Choriner Straße 1, 10119 Berlin Telefon 030 / 34398440, Telefax 030 / 34398442 Ottostraße 5, 27793 Wildeshausen Telefon 04431 / 9559878, Telefax 04431 / 9559879 www.culturcon.de Redaktion: MOZ-Redaktion GmbH Andreas Oppermann (Projektleitung), Gitta Dietrich (Redaktion) und Lokalredaktion Beeskow Gestaltung: Kathrin Strahl, Berlin Druck: Silber Druck OHG, Niestetal Berlin / Wildeshausen 2011 Alle Rechte vorbehalten.
Einführung
Die Stadt kommt wuchtiger daher, als sie ist. Schon aus der Ferne grüßt Sankt Marien. Die Kirche, Anfang des 16. Jahrhunderts nach mehr als 130-jähriger Bauzeit fertiggestellt, ist etwas gewaltig für die Kleinstadt geraten. Doch das mittelalterliche Beeskow, dessen slawischer Name einst eine von Sumpf umgebene Insel bezeichnete, wollte wohl dem nahen Frankfurt (Oder) und seiner Marienkirche nicht nachstehen. Seither überragt Sankt Marien alles in Beeskow und gibt der Silhouette der Stadt ihr Gesicht. Wieder, muss man sagen. Denn im April 1945 war das einst von Fontane als einer der schönsten Backsteinkirchen der Mark gerühmte Gebäude nach einem Artilleriebeschuss ausgebrannt. Über Jahrzehnte blieb das Gotteshaus eine Ruine, nur das Südschiff konnte von der Kirchengemeinde genutzt werden. Als dann auch das Dach der Sakristei in den 1970er Jahren einzustürzen drohte, begannen beherzte Beeskower noch zu DDR-Zeiten, ihre Kirche zu retten. Vom Staat war keine Hilfe zu erwarten – und so könnten die Geschichten, die sich um die Materialbeschaffung ranken, ganze Bände füllen.
Seit 2002 sind Dach und Turmspitze komplett. Der Innenausbau wird noch eine Weile brauchen. Längst hat man in Beeskow Grund, stolz zu sein. So viel ist im Ort geschehen. Herausgeputzte Häuser säumen den Marktplatz. Die Altstadt erstrahlt in neuem Glanz. Die Stadtmauer ist bis auf die Tore noch zu großen Teilen erhalten. Die Burg auf der Spreeinsel gehörte im 16. Jahrhundert den Bischöfen von Lebus, die sie zum Residenzschloss ausbauten. Heute beherbergt sie das Kultur- und Bildungszentrum des Landkreises Oder-Spree. Dort werden immer wieder Bilder und Skulpturen gezeigt, die in der DDR im Auftrag von staatlichen Institutionen, Parteien und Betrieben entstanden. Diese Auftragskunst wird in Beeskow gesammelt. Und noch eine Besonderheit hat die Stadt aufzuweisen: Seit 1993 hat Beeskow einen Burgschreiber. Die Stelle wird vom Kreis und von der Stadt Beeskow in Zusammenarbeit mit Brandenburgs Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur finanziert. Frank Mangelsdorf Chefredakteur der Märkischen Oderzeitung
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grussworT
Liebe Leserin, lieber Leser, ich lade Sie zu einem Spaziergang durch Vergangenheit und Gegenwart der Stadt Beeskow ein. Vieles ist seit Anfang der 1990er Jahre geschehen. Wahrscheinlich hat die Stadt bis zu diesem Zeitpunkt eine solch umfassende bauliche Entwicklung in ihrer gesamten Stadtgeschichte noch nicht erfahren. Dass dies so gekommen ist, ist sicherlich in erster Linie ein Verdienst derer, die in Stadtverwaltung und Stadtverordnetenversammlung in den Anfangsjahren nach der demokratischen Veränderung Verantwortung trugen. Viele private Eigentümer und Bauherren haben sich ebenso dem historischen Ambiente verpflichtet gefühlt. So war es zwangsläufig, dass Beeskow zu den Gründungsmitgliedern der Arbeitsgemeinschaft „Städte mit historischen Stadtkernen“ gehörte und sich bis heute gemeinsam mit 30 weiteren Mitgliedsstädten aktiv in die Arbeitsgemeinschaft einbringt. In den vorbereitenden Untersuchungen zur Stadtsanierung aus dem Jahre 1991 sind klare Aussagen enthalten, welchen Herausforderungen sich die Stadt stellen muss. Neben der Gebäudesanierung
war ein Schwerpunkt die Stadtbildaufwertung. Klug und mit Gespür für die neuzeitlichen Entwicklungen wurde der Sanierungsprozess vorangetrieben und dabei besonderer Wert auf eine nachhaltige Stadtentwicklung gelegt. Manchmal bedurfte es dazu viel Überzeugungsarbeit. Getragen war der Prozess im Kern von der Liebe vieler Beeskowerinnen und Beeskower zu ihrer Stadt. Ganz gleich, welcher Blickwinkel Ihr besonderes Interesse findet: Historie, Kunst und Kultur, Natur, Wohnen und Einkaufen, Arbeit oder Freizeit – Beeskow hat viel zu erzählen und jede Menge zu bieten. Bleibende Stadterinnerungen vermitteln geführte Stadtrundgänge, die zu den schmucken Häusern und den verborgenen Winkeln der historischen Altstadt führen. Nach einem Bummel durch die Innenstadt laden Restaurants und Cafés zum Verweilen ein. Erleben Sie Beeskow und schließen auch Sie Beeskow in Ihr Herz. Ihr Frank Steffen Bürgermeister der Stadt Beeskow
inhALT
6 _ um 1930 Rathaus
50_ 1930 Kammerlichtspiele
8 _ 1945 Nordansicht der Stadt
52_ 1980 Keils Ecke
10 _ Vor 1995 Kirchgasse 2
54_ um 1960 Mönchsherberge
12 _ um 1950 Östliche Breite Straße
56_ um 1920 Kleine Spreebrücke
14 _ um 1930 Luckauer Tor
58_ um 1960 Alte Schule
16 _ um 1955 Ecke Berliner/Breite Straße
60_ um 1999 Kupferschmiede
18 _ um 1910 Berliner Straße
62_ 1934 Bootshaus des Rudersportvereins
20_ um 1920 Junker-/Bodelschwinghstraße
64_ 1928 Katholische Kirche „Heilig Geist“
22_ um 1930 Bahnhof
66_ um 1925 Bodelschwinghstraße 39
24_ Vor 1888 Kaiserliches Postamt
68_ um 1920 Darrturm
26_ Vor 1918 Hotel „Zum grünen Baum“
70_ um 1900 Brandstraße
28_ um 1920 Münzturm
72_ 2008 Hüfnerhaus
30_ Vor 1990 Eckhaus Bodelschwinghstraße
74_ um 1910 Schützenhaus
32_ 1907 Kaserne/Gymnasium
76_ 1931 Spreebrücke
34_ um 1960 Kietz
78_ 1927 Sportzentrum Bertholdplatz
36_ um 1900 Hotel „Zum Schwan“
80_ um 1920 Alte Stärkefabrik/Spreepark
38_ um 1950 Marienkirche
82_ um 1900 Storchenturm mit Stadtmauer
40_ um 1930 Blick vom Kietz
84_ um 1930 Mäuseturm
42_ um 1920 Burg Beeskow
86_ um 1960 Vom Hafen zur Wasserwelt
44_ um 1920 Badeanstalt am Fluss
88_ um 1930 Nadelwehr
46 _ 1910 Landratsamt
90_ um 1900 Marktplatz
48 _ 1912 Berliner Straße 28
92_ nach 1945 Kirchplatz
um 1930
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Die Berliner Straße 30 war schon immer eine der ersten Adressen der Stadt. Hier, mitten in der Stadt, mit Blickrichtung zum Marktplatz befindet sich das Rathaus. 1794 wurde das Haus gebaut – allerdings nicht als Rathaus. Eine erste Nutzung ist als Hotel „König von Preußen“ nachweisbar. In den Bauakten wird 1837 und 1877 ein Kaufmann Koch genannt, 1897 ein Gastwirt Wilhelm Schwadtke. 1898 ist als Besitzer der Restaurator Bernhard Sitte benannt. Wahrscheinlich können ihm auch die umfangreichen Umbau- und Verschönerungsarbeiten um 1905 zugeschrieben werden. In der Zeit sind Balkon und Schmuckgiebel entstanden. 1929 wurde das obere Satteldach erhöht. Nach 1945 kam das Gebäude in den Besitz der Stadt. Ein Hotel war es damals nicht
mehr, aber als Rathaus diente das Gebäude erst endgültig seit den 1970er Jahren. Nachdem das Haus zwischen 1947 und 1952 schon einmal als Rathaus genutzt wurde, beanspruchte die SED-Kreisleitung das weiträumige Gebäude. Um 1970 zog die Partei in das wesentlich größere Landratsamt. Das freigewordene Haus konnte nun endgültig wieder als Rathaus genutzt werden. Umfangreiche Um- und Ausbauten erfolgten zwischen 1994 und 1997 – unter anderem auch eine attraktive Neugestaltung des Rathaushofes und des Seitenflügels. Die letzte Baumaßnahme erfolgte 2010. Seitdem ist das Rathaus mit Standesamt und Märkischer Tourismuszentrale behindertengerecht und durch den Einbau eines Fahrstuhles in jeder Etage für alle Bürger erreichbar.
1945
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Das Ende des Zweiten Weltkrieges war von Not, Elend und sinnloser Zerstörung bestimmt – auch in Beeskow. Verschiedene Städte vor Berlin wurden von den Nationalsozialisten zur Festung erklärt; eine Kapitulation war nicht vorgesehen. Der größte Teil der Beeskower Bevölkerung wurde evakuiert. Wer Glück hatte, kam bei Verwandten in den umliegenden Dörfern unter. Einige der Flüchtenden gerieten in den Kessel von Halbe. Am 25. April 1945 war für Beeskow mit der Eroberung der Stadt durch sowjetische Truppen der Krieg zu Ende. Wer überlebt hatte, kehrte in die Stadt zurück und fand eine zum Teil noch qualmende Trümmerwüste vor. Fast 30 Prozent der Innenstadt waren durch Bombardements, Kampfhandlungen und Brandlegung zerstört. Ganze Straßenzüge wie die Breite Straße (Ladenstraße) und die Bodelschwinghstraße (in
Richtung Münzturm) lagen in Schutt und Asche. Zerstörte Häuser gab es auch in der Berliner Straße, in der Bahnhof-, der Ring- und der Poststraße. Das alte Foto zeigt ein Bild der Verwüstung von Norden aus, etwa vom Standpunkt des heutigen Kreisverkehrs, wo sich Bahnhof-, Ring- und Poststraße kreuzen. Nicht alle Gebäude sind nach dem Krieg wieder hergerichtet worden. Erst nach 1990 wurden die letzten Ruinen auf der Ecke zwischen Bahnhof- und Ringstraße beseitigt. Im Jahr 2000 sind im Zuge der Sanierung der Ringstraße ein begrünter Parkplatz sowie der Kreisverkehr entstanden. Seither hat sich das Stadtbild am nördlichen Zugang zur Altstadt erheblich verändert: Dass so ein Kreisel auch Flair vermitteln kann, beweisen die jahreszeitlich unterschiedlichen Bepflanzungen mit bunten Blumenrabatten.
Vor 1995
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Das Älteste Haus in der Kirchgasse 2 ist eines der ältesten Fachwerkhäuser in der Mark Brandenburg. Damit kann es einiges über die Lebensgewohnheiten im ausgehenden Mittelalter erzählen. Die Fachwerkbauweise war zu jener Zeit üblich, weil es auch die billigere Bauweise für Wohnhäuser war. Ein Grundgerüst aus Holzbalken und Querstreben wurde mit einem Lehm-Strohgemisch ausgefacht, die Dächer waren anfangs sogar noch mit Stroh, Schilf oder Holzschindeln gedeckt. Im Frühjahr 1995 wurden umfangreiche Sanierungsarbeiten an dem Gebäude abgeschlossen, bei denen auch die in den alten Balken eingravierten Fälldaten des Holzes (1482 – 1487) entdeckt wurden. Um 1490
als Speicher erbaut, zählt es schon über 500 Jahre und hat somit die verheerenden Stadtbrände 1512/1513 überstanden. Dieser Speicher wurde aus der Not heraus zum Wohnhaus umgebaut. Obwohl es uns mit 10,20 Metern Länge und 5,30 Metern Breite heute sehr klein anmutet, war es im Mittelalter ein relativ großes Gebäude. Eine schwarze Küche mit offenem Kamin, in der noch heute bei Festen gekocht wird (die Blockbohlenstube, in der der schöne Napfkachelofen auffällt) sowie ein paar Kemenaten im oberen Stockwerk mussten als Wohnraum für eine Großfamilie ausreichen. Zum Grundstück gehören noch ein kleiner Kräutergarten sowie ein Brunnen.