Sonderbeilage Märkische Oderzeitung "Leben im Osten"

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Märkische Oderzeitung 2. Oktober 2014

T

www.moz.de Kerstin Rupp (37), Grafikerin, Leipzig: Als die Mauer fiel, wurde ich gerade 13. Es war mir etwas peinlich, dass meine Mutter heulte, als wir das erste Mal mit dem Trabi über die Grenze zuckelten. Ich sehe die DDR sehr kritisch, obwohl ich damals Kind war. Heute ist auch nicht alles gut, doch glaube ich, dass es die großartige Möglichkeit zu Veränderung gibt. Das ist ein entscheidender Unterschied.

Bilder und Zerrbilder

Aimé Tänzel (38), Metallarbeiter, Eisenhüttenstadt: Ich erinnere mich vor allem an meine Schulzeit in der DDR, es herrschten Disziplin und Ordnung. Der Alltag war grau. Die Kaufhallen waren leer, die Häuser farblos. Meine Güte, wir durften kein Westfernsehen schauen oder zumindest nicht darüber reden. Ich bin froh, dass es die DDR nicht mehr gibt. Man hat viel mehr Möglichkeiten. Früher war alles langsam und mühselig, heute ist es schnelllebiger.

icken die Ostdeutschen noch immer anders als die Westdeutschen – immerhin 25 Jahre nach dem Fall der Mauer? Sie tun es. Aber durchaus anders, als so mancher wohl vermutet haben dürfte. Das kann man den Ergebnissen der Studie „Wertewandel Ost“ entnehmen, die unsere Zeitung zusammen mit 14 anderen ostdeutschen Blättern in Allensbach in Auftrag gegeben hat.

I

nteressant dabei ist etwa, wie sehr sich bereits die Anschauungen der verschiedenen Altersgruppen unterscheiden. Für die Jüngeren sind die Freiheiten, die der Fall der Mauer dem Osten brachte, eine Selbstverständlichkeit. Sie sind in ihren Lebensentwürfen den Gleichaltrigen im Westen nah. Und die DDR scheint ihnen eine Erzählung aus längst vergangener Zeit.

D

as jenseits der sogenannten neuen Länder gepflegte Bild des Jammer-Ossis dagegen ist nur ein Zerrbild: Mehr als die Hälfte der Ostdeutschen ist mit der eigenen wirtschaftlichen Lage zufrieden. Und auch die Zukunft wird gemeinhin positiv gesehen. Die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes hat sich stark reduziert.

W

as im Gegensatz dazu nicht nur bei Politikern Kopfzerbrechen auslösen sollte, ist das Verhältnis der Ostdeutschen zum politischen System. Wenn lediglich 40 Prozent die Demokratie für die beste Staatsform halten, kann das nicht nur daran liegen, dass die hiesigen Bürger erst seit 1990 zur Bundesrepublik Deutschland mit ihrer freiheitlich-demokratischen Grundordnung gehören.

E

s lohnt sich also, sich intensiver mit den Zahlen dieser Studie zu beschäftigen. Und auch die vielen Geschichten in dieser Beilage über das Werden und Wachsen in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten zu lesen – von Menschen, die ihre Chance zum Gestalten ergriffen haben, von Unternehmen, die nach dem Zusammenbruch der ostdeutschen Industrie wie Phönix aus der Asche stiegen. Sie zeichnen ein Bild vom Osten, der sich deutlich zum Positiven entwickelt hat – und trotzdem an vielen Stellen mit großen Problemen kämpft. Wobei besonders die demografische Entwicklung Sorge bereitet. Insgesamt aber wird von der Mehrheit der Bürger der Osten in all seiner Vielfalt als ein Landstrich gesehen, auf den man stolz sein kann. Auch das ein bemerkenswertes Ergebnis der Studie. Frank Mangelsdorf Chefredakteur

Erinnerung an den Tag des großen Jubels: Ein Passant geht an historischen Fotos auf großen Tafeln am früheren Grenzübergang an der Bornholmer Straße in Berlin, heute Platz des 9. November, vorbei. Sie erinnern an den 25. Jahrestag des Mauerfalls. Foto: Stephanie Pilick

Ost und West kommen sich näher – die Vorurteile bleiben Große Unterschiede bei der Beurteilung des politischen und wirtschaftlichen Systems

Von TorsTen KlediTzsch Frankfurt (Oder). 25 Jahre nach der friedlichen Revolution geht eine Allensbach-Studie der Frage nach:Wie haben sich die Menschen verändert? Bei den privaten Wünschen und Sorgen ist die Mauer gefallen. Andere Teile stehen noch. Ost- und Westdeutsche unterscheiden sich in ihren Lebenszielen und privaten Wertvorstellungen kaum mehr voneinander, halten aber an ihren gegenseitigen Vorurteilen fest. Große Unterschiede bestehen weiterhin in der Beurteilung des politischen und wirtschaftlichen Systems. Das hat eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Märkischen Oderzeitung in Zusammenarbeit mit 14 weiteren ostdeutschen Tageszeitungen ergeben. Die Studie aus Anlass des 25. Jahrestags der friedlichen Revolution und des Mauerfalls ist eine der umfassendsten der vergangenen Jahre. Große Übereinstimmung legen die Menschen in den alten und neuen Ländern an den Tag,wenn es um die nötige Stabilität in ihrem Leben geht. Bei den vier wichtigsten Faktoren gibt es keine nennenswerten Unterschiede mehr: Ausreichend Geld (80 Prozent Ost/81 Prozent West), die eigene Familie (79/79), gute Freunde (63/66) und der eigene Partner (62/63) sind die vier Punkte, die für alle Deutschen ausschlaggebend sind bei der Frage, wie sicher sie sich in ihrem Leben fühlen. Der Ostdeutsche setzt bei der Absicherung darüber hinaus weiterhin stärker auf den Staat,während der Westdeutsche auf das Eigentum sowie Recht und Gesetz baut. Nur 41 Prozent der Ostdeutschen ist das Rechtssystem für ihre Sicherheit wichtig, aber 58 Prozent der Westdeutschen. Ähnlich sieht es bei den Sorgen aus. Die eigene Pflegebedürf-

tigkeit treibt 61 Prozent der Ostwie Westdeutschen um und wird im Osten nur noch von der Angst vor zunehmender Gewalt und Kriminalität um einen Prozentpunkt übertroffen. Der Westen ist in dieser Frage etwas entspannter (52 Prozent). Insgesamt werden die ersten acht Sorgen-Plätze in Ost und West jedoch vor allem von der Renten-Sicherheit sowie steigenden Preisen und Abgaben und den möglichen Folgen dominiert – in nahezu gleicher Ausprägung in Ost wie West. Große Unterschiede gibt es dagegen nach wie vor in der Beurteilung des wirtschaftlichen und politischen Systems. Während 74 Prozent der Westdeutschen die Demokratie als die beste Staatsform betrachten, teilen in Ostdeutschland nur 40 Prozent diese Auffassung. Beide Werte haben sich seit dem Jahr 1990 nur geringfügig verändert. Michael Sommer, Projektleiter bei Allensbach, spricht von einem „unbedingten Vertrauen“ in das politische System, das im Westen nach wie vor viel stärker sei. Die Ostdeutschen legten in diesem Punkt eine große Reserviertheit an den Tag. Auch das Freiheitsverständnis unterscheidet sich erheblich. Den Westdeutschen sind die Meinungsfreiheit, der Rechtsstaat, die freie Berufswahl und das Recht auf Eigentum deutlich wichtiger als den Ostdeutschen. Der Abstand beträgt jeweils zwischen 14 und 18 Prozentpunkten. Gehalten haben sich auch die Vorurteile. Der Ostdeutsche hält den Wessi nach wie vor für arrogant, geldgierig und egoistisch. Der Westdeutsche den Ossi vor allem für unzufrieden und misstrauisch. In ihrem Gesamturteil über die zurückliegenden 25 Jahre zeigt sich im Osten die sogenannte Wendegeneration der 35- bis 59-Jährigen am zufriedensten. Für 65 Prozent der Befragten dieser Altersgruppe ist die Entwick-

lung Deutschlands seit dem Mauerfall eine Erfolgsgeschichte. Die älteren und jüngeren Ostdeutschen sind lediglich zu 56 Prozent dieser Meinung. Generell sieht sich jeder zweite Ostdeutsche als Gewinner der Wende und ein knappes Viertel als Verlierer. Ein weiteres Viertel legte sich nicht fest. Auch die Einstellungen und Wertvorstellungen unterscheiden sich stark zwischen den Generationen. Der Nachwendegeneration (16 bis 34 Jahre) im Osten sind ein hohes Einkommen und ein sozialer Aufstieg deutlich wichtiger als den Älteren. 62 Prozent der Jüngeren halten ein hohes Einkommen für erstrebenswert im Leben, in der

Wendegeneration sehen das nur 48 Prozent so. Gleichzeitig soll das Leben Spaß machen. 72 Prozent der Nachwendegeneration erwarten das, in der Wendegeneration nur 48 Prozent. „Diese Unterschiede sind jedoch zu einem wesentlichen Teil mit der Lebensphase zu erklären“, sagt Allensbach-Projektleiter Sommer. Der Vergleich mit vorangegangenen Studien zeige, dass die Unterschiede zwischen den Generationen nicht zugenommen haben. Während sich die Vorwendegeneration der über 60-Jährigen noch zu einem großen Teil in erster Linie als Ostdeutsche bezeichnet (37 Prozent), nimmt der Anteil unter den Jüngeren zu, die sich

als Deutsche oder Europäer sehen (60 bzw. 9 Prozent der unter 29-Jährigen). Ein Umzug in die westdeutschen Bundesländer ist für die Jüngeren heute naheliegend. Vier von zehn haben sich bereits mit diesem Gedanken getragen. Für sie stehen dabei die höheren Löhne, die besseren beruflichen Perspektiven und der höhere Lebensstandard absolut im Vordergrund. Die Angst, im Osten keinen Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu erhalten, spielt nur noch für sechs Prozent eine Rolle. WEITERE DETAILS zur Studie lesen Sie auf den folgenden Seiten dieser Beilage.

Freiheiten, die den Ostdeutschen am Wichtigsten sind Meinungsfreiheit

70%

Reisefreiheit

65%

Soziales Sicherheitsnetz des Staates

61%

Freie Wohnwahl

55%

Wahlfreiheit

51%

Konsumfreiheit

50%

Keine staatliche Überwachung

49%

63%

Rechtsstaatlichkeit

49%

64%

Religionsfreiheit

19%

Ostdeutsche Bevölkerung

88% 72% 63% 68% 63% 55%

45%

Westdeutsche Bevölkerung

Größte Diskrepanz

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre

Cornelia Radeke-Engst (58) Pfarrerin, Brandenburg/Havel: Insgesamt bin ich sehr froh über die Wende, vor a l l e m über die Freiheit des Gewissens und des Geistes, aber auch des Reisens. Auch wenn die Solidarität unter den Menschen ein Stück weit verloren gegangen und die evangelische Kirche heute nicht mehr in dem Maße wie früher ein Zufluchtsort für Christen und Nichtchristen ist. Heinrich Sonsalla (64), Geschäftsf ü h re r, Magdeburg: Meine Eltern wurden in der DDR permanent überwacht. Ich habe den Wehrdienst verweigert. Mir wurde ein Studium verwehrt. Ich habe dann dem Umweg über eine kirchliche Ausbildung genommen. Nun bin ich seit 1996 Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft. Mir hat die Wende völlig neue berufliche Perspektiven eröffnet. Sabine Solf (41), Friseurmeisterin aus Birkungen/Eichs feld: In der DDR den Meister zu machen, wenn man nicht in ein Familienunternehmen hineingeboren war oder delegiert wurde, war unmöglich. Durch den Fall der Mauer konnte ich ohne Schwierigkeiten meine Meisterprüfung ablegen und im Jahr 2000 mein erstes eigenes Geschäft eröffnen. Heute sind es drei Filialen. Ingo Worreschk (52), Fahrradh ä n d l e r, Beeskow: 1992 haben meine Frau und ich einen hohen Kredit aufgenommen, um einen Fahrradladen aufzubauen. Glücklicherweise gab es einen großen Nachholbedarf, mittlerweile haben sich die Geschäfte auf Normalmaß eingependelt. Rückblickend möchte ich behaupten: Das Leben war in der DDR ruhiger.


Hoffnungen und Befürchtungen der Ostdeutschen seit 1990

Stolz auf ostdeutsche Herkunft

100

... der Ostdeutschen sind "sehr stolz" oder "ziemlich stolz" auf ihre Herkunft.

59 %

Basis: Ostdeutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre

1573 persönliche Befragungen

50

0

Wer Schokolade mag, liebt Zetti. Damals wie heute.

Für die Studie hat das Institut 1573 Ostdeutsche persönlich befragt. Die Befragten stellen einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung ab 16 Jahren dar. Die Fragen waren so formuliert, dass – wenn vorhanden – die Ergebnisse vorangegangener Allensbach-Studien zur Auswertung mit hinzugezogen werden

konnten. Damit war es möglich, Trendaussagen zu treffen. Hinzu kommen 30 Tiefeninterviews mit Ostdeutschen aus der Generation der heute 40- bis 55-Jährigen und der Nachwende-Generation der heute 16- bis 29-Jährigen. Zum Vergleich wurden 1520 Interviews mit einem repräsentativen Querschnitt der westdeutschen Bevölkerung ab 16 Jahren herangezogen. Allensbach führte die Interviews zwischen dem 13. Juni und dem 11. Juli 2014. Die Studie geht auf drei verschiedene Altersgruppen ein. Zum einen die Vorwendegeneration der 60-Jährigen und Älteren, die 1989 in der DDR gelebt haben. Zum zweiten die Wendegeneration der 35- bis

Beste Zutaten und ein Herz für die Region – das hat Tradition bei Zetti. Seit über 180 Jahren kommt aus Zeitz in Sachsen-Anhalt Leckeres zum Naschen. Und ständig gesellen sich zu den momentan 30 verschiedenen Genüssen neue hinzu. Denn die rund 100 Mitarbeiter und sechs Auszubildende ruhen sich nicht auf ihren Kakaobohnen aus. Es wird mit Leidenschaft und Raffinesse gearbeitet, ausgebildet und investiert – zum Wohle der Region und des guten Geschmacks. Zetti beweist, wie lebendig Geschichte sein kann. Und wie gut sie schmeckt – mit jedem Öffnen einer Tüte Zetti Knusperflocken.

ehemalige DDR

Politiker aus der Gemeinde

17%

Märkisches Verlags- und Druckhaus GmbH & Co. KG; Kellenspring 6, 15230 Frankfurt (Oder). Die Sonderbeilage „Leben im Osten“ entstand in Zusammenarbeit mit 14 weiteren Regionalzeitungen sowie der SUPERillu. Umfrage „Wertewandel Ost“: Institut für Demoskopie Allensbach Konzept und Auftraggeber Studie: Zebra Group Unterstützer: Deutsche Gesellschaft e.V.

26%

63%

Friedliche Revolution

55%

15%

Keiner davon

31%

VorwendeGeneration

Die Ostdeutschen wünschen sich am meisten...

14%

84% 79%

Bestimmte Erinnerungen, die man mit der Heimat verbindet

NachwendeGeneration

74%

Die Landschaft

72%

79%

... familiäres Wohlergehen.

Sorgenfalten in Ost & West

Alarmierend hoch: Angst vor Pflegebedürftigkeit

61% Sorgen in Ost- und Westdeutschland 62%

Hohe Kriminalität

52% 59% 55% 56%

Unsichere Renten

59% 39%

Drohender Ärztemangel

19% 39%

unentschieden, keine Angabe

50%

Immer weniger Arbeitsplätze

38% 20% Ost

22%

43%

West

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre

nein, war keine Erfolgsgeschichte

17%

ja, war eine Erfolgsgeschichte

61%

Freude an schwarz-rotgoldener Bundesflagge

Basis: Ostdeutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre 100

69

61

40%

Bestimmte Bauwerke und Baustile

Strukturelle Probleme

9%

Haben sich die Hoffnungen, die man in Bezug auf die Wiedervereinigung hatte, erfüllt?

57%

Regionale Spezialitäten, regionale Küche

... bessere Finanzen.

Basis: Ostdeutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre

76% 73%

80 %

Wegzug junger Menschen

Wiedervereinigung — eine Erfolgsgeschichte?

Was typisch Heimat ist:

... Gesundheit.

Basis: Ostdeutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre

Basis: Ostdeutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre

Bestimmte Menschen, mit denen man aufgewachsen ist

WendeGeneration

87%

Schere zwischen Arm und Reich

... der Nachwende-Generation verbinden mit Ostdeutschland blühende Landschaften.

36%

Landespolitiker

80% 71%

64% 62% 49%

Wiederaufbau

Bundespolitiker

81% 84%

Hoffnungen

Basis: Ostdeutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre

ten die Deutsche Gesellschaft und das Bundesinnenministerium in der Berliner Vertretung des Freistaates Thüringen ein Symposium, auf dem die Studie diskutiert wird.

Was man mit Ostdeutschland verbindet

Wer das persönliche Interesse am besten vertreten kann Unentschieden, keine Angabe

59-Jährigen, die 1989 in der DDR gelebt haben. Schließlich die Nachwendegeneration der 16- bis 34-Jährigen, die in Ostdeutschland geboren sind. Die in Text und Grafiken genannten Daten beziehen sich in der Regel auf alle Befragten. Sofern eine Frage nur an eine Teilgruppe gerichtet war oder nur für eine Teilgruppe ausgewertet wurde, wird diese Teilgruppe genannt. Es kann vorkommen, dass die Summe der Prozentzahlen mehr als 100 Prozent ergibt. Das ist dann der Fall, wenn auf eine Frage mehrere Antworten nebeneinander gegeben werden konnten. Darüber hinaus kann es zu Rundungsdifferenzen kommen. Am 5. November veranstal-

1990 2000 2006 2007 2008 2011 2012 2013 2014

Befürchtungen

„Wertewandel Ost“ geht auf drei verschiedene Altersgruppen ein

Frankfurt (Oder). „Wertewandel Ost“ ist eine umfassende und repräsentative Befragung zu den gesellschaftlichen Veränderungen seit der Wiedervereinigung. Sie wurde von den großen ostdeutschen Zeitungsverlagen und der Zebra-Group beim Institut für Demoskopie Allensbach in Auftrag gegeben.

15

55

25%

32%

0 1951 1961 1972 1981 Okt. Juli Juli Juni Juli Mai Juli 1990 1994 1998 2002 2006 2008 2014

Ost

West

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre

„erfüllt“ „nicht erfüllt“ Basis: Ostdeutschland, 40-Jährige und Ältere, die ihren Wohnsitz im Herbst 1989 in Ostdeutschland hatten

Ost

West

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre


Leben im Osten – Wertewandel Studie

Donnerstag, 2. Oktober 2014

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Potsdams Traumfabrik

Die Medienstadt Babelsberg baut auf Tradition und macht sich fit für die Zukunft Von RicaRda Nowak Potsdam. Hollywood liegt in Babelsberg. George Clooney, Tom Cruise, Kate Winslet, Tom Hanks, Milla Jovovich, Natalie Portman, Orlando Bloom, Liam Neeson – die Liste der Stars, die sich in der jüngeren Vergangenheit im ältesten Großatelier-Filmstudio die Klinke in die Hand gaben, ist lang. „Ihr habt eine der besten Filmcrews der Welt. Babelsberg: Das ist wie ein Hollywood-Studio“, adelte Matt Damon nach dem Dreh für „Bourne Ultimatum“ die deutsche Traumfabrik. Ob Historiendrama, Science-Fiction, Thriller oder Komödie: 25 Jahre nach dem Mauerfall kommt aus Babelsberg Augenfutter für die Leinwände weltweit. Vor den Toren Berlins ist auf dem einstigen Defa-Gelände eine Medienstadt entstanden, in der 120 Firmen für Kino, Fernsehen, Radio, Internet produzieren. Herzstück ist nach wie vor das Traditionsstudio, das in den 1990ern Regisseur Volker Schlöndorff führte. „Nichts wurde abgewickelt. Ich bin froh, dass es dem Studio gut geht“, so der Oscar-Preisträger. Babelsberg konkurriert mit größeren oder günstigeren Studios in London und Prag, kennt Flautejahre mit nur einem internationalen Film. 2014 läuft besser: Das Studio koproduzierte eine Komödie mit Dänen-Star Mads Mikkelsen, steckt in der Fantasy-Reihe „Tribute von Panem“ ebenso wie in der Neuverfilmung des Thrillers „Point Break“ mit drin. „Bei uns trifft Tradition auf Zukunft, Marlene Dietrich auf Quentin Tarantino – einzigartig in Deutschland“, sagt Studio-Boss Charlie Woebcken. Rückblende. 1912 fiel in Babelsberg die erste Filmklappe,

expressionistische Regisseure wie Fritz Lang und Friedrich Wilhelm Murnau starteten hier Weltkarrieren. Während der NSZeit wurden Unterhaltungs- und Propagandaschinken gedreht, 1946 die Defa gegründet. Bis zur Wende entstanden 1240 Kinound TV-Produktionen. Der staatliche Filmbetrieb bot etwa 2400 Mitarbeitern ein Auskommen. Einer von ihnen war Robert Krüger, der 1986 als Maurer in der Stukkateur-Abteilung des staatlichen Filmbetriebs anfing. Wenn minderwertiges Holz im Film edel oder neues Metall patiniert aussehen muss, hat der diplomierte Theatermaler seine Finger im Spiel. Inzwischen leitet der 56-Jährige die „Abteilung Oberfläche“ bei den Kulissenbauern des Art Department von Studio Babelsberg, die scheinbar Unmögliches möglich machen und in Rekordzeit für Tom Tykwers Thriller „The International“ das New Yorker GuggenheimMuseum oder das ShakespeareTheater für Roland Emmerich nachbauen. Krüger war an mehr als 30 internationalen Produktionen beteiligt, etwa „V for Vendetta“ und „Monuments Men“. Der Unterschied zwischen damals und heute? „Bei der Defa ging’s beschaulicher zu, es wurde halt nach Plan gedreht: 16 Filme pro Jahr.“ Bei Multimillionen-Dollar-Filmen verspüre Krüger dagegen manchmal die „Tendenz Herzinfarkt“. Szenenwechsel. HollywoodStars bekommt Otto Normalbesucher kaum zu sehen, dafür aber TV-Gesichter wie Jörn Schlönvoigt, Janina Uhse oder Thomas Drechsel. Das Trio gehört zum Ensemble des seit 1995 in Babelsberg produzierten RTL-Dauerbrenners „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. Regelmäßig geben die GZSZ-Stars Au-

togramme im Filmpark Babelsberg – erste Adresse, wenn man Medienluft schnuppern will. 1991 als „Film- und TV-Erlebnis“ gegründet, besahen seither knapp neun Millionen Besucher Mittelalter-Kulissen und Sandmann-Ausstellung, erlebten actiongeladene Stuntshows. Seit 1993 hält Filmpark-Chef Friedhelm Schatz etliche MedienstadtFäden in der Hand, investierte 20 Millionen Euro in seinen Vergnügungspark. In naher Zukunft sollen 75 Millionen Euro in die Infrastruktur fließen, Hunderte Studentenwohnungen, Apartmenthaus, Restaurants und Gewerbekomplex auf dem Areal der einstigen Außenkulisse „Berliner Straße“ gebaut werden. Szenenwechsel. Den Nachwende-Ruhm der Babelsberger Filmhandwerker und Szenenbildner begründete die „Sonnenallee“. Für Leander Haußmanns DDR-Komödie von 1998 wurde die Kulissenstraße errichtet und aus dem Provisorium eine Institution. Seither waren etwa 350 Kino-, TV- und Werbeproduktionen in der „Berliner Straße“ zu Gast, so Roman Polanskis Oscargekröntes Holocaust-Drama „Der Pianist“. „Die Bücherdiebin“ war der letzte Film. Ende 2013 musste die Kulisse für die Neubaupläne weichen. Der Grundstein für ein Nachfolgeset wurde gerade gelegt. Zwölf Millionen Euro investiert Studio Babelsberg in die europaweit einzigartige „modulare Hybridkulisse“, die Fassaden in verschiedenen Architekturstilen und für nachträgliche Computerbearbeitung anbieten wird. Aufblende: „In Babelsberg hat sich kreative, technische, lehrende und forschende Kompetenz auf hohem Niveau angesiedelt“, schwärmt Susanne Stürmer, Präsidentin der 1954 gegründeten Hochschule für Film

Nachgebaute DDR: Die Rolle eines Volkspolizisten spielte Detlev Buck im Film „Sonnenallee“, der 1998 in den Babelsberger Kulissen gedreht wurde, die danach noch in 350 Kino-, TV- und Werbeproduktionen zum Einsatz kamen. Foto: Nestor Bachmann und Fernsehen, die inzwischen in Deutschlands erste Filmuniversität umgewandelt wurde und weiterhin den Namen des großen Defa-Regisseurs Konrad Wolf trägt. In dem Hochschulbau mit Mega-Mikadostäben am Eingang lassen sich Filmtalente zu Regisseuren, Kameraleuten, Szenografen, Medienwissenschaftlern ausbilden. Zu den bekanntesten der mehr als 5000 Absolventen

gehören TV-Star Jaeckie Schwarz und Regisseur Andreas Dresen. Gesorgt wird in der Medienstadt auch für filmverrückte Minis. Heiß begehrt sind Plätze im 2010 eröffneten „Kindergarten am Filmpark“ und in der außerschulischen Kinderfilmuniversität. Uwe Fleischer vermittelt am 2004 gegründeten Babelsberger Filmgymnasium – Privatschule mit erzgebirgischem Träger – zu-

sätzlich zum regulären Unterricht Basiswissen Film. Fleischer begann 1970 als Kamera-Assistent bei der Defa, leitete später die Trickabteilung. Im Zuge des Verkaufs der Defa machte er sich selbstständig, gründete mit der Optronic GmbH das erste digitale Bildbearbeitungszentrum Ostdeutschlands. Die Auftragsbücher waren voll, „es wurde anerkannt, dass es in Babels-

berg Leute gibt, die traditionelle Trickmethoden beherrschen und mit modernster Computertechnologie kombinieren können“, so Fleischer. Seine Tricks gibt er nun weiter und denkt mit 65 nicht ans Aufhören: „Die Arbeit mit den Schülern macht mich glücklich.“ Und vielleicht gelingt dem einen oder anderen Filmtalent dereinst sogar der Sprung nach Hollywood. ANZEIGE

Geboren, als die Mauer fiel Tochter einer Weltklasse-Sprinterin – und Wendekind

Von aNdReas Rabel Gera. In diesen Tagen merken es auch die anderen, dass Nadja Göhr, die Tochter der einstigen Weltklasse-Sprinterin Marlies Göhr, an keinem x-beliebigen Tag zur Welt gekommen ist. Beim Einwohnermeldeamt in Gera, an der Uni in Jena, am Gymnasium in Hohenstein-Ernstthal hieß es: „Ah, ein Wendekind. Oh! Sie sind am Tag des Mauerfalls geboren.“ Und auch beim Bummel über den Alexanderplatz in Berlin war sie wieder da, die alte Zeit. Marlies Göhr stupst ihrer Tochter Nadja in die Seite, zeigt auf die Auslagen der Geschäfte. „Schau, da hab ich Gardinen für unser Wohnzimmer gekauft, und da, da gab es schöne Möbel.“ Nadja nickt. „Ja, ich weiß Mama.“ Das sind Episoden aus dem DDR-Alltag. Die Tochter kennt sie und hört sie doch immer wieder gern, auch weil vieles so putzig, nicht nachvollziehbar ist. „Wie soll man die DDR erklären?“, fragt sie. Nadja kennt das Land ihrer Eltern nur vom Hörensagen. Und nun ist es an ihr, vor die Schüler zu treten, mit ihnen über die Deutsche Demokratische Republik zu reden. Am Gymnasium im sächsischen HohensteinErnstthal absolviert die 24-Jährige ihr Referendariat, sie hat in Jena Deutsch und Geschichte studiert. Für sie ist die DDR nicht nur ein Unrechtsstaat, eine Dik-

tatur. Sie hat auch das Leben der Menschen im Blick. „Für sie war es Heimat.“ Dass sich viele Menschen in der DDR so gut es ging eingerichtet, angepasst, mit den Verhältnissen arrangiert hatten, ist bekannt. Sie versteht auch, dass angesichts von Problemen Ostalgie aufkommen kann. Marlies Göhr, die Mama, wünscht sich die alten Zeiten auf keinen Fall zurück, fühlte sich in der DDR oftmals bevormundet. In Triptis, ihrem Heimatort, war sie als 13-Jährige den Talentspähern aufgefallen. Und sie war ein Talent, lief mit 13 die 100 Meter in 13 Sekunden. Sie wollte nicht von zu Hause weg, ließ sich dann aber doch überzeugen. Von Triptis aus ging es nach Bad Blankenburg an die Kinder- und Jugendsportschule des Bezirkes Gera. Nach ein paar Wochen dort war sie am Ende. Im Winter war es besonders hart. Früh um sechs der Weckruf, dann ging es noch schlaftrunken hinab in den Keller zum Kohlen holen, das Zimmer musste geheizt werden. Danach standen Schule und Training auf dem Programm. „Ich wollte nur noch heim“, erinnert sie sich. Eine Leichtathletikhalle gab es damals nicht. In der kalten Jahreszeit wurde erst einmal Schnee geschippt – erst dann war die Aschenbahn zu sehen. „Wer würde unter diesen Bedingungen heute noch Leistungssport betreiben?“, fragt Marlies Göhr. Nach einem Jahr intensivem Training sprintete Marlies Göhr

Als die Mauer fiel: Nadja Göhr wurde am 9. November 1989 geboren. Heute lebt sie in Gera. Foto: Tino Zippel

die 100 Meter in 12,2 Sekunden. Doch das war längst nicht das Ende der Fahnenstange. Sie wurde schneller und schneller, stellte Weltrekorde auf, wurde Weltmeisterin und Olympiazweite 1980 in Moskau. Und sie erfuhr am eigenen Leib, dass die Russen das Wort Heimvorteil sehr wörtlich nahmen. Und heute ist es Nadjas Freund, der sich in seiner Promotionsarbeit mit den Olympischen Spielen in Moskau beschäftigt. Auch das ist sie wieder, die alte Zeit. Weil er in Jena an der Uni zu tun hat, sie als Referendarin nach Hohenstein-Ernstthal pendelt, entschieden sie sich eine gemeinsame Wohnung in Gera zu nehmen – Mutter Marlies wurde 1958 in der ostthüringischen Stadt geboren, wuchs in Triptis auf, reifte in Jena zur Weltklassesprinterin. 1988 nach den Olympischen Spielen in Seoul das selbstbestimmte Ende ihrer Laufbahn. Der Kinderwunsch stand an erster Stelle. „Ich war dreißig, für damalige Verhältnisse im hohen Alter, um ein Kind zu erwarten“, sagt sie. Nadja kam, und alles war gut, die Zeit hatte sich gewendet, die Mauer war gefallen. Dass die Mama eine Weltklasse-Sprinterin war, spielt bei den Göhrs eine Nebenrolle. „Klar hab ich mitgekriegt, dass meine Mama eine erfolgreiche Sportlerin war“, sagt die Tochter. In der Grundschule sei sie auch ab und an darauf angesprochen worden. „Meine Eltern haben mich aber nie zum Sport angehalten. Ich durfte machen, was mir Spaß macht. Und auf keinen Fall wollte sie an den Erfolgen der Mama gemessen werden. Da sind schon viele vor mir dran gescheitert.“ Sie fühlt sich als Thüringerin, als Deutsche. Ost und West spielt keine Rolle. „Liebenswerte Menschen gibt es in allen Himmelsrichtungen“, sagt sie. Lehrerin sieht sie als Traumberuf. Jeder Tag sei anders, spannend. „Wissen macht Spaß“, sagt sie. Das will sie ihren Schülern vermitteln. Den nach dem Mauerfall Geborenen wie Nadja Göhr steht die Welt offen. „Ich kann sein, wer ich bin“, sagt sie, das sei in der DDR wohl nicht uneingeschränkt möglich gewesen.

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Leben im Osten – Wertewandel Studie

Donnerstag, 2. Oktober 2014

Bergbausanierung mit Sahnehäubchen Wie die Lausitz die Zauberformel IBA für ein neues Image genutzt hat / Seenland mit Industriekultur und prägender Architektur Von Christian taubert Cottbus. Zu DDR-Zeiten war Cottbus der Kohle- und Energiebezirk. Die Kohle gab den Menschen in der Lausitz Arbeit, sorgte aber auch für hässliche Landschaften und eine schmuddelige Lebensumwelt. Es grenzt an ein Wunder, dass 25 Jahre nach dem Mauerfall genau diese Region zum Anziehungspunkt für Urlauber geworden ist. Professor Rolf Kuhn steht in der Nähe seines Wohnhauses in Großräschen (OberspreewaldLausitz) am Ufer des gleichnamigen Tagebausees. Bis Anfang der 1990er-Jahre ist hier aus der Grube Meuro Braunkohle gefördert worden – bis auch das Ende für den letzten DDR-Tagebau im Senftenberger Revier gekommen war. Jetzt dauert es noch gut drei Jahre, dann legen genau vor Kuhns Standort Schiffe an. Sie kommen vom Sedlitzer See durch einen schiffbaren Tunnel, der die Bundesstraße 169 und die Bahnstrecke Cottbus-Senftenberg unterquert, herüber. Kuhn hat für die Tunnelröhre und viele andere Projekte gestritten. Weil für ihn als Chef der Internationalen Bauausstellung (IBA) FürstPückler-Land (2000 bis 2010) immer feststand: „Wir brauchen hier nicht 30 Seen zum Baden. Uns muss etwas Einzigartiges, etwas Unverwechselbares gelingen. Unmögliches gibt es nicht.“ Genau dafür war Kuhn, der für das Abenteuer Lausitzer Seenland den Chefsessel im Bauhaus Dessau verlassen hatte, der richtige Mann zur rechten Zeit am richtigen Ort. Er hat als IBAGeschäftsführer, als Visionär, Kämpfer und Diplomat ein „goldenes Jahrzehnt“ erlebt. Kuhn mag sich nicht vorstellen, wie es dieser Region und ihren Men-

Der Visionär: Prof. Rolf Kuhn an der Uferpromenade des künftigen Ilse-Sees Foto: Benjamin Pritzkuleit

Echte Postkartenidylle: Der Stadthafen Senftenberg, das Leuchtturmhotel und der schwimmende Wohnpark am Geierswalder See oder der „Rostige Nagel“ – prägende Architektur, die von der IBA Fürst-Pückler-Land initiiert wurde. Repro: LR

schen ohne politische Wende, ohne die Hunderte Millionen Euro des Bundes für die Bergbausanierung, ohne die Bergbausanierer der LMBV und ohne die IBA ergangen wäre. Am Großräschener Seeufer, wo Sanierungsbagger schon vor mehr als einem Jahrzehnt das Hafenbecken in die Böschung geschnitten hatten, lässt der 67-Jährige den Gedanken freien Lauf: das Seenland ohne den liegenden Eiffelturm (die Förderbrücke F 60 bei Lichterfeld), ohne den Stadthafen Senftenberg; ohne schwimmenden Wohnpark und schwimmende Tauchschule, ohne die Landmarke Lausitzer Seenland (die der Volksmund rostiger Nagel nennt) oder ohne Großräsche-

ausstellung über einen Zeitraum von zehn Jahren zuzustimmen. Als dies geschehen war, legte der Regierungschef Kuhn ans Herz, den Grundstein für ein neues Image der Lausitz zu legen. Von der Kraft und den Chancen der IBA war Rolf Kuhn, der sich mit seinem handverlesenen Team für so manche Vision als Spinner bezeichnen lassen musste, von Anfang an überzeugt. Und davon, dass es nur diese eine Chance geben würde, der Bergbausanierung in der Lausitz ein Sahnehäubchen aufzusetzen. „Aber diese Chance haben wir genutzt“, resümiert er. Allein die drei Wettbewerbe zu den IBA-Terrassen Großräschen, zur Landmarke und zum Hafen Senftenberg hätten Architektur

ner IBA-Terrassen – „unvorstellbar“, sagt Kuhn. Diese, von Einheimischen und Urlaubern längst in Besitz genommenen Attraktionen, prägen heute das Bild der Region. Und natürlich gehören jene von Menschenhand geformten schiffbaren Kanäle dazu, die zehn Seen im Inneren des Seenlandes miteinander verbinden und den Reiz für Wassersportler ausmachen. Wenn Kuhn in das Jahr 1999 zurückschaut, dann kann er sich selbst und den politischen Entscheidern nur gratulieren, der „Zauberformel IBA“ gefolgt zu sein. Denn Brandenburgs Landesregierung unter SPD-Ministerpräsident Manfred Stolpe war zunächst zögerlich, einer kostspieligen Internationalen Bau-

hervorgebracht, die das Lausitzer Seenland mit rund 14 000 Hektar Wasserfläche präge. Wenngleich die Landesregierung grünes Licht für die IBA gegeben hatte, so befindet sich Kuhn bei seinem Blick ins Seenland an deren eigentlichem „Geburtsort“. Denn in Großräschen hatte der Senftenberger Stadtplaner Wolfgang Joswig 1994 eine „Hommage an Otto Rindt“ ins Leben gerufen. Jenem Lausitzer Landschaftsplaner, der schon in den 1960er-Jahren an der Vision einer Seenkette nach Braunkohlebergbau arbeitete. Rindt hatte mit dem Senftenberger See bereits zu DDR-Zeiten sein Meisterstück in Sachen Landschaftswandel abgeliefert. Joswig und dem Cottbuser Landschaftsarchitek-

ten Helmut Rippl ist es zu verdanken, dass die kühnen Ideen nach der Wende nicht weggebaggert wurden. Deshalb gilt die „Hommage an Otto Rindt“ als die Geburtsstunde der IBA. Denn hier sind in den wenigen noch erhalten gebliebenen Klinkerbauten der einstigen Ilse-Bergbau AG Rindtsche Visionen in Studenten-Workshops weiterentwickelt worden. Zehn Jahre Internationale Bauausstellung Fürst-Pückler-Land haben Wunder gewirkt. Sie hat unübersehbare Spuren hinterlassen, Image verändert. Für Rolf Kuhn steht fest: „Ohne die IBA wäre das Lausitzer Seenland eine schöne Erholungsregion geworden. Aber nur durch die IBA wird ein neues Image der

Lausitz in die Welt getragen.“ Den endgültigen Beweis dafür haben die Macher auf der mit 5000 Quadratkilometern größten Landschaftsbaustelle Europas mit ihrer internationalen Konferenz 2009 angetreten. Experten aus 25 Ländern waren beeindruckt davon, wie sich die einst vom Braunkohlebergbau geprägte Landschaft verwandelt hat. Ihr Resümee: „So viele Projekte auf einer überschaubaren Fläche in so hoher Qualität – das ist weltweit einmalig.“ Auch deshalb hat die IBA eine „Lausitz-Charta“ zum Umgang mit geschundenen Landschaften erarbeitet und an die Teilnehmer versandt. „Wir haben unsere Erfahrungen der Welt übergeben“, sagt ein zufriedener Rolf Kuhn.

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Leben im Osten – Wertewandel Studie

Donnerstag, 2. Oktober 2014

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Halloren-König und Heiligendamm-Retter Paul Morzynski liebt am Osten die Aufbruchstimmung und Energie – und hat zwei große Namen vor dem Ende bewahrt

Von AndreAs Meyer Heiligendamm. Hannover, Halle, Heiligendamm: Wirtschaftsprüfer Paul Morzynski hat zwei der bekanntesten Marken im Osten gerettet. Manches Mal erklärten ihn Geschäftspartner für verrückt. Doch Morzynski hat sich verliebt. In den Osten. H und H. Halloren und Heiligendamm. „Zufall“, sagt Paul Morzynski. Und lacht: „Aber ein schöner.“ Die traditionsreiche Schokoladen-Marke aus Halle und Deutschlands ältestes Seebad – beide sind mehr als 200 Jahre alt, beide haben große Namen (mittlerweile nicht nur im Osten) und beide gehören ihm, dem Wirtschaftsprüfer aus Hannover. Er hat sie gekauft, als sie vor dem Ruin standen. Um sie zu neuem Ruhm zu führen. In Halle ist das gelungen – und in Heiligendamm „schaffen wir das auch“, sagt der 64-Jährige, den Freunde nur liebevoll „Paule“ nennen und der so gar nicht zum Prototyp des westdeutschen Geschäftsmannes taugt, der nach der Wende im Osten die schnelle Mark machen wollte. Morzynski hat sich verliebt – in H und H, in die neuen Bundesländer. Dabei hatte er bis zur Wende keinerlei Beziehungen in den Osten. „Wir hatten keine Verwandtschaft in der ehemaligen DDR, keinerlei Bindung.“ Als die Mauer gebaut wurde, war er zwölf Jahre alt. „Ich bin mit der Teilung aufgewachsen und ich habe das irgendwann auch als normal empfunden.“ Auch als die Mauer schließlich gefallen und Deutschland wiedervereint war, blieb Morzynski zunächst in Hannover. Er gehörte nicht zu jenen „Goldgräbern“ der ersten Stunden. „Wir sind 1992 das erste Mal in die neuen Länder

Verliebt in den Osten: Paul Morzynski, neuer Eigentümer des Grand Hotels in Heiligendamm, steht vor dem Gebäudeensemble. gefahren. Als Wirtschaftsprüfer sollten wir uns mal für die Treuhand, mal für Dritte Betriebe anschauen.“ Sein erster Fall ist eine Korrosionsschutz-Firma in Sachsen-Anhalt. „Die Firma konnten wir retten, die gibt es bis heute“, sagt Morzynski. Irgendwann sei er dann auf Halloren angesprochen worden. „Wir sollten uns das mal anschauen und ich dachte zunächst an eine Glühbirnen-Fabrik, an Halogen-Strahler. Die Schokoladen kannte damals

im Westen ja keiner.“ Was Morzynski vorfand war eine „Trümmerlandschaft“: Bei jedem Regen leckte es durch das Fabrikdach. „Dann liefen da 100 Leute mit Wannen rum und versuchten, das Wasser aufzufangen.“ Die Fenster fielen fast aus den Angeln, die Maschinen waren völlig veraltet. „Aber der Name!“ Morzynski nahm sich der ältesten noch bestehenden Schokoladen-Fabrik in Deutschland an. Aus Ehrgeiz? „Ich weiß es nicht.

Mich hatte die Abenteuerlust gepackt.“ Und verliebt hatte er sich. In Halle, in die Marke Halloren. So manches Mal hätten ihn Geschäftspartner und auch die Banken für völlig verrückt erklärt. „Aber mir war klar, dass das was werden muss mit Halloren. Sonst hätten die mich in Halle aufgehängt.“ Es wurde was: Die Banken gaben ihm Millionen-Kredite, im Eiltempo wurde eine neue Fabrik aus dem Boden gestampft. Heute

Foto: Andreas Meyer

haben bei Halloren andere das Sagen. Morzynski ist „nur“ noch Aufsichtsratschef. Und größter Einzelaktionär eines börsennotierten Großunternehmens. „Wir machen mittlerweile mehr als 120 Millionen Euro Umsatz, 70 Prozent davon noch immer im Osten. Wir haben fünf Fabriken – unter anderem eine in Belgien und eine in den Niederlanden.“ Halloren zu retten – „das war die spannendste und schönste Zeit meines Leben“. Morzynski

schwärmt von der Aufbruchstimmung. Die habe es so im Westen nicht gegeben. „Im Osten gibt es die aber bis heute“, sagt der Geschäftsmann. In Heiligendamm zum Beispiel. In dem ältesten deutschen Seebad hat er mit seine Familie oft lange Wochenenden verbracht. „Aber auf die Idee, dass mir das Hotel mal gehöre würde, wäre ich nie gekommen.“ Als das Luxushotel – 2007 noch Austragungsort des G8-Gipfels der mächtigsten

Staats- und Regierungschefs der Welt – Insolvenz anmeldete, kam Morzynski wieder zum Zug: „Ich wurde von einem Investor mit den Verhandlungen beauftragt, sollte mir das Unternehmen genauer anschauen.“ Der Investor sprang ab, Morzynski blieb – und stieg ins Bieter-Rennen ein. Das Land Mecklenburg-Vorpommern wollte ihn unbedingt. Die Geschichte von Halloren hatte sich herumgesprochen. Die „Substanz“ stimmte, die Gebäude waren keine zehn Jahre zuvor saniert worden. Morzynski hielt das Risiko für überschaubar, die Banken nicht. „Zunächst wollte keine Geld geben. Wieder wurde ich für verrückt erklärt.“ Zwischen 20 und 30 Millionen Euro hat er schließlich bezahlt. Weil er sich – wieder mal – verliebt hatte. Im Osten. „Mir geht immer das Herz auf, wenn ich hier vorfahre.“ Bei anderen klingt das pathetisch, bei ihm ehrlich. Ein Jahr nach dem Kauf schreibt das Haus schwarze Zahlen. Nächstes Jahr will er einen Wellness-Bereich bauen. Für gut zehn Millionen Euro. Der fehlt bisher. „Im Grunde ist ein großes Hotel auch eine kleine Fabrik. Wäscherei, Blumerie, Küche. Die Maschinerie im Hintergrund muss stets laufen.“ Mit Fabriken kenne er sich schließlich aus. Dass er in den Osten gegangen ist – Morzynski hat das bis heute nicht bereut. Im Gegenteil. „Ich mag diese Aufbruchstimmung. Diese Energie.“ Leipzig – mehr Dynamik habe keine andere Stadt in Deutschland. Dresden – „meine Lieblingsstadt“. Neulich stand Morzynski mit seiner Frau am Wasser, an der Ostsee in Heiligendamm. Die Sonne rot leuchtend am Himmel. „Ist das nicht schön hier?“, hat er dann gefragt. Er, der Investor aus H. Hannover, Halle, Heiligendamm.

Omas Erfolgsrezept gilt noch immer

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Kathi hat sich als erfolgreiches Familien-Unternehmen etabliert Von Steffen HöHne Halle. Rainer Thiele öffnet die schweren Türen eines Holzschranks. Innen steht ein 1,50 hoher und ein Meter breiter Stahltresor. „Ein vergilbtes Blatt mit dem Originalrezept meiner Großmutter liegt darin“, sagt der Seniorchef des Backmischungsherstellers Kathi aus Halle. Die Augen des 71-Jährigen, der noch fast jeden Tag in der Firmenzentrale vorbeischaut, blitzen hinter seiner Brille. Chemikern würde es wohl nicht schwer fallen, die Bestandteile der Backmischung zu enträtseln. Geschützt wird weniger ein Geheim- als ein Erfolgsrezept. Denn Käthe Thiele hat nicht nur den Grundstein, sondern auch die Philosophie von Kathi geprägt, einem der erfolgreichsten Lebensmittelproduzenten im Osten. In der Garage eine Firma zu gründen, ist keine Erfindung des Silicon Valley. Die Konditortochter Käthe Thiele zog sich 1948 abends in die Hinterhofgarage ihres Elternhauses zurück, um Produkte zu entwickeln. Zunächst war dies eine Leberwurstpaste.

Es folgten Tütensuppen und Kartoffelprodukte. 1951 hoben sie und ihr Mann Kurt die Firma Kathi aus der Taufe. Der Name leitet sich aus den Anfangsbuchstaben der Gründerin ab. „Not macht erfinderisch“, erklärt Rainer Thiele den schnellen Erfolg. Da viele Zutaten zum Backen in der DDR rar waren, entwickelte seine Mutter eine Backmischung: Zucker, Weizenmehl, Stärke, Backpulver, eine Prise Salz, Vanille-Aroma – alles in einem. Dr. Oetker brachte im Westen erst in den 70er-Jahren eine Backmischung heraus. Mit dem Erfolg kamen jedoch auch Probleme. Der Bezirkswirtschaftsrat gestattete 1957 eine Investition nur unter der Auflage, einen Teil der Firma „freiwillig“ an den Staat abzutreten. 1972 erfolgte die komplette Verstaatlichung. Für Kurt Thiele war das eine Katastrophe. Er erlitt einen Gehörsturz. Rainer Thiele blieb noch drei Jahre Betriebschef – bevor auch er gehen musste. Käthe Thiele starb im März 1989. Vor ihrem Ableben gab sie ihrem Sohn auf den Weg, dass er, sollte sich irgendwann die Gele-

Die Welt des Backens: Reiner Thiele und Sohn Marco haben Kathi zum Erfolg geführt – nun auch in den USA. Foto: Jens Schlüter

genheit bieten, die Firma wieder erwerben sollte. Dass das nicht einmal mehr ein Jahr dauern sollte, konnte keiner von beiden ahnen. „Im März 1990 habe ich den Reprivatisierungsantrag gestellt“, sagt Thiele. Über ein Jahr dauerte es, bis diesem stattgegeben wurde. Mit acht Produkten ist Kathi nach der Wiedervereinigung gestartet und mit all den Herausforderungen, mit denen auch andere ostdeutsche Firmen kämpften. Über Nacht sei der Umsatz um 80 Prozent eingebrochen, erzählt Thiele. Die bunten Verpackungen von Dr. Oetker seien verführerisch gewesen. Marco fuhr mit dem Pkw kreuz und quer durch die Republik und bestückte Regale in Supermärkten. Ganz so wie früher die Oma – der zweite Neustart. Heute klingen die Geschichten wie aus einer fernen Zeit. Kathi hat sich als Mittelständler mit einem Jahresumsatz von 30 Millionen Euro fest etabliert. Vor allem die ostdeutschen Kunden kaufen wieder Kathi. Die Backmischungen erreichen in den neuen Ländern einen Marktanteil von 43 Prozent – weit vor dem großen Konkurrenten Dr. Oetker. Wie die Großmutter bleibt Firmenchef Marco Thiele konsequent der Marke treu: „Wir verkaufen nur unter dem Namen Kathi.“ Kathi vertraut auf Neuheiten. „Sechs bis zehn neue Produkte bringen wir jährlich heraus“, sagt Thiele. Das Sortiment, welches immer wieder bereinigt wird, umfasst 70 Produkte – vom Kuchenmehl bis zum Kuchen im Glas. Nach Worten des Firmenchefs soll Kathi eine gesamtdeutsche Marke werden. Noch liegt der Marktanteil in den alten Ländern bei bescheidenen fünf Prozent. Und seit einigen Monaten liefert man Backmischungen in die USA. Das Unternehmen profitiert von einem Trend, der sich in Deutschland wie den USA verfestigt. „Gerade junge Menschen backen am Wochenende wieder selbst“, sagt Thiele. „Wir machen es ihnen einfach.“ So wie früher schon die Großmutter.

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Leben im Osten – Wertewandel Studie

Donnerstag, 2. Oktober 2014

Der Zeitzeuge

Walter Lange hat nach langen Jahren in Pforzheim die Uhrmacher-Tradition seiner Familie in Glashütte wiederbelebt Von Peter Ufer Glashütte. Walter Lange blickt auf die Uhr. Wer zu spät kommt, sinkt sofort in seiner Achtung. Denn Zeit vergeht. Sie ist wertvoll. Außerdem ist es respektlos, andere warten zu lassen. Sagt er. Der Mann feierte gerade seinen 90. Geburtstag und legte nur wenige Tage vorher in Glashütte den Grundstein für ein neues Produktionsgebäude. Die 700 Mitarbeiter des Unternehmens A. Lange & Söhne brauchen mehr Platz. Vor 25 Jahren hatte dasselbe Unternehmen keinen Mitarbeiter und nur eine Briefkastenadresse in der Erzgebirgsstadt. Walter Lange übte zu der Zeit in Pforzheim mit seiner Frau den neuen Alltag des Rentnerdaseins. Doch der Uhrmacher stoppte abrupt sein Seniorentraining und ging zurück auf Start. Er fuhr in seine Geburtsstadt Glashütte, um am 7. Dezember 1990 – auf den Tag genau 145 Jahre nach der Gründung der Firma durch seinen Urgroßvater Ferdinand Adolph Lange – das Familienerbe wiederzubeleben. Schon einmal kam Walter Lange zurück nach Glashütte, das war am 8. Mai 1945. Dem 20-Jährigen steckte noch ein Granatsplitter im Oberschenkel. Souvenir von der Ostfront. Als er damals heimkehrte, zerstörte gerade eine Bombe die Firma seiner Eltern. Aber mit seinem Vater begann der Sohn sofort das Familienunternehmen wieder aufzubauen. Doch nach drei Jahren war Schluss. Lange musste mit ansehen, wie sie den Vater aus

dem Büro schmissen. Der Sohn kennt bis heute noch die Namen der Rausschmeißer, nennt sie die „deutschen Russen“. Ihn fragten die Genossen, ob er in die neue Gewerkschaft eintreten wolle. Er wollte nicht und erhielt sofort eine Zwangseinweisung in den Uranbergbau. Da floh der Glashütter noch in der gleichen Nacht und schwor: „Solange dieses System herrscht, komme ich nicht wieder.“ Das System nannte sich DDR und verwandelte das Familienunternehmen in einen volkseigenen Uhren-Betrieb und auf dem Zifferblatt der ersten produzierten Armbanduhr stand „VEB Lange“ und später GUB, Glashütter Uhrenbetrieb. Walter Lange hatte es da schon nach Pforzheim verschlagen. Er stellte dort mit seinem gleichfalls geflüchteten Bruder Uhren her. „Wir kauften Kartons mit Teilen für jeweils hundert Uhren, die wir dann am Küchentisch montierten.“ 1953 wurden die Mutter und der Onkel von Walter Lange in Glashütte verhaftet. Er holte den Vater zu sich, der kurz darauf, 1954, mit 70 Jahren starb. Als 1989 die Menschen in Sachsen begannen, das DDRSystem abzuschaffen, hoffte der 90-Jährige endlich das Unternehmen seiner Familie zurückzubekommen. Doch er täuschte sich. „Es folgte eine zweite Enteignung, die ich bis heute als Demütigung empfinde“, sagt Lange. Wer im Zeitraum zwischen Kriegsende und Gründung der DDR 1949 enteignet wurde, bekam nichts zurück, schrieb das Entschädigungsgesetz vor. Aber die Manager von Uhrenherstellern in der Bundesrepublik und

Familientradition: Walter Lange von der Uhrenmanufaktur Lange und Söhne vor der Büste von Ferdinand Adolph Lange in Glashütte. der Schweiz erinnerten sich sehr wohl an die Namen Lange, Glashütte und dessen Tradition. Einer von ihnen war Günter Blümlein, damals Chef der Gruppe Les Manufactures Horlogères (LMH). Unter dem Dach der LMH waren exklusive Schweizer Uhrenhersteller wie IWC und Jaeger-LeCoultre vereint. Die kannten das Potenzial von Lange, sie brauchten nur den Zugang zu Glashütte und den Namen. Den besaß Walter Lange.

Die erste Uhren-Kollektion entstand 1994. Die „Lange 1“ landete bei Händlern und Kunden mit ihrem unverwechselbaren Design eines asymmetrischen Zifferblatts und der Großdatumsanzeige einen spektakulären Erfolg. Der Kalender erinnert an die digitale Anzeige der Fünf-Minuten-Uhr über der Bühne der Semperoper, die der Dresdner Hofund Kleinuhrmacher Johann Christian Friedrich Gutkaes 1838 entwickelte. Er war der Lehr-

meister Ferdinand Adolph Langes, dem Glashütter Uhr-Großvater. Walter Lange ist heute kein Eigentümer mehr, er gab seine Anteile ab. Seit 2001 gehört das Unternehmen zum Luxuskonzern Richemont mit Sitz im Kanton Genf. Der 90-Jährige repräsentiert das Unternehmen mit großer Freude. So kam er zur Grundsteinlegung des neuen Manufakturgebäudes. Die Erweiterung hat wenig damit zu tun,

dass mehr Uhren hergestellt werden, es sind wenige tausend pro Jahr. Vielmehr arbeiten zurzeit pro Jahr 60 Mitarbeiter mehr in der Manufaktur, weil die Mechanik der Uhren immer komplexer wird. Nur für eine winzige Antriebskette beispielsweise fügen die Uhrmacher 636 Einzelteile zu 212 Gliedern zusammen. Heute gehört das sächsische Glashütte zu den Zentren der Uhrenherstellung weltweit. Neben A. Lange & Söhne haben hier

Foto: Amac Garbe

Glashütter Original, Union Glashütte, Nautische Instrumente Mühle, Moritz Grossmann und Nomos Glashütte ihren Sitz, die alle mechanische Uhren herstellen. Mit Quarzuhren beschäftigen sich das Bruno Söhnle Uhrenatelier, Kronsegler, Hemess und Tutima. Über 1300 Beschäftigte zählt jetzt die Uhrenindustrie. Walter Lange sagt: „Das Schicksal hat mich für meine Heimat aufgehoben. Aber alles braucht seine Zeit.“

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Wunder aus Stahl kommen seit 160 Jahren aus Zwickau K

reativer Stahlbau aus Zwickau hat eine 160-jährige Tradition und in ganz Europa seine Spuren hinterlassen. Die bekannteste Referenz des traditionellen Zwickauer Stahlbaus steht in Dresden – das Blaue Wunder. Die Elbe von Loschwitz nach Blasewitz überspannend, zieht es seit 1893 die Menschen durch zeitlose Schönheit in seinen Bann. Das historische Bauwerk ist Zeugnis deutscher Ingenieurskunst und heute Wahrzeichen der Stadt Dresden. In 2 Jahren für 2,25 Millionen Goldmark gebaut, steht die Brücke mit 280 Metern Länge für Kreativität aus Stahl. Ein Anspruch, dem sich die ZSB aus Zwickau auch heute noch verpflichtet fühlt.

Foto: Gk/Shotshop.com

Der Zwickauer Unternehmer Thomas Baumann, Geschäftsführer der ZSB, im Interview über kreativen Stahlbau und die Fortschreibung sächsischer Ingenieurskunst über Generationen

„Blaues Wunder“ in Dresden – Zeugnis deutscher Ingenieurskunst in der Tradition des Zwickauer Stahlbaus

Welche Werte leben Sie als Unternehmer Ihren Mitarbeitern und Kunden vor? Ich sehe unsere ZSB in der Tradition der deutschen Stahlunternehmer wie ehemals Krupp: erfolgreich und verantwortungsbewusst Unternehmen in schwierigem Marktumfeld zu führen! Unternehmer wie Krupp haben mit hoher Verantwortung für Mitarbeiter und Region gehandelt, sie haben ihre Unternehmen durch alle Schwierigkeiten hindurch mit hohem Verantwortungsbewusstsein für Nachhaltigkeit im wirtschaftlichen Erfolg, aber ebenso sozial engagiert geführt. Nur so entstehen motivierte und leistungsstarke Belegschaften. Daher finden wir immer wieder solche Mitarbeiter, die sich selbst in diesen Werten erkennen und sich bei uns verwirklichen können, weil sie die Freiräume spüren.

In welchen Märkten sind Sie zurzeit unterwegs? Wir bauen aktuell Projekte im Straßen- und Eisenbahnbau in Deutschland und der EU und haben kürzlich ein Tunnel-Projekt in Australien realisiert. Worin besteht für Sie persönlich der Reiz, Unternehmer zu sein? Ich kann die Welt in Stahl gestalten.

Wenn Sie mit Ihren Kunden nach dem Geschäftlichen beim Bier zusammensitzen, was erzählen Sie denen über Ihren persönlichen Weg, über die friedliche Herr Baumann, wie genau kamen Sie Revolution und die Besonderheiten der wirtschaftlichen auf die Idee, Unternehmer zu werden? Entwicklung in Ostdeutschland? Was macht die ZSB als Stahlbauer heute besonders? Wer geschichtlich bewandert ist, kann die historische Ich war bereits Produktionschef im Vorgän„Ich kann die Welt Wir sind stark in Sonderlösungen, die wir im Sinne des Leistung der Ostdeutschen bestens einordnen, erst recht gerunternehmen. Als das Unternehmen 2004 in Stahl gestalten.“ in eine Schieflage kam, entschloss ich mich, Kunden entwickeln und wir bauen transportable Sondergröunter dem heutigen Zeitgeschehen. Ich bekomme dafür Aufdie traditionsreiche Unternehmensgeschichte ßen, die sich effizient vor Ort zum Gesamtbauwerk kompletmerksamkeit und Respekt. tieren lassen. Hier ist unsere enorme technologische Erfahrung von Vorteil und unter neuem Namen und auf eigenes Risiko unsere besonders hohe Organisations- und Fertigungseffizienz. Was sind für Sie persönlich die größten Errungenschaften der friedlichen weiterzuführen. Ich übernahm den Betrieb Revolution von 1989? 2004 im Management-Buy-Out. Meine Motivation zum Unternehmertum entstand Worin besteht Ihr persönliches Erfolgsrezept? Ich schätze als Mensch und Unternehmer die Freiheit, all das tun zu können, was Langfristiges, nachhaltiges Denken und Handeln bei der Unternehmensentich möchte. durch mein Herzblut zu dem Unternehmen und dem Standort in der Region plus dem wicklung in Verbindung mit kreativen, sächsischem Ingenieurswissen. Was erzählen Sie Azubis, die bei der ZSB ihre Ausbildung beginnen? Wissen, dass das Unternehmen aufgrund Die ZSB ist das richtige Unternehmen für junge Menschen, die etwas gestalten wollen seiner Produktion und dem Ingenieurs-Know-How wettbewerbsfähig und zuAuf welche Traditionen können Sie zurückgreifen? Die ZSB steht in der 160-jährigen Tradition von Stahlerzeugung und Brückenund Herausforderungen annehmen. Unser Kapital ist der Mensch und das spüren die kunftsfähig ist. Dieses Unternehmen musste einfach weiter bestehen. Azubis, schon wenn sie kommen. Und so macht Arbeit großen Spaß, ein Leben lang. bau in Zwickau. Das bekannteste Projekt ist das Blaue Wunder in Dresden, was Auf welche Leistungen der ZSB sind Sie heute besonders stolz? damals wie heute eine technologische Meisterleistung darstellt und die Menschen Wir sind stolz auf den durchgehend positiven GeschäftsverHerr Baumann, wir bedanken uns für das Gespräch. immer wieder durch ihr wunderbares Design bezaubert. Wer Stahlbau mag, liebt das Blaue Wunder in Dresden. Man kann lauf, der sich besonders durch den enormen Mitarbeiterauf„Dieses Unternehmen musste bau von über 100 Neueinstellungen in den letzten Jahren sagen, damit ist ein Wahrzeichen geschaffen, so etwas kann einfach weiter bestehen.“ ausdrückt. Auch über unsere ausgezeichnete Bekanntheit am kreativer Stahlbau leisten. In dieser Tradition stehen wir. Markt und exzellente Marktperformance. Wir verwirklichen Was ist das typisch Ostdeutsche an der Unternehmensgeschichte der für die Projekte unserer Kunden optimale Ideen und sind nicht nur ingenieurtechZSB und Ihrer eigenen Unternehmergeschichte? nisch stark, sondern auch im Projektsinne kreativ. So entstehen für den Kunden Zwickauer Sonderstahlbau GmbH Die Wende war ein großer Vorteil für alle unternehmerisch ambitionierten Menschen, so neue Nutzen und Lösungen, die meist Referenzcharakter bekommen. Wir haben Äußere Dresdner Str. 12 | 08066 Zwickau seit 2005 die stolze Summe von 15 Mio. Euro investiert. Wir freuen uns darüber, auch für mich. Für den Zwickauer Stahlbau öffnete sich 1990 ein gewaltiger RessourcenTel.: 0375/6796-0 | Fax: 0375/6796-202 und Absatzmarkt, den wir heute optimal nutzen können in Verbindung mit regionaler E-Mail: info@zsb-sonderstahlbau.de dass es uns in nur 10 Jahren gelungen ist, eine internationale Reputation für anwww.zsb-sonderstahlbau.de Spitzenforschung wie Fraunhofer Gesellschaft und den regionalen Hochschulen. spruchsvolle ingenieurtechnische Lösungen in Stahl zu erwerben.


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Donnerstag, 2. Oktober 2014

Herkunft & Identifikation

Wer wir sind: Europäer, Deutsche oder eher Ost- bzw. Westdeutsche 17%

27% VERSUS

26%

18%

Gemeinsamkeiten überwiegen

VERSUS

50%

Deutsche

Ost

48%

28%

Selbstbewusst

Religiös

Unzufrieden

Misstrauisch

Westdeutsche über Ostdeutsche

11%

47% 33%

Westdeutsche über Westdeutsche

7%

Landsmann

West

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre

56%

Ost- bzw. Westdeutsche

Ost

45%

Unterschiede überwiegen

6%

Europäer

Ossis vs. Wessis: Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Ehrgeizig, arrogant, bürokratisch Sinn für Gemeinschaft

13% jeder 2. in Ostdeutschland fühlt sich inzwischen als Bundesbürger

West

37%

44%

51%

59%

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre Ostdeutsche über Ostdeutsche

Identifikationsebene der Ostdeutschen

Bescheiden

Sinn für Gemeinschaft

Erfinderisch

Geldgierig

Selbstbewusst

Ostdeutsche Arrogant, religiös über Westdeutsche

Unentschieden, keine Angabe

6%

57%

49% 67%

Ost

Stadt bzw. Ort

West

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre

36%

Allgemeine wirtschaftliche Lage in Ostdeutschland

Ostdeutschland

61%

Zufriedenheit mit eigener wirtschaftlicher Situation

56%

15%

Ost

West

Aufwärtstrend seit 2009: Seit dem Jahr 2009 ist der Zufriedenheitsgrad in Ostdeutschland um mehr als 25% gewachsen. Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre

sehr gut eher gut

Ostberlin

39%

Thüringen

37%

eher schlecht sehr schlecht

33%

Meckl.-Vorp.

24%

Brandenburg Sachsen-Anhalt

Gute Schulen/ Universitäten

73%

Kein Anstieg von Steuern/ Abgaben

72%

Gleiche Bildungschancen

71%

Anstieg der Energiepreise verhindern

70%

- Der Osten ist stolz auf seine Herkunft und Geschichte – man lebt gern hier.

Keine großen sozialen Unterschiede

69%

- Ostdeutschland bleibt emotionale Heimat, man sieht sich klar als Deutscher (die EU ist fern).

Unterstützung junger Familien

67%

- Unterschiede zwischen Ost und West ergeben sich lediglich in Bezug auf die Einstellung zum politischen und wirtschaftlichen System: Die Ostdeutschen stehen dem politischen System in Deutschland distanzierter gegenüber und auch die Identifikation mit dem Wirtschaftssystem bleibt hinter dem westdeutschen Niveau zurück. - Man pflegt trotzdem seine Klischees übereinander.

Identität Ost

75%

68%

- Die Verlierer der Wende bleiben sich treu bis in die Rente. - Man kann heute entspannt mit der Ex-DDR umgehen, sie verliert sich in zunehmender Unschärfe und wird Geschichte.

Ost

„ja, gab es“

39%

Deutschlandweit für Sie unterwegs.

88% Platz 1 22%

Ihr Spezialist für kälte- und klimatechnische Anlagen Der Dresdner Kühlanlagenbau (DKA) ist der größte herstellerunabhängige Kälteanlagenbauer Deutschlands mit 61-jähriger Tradition. Als Top Anlagenbauer und zuverlässiger Servicepartner

Mietpreise

84%

100

Kinderbetreuung

11%

sind wir rund um die Uhr mit insgesamt 400 Kälteanlagenbauern deutschlandweit für Sie im Einsatz. Seit 2013 sind wir als 100%iges Tochterunternehmen des Multidienstleisters Dussmann weiterhin auf Wachstumskurs und suchen deshalb stets ambitionierte Mitarbeiter, sowohl für unsere bestehenden,

82% Platz 3

Zusammengehö8% rigkeitsgefühl Ost

West

als auch für unsere neuen Standorte. Seit der Wende hat der DKA bereits 416 Jugendliche zum Mechatroniker für Kältetechnik (w/m) ausgebildet und will auch im Jahr 2015 wieder 33 Lehrlinge deutschlandweit in diesem Berufsbild ausbilden.

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre

Das ist jetzt besser als in der DDR: 94%

93%

80%

15

Dresdner Kühlanlagenbau GmbH Werdauer Straße 1-3, 01069 Dresden www.dka.eu 24h-Service-Hotline 0800.6 333 666

2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014

Ein Unternehmen der Dussmann Group Warenangebot

Reisefreiheit

Meinungsfreiheit

Basis: Ostdeutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre

West

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre

Gab es in DDR Dinge, die besser waren als in der BRD?

Weniger Arbeitslosigkeit

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Berufstätige

78%

eher schlecht, schlecht

Platz 2

West

79%

Basis: Ostdeutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre

Sorge um den Arbeitsplatz

Ost

80%

40%

sehr gut, gut

Kinderbetreuung

0

80%

36%

9%

Arbeitsplatzsicherheit

19

36%

40%

Das war in der DDR besser:

Basis: Ostdeutschland, Bevölkerung unter 55 Jahre

80%

16%

26%

34%

2%

Angleichung Löhne & Gehälter im Osten

22%

Basis: Westdeutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre

16%

86%

10%

„würde das nicht sagen“

51%

81%

Sichere Rente

Allgemeine wirtschaftliche Lage — Beurteilung nach Regionen

27%

10%

87%

eher schlecht schlecht

keine Angabe

Einschätzung der beruflichen Perspektiven

86%

1%

Sachsen

1990 1991 1992 1996 2000 2002 2009 2011 2014

- Die Generationen sind sich des damit verbundenen Wandels bewusst und sehen darin ihre eigenen Chancen und Risiken.

Gute Gesundheitsversorgung

87%

Basis: Bundesrepublik Deutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre

54

0

- Der demografische Wandel wird zum Auslöser vieler Sorgen.

86%

West

sehr gut, gut teils gut, teils schlecht

52

- Menschen zwischen 30 und 44 Jahren und zwischen 45 und 60 Jahren entwickeln zunehmend größere Gemeinsamkeiten in den Werten und Einschätzungen

Von Rente leben können

16%

Ost

Trendwende in 2009

- Unterschiede finden sich deutlich ausgeprägter zwischen den verschiedenen Generationen und sozialen Schichten.

- Die Werte, Sorgen und Wünsche gleichen sich an – bis auf die Religion, die in Ostdeutschland eine marginale Rolle spielt.

Erwartungen an die Politik

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3%

100

Wertewandel Ost

- Die Unterschiede zwischen Ost und West nehmen tendenziell ab. Ein Ost-West-Gefälle hinsichtlich der subjektiven Lebenszufriedenheit existiert 25 Jahre nach dem Mauerfall nicht mehr. Den

12%

Basis: Ostdeutschland, Bevölkerung ab 16 Jahre

„Jammer-Ossi“ gibt es nicht – mehr als jeder Zweite bezeichnet die eigene wirtschaftliche Lage als (sehr) gut.

Ost-West

18%

18%

Frankfurt (Oder). 25 Jahre nach dem Mauerfall war es an der Zeit, den Wandel in Haltungen und Normen zu untersuchen – um zu klären, was die Menschen im Osten heute bewegt. Darauf gibt die Studie „Wertewandel Ost“ Antworten. Hier eine Zusammenfassung:

- Die Generation bis 30 Jahre zeigt sich mobil und aufstiegsbewusst, der Westen lockt immer noch mit Geld und Karriere.

55%

Deutschland

Ergebnisse der Studie „Wertewandel Ost“

- Die Ostdeutschen unterscheiden sich zum Teil erheblich in ihren Werten und Zielen, während es zwischen Ost- und Westdeutschland kaum noch Unterschiede in den Wertvorstellungen gibt.

71%

60%

Werte, Sorgen und Wünsche gleichen sich an

7


8

Leben im Osten – Wertewandel Studie

Donnerstag, 2. Oktober 2014

Immer an die richtige Stelle

Ein Eisenhüttenstädter Unternehmen hat den weltweit ersten Roboter für die Gepäckverladung auf Flughäfen entwickelt Von Jörg Schreiber und haJo Zenker Eisenhüttenstadt. Während das größte ostdeutsche Infrastrukturprojekt, der Pannen-Hauptstadtflughafen BER, leise vor sich hin träumt, ist in Schönefeld wenigstens eine Sache in Sachen Abfertigung von Flügen hochmodern: die Gepäckverladung am einstigen DDRZentralflughafen. Beim Billigflieger Easyjet wird ausprobiert, wie die automatische Verladung von Koffern und Taschen funktioniert. Zu verdanken ist das einer Firma aus Eisenhüttenstadt: Die Unitechnik GmbH entwickelte einen Roboter, der auf Flughäfen Gepäck vom Band nehmen und ordentlich in Container verladen kann. Und damit den Menschen schwere Arbeit erspart. Damit hat die Firma, die eigentlich Spezialist für Automatisierungstechnik von Walzwerken ist, eine Lücke geschlossen: Auf großen internationalen Flughäfen läuft zwar vieles wie am Schnürchen – Transportbänder befördern Koffer und Reisetaschen vom Check-In-Schalter aus über meist weite Strecken bis zu Gepäckwagen oder -containern. Doch verladen werden die Stücke dann in der Regel per Hand. Eine im wahrsten Sinne des Wortes schwere Tätigkeit: Ein Arbeiter muss pro Schicht viele Tonnen bewegen. Bei Easyjet am alten Flughafen in Schönefeld hat diese Arbeit mittlerweile ein automatisches Gepäckverladesystem namens Unipack übernommen. Kernstück ist ein Roboter mit einem langen Knickarm und einer patentierten Teleskop-Hand, die Gepäckstücke vom Band aufnimmt und exakt an eine vorher

berechnete, optimale Stelle im Container verlädt. Entwickelt wurde das System durch die Unitechnik Automatisierungs GmbH Eisenhüttenstadt gemeinsam mit der Projektlogistik GmbH Wildau und der ebenfalls in der Stahlstadt beheimateten Richtsteig Anlagentechnik. „Das ist eine Weltneuheit“, sagt Unitechnik-Geschäftsführer Eckhard Wilberg. Easyjet sei der erste Partner, mit dem seine Firma einen Vertrag zur praktischen Anwendung geschlossen hat. Damit ist für das System nach vielen Jahren des Entwickelns und des Marketings endlich ein Durchbruch gelungen. Seit 2007 war an Unipack getüftelt worden. Und das, obwohl andere, größere Firmen an so einem Projekt gescheitert waren. „Jeder sagte, Ihr habt keine Chance“, erinnert sich Wilberg. „Wir wagten uns trotzdem vor und steckten viel Entwicklungsleistung in das Projekt.“ Das war alles andere als ein Kinderspiel. Schließlich sind für das Verladen eines einzigen Koffers 1,2 Millionen Rechenoperationen nötig. Im Gegensatz zu einem Roboter in der Industrie, der immer dieselben Bewegungen macht, muss der Greifarm des Gepäckverladesystems ständig in unterschiedliche Richtungen arbeiten. Und er muss vorsichtig vorgehen, um das Gepäck nicht zu beschädigen. So wurde die Teleskop-Hand entwickelt, die Gepäckstücke behutsam aufnimmt. Ingenieure arbeiteten lange an der Software, sodass die Sensoren Lage und Größe der Koffer und Taschen erkennen und ein optimaler Ablageplatz berechnet wird. In das Projekt flossen knapp 335 500 Euro aus EU-Mitteln. Die auf Automatisierungslösun-

Ganz automatisch: Das von der Firma Unitechnik entwickelte Robotersystem stapelt Koffer und Taschen platzsparend im Container. Der flexible Greifarm mit der Teleskop-Hand sorgt für den notwendigen Bewegungsspielraum. Foto: Gerrit Freitag gen in der Metallurgie spezialisierte, weltweit aktive Firma investierte selbst noch einmal mehr als diese Summe aus Eigenmitteln. Es gab Auszeichnungen, Unitechnik wandte sich an potenzielle Kunden, Interessenten schauten sich die Pilotanlage an. Für das Prestige ist diese Innovation also gut. Aber eigentlich macht Unitechnik andere Dinge: Mit der Stahlbranche ging es

1991 los. Im benachbarten Stahlwerk EKO, heute ArcelorMittal Eisenhüttenstadt, zog man den ersten Großauftrag an Land – in Konkurrenz zu Weltkonzernen. Mit der Modernisierung einer Beizanlage für Stahlband hatte man eine erste wichtige Referenz vorzuweisen, weitere Projekte im EKO, etwa beim Engineering für das Warmwalzwerk, folgten. Doch mit der Steuerung von

Anlagen in der Stahlindustrie allein wollte Unitechnik nicht mehr sein Geld verdienen. So tat man sich für immer mehr Projekte mit Maschinen- und Anlagenbauern zusammen. Um beispielsweise am laufenden Band Walzanlagen für Aluminiumfolie zu planen, zu errichten und in Betrieb zu nehmen. Besonderheit: Hier werden Alufolien bis auf eine Dicke von fünf my he-

runtergewalzt – ein my (heute eigentlich Mikrometer) ist ein Tausendstel Millimeter. Eine absolute Spitzenleistung. Sie findet in der Lebensmittelverpackung, etwa auf der Innenseite von Tetrapaks, Verwendung. Allein 20 Walzwerke mit Eisenhüttenstädter Beteiligung stehen in China. Das ist für die Firma ein lukrativer Markt. Aber, sagt Eckhard Wilberg, „da-

mit verlangen wir unseren Mitarbeitern auch viel ab“. Schließlich sind sie Wochen und Monate von den Familien getrennt, wenn solch ein Projekt realisiert wird. Dabei gilt im Gegensatz zu Konzernen: Der Entwickler, der die Software für eine Anlage geschrieben hat, nimmt sie auch vor Ort in Betrieb. „Da ist der Lernfaktor riesengroß.“ 1991 hatte man mit zwölf Mitarbeitern begonnen. Heute kümmern sich 90 Unitechniker, darunter 40 Ingenieure, um Projektierung, Entwicklung und Instandsetzung genauso wie um Montage, Bauleitung oder Schaltschrankfertigung. Und der Geschäftsführer betont: „Unsere Arbeit funktioniert nur gut, wenn die Familien der Mitarbeiter mitziehen.“ Da allerdings gibt es auch ein Problem: Die mittlerweile knapp gesäten Fachkräfte nach Eisenhüttenstadt zu locken, scheitert häufig an den Frauen – weil die in der Region oft genug keine Arbeit finden. Noch viel schwieriger allerdings ist es für das Unternehmen, Auszubildende zu finden. Dabei kann Unitechnik eigentlich damit locken, nach der Ausbildung einen Job anbieten zu können – doch das reicht heute direkt an der polnischen Grenze nicht mehr. Man muss schon aktiv auf junge Leute zugehen, um sie vom Betrieb zu überzeugen. Bei Christian Frank hat das geklappt: Nach einem Studium an der FU in Magdeburg und einem Praktikum bei Unitechnik – „das hat echt Spaß gemacht“ – unterschrieb er gerade einen Arbeitsvertrag bei dem Eisenhüttenstädter Unternehmen. Und kümmert sich nun zuerst einmal darum, dass die automatische Gepäckverladung immer besser wird – und eines Tages vielleicht auch einmal am BER im Einsatz ist.

Alte Liebe rostet nicht

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Wie das Publikum aus dem Westen das Meininger Theater rettete Von Peter Lauterbach

ZEIT FÜR EINE NEUE WENDE – WIR HABEN DIE ENERGIE DAZU.

Meiningen. Schon der alte Theaterherzog soll gelegentlich über den künstlerischen Horizont seiner Landsleute gebrummelt haben. Er erschien ihm wohl etwas niedrig. Die Franken, meinte Georg, seien „musischer“, als die „Kloßköpfe“ im Meiningischen. Ob der Landesvater damit recht hatte, lag wohl schon damals im Auge des Betrachters. Und scheint noch heute Ansichtssache. Fakt jedoch ist, dass schon alsbald nach Fertigstellung der Königlich-Bayerischen Eisenbahnlinie von Meiningen nach Schweinfurt Theaterzüge mit illustrem Publikum an die Werra rollten. Das ist jetzt bald 150 Jahre her. Noch immer kommen die Schweinfurter, Kissinger, Neustädter, Mellrichstädter und sonstige Unterfranken, um an „ihrem“ klassizistischen Theater Oper, Operette, Ballett und Schauspiel zu genießen. Eine Liebe, die noch nie Grenzen kannte – selbst dann nicht, als der Grenzzaun viele Jahre lang Nachbarn trennte und Eisenbahngleise unterbrach. Manche, berichtet Intendant Ansgar Haag, seien sogar trotz der Sperranlagen gerne und oft gekommen. Das Meininger Theater gewährte ihnen wie jedem an-

deren Besucher Abonnements. Sie reisten über Henneberg, den einstigen Grenzübergang, tauschten brav ihre 25 Westmark „Eintrittsgeld“ um, für das sie seinerzeit locker gleich mehrere Theater-Tickets hätten erwerben können. Meiningen war für das Publikum aus dem Land hinter dem Zaun ein günstiges Vergnügen. Aber eben auch ein künstlerisch attraktives. Wenn es denn noch eines Beweises bedarf, dass es die Unbestechlichkeit der reinen Kunst ist, die trotz allem Menschen verbindet – in Meiningen wurde er erbracht. Als die Zäune fielen, war der Jubel zunächst grenzenlos. „Dass es das Meininger Theater wieder gibt, ist das Beste an der Wiedervereinigung“, ließen manche ihren Gefühlsregungen spontanen Lauf. Die alte Liebe entbrannte neu – auch bei jenen, die sich in all den Jahren freiwillig dem trennenden Diktat der Grenzanlagen fügten. Ulrich Burkhardt, der Meininger Nachwende-Intendant, hatte klug die meisten künstlerischen Leitungspositionen nicht neu besetzt. Und Schauspieler und Sänger erst einmal ans Haus gebunden. So geriet das Meininger Theater in den euphorischen, aber eben auch wilden Wendezeiten nicht in personelle Strudel. Und es erwies sich, dass sich das Publi-

kum aus Ost und West so fremd gar nicht war. Gemeinsam erfreute man sich am Kulturerlebnis. Gemeinsam hegte man das Gefühl, an diesem Theater zu Hause zu sein – auch wenn der eine am Rennsteig wohnt und der andere am Main. Auch wenn sich die Geschmäcker noch immer unterscheiden. Für den Theatermacher ist das Segen und Fluch zugleich. Ulrich Burkhardt erreichte in den 1990er-Jahren zwar die Gründung einer Theaterstiftung, zu der das Land Thüringen Jahr für Jahr 80 Prozent eines üppigen Etats beisteuert – davon können andere Theater nur träumen. Dennoch hat sich das Publikum in den vergangenen Jahren deutlich verändert. Der neue, selbstbewusste Titel eines Staatstheaters, die 25 Millionen Euro teure Grundsanierung vor drei Jahren – all das hat nicht mehr Besucher angelockt. Bustouristen, viele Jahre lang eine sichere Bank, bleiben zunehmend aus. Auch Meiningen spürt, dass das Stammpublikum älter wird, die Jüngeren nicht in gleichem Maße die Welt des Theaters für sich entdecken. Und dennoch: Ohne die nach wie vor vielen Kultursinnigen aus dem Nachbarland Bayern würde es dieses Theater heute so nicht mehr geben.

enviaM und MITGAS gestalten gemeinsam die EnergieZukunft für Ostdeutschland.

Programm für Besucher aus Ost und West: Intendant Ansgar Haag .

Foto: Michael Reichel


Leben im Osten – Wertewandel Studie

Donnerstag, 2. Oktober 2014

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Kalifornische Sensibilität für Berlin

Die Aufbruchstimmung in der deutschen Hauptstadt wird auch im Silicon Valley wahrgenommen – und lockt immer mehr Führungskräfte an Von Jonas Rest Berlin. Die gern Headhunter genannten Personalvermittler spezialisieren sich darauf, Führungskräfte von Apple & Co aus den USA zu den Berliner Gründern, in die hiesigen Start-ups zu bringen. Für den Übergang braucht es einen Coach. Wenn man mit Brent Hurtig spricht, kann man erahnen, wie er Führungskräfte aus dem Silicon Valley davon überzeugt, dass die Chance ihres Lebens in Berlin liegt. Hurtig hört erst genau zu, dann antwortet er, präzise, geradlinig und vor allem mit einer ansteckenden Begeisterung, vor der auch Top-Manager von Apple bis Yahoo nicht gefeit sind. Hurtig überzeugt immer öfter Spitzenleute, das Valley in Kalifornien zu verlassen – und nach Berlin aufzubrechen. Hurtig ist Headhunter. Er ist Partner der Firma Parker Remick, die sich auf die Suche von Führungskräften für Technologiefirmen spezialisiert hat. Die Klientenliste liest sich wie ein Index der erfolgreichsten Internetfirmen. Für Amazon, Google, Paypal und Youtube hat Hurtig ebenso schon Top-Manager gesucht wie für bekannte Investmentfirmen wie Sequoia Capital oder Benchmark Capital. Doch inzwischen sucht Hurtig immer öfter für Start-ups aus Berlin. Die Musikplattform Soundcloud, eines der bekanntesten Berliner Start-ups mit mehr als 250 Millionen Nutzern, gehört genauso dazu wie Auctionata, ein auf Kunst spezialisiertes Internet-Auktionshaus, das neben der Firmenzentrale in Berlin wie Soundcloud bereits über Büros in New York, London und anderen Standorten verfügt. Wenn sie sich an Hurtig wenden, haben sie etwas Besonderes im Sinn: „Silicon-Valley-DNA“, nennt es Hurtig. Zwar gebe es in Berlin keinen Mangel an talentierten Entwicklern und Managern, sagt Hurtig. Doch wenn ein Start-up eine gewisse Stufe erreiche, gebe es oft das Gefühl, dass Erfahrungen aus dem Silicon Valley hilfreich sind, um ihrem Angebot den Feinschliff für die internationalen Märkte, vor allem den in den USA, zu geben. „Es geht um Produktsensibilität“, sagt Hurtig. Darum etwa, die Vorlieben der US-Amerikaner für Kreditkarten bei der Bezahlung zu verstehen, aber auch um mikroskopische Feinheiten im Design, die dafür sorgten, dass es auf dem USMarkt ankommt. „Es geht nicht darum, das Produkt zu amerikanisieren – aber es Amerika-kompatibel zu machen.“ Um für Hurtigs Auswahl infrage zu kommen, reicht es allerdings nicht, ein erfolgreicher Silicon-Valley-Manager zu sein. Zwar suchten die Berliner Start-

Mittler zwischen Kalifornien und Berlin: Brent Hurtig und Karen Kargar Foto: Paulus Ponizak

ups erfahrene Führungskräfte, am besten von den führenden Technologiefirmen in den USA. Doch etwas anderes sei noch wichtiger, sagt Hurtig: Dass die Manager auch Start-up-Erfahrung haben. „Gesucht werden Personen, die auch die Ärmel hochkrempeln und einfach Dinge erledigen können.“ Vor allem aber müssten sie die Bereitschaft mitbringen, sich auf Berlin und die hiesige Szene einzulassen. „Die Start-ups hier suchen keine arroganten Amerikaner mit Baseballkappe, die ihnen erklä-

ren, wo es lang geht.“ Anders als viele Headhunting-Firmen wird Hurtig für seine Beratung bezahlt, nicht für die Vermittlung. „Auch dafür auszusieben“, sagt er. David Hershfield ist einer von denen, der Hurtigs Auswahl überstanden hat. Er hat beim Zahlungsdienst Paypal in Führungspositionen gearbeitet, als dieser zum Zugpferd für das Wachstum von Ebay wurde. Nun ist er in Berlin Produkt-Chef des Online-Auktionshauses Auctionata. Als er in seinem LinkedIn-

Profil die neue Position eintrug, meldeten sich viele Kontakte aus dem Valley, und wollten genau wissen, wie es ist. Berlin, sagt er, stößt im Silicon Valley inzwischen auf ein enormes Interesse. Es erinnere, sagt Headhunter Brent Hurtig, an San Francisco zu seinen aufregendsten Zeiten. Eine anziehende Aufbruchsstimmung, die auch im Silicon Valley wahrgenommen wird. Das war einmal anders. Hurtig kann sich noch genau daran erinnern, als er begann, für Soundcloud nach Führungskräften im

Abseits der Schlagzeilen

Seit vier Jahren treffen sich Thüringer und Bayern beim Grenzer-Stammtisch von Bad Steben Von Jens Voigt Bad Steben. Eine Wiese am Kulmberg im äußersten Südosten Thüringens, hüfthoch wuchert Gras um einen Vogelbeerbaum, daran ein verwittertes Kreuz. Kein Name, nur „Oktober 1966“ gibt die geritzte Inschrift gerade noch preis, umrankt von einer Girlande aus Kunstblumen. „Wir wissen’s a net“, sagt Ralf Oelschlegel in weichem Fränkisch auf die Frage, wessen hier gedacht wird. Drüben, am Bach, ragte der Streckmetallzaun auf, davor war das Minenfeld. „Wir stehen genau drauf“, bestätigt Günther Heinze. „Und wir haben g’schaut, wenn’s wieder geknallt hat“, ergänzt Franz Hagen. Sie kennen sich aus hier, wo von der einstigen Bruchlinie zwischen Ost und West nur noch der Beton des vormaligen Kolonnenweges kündet, der Streifen ungezähmter Jungbäume und manchmal ein Kreuz. Günther Heinze aus Schlegel in Thüringen ging hier als Soldat der DDR-Grenztruppen Streife, Hans Hagen für die Bayerische Grenzpolizei auf der anderen Seite. „Und ich vielleicht manchmal dazwischen“, sagt Ralf Oelschlegel. Schließlich

Gedenken an ein unbekanntes Opfer: Angehörige des Grenzer-Stammtischs betrachten das Kreuz auf einer Wiese am Kulmberg, das an ein Opfer des einstigen Minenfeldes erinnert. Foto: Jens Voigt hätten sie als Kinder aus Carlsgrün (Bayern) oft genug ihre Laubhütten auf dem vermeintlichen Niemandsland gebaut. So nahe sie sich zuweilen kamen, so fern blieb man einander, damals. „Die durften ja nicht mit uns reden“, erinnert sich Egon Herrmann, der für den Zoll auf der bayerischen Seite unterwegs war. Mancher Ost-Grenzer habe verstohlen Handsignale gegeben

oder auch sein Bandmaß aus der Tasche geholt. „Da haben wir dann fix mit dem Fernglas geschaut, wie lang der arme Kerl noch Dienst schrubben muss“, lacht Herrmann. Doch je weiter die DDR die Grenze aufrüstete, mit Signaldraht, Minen, Selbstschussanlagen, noch mehr und noch höheren Zäunen, desto mehr erstarb jeglicher Kontakt. Inzwischen aber reden sie

miteinander, der einstige DDRGefreite Heinze und der vormalige bayerische Hauptkommissar Hagen, Herrmann, der immer noch beim Zoll ist in Hof, und auch der Thüringer Adolf Glaser, der Ende der Fünfziger diente. Sieben Männer bildeten die Urzelle des „Grenzer-Stammtisches“ von Bad Steben, gegründet am 3. Oktober vor vier Jahren. 18 Mitglieder hat er insgesamt und nicht selten mehr als das Doppelte bei seinen Treffen, jeden dritten Montag im Monat, mal in Thüringen, mal in Franken. „Bei uns wird keiner umerzogen, jeder erzählt so, wie er es für richtig hält“, sagt Heinze. Freilich, nicht immer kommen sie überein. „Dann bleibt das halt so stehen.“ Und der Stammtisch geht auch nach draußen, an Schulen, zu Festen, bestückt Ausstellungen. Man kann Wanderungen wie den „Kontrollgang zum Kulmberg“ buchen. Oder einfach dazu kommen, wenn es am 3. Oktober um 10 Uhr wieder losgeht zur Wanderung von Carlsgrün nach Schlegel, über und auf dem grünen Band, das jetzt so voller Leben steckt. Und voller Geschichten, die noch zu erzählen sind.

Silicon Valley zu suchen – vor rund zwei Jahren. „Als sie Berlin hörten, lachten viele“, sagt er. „Es war damals noch fernab des Valley-Kosmos.“ Nahm ein Silicon-Valley-Manager früher ein Angebot in Europa an, wurde das als Abstieg gewertet. „Viele hatten Sorge, nie mehr zurückkommen zu können.“ Inzwischen wird es dagegen als Erfahrungsgewinn gesehen, sagt Hurtig. Als Beleg, die europäischen Märkte zu verstehen. Das wird immer wichtiger. Denn beschränkten sich Silicon-Valley-

Firmen oft lange auf den riesigen US-Markt, bevor sie expandierten, internationalisieren sie sich nun immer schneller. Die Führungskräfte, die aus Silicon Valley nach Berlin kommen, sind dafür bereit, Gehaltseinbußen hinzunehmen – aber, sagt Hurtig, nur zu einem bestimmten Punkt. „Auch wenn die Lebenshaltungskosten in Berlin deutlich niedriger sind als im Silicon Valley, ist das Niveau, das Start-ups in San Francisco zahlen würden, meist die Untergrenze.“ Dort werden für

Führungspositionen zwischen 200 000 und 250 000 Dollar fällig, zusätzlich Boni, die noch einmal ein Drittel mehr bedeuten können, sowie Beteiligungen an Firmen. Insgesamt landen nicht wenige so bei rund einer halben Million Dollar. Inzwischen weiß Hurtig: Die Herausforderung ist aber nicht nur, die Manager nach Berlin zu bringen, sondern auch, ihnen zu helfen, sich an die Berliner Eigenheiten anzupassen. Inzwischen hat Hurtig dafür einen Coach engagiert, der die vermittelten Führungskräfte behutsam an die deutschen Besonderheiten heranführt. Karen Kargar ist ihr Name, eine US-Amerikanerin, die bereits vor 20 Jahren nach Berlin kam. Am Anfang sei sie fast eingegangen, sagt sie. In den USA gehöre es dazu, neue Personen schnell zu integrieren – und wenn es nur ein Small Talk in der Bar ist. „In Berlin gehört es dagegen zum guten Ton, cool und distanziert zu sein“, sagt sie. „Es kümmert niemanden, wenn eine Person in Unterhose die Straße herunterläuft, aber es kümmert sich eben auch niemand.“ Kargar erklärt den Top-Managern aus dem Silicon Valley die besondere Berliner Willkommenskultur ebenso wie die anderen kleinen kulturellen Nuancen, die selbst gestandene Führungskräfte zur Verzweiflung treiben können. „Es kann passieren, dass sie die Welt nicht mehr verstehen, wenn sie plötzlich einem Haufen 22-Jähriger gegenüberstehen, die Anweisungen nicht folgen, sondern Diskussionsbedarf anmelden, was in den meisten Firmen im Silicon Valley undenkbar wäre.“ Kagar erklärt den Managern dann, dass der Widerspruch nicht despektierlich gemeint ist, sondern die Art der Deutschen zu zeigen, wie smart und interessiert sie sind. „In Deutschland werden Kinder so erzogen, dass sie ihre Eltern und später ihre Vorgesetzten herausfordern, um zu zeigen dass sie gut sind“, sagt Kargar. „Es ändert viel, wenn die Manager das verstehen.“ David Hershfield gefällt diese Art. Er ist überzeugt, dass die Mischung von Firmenkultur im Silicon Valley und der in Berlin zu einer einzigartigen Erfolgskombination führen wird – etwa die deutsche Neigung zur Datenanalyse, während im Silicon Valley gerade in der Frühphase bei Entscheidungen viel auf ein Bauchgefühl gesetzt werde, das dann ebenso schnell wieder korrigiert werde. Hurtig sieht das ähnlich. Er sagt: „Ich denke, es wird der Zeitpunkt kommen, wo wir die Anrufe nicht von Berliner Start-ups kommen, die sagen, wir brauchen etwas SiliconValley-DNA, sondern Firmen aus dem Silicon Valley anrufen – und Berlin-DNA verlangen.“ ANZEIGE

Wie köstlich.

Wie östlich.

Wikana.

ORIGINAL W I T TENBERGER SEIT 1906


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Leben im Osten – Wertewandel Studie

Donnerstag, 2. Oktober 2014

Vom Schifffahrts-Kombinat zur Hotel-Holding Die Deutsche Seereederei hat längst nichts mehr mit dem Frachtgeschäft zu tun – eine Erfolgsgeschichte ist die Nachwendeentwicklung trotzdem

Von ElkE EhlErs Rostock. Wer je auf einem Schiff der Deutschen Seereederei anheuerte, konnte von sich sagen, dass er etwas Besonderes war: Seeleute verdienten besser als viele Berufsgruppen in der DDR, ein Teil wurde sogar in Valuta ausgezahlt – und sie durften ein größeres Stück der Welt kennenlernen als der übrige Teil der Bevölkerung. Vorausgesetzt war allerdings, sie standen treu zum sozialistischen Staat. Wenn es daran Zweifel gab, konnte das Seefahrtsbuch auch schnell weg sein. So mancher Traum vom stolzen Fahrensmann fand dann ein jähes Ende. In besten Zeiten befuhren bis zu 200 Schiffe unter der DSR-Flagge die Weltmeere. 14 000 Menschen arbeiteten an Bord und an Land für das Schifffahrtskombinat. Mit der DDR brach die Staatsreederei zusammen – ein Schock für das bestens qualifizierte Personal: Nautische und technische Offiziere, Matrosen, Maschinenassistenten, Funker und Stewardessen – viele wurden arbeitslos. Als der Hamburger Kaufmann Horst Rahe zusammen mit dem Reeder Nikolaus Schües die ehemalige DDR-Handelsflotte 1993 übernahm, hatte die Treuhand den Betrieb schon auf 3000 Mitarbeiter zusammengeschrumpft. Zunächst wollten Rahe und Schües das Frachtgeschäft ausweiten, doch das schlug fehl. „Der Handel mit dem Ostblock war weggebrochen, die anderen Märkte schon besetzt. Mit diesem Konzept war die DSR nicht sanierbar“, sagt Rahe rückblickend. Zumal die westdeutsche Handelsflotte damals ebenfalls unter Überkapazitäten litt. In der Anfangszeit machte die DSR jedes Jahr 350 Millionen D-Mark

Retter des Traditionsnamens DSR: der Unternehmer und Geschäftsführer Horst Rahe Foto: Daniel Reinhardt Verlust. Doch die Hamburger hatten zugesagt, in Mecklenburg-Vorpommern 2000 Jobs zu erhalten. Rahe setzte auf Hotellerie und das aufstrebende Kreuzfahrtgeschäft, entwickelte die Marken Aida und A-Rosa. Trennte sich dann auch von seinem Partner, der den Frachtschiffen treu blieb. Einen zarten Ansatz zum Tourismus gab es ja bereits: Die DSR besaß das Seeleute-Hotel „Haus Sonne“ und seit 1985 das Urlauberschiff „Arkona“. Aida-Clubschiffe wurden zum Inbegriff für die „Kreuzfahrt ohne Smoking und Kapitänsdinner“. Die bis dato als steif und teuer geltende Seereise wandelte sich zum Familienurlaub. Die Marke A-Rosa steht für Erfolg mit Fluss-Kreuzfahrten, aber auch für familienfreundliche Resorts an Land.

Doch allein konnte Rahe die hochgesteckten Pläne nicht umsetzen. Für die Clubschifftochter „Aida“ holte er den Schifffahrtskonzern P&O ins Boot, heute gehören die Aida-Kreuzliner zum Weltmarktführer Carnival Corporation. Die A-Rosa Flussschiffe mit dem Kussmund, den der Rostocker Grafiker Feliks Büttner für beide Passagierliner-Marken im DSR-Auftrag entwarf, verkaufte Rahe 2009. Seit er sich 2010 auch von der Beteiligung an der Fährreederei Scandlines trennte, ist die DSR ein reines Hotel- und Immobilienunternehmen. Der Hansestadt Rostock blieb die DSR treu, sogar an traditionsträchtigem Ort. Die Büros im „Haus der Schifffahrt“ in Rostocks Langer Straße sind neben Hamburg und Berlin einer der heutigen DSR-Standorte.

Hervorgegangen aus der DDR-Handelsflotte: Aus der Not machte der Investor eine Tugend und setzte auf das aufstrebende Kreuzfahrtgeschäft – den Kussmund entwarf ein Rostocker Grafiker. Foto: OZ Auch die DSR-Schifffahrtstradition lebt weiter – in den beiden einstigen Töchtern Aida Cruises und A-Rosa Flussschiff GmbH. Auch die haben beide in Rostock ihren Sitz. Einige aus der alten DSR-Crew sind bis heute an Bord. Der Prominenteste unter ihnen: Michael Thamm, heute Chef der Aida-Muttergesellschaft Costa Crociere. Der 51-jährige, gebürtige Dresdner, der 1985 als junger Betriebswirt bei der DSR anfing, legte eine grandiose Karriere hin: 2004 stieg er zum AidaPräsidenten auf, seit 2012 lenkt er in Genua (Italien) das gesamte Südeuropa-Geschäft des Kreuzfahrtriesen Carnival. „Wir stehen zu unseren Wurzeln“, sagt Aida-Sprecher Hansjörg Kunze (54). „Dass Aida Cruises vielen Rostockern eine neue Perspektive gab, darauf dürfen

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wir wohl mit Recht stolz sein.“ Der frühere Leistungssportler, der 1988 bei den Olympischen Spielen Bronze im 5000-MeterLauf gewann, ist einer von ihnen. Kunze pendelt wöchentlich zwischen Rostock und Genua. Der Chef der Aida-Pressestelle ist seit einem Jahr auch Kommunikationsdirektor für die gesamte Costa-Gruppe. „Das ist schon klasse, dass ein Unternehmen meiner Heimatstadt mir diese Chance eröffnet“, sagt der einstige Empor-Rostock-Leichtathlet. In der DSR erfüllt sich Horst Rahe – inzwischen 75 Jahre alt – gerade seinen Traum vom Volkshotel. Direkt neben dem Warnemünder Neptun-Hotel, das ebenfalls zur DSR-Gruppe gehört, öffnete 2013 ein preiswertes A-Ja-Hotel. „Ich wollte zeigen, dass Urlaub in bester Lage

auch zum kleinen Preis möglich ist.“ Die Übernachtung ist ab 39 Euro zu haben. Etwas spartanisch, aber mit Meerblick. Sauna, Schwimmbad und Fitnessbereich können zugebucht werden. Für den Ausbau der A-JaGruppe will sich Rahe künftig mehr Zeit nehmen. Zum 1. Oktober gibt er das operative Geschäft in der Hotel-Holding wieder an einen neuen Geschäftsführer ab. Als „Rückzug“ will der DSR-Nachwende-„Kapitän“ dies nicht gedeutet wissen. Er bleibe an Bord, versichert der Unternehmer – als Inhaber und Aufsichtsratsvorsitzender behält er die Fäden in der Hand. Dass Horst Rahe am Traditionsnamen Deutsche Seereederei festhält, obwohl das Unternehmen längst keine Schiffe besitzt,

führt immer mal wieder zu Verwechslungen. Erst jüngst wurde er wieder um ein Statement zur Schiffssicherheit gebeten. Für Rahe aber steht fest: Der Name bleibt. „Ich will den Menschen nicht ihre Geschichte nehmen.“ In den vergangenen 25 Jahren ist die DSR-Welt größer und vielfältiger geworden. Aus 40 Ländern kommen die 6000 CrewMitglieder, die für Aida Cruises arbeiten. Auch bei den Besatzungen der A-Rosa-Schiffe prägt ein bunter Nationen-Mix das Miteinander. Und: Nicht nur Seeleute dürfen heute die Welt kennenlernen. Die 21 KussmundSchiffe, die für Aida und A-Rosa auf den Weltmeeren und Europas schönsten Flüssen unterwegs sind, nehmen zusammen fast eine Million Passagiere mit auf große Fahrt.

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Von Ingeborg ruthe Berlin. Es stimmt, hier wohnt ein Stück altes, mythisches Berlin. Es mischt sich sehr speziell mit dem neuen Berlin. Längst steht sie in jedem HauptstadtReiseführer: Die Auguststraße. Bis Mitte der 1930er-Jahre pulsierte hier, in der Spandauer Vorstadt, jüdisches Leben. Heute erinnern daran nur Stolpersteine mit den Namen der Deportierten. In den Neunzigern wurde die Straße unübersehbar Kult: für Kunst und Party. Sie verhieß Abenteuer. Nichts in der maroden Meile war, wie man es am Abend zuvor verlassen hatte. Immer eröffnete irgend etwas Neues in dem umtriebigen Soziotop: Zuerst die Kunst-Werke, einst Margarinefabrik mit einer imposanten 18.-Jahrhundert-Fassade. Von der Stadt wurde der Ort zum Institut für zeitgenössische Kunst etabliert. Seit 1998 hat man hier schon acht internationale Berlin Biennalen ausgetragen. Die Häuserzüge der Auguststraße sind eine Mischung aus luxussanierten Stuck-Fassaden, roten Klinkern und grauer DDRPlatte. Aber das hat Charme, diese Bonjour Tristesse und das quirlige Flair der Kunstorte, der Straßen-Cafés mit Hinterstübchen, Edel-Suppen-Bars neben Nobel-Friseuren und Markenklamotten-Boutiquen. Und zwischendrin Buch- und Fahrradladen und eine Bäckerei wie zu Omas Zeiten. Die Kunst-Werke mit ihrem grünen Innenhof und dem gläsernen Bistro-Pavillon sind längst international vernetzt. Das liegt vor allem an Gründer Klaus Biesenbach, den vor Jahren das New Yorker MoMa abgeworben hat. Man kommt hierher, um Kunst aus aller Welt zu gucken, auch außerhalb der Biennalen. Schräg gegenüber, links vom legendären, Nacht für Nacht übervollen altberlinischen Partyort „Clärchens Ballhaus“, gibt sich die globale Kunstkarawane beim Eigen+Art Galeristen Judy Lybke die Klinke in die Hand. Lybke, der Stars wie den Ma-

ler Neo Rauch vertritt, zählt zu den Pionieren der Straße. Er mietete nach dem Mauerfall eine alte Wäscherei – und zeigte neue Leipziger Kunst. Damals, sagt er, hätten viele in Mitte Räume gesucht. Die Straße lag sozusagen im Epizentrum der NachwendeGründerzeit. Die Wohnungsbaugesellschaft Mitte erlaubte Umund Zwischennutzungen, oft nur zum Betriebskostenpreis. Welch paradiesischer Zustand! Galeristen der ersten Stunde sprachen liebevoll von „Westentaschen-Galerien“, weil die Räume so klein waren. Alsbald waren es vierzig, dann sechzig dieser Art. Das war das Besondere: In Prenzlauer Berg saß die Ost-Szene, in Kreuzberg die West-Szene, noch immer getrennt. In Mitte gab es dieses fremdelnde Beharren nicht. Sie kamen von überall her. Seit 2000 etwa wurde gerade in der Auguststraße rastlos aus- und eingezogen. Willkommen und Abschied. Die Räume wurden zu klein, die Mieten wegen der Luxussanierungen zu hoch. Etlichen Galeristen wurde die Straße zu touristisch, zu partygen. Judy Lybke blieb beharrlich Auguststraßen-Bewohner. Statt wegzuziehen, kaufte er das historische Haus Nr. 26, holte die Maurer, ließ das Souterrain zu einer hohen Halle umbauen, ideal

für Skulpturen. Und die oberen Stockwerke wurden zu BilderRäumen, Bibliothek, Büro. Lybke ist zum Glück nicht der Einzige, der das angeblich Nomadische des Kunstbetriebs nicht in seinen Genen spürt. Auch Marcus Deschler, Malerei-Galerist von gegenüber, hat das Haus seiner Galerie krisensicher gekauft. Natürlich spürt er, dass sich die Zahl der Auguststraßen-Galerien auf etwa 30 reduziert hat. Dafür aber hat sich alles konsolidiert. Alles wirkt solider, unaufgeregter, selbst die Kunst. Gleich mehrere Galerien haben sich auf Kunst aus der DDR konzentriert. Auf einmal ist sie wieder gefragt, steht bei Sammlern im Ruf hoher Qualität. Den vorläufigen Höhepunkt der Straße bildet die einstige Jüdische Mädchenschule. Galerist Michael Fuchs und Partner – das mondäne Szene-Restaurant Grill Royal – pachteten das Haus von der Jüdischen Gemeinde. Ausstellungen auf allen Etagen. Selten ist es voll. Aber unten, vor dem Restaurant, stehen sie Schlange. Die Auguststraße war mal Labor für neue Lebensformen. Und deren Motor war die Kunst. Jetzt ist der absolute Gipfel der 900 Meter Asphalt mit dem großen Mythos ein Platz im Gourmet-Restaurant PaulySaal. Sehen und gesehen werden.

Kunst-Ort: „Galerie Berlin“, Auguststraße 19

Foto: Matthias Günther


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Nur noch Schuttberge: Im uckermärkischen Schwedt wurden allein 6000 Plattenbauwohnungen abgerissen. Mittlerweile setzt man dort auf den Umbau der Betonriegel zu kleinen Stadthäusern.

Verwaiste Platten, beliebte Häuschen

Foto: Klaus Franke

In Brandenburg werden bis 2020 mehr als 100 000 Wohnungen verschwunden sein / Gleichzeitig florierte das Baugeschehen am Stadtrand Von Henning Kraudzun Potsdam. Gut 61 000 Plattenbauwohnungen wurden seit der Jahrtausendwende in Brandenburg abgerissen. Gleichzeitig wuchsen im Umland Trabantensiedlungen. Die Kommunen sagen, sie hätten aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Gäbe es Langzeitaufnahmen von Schwedt aus der Vogelperspektive, dann wäre vor allem am Rand der Industriestadt ein hektisches Gewusel zu erkennen. Wie ein Teppich rollt sich Beton auf Feldern aus, reckt sich in die Höhe, irgendwann kommt die Masse zum Stillstand. Nach einiger Zeit würde dieser Teppich wieder eingerollt – zurück bleiben grüne Flächen. Im uckermärkischen Schwedt verschwanden bereits 6000 der einst 22 000 Neubauwohnungen. So ist im Quartier „Am Waldrand“ kaum noch etwas vom hektischen Bauboom der DDR-Zeit zu sehen. Wo zwölfgeschossige Hochhäuser standen, mehrere Kindergärten und eine Sporthalle, sprießen jetzt wieder Kiefern, von Förstern gepflanzt. „Bald kann man dort spazieren gehen und Pilze sammeln“, meint Bürgermeister Jürgen Polzehl. Für ihn geht es in den kommenden Jahren darum, die Innenstadt aufzuwerten. Dazu ist

ein weiterer Abriss von Plattenbauten unvermeidbar. Allerdings gibt es auch Pläne, die Betonriegel so weit schrumpfen zu lassen, bis sie zu zweigeschossigen Stadtvillen werden, umgeben von Mietergärten und Terrassen. „Regenbogenquartier“ nennt sich das Projekt, mit dem junge Familien in der Industriestadt gehalten werden sollen. Auch in Frankfurt (Oder), wo bereits 8700 Wohnungen verschwanden, schreitet die für viele Bürger schmerzliche Entwicklung weiter voran. Weitere 2000 Wohnungen stehen auf der Liste. Und auch dort ist die Diskussion längst nicht abgeschlossen, was aus den riesigen, neuen Brachen werden soll. „Es gibt Ideen, Landwirtschaft auf den neuen Flächen zu betreiben“, sagt Torsten Bock, Leiter des Stadtplanungsamtes. Erklärtes Ziel der Kommune bleibt es, den Leerstand in Wohnvierteln unter zehn Prozent zu drücken. Andererseits werden Standorte knapp, auf denen Einfamilienhäuser entstehen können. „Die sind ist eben sehr gefragt“, so Bock. Von einem „Teufelskreis“ spricht der Verband der brandenburgischen Wohnungsunternehmen. „Es müssten eigentlich schon sanierte Plattenbauten auf die Abrissliste stehen, weil sie kaum noch bewohnt werden“, sagt Verbandsmitarbeiter Da-

Aufschwung Ost: Neue Siedlungen wurden vor allem in der Peripherie der Städte gebaut. Foto: Gerd Markert

Widerstand: Anwohnerproteste in Frankfurt (Oder) Foto: Patrick Pleul

der Lausitz, nehme die Entwicklung schon wieder dramatische Ausmaße an, sagt Eberhardt. Dabei sollen bis 2020 noch 35 000 Wohnungen vom Markt genommen werden. Für die Unternehmen sind die Maßnahmen ebenfalls schmerzlich. Seit 2002, als das Bundesprogramm Stadtumbau Ost ins Leben gerufen wurden, seien jeden Tag rund 400 000 Euro Ver-

mögen verschwunden, rechnet Eberhardt vor. „Viele Gebäude sind bis zur Dachkante mit Hypotheken belastet, werden aber dennoch nicht mehr gebraucht.“ Dennoch würde niemand Plattenbauten verdammen. „Sie sind nach wie vor beliebt, weil sie günstigen Wohnraum bieten“, sagt Lothar Wiegand, Sprecher des Infrastrukturministeriums. Oft fehlten nur entscheidende

vid Eberhardt. Dies sei für Außenstehende einerseits schwer verständlich, andererseits blieben den Vermietern kaum Alternativen. Diese könnten den Leerstand sonst kaum regulieren. So gibt es Schätzungen, dass bis 2020 bis zu 100 000 Wohnungen im Land dauerhaft unbewohnt sind. Im Nordwesten Brandenburgs, in der Prignitz, und im äußersten Südosten, in

Ergänzungen, etwa Fahrstühle. Als dafür ein Förderprogramm aufgelegt wurde, sei es schnell „ausverkauft“ gewesen, berichtet Wiegand. „Aufzüge wollen alle, nicht nur Senioren.“ Die 450 Millionen Euro, die bislang in Brandenburg für Abriss und Nachnutzung ausgegeben wurden, seien gut angelegtes Geld, meint Wiegand. „Das ist eine Erfolgsgeschichte.“ Das Know-how freilich wurde sich mühsam erarbeitet. „Versorgungssysteme mussten unterirdisch völlig neu geordnet werden. Mit dem Abriss allein ist es nicht getan.“ Gleichzeitig seien in vielen Städten „hochemotionale Debatten“ mit Bürgern geführt worden, die ausziehen sollten. Unmut gab es immer wieder, resümiert der Sprecher, aber keine heftigen Konflikte. Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt auch der brandenburgische Städte- und Gemeindebund. „Es war ein schwieriger Prozess“, sagt Geschäftsführer Karl-Ludwig Böttcher, der unzählige Diskussionen miterlebt hat. „Man konnte sich manchmal die Haare raufen.“ Aber seine Bilanz ist ebenfalls positiv: „Was der Osten geschafft hat, steht im Westen noch bevor. Die Kollegen dort schauen auf unsere Erfahrungen.“ 30 Orte haben bislang von Fördergeldern profitiert, weitere 20 sollen jetzt hinzukommen. Dort

sollen verwaiste Gebäude auch in zentralen Lagen fallen. Überhaupt dringen die Planer wieder zum urbanen Kern vor. Blühende Innenstädte sollen die Städte retten. Wiegand nennt eine imposante Zahl: 700 Millionen Euro seien seit 1990 in den Denkmalschutz geflossen. Aus Fehlern der Vergangenheit hätten die Kommunen gelernt, sagt Böttcher. Überdimensionierte Wohngebiete am Stadtrand gehören aus seiner Sicht der Vergangenheit an. Allein in den vergangenen zehn Jahren entstanden laut Statistiken 54 000 Einfamilienhäuser im Land. „Wir wurden getrieben von der Nachfrage, aber schon damals wurde ja der demografische Wandel offensichtlich“, sagt er. Sämtliche Vorhaben sollten daher einem „Demografie-Check“ unterzogen werden. Anja Nelle, Stadtumbau-Expertin, fordert von den Kommunen einen weitreichenden Blick auf Stadträume. Der Bauboom in der Peripherie habe zu einer Zersiedlung geführt. „Das war damals ein Aufbruch, aber leider wurden Fehler aus der Bundesrepublik wiederholt“, sagt die Mitarbeiterin im Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung Erkner. Der Traum vom Häuschen am Stadtrand scheint ohnehin vorbei. „Die Leute drängen wieder ins Zentrum“, heißt es im Schwedter Rathaus. ANZEIGE

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Bau des Bestsellers: Fertigung des aktuellen VW Golf in Zwickau.

Der Mentor des Autolandes

Foto: Uwe Mann

Der Chemnitzer Carl H. Hahn half dabei, Sachsen zu einem der wichtigsten Standorte der Branche in Europa zu machen Von Christoph UlriCh Chemnitz. Mit Werken von Volkswagen, Porsche und BMW gehört Sachsen heute zu den führenden Fertigungsstandorten in der europäischen Automobilindustrie. Der Chemnitzer Carl H. Hahn hat daran einen großen Anteil. Zwei Tage nach der letzten Montage des Trabant bei Sachsenring in Zwickau lud der damalige Vorstandschef der Volkswagen AG, Carl H. Hahn (heute 88 Jahre), zum Richtfest für eine neue Produktionshalle in Mosel bei Zwickau ein. „Das ist eine Demonstration für einen attraktiven Standort“, sagte Hahn, der zusammen mit dem damaligen Bundeswirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) und dem ebenfalls bereits verstorbenen sächsischen Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) symbolisch das letzte Hallenelement verschraubte, bevor der Richtkranz aufgezogen wurde. Der Ex-VW-Chef sollte recht behalten. Heute gehört Sachsen mit den Autoherstellern Volkswagen, Porsche und BMW zu den wichtigen Standorten der europäischen Automobilindustrie. Mit einem Anteil am gesamten Industrieumsatz von mehr als 25 Prozent ist die Automobilindustrie die umsatzstärkste Branche im Freistaat Sachsen. Mit dem Bau von Kraftfahrzeugen sind rund 70 000 Menschen beschäftigt. Rund 750 Zuliefe-

rer, Dienstleister und Ausrüster prägen zudem das Autoland Sachsen, zu dem VW-Chef Hahn mit den Investitionen in Zwickau und Chemnitz bereits kurz nach dem Mauerfall die Initialzündung gab. Begonnen hatten die Kontakte von Volkswagen nach Sachsen schon Anfang der 1980er-Jahre. Damals verhandelten hochrangige Vertreter des IFA-Kombinats mit VW-Managern geheim in Berlin. Ziel war eine gemeinsame Motorenfertigung in der DDR. Am 31. August 1988 begann schließlich die Serienfertigung von VW-Viertaktmotoren im Barkas-Motorenwerk Karl-Marx-Stadt. Die neuen Motoren sollten aus Wartburg und Trabant neue Autos machen. Doch daraus wurde bekanntlich nicht mehr viel – im Oktober 1988 begann die Serienfertigung des Wa r t b u rg 1.3 mit VW-Motor, im Mai 1990 die Produktion des Viertakt-Trabant 1.1 – da waren diese beiden Automodelle längst nicht mehr zu retten. Mit dem Engagement im damaligen Karl-Marx-Stadt kehrte VW-Chef Hahn zu seinen Wurzeln zurück, die eng mit der deutschen Automobiltradition

verbunden sind. Der gebürtige Chemnitzer gehört zu den Menschen mit Benzin im Blut. Schon seit Vater, Carl Hahn,

einst Verkaufsleiter der Zschopauer Motorradwerke und später Mitbegründer der Auto Union aus dem Zusammenschluss von Audi, Wanderer, Horch und DKW, hatte Automobilgeschichte geschrieben. Das Fundament für seine Karriere legte Carl H. Hahn mit einem Wirtschaftsstudium samt Promotion in Bern. Nach einem Volontariat bei Fiat und einem Jahr bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Pa-

ris landete Hahn 1954 in Wolfsburg und wurde Assistent des VW-Vorstandschefs Heinrich Nordhoff. Fünf Jahre später übernahm er das Amerika-Geschäft des Automobilkonzerns. Aufgrund des großen Exporterfolgs in den USA wurde Hahn 1964 in den VW-Vorstand berufen, wo er von 1965 bis 1972 für den Vertrieb verantwortlich war, jedoch nach Differenzen im Vorstand ausschied. Von 1973 bis 1981 sanierte er die ContinentalGummy-Werke AG in Hannover. Der Reifenhersteller steckte damals in existenziellen Schwierigkeiten. 1982 wurde Hahn Vorstandschef der Volkswagen AG. Unter Hahns Regie wurde Volkswagen ein europäischer Großkonzern. Er kaufte den maroden spanischen Hersteller Seat und den tschechischen Autobauer Skoda. Er baute das Geschäft in China auf und gründete die Volkswagenbank. Auch die Automobilproduktion in seiner Heimatregion Chemnitz behielt der Wahl-Wolfsburger immer im Blick. We-

Benzin im Blut: Der ehemalige VW-Vorstandsvorsitzende Carl Hahn trug entscheidend mit dazu bei, die sächsische Autoindustrie konkurrenzfähig werden zu lassen. Foto: Jochen Lübke

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nige Monate nach dem Mauerfall am 26. September 1990 legte er zusammen mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) den Grundstein für das Volkswagenwerk in ZwickauMosel und gab damit den Startschuss für den Aufbau Sachsens zum leistungsfähigen Automobilstandort. Heute beschäftigt Volkswagen Sachsen rund 9300 Mitarbeiter an drei Standorten. 7150 Mitarbeiter bauen in Zwickau den VW Golf, Golf Variant und die Passat-Limousine. Insgesamt liefen im vergangenen Jahr 221 000 Fahrzeuge in Zwickau vom Band. Das Motorenwerk in Chemnitz beschäftigt 1150 Mitarbeiter. 2013 wurden rund 700 000 Motoren gefertigt. In der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen in Dresden arbeiten weitere 500 Mitarbeiter. Hinzu kommen noch 100 Mitarbeiter beim Volkswagen-Bildungsinstitut. Die Erfolge von Volkswagen und das große Potenzial gut ausgebildeter Fachkräfte lenkten auch den Blick anderer Automobilhersteller nach Sachsen. Seit dem Jahr 2000 produziert der Stuttgarter Sportwagenhersteller in Leipzig. Nach mittlerweile drei Werkserweiterungen hat sich die Produktionsstätte zu einer vollwertigen Automobilfabrik mit Karosseriebau und Lackiererei entwickelt. In der Messestadt werden der Geländewagen Cayenne, die familientaugliche Sportlimou-

sine Panamera und neuerdings auch der kompakte Geländewagen Macan gebaut. Porsche beschäftigt am sächsischen Standort mehr als 2500 Mitarbeiter. Über zwei Milliarden Euro hat der bayerische Autohersteller BMW im vergangenen Jahrzehnt in Sachsen investiert. 2005 eröffnete BMW sein Werk in Leipzig, in dem heute täglich bis zu 740 Fahrzeuge vom Band laufen. Produziert wird in Leipzig der BMW X1, der BMW 1er als Fünftürer, das BMW 2er Coupé und seit neuestem der 2er Active Tourer, das erste Fahrzeug aus der BMW-Produktion mit klassischem Frontantrieb. Besonderes Aushängeschild des bayerischen Herstellers ist aber die Produktion der Elektroautos von BMW in Leipzig. Seit September 2013 wird der BMW i3 und seit Mai dieses Jahres auch der BMW i8 in der Messestadt montiert. Die Karosserien der Elektroautos werden in einem neuen innovativen Leichtbauverfahren aus Carbonfasern hergestellt. Allein für den neuen Elektrobereich investierte BMW rund 400 Millionen Euro in den Werksausbau und schuf 800 Arbeitsplätze. Insgesamt beschäftigen die Bayern in Leipzig rund 4000 Mitarbeiter. Mit Werken von Volkswagen, Porsche und BMW gehört Sachsen heute zu den führenden Fertigungsstandorten in der europäischen Automobilindustrie. Der Chemnitzer Carl H. Hahn hat daran einen großen Anteil.


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Der Westen beginnt in Dresden Ein Gespräch mit Everhard Holtmann und Eckhard Jesse über den Streit, die Fledermaus und die Frage, ob die Linke eine Volkspartei ist

Die Politikwissenschaftler Everhard Holtmann und Eckhard Jesse kamen zu Beginn der 90er-Jahre nach Ostdeutschland. Der eine nach Halle, der andere nach Chemnitz. Seitdem beobachten sie die ostdeutsche Gesellschaft – mit durchaus unterschiedlichen Urteilen. TorsTen KlediTzsch hat mit beiden gesprochen. Ost- und Westdeutsche werden sich in ihren privaten Wünschen und Sorgen immer ähnlicher, während sich die Ostdeutschen zwischen den Generationen immer stärker unterscheiden. Geht diese Entwicklung schneller als Sie vor 20 Jahren erwartet haben oder langsamer? Jesse: Ich habe ursprünglich gedacht, die Angleichung zwischen Ost und West gehe schneller. Bei den Jüngeren gibt es aber kaum noch Unterschiede. Als ich 1993 den Lehrstuhl übernahm, legten die Ost-Studenten mehr Kenntnisse als Bekenntnisse an den Tag, die Weststudenten dagegen mehr Bekenntnisse als Kenntnisse. Heute ist nicht mehr erkennbar, wer woher kommt. Holtmann: Die Prognosen aus den 90er-Jahren über die zu erwartende Entwicklung in Ostdeutschland beruhten auf völlig unzureichendem Wissen über die Gesellschaft hier. Die meisten rechneten mit einem schnelleren Angleichungsprozess. Dennoch bleibt die Geschichte der deutschen Einheit eine fulminante Erfolgsgeschichte, trotz aller Schwierigkeiten und Verwerfungen. Jesse: Wenn wir im August 1989 gesagt hätten, 25 Jahre danach sieht es in Ostdeutschland so aus, wie es heute aussieht – alle wären begeistert gewesen. Hätte man ein Jahr später, dem Jahr der Deutschen Einheit, diesen Ausblick gewagt, wären viele über die heutige Situation enttäuscht gewesen. Deshalb ist die Bilanz auch immer eine Frage des Ausgangspunktes, auf den sich der Vergleich bezieht. Welche Annahmen von 1989/90 haben zu falschen Prognosen geführt? Holtmann: Ökonomisch in erster Linie die über den mutmaßlichen Reingewinn der Treuhand. Alle haben mit geradezu phan-

tastischen Erträgen gerechnet, die der Verkauf der volkseigenen Werke erbringen werde. Eine begründete Fehleinschätzung. Anderseits war es überraschend, dass sich in der politisch gleichgeschalteten Gesellschaft der DDR so viel unternehmerischer Gründergeist erhalten hat, ohne dem der wirtschaftliche Strukturwandel so nicht hätte bewältigt werden können. Die Gründungsaktivität ist heute im Osten vor allem dort hoch, wo sie bereits vor 1930 herausragte, etwa im sächsischen Raum. Das heißt, in diesen Regionen hat der Unternehmergeist den mehrfachen Systemwechsel überlebt. Gab es in den vergangenen 25 Jahren einen Zeitpunkt, an dem Sie fürchteten, die Gesellschaft könne überfordert sein? Holtmann: Zwischen 1992 und 1997 waren der ökonomische Umbruch und die damit einhergehenden Unsicherheiten extrem groß. Die Demokratie verlor an Unterstützung. Ende der 90erJahre war ich besorgt, dass es

In Sachsen überlebte der Unternehmergeist den mehrfachen Systemwechsel

Everhard Holtmann

kritisch werden könnte. Mehrere negative Faktoren verstärkten sich gegenseitig. Sehr viele junge, gut ausgebildete und auch zu liberalem Denken neigende Menschen wanderten ab. Dazu kamen Arbeitslosenzahlen von mehr als 20 Prozent. Die rechtsextremen Parteien verzeichneten deutliche Zuwächse. 1998 zog die DVU in Sachsen-Anhalt mit 12,9 Prozent in den Landtag ein. Jesse: Dennoch würde ich für diese Phase nicht den Begriff der Vereinigungskrise verwenden, wie das einige Kollegen tun. Es gab großen Frust damals, weil das Gefühl der Ungerechtigkeit im Osten sehr ausgeprägt war. Aber zu einer Krise gehört aus meiner Sicht noch viel mehr. Jegliche Sezessionstendenzen blieben aus. Richtig ist, es gab Höhen und Tiefen. Erstaunt es rückblickend, dass aufgrund der riesigen Veränderungen Extremisten nicht noch viel mehr Zulauf hatten?

Verfolgen seit Jahren die Entwicklung im Osten: Prof. Dr. Everhard Holtmann (r.), Forschungsdirektor am Zentrum für Sozialforschung Halle an der Universität Halle-Wittenberg, und Prof. Dr. Eckhard Jesse, Professur für Politische Systeme und Institutionen an der TU Chemnitz, im Gespräch mit Torsten Kleditzsch Foto: Uwe Mann

Jesse: Das Maß an Veränderung ist unglaublich. Drei von vier Ostdeutschen haben ihren Job gewechselt oder verloren. Es sind bewundernswerte Lebensleistungen, die im Osten vollbracht und vom Westen zum Teil nicht anerkannt wurden. In der Tat ist in Deutschland trotz allem der Extremismus weit weniger ausgeprägt als in vergleichbaren europäischen Demokratien – zumindest rechts außen. Holtmann: Im Vergleich etwa zu Großbritannien, Dänemark und Schweden und den dortigen Erfolgen der Eurokritiker und Rechtspopulisten mutet Deutschland bezüglich der politischen Einstellung derzeit an wie ein geschützter Garten. Warum sind die Deutschen für extremistische Tendenzen heute offenbar weniger anfällig als so mancher Nachbar? Geht es uns einfach nur besser? Jesse: Die Last der Vergangenheit – der Zivilisationsbruch durch das Dritte Reich – spielt eine große Rolle. Zudem hat es die Partei „Die Linke“ verstanden, auch Stimmen von rechts einzusammeln. Und schließlich verficht die einzig nennenswerte Partei von Rechtsaußen, die NPD, einen derart harten Extremismus, dass manch einer, der mit rechtspopulistischen Tendenzen liebäugelt, sich sagt: Nee, mit diesen Schmuddelkindern will ich nichts zu tun haben. So gesehen ist es ein Glück für die Demokratie, dass die NPD derart antidemokratisch ist. Inwieweit hat die Linke auch am rechten Rand Wähler abgeholt? Jesse: Die Linke ist nicht nur eine Partei der Ideologie. Sie ist auch eine Partei des Protestes. Und viele Rechtsaußen-Wähler sind ihrerseits nicht ideologisch geprägt, sondern werden eher vom Protest geleitet. So kommen sie zusammen. Die Linke ist hier neben der CDU die einzige Volkspartei... Jesse: ...Volkspartei kann ich nicht gelten lassen. Die Linke hat erstens viele Wähler, zweitens auch aus allen Schichten. Aber

der dritte Punkt, der eine Volkspartei ausmacht, die Akzeptanz des demokratischen Systems, daran fehlt es aus meiner Sicht. Wie charakterisieren Sie die Linke? Jesse: „Die“ Linke gibt es nicht. Es ist eine Strömungspartei, im Osten gemäßigter als im Westen. Die früheren SED-Eliten haben sich stärker angepasst als mancher Linksaußen aus dem Westen. In gewisser Hinsicht haben die Linken Interessen der alten Eliten in das neue demokratische System integriert. Man muss ihr auch anrechnen, mit dafür gesorgt zu haben, dass es nicht zu sozialen Unruhen gekommen ist. Aber sie bleibt eine Partei, die sich schwertut mit der Vergangenheitsbewältigung. Es gibt keinen einzigen bekannten Linke-Politiker, der sagt, die DDR war ein Unrechtsstaat. Wahrscheinlich ist die Partei doch noch nicht soweit, dass sie den demokratischen Verfassungsstaat in Gänze akzeptiert. Für mich bleibt sie eine Partei des smarten Extremismus. Holtmann: Zweifellos ist es veränderungsbedürftig, dass die Linke in der Bewertung des Unrechtscharakters des DDRSystems zu klareren Aussagen kommt. Keine Frage. Auf der anderen Seite ist die Integrationsfunktion, die die Linke übernommen hat, nicht zu verachten. Und sie hat ihre Positionen auch deutlich verändert. Anfang der 90er-Jahre hat sie sich als reine Opposition dargestellt, das hieß auch: Opposition gegen das System. Das sieht heute anders aus. Und wenn man die Arbeit der Landesregierungen anschaut, an denen die Linke beteiligt war, so muss man ihr ein hohes Maß an Pragmatismus bescheinigen. Im Osten ist sie eine linkssozialistische Reformpartei mit noch vorhandenem Protestpotenzial. Jesse: Herr Holtmann, würden Sie von Osteuropa reden, gäbe ich Ihnen recht. Da haben sich die Kommunisten eindeutig zu Sozialdemokraten gewandelt. Für mich ist die Linke noch nicht zu einer demokratischen sozialistischen Partei geworden – auch wegen der Existenz der SPD. Der

Pragmatismus, den sie in den Landesregierungen an den Tag legte, war doch notgedrungen. Sie war stets nur Juniorpartner. Holtmann: Man muss die Menschen dort abholen, wo sie sind, auch wenn einem das aus politischen Gründen nicht so passen mag. Insofern hat der pragmatische Kurs, den die Linke in Ostdeutschland gefahren ist, eine empirische Schlüssigkeit. Handeln Parteien im Osten anders als im Westen? Jesse: Eindeutig, ja. Das Streben nach einem Konsens unter den Beteiligten ist hier weiterhin wesentlich ausgeprägter. Ostdeutsche suchen stärker den Kompromiss. Und wenn es den partout nicht gibt, ist man darauf aus, zumindest die Härten des Konfliktes zurückzunehmen. Im Westen, wo es den Menschen besser geht, ist der Konkurrenz-

Es gibt keinen Linke-Politiker, der sagt, die DDR war ein Unrechtsstaat.

Eckhard Jesse

gedanke stärker entwickelt. Hier tritt man stärker für die eigene Position ein. Im Osten versucht man immer, die Gegenposition schon mit zu berücksichtigen. Holtmann: In Westdeutschland wirken die politischen Milieus bis heute, die stets auch eine ideologische, weltanschauliche Komponente haben. Das war in Ostdeutschland mit Ausnahme der Linken nie der Fall. Die anderen Parteien sind hier ideologieferner in ihrem Auftreten als dieselben Parteien im Westen. Der Osten ist zugleich säkularer. Deshalb werden auch viele Wertefragen wesentlich weniger entlang der großen ideologischen Linien diskutiert, sondern pragmatischer in Bezug auf die Lebenssituation. Jesse: Auch das stärker ausgeprägte Gleichheitsdenken führt zu dem Bestreben, Konflikte nicht ausufern zu lassen. Man kann es sich – ganz schlicht – auch gar nicht erlauben, weil die Probleme größer sind. Der

Ostdeutsche lacht doch über die „Fledermaus“-Probleme des Westens. Da hat er überhaupt kein Verständnis für. Holtmann: Aber die Fledermaus machte auch der Waldschlößchenbrücke in Dresden zu schaffen... Jesse: Dresden ist ja auch westlich. Dresden ist eine West-Stadt? Jesse: Zumindest keine typische Ost-Stadt. Die Milieus sind denen im Westen ähnlich. Mit der AfD ist ja eine streitbare Alternative in der Parteienlandschaft aufgetaucht. War es reiner Zufall, dass sie zuerst in einen ostdeutschen Landtag gewählt wurde? Jesse: Auch wenn diese Partei nach außen zum Teil als Professoren-Partei auftritt, so ist sie im Kern eher eine Partei des kleinen Mannes. Und sie ist auch Protest-Partei. Wählt denn der Ostdeutsche eher Protest als der Westdeutsche? Jesse: Ja, weil die Bindungen an die Parteien nicht so stark sind. Der Westwähler gleicht sich allerdings langsam dem Ostwähler an. Holtmann: Ich würde aber nicht davon sprechen, dass die AfD im Osten eine besondere Bastion hat. Die Unterschiede sind unter dem Strich gering. Es ist noch völlig offen, wohin sich die AfD entwickelt und ob man langfristig mit ihr rechnen muss. Jesse: Diese Skepsis teile ich. Sie kann sich etablieren (wie „Die Grünen“), oder scheitern (wie offenkundig die „Piraten“). Die urbanen Zentren im Osten gewinnen Einwohner. Kann sich damit auch das Bürgertum wieder entwickeln? Holtmann: Wenn man Bürgerlichkeit definiert, meint man in der Regel diese kultivierte Lebensform, die Differenz akzeptiert und Toleranz als Wert lebt, basierend auf einem gewissen materiellen Wohlstand. Diesbezüglich hat die DDR viel daran gesetzt, diese Lebensart weit-

gehend auszuradieren. Das ist ihr über weite Strecken auch gelungen, aber dennoch in geringerem Maße, als man zunächst erwarten konnte. In den Nischen der DDR ist viel davon erhalten geblieben, das heute dazu beiträgt, dass vor allem in den städtischen Räumen das Bürgertum wieder auflebt. Jesse: Es fällt leichter, liberal und tolerant zu sein, wenn es einem materiell gut geht, wenn man nicht konfrontiert ist mit den Problemen des „kleinen Mannes“. Deshalb ist die größere Liberalität des Westens auch keine Kunst.

Zur Person ■ Prof. Dr. Everhard Holtmann ist Forschungsdirektor am Zentrum für Sozialforschung Halle e.V. an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Von 1992 bis 2012 hatte er an der Universität den Lehrstuhl für Systemanalyse und Vergleichende Politik inne. Everhard Holtmann ist Jahrgang 1946 und studierte in Münster, Bochum und Wien, bevor er in Erlangen 1975 habilitierte. Neben der Parteienforschung hat er sich insbesondere mit den gesellschaftlichen Transformationsprozessen im Zuge der Wiedervereinigung befasst. ■ Prof. Eckard Jesse schloss soeben sein letztes Semester als Professor an der TU Chemnitz ab. Seit 1993 hatte er den Lehrstuhl für Politische Systeme, Politische Institutionen inne. Jesse studierte an der Freien Universität Berlin, arbeitete in Trier und habilitiert 1989. Er gilt als ausgewiesener Extremismus-Experte. So war er vom Bundesverfassungsgericht im gescheiterten NPD-Verbotsverfahren als Gutachter bestellt. Gemeinsam mit Uwe Backes gibt er das „Jahrbuch Extremismus & Demokratie“ heraus. Geboren ist er in Wurzen (Sachsen), 1958 verließ er mit seiner Familie die DDR.


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Donnerstag, 2. Oktober 2014

Von der Transitstrecke zur „Warschauer Allee“ Der Verkehr auf der A2 ist explodiert Von Christopher Kissmann und matthias FriCKe

in Hohenwarthe ein Haus gebaut. Nahe Wald und Elbe, idyllisch gelegen. „Wir wollten im Magdeburg. Es muss wirklich Grünen wohnen“, erinnert er wenig Verkehr gewesen sein, sich heute. Genau zu dieser Zeit damals. Klaus-Dieter Ziche er- begann der sechsspurige Ausinnert sich noch gut. „Sonn- bau der A2. Idyllisch ist diese abendnachts hätte man da Wohngegend nicht mehr. ObFußball spielen können“, sagt wohl sein Haus gut 800 Meder Autobahnpolizist über die ter von der Elbbrücke der Auheutige A2. Er muss es wissen. tobahn entfernt liegt, hört er Seit Ende der 1970er-Jahre ge- tagein tagaus das Heulen der hört die Autobahn zum Revier Lkw-Motoren. „Manchmal ist des 57-Jährigen. Bis 1990 war es nicht auszuhalten. Auf der die Strecke Helmstedt-West- Terrasse bin ich kaum noch. berlin die wichtigste Transit- Bis zu 75 Dezibel habe ich hier strecke. Vom Verkehrsaufkom- schon gemessen. Mein Grundmen glich sie damals eher einer stück hat massiv an Wert verheutigen Kreisstraße. „Wir ha- loren.“ Ein Problem: Auf Höhe ben uns mal den Spaß gemacht der Elbbrücke Hohenwarthe und sind von einer Ausfahrt zur fehlen Lärmschutzwände – nächsten im ersten Gang gefah- obwohl einige Häuser nur 300 ren, ohne dass jemand über- Meter nördlich der Autobahn holt hat“, erzählt Ziche‘s Kol- liegen. Auch ein Krankenhaus ist von den Lärmproblemen belege Jeffrey Pape (48). Staus hat es nicht gegeben. troffen. Schutzwände waren bei Die Straße hatte keine Stand- der Planung in den 90er-Jahspur, nur einen begrünten Mit- ren nicht vorgesehen. „Das telstreifen. Bei Unfällen wurde geht nun auf Kosten unserer auf die Gegenfahrbahn umge- Gesundheit“, beklagt Rethfeld. leitet. Das wäre heute unvorErfolgte Maßnahmen gegen stellbar. Denn die gestiegene allein in SachLärmbelastung: In den 90er-Jahren sen-Anhalt rollen Fehlanzeige. Das wurde an nun jeden Tag Verkehrsminismehr als 72 000 terium in SachLärmschutzwände Fahrzeuge über sen-Anhalt benicht gedacht die A2. gründet das mit Die Autobahn nicht erreichten hat das Land verändert. Nach Grenzwerten. Tempolimit-Ander Wiedervereinigung wurde träge – in Brandenburg sind sie zur wichtigsten Ost-West- höchstens 130 km/h erlaubt, Verbindung Deutschlands. Pro- in Sachsen-Anhalt gibt es keine fitiert hat davon vor allem die Begrenzung – hat die LandesWirtschaft. Hunderte Unter- verwaltung abgeschmettert. nehmen haben sich seit 1990 Dabei knallt es heute durchentlang der Autobahn nieder- schnittlich vier Mal pro Tag gelassen. Die Salutas Pharma auf den nur 84,5 Kilometern GmbH – Teil des weltweit größ- in Sachsen-Anhalt. Die Autoten Pharmaunternehmen No- bahn ist eine der gefährlichsvartis – ist 1993 nach Barleben ten Fernstraßen der Republik. nahe Magdeburg gekommen. Allein 2013 gab es sechs Tote „Die A2 hat bei der Standort- und 67 Schwerverletzte bei wahl eine elementare Rolle ge- den 1295 Unfällen zwischen spielt“, sagt Sprecherin Alexan- Marienborn und Ziesar. Zum dra Schröder. Heute arbeiten Vergleich: 1985 krachte es auf dort 1358 Männer und Frauen. der gesamten Transitstrecke bis Etwas später siedelte sich Berlin lediglich 208 Mal. Ein Faktor für das gestiegene der Glashersteller Euroglas in der Börde an (1997). Auch Ge- Risiko heute: Die Zahl der Lastschäftsführer Christian Winter wagen auf Deutschlands Strabestätigt: „Im Herzen von Eu- ßen hat sich seit der Wende verropa und direkt an der A2 ge- doppelt. Auf der A2 ist nahezu legen sind die Rohstoffversor- jedes dritte Fahrzeug ein Lkw, gung sowie kurze Lieferwege gut die Hälfte davon kommt inzu unseren Kunden gesichert.“ zwischen aus dem Ausland. Die Die A2, eine Erfolgsgeschichte „Warschauer Allee“, wie die A2 für Sachsen-Anhalt? Für viele. nun genannt wird, ist OsteuroNicht für alle. Zum Beispiel für pas Hauptanschluss an den EuHermann Rethfeld. Er hat 1992 roraum.

So ruhig war es vor 30 Jahren: die Transitstrecke zwischen der Bundesrepublik und der DDR 1984 Foto: Günter Schneider

Im Herzen der Stadt: Die Marienkirche in Frankfurt (Oder) erstrahlt in neuem Glanz.

Unverzichtbare Gebäude

Foto: Heinz Köhler

Hunderte märkische Kirchen wurden in den vergangenen Jahren vor dem Verfall gerettet Von Ulrich Thiessen Potsdam. In den vergangenen 25 Jahren sind in Brandenburg Hunderte Kirchen vor dem Verfall gerettet wurden. Gotteshäuser, die entlang der Oder 1945 zerstört wurden, um den heranziehenden sowjetischen Truppen keine Orientierung zu bieten, die bis 1989 als Ruinen ein trostloses Dasein fristeten, sind heute wieder Mittelpunkte ihrer Städte und Dörfer. Es ist ein Geheimtipp: Radfahren auf dem gut ausgebauten Oderdeich und bei Kienitz, nördlich von Küstrin, eine Rast einlegen. Eine Erfrischung oder einen Kaffee zu sich nehmen unter freiem Himmel, im Grünen und doch geschützt durch weißen Kirchenmauern. Die Radwegekirche Kienitz macht es möglich. In das im Krieg zerstörte Kirchenschiff war zu Beginn der 50er-Jahre im vorderen Teil eine Wohnung und darüber der Gemeindesaal errichtet worden. Der Rest des Schiffes blieb ohne Dach. Erna Roder, die Witwe des Kienitzer Pfarrers, begann in den 80ern die Schiefer vom ehemaligen Kirchendach zu bemalen und für den Erhalt des Gotteshauses zu verkaufen. Die voll-

ständige Sicherung der Kirchenmauern und die Sanierung der kleinen Kirche in der Kirche sowie die Nutzung der Freifläche für das Café Himmel und Erde und für Konzerte und Kulturveranstaltungen erlebte sie nicht mehr. Aber eine Statue erinnert heute an die engagierte Frau, die zur Symbolfigur für die Rettung von Kirchenbauten in der Region wurde. Hunderte Kirchenbauvereine sind in den vergangenen Jahren in Brandenburg gegründet worden. Darin engagieren sich längst nicht nur Gemeindemitglieder, sondern auch konfessionslose Einwohner, für die die Dorfkirchen unverzichtbare, identitätsstiftende Gebäude sind. Laut Landeskonservator Thomas Drachenberg sind die brandenburgischen Dorfkirchen weitgehend gerettet. Nur einige Wenige seien noch im Bestand gefährdet. So wie in Kienitz werden viele Kirchen nicht nur für Gottesdienste genutzt, sondern auch für kulturelle Zwecke. In Müncheberg wurde in den 90ern eine spektakuläre Holzkonstruktion in das große Kirchenschiff gebaut, die an eine Arche erinnert und eine Bibliothek beherbergt. Konzerte und kulturelle Veranstaltungen gehören heute vieler-

orts zur gängigen Nutzung von Kirchen, ohne dass die sakrale Nutzung beeinträchtigt oder aufgegeben werden muss, wie Volker Jastrzembski, Pressesprecher der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, sagt. Von den 2000 Gotteshäusern der Landeskirche, davon 1600 Dorfkirchen, sind in den letzten 24 Jahren 30 für eine weltliche Nutzung abgegeben worden. Umgewidmet wurde zum Beispiel die Gutskapelle in Darsikow (OstprignitzRuppin), in der heute ein Bildhaueratelier untergebracht ist. Die Kirche von Meßdunk (Potsdam-Mittelmark) wurde verkauft und wird heute für musikalische Veranstaltungen genutzt. Die Sicherung der Dorfkirchen wurde in den vergangenen Jahren oftmals von den Aktionen für die Stadtkirchen überstrahlt. Der Dom zu Brandenburg, die Wiege der Mark, galt Anfang der 90er als akut gefährdet, da seine Fundamente im Sumpf der Havelinsel, auf der er errichtet wurde, zu versinken drohten. Mehr als 20 Jahre war der Dom eine Baustelle. Im kommenden Jahr zu den 850-Jahr-Feierlichkeiten seiner Gründung wird er in altem Glanz erstrahlen. Auch die größte Hallenkirche des

Landes, St. Marien in Frankfurt (Oder), stand bis in die 90er als dachloses Denkmal der Kriegszerstörungen in der Stadtmitte. Inzwischen ist das steile spätgotische Dach rekonstruiert und prägt wieder die Stadtansicht von der Oderseite. Außerdem ist es gelungen, die als Kriegsbeute nach Russland verbrachten mittelalterlichen Kirchenfenster zurück nach Frankfurt zu bringen und sie nach umfassenden Restaurierungen wieder im Chor ihre bunte Pracht entfalten zu lassen. Landeskonservator Drachenberg, sieht die bisherigen Erfolge durchaus. Aber nicht ohne auf die nächsten Probleme aufmerksam zu machen: „Bei der Rettung der Ausstattung der Kirchen stehen wir noch ganz am Anfang“, schätzt Drachenberg ein. Kirchengestühl, Altäre und Kanzeln seien oftmals in einem prekären Zustand. Als gravierendes Beispiel nannte er den Kirchenschatz der Marienkirche Frankfurt (Oder). Der geschnitzte gotische Rahmen des Hochaltars muss dringend behandelt werden. Die Pfarrerin der Gemeinde, Susanne Seehaus, berichtet von 500 Exponaten, die aus der im Zweiten Weltkrieg schwer be-

schädigten und inzwischen wieder mit einem Dach versehenen Kirche gerettet werden konnten. Bis zum Reformationsjubiläum 2017 soll versucht werden, einige der zahlreichen Holzepitaphe zu restaurieren und die Grabdenkmale in einer Sonderausstellung als Beleg der gewachsenen Bürgerfrömmigkeit nach der Reformation auszustellen. Als Erfolg wird vom Landesamt für Denkmalpflege die Spendenaktion „Menschen helfen Engeln“ gewertet, bei der in den vergangenen Jahren 65 000 Euro für die Restaurierung von Taufengeln gesammelt wurden. 20 der noch 150 in Brandenburg gezählten derartigen Figuren konnten damit gerettet werden. Ebenso viele Taufengel gelten noch als dringend restaurierungsbedürftig. Laut Drachenberg gibt es nur noch wenige Dorfkirchen in Brandenburg, die als baulich gefährdet gelten. Dazu zähle das Gotteshaus in Laubst bei Cottbus, das wie der Ort selbst lange Zeit durch eine Tagebauerweiterung bedroht war und deshalb nicht baulich unterhalten wurde. Die Turmhaube musste inzwischen abgenommen werden, da der Turm als einsturzgefährdet galt.

Der fruchtbare Osten

Landwirte aus verschiedenen Himmelsrichtungen haben aus dem Erbe der DDR eine Erfolgsgeschichte gemacht Von Dominik Bath Magdeburg. Die alte Hofglocke schlägt zur vollen Stunde. Für Landwirt Alfred von Bodenhausen ist der Klang noch ungewohnt. Seitdem die Familie den Hof in Brumby (Landkreis Börde) bewirtschaftet, hat die alte Glocke am Getreidespeicher nicht mehr geläutet. Ein Geschenk seiner Frau Almuth, erklärt der stämmige Bauer. Seit nunmehr fast 25 Jahren sind die Bodenhausens in Sachsen-Anhalt. „Wir sind seitdem gewachsen. Haben vieles aufgebaut und verbessert“, erklärt der 51-Jährige. So wie die Hofglocke, die erst seit wenigen Monaten wieder über den Hof schallt. Die Bodenhausens sind nach der Wende vom Westen in den Osten gekommen. Alfred und Almuth haben in Göttingen studiert. Er Landwirtschaft. Sie Biologie. Beide hegen den Traum von einem eigenen Bauernhof.

Nur ist der in Westdeutschland ganz weit weg. „Mein älterer Bruder hat den Familienbetrieb übernommen“, erinnert sich Alfred von Bodenhausen. Der Mauerfall eröffnet eine neue Perspektive: eine Landwirtschaft im Osten. „Wenn die Grenze nicht aufgegangen wäre, hätten wir nie die Chance gehabt, einen eigenen Betrieb zu eröffnen“, sagt das Ehepaar heute. Auch Helmer Rawolle muss nach dem Mauerfall umplanen. Viele Jahre war er als Bereichsleiter für die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) in Tucheim tätig. Der Fall der Mauer trifft die Landwirte im Landkreis Jerichower Land unvorbereitet. Die LPG überlebt die Wende nicht. Das Land wird den ursprünglichen Besitzern wieder zugeteilt. „Wir wussten nicht, wie es weitergeht“, blickt der 68-Jährige zurück. Die Bauern halten zusammen. 1991 wird die Agrargenossenschaft Tucheim zu

dem, was sie heute ist: ein Zusammenschluss der Landwirte als Rechtsnachfolge der LPG. Helmer Rawolle wird von den 150 Anteilseignern an die Spitze des Betriebes gewählt. Die Landwirtschaft in Ostdeutschland tritt nach dem Fall der Mauer das schwere Erbe der Planwirtschaft an. Die 4300 Betriebe sind personell überbesetzt, Maschinen veraltet, Stallgebäude marode. Trotz Betriebsgrößen von mehreren tausend Hektar sind die Betriebe von Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit weit entfernt. In dieser Form hat die ostdeutsche Landwirtschaft keine Überlebenschance. Die 3844 Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und die 464 Volkseigenen Güter werden umstrukturiert. „Wir hatten von Kapitalismus keine Ahnung“, erinnert sich Rawolle. Plötzlich befand sich die Tucheimer Genossenschaft mittendrin. Rawolle und

seine Mitstreiter packen an. Sie investieren, gehen ins Risiko. Er und zwei weitere Landwirte nehmen jeweils 500 000 D-Mark auf. Sie haften privat. Es geht gut. Der Betrieb wird modernisiert: neuer Stall für die Milchkühe, neue Mähdrescher für den Ackerbau. Auch Familie Bodenhausen in Brumby nimmt viel Geld auf: 600 000 D-Mark. Damit wird der Betrieb ausgerüstet. „Wir konnten nachts nicht mehr schlafen. Das war unvorstellbar viel Geld“, erinnert sich die 54-jährige Almuth von Bodenhausen. Heute erwirtschaftet der Hof rund eine Million Euro Umsatz im Jahr. 2500 Tonnen Kartoffeln werden bundesweit verkauft. 2000 Tonnen Getreide gehen an die Mühlen und Futtermischbetriebe in der Region. Die jährliche Ernte von 3000 Tonnen Zuckerrüben nimmt die Zuckerfabrik in Klein Wanzleben ab. „Es gibt noch viel zu tun“, sagt Alfred von Boden-

hausen. „Aber wir haben mittlerweile eine vernünftige Größe erreicht“, erklärt der Landwirt. Der älteste Sohn Philipp plant, den Betrieb der Eltern zu übernehmen. Die Landwirtschaft in Brumby hat eine Perspektive. In Tucheim sieht sich Helmer Rawolle den neuen Stall für die Milchkühe an. Sein Sohn Sören begleitet ihn. Der 42-Jährige hat die Leitung der Genossenschaft vor drei Jahren von seinem Vater übernommen. „Er hat mir einen blitzsauberen Betrieb übergeben“, sagt Sören Rawolle anerkennend. In dem neuen Stall, der für 1,8 Millionen Euro gebaut wurde, werden Kühe automatisch gemolken. Die 1000 Milchkühe geben pro Jahr etwa 8,5 Millionen Liter Milch. Der Betrieb der Bauern aus Tucheim ist gesund. Sechs Millionen Euro Umsatz, wachsender Gewinn. „Die Erträge sind gestiegen in den vergangenen Jahren“, sagt Sören Rawolle.

Der alte und der neue Chef: Helmer und Sören Rawolle in der Agrargenossenschaft Tucheim Foto: Dominik Bath


Autostadt Eisenach macht Deutschland mobil

Bereits 1990 begann Opel sein Engagement in Eisenach. 24 Jahre später kann die Belegschaft des Opel-Werkes stolz auf über drei Millionen gefertigte Fahrzeuge sein. Als Dreimillionster rollte natürlich der derzeit besonders gefragte ADAM vom Band.

Es war ein Opel ADAM in weiß mit ardenblauem Dach, der kürzlich unter großem Applaus vom Band gefahren wurde: Das dreimillionste Auto aus Eisenach! Dieses Jubiläum des Thüringer Werks der Adam Opel AG war natürlich ein Grund zu feiern. Gekommen waren zahlreiche prominente Gäste, darunter auch Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht. Die Erfolgsgeschichte des Standortes Eisenach begann gleich nach der Wende: Auto Nummer eins war ein Opel Vectra, der im Jahr 1990 das Licht der Autowelt erblickte. Insgesamt 1,2 Milliarden Euro wurden hier seitdem investiert – zuletzt noch einmal knapp 200 Millionen Euro für den ADAM. Schon mehr als 80.000 Exemplare des Lifestyle-Flitzers (Verbrauch kombiniert: 7,0–5,0 l/100 km; CO2-Emissionen kombiniert: 130–112 g/km) wurden seit Marktstart im vergangenen Jahr von Kunden in ganz Europa bestellt – Erfolgsgarant und Vorzeigeobjekt für das Werk. „Opel ist der einzige Hersteller, der einen Kleinwagen nicht nur in Deutschland entwickelt hat, sondern ihn auch in Deutschland baut“, sagt Opel-Vorstandsvorsitzender Dr. KarlThomas Neumann. Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht hob die wichtige Rolle hervor, die Opel seit Produktionsstart als Arbeitgeber und Zugpferd für weitere Industrieansiedlungen in der Region spielt: „Opel Eisenach ist ein Teil Thüringens! Wir wollen, dass die Er-

folgsgeschichte des Werks Eisenach fortgeschrieben wird! Zuverlässigkeit und Qualität haben die Produkte von Opel seit Generationen geprägt, ja haben sie mitunter zu richtigen Kultobjekten werden lassen.“ Eisenach hat von Anfang an von sich reden gemacht. Hier wurde zum Beispiel ein neues Produktionssystem für höchste Qualität und Effizienz verwirklicht. Das Werk hat auch bei der Einbeziehung der Mitarbeiter, kontinuierlichen Verbesserungen und dem Logistiksystem Maßstäbe gesetzt. Schon 1993 hat GM das Opel-Werk Eisenach daneben zur Weiterbildungsstätte innerhalb des Konzerns ausgebaut. Mehr als 16.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der ganzen Welt kamen bisher nach Thüringen. Auch prominente Gäste zog es nach Eisenach – von Bundeskanzler Helmut Kohl (1990 und 1992) bis hin zu US-Präsident Bill Clinton (1998). Dass Eisenach auch weiterhin eine wichtige Rolle für Opel und GM spielen wird, davon ist Werksleiterin Elvira Tölkes überzeugt: „Wir werden die Qualität, Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit weiterentwickeln und den Standort Eisenach für die Zukunft ausrichten.“

Der dreimillionste Opel aus Eisenach ist ein ADAM – hier mit der Eisenacher Belegschaft und Ehrengästen bei der Jubiläumsfeier.

Als echter Eisenacher macht der Opel ADAM auch vor der Wartburg eine gute Figur.

Das Werk Eisenach ist heute eines der modernsten Automobilwerke der Welt.

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Leben im Osten – Wertewandel Studie

Donnerstag, 2. Oktober 2014

Narrendisput von 1737: Der preußische König Friedrich Wilhelm I. – bekannt auch als „Soldatenkönig“– zwang damals die Gelehrten der Frankfurter Viadrina-Universität öffentlich mit seinem Hofnarren über dessen Schrift „Vernünftige Gedanken von der Narrheit und Narren“ zu disputieren. Der Holzkünstler Joachim Weidner hat die Szenerie vor dem historischen Uni-Gebäude nachempfunden. Foto: Johannes Müller

Schulterschluss: Die Staatspräsidenten Bronislaw Komorowski (l.) und Joachim Gauck eröffneten im Oktober 2013 das Studienjahr an der Europa-Uni sowie am Collegium Polonicum in Slubice und überquerten dabei auch gemeinsam die Oderbrücke. Fotos (2): Heinz Köhler

„Gräfin-Dönhoff-Gebäude“: Der neue Hörsaal-Mensa-Komplex der Uni wurde nach der bekannten Publizistin und Vermittlerin im deutsch-polnischen Verhältnis benannt.

Die wiedergeborene Alma Mater

Ohne den Umbruch von 1989/90 wäre die Gründung der Frankfurter Europa-Universität undenkbar gewesen Von Dietrich SchröDer Frankfurt (Oder) (MOZ) Brandenburg war 1990 das einzige der neuen Bundesländer, in dem es keine Universität gab. Ohne die Wende hätte sich daran wohl auch kaum etwas geändert. Als im Herbst 1989 auch in Frankfurt (Oder) das Neue Forum entstand und die Bürger für Veränderungen demonstrierten, kam der Gedanke an die Wiederbelebung einer alten Tradition auf. Über drei Jahrhunderte – genau von 1506 bis 1811 – hatte sich in der Oderstadt die brandenburgische Landesuniversität befunden. Sie war nach dem Fluss benannt, denn ihr lateinischer Name „Viadrina“ bedeutet nichts anderes als „an der Oder gelegen“. Zu den berühmtesten Studenten zählten damals Ulrich von Hutten, Thomas Müntzer sowie Carl Philipp Emanuel Bach. Doch die Berliner Universität, die 1809 auf Initiative von Wilhelm von Humboldt gegründet worden war, lief der Viadrina den Rang ab. Schon zwei Jahre später verfügte eine Kabinettsorder die Überführung der Universität in das ebenfalls an der Oder gelegene schlesische Breslau. Den Bürgerbewegten von 1989 war klar, dass eine neue Universität sich von den bereits existierenden unterschieden müsse, deshalb entstand zunächst die Idee einer ökologischen Hochschule. Doch eine im Dezember 1989 an das Bildungsministerium der DDR-Regierung gestellte Anfrage wurde von dort deutlich zurückgewiesen. Es sei „nicht beabsichtigt, das zur Zeit

bestehende Netz der Universitäten und Hochschulen zu erweitern, sowohl aus Gründen einer effektiven Gestaltung der höheren Bildung und Forschung, als auch aus ökonomischen Gründen“, teilte der Minister HansHeinz Emons aus dem Kabinett von Hans Modrow mit. Erst die politische Überlegung, dass die neue Viadrina nicht mehr nur an der Oder, sondern auch an der Grenze zwischen dem wiedervereinten Deutschland sowie Polen liegen würde, gab den entscheidenden Impuls. Die Gründung einer „EuropaUniversität“, an der ein großer Teil der Studierenden aus dem Nachbarland kommen sollte, war die kühne Idee der 1990 neu gewählten Stadtverordneten sowie der Landesregierung. Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) verkündete sie als Ziel in seiner ersten Regierungserklärung am 6. Oktober 1990. Gleichzeitig wurden damals auch die Schaffung der Universität in der Landeshauptstadt Potsdam, der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus und Senftenberg sowie mehrerer neuer Fachhochschulen beschlossen. Heute erinnern sich viele der ersten Wissenschaftler und Studierenden mit Sehnsucht an diese Aufbruchszeit. „Brandenburg musste keine früheren DDR-Universitäten abwickeln, sondern konnte eine neue Hochschullandschaft aus dem Boden stampfen.“ Diese besondere Konstellation habe auch die Entwicklung der neuen Viadrina so einzigartig gemacht, meint etwa die Soziologie-Professorin Anna Schwarz.

Die Warschauerin Olga Tyton, die ab 1994 in Frankfurt Jura studierte, kann sich noch an die Warteschlangen am Grenzübergang auf der Oderbrücke erinnern, an der damals die Schilder für „EU“- und „NonEU“-Bürger prangten. Sie berichtet: „Ich bin meistens mit dem Fahrrad über die Grenze gefahren. Da kam man besonders gut durch, auch als Nicht-Student. Aber es gab auch andere unge-

Das Wappen der Viadrina wöhnliche Dinge damals. Am Anfang wussten wir gar nicht, ob unsere deutschen Abschlüsse auch in Polen anerkannt würden. Und manchmal haben wir gerätselt, wo die nächste Vorlesung stattfindet. Ich kann mich an einen Winter erinnern, in dem das heute schöne Hauptgebäude renoviert wurde und alle dort in Mänteln saßen, weil die Heizung abgestellt war. Als ich in ein Sekretariat kam, stand hinter der Mitarbeiterin ein Handwerker und bemalte die Wände.“ Inzwischen ist Olga Tyton bei der Europäischen Kommission in Brüssel angestellt. Sie hat den Weg ihres Landes in die EU auf besondere Weise mitbegleitet,

zunächst als Studentin, dann als Vertreterin des Warschauer Justizministeriums bei den polnischen Beitrittsverhandlungen und schließlich jetzt als EU-Beamte. Für die Hochschule, der nahezu alle deutschen und polnischen Regierungschefs sowie Staatsoberhäupter seit 1990 ihren Besuch abstatteten, gab es neben zahlreichen Höhepunkten aber auch Rückschläge. Diese resultierten vor allem daraus, dass die Uni als Landeseinrichtung nicht über die finanziellen Möglichkeiten verfügte, die man sich gewünscht hätte. Der erste gewählte Rektor Hans N. Weiler, der für diese Aufgabe extra aus dem kalifornischen Stanford gekommen war, beklagte bei der Zehn-Jahres-Feier im Sommer 2001 gar, dass die Viadrina von der Landesregierung „heute auf Sparflamme gesetzt wird, wie ein gar gekochtes Suppenhuhn, das man nur noch warm halten muss“. Hinzu kamen die wirtschaftlichen Rückschläge, mit denen auch die Stadt Frankfurt immer wieder kämpfen musste. Nach dem Zusammenbruch des früheren Halbleiterwerks konnten sich auch neue Investoren in der Mikrochip- und Solarindustrie nicht lange halten. Eine neue wissenschaftliche Keimzelle entwickelte sich dagegen aus dem Institut für innovative Mikroelektronik (IHP). Es kooperiert inzwischen mit technischen Universitäten aus Deutschland und Polen, aber auch mit der Viadrina. In der Kommune, deren Einwohnerzahl seit 1990 um mehr als ein Drittel sank, stellte die

Hochschule immer einen Leuchtturm und Hoffnungsanker dar, auch wenn die meisten der Studierenden nach dem Studium nicht in der Stadt, aber wenigstens in Brandenburg blieben. Mit der Gründung einer Stiftungs-Universität, die sowohl inhaltlich als auch durch die Gewinnung von Stiftern und Spendern finanziell mehr Selbständigkeit hat, versuchte sich die Präsidentin Gesine Schwan aus den bestehenden Zwängen zu befreien. Die Politikwissenschaftler steigerte den Bekanntheitsgrad der Viadrina zudem dadurch, dass sie zweimal für die SPD als Kandidatin bei der Bundespräsidentenwahl antrat, dabei aber gegen Horst Köhler den Kürzeren zog. Die Umwandlung in eine Stiftung gelang 2008 nach langjährigem Ringen mit der Landesregierung. Die Einführung kürzerer Bachelor- und Masterstudiengänge, aber auch die Tatsache, dass immer mehr Wissenschaftler und Studierende täglich von und nach Berlin pendeln, stellten weitere Veränderungen dar. Deshalb steht die Viadrina auch in der Gegenwart vor der Herausforderung, ihre Attraktivität gegenüber anderen Hochschulen unter Beweis stellen zu müssen. Der europäische und grenzüberschreitende Charakter der Studiengänge und Forschungen sollen dabei im Vordergrund stehen. Durch die geplante Umwandlung des Collegium Polonicum in Slubice in eine gemeinsame Fakultät mit der Adam-Mickiewicz-Universität Posen soll zudem eine wahrhaft deutschpolnische Hochschule aus der Viadrina werden.

Kurze Chronik Aus der Geschichte der Viadrina ■ 1506: Die vom brandenburgischen Kurfürsten Joachim I. und der Stadt Frankfurt angestrebte Einrichtung der Landesuniversität an der Oder wird von Papst Julius II. genehmigt. Ihre Einweihung erfolgt am 26. April. Gründungsrektor wird der katholische Theologe Konrad Wimpina, der zuvor in Leipzig studiert und gelehrt hatte. Gründungskanzler ist der Bischof des Bistums Lebus-Fürstenwalde, Dietrich von Bülow. Einer der ersten Studenten ist Ulrich von Hutten. ■ 1518: Der Ablass-Prediger Johann Tetzel wird an der Viadrina promoviert, hier entstehen seine 106 Gegenthesen zu den 95 Thesen Luthers. ■ 1668: Der Chirurg Mattheus Gottfried Purmann führt die erste erfolgreiche Bluttransfusion vom Lamm auf einen Menschen auf deutschem Boden durch. ■ 1697: Der Universalgelehrte Johann Christoph Beckmann lässt in der Universitätsdruckerei den ersten vollständigen Talmud in deutscher Übersetzung drucken. Bereits 1678 wurden die ersten jüdischen Studenten an der Viadrina zugelassen. ■ 1734: Carl Philipp Emanuel Bach, der bekannteste Sohn von Johann Sebastian Bach, studiert vier Jahre lang Jura in Frankfurt und komponiert hier mehrere musikalische Werke. ■ 1811: Bis zur Verlegung nach Breslau haben an der Viadrina 55 000 Personen studiert, darunter viele Osteuropäer.

■ 1990: Am 5. Oktober, zwei Tage nach der deutschen Einheit, bildet sich ein „Verein der Freunde und Förderer der Frankfurter Universität“. Tags darauf kündigt Brandenburgs Regierungschef Manfred Stolpe die Gründung einer „EuropaUniversität“ an. ■ 1991: Am 6. September erfolgt die feierliche Eröffnung in der Frankfurter Konzerthalle. Gründungsrektor wird Knut Ipsen aus Bochum. ■ 1992: Das erste akademische Jahr der neuen Viadrina beginnt mit 470 Studierenden, darunter 200 Polen. In Slubice wird der Grundstein für das Collegium Polonicum gelegt. ■ 1993: Der Bildungswissenschaftler Hans N. Weiler ist bis 1999 erster gewählter Rektor, ihm folgen die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan (bis 2008) und der frühere Spitzendiplomat Gunter Pleuger (bis 2014). Zum künftigen Präsidenten wurde kürzlich der Slawist Alexander Wöll gewählt. ■ 1999: Erstmals wird der vom früheren Herausgeber der „Märkischen Oderzeitung“, Claus Detjen, gestiftete Viadrina-Preis vergeben. Als erster erhält ihn der Übersetzer Karl Dedecius. ■ 2006: Die Viadrina feiert den 500. Jahrestag ihrer historischen Vorläuferin. ■ 2014: An der Universität studieren gegenwärtig rund 7000 junge Leute aus mehr als 80 Ländern.


Leben im Osten – Wertewandel Studie

Donnerstag, 2. Oktober 2014

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Tanz im freien Fall

Die Bevölkerung von Hoyerswerda ist dramatisch geschrumpft – aber die Stadt gibt sich nicht auf Von Frank Seibel Hoyerswerda. Statistisch betrachtet, erlebt Hoyerswerda ein Vierteljahrhundert Niedergang. Doch die sächsische Stadt kämpft kreativ dagegen an – und zeigt sich lebendig. Hoyerswerda?! Als sein Chef am Telefon sagte, er solle seine Koffer packen und nach Hoyerswerda gehen, da dachte Dieter Henke: „Was habe ich falsch gemacht?“ Damals war er 42 Jahre alt und arbeitete in Köln. „Ich wusste nichts über die Stadt, hatte nur die Schlagzeilen vom Angriff auf Asylbewerber im Kopf.“ Er rief seine Frau an und sagte betreten: „Du, ich muss in den Osten.“ Elf Jahre ist das her. Und dass Dieter Henke darüber im selben Büro spricht, das er 2003 im Lausitzcenter bezogen hat, macht ihn einfach nur froh, nicht bitter. Denn mittlerweile ist er ganz und gar freiwillig hier. Zunächst war er nach vier Jahren – wie bei diesen Shopping-Malls üblich – zur nächsten Station geschickt worden. Zweieinhalb Jahre hat er dann in Westfalen ein dreimal so großes Center umstrukturiert und sich damit für weitere große Aufgaben qualifiziert. Dann wurde er gefragt, wohin er denn als nächstes gerne möchte. Vielleicht ein Center in München oder Nürnberg? „Och“, sagte der gebürtige Norddeutsche dann, „wenn Sie mir einen Gefallen tun wollen, dann schicken Sie mich wieder nach Hoyerswerda.“ Er schmunzelt noch heute über die ungläubigen Gesichter. Doch schon nach den ersten Wochen hatte ihn diese verrückte Stadt in den Bann geschlagen. Er erlebte eine Welt im Umbruch, auch noch 14 Jahre nach der friedlichen Revolution. Die ersten Plattenbauten waren abgerissen, die Zahl der Einwohner von 70 000 auf 50 000 geschrumpft. Und doch fand der Manager aus dem Westen hier aufgeschlos-

Freiwillig zurück nach Hoyerswerda: Centermanager Dieter Henke sene und freundliche Menschen vor, entdeckte gute Kneipen und Restaurants, sah im Umland neue Seen entstehen und genoss die schöne Natur rund um die Stadt. Wer heute nach Hoyerswerda kommt, wird unweigerlich im Reich des Dieter Henke landen. Ein Einkaufszentrum wie viele in Deutschland, 1995 zwischen das einstige Centrum-Warenhaus und die Lausitzhalle aus den 80er-Jahren gesetzt. Viel Beton prägt das Zentrum von Hoyerswerdas Neustadt. Das muss man nicht schön finden – aber

es ist etwas los hier. „Rentnertunnel“ nennen die Jugendlichen ein bisschen abfällig die Ladenpassage des Lausitzcenters. Dieter Henke weiß das und nimmt es locker. Natürlich kommen hier viele ältere Menschen her. 15 000 Besucher zählt das Center jeden Tag. Jeder zweite ist über 55 Jahre alt, jeder dritte sogar über 65. Für viele Senioren ist das Center wie ein Marktplatz – und Dieter Henke so etwas wie ein Bürgermeister. Jeden Morgen um neun macht er seine Runde durch die Passage, ruft in jede

In der Spitzengruppe der Frachtflughäfen Airport Leipzig/Halle befindet sich im Aufwind

Von Ulrich langer

Leipzig. Vom kleinen ProvinzStart- und Lande-Platz zum internationalen Luft-Drehkreuz: Eine solche Entwicklung kann in Ostdeutschland kein anderer Flughafen für sich in Anspruch nehmen außer der in Leipzig/ Halle. Was hier 1927 begann, hat inzwischen eine Dimension erreicht, die sich mit den großen Logistik-Standorten der Welt messen kann. „Die Entwicklung des Flughafens Leipzig/Halle seit dem politischen Umbruch 1989/90 ist eine einzigartige Erfolgsgeschichte, die für mehr als 50 Millionen Passagiere und fünf Millionen Tonnen Luftfracht steht“, meint Markus Kopp, Chef der Airport-Holding, und freut sich. Zu Recht, wie ein Blick zurück zeigt. Zaghaft sind die Anfänge vor 87 Jahren gewesen. Nach 35-minütigem Flug setzte am 27. April 1927 der erste Flieger auf der Graspiste auf. 6400 Flugbewegungen wurden im ersten Jahr registriert und 207 000 Tonnen Fracht umgeschlagen. Nach dem Krieg ging es auf dem mitteldeut-

schen Flugplatz zwar schrittweise aufwärts, aber nur langsam. Regulär starteten hier zu DDR-Zeiten Maschinen lediglich zu Destinationen im Inland – etwa Berlin-Schönefeld oder Barth an der Ostsee oder Erfurt – beziehungsweise zu Urlaubsgebieten im sozialistischen Ausland – und die waren alles andere als reich gesät. Einzig zwei Mal im Jahr bekam Schkeuditz den Hauch von Weltflair zu spüren: Zur Frühjahrs- und Herbstmesse, als Gäste aus aller Herren Länder hier eintrafen. Dennoch, die 7150 jährlichen Flugbewegungen zu Hochzeiten der DDR nehmen sich verglichen mit den heutigen Größenordnungen bescheiden aus. Wurden 1990 bereits 275 000 Fluggäste begrüßt, sind es im vorigen Jahr 2,24 Millionen gewesen. Die Zahl der Flugbewegungen hat sich seit den 1920er-Jahren auf fast 62 000 im vorigen Jahr verzehnfacht. Damit „sind wir letztlich Spitze in der Regionalliga“, betont Kopp. Und fast 890 000 Tonnen Fracht umzuschlagen, wie 2013, müsse auch erst einmal geschafft werden. Immerhin be-

Begeisterung für Fluggeräte: Mechaniker Kersten Jaworski

Foto: DHL

hauptet sich der Schkeuditzer Airport seit Längerem als zweitgrößtes deutsches Fracht-Drehkreuz nach Frankfurt am Main. Dass Leipzig/Halle in einen derartigen Aufwind geriet, lobt Kopp, sei vor allem den über 6200 Mitarbeitern in 130 Betrieben am Flughafen zu verdanken. Daher zählt er „zu den bedeutendsten Arbeitsstätten in Ostdeutschland und ist zugleich Nukleus einer herangewachsenen Logistikregion Mitteldeutschland von internationalem Rang“, betont der Manager. Und Post-Chef Frank Appel bescheinigt den Beschäftigten vom Luftfrachtdrehkreuz der PostExpresstochter DHL eine „sehr hohe Motivation“. Das trifft etwa auf den Fluggerätemechaniker Kersten Jaworski (35) zu. „Mit dem Job bei DHL habe ich die für mich ideale Kombination gefunden. Meine Begeisterung für Flugzeugtechnik leben und das zu Hause in Sachsen“, sagt der 35-Jährige, der 2006 nach Stationen in Neuburg an der Donau und Mönchengladbach nach Leipzig gekommen ist. Der gebürtige Altenburger ist einer von rund 250 Mechanikern am Standort. Er wartet Flugzeuge der Typen Boeing 757 sowie Airbus A300 und sorgt so mit dafür, dass Piloten und Ladung jederzeit sicher ihr Ziel erreichen. Der Flughafen erlebt einen bemerkenswerten Auftrieb. „Die Rolle, die Leipzig/Halle heute spielt, ist untrennbar verbunden mit unserem DHL-Standort“, ist sich Kopp sicher. Hub wird er genannt, was aus dem Englischen kommt und so viel bedeutet wie Knotenpunkt. Und das ist er im wahrsten Sinne des Wortes schon seit seiner Eröffnung im Mai 2008. „DHL hat uns zu einem enormen internationalen Renommee verholfen und den Airport in die Champions League der Frachtflughäfen aufsteigen lassen.“

Foto: Wolfgang Wittchen

Geschäft und Restaurants ein freundliches „Guten Morgen“ und wird freundlich zurückgegrüßt. Auch von den Kunden hört er häufig ein freundliches Hallo. „Das ist ein Dorf hier“, sagt Dieter Henke und meint damit nicht nur sein Center, sondern die ganze Stadt. Jene Stadt, die bis vor 60 Jahren wirklich fast ein Dorf war. Ein Ackerbürgerstädtchen mit 7000 Einwohnern. Ein paar Kilometer vom Lausitzcenter entfernt sitzt Horst-Dieter Brähmig im Haus seiner Eltern, das bis

1904 das Landratsamt war. Brähmig ist ein schlanker, freundlicher Mann von 75 Jahren. Er war von 1994 bis 2006 Oberbürgermeister von Hoyerswerda und ist immer noch einer der prägenden Persönlichkeiten hier. „Als ich noch ein Kind war, stand Hoyerswerda in keinem Almanach“, erinnert er sich. So unbedeutend war das arme, kleine Städtchen. Umso stolzer war er, als 1955 die Bagger und Kräne anrückten, um auf Beschluss der DDR-Regierung in Berlin hier eine Modellstadt der Moderne hochzuzie-

hen, Häuser für 18 000 Arbeiter im Kohlekombinat Schwarze Pumpe. Brähmig wurde als Oberbürgermeister sogar von Sachsens CDU-Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf hoch geschätzt, obwohl er ein „Roter“ war. Vielleicht, weil er die scheinbar unvereinbaren Teile dieser merkwürdigen Stadt in sich vereinte: das kleine Bürgerstädtchen, das als Altstadt einen von zwei Flügeln im Grundriss der Stadt bildet, und die moderne Neustadt, die Leben und eine gewisse

Weite hier in die Provinz brachte. Eine bipolare Stadt nennt Dorit Baumeister ihre Heimatstadt. Die Architektin ist 1992 nach zehn Jahren des Studierens und Probierens in Berlin nach Hoyerswerda zurückgekehrt, obwohl das eine Stadt im Sturzflug war: Tausende Arbeitsplätze in „Pumpe“ verschwanden innerhalb weniger Jahre. Während OB Brähmig vom Abriss ganzer Neustadt-Quartiere noch nichts wissen wollte, sah Dorit Baumeister eine große Chance für die Stadt. Der eine fand das Wort „schrumpfen“ zu traurig, die andere münzte es um in „Aufbruch“. Bis heute kämpft sie dafür, dass die Neustadt ein modernes Projekt bleibt und nicht in eine Ansammlung von Zuckerwürfeln mit Giebeldach verwandelt wird. „Was wir uns nicht leisten können, ist Mittelmaß und Langeweile“, ist ihr Credo. Gemeinsam mit den Freunden der „Kulturfabrik Hoyerswerda“ entwickelte die Architektin Projekte, bei denen die Menschen von „Hoywoy“ die Trauer und Enttäuschung künstlerisch verarbeiten konnten. Sie sammelten ein Jahr lang Sonntagsbilder von Hobby-Fotografen, sie schickten Postkarten an Leute, die abgewandert sind (und erhielten viele liebevoll-sehnsüchtige Antworten), sie holten 80 Leute aller Altersgruppen auf die Bühne bei „Eine Stadt tanzt“. „Da waren auch fünf von meinen Mitarbeitern dabei“, sagt Dieter Henke, der Center-Manager. Er glaubt, dass der „Rentnertunnel“ nur eines von vielen Klischees ist, das es in der Stadt und über die Stadt gibt. Zwar ist für ihn die Stadt ein „Dorf“ mit aktuell noch 28 000 Einwohnern – aber er trägt mit vielen Aktionen im Center dazu bei, dass sich Hoyerswerda wie eine lebendige Stadt anfühlt. Horst-Dieter Brähmig, der frühere Oberbürgermeister, sagt es so: Diese Stadt hat noch viel vor sich.

Der Fußball-Trainer-Vater

Roland Kroos zog den einzigen Fußballweltmeister aus den neuen Bundesländern groß Von AndreAs Frost Rostock. Toni Kroos ist der einzige Fußball-Weltmeister aus den neuen Bundesländern. Nach erfolgreichen Jahren beim FC Bayern spielt er inzwischen bei Real Madrid, dem weltweit besten Verein, wie der 24-Jährige sagt. Sein Bruder Felix, gut ein Jahr jünger als Toni, steht beim Bundesligisten Werder Bremen unter Vertrag. Roland Kroos legte den Grundstein für die Karrieren beiden – als Vater und als Jugendtrainer bei Hansa Rostock. Ein Donnerstagnachmittag auf dem Gelände der Nachwuchsakademie des FC Hansa Rostock. Am Rande des Platzes beobachten einige Eltern, wie ihre Knirpse versuchen, den Ball um die bunten Kegel zu dribbeln. Hier haben auch Toni und Felix Kroos Fußball gespielt. Auch Roland Kroos hat seine Söhne auf den Fußballplatz begleitet, aber nie als Vater am Spielfeldrand. Für viele Jahre war er Tonis und Felix‘ Trainer. Eine Doppelrolle, die Roland Kroos – so hat es den Anschein – auch außerhalb des Trainingsplatzes spielte. An die Wand hinter seinem Schreibtisch in der Vereinsgeschäftsstelle hat Hansas A-Jugendtrainer Autogrammkarten seiner Söhne angeheftet und ein Plakat aufgestellt: Toni hält 2013 jubelnd im Bayern-Trikot den Champions-League-Pokal in die Höhe. Noch ergreifender sei der Moment gewesen, als Toni mit der Nationalmannschaft in Brasilien Weltmeister wurde, sagt der Vater. „Ja“, räumt er ein, „ich bin stolz auf meine Söhne“. Auf seinen eigenen Anteil an deren Karriere sei er „nicht stolz, sondern glücklich und zufrieden, dass die beiden ihren Traum leben können“. Toni und Felix wuchsen in Greifswald in einem äußerst sportorientierten Elternhaus auf. Roland Kroos hat als Ringer in der Kinder- und Jugendsportschule Luckenwalde die intensive DDRSportförderung miterlebt. Nach einer Handverletzung wechselte

Der jubelnde Sohn im Hintergrund: Roland Kroos in der Nachwuchsakademie des FC Hansa Rostock vor dem Foto vom Champions-League-Gewinn Foto: Andreas Frost er zum Fußball und spielte bei der Betriebssportgemeinschaft KKW Greifswald. Mutter Birgit wurde im Badminton mehrmals DDR-Meisterin. Mit vier und fünf Jahren spielten die Kroos-Brüder bereits Badminton. Aber noch vor der Einschulung entdeckten sie den Fußball für sich. Vater Roland stieg bei ihrem Verein Greifswalder SC als Jugendtrainer ein. „Fußballerisches Talent erkennt man an den Bewegungsabläufen, wie schnell ein Junge dazulernt und ob er schon in jungen Jahren vorausschauend spielt. Dann kommen natürlich Schnelligkeit und Athletik hinzu.“ Recht viel davon hatte Kroos bei seinen Jungs von Anfang an entdeckt. „Wir haben viel zusätzlich gemacht. Beide Jungs waren fußballverrückt.“ Häufig hat er mit Toni und Felix Technik geübt, bevor es mit den Freunden auf den Bolzplatz ging. Den Ball passen,

stoppen, mitnehmen, schießen. „Eine gute Technik und das mit beiden Füßen: Das ist wichtig heutzutage“, sagt Kroos. Dann erst könne ein Spieler den Gegner und den Raum sehen. „Ich habe stets die Freude am Spiel betont“, versichert Roland Kroos. „Die Jungs haben Spaß gehabt. Man darf Kindern nicht das Gefühl geben, man zwinge sie dazu.“ War er trotzdem streng? „Streng ist das falsche Wort. Aber ab einem gewissen Alter gehören eine gewisse Ordnung und Disziplin dazu.“ 2002 fiel Toni Kroos den Scouts von Hansa Rostock auf. Sie wollten den Jungen aufs Internat der Nachwuchsakademie zu holen. „Bei uns stand jedoch fest“, berichtet Roland Kroos, „dass wir nur als Familie nach Rostock umziehen“. Er hatte sich als Jugendtrainer in Mecklenburg-Vorpommern einen Namen gemacht hatte. „Ich kann mich nicht er-

innern, dass meine Mannschaft damals gegen Hansa Rostock verloren hätte.“ So bekam er einen Vertrag bei Hansa – und den Söhnen blieb das Internat erspart. Dank der qualifizierten Jugendarbeit bei Hansa, so Roland Kroos, „musste man nicht mehr so viel extra machen. Man hatte ein gutes Gefühl“. Er holte seine Söhne dennoch aus dem Sportunterricht der Schule, um mit ihnen ein paar Extra-Schichten Freistöße zu üben. Er habe jedoch „nie gesagt, sie sollen Profi-Fußballer werden. Sie sollten anständige Menschen werden.“ Es sei sowieso nicht gut, „wenn man mehr will als das Kind. Dann geht die Lockerheit verloren.“ Toni Kroos stach bald aus allen seinen Teams hervor. Der FC Bayern wurde auf ihn aufmerksam. 2006 entschied sich der FußballHochbegabte, nach München zu gehen. Felix Kroos, wie sein Bruder mehrfacher Jugendnationalspieler, spielte drei Jahre später erstmals für Hansa Rostock in der 2. Bundesliga. Loslassen konnte Roland Kroos anfangs nicht. Als Toni bei Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann nur auf der Ersatzbank saß, sorgte er dafür, dass sein Sohn 2009 zu Bayer Leverkusen ausgeliehen wurde. „Da ist man dann Vater und macht sich Sorgen, wenn man weiß, der Sohn hat Talent und kann sich nur weiterentwickeln, wenn er spielt.“ Nach seiner Rückkehr zu den Bayern war Toni Kroos vier Jahre lang Stammspieler bei den Bayern. Roland Kroos: „Das zeigt doch, dass man recht hatte. Am Ende haben alle profitiert.“ Felix Kroos berichtete vor kurzem in einem NDR-Interview etwas überzogen von der „harten Schule“ seines Vaters. „Du kommst vom Fußballplatz runter, kommst nach Hause, aber es hört nicht auf mit Fußball.“ Dennoch sei er unendlich dankbar für das, was sein Vater für seine Fußball-Söhne getan habe. Roland Kroos: „Das freut einen natürlich.“


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Leben im Osten – Wertewandel Studie

Donnerstag, 2. Oktober 2014

Eine Stadt unter Volldampf: Tina Fischer, Mitarbeiterin des Modellbahnherstellers PIKO, überprüft eine Modellbahn-Dampflok BR64 in der größten Spurgröße G.

Foto: Michael Reichel

Spiel ohne Grenzen

Sonneberg hat die niedrigste Arbeitslosigkeit des Ostens – und beschäftigt mittlerweile sogar Einpendler aus dem benachbarten Bayern Von Jolf Schneider Sonneberg. Sonneberg hat es geschafft. Die Arbeitslosenquote im Landkreis liegt konstant unter vier Prozent. Ein Wert, von dem selbst viele Regionen in Westdeutschland nur träumen können. Dabei hat sich die Struktur der Wirtschaft der einstigen Weltspielwarenstadt spürbar gewandelt. Sonneberg, das war seit der Wende die Region der guten Nachrichten. Generationen von Leitern der zuständigen Arbeitsagentur in Suhl konnten sich sicher sein, allmonatlich wenigstens eine gute Nachricht verkünden zu können: Die vergleichsweise gute Situation auf dem Arbeitsmarkt in Sonneberg. Anfangs gab es dafür vor allem eine Erklärung: Die räumliche und kulturelle Nähe in Oberfranken. Vor allem in Coburg fanden die Sonneberger Arbeit und Nachbarn, die die gleiche Mundart sprechen. Vor der eigenen Haustür gab es die gleichen Probleme wie überall in der zusammengebrochenen DDR. Die alten Arbeitsplätze existierten nicht mehr, weil die riesigen Kombinate aufgelöst, abgewickelt, verkauft, verramscht wurden. Die Sonneberger mussten sich nach Alternativen umschauen. Im Unterschied zu den Menschen in Altenburg oder Anklam hatten sie den Vorteil, dass ein funktionierender Arbeitsmarkt mit hohem Fachkräftebedarf wenige Kilometer entfernt auf der anderen Seite der Grenze lag. Sonneberg, das war in der DDR die Wiege des Spielzeugs für den Weltmarkt. Diese Rolle war durchaus historisch gewachsen. Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Sonneberg 321 Spielwarenbetriebe und bereits 481 Exportunternehmen. 1913 wurde der Begriff Weltspielwarenstadt geprägt. Oft standen mehr als 20 000 Artikel in den Musterzimmern der Großhändler. Das Museum dazu nennt sich stolz Deutsches Spielzeugmuseum und stellt Erinnerungsstücke aus

Erinnerung an glanzvolle Zeiten: Das Deutsche Spielzeugmuseum in Sonneberg (Thüringen) ist in diesem Sommer um einen Erweiterungsbau (l) vergrößert worden. Die Spielzeugbranche spielt allerdings nicht mehr eine solch große Rolle wie früher. Foto: Michael Reichel dieser Zeit aus. Bis zur politischen Wende 1989 stellten fast 3000 Sonneberger im VEB Sonni Spielwaren her. Historisch kam die Region jedoch eher aus der Holz- und Glasindustrie. Beides gab es zu DDR-Zeiten in Größenordnung in der Region. Hinzu kamen Elektroindustrie und Metallverarbeitung. Die Mitarbeiter der Unternehmen waren gut ausgebildet und kamen daher in der Nachbarschaft unter, als sie in Sonneberg nicht mehr gebraucht wurden. Kurz nach der Wende sah es so aus, als könne Sonneberg nahtlos an die Tradition der Spielzeugstadt anknüpfen. Märklin kam nach Sonneberg, um Modelleisenbahnen zu produzieren.

Der Puppenhersteller Schidkröt zog 1993 ins nahe Rauenstein. Der fränkische Spielwarengroßhändler Simba-Dickie siedelte in Sonneberg sein Logistik-Zentrum an. Märklin ist in Sonneberg schon wieder Geschichte. Die beiden anderen Unternehmen halten zusammen mit dem Modellbahn-Hersteller Piko und vielen anderen kleinen Betrieben die Branche aufrecht, doch an die Dimensionen von einst können sie auch gemeinsam nicht anknüpfen. Und trotzdem wurde Sonneberg zur Erfolgsgeschichte. Heute lässt sich dieser nicht mehr nur mit der Nähe zu Franken erklären. Inzwischen ist hier etwas gewachsen, was ganz offensichtlich tragfähig ist. Und

so attraktiv, dass Arbeitskräfte aus ganz Deutschland angelockt werden. Die historischen Industrien sind noch vorhanden, jedoch in deutlich kleineren Dimensionen. Spielzeugindustrie gibt es genauso wie die Kunststoffindustrie. Auch Glas wird im Raum Sonneberg weiterhin verarbeitet, vor allem zu Weihnachtsschmuck. Es ist eine Mischung aus Tradition und Moderne. Und es ist eine Mischung aus Eigengewächsen und Investitionen von auswärts. Natürlich nutzten viele nordbayerische Unternehmen nach der Wende die Möglichkeit, ihre Kapazitäten durch Investitionen im Raum Sonneberg zu erweitern. Es gab mehr Geld vom Staat

und die neuen Produktionsstätten waren trotzdem nicht aus der Welt. In manchen Fällen jedoch wurden einfach historische Verbindungen wieder aufgenommen. Die Firma Heinz Glas aus Kleintettau, auf der bayerischen Seite des Schiefergebirges, verweist in ihrer Firmenhistorie ausdrücklich auf familiäre Verbindungen nach Neuhaus am Rennweg, dem Höhenstädtchen nördlich von Sonneberg. Heute hat das Unternehmen wieder einen Standort am Rennsteig, und die ehemalige Kunststoffsparte sitzt als eigenständiges Unternehmen in Neuhaus am Rennweg, die HPT Hochwertige Pharmatechnik GmbH. Beide Unterneh-

men zählen auf ihrem jeweiligen Gebiet zu den Marktführern in Deutschland, wenn nicht gar weltweit. Oder das Beispiel Vitrulan in Haselbach: Als der Vitrulan-Konzern aus dem fränkischen Marktschorgast im Jahr 1992 ein Werk für die Produktion von Glasfasern in Haselbach im Landkreis Sonneberg übernahm, da schloss sich der Kreis einer Industriegeschichte. Denn in den 20erJahren des vorigen Jahrhunderts wurde die Glaswolle hier im fränkisch geprägten Südthüringen erfunden. Seit 20 Jahren wird sie nun auch wieder hier produziert. Die Vitrulan Technical Textiles GmbH gehört zu den weltweiten Marktführern im

Bereich der Armierungsgewebe und technischer Glasfasern. Das Unternehmen engagiert sich für die technische Weiterentwicklung seiner Produkte. Und der Vitrulan-Konzern zeigt, dass Standorte in Ostdeutschland weit mehr sein können als billige verlängerte Werkbänke. Die rund 120 Mitarbeiter in Haselbach verdienen 100 Prozent des WestTarifes. Zum Vergleich: In ganz Thüringen – und auch in manch Sonneberger Betrieb – liegt die Bezahlung noch immer rund 20 Prozent unter dem WestDurchschnitt. Aber: Es herrscht nahezu Vollbeschäftigung, und es mangelt an Fachkräften: Das drückt die Löhne nach oben. Inzwischen ist die Region rund um Sonneberg wirtschaftlich so stark, dass sie sogar Arbeitskräfte anzieht. Sonneberg ist eine der wenigen Thüringer Städte, die in den vergangenen Jahren eine steigende Einwohnerzahl vorweisen konnte. Gemeinsam mit den fränkischen Nachbarn bündeln die Sonneberger Unternehmen ihre Interessen im Verein WIR, veranstalten Messen, gehen gemeinsam auf Bewerber-Suche. Erstes Ergebnis: Schon mehrere Dutzend Menschen aus dem Raum Frankfurt (Oder) sind in den vergangenen zwei Jahren in den Raum Sonneberg gezogen. In der Heimat gab es für sie keine Perspektive mehr. In Sonneberg haben sie sie gefunden. Natürlich, noch immer pendeln mehrere Tausend Arbeitnehmer jeden Tag aus dem Landkreis Sonneberg zur Arbeit aus, doch die Zahl der Einpendler steigt stetig. Und noch immer gibt es Abwanderung. Sonneberg ist eben nicht Stuttgart oder München und auch nicht Coburg oder Bamberg. Noch immer fehlt in der Wirtschaftsstruktur der Mittelbau. Arbeitsplätze im mittleren Management sind rar, Akademiker suchen daher nicht selten ihr Glück anderswo. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass sie eines Tages zurückkommen. Wenn sich Sonneberg so rasant weiter entwickelt wie in den vergangen 25 Jahren.


Leben im Osten – Wertewandel Studie

Donnerstag, 2. Oktober 2014

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Ihres Glückes Schmied

Die langjährige Ausnahmesportlerin Birgit Fischer hat sich als Unternehmerin ein neues Leben aufgebaut Von Peter Stein Brandenburg/Havel. Die frühere Ausnahmekanutin Birgit Fischer aus Brandenburg an der Havel betreibt mittlerweile eine Paddelschule und fotografiert. Birgit Fischer sitzt auf der Terrasse des Hotels „Bollmannsruh“ am Ufer des Beetzsees und nippt am Schwarzbier. Versonnen schaut sie hinaus aufs Wasser. Die Wellen plätschern im gleichmäßigen Singsang ans Ufer. Hier kennt die 52-Jährige jeden Schilfhalm, jede Bucht – das ist ihr Revier, das Fritze-Bollmann-Revier. Das verspottete Brandenburger Original, das mit seinem „Äppelkahn“ beim Angeln über Bord ging, hatte ein eher leidiges Verhältnis zum kühlen Nass. Birgit Fischer indes hat ein Gefühl und ein Gespür für Wasser. Keiner trieb so erfolgreich wie sie das Paddelboot voran. Die Kanutin gewann acht Mal olympisches Gold, holte insgesamt 27 WM-Titel vor und nach der Wende. Als die Mauer fiel, saß sie mit der drei Wochen alten Tochter Ulla auf dem Arm „vielleicht vorm Fernseher“. So genau könne sie sich nicht mehr daran erinnern. „Vielleicht haben mich auch Freunde angerufen, ich war ja mit meinen Kindern beschäftigt.“ Sohn Ole war damals drei. „Ich gebe zu, ich habe das ungläubig verfolgt und mich gefragt, was soll das jetzt? Ich hatte nicht die Not, auf die Straße zu gehen. Was ich machen wollte, konnte ich in der DDR tun. Durch den Sport bin ich ja auch in den Westen gereist, dorthin wollte ich nicht“, erzählt Birgit Fischer wie über eine Belanglosigkeit. Dann legt sie nach: „Damit ich nicht falsch verstanden werde, dass die Mauer gefallen war, fand ich gut. Viele Familien kamen wieder zusammen. Auch ich hatte einen Westonkel und eine Westtante in Nordrhein-Westfalen, mit denen ich mich vorher bei Starts im Westen heimlich getroffen hatte. Der Stasi hat das nicht gefallen, aber meine Medaillen waren wichtiger.“ Mit dem Leistungssport hatte sie vor 25 Jahren ohnehin abgeschlossen. 1988 bei Olympia in Seoul sollte ihr letzter großer Auftritt sein. Nun schrieb sie noch an ihrer Diplomarbeit für ihr Sportwissenschaftsstudium an der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) in Leipzig, Außenstelle Potsdam. Das

An mehreren Plätzen zu sehen: Fotografien von Birgit Fischer Thema waren Trainingspläne im Kanurennsport während eines vierjährigen Olympiazyklus’. Sie sagt: „Die Trainingsvorgaben vom DDR-Verband waren das eine, ich habe ungefähr die Hälfte gemacht, sonst hätte ich mich tot trainiert.“ Mit sechs Jahren fing sie bei der Betriebssportgemeinschaft Stahl Brandenburg an, 1976 kam sie an die Sportschule nach Potsdam, mit 18 holte sie 1980 in Moskau im Kajak-Einer über 500 Me-

ter ihr erstes Olympia-Gold. Ihre Karriere ging steil nach oben, so, als würde sie im Fluge einen Berg erklimmen. „Ich habe immer diszipliniert und klug trainiert, aber nie verbissen. Ich habe meine Pläne umgesetzt, schon immer mein Leben selbst in die Hand genommen“, schätzt die gestandene Frau ein, die sich nach der Wende noch mehr um sich selbst kümmern musste. Das Haus in Kleinmachnow, unmittelbar an der Grenze zu

Foto: Peter Stein

Westberlin, das sie noch im März 1989 mit ihrer jungen Familie gekauft hatte, ging nach zehn Jahren Klage wegen Rückübertragungsansprüchen verloren. Ihr Mann Jörg hatte sie 1992 verlassen, da saß Birgit Fischer längst wieder im Boot. Weil sie in Potsdam keiner mehr fördern wollte, startete sie für einen Mannheimer Verein. Auf dem Teltowkanal, einstiges Niemandsland im Grenzstreifen, brachte sie sich in Form und gewann 1992

in Barcelona Gold und Silber bei Olympia. Die Ausnahmekanutin sammelte erneut Medaillen am Fließband und hatte ihr Auskommen bis Olympia 2000. Im Februar 2001 zog sie mit ihren beiden Kindern in ein 1930 erbauten Haus in Bollmannsruh bei Brandenburg/Havel, das sie selbst sanierte. Birgit Fischer war angekommen, erneut am Beetzsee in ihrem Revier. Zwei Jahre arbeitete sie gar als U-23-Bundestrainerin. Dann stieg die Erfolgs-

garantin wieder ins Boot. 2004 krönte sie das erneute Comeback mit dem achten Olympia-Gold in Athen und wurde Deutschlands „Sportlerin des Jahres“. Im selben Jahr öffnete die selbstständige Unternehmerin ihre private Paddelschule „KanuFisch“, die sie bis heute mit großem Erfolg betreibt. In diesem Sommer waren ihre Kurse ausgebucht. „Viele kommen, um das richtige Paddeln zu erlernen, andere auch, um mich einfach mal

kennenzulernen“, erzählt die taffe Frau, die auch vor Wirtschaftsmanagern Vorträge zur Motivation hält. Die Kinder – Ole arbeitet als Informatiker in Marburg, Ulla studiert in Holland Tourismusmanagement – sind aus dem Haus, ein Mann sei nicht eingezogen. Aber eine wie Birgit Fischer bläst keine Trübsal. Mit der Paddelschule habe sie ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. „Die Lust am Paddeln ist immer da.“ Außerdem frönt sie mit der Fotografie einem weiteren Hobby mit geschäftlichen Ambitionen. Die Ex-Sportlerin hat längst mehrere Ausstellungen bestritten, in ihrer Geburtsstadt Brandenburg sind die Fotografien der Ehrenbürgerin gleich an mehreren Plätzen zu sehen. Auch in diversen Bildbänden kann man ihre Werke bestaunen. Als Naturmensch sind es insbesondere Naturfotografien, die sie präsentiert. „Wasserwelten“ oder „Jahreszeiten im Havelland“ heißen etwa die Themen. „Alles in der unmittelbaren Umgebung fotografiert“, berichtet die Künstlerin, die keine Preise gewinnen will, sondern der es wichtig ist, etwa bei einer Vernissage Anerkennung von den Gästen zu erfahren. Wenn frühmorgens der Nebel über den Beetzsee wabert oder die ersten Sonnenstrahlen die Wellen kitzeln, dann ist die Kanutin längst auf Fotopirsch. Birgit Fischer braucht keinen Fernseher, ihr Bilderbuch ist die Natur, zu jeder Jahreszeit, zu jeder Tageszeit. Oft schläft sie draußen im Zelt auf dem Bootshaus, bestaunt den Himmel und freut sich über Sternschnuppen. Der Fotoapparat ist immer dabei. Birgit Fischer möchte nirgendwo anders zu Hause sein. Wenn sie eine Zwischenbilanz ziehen sollte, über das Leben vor und nach der Wende, dann stellt sie fest: „Ich bin zufrieden. Die größeren Ausschläge waren über der Linie, aber auch die unter der Linie waren wichtig für die Neuorientierung.“ Ob es ihr vorher besser als nachher ging, sei für sie nicht die Frage, meint Birgit Fischer: „Die Prioritäten ändern sich mit den Lebensumständen. Für die einen ist die große Freiheit des Reisens wichtig, für die anderen, dass sie Kitaplätze für ihre Kinder haben oder einen guten Job. Ich habe immer versucht, meines Glückes Schmied zu sein, wie man so schön sagt.“

Stadt der Wissenschaft und Konjunktur-Oase

Zusammenspiel von Forschungseinrichtungen und Unternehmen führt zu Erfolg Von Lioba Knipping

Konzern mit 3500 Mitarbeitern: Das Hauptgebäude der weltweit agierenden, börsennotierten Jenoptik AG in Jena. Foto: Peter Endig

Jena. „In Jene lebt sich’s bene“, heißt es schon in einem alten Studentenlied. Aber die mit rund 106 000 Einwohnern, darunter knapp 25 000 Studenten, eher kleine Großstadt in Thüringen ist in den vergangenen 25 Jahren noch attraktiver geworden. Die Garanten für diese und eine weitere gute Entwicklung, die wissenschaftlichen Institutionen, sind über die ganze Stadt verteilt: Friedrich-Schiller-Universität und Ernst-Abbe-Fachhochschule, Institute von Max Planck, Fraunhofer, Leibnitz, Löffler und Helmholz, der Forschungs-Komplex am Beutenberg – die Wissenschaftsstadt Jena ist bestens aufgestellt. Und das gilt auch für die Wirtschaft: Unternehmen wie Carl Zeiss, Schott und Jenoptik, Analytik Jena, Jenaoptronik und viele andere bringen der Stadt regelmäßig gute Einnahmen. Die Arbeitslosenquote liegt derzeit lediglich bei etwas mehr als sieben Prozent. Hinzu kommt, dass die meisten Arbeitgeber eine familienfreundliche Unternehmenspolitik betreiben. Viele sind Mitglied im lokalen Bündnis für Familie und ermöglichen nicht nur flexible Arbeitszeiten. Jenoptik und Zeiss haben sogar wieder Betriebskindergärten eingerichtet, in denen der Nachwuchs ihrer Beschäftigten umsorgt wird. All dies beschert

der Stadt seit Jahren steigende Entwicklung der Stadt in die richEinwohnerzahlen. tigen Bahnen lenkten. Dazu geJena ist ein gefragter Tech- hörte der einstige baden-würtnologie-, Forschungs- und Wirt- tembergische Ministerpräsident schaftsstandort, der Fachkräfte Lothar Späth (CDU), der gegen nicht nur aus Thüringen an- den Widerstand der Bürgerinnen zieht. Die Stadt hat sich zu ei- und Bürger in die Stadt geschickt ner Konjunktur-Oase mitten im worden war, um das Zeiss-Komüberwiegend strukturschwachen binat zu zerschlagen. Mit viel Ostdeutschland entwickelt. Die Geld von Treuhand und Land Region profitiert vor allem von Thüringen kaufte Späth damals einer klugen Stadtentwicklungs- Zeit und legte den Grundstein politik, mit der schon unmittel- für den heutigen Jenoptik-Konbar nach der Wende begonnen zern mit nun mehr als 3500 Mitwurde. Eigentlich sogar noch viel arbeitern. Rund 16 Prozent der Belegschaft sind früher, denkt man an das berühmte im Ausland beAuch die weichen Dreigestirn Carl schäftigt. Späth Standortfaktoren Zeiß, Ernst Abbe und Alt-Oberbürund Otto Schott. germeister Peter tragen zur Ohne die GrünRöhlinger schufen Attraktivität bei gemeinsam die dung ihrer Werke in Jena im zu Ende Grundlagen für gehenden 19. Jahrhundert und den heutigen Erfolg Jenas. Eheohne ihre wissenschaftlichen malige Zeiss-Mitarbeiter gründeForschungen, die unmittelbar ten eigene prosperierende Unin Industrieprodukte mündeten, ternehmen beispielsweise in der hätte die Stadt diesen Weg nicht optischen Industrie, im Bereich beschreiten können. Raumfahrt und in der MedizinDieses Zusammenspiel zwi- technik. Allerdings standen von schen Wirtschaft, Wissenschaft 30 000 Beschäftigten zunächst und Forschung, dieses Netzwerk 16 000 auf der Straße. ist es, das auch heute den ErZu den couragierten Menschen folg Jenas ausmacht. Unterneh- nach der Wende gehörte aber men vergeben Forschungsauf- auch der spätere Wissenschaftsträge und Doktorarbeiten an die und Kulturminister des FreistaaHochschulen, und sie unterstüt- tes Thüringen, der Jenaer Gerd zen Forschung und Entwicklung Schuchardt (SPD), ein ehemalibeispielsweise mit der Finanzie- ger Zeissianer. Ihm und zahlreirung von Lehrstühlen. chen Mitstreitern ist es zu danNach der Wende bedurfte es ken, dass Schott und Zeiss heute couragierter Menschen, die die überhaupt noch in Jena existie-

ren. 1990 hatte es einen Machtkampf zwischen Zeiss-West und Zeiss-Ost gegeben, den die Jenaer in ihrem Sinne entscheiden konnten. Aber auch die sogenannten weichen Standortfaktoren stimmen: Jena liegt in einem idyllischen Tal, umgeben von viel Wald und von Muschelkalkhängen, an denen Wein und seltene Orchideen gedeihen. Längst stehen diese Gebiete unter Schutz. Durch die Stadt fließt die Saale, umgeben vom einstigen Volkspark Oberaue. Wiesen laden zum Verweilen ein, die Saale an einigen Stellen sogar zum Baden. Mit der Jenaer Philharmonie verfügt die Stadt über das größte Konzertorchester Thüringens, dessen musikalisches Können längst über die Landesgrenzen hinaus geschätzt wird. Es gibt Kunstausstellungen, die europaweit Furore machen, und eine städtische Kunstsammlung, deren Grundstein zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelegt wurde. Wer mit dem ICE kommt, der steigt im „Paradies“ aus – so heißt der Bahnhof –, und er kann mit der Straßenbahn bald bis ins „Himmelreich“, eines der Wohngebiete im Norden, fahren. All das zusammen macht den Erfolg aus – und führt auch dazu, dass Jena in so gut wie allen Rankings, in denen Wirtschaftsforscher die Leistungsfähigkeit der deutschen Städte untersuchen, immer weit vorn liegt.


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